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Full text of "Naturwissenschaftliche Wochenschrift"

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Redigirt 


von 


l>i*.  H.  Potoiiie, 

Docenteii  der  Pilaiizenpalaeontologie  an  der  Kgl.  Bergakademie  zu  Berlin  und  Geologen 
an  der  Kgl.  Preuss.  geologischen  Landesanstalt. 


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ACHTER  BAND 

-^    (Januar  bis  December  1893). 


BERLIN. 


Ferd.    Dümmlers   Verlagsbuchhandlung. 


Inhalts -Verzeichniss. 

Die  Original-Abhandlungen,  -Mittheilungen  und  -Abbildungen  sind  durch  die  Beifügung  der  Abkürzung  „Orig."  gekenn- 
zeichnet;  ausserdem   sind  viele  Autoren   an   den  Referaten  über  ihre  Arbeiten  dadurch  betheiligt  gewesen,  dass  sie  die 

Correcturen  gelesen  haben. 


Seite 

Allgemeines  niul  Verschiedenes. 

Aschersoii  (siehe  Zoologio). 

Driesch,  Mathematisch-  mechanische 
Betrachtung  morphologischer  Pro- 
bleme der  Biologie 113 

Franke,      Zum     Brunnenunglück     in 

Sclineitlemühl  (Orig.) 341 

Friedel,  Sechellen  Nuss  aus  d.  Spree- 
bett (Orig.)      .     .     ._ 378 

Hahn,  Der  Scheich  im  Nibelungen- 
liede    2« 

Jordan,  Ist  die  unmittelbare  Ge- 
dankenühertragung  oder  mentale 
Suggestion  erklärbar?  (Orig.)  .      44,     152 

Klein,  Anmerkungen  zu  Jordan's  Ar- 
tikel über  Gedankenübertragung 
(Orig.) 45,     162 

Lucks,  Ursachen  des  natürlichen  Todes 

(Orig.) 4.Ö3,    4il0,     503 

— ,  Vererblichkeit  erworbener  Organ- 
Abänderungen  (Orig.) 375 

Nies,  Ueberschätzung  der  Neigung  bei 

Böschungen  (Orig.)      .     .  ...     287 

Angelegenheiten  der  Naturwissenschaft- 
lichen Wochenschrift  ....      10.     164 

Philosophie. 

Dreher,  (Jeher  den  Ursprung  und  die 
Bedeutung  d.  geometrischen  Axiome 
(Orig.) 158 

Anthropologie. 

Aisberg,    F  ritsch,    von    Hey  den, 
Krause   und   Waldeyer,    Rechts- 
und Linkshändigkeit  ....    423,     424 
Ammon,     Natürliche     Auslese     beim 

Menschen 542,     553 

Bedart,  Vererbung  einer  Missbildung     159 
Krause,    Megalithische   Denkmäler     .     425 
Liesegang,   Die  Gehörfarben  (Orig.)     359 
Merkel,    Blumenbach's   Schädelsamm- 
lung     421 

Nehring,  Gleichzeitigkeit  des  Men- 
.schen   mit  der  sog.  Mammuthfauna 

(Orig.) 589 

Parizi,  Ist  der  Mensch  omnivor,  her- 

bivor  oder  carnivor? 141 

Ranke,     Schwimmhautbildung     beim 

Menschen 426 

Kowald,   Das  Opfer   beim  Baubeginn     423 
Schuchardt,    Neuer   deutscher  limes     423 
Stolpe,  Ausgrabungen  auf  der  Karls- 
insel     425 


Seite 

V  i  r  c  h  o  w ,  Stand  der  prähist. Forschung 

u.   Wiege   des   Menschengeschlechts  422 

— ,  Zwergrassen 425 

Waldeyer.  Missbildungen  am  Schädel  425 
Wallenberg,    Raumvorstellung  eines 

Blindgeborenen  ((_)rig.) 357 

W  e  s  t  e  r  m a r  c  k  ,  Naturgeschichte  d.Ehe  330 
Wülfling,    Untersuchungen  über  den 

kleinsten  Gesichtswinkel      ....  361 

Die  Heisterburg 421 

Ende  der  Ca nnstadt- Rasse  ...  67.  120 
Geburten      und     Eheschliessungen      in 

Venezuela 295 

Zoologie. 

Alcock,  Zusammenleben  zweier  ver- 
schiedener Thierarten 536 

Ascherson,  Die  Ziegen  mit  goldenen 

Zähnen  und   das   Goldkraut  (Orig.)     121 

Binet,  Vergleichende  Physiologie  des 

Nervensystems  der  Coleopteren  .     .     593 

Blanchard,  Dasselfliegenlarven  Inder 

Menschenbaut 377 

Brandes,    Blattläuse    und   Honigthau     583 

Braun,  Künstliche  Erzeugung  von 
Doppel-,  Halb-  und  Zwergbildungen 
bei  Thieren  (Orig.  mit  Orig.- Abb.)  .     265 

Bü  tschl  i ,  Künstliche  Nachahmung  der 

karyokinetisehen  Figur 149 

C  h  o  1  o  d  k  (1  v  s  k  y ,    Zur    Kenntniss    der 

Coniferen-Läusi' 68 

Cotejean  und  Werner,  Selbstver- 
stümmelung bei  Heuschrecken     .     .     178 

Dareste,  E.xperimental-Teratogenie    .     386 

Dreyer,  Physikalische  Erklärung  v. 
Formenverhältnissen  organ.  Skelett- 
bihlungen    (Orig.   mit   Orig.-Nachb.)     225 

Dune  k  er,  Maden  an  Kröten  ....     361 

Dutczynski,   Insectentlug      ....     445 

Fleischer,  Die  Eiche  als  Käferwoh- 
nung    295 

Gaubert,  Autotomie  bei  Nymphon    .     561 

Gaule,  Der  Einfluss  des  Nervus  trige- 

minus   auf  die  Hornhaut  des  Auges       96 

Giard,  Lamarck's  Theorie  und  die  Vi'r- 

erbung   körperlicher  Abänderungen     441 

G  r  a  w  i  t  z ,  Dochmins  siehe  unter  Medicin. 

Greef  u.  Noll,  Trichosphaerium  Sie- 

boldii .548 

Haacke,   Träger  der  Vererbung     .     .     523 

Hacker,    Bedeutung    des    Haupt-Nu- 

cleolus 451 

Hagen,     Conservirungsflüssigkeit    für 

zoologische  Präparate  (Orig.)  .     .     .     337 

Harn  a  c  k ,  Giftfestigkeit  des  Igels  gegen 

Cyankalium  (z.  Th.  Orig.)     .     .    128,     329 


Seite 

H  e  g  e  m  a  n  n .  Geschichte  des  Walfanges    259 
H  e  n  s  e  n ,  Einige  Ergebnisse  d.  Plankton- 
Expedition  567 

His,  Aufbau  unseies  Nervensystems    .     520 
K  e  n  n  el ,    Verwandtschaftsverhältnisse 

der  Arthropoden  160 

K I  e  i  n s c  h  m  i  d  t .  Wie  hält  der  fliegende 

Rauhvogel  die  Fänge? 537 

König,  Die  Biene  als  Depeschenträge- 
rin verglichen  mit  der  Taube  (Orig.)     305 
Kükenthal,    Pflanzenfressender   Del- 
phin     274 

—  Zur  Phylogenese  der  Säugethiere    .     205 
Kunckel  d'Herculais,  Farben  Wech- 
sel der  Wanderheuschrecke     .     .     .     241 
K  u  t  a  g  i  n ,  Verwandtschaft  der  E.skimo- 

hunde 188 

Lach  mann,       Süsswasser  -  Aquarien 

(Orig.  mit  Orig.-Abb.)      .....       78 
Loeb,   Zur   Experimental-Embryologie     460 
Ihering,  Leydig,  Ludwig  u.  Wag- 
ner, Aufenthalt  der  Afterskorpione     572 
Marey,  Analyse  der  Sehwimm-Bewe- 
gungen   des   Rochens.     (Mit   Orig.- 

Nachbild.) 209 

Martens,  Ueber  Schütt's  „Analytische 

Planktonstudien"  (Orig.)  ....  158 
Mehely,  Verbreitung  der  Kreuzotter.  350 
Mülli'r,  Im  Wasser  lebende  Raupen  .  336 
Nagel,  Chem.  Sinn  bei  Actinien  .  .  459 
Nehring,  Ki'euzungen  von  wilden  und 

zahmen  Meerschweinchen  (Orig )  .  473 
— ,  Neuer  Wanderzug  des  Tannen hähers 

(Orig.) 500 

— ,  Raupenfrass  an  Knieholz  des  Riesen- 
gebirges (Orig.) 445 

Noe,  Lebenszähigkeit  von  Skorpionen     593 
Petersen,  Dichogamie  bei  Schmetter- 
lingen  388 

Piokering,  Ph3'siol.  des  embryonalen 

Herzens 244 

Piette,  Equus  zur  Rennthierzeit     .     .     178 
Poppe,  Vorkommen   von  Mus   alexan- 

drinus  in  Vegesack  (Orig.)  ....     505 

Pouchet,  Ocean-Sardine 260 

Pouchet  und  Beauregard,  Verzeich- 
niss über  Cetaceen  an  der  franzö- 
sischen Küste 171 

Preyer,  Angebliche  Giftfestigkeit  des 

Igels  (Orig.) 255 

Ra i 1 1  e t,  Krätze  b.  Kaninchen  u.  Katzen     242 
— ,  Megnin,  Laver  an  u.  Cadiot,  Im 

Ohr  V  Säugethieren  lebende  Milben  27 
Rey,  Baldamus  u.  a.,   Fortpflanzung 

des  Kuckuck 171 

Ridgway,     Erblindung     von    Krähen 

durch  Kälte  (z.  Th.  Orig.)     ...      274 


3  8  81.8 


IV 


Inhalts  -Verzcicliniss. 


Seite 

Rittmeyer,  Ueber  die  Nonne  (Liparis 

monacha)  (Orig.  mit  Abb.)  ....       83 

Russ,    Freilebende   Papageien    in   der 

Mark  Brandenburg  {z.  Th.  Orig.)     .       58 

Scbmidt,   Mitbewohner  von  Ameisen- 

baiiten 426 

Schulze,  System  der  Hvalonomatiden 

414,     427 

— ,  Zur  Bezeichnung  der  Lage  u.  Ricli- 

tung  im  Thierlvörper 188 

Seitz,  Zur  Mimicry 459 

S  tru  b  e  11 ,  Entwickelungsgeschichte  der 

Pedipalpen 129 

Thomas,  Fischfressende  Nagethiere  .     274 

Verhöff,  Staehelapparate  d.  Insekten- 
puppen     323 

Verworn,    Physiologische  Bedeutung 

des  Zellkerns 485 

Voigt,  Fortpflanzung  v.Planariaalpina      27 

Vosseier,   Biol.  Mitth.   über   Orthopt. 

aus  Oran 472 

W  e  s  t  h  o  f  f ,  Geschlechtsreife  Larven  bei 

unseren  Lurchen 89!) 

Wiese's  Conservirungsflüssigkeit    .     .     337 

Ziemer,  Stellung  der  Raubvögel- 
Fänge  beim  Fluge 336 

Bison-Ausrottung 561 

Material  der  essbaren  indischen  Vogel- 
nester   39 

Neuseeländische  Vögel 274 

Schmetterlingsinvasion 242 


Botanik. 

Ascherson  sielie  Zoologie. 

Baenitz,  Herbarium  Europaeum      10,     525 

Binz,  Ueber  StJirkekörner 204 

Eggers,   In    der  Heimath   des   Caeao 

(Orig.) 51 

Engler,  Das  natürl.  Pflanzensystem  .       31 
Fauvelle,   Transformation   der  Pflan- 
zenwelt (mit  1  Schema)  .....     417 
Frank,   Assimilation  des  Stickstoffs    .     296 
Giard,     Neue    Gattung    der    Laboul- 

beniaeeae 209 

Giesenhagen,    Hexenbesen    an   Farn 

und  hygrophyle  Farne 204 

Graebner,  Das  Reifen  der  Früchte 
und  Samen  frühzeitig  von  der  Mutter- 
pflanze    getrennter     BlUthenstiinde 

(Orig.) 581,    596 

Haberlan  dt.  Anatomisch -physiologi- 
sche Untersuchungen  über  das  tro- 
pische Laubblatt 179 

— ,  Die  Mangrove  (mit  Abb.)   ....     577 
Hennings,  Algenflora  des  Müggelsees 

(Orig.) 81 

Hock,  Kosmopolitische  Pflanzen  (Orig.)     135 
Kayser,     Entwickelung    der    Samen- 
decken bei  den  Eupliorbiaceen    .     .       27 
Keller,  Myrniecophile  Akazien.     .     .     8(il 
Klebs,    Fortpflanzung    der    Vaucheria 

sessilis 381 

Kuntze,  Botanische  Excursion  durch 
die  Pampas  und  Monte-Formationen 
nach  den  Cordilleren  (Orig.)     4,  90, 

214.'^  264,  327,     575 
Kurtz,  Berichtigung  zu  Kuntze's  Auf- 
satz (Orig.)       .....     214,  327,     551 
Loesener,   Zur  Verbreitung,  Biologie 
und     Geschichte     von     Ilex     Aqui- 

folium  L.  (Orig.) 15,       50 

Loew,  Anfänge  epiphyt.  Lebensw.  b. 
Gefässpfl.    Norddeutschi.     (z.    Theil 

Orig.) 210 

Möller,  Pilzgärten  von  Ameisen     .     .     247 
Nägeli,  Oligodynamische  Erschein,  in 

lebenden  Zellen  ...  ....     455 

Nawaschin,   Betuhi    ebenfalls    chala- 

zogam  (mit  Orig.-Nachb.)     ....     142 

— ,  Die  ,.Mikrosporangien"  d. Torfmoose     295 
Neil,  Einfl.  d.  Phosphat-Ernährung  auf 
Pflanzen  (Orig.) "  .     .     181 


Seife 

Otto.  Einfluss  von  Lvsol  auf  Pflanzen 

(Orig)      .     .     .     .   " 68,     181 

— ,  Aufnahme     und    Speicherung    von 
Kupfer     durch     die    Pfanzenwurzel 

(Orig.) 565 

Pfeffer,  Reizbarkeit  der  Pflanzen      .     533 
Potonie,   Das  natürl.  Pflanzensystem 
Engler's    und    Treub's    Unters,    zur 
syst.  Stellung   von  Casuarina  (<  >rig. 
mit  Orig.-Nachb.)     ......       31 

— ,  Was  sind  Blumen?    (Orig.  m.  z.  Th. 

Orig.-Abb.) 195 

— ,  Der   Begriff   der  Blüthe  (Orig.   mit 

Orig.-Abb.) 517,     584 

Pouchet,  Neue  schwimmende  Meeres- 
alge      161 

— ,  Pelagische  Flora  des  Naalsoefjords 

und  des  Dyrefjords 286 

Prantl,  System  der  Farne  ....  150 
Seh  midie.   Algen  des  Schwarzwaldes 

und  der  Rheinebene 451 

Schorler,    Schinetterlingsfang    durch 

Drosera  rotundifolia  (Orig.)     ...       38 
Seh  weinf  urt  h,  Balsam  und  Myrrhe.     547 
Solms  -  Laub  ach,        Geschichtlielier 
Rückblick    auf   die   Botanische   Zei- 
tung      90 

Stahl,  Regenfall  und  Blattgestalt  (mit 

Orig.-Nachb.)  .........     284 

Stoney,  Energiequellen  der  Bacterien  537 
Ta  u  b  e  r  t ,  Vorkommen  einer  Gleditschia 

in  Süd-Amerika  (Orig.) 161 

Tavel,  Wirth Wechsel  der  Rostpilzo  .  350 
Thomae,    Bildung   der   Eiweisskörper 

(Orig.) 469 

— ,  MyrmekophiliedesAdlerfarns(Orig.)  524 
Tre  a  b,  Untersuchungen  über  Casuarina 

(mit  Orig.-Nachb.) 31 

Williams,  Jlonographie  von  Dianthus  244 
Wollnj-,  Elektrische  Culturversuche  472 
Zoobel   und  Mikosch,   Function  der 

Grannen  der  Gerste     ....    223.     348 
Botanisches  Laboratorium  in  Florida   .     474 


Palaeontologie. 

Buschan,  Die  tertiären  Primaten  und 
der  fossile  Mensch  in  Südamerika 
(Orig.) .-.•••         1 

Conwentz,  Wasserniiss  fossil  in  West- 

preussen  (Orig'.)  ......    337,     362 

Cope,  Fos,siler  SchlangenGiftz.-ihn      .     388 

Friedel,  Reecnte  Steinnüsse  als  ver- 
meintliche Fossilien  (Orig.)      .     .     .     378 

G  ü  n  t  h  e  r,  Palaeontologie  und  physische 

Geographie 556 

Lesquereux,  Florader  Dakota-Gruppe     438 

N  e  h  r  i  n  g ,  Ueber  die  Tundren-,  Steppen- 
und  Waldfiuina  aus  der  Grotte  „zum 
Schweizerbild"  bei  Schaffhausen 
(Orig.) 91 

Pavlow,  Rhinozeriden 254 

Potonie,  Folliculites  eine  fossile  Ana- 

cardiaccen-Gattung  (Orig.)  ....       58 

— ,  Stigmaria  -  Erhaltungsweise  als  Be- 
weis für  die  Autochthonie  von  Car- 
boupflanzen 312 

— ,  Recente  Steinnüsse  als  vermeiuriiclie 

Fossilien  (Orig.)  ........     337 

— ,  Eine  Psilotacee  des  Rothliegenden 
(Orig.  mit  Orig.-Abb.) 343 

— ,  Folliculites    (mit   Orig.-Nachb.   und 

Orig.-Abb.) 395 

— ,  Volumen-Reduction beiUmwandlung 

von  Pflanzenmaterial   in  Steinkohle     485 

— ,  Blattformen  fossilm-  Pflanzen  in  Be- 
ziehung zu  den  Niederschlägen 
(Orig.) ...    513 

Rohon,   Ein    mesozoischer  Fisch   vom 

Altai- 87 

Stirling.  Diprotodon-Skelette    ...     286 

Weber,  Vegetation  des  diluvialen  Torf- 
lagers bei  Klinge 398 


Seite 

Weberbauer.  Brasenia  Victoria    .     .     398 

W  h  i  t  e  f  i  e  1  d ,  Gastropoda  und  Cepha- 
lopoda  aus  Kreide  und  Tertiär  von 
New  Jersey 439 

Zeiller,  Williamson  und  Potonie, 
Ueber  die  Sphenophyllaceen  (z.  Th. 
Orig.,  mit  Orig.-Nachb.) 219 

Zimmermann,  Dictyodora  Liebeana 
eine  räthselhafte  Versteinerung  (Orig. 
mit  z.  Th.  Orig.-Abb.) 1.55 

Z  i  1 1  e  1 ,  Geologische  Entwickelung,  Her- 
kunft und  Verbreitung  der  Säuge- 
thiere . 501 


Mineralogie  imd  Geologie. 

Berendt,  Der  Gletschergarton  auf 
dem  Adlerfels  in  Schreiberhau  im 
Riesengebirge  (mit  3  Abb.)      .     .     .     165 

— ,  Südbaltische  Endmoräne     ....     412 

Brackebusch,  Geologische  Karte  von 

Mittel  Argentinien 412,     446 

C  r  e  d  n  e  r ,  K  e  i  1  h  a  c  k ,  N  e  h  r  i  n  g ,  P  o  - 
tonie.  Wahnschaffe,  Weber 
und  Weberbauer,  Neuere  Unter- 
suchungen über  das  diluviale  Torf- 
lager bei  Klinge  unweit  Kottbus  (mit 
z.'Th.  Orig.-Abb.) 393 

Endriss,  Fr  aas  und  Gussmann, 
Höhlen  der  scliwäbischen  Alb  (mit 
Orig.-Nachb.) 429 

Franke,  Zur  Sidineidemühler  Brunnen- 
kalamität (Orig.) .288 

Gottsche,  Südl)altische  Endmoräne  in 

Schleswig-Holstein .412 

G  r  e  b  e ,  H  a  u  c  h  e  c  o  r  n  e  und  P  o  t  o  n  i  e , 

Devon-Kohle  in  der  Eifel    ....     221 

Hague,  Eureka-District 439 

Herr m a n n ,  Culmgebict  von  Lenzkirch     450 

.Jaeger,  Eiszeit  im  Reicheidialler  Thal     364 

Keil  hack,  Wanderdünen  in  Pommern     413 

K 1  o  c  k  m  a  n  n ,      Lagerungsverhältnisse 

des  Ranimelsberges 412 

Koch,    Tektonische    Verhältnisse    des 

Oberharzer  Diabaszuges  .     .     .413,     446 

Laspeyres,  Beyrichit 29 

Lepsius,  Geologische  Karte  von  Attika     412 

—  Moränen  im  Taunus  und  Odenwald     413 

Meyer,  Georg",  Die  Geologie,  eine  Lehr- 
meisterin des  19.  Jahrhunderts  (Orig.)       61 

Meyer,  Rieh.  Jos.,  Künstliche  Dar- 
stellung der  Diamanten  (Orig.)    .     .     245 

Moissan,   Künstlich»  Darstellung  der 

Diamanten 245 

Munster,  Gold  und  Silber  im  Meeres- 
wasser      800 

Nios,  Münznietalle  und  Ausbeute- 
münzen     275 

Pfaff,    Geologie    aus    dem    badischen 

Oberland 451 

Rinne,    Verhalten    der  Zeolithe   beim 

Erwärmen 399 

Sieiniradzki,  Zur  Geologie  von  Nonl- 

Patagonien 299 

Stelz  ner,  Obsidianbombeu  aus  Austra- 
lien       411 

Supan,   Erdbebenstatistik  in  Japan     .     161 

Thomson,  Mitwirkung  der  atmosphä- 
rischen Niederschläge  bei  der  Ge- 
staltung des  festen  Landes      .     .     .     210 

Wich  mann,  Ausbruch  des  Bunung 
Awu 413 

— ,  Obsidia.nbondien  von  Biliton    .     .     .     412 

Geologie  des  Harzes 413 


Physik. 


Bar  US,  Die  bei  der  Condensation  von 

Wassordampf  auftretenden  Farben  .     222 
Blondlot,  Elektromagnetische  Wellen     131 


Iiilialts -Verzeicliniss. 


V 


Fiel)elkorn,  Dichte  Jer  Erdo  (Orif;.) 

Kelvin,  Geschwindigkeit  des  Crool<e' 
seilen  Kafliodi'Hsti'ömes 

Kronl)e  rg,  BestimnunigderMolecnlar- 
grösse  aus  dem  Verdunstungsvermö- 
gen (Orig.) _  .     .     .     . 

P r  e  s  t o  n  ,  Sehwerlvraftsbestinimungen 
auf  den  Sandwichinseln 

Schmidt,  Strömen  von  Flüssigkeit 
(Orig.  mit  Orig.-Abb.) 


Seite 
281 

190 

130 
313 

235 


Matliematlk. 

Eckardt,  Triseetionszirkel  (Orig.  mit 
Orig.-Abb.) 275 

Schubert,  Mathematische  Spielereien 
in  kritischer  und  historischer  Be- 
leuchtung. V.  Zwei  Dinge  zu  ratlien. 
die  in  angegebenen  Reihen  liegen 
(Orig.)      .     .^ 34 

— ,  Dasselbe.  VI.  Ueber  magische  Qua- 
drate (Orig.) 215 

— ,  Dasselbe.     VII.    Boss -Puzzle -Spiel 

(Orig.) 3G9 

— ,  Dasselbe.  VIII.  Das  Nonnen-Spiel 
_  (Orig.) 477 

Eine    algebraische    Aufgabe    und    ihre 

Lösungen 437 


Astronomie. 

Belopolsky,  Ueber  /iLyrae  .     .     .  i),  .549 

Bredichin,  Bieliden 190 

Brooks,  Neuer  Komet 549 

Duner,  Veränderlicher  Stern  Y-Cygni  261 

Fleming,  Neuer  Stern   .     .     .     .  ".     .  5G2 
Friedrichs,  Kurze  Darstellung  einer 
Hypothese  überSonnenflecken  (<!>rig. 

mit  Orig.-Abb.) 55 

Glasenapp,  Doppelsternbahnen      .     .  143 
Knopf,  Schmidt'sche  Sonnentheorie  .  233 
Lockyer,  Spectra  hellerer  Sterne.     .  288 
Markuse  und  Preston,  Schwankun- 
gen der  Polhöhe 8 

Niessei,  Aufsteigender  Meteor  .     .     .  261 

S chaeb er lo,  Planet  Mars 151 

Tisserand,    LTober   die  Rotation   der 

grossen  Planeten 250 

Wein  eck,  Bericht  über  die  Thätigkeit 
der  k.  k.  Sternwarte   zu  Prag   1892 

(Orig.)      . 175 

Wolf,  Photographien  kleiner  Planeten 

und  Sternschnuppen 261 

Andromediden-Beoiiachtungen  ....  1U7 

Jupiter     . 39 

Komet  Holmes 48,  69,  88 


Meteorologie. 


Elster  und  G  eitel,  Elmsfeuer-Beob- 
achtungen     

H  ellnian  n  ,  Niederschlagsbeobachtun- 
tungen  in  Preussen 

Hildebrand  H  il  debran  dsson.  Die 
kritischen  Tage  des  Herrn  Falb  270, 

Koebke,  Bedeutung  wissenschaftlicher 
Ballonfalu-ten  (Orig.  mit  (_)rig.-Abb.) 

Rotch  und  Janssen,  Arbeiten  zur 
Errichtung  eines  r)bservatoriums  auf 
dem  Montblanc  (mit  Orig.-Nachb.)  . 

Sohncke,  Wissenschaftliche  Luftfahr- 
ten   


Chemie. 

Bihal  und  Desyignes,  Asbolin     .     . 

Bischoffund  Waiden,  Anilide  und 
Toluide  in  zwei  Modificationen  .     . 

Carnot,  Prüfung  der  Manganoxyde     . 

Engler  und  Loew.  Organisehe  Säu- 
ren und  Esther  bei  höherer  Tem- 
peratur  


260 
350 
303 
529 

150 
233 

38 

389 
460 

378 


Engler  und  Fischer,  Paraffin  und 
Schmieröl  im  Fischtliran 

Hesse,  Zur  Kenntniss  der  Solanaceen- 
Alkaloide 

Jaonsch,  Zn  Spiegel's  Aufsatz  Natur 
der  chemischen  Elemente  (Orig.) 

Jaffe,  Apparat  zur  Destillation  mit 
überhitzten  Wasaerdämpfen     .     .     . 

Jahns,  Betain  und  Cliolin  im  Wurm- 
samen        

Liebermann,  Synthese  der  AUo- 
Zimmetsäure 

Michel,  Künstliche  Darstellung  des 
Granats  (Melanits)  und  des  Titanits 

M  i  1 1  e  r  und  P 1  o  e  c  h  1 ,  Amido.xy Isäuren 

P  o  t  i  1  i  t  z  i  n ,  Halbhydrat  dos  Calcium- 
sulfats      

Richardt,   Atomgewicht   des  Kupfers 

Sammler,  Campherarten 

Smith  &  Co.,  Xanthalin,  ein  neues 
Alkaloid  des  Opiums 

Spiegel,  Jodoso-  und  Jodo- Verbin- 
dungen, .lodstickstoff  und  Stick- 
stofl'wasserstoffsäure  (Orig.)      .    548, 

— ,  Natur  der  chemischen  Elemente 
(Orig.)     .     .     .     . _. 

Wiesner,  Mikroskopischer  Nachweis 
der  Kohle  in  den  verschiedenen 
Formen 


Geographie  und  Verwandtes. 

Buwernnd  Thorold,  Durclikreuzung 

von  Tibet 

Bau  mann,  Ueber  die  Nilquollen  .  . 
Comstock,  Stand  des  Breitenproblenis 
Dinglage,  Treibeis  in  südl.  Breiten 
V.  Drygalski,  Rolle  des  Wassers  bei 

Bewegung  von  Eismassen    .... 
Eggers,  siehe  Botanik. 
Hassert,   Reisen   in   Montenegro    (mit 

Orig.-Nachbild.) 

H e  1 1  ni  an  n ,   Columbus- Feierlichkeiten 

von    1892    in    Genua,    Huelva    und 

Madrid 

Kling  und  Büttner,  Hinterland  von 

Togo.     .     .     .     .     .     

Kuntze,  siehe  Botanik. 

M  a i  s  t  r  e ,  Vom  Congo  zum  Benue  niger 

Mascart,  TäglicheSchwankungen  der 

Schwerkraft 

Neu  m  ay  e  r ,  Die  Entdeckung  Amerikas, 

ein    Wendepunkt    in    dem    Verkehr 

der  Völker 

Pechuel  -  Loesche  .     Polarregionen 

und  Eisliildung  (z.  Th.  Orig.).  •  ■ 
Regel,  Der  10  Geograpbentag  (Orig.) 
Sievers,  Die  Umrisse  von  Asien  (mit 

Abb.) .-     •     •     • 

Wislicenus,       Forschungsreise       der 

„Manche" 

Gesellschaftsreise  nach  Spitzbergen.  . 
Nansen's  Nordpolexpedition      .    7,  277, 

Neue  Seekanäle 

Reisen,  wissenschaftliche,  Expeditionen 

277,  301,  314,  402,  415,  450,  460,  515, 


Seite 

389 
88 
44G 
182 
399 
399 


!29 
426 


538 
221 
221 

473 


594 
293 


Unterricht. 


Un- 


H  a r  m s ,    Naturwissenschaftlicher 

ti'rriclit  auf  den  Schulen      .... 

Bergschule  in  Ivkutzk 

Gruppe     .Unterricht     und     Erzicdiung" 
der  Berliner  Gewerbeausstellung  1896 

Unterrichtskurse  in  Jena 


349 


364 
142 
561 
234 

593 


256 

97 
363 
864 
161 

86 

188 
185 

63 

323 

262 
325 
234 

550 


346 
353 

515 

262 


Seite 


Medizin,  Hygiene  und  Verwandtes. 

Behring,  Blutserumtherapie   ....         (i 
Brieger,  Fränkel,  Lassar  und  Lit- 
t hau  er.      Zu     Liebreich's     Vortrag 
über  den  Werth  der  Cholerabacterien- 
Untersuchung 334 


Bunge,  Assimilation  des  Eisens  und 
therapeutische  Wirkung  der  Eisen- 
präparate      

Ebstein,  Aleuronat 

F^mmerich,  Choleragift 

Grawitz,  Vorkommen  von  Dochmius 
duodenalis  bei  Berlin 

Guttmann,  Metylenblau  als  Heil- 
mittel der  Malaria 

H  u  e  p  p  e ,  Ursachen  der  Gährungen  und 
Infectionskrankheiton 

Jaeger,  Bacteriologische  Diagnose 
und   ihre  Anfeindung 

Kobert,  Giftstoffe  der  Flechten      .     . 

Koch,  Die  Cholera  1892-1893    .    ^    . 

Krebs,  Internationale  Uebereinkunft 
in  der  Cholera  -  Frage  (Orig.  mit 
Orig.-Karte) 

Kusmin,  Fall  von  Leberhernie  .     .     . 

Liebreich.  Werth  der  Cholerabac- 
terien-Untersuchung     .     .     .     .319, 

Lorenz,  Uebertragung  der  Aphthen- 
Seuche     

Miyako  u.  Scriba,  Neuer  mensch- 
licher Parasit 

Nowaek,  Symbiose  und  Kampf  der 
Mikrobien 

Pettenkofer,  Cholera  von  1892  in 
Hamburg 

Pflüger,  Neues  Grundgesetz  der  Er- 
nährung und  die  Quelle  der  Muskel- 
kraft    

Ponfick  u.  Jacobasch,  Ist  die  Mor- 
chel giftig? 

Rauer, 'Giftigkeit   der  Expirationsluft 

Schaefer,  Die  Chemotaxis  der  Leuco- 
cyten  (Orig.) 

— ,  Die  Rosenbach'sche  Seekrankheits- 
Theorie  (Orig.) 

Schaefer,  Sonnenstich  und  Hitzschlag 
Or" 


348 
259 
472 


457 

96 

496 


345 
388 
406 


317 

593 

335 
295 
177 
.572 
232 


(<- 


:•) 


Schenck.  Bedeutung  der  Rheinvege- 
tation für  die  Selbstreinigung  des 
Rheines 

Schiess  u.  Kartulis,  Behandlung 
von  Tuberculosen  mit  Tuberculin   . 

Schmalz,  Wiederkäuende  Menschen  . 

Schütz,  Die  erworbene  Immunität     . 

Strümpell,  Entstehung  und  Heilung 
von  Krankheiten  durch  A^orstel- 
lungen 

— ,  Alkoholfrage        

U  f  f  e  1  m  a  n  n  u.  H  u  e  p  p  e ,  Zur  Biologie 
des  Cholera-Bacillus 

Uf  fei  mann.  Lebenbegünstigeude  Be- 
dingungen für  Cholera-Bacillen      .     . 

Woliff  liiisel ,  Lehre  vom  Luftwechsel 


39 

202 
434 

145 

308 

405 

352 

570 
560 
309 


35 
507 


433 

548 


Landwirthschaft  und  A  erwandtes. 


Eggers,  siehe  unter  Botanik. 
Oh  mann,     Verwüstungen     der     Heu- 
Ara:entinieu 


Schreckenlarven 


(Orig.) 


178 


Rittmeyer,  die  Nonne  (Orig.  mit  Abb.)  83 
Werner,  Eine  Reise  zur  Weltausstel- 
lung nach  Chicago  (Orig.)  ....  465 
Mäuse  Vertilgung  mittelst  Tvphusbacillus 

273,  361,  561 

Zuckerrolir-Cultur-Versuchs-Station  .     .  390 


Teehnili  und  Instrunientenkunde. 

H  äpke,  Selbstentzündung  von  Scldffs- 

ladungen 447 

Nieser,  Apparat  zur  photographischen 
Darstellung  schwach  -  vergrösserter 
Präparate  (mit  Abb.)        401 

Oliver,    Sonnenuhr   für  mittlere  Zeit 

(mit  Abb.) .     118 

Ransome,      Hi-rstellung     künstlicher 

Steine 234 


VI 


Inhalts- Verzeichniss. 


Seite 

Recklin  ghausen,     Queeksilberther- 
mometer      für     Temperaturen      bis 

500  Gr.  C 389 

Spolin,  Färbe  Vorgang 248 

Füll-Federhalter 587 

Lehmbeck  u.  Mecke's  selbstthätige  Spi- 
ritus-Gebläse (mit  Orig.-Abb.)      .     .  487 

Lephay-Compass       -86 

Photographischer  Apparat 551 


Biograpliieen,  Necrologe, 
Personalien. 

Asche rson,     Chr.    K.    Sprengel    als 

Florist  und  als  Frncht-Biolog  (Orig.)     140 
Gutzmer,  Leopold  Kronecker  (Oiig.)     591 
Kirchner,  Christian  Konrad  Sprengel, 
der  Begründer  der  modernen  Blumen- 
theorie (Orig.) 101 

Mittmann,  Material  zu  einer  Biogra- 
phie   Christian    Konrad    Sprengel's 

(Orig.) .     124 

Potonie,  Kützing  als  Vorgänger  Dar- 

win's  (z.  Th.  Orig.) 432 

Arago-Denkmal 2'(7 

Cassini-Statue 3.38 

Chappe-Denkmal 353 

Chevreul-Statue 538 

Emin  Pascha 300,     52.5 

Humboldt,  A.  v.,  Notiz  über    ....     431) 

Jnaudi,  der  Rechner 6 

Lossen,  K.  A.,  ■(" 113 

Pasteur's  70.  Geburtstag 48 

Personalien,    kurze   Angaben    von    Er- 
nennungen,   Jubiläen,    Todesfällen, 
Versetzungen  u.  dgl.     9,  17,  29,  39, 
48,  59.  70,  77,  88,  99,  108,  1 19,  131,  143, 
152,  162,  173,  183,  191,  204,213,223, 
233,  242,  253.  2151,277,290,300,313, 
325,  338,  353,  365,  378,  390,  402.  414, 
426,  437,  4-iO,  460,  474,  488.  .502,  515, 
-   525,  538,  549,  562,  572,  585,  594. 
Semmelweis-Denkmal  .......     o25 

Siemens,   Werner  von,  f  (mit  Porträt)       19 


Yereinswesen,  Museen  etc. 

Anthropologen-Congress,  24.  deutscher     421 

Ausstellungen 291,  378,    515 

Baeteriologischos  Institut 378 

Biologische  Stationen 366,     378 

Congi-esse.  Wis.senschaftliche  Versamm- 
lungen 50.  99,  108.  131,  143,  153,  162, 
191,  204,  213,  223,  242,  253,  262,  277, 
290,  301,  314,  325,  3H8,  353,  365,  378, 
402,  415,  421,  437,  515,  585. 
Gartenbau-Versammlung,  internationale    525 

Kakteenfreuude 9 

Museum  in  Praetoria 525 

Preis- Aufgaben 365,  390,    415 

Stipendien 119 

Versammlung,  i40.)  der  Deutschen  geo- 
logischen Gesellschaft 411 

Versammlung    der    Gesellschaft    Deut- 
scher Naturforscher  und  Aerzte  325,     496 


Litteratur. 

Acloque,  Les  Champignons  ....  173 

— ,  Les  Liehens 402 

Ammon,  Natürl.  Auslese  bei  Menschen  460 

Andree,  Handatlas 193 

Arndt,  Biologische  Studien    ....  291 

Arndt,  Kraft  und  auslösende  Kraft    .  264 

Arnold,  Rep.  der  Chemie  ....  391 
Bach,    Studium    und    Lesefrüchte   aus 

dem  Buche  der  Natur 131 

Bail,  Leitfaden  der  Zoologie  ....  164 
Bartels,  Medicin  der  Naturvölker  (mit 

Abb.) 573 


S.-ite 

B  a  r  u  8 ,  Phys.  Behandlung  und  Messung 

hoher  Temperaturen 379 

— ,  Compressibility  of  liquids  ....  490 

— ,  Mccanism  sol.  viscosity       ....  490 

— ,  Volume  thermodyn.   liquids     .     .     .  490 

I   Beck,  Flora  von  Nieder-Oesterreich    .  402 

Bergemann,  Anthropologie    ....  353 

Berghaus,  Physikal.  Atlas     ....  89 
Berteis,  Erdöl,  Schlammvulkane  und 

Steinkohle 427 

Berzelius,  Verbindungs Verhältnisse  d. 

unorgan.  Bestandtheile  der  Natur  .  253 
Betti,  Mathem.  Schriften  ....  89 
V.  Bezold,  Meteorolog.  Institut  1892  .596 
Biedermann,  Tintinnen-Gehäuse  .  301 
Binet,  Seelenleben  der  kleinsten  Lebe- 
wesen         89 

Blum    u.    .lännicke,    Botan.    Führer 

durch  Frankfurt  a.  M 163 

du  Bois-Reymond,  Maupertuis     .     .  427 

Börner,  Lehrbuch  der  Physik    .     .     .  133 
Boltzmann.    Vorles.   über   Maxwell's 

Theorie  d.  Elektricität  u.  d.  Lichtes  79 

Boys,  Seifenblasen 253 

Brathuhn,    Katechismus     der    Mark- 
scheidekunst        277 

Brehm's  Thierleben  119,  132,  192,  338,  562 
Breslich  u.  Koepert,  Bilder  aus  dem 

Thier-  und  Pflanzenreich 5-50 

Breuer.  Verschiedene  Schriften  mathe- 
matischen Inhalts 70 

Brinkmann,  Naturbilder 415 

Brockhaus'     Conversations  -Le.xikon 

119,     253,  426 
Brücke,     C  u  m  m  i  n  g ,     H  e  1  m  h  o  1 1  z , 
Ruete,  Augenleuchten  und  Augen- 
spiegel       415 

Buchheister,  Bergsteigen      ....  163 
Buckmann,  Vererbungsgesetz    .     .     .  595 
Bunsen,  Unters,  üb.  die  Kakodylreihe  78 
—  u.  Roscoe,  Photochemische  Unter- 
suchungen     338 

Buschbaum,  Flora  von  Osnabrück    .  402 

de  Candolle,  Darwin 402 

Cannizzaro,    Lehrgang  der  theoreti- 
schen Chemie 79 

Clark,  Eoceno 489 

Clarke,  Rep.  work.  div.  ehem.  physics  490 
Carnot,  Betrachtungen  über  Kraft  des 

Feuers 663 

Coupin,  L'aquarium  d'eau  douce   .     .  403 

Dali  u.  Harris,  Neocene 489 

Darton,  Rec.  N.  Am.  geol 490 

Darwin,  Reise  eines  Naturforschers  .  301 
David  u.  Scolik,  Photogr. Notiz  und 

Nachschlagebuch 133 

Dölter,  Edelsteinkunde 263 

Dreher,  Materialismus 108 

Dreyer,  Ziele  und  Wege  biologischer 

Forschung 17 

Ebeling,  Einf  i.  d.Kartenverständniss  163 

— ,  Leitf.  der  Chemie   für   Realschulen  461 
Eck,  Geogn.  Beschreibung  der  Gegend 

von  Baden-Baden,  Rotbenfels  u.  s.  w.  109 
Eckstein,  Berieht  überLeistungen  der 

For.-=t-  und  Jagdzoologie      .     .    243,  574 
— ,  Insoctenschaden  im  Walde      .     .     .  253 
Ed  er,  Recepte  und  Tabellen  für  Photo- 
graphie     18 

Eisner,  Praxis  des  Chemikers    .     .     .  213 
Engelmann,  Ursprung  d.Muskelki-aft  .538 
Engler  u.   Prantl,  Natürl    Pflanzen- 
familien   110,  164,  214,  315,  415.  488,  539 
Esser,  Bekämpfung  parasit.  Pflanzen- 
krankheiten       143 

Falsan,  Alpes  fran^aises 253 

Farwick,  Nützliche  Vogflarten      .     .  527 

Ferrier,  Catal.  stratip-af  Coli.  .     .     .  596 
Fickel,  Litteratur  über  die  Thierwelt 

von  Sachsen 204 

Fletscher,  The  optical  indicatrix      .  79 
Foussereau,     Polarisation    rot.,     re- 

flexion  et  refraction  vitreuse  .     .     .  303 

Fraas,  Scenerie  der  Alpen      ....  314 

Frank,  Lehrbuch  der  Botanik    .   224,  390 


Seite 

Fürst,  Deutschlands  nützliche  u.  schäd- 
liche Vögel 183 

Gad  u.  Heymanns,  Physiologie    .     .  354 

Gand  e  r,  Erdschichten u.  Erdgeschichte  132 

Gorland,  Geschichte  der  Physik    .     .  133 

G 1 0  y,  Siedelungskunde  Nord-Albingiens  163 

Graber,  Zoologie 183 

Gravelius,  Lehrbuch  d.  höh.  Analj'sis  562 

Gross,  Aesthetik 213 

Groth,    Tabelle    der  32  Abtheilungen 

der  Krystallformen 99 

Gucrin,  Traite  prat.  d'anal.  ehim.      .  461 
Gutzmer,    Ueber   gew.   partielle  Dif- 
ferentialgleichungen höh.  Ordnung  .  144 

Haas.  Kat.  der  Geologie 277 

— ,  Sturm-  u.  Drang-Periode   der  Erde  391 

Haase,  Atmosph.  Elektricität     .     .     .  379 

Haberlandt,  Botan.  Tropenreise  .     .  538 

Haeckel,  Monismus 191 

Haenle,  Chemie  des  Honigs  ....  291 
Hagen,  Antike  Gesundheitspflege  .     .  213 
Hamann,  Entwickelungslehre  u.  Dar- 
winismus        39 

Hammer,   Zeitbest.  ohne  Instrumente  502 

Hampe,  Tafel  z.  qualit.  ehem.  Analyse  550 

Hansen,  Rep.  der  Botanik      ....  144 
H a s b  o  r  d  t  u.  F i  s c h  e  r ,  Mach's  Gnind- 

riss  der  Physik 391 

Heiden,   Düngerlehre  und  Statik  des 

Landbaus 302 

Helmholtz.  Physiologische  Optik      .  18 

Hering,  Hygienisches  über  den  Staub  143 
Hertwig,  0.,  Aeltere  und  neuere  Ent- 

wickelungstheorien 415 

— ,  O.,  Lehrbuch     der    Entwickelungs- 

geschichte 488 

-,  O.,  Zelle  und  Gewebe 427 

— ,  O.,  Lehrbuch  der  Zoologie      .     .     .  502 
Herz,    Untersuchungen    über    Wärme 

und  Fieber 587 

Heussi,  Physik 120 

Heydweiller.  Elektrische  Messungen  339 

Hise,  Archean  and  Algonkian    .     .     .  489 

Hock,  Nadelwaldfläche  Norddeutschi.  193 

Hoernes,  Erdbebenkunde 278 

Ho  ff  mann,   Catal.  of  min.,  rocks  etc.  596 
Holden,  Californian  earthquakes   .     .  490 
Holfert,  Ai-zneimittelnamen  ....  213 
Hdvestadt,    Lehrbuch  der  absoluten 
Maasse  und  Dimensionen  der  physi- 
kalischen Grössen 89 

Huxley.  Physiologie 460 

Jaensch,  Aus  Urdas  Boiii      .     .      17,  133 
Janusehke,  Aotherdruck  als  einheit- 
liche Naturkraft 391 

Jentzsch,  Führer  durch  d. geologische 
Sammlung   des  Provinzial-Museums 

von  Königsberg 291 

Kays  er,  Lehrbuch  der  Geologie    .     .  438 

Keller,  Alpenthiere 366 

Kenne  1,  Zoologie 595 

Kessler,  Ausbreitung  der  Reblaus- 
krankheit      17 

Klimpert,    Lehrbuch    der  Bewegung 

flüssiger  Körper 89 

K  1  i  n g g r  a e  ff,  Leber-  und  Laub-Moose 

West-  und  Ost-Preussens     ....  173 

Klockmann,  Lehrbuch d.  Mineralogie  40 

Klunzinger,   Bodenseetische      .     .     .  262 
Knuth,    Geschichte    der    Botanik    in 

Schleswig-Holstein 29 

Koehne,  Dendrologie 302 

Kölreuter,  Vorl.  Nachr.  von  einigen 
das  Geschlecht  der  Pflanzen  be- 
treffenden Versuchen 539 

König,    Beiträge  zur  Physiologie  der 

Sinnesorgane  in  Neudrucken     .     .     .  415 

Koepert,  Der  Star 132 

Koerber  u.  Spies,  Physik    ....  596 
Kolbe,  B.,    Einführung    in    die    Elek- 

tricitätslehre 244 

— ,  H.  J.,  Einführung  in  die  Kenntniss 

der  Insecten 474 

Kraft,  Geometrisches  Calcül .     .     .     .  461 


Inhalts -Verzeiclniiss. 


VIT 


Seite 

K  ra  u  s  e ,  E  r  n  s  t  H.  L.,  Mecklenburgische 

Flora 550 

— ,  Ernst,     1.   Tuisko  -  Land,     2.   Die 

Troja-Burgen  Nordeiirojtas      .     .     .  585 

Krüger,  Catalog  der  färb.  Sterne  .     .  563 

Kriiss,  Methode  der  Analyse      .     .     .  244 
L  a  c  r  o  i  X - D  a n  1  i a  r  d ,  Poil  des  aniinaux 

et  les  fouriures 99 

Lainer,  Laboratoriumsarbeiten  ...  40 
Laisant,  Geometrie  analytique  ä  2  di- 

mensions 133 

Lambert,  Photometrie 502 

Langer,  Psychophys.  Streitfragen       .  427 
Lassar,  O,  Gesundheitsschädl.  Trag- 
weite der  Pros^titution 163 

— ,  S.,  Das  künstlerische  Berlin  ...  S9 
Lavoisier  ii.  Laplaee,   Abhandlung 

über  Wärme 438 

Lefevre,  Les  races  et  les  langues      .  291 

Lepsius,  Geologie  von  Deutschland  .  243 
Liebig,   Constitution  der  organischen 

Säuren 77 

Loeb,  Untersuchungen  zur  physiologi- 
schen Morphologie  der  Thiere,  II.  .  314 
Loinmel,  Exjierimentalphysik     ...  415 

Looss,  Schmarotzer 366 

Ludwig,  Lehrbuch  der  niederen  Kryp- 

togamen 10 

Lunn  u.  Trüg,  Die  menschl.  Stimme  183 
Mach,  siehe  Harbordt  u.  Fischer. 
Mantegazza,  Die  Hygiene  der  inneren 

Organe 163 

Marey,  Chronophotogi-aphie   ....  488 

Martin,   Das  Vogelhaus 262 

Massee,  Mongr.  of  the  Myogastres     .  30 

Mayer,  Kleinere  Schriften  und  Briefe  474 

— ,  "Mechanik  der  Wärme 278 

Meehsner,  Karte  des  deutschen  Ster- 
nenhimmels        278 

Michaelis,  Deutsche  Giftpflanzen  .     .  367 
Möller,   Pilzgärten  südamei'ikanisfher 

Ameisen       437 

Moll,  Der  Eapport  in  der  "Hvpnose     .  119 

Müller  u.  Pilling,  Schulflora    ...  183 

Müller,  C,  u.  Potonie,  Botanik.     .  9 
— ,  F.,    Zeittafeln    zur   Geschichte    der 

Mathematik,  Physik  und  Astronomie  120 

— ,  J.,  Gamophagie 192 

Mulertt,  Der  Goldfisch 143 

Munk,  Physiologie 427 

Nagel,  Niedere  Sinne  der  Insecten     .  461 
Neu  mann,   C.,   Beitrag  zur  mathema- 
tischen Physik 403 

— ,  K.,  Aus  Liel)e  etc.  der  Vogehvelt  .  474 

— ,  L.,  Volksdichte  in  Baden    ....  302 

Nord  au,    Entartung 301 

Ost,  Technische  Chemie 403 

O  s  t  w  a  1  d '  s  Classiker  d.  exacten  Wissen- 
schaften         77 

Oudemann's   Rev.    des    Champignons  415 
Palaz,   Photometrie  industrielle      .     .  IS 
Pasteur,  Assymetrie  bei  natürlich  vor- 
kommenden organischen  Verbind.   .  78 
— ,  Die  in    der   Atmosphäre   vorhande- 
nen Organ.  Körperchen,  Prüfung  der 
Lehre  von  der  Urzeugung  ....  163 
Peip,  Taschenatlas  von  Berlin  u.  Um- 
gebung      263 

Pernter,  Falbs  kritische  Tage       .     .  144 
Peter,  Wandtafel  zur  Syst.,  Morph.     . 

u.  Biol.  der  Pflanzen 193 

Peters,  Mineralogie 291 

Pick,  Grundl.  der  astron.  Geographie  475 

Pilling,    Botanischer  Unterricht     .     .  183 

Pizzighelli,   Anleit.  z.  Photographie  503 

— ,  Handbuch  der  Photographie  ...  60 

Poincar6.Le(j.  s.  1.  th^or.  de  l'elastieite  50 
Potoni6,  siehe  Müller. 

Rawitz,  Vergl.  Anatomie 253 

Ranke,  Der  Mensch 595 

Regel,  Thüringen 59 

Reh  fisch,  Selbstmord 4,50 

Rey ,  Aus  dem  Haushalte  des  Kuckucks  223 
Richter,  Ausbrüche  des  Vernagt- und 

Gurglergletschers 173 


Seite 

Romanes,  Geistige  Entwickel.  i.Thiei-- 

reich 10 

— ,  Geistige  Entwickel.  beim  Mensehen  587 

Roscoe,  Chemie 291 

Rulil,    Palaeaict.    Grossschmetterlinge  474 

Runge,  Ridir-Steinkohlenbecken     .     .  193 

Russ,  Wellensittig 35t 

Rüssel,  The  Newark  Syst 489 

Sachs,  Gesammelte  Abb.  über  Pflanzen- 
Physiologie      143.  223 

Samt  er.  Der  hohe  Sonnblick  .  .  .  183 
Sarrazin,  Karte  zur  Darstellung  der 

Hagelstatistik 587 

Schenk,    Biologie    und  Anatomie  der 

Lianen 243 

Schroeter,  Taschenflora  der  Alpen  277 

Schutt,   Analyt.  Plankton-Studien      .  153 

Schütte,  Tuchelcr  Haide 595 

Schnitze,  Fr.,  Hypnotismus  ....  4.50 
Schulze,  E.,  u.  B  0  rch  erd  ing,  Fauna 

saxonica;  Amph.  et.  Rept 461 

— ,  M.,   Orchidac.  Deutschlands     .     .     .  353 

S  e  h  u  r  t  z ,  Katecliismus  derVölkerkunde  277 

Send  der,,  Insects  tert 490 

Sicard,    Evolution    sexuelle    de  l'esp. 

liiimaine 183 

Simon,  Verkehrsstrassen  in  Sachsen.  327 

Sohne  ke,    Physikalisclie  Vorträge     .  213 

Sprengel,  Entd.  Geheimn.  der  Natur  354 
St  erneck,    Die    Schwerkraft    in    den 

Alpen 109 

S trassburger,   Histol.  Beiträge     .     .391 

— ,  Kl.  botan.  Practicum 502 

Strobel,  Namensregister  zu  Wiedem. 

Annalen 244 

Tannery  u.  Molk,   Elem.  d.  la  theor. 

des  fonct.  ellipt 264 

Taschenberg,  Zoologie 89 

Tavel,   Vergl.  Morph,  der  Pilze      .     .  60 

Titus,   Sternenzelt 550 

Topinard,  L'homme  dans  la  Nature  291 
Trinius,  Alldeutschland  in  Wort  und 

Bild 79,    261,  550 

Trouessart,  Geographische  Verbreit. 

der   Thiere 131 

Vi  olle,  Physik:  Mechanik  der  flüssigen 

u.  gasförmigen  Körper 303 

Virchow,  Lernen  und  Forschen     .     .  29 

Volkmanu,  Theorie  des  Lichtes     .     .  HO 

Walt  her,   Binomie  des  Meeres  .     .     .  367 

— ,  Meereskunde 367 

Was  er,  Kaninchenzucht 262 

Weismann,  Keimplasma 390 

— ,  Kontinuität  des  Keiniplasmas  .  .  109 
W  e  s  t  e  r  m  a  r  c  k ,  Geschichte  d.  menschl. 

Ehe 338 

White,   Cretaceous 489 

Wiedemann,  Elektricität  ....  438 
Wilhelmy,  Das  Gesetz,  nach  welehem 

die  Entwickelung  der  Säuren  auf  den 

Rohrzucker  stattfindet 78 

Wilke,     Leitfaden    der    Chemie    und 

Mineralogie 475 

Winkel  mann,  Moosflora  von  Stettin  214 
W  o  1  f  -  H  a  r  n  i  e  r ,    Naturgeschichtliche 

Charakterbilder 253 

Woljiert,    Luftprüfungsmethode    auf 

Kohlensäure 143 

Wünsche,  Alpenpflanzen 539 

Wundt,  Ethik 366,  391 

— ,  Menschen-  u.  Thierseele      ....  594 

Wunsch  mann,  Naegeli 164 

Zacharias,   Ber.  d.  biol.  Station  Plön  242 

Zache,   Geognosie  von  Berlin     .     .     .  550 

Ziehen,  Physiol.  Psychologie  .  .  .  277 
Zimmermann,  Zur  Morphologie  und 

Physiologie  der  Pflanzenzelle       .     .  302 

— ,  Botan.  Mikrotechnik 144 

Zograf,    Types    anthrop.   des  Grands 

Russes 192 

Abhandl.   des  naturw.  Ver.  zu  Bremen  339 

Akademisches  Berlin 244,  563 

Annalen   der  Hj'drographie  und  marit. 

Meteorologie 234 

Annales  d.  1.  soc.  entom.  d.  France     .  184 


Seite 

Annuaire    (du   bureau  des  Longitudes) 

pour  Tan   1893 79 

Arbeiten  d.  Sect.f.  Min  ,  Geol.,  Palaeo., 

d.  natw.  Ver.  f.  Steiermark     .     .     .     475 

Archiv  d.  .Viathematik  uml  Physik   100,     291 

Atti  della  Reale  Accad.deiLincei.  Rendi- 

conti 134,  291.     563 

Berichte    der    Deutschen    Botanischen 

Gesellschaft 50 

Berichte    der     naturf.    Gesellschaft    zu 

Freiburg  i.  B 450 

Bericht  der  oberhcss.  Gesellsch.  f.  Nat. 

u.  Heilkunde        551 

Berichte   über  die  Verhandl.  d.  königl. 

Sachs.  Ges.    d.  Wiss.    z.  Leipzig  SO,     184 

Botan.  Jahrb 194 

Botan.  Ztg 90 

Büchern.  Abhandl.,  Liste  im  Buchhandel 
erschienener  10,  18,  30,  40.  50,  60, 
70,  80,  90.  110,  134.  144,  151,  164, 
174,  184.  194,  214,  224,  231,  244,  2.i4, 
264,  291,  303,  315,  327,  339,  367,  379, 
391,  403,  415,  427,  439,  451,  462,  475, 
490,  503,  527,  539,  551,  563,  575,  587,  596. 

Bücher  über  deutsche  Käfer    ....     451 

-  über  Herstellung  bot.  und  entomol. 
Präparate ,     ...     451 

Bull.  d.  l'Acad.  Roy  d.  sc.  et  d.  b.-arts 

de  Belgi(|ue 100 

Bull,  de  la  soc.  d'Anthrop.  de  Paris     .  40 
Bull,   de   la    soc.   imp.    d.    natural,    d. 

Moscou    .     , 254 

Bull,  of  the  U.  S.  geol.  Surv.      .     .     .  489 

Comptes  rendus  de  la  soc.  d.  Geogr.    .  174 

—  Hebdomad.  d.  s.   de  l'ac.  d.  scienc.  70 

Conchyliolog.   Zeitschriften 379 

Conferences  Friedel 263 

Ergebnisse  der  Plankton-Expedition     .  525 

Flora 204 

Geologie.  Magazine 40 

Geological  Survey  of  Canada       .     .     .  596 

Handbuch  der  Physik 354 

Ibis 194 

Index  Kewensis 354 

Intermediaire  des  Mathematiciens    .     .  551 
Jahrbuch  der  k.  k.  CTeologisehen  Reichs- 
anstalt       50 

Jahrbuch  der  Königl.  Preussischen  Geo- 
logischen Landesanstalt  und  Berg- 
akademie      278 

Jahrbuch  für  Photographie  und  Repro- 

ductionstechnik 462 

Jahrbuch  für  wissenschaftliche  Botanik     100 

Jahresbericht  der  geographischen  Ge- 
sellschaft in  München      .....       70 

Jahresbericht  der  Gesellschaft  für  An- 
thropologie der  Oberlausitz     .     .     .     214 

Jahreshefte  des  naturwissenschaftlichen 
Vereins  für  das  Fürstenthum  Lüne- 
burg     144 

Journal  of  the  Linnean  Society  .    174,     244 

Journal  of  the  Royal  Microscopical  So- 
ciety   .    .     .     ." 154 

Kataloge  über  Bücher,  Sammlungen  und 
Apparate  ...    40,    214,   475,    503,     575 

Koloniales  Jahrbuch 154 

Mittheilungen  aus  der  Firma  „Dr.  Hou- 

deck  &  Hervert" :     .     224 

Mittheilungen  der  k.  k.  geographischen 

Gesellschaft  in  Wien 120 

Mittheilungen  des  Vereins  für  Erdkunde 

zu  Halle 70 

Mittheilungen  von  Forschungsreisenden 
und  Gelehrten  aus  dem  Deutschen 
Schutzgebiete 164 

Monographs  of  the  United  States  Geo- 
logical Survey 438 

Neue  Denkschriften  der  allgemeinen 
schweizerischen  Gesellschaft  für  die 
gesammten  Naturwissenschaften  .     .     462 

Neues  Jahrbuch  für  Mineralogie,  Geo- 
logie und  Palaeontologie      ....     173 

Ornithologischer  Monatsbericht    ...       60 

Physical  Revue 234 

Physikalische  Revue 134 


VIII 


Inhalts -Vcraeichniss. 


Seite 

Proceedings  of  the  Royal  Society    .     .     244 
Sitzungsbericht  der  k.  Bayer.  Akademie 

der  Wissenschaften  zu  München      .     233 
Sitzungsbericht  der  kais.  Akademie  der 

Wissenschaften  zu  Wien  ...    80,    223 
Sitzungsbericht  der  königl.  Preussischen 

Akademie   der   Wissenschaften     79,     110 
Sitzungsbericht    der   Naturforscher-Ge- 
sellschaft bei  der  Universität  Dorpat     379 
Transactions  of  the  Entomological  So- 
ciety of  London 184 

Transactions  of  the  Linnean  Society   .     174 
Transactions  of  the  Wisconsin  Academy 

of  Sciences 503 

Transactions  of  the  Zoological  Society 

of  London 154 

Tschermak's  mineralogische  und  petio- 

graphische  Mittheilungen     ....       90 
Verhandlungen  des  botanischen  Vereins       18 
Verhandlungen  der  Gesellschaft  für  Erd- 
kunde       50 

Zeitschrift  für  anorganische  Chemie     .     315 

Zeitschrift  für  Ethnologie 18 

Zeitschrift  für  Krystallographie  und  Mi- 
neralogie       120,     J94 

Zeitschrift  für  Naturwissenschaft      .     .     575 
Zeitschrift  für  praktische  Geologie  .     .       10 


Seite 

Verzeichiii.ss  der  Abbildungen. 

Aquarium  (<Jrig.) 7o,  74 

Blüthen-Homologieen  der  Zoidiogamcn 

und  Siphonogamen  (Orig.)  ....  518 

Bruguiera  eriopetala 579 

Casuarina  (z.  Tli.  Orig.-Nachb.)  31,  o3,  43 
Dictyodora  Liebeana  (z.  Th.  Orisr.)  15(5,  157 
Ficus  religiosa,  Laubblatt  (Orig.-Nachb.)  284 
Folliculites  ((.)rig.-Nachb.)  .  "  .  .  .  .  395 
Fräs»  von  Nonnenraupen  .....  94 
Geologische  Protih>  zum  Klinger  Dilu- 
vium      .    39S,  394 

Geometrische  Figur  zum  Aufsatz  Fried- 
richs über  die  Sonnenfleckeii  .     .     .  56 
Gomphostrobus  bifidus  (Orig.) ....  314 
Gutenberger   liühlo  (Orig.-Nachb.)    .     .  43ii 

Kap  Tscheljuskin 64 

Karte     der     Durmitor-Gruppe     (Orig.- 
Nachb.)   2.")8 

—  vom  Skutari-See  (Orig.-Nachb.)    .     .  258 

—  von  Hamburg  zur  Cholera- Kpidemie 
(Orig.) 318 

—  von  Montenegro  (Orig.-Nachb.)    .     .  257 

Mangroven 578,  579 

Medicin-Mann  der  Schwarzfuss-Indianer  574 
Mont  -  Blanc     (Nord  -  Abhang)     (Orig.- 
Nachb.) .     .'    .  150 


Seite 

Nieser's  phntograph.  Zeichen-Apparat .  401 

Nonnenraupen  wipfelnd   ...     .     .     .  lOG 

Nonnenschleier,  -Brücken  und  -Zelte  an 

Fichten 84,  85 

Ovulum   der  Birke    mit   Pollenschlauch  142 

Putamen  von  Prunus   Pcrsica  (Orig.)   .  391) 

Rhvzophora  mucronata     ....    578,  579 

Rhyzopoden  (Orig.-Nachb  ) 226 

Rochen  -  Scbwinunbeweirungen     (( 'rig.- 

Nachb.) '......  210 

Schema   zur  Darstellung  der  Transfor- 
mation der  Pflanzenwelt      ....  418 
—  zur  Ueberschätzung  der  Böschungs- 
Neigung  (<!>rig.) 287 

Schemata  zur  Erläuterung  raeteondogi- 

scher  Phänomene  (Orig.)  .  .  530,  532 
Siemens,  Werner  von  (Porträt)  ...  19 
Sonnenuhr,  Oliver's  ((Jrig.-Naciib.)  .  .  118 
SphenophvlUim  cuneifolium,  Laubblät- 
ter und  Blüthenblätter  (Orig.-Nachb.)  220 
Spiritus-Gebläs.'-Lampen  (Orig.)  .  487.  488 
Strömungs-Prolile  (Orig.)  .  .  .  .  235  ff. 
Strudellöcher  od  Gletschertöpfe  166, 167,  168 
Sundastrasse  mit  der  Insel  Krakatau  .  65 
Trisectionszirkel  und  seine  Anwendung 

(Orig.) 276 

Zelltheilungen  in  thierischen  Einbryoneti 

(Orig.)      .     ...     .     .     .     .•   .     .     .     265  ff. 


Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12,  Zimmerstr.  94. 


VIII.  Bniid. 


»Sonntag,  den  1.  Januar  1893. 


Nr.  1. 


Inserate:  Die  viergespaltene  Petitzeile  40  A.   Grössere  Auf'träga^MXV^i'  »-'  H  / 
sprechenden  Rabatt.   Beilagen  nach  Uebereinkunft.   InseratenaÄh(j»e  -  'k)8]u\  ^ 


Abonnement:  Man  abonnirt  bei  allen  BucbhandUmgen  und  Post- 
anstalten, wie  bei  der  Expedition.    Der  Vierteljahr.s]jreis  ist  J(  3.— 
Bringegeld  bei  der  Post  LS    •}  extra. 


bei  allen  Annocenbureaux.  wie  bei  der  Expedition.  /, 


T^e? 


^'  ^^ 


Abdi-nvk  ist  nar  mit  voll!«tän«liger  C^nellenangabe  gestattet. 


Die  tertiären  Primaten  und  der  fossile  Mensch  von  Südamerika. 


Von  Dr.  ;iie(l.  et  pliil.  (ieorg  Biischan. 


Die  Palaoiitoldoie  der  Primaten  hat  seit  C'uvier's 
Zeiten,  der  das  Aul'tiudeii  von  tertiären  Aüf'en  noeii  als 
ein  Ding-  der  ünmögiiehkeit  hinstellte,  bedeutende  Fort- 
schritte gemaeht.  Besonders  die  jüngsten  Jahre  sind  reich 
an  Eriahruugen  und  Entdecknngeii  in  Europa  sowohl,  als 
besonders  in  Amerika,  die  unsere  Kenntniss  \(ni  der  Ent- 
wicklung dieser  dem  Mensehen  so  nahe  stehenden  Säuge- 
thiere  ein  Stück  weiter  zu  fördern  im  Staude  sind.  In- 
dessen der  Ursprung  des  Menschen  bleibt  bei  alledem 
noch  dunkel  und  erfordert  unausgesetzt  weitere  Nach- 
forschungen. 

Das  Interesse,  welches  sicii  an  die  soeben  angeregte 
Frage  knüpft,  veranlasste  Dr.  E.  Trouessart  in  einer  in 
der  Zeitschrift  LWnthropologie*)  veröfientlichten  Abhand- 
lung eine  znsaimnenfasseude  zeitgeniässe  Uebersicht  dieser 
Entdeckungen  und  der  ans  ihnen  berechtigten  Schlüsse  zu 
geben,  der  wir  folgendes  entnehmen. 

Die  Leinurier,  um  mit  diesen  zu  beginnen,  scheinen 
einer  Reihe  von  Säugethieren  anzugehören,  die  sich  in 
weit  znrnckliegeuder  Zeit  durch  Trennung  von  den  wirk- 
lichen Affen  abzweigten.  Ein  merklicher  Unterschied 
zwischen  diesen  und  ihnen  besteht  in  dem  Gebiss.  Wenn 
auch  die  Anzahl  der  Zähne  bei  den  Lemuriern  eine  sehr 
variable  ist,  so  dass  sie  sich  auf  einen  gemeinsamen  Typus 
nicht  zurückfuhren  lassen,  S"  lässt  sich  im  allgemeinen 
für  das  Gebiss  der  Grundsatz  aufstellen,  dass  eigentliche 
d.  canini  inferiores  liei  ihnen  (mit  Ausnahme  der  Gattung 
Tarsus)  nicht  vorkommen,  dass  ferner  die  Anzahl  der 
oberen  Eckzähne  (zumeist  4  an  der,  Zahl)  öfters  durch 
Atrophie  (Tarsius,  Nycticetus  javanicus)  oder  durch  Aus- 
fall im  erwachsenen  Zustande  (.\\  ahis,  Leiiilemur)  reducirt 
erscheint.  Dieser  Umstand  beweist,  dass  das  Zahnsystem 
der  Lemuren  sich  noch  im  Zustande  der  Entwicklung  be- 
findet, sowie  dass  der  Typus  der  l'rosimicr  ein  sehr  alter 
und  ursprünglicher    sein   muss.  —   Die   Paläontologie   be- 

*)  L'Aiithropoldgie.  Paris,  G.  Masson;  editinir.  189:^.  toint^  III. 
No.  3,  S.  257  u,  f.         '  - 


|X2: 


:  40  Zähne. 


m 


stätigt  diese  Auffassung.  Die  ältesten  Lemurenüberreste 
finden  sich  in  den  eocäneu  Schichten  der  nördlichen  Hemi- 
sphären beider  Erdtheile,  besonders  in  Europa;  der  Adapis 
parisiensis  Cuvieri  ist  kein  Ungulate,  sondern  ein  Lemure. 
Nach  Schlosser  lassen  sich  die  Leinurier  in  die  Psendo- 
Icinuridae  und  Lemuridae  eiutheilen.  Die  crsteren(^Pachy- 
lemuridac  Filhol)  unterscheiden  sich  von  den  letzteren 
durch  die  Zahl  ihrer  d.  iucisivi  (zwei  Paar  in  jedem  Kiefer, 
wie  bei  den  Simien);  ihre  d.  canini  sitzen  normal  in  beiden 
Kiefern,  d.  h.  sie  überragen  das  Niveau  der  incisivi;  ein 
d.  praemolaris  mehr  (4  statt  3)  unterscheidet  sie  schliess- 
lich noch  von  den  Simien.     Ihre  Zahnformel  ist  somit: 

J.  'j,  C.  [,  Pm.  ;*  (selten  |)  M. 

Die    fossilen    Pseudolemurier    zerfallen    wiederum 
2    Unterabtheilungen,    die    .\dapidae    und    Hyopsodidae. 
Europa,  und  zwar  seinem  Eocän,  gehören  au: 

Adapis  parisiensis  Cuvier; 

„        minor  Filhol; 

„        magnus  ders.; 

„        angustidens  ders.; 
Coeuo])itherus  lemuroides  Rütimeyer, 

,,  pygmaeus  ders.; 

lleterohyus  armatus  Gervais; 
Cryptopithecus  siderolithicus  Schlosser. 

Nordamerika  weist  viel  zahlreichere  Typen  auf: 
ausser ,  den  genera  Notharctos^  Tomitherium,  Pelycodus 
und  Hyopsodus,  die  von  Leidy,  Cope  Und  Marsh  be- 
schrieben worden  sind,  noch  eine  grosse  Menge  anderer 
vocäuer  genera,  die  die  Namen  tragen:  AVashakius  Leidy, 
llipposyus  Leidy,  Microsyops  Leidy,  Apheliscus  Gope, 
Opisthotomus  GÖpe,  Sarcolemnr  Gope,  Omomys  Leidy, 
Sinopa  Leidj-,  Palaeacodon  Leidy,  Loxtihiphus  Gope, 
Limnotherium  Marsh,  Telmatolestes  Marsh,  Thinolcstes 
Marsh,  Stenacodou  Marsh,  Hathrodou  Marsh,  Mesacodou 
,Marsh,  Heuiiaeodou  Marsli,  .\ntiacodon  Marsh  etc. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  1. 


Die  enge  Beziehung  der  Pseudolemurier  zu  den  Atfen 
(Cercopithecier  oder  C'yuopithecier)  in  Bezug  auf  das  (tc- 
biss  berechtigt  zu  der  Vermuthung,  dass  beide  Typen  aus 
einer  genieinsanien  Staninitorni  hervorgegangen  sind,  von 
der  die  eigentiicheu  Lenjurier  einen  weiter  abweichenden 
und  theilweise  degenerirten  Zweig  darstellen. 

Diese,  die  eigentlichen  Lemuren,  fossile  und  recente 
Formen,  zeichnen  sich  von  den  wahren  Affen  durch  ihr 
grundverschiedenes  und  nianchnial  reducirtes  Gebiss  aus. 
Ihre  urspriingliehe  Zabnforniel,  die  man  noch  bei  Galago, 
Stenops,  Microcebus,  Otolicnus,  Chirogaleus,  Lepilemur, 
Lemur,  Hapaleniur  antrifft,  ist 

•      .7.  I,  ü.  I-,  l'm.  I,   if.  I  X  2  =  36  Zähne. 

Bei  Propithecus  und  Lichanotus  ist  sie  rediirirt  auf: 

.7.  4,  C.\,  Pm.  I,    M.  '^.  X  2  =  30  Zähne. 

Die  Tarsius-  und  gewisse  fossile  Arten  bilden  eine 
Classe  für  sich,  insofern  ihre  d.  canini,  die  hinsichtlich  der 
Form  normal  geblie])en  sind,  nicht  denen  der  heutigen 
Lemuren,  sondern  denen  der  Pscudolemurcn  gleichen;  sie 
stellen  somit  den  Uebergang  zwischen  beiden  C'lassen 
dar.  Alle  wahre  Lemuren  der  Vorzeit  gehören  dieser 
Gruppe  an 

aus  dem  Eocän  Europas: 

Necrolemur  Edwardsi  Filhol; 

„  antiquus  ders. ; 

„  Zitteli  Schlosser; 

„  Cartieri  Riitimeyer; 

„  minor  ders.; 

„  parvulus  Filliol; 

V  Microchoerus  erinaceus  Wood; 
Plesiadapis  reniensis  Lemoine; 

„  Gei'vaisi  ders.; 

„  Daubrei  ders.; 

aus  dem  Eocän  Nordamerikas: 

Auaptomorphus  homuneulus  Cope; 

„  aemulus  ders.; 

Cynodontomys  latidens  ders.; 
Mixodectes  pungens  ders.; 

„  crassiusculus  ders.; 

?  Lemuravus  distans  Marsh; 
'?  Indrodou  malaris  Cope. 

Der  Schlusssatz,  der  sich  aus  den  bisherigen  Be- 
trachtungen ergiebt,  besteht  darin,  dass  man,  worauf 
bereits  Topinard  aufmerksam  machte,  die  Lenuiren  von 
den  Primaten  nicht  trennen  darf.  Auch  Schlosser  hat 
durch  seine  phylogenetische  Tafel  den  gemeinsamen  Ur- 
sprung aller  Aften  (im  Gegensatz  zu  Schmidt,  der  die 
amerikanischen  Affen  vom  Inseetivorentypus,  die  der  alten 
Welt  von  Omnivoren  Ungulaten  herleiten  will)  ausgesprochen. 

Platyrhine  Affen  im  fossilen  Zustande  kannte  man 
bisher  nur  aus  Südamerika  (besonders  aus  den  Höhlen 
von  Limd  in  Brasilien),  und  zwar  ans  verhältnissmässig 
jüngeren  Schichten  (quaternären  oder  pleistocänen).  Die 
tertiären  Schichten  des  meridionalen  und  septentrionalen 
Amerika,  die  sonst  au  Säugethierformen  so  reich  sind,  haben 
keine  Ueberreste  geliefert,  die  man  auf  Affen  bezieben 
kann.  —  Mit  Ausnahme  von  Protopithecus  brasiliensis,  der 
Anspruch  auf  ein  eigenes  geuus  erheben  darf,  unterscheiden 
sich  die  übrigen  fossilen  Platyrhineu,  wie  Hapale,  Mysetes, 
Callithrix,  Gebus,  wenig  von  einander  und  von  den  anderen 
Formen. 

In  jüngster  Zeit  (1891)  hat  Florentino  Ameghino  in 
den  eocänen  Schichten  des  südlichen  Patagonien  (Rio 
Santa -Cruz)  eine  Anzahl  von  Unterkiefern  gefunden,    ilie 


er  mit  Rücksieht  auf  das  hohe  Alter  der  Schichten  für 
solche  von  Lemurinen  ansah.  Eine  eingehende  Unter- 
suchung derselben  hat  indessen  gezeigt,  dass  es  sieh  um 
Reste  \eritahler  Aften  handelt,  denn  die  Zahnformel  der- 
selben gleicht  denen  der  (Jebier,  d.  Ii.  aller  amerikanischer 
Aften,  ausgenommen  den  üistiti. 

Die  amerikanischen  Affen  unterscheiden  sich  von 
denen  der  alten  Contiuente  durch  die  Anzahl  der  Zähne 
(3ß),  d.h.  durch  die  Anwesenheit  eines  d.  jjraemolaris  in 
jeder  Kieferhälftc;  die  Uistitis  dagegen  haben  zwar  nur 
32  Zähne,  wie  die  wahren  Aft'en  und  der  Mensch,  weichen 
aber  doch  von  diesen  ab,  weil  sie  nur  2  d.  molares  und 
dazu  einen  praemolaris,  wie  die  Gebier,  aufweisen.  Sie 
sind  somit  diesen  letzteren  zwar  stammverwandt,  scheinen 
aber  einen  inferioren  oder  degenerirten  Tyjtus  derselben 
darzustellen.  In  dieser  Beziehung  könnte  man  einen  ge- 
wissen l'arailelismus  zwischen  den  beiden  (!rui)pen  der 
amerikanischen  Aften  und  den  beiden  der  Lemurier  fest- 
stellen: die  IIa|)alier  mit  reducirtem  Gebiss  entsprächen 
den  Lemuren  v(m  Madagascar,  die  nur  .30  oder  noch 
weniger  Zähne  besitzen;  die  Gebier  mit  vollständigerem 
Gebiss  den  primitiven  Lemuriern,  die  wie  sie  mit  30  Zähnen 
ausgerüstet  sind. 

Die  Ureebier  Patagoniens  sind  im  allgemeinen  von 
kleiner  Statur;  insofern  gleichen  sie  auch  den  Uistitis. 
Sie  scheinen  ziendich  mannigfaltig  in  der  Eocänperiode 
gewesen  zu  sein;  denn  man  kennt  bereits  4  genera,  die 
sieh  unter  einander  immer  noch  mehr  unterscheiden,  als 
die  heutigen  amerikanischen  Aften  unter  sich: 

Honnniculus  patagoniens  Ameghino,  verwandt  mit 

Ecphantodon  ceboides  Mcrccrat; 
Anthro])ops  perfectus  Ameghino; 
Hiimocentrus  argentinus  ders.; 
Eudiastatus  lingulatus  ders. 

Das  Gemeinsame  au  den  Unterkiefern  dieser  4  Gebier, 
von  denen  Trouessart  woblgelungene  Abbildungen  giebt, 
ist  die  Höhe  und  Breite  der  Kinnsyni)hyse,  ein  Merkmal, 
das  sieh  bei  Mycetes,  Callithrix  und  noch  anderen  Arten 
noch  vorfindet.  Die  Kieferhälften  sind  ohne  sichtbare 
Naht  vollständig  mit  einander  verschmolzen.  Die  Zabn- 
forniel, soweit  sie  sich  für  die  Unterkiefern  rec(mstruiren 
lässt,  ist  die  der  Gebier: 

,7   -    0   ^    Pm   ~    M  ~ 

Die  d.  molares  sind  ein  Avenig  länger  als  Ijreit,  fast 
viereckig.  Alle  Zähne  stehen  in  einer  fortlaufenden  Reihe, 
in  der  die  d.  canini  die  übrigen  Zähne  kaum  überragen; 
dieselben  haben  ihren  Platz  zwischen  d.  incisivi  und  pra- 
molaris  gerade  so  wie  beim  Mensehen. 

Die  Gliedmaassea  dieser  eocänen  Aft'en  hat  man  bisher 
noch  nicht  aufgefunden.  Indessen  lassen  andere  Extremi- 
täten, die  in  denselben  Schichten  zum  Vfu-schein  kamen 
und  deren  zugelniriges  Gebiss  an  das  von  Chiromys  er- 
innert (Jcochilus,  verwandt  mit  Toxodontus)  vcrmuthen, 
dass  diese  Thiere  auf  Bäume  klettern  konnten.  .Mit  grösserem 
Rechte  dürfte  man  dasselbe  von  Homuneulus  und  Authro- 
pops  annehmen. 

Bessere  Kenntniss  besitzen  wir  von  den  fossilen 
Affen  der  alten  Welt,  die  der  Miocäu-  bis  Quatcrnär- 
zeit  angehören. 

Aus  Europa  kennen  wir: 

Semnopithecus  monspessulanus  Gervais  —  Pliocän 
Frankreichs  und  Italiens; 

Mesopithecus  Penteliei  Gaudry  —  Pliocän  Griechen- 
lands und   Ungarns; 

Dolichopitheeus  rascinensis  Deperet  —  Pliocän 
Südfrankreiehs ; 


Nr.  1. 


Njvturwissciisf'liaftliclie  Wochenschrift. 


Oreopitbccus  l>;uiil)oli  (icrvais —  Miocäii  Italiens; 
Macacus  priscus  Gervais —  l'liiiciiii  KSüdlraiikreiclis; 
Macacus  (Aulaxinuus)  florcntinus  Cocchi  —  l'liocäii 

Italiens: 
Macacus  pliocaenus  Owen  —  Quaternär  Eng'hxnds; 
Macacns    tolosanus    Harle     —     Quaternär     Süd- 

tVankreiclis;*) 

aus  Nordafriiia  bislior  nur  eine  eiuzii;c  Art: 

Cynoccphahis  atlantiensTlionias —  Pliocän  Algiers; 

aus  Asien,  das  wiederum  reicher  (besonders  Indien)  ist: 

Senmopitliecus  palaeindieus  Lydekkcr  —  Pliocän 

Indiens; 
Semntipitliecus  entellus  (fossilis)  Lyd.  —  Quaternär 

Indiens; 
j\[acacus  sivalensis  Lyd.  —  Pliocän  Indiens; 
Cynocephalus  suhhinialayanus  H.  V.  Meyer  —  Plio- 
cän Indiens; 
C'ynocephalus  Falconeri  und  sp.  V  Lyd.  —  Pliocän 
Indiens. 
Alle    diese   Typen    sind    zwar    nahe   Verwandte   der 
heutigen  Cercopitbecier,   stellen   jedoch  auch  Ueberg-änge 
zwischen   den  genera  derselben  dar  —  so  ist  Mesopithecus 
ein  Mittelding-  zwischen  Scnmopitheeus  und  den  ^lakaken, 
!>oliciii>pithecHs   zwischen   Senniupitheeus   und   den  ('yno- 
cephalen,    Ureoi)itliecus    zwichen    Schimpansen    und    den 
Makaken  — .     Es  gewinnt  somit  den  Ansehein,    dass  die 
gegenwärtig-  wohl  zu  unterscheidenden  Typen  des  Semno- 
pithecus,  Cercopithecus  und  Cynocephalus  zur  Tertiärzeit 
noch  auf  dem  ^\'eg■c  der  Entwicklung  begritfV-n  waren. 

Das  Viirkonunen  von  Semnopithecicrn,  Makaken  und 
auch  Cynoephalcn  in  der  siidasiati.schen  fossilen  Fauna 
berechtigt  zu  dem  Schlüsse,  dass  einst  Verbindungen 
zwischen  Indien  und  Afrika  bestanden  haben  müssen. 

Von  den  anthropomorplien  Affen  kennen  wir  bis 
jetzt  4  fossile  Spccies. 

In  Europa: 

Dryopithecus    Fontani    Lartet 

frankreichs; 
Plioi)ithecus  antiipius  Gervais 

reichs  und  der  Schweiz. 

In  Asien: 

Troglodytes  sivalensis  Lydekkcr  —  Pliocän  Indiens; 
Simia  sp.V  Lydekkcr  —  Pliocän  Indiens. 

Der  erstere  ist  in  der  Anthropologenwelt  durch  die  ver- 
nieintliehen  Silexgeräthscliaften  berüchtigt  geworden,  die 
der  Abbe  Bourgeois  in  Tlienay  sammelte  uufl  diesem 
Tliiernienschen  zuschrieb,  der,  wie  sich  S))äter  herausstellte, 
noch  bestialischer  als  der  Gorilla  gewesen  sein  nniss. 

Der  Plio])ithecus  ist  nahe  verwandt  den  Gibbons, 
der  Troglodytes  sivalensis  durch  sein  Gebiss  dem  Schim- 
])ansen.  Da  dieser  letztere  gegenwärtig  aber  ein  Be- 
wohner des  tropischen  Afrika  ist,  so  erblickt  Trouessart 
in  diesem  Unistande  einen  Hinweis  für  die  schon  oben 
angeführte  Ilypotiiese  von  einem  ursprüngliehen  Zusannnen- 
liange  der  Fauna  Indiens  und  Afrikas.  Man  kami  daher 
die  gegenwärtige  afrikanisclie  Fauna  als  das  Pesultat  einer 
Auswanderung  von  Indien  lier  beobachten,  die  sich  auf 
einer  Festlandsbrücke  vollzog,  von  der  Aralticn  den  letzten 
liest  darstellt. 

Von  dem  zur  Gattung  Simia  geinirigen  fossilen  Anthro- 
Ijomorphen  weiss  man  aus  Mangel  an  ^laterial  noch  zu 
wenig,  um  die  Speeies  bestinnnen  zu  krmuen. 

Im  Anschluss  an  diese  Auseinandersetzungen  erörtert 


—    Miocän     Süd- 
—   Miocän    Frank- 


*)  Das  goiius  Ci'boclioorus  Goixai«,  mit  ileiii  Colobiis  i;i-;i,n- 
daevus  Fraas  vielleiclit  synuiiyin  ül,  geliiirt  uit-lit  zu  ticn  Att'eu, 
sondern  zu  den  Artiodaetyloii  (SuidaH). 


der  Verfasser  uoeb  die  Frage,  wie  so  es  konmit,  dass  in 
den  miocänen  Schichten  Europasbereits  ein  anthroponKn-pher 
Arte  (Dryopithecus)  auftritt,  in  den  Jüngeren  pliocäncn 
dagegen  nur  Atfen  niederen  Typus  (Semnopithecns,  Ma- 
cacus). Wenn  auch  der  Hott'nung  Kaum  zu  geben  ist, 
dass  man  mit  der  Zeit  auch  noch  andere  Cercopitliecier 
im  Miocän  aufdecken  wird,  so  lässt  sich  das  Fehlen 
von  Anthropomori)heu  im  Pliocän  wohl  durch  eine  Aus- 
wanderung dieser  kleinen  empfindlichen  Speeies  aus  Europa 
nach  Afrika  oder  dem  Süden  Asiens  erklären,  wo  solche 
in  dieser  Formation  nachgewiesen  sind.  Die  weniger 
empfindlichen  Gercopithecier  haben  sich  dagegen  bis  in 
die  Gegenwart  hinein  auf  unserem  Continente  (Gibraltar) 
erhalten. 

Durch  das  Aufhnden  von  fossilen  Aft'enrestcn  in  cUmi 
tertiären  Schiciiteu  Südamerikas  ist  gleichzeitig  wieder 
die  Frage  nach  dem  ersten  Auftreten  des  Men- 
schen unter  diesem  Himmelsstriche  in  Bewegung 
gebracht  worden.  Südamerika,  im  besonderen  Südbrasilien 
und  Argentinien,  haben  eine  reiche  Ausl)eute  an  vorge- 
schichtlichen Menschenresten  geliefert.  In  den  Ibihlen  von 
Somidouro  in  Brasilien,  zu  Gordoba  und  im  Tliale  des 
Rio  Negro  in  Argentinien  sind  quateriiäre  Schädel  von 
dolicliocephalem,  hypostenopbalem,  prognathem  Typus  mit 
sehr  dicken  Seitenwandbeinen,  niederer  Stirn  und  stark 
entwickelten  Augenbrauenbögen  aufgefunden  worden,  die 
somit  an  die  Neanderthalra(,-e  erinnern.  Die  dazu  ge- 
hörigen liöhrt'nknochen  —  die  cavitas  olecrani  weist  eine 
Perforation  bis  zu  15  mm  auf —  sprechen  für  eine  Race 
von  niederer  Statur.  —  Gewisse  Schädel  sind  auch  brachy- 
cephal  oder  subbrachycephal  —  ein  Charaktcristicum  der 
heutigen  südami'rikanischen  Autochthonen  —  und  erinnern 
si'hr  an  die  der  Eskimos.  Künstlich  deformirte  Schädel 
konnnen  auch  vor.  Im  allgemeini'u  lässt  sich  jedoch  von 
der  quaternären  Race  Südamerikas  sagen,  dass  sie  grund- 
verschieden von  der  heutigen  Bevölkerung  war. 

Gebrannte  Topfreste,  Silextheile  von  St.-Acheul-  und 
Chelles-Typus,  Pfeilspitzen  sowie  Schalen  vom  Moustier- 
Typus  zusammen  mit  den  Riesenpanzern  der  Glyptodonten, 
die  als  Schutzdach  gegen  Regen  und  Wind  gedient  halben 
mögen,  charakterisiren  diese  Bevölkerung  der  .,  paläo- 
lithischen  Periode". 

Aber  uoch  in  älteren  Erdschichten  will  man  die 
Spuren  des  Menschen  nachgewiesen  haben.  Leider  gehen 
die  Ansichten  der  Geologen  über  das  Alter  derselben  sehr 
auseinand(M-.  Während  Dr.ring  und  Anieghino  sie  füi- 
pliocän,  selbst  miocän  halten,  rechnen  d'Orbigny  und  Stein- 
manu  sie  zum  Pleistocän  oder  (Quaternär.  Die  einzigen 
menschliehen  Knochenreste  aus  dieser  sehr  alten  Periode 
—  der  etage  Ensenadien  oder  Pampeen,  nach  Ame^liino 
entsprechend  dem  unteren  Pliocän  —  sind  einzelne  Zähne, 
die  man  anfänglich  für  solche  eines  Cebiers  (Protopitheeus 
bonoerensis  hielt.  —  Etwas  häutiger  konnnen  ThierknocluMi- 
reste  vor,  die  die  Spuren  nunseldielier  Tliätigkeit  (Be- 
arbeitung, Brand)  an  sich  tragen  sollen,  sowie  Topf- 
fragniente  und  Kohlenstücke.  —  Zu  Monte -Hernn)so  trug 
ein  fossiles  Scelett  von  ^lacrauclienia  anti(ina  —  Formation 
Araucanienne,  nach  Anieghino  Miocän  —  in  einem  seiner 
Knochen  einen  Quartzsplitter,  der  von  einem  absielitliciien 
Wurf  herrühren  kann,  zumal  da  äimlieiie  Splitter  in  der- 
selben Schicht  noch  zum  Vorsciiein  kamen. 

Durch  diese  Funde  könnte  das  Vorkonnnen  des  ter- 
tiären Menschen  für  Südamerika  bewiesen  sein,  wenn  nur 
nicht  das  Alter  dieser  vermeintlich  tertiären  Schichten 
neuerdings  stark  angezweifelt  worden  wäre.  Steinmaini 
in  Freibnrg  scheint  nachgewiesen  zu  hab<ii,  dass  diese 
Formationen  Amerikas  dem  Löss  Euro})as  ents|)reelu'n: 
somit  würde  das  angebliehe  Miocän  (Araueanien)  Argen- 
tiniens der  grossen  Eisperiode  angehören,   und  das  obere 


-  Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  1. 


Miocän  oder  Snbpanipecn  Amcghino's  (auch  pehuelchc 
genannt)  nur  aus  d(Mi  Moränentrümniern  der  h^t/teu  Eis- 
periode sich  gebildet  haben.  Da  nun  ferner  anzunehmen 
ist,  dass  die  Ulacialzeiten  auf  beiden  Erdthi'ilen  gleich- 
zeitig stattgefunden  haben,  so  dürften  die  üeberreste  des 
angeblich  tertiären  Menschen  synchron  mit  denen  aus  der 
paläolithischen  Periode  Europas  sein. 

Für  die  Steinniann'sche  Auffassung  spricht  auch  ein 
Vergleich  der  Säugethierfauna    aus  der  Formati(m  l'ata- 


gonienne  (Oligoeän)  und  der  Formation  Araucanienne 
(Miocän).  In  dieser  herrschen  Mastodonten,  Hirsche,  Lamas 
und  ]\lMrsupialicr  eines  nördlichen  Klimas  vor,  die  mit 
einem  Male  hier  auftreten  und  dieser  Fauna  (mu  sehr 
modernes  (4epräge  geben,  tmtz  der  21  Genera,  die  sie 
aus  der  ersteren  übernommen  hat. 

Der  tertiäre  Mensch  ist  für  Amerika  so- 
mit ebensowenig  wie  für  Europa  bis  jetzt  er- 
wiesen. 


Botanische  Excursion  durch  die  Pampas  und  Monte-Formationen  nach  den  Cordilleren. 


\'oii  Dr.  Ottu  Kuiitzi 


Mitte  Deceraber  1891  kam  ich  in  f'ordoba  aus  Europa 
an;  der  Aufenthalt  in  Buenos  Aires  war  nur  ein  kurzer 
gewesen;  die  mindestens  zu  ■',4  aus  eingewanderten,  meist 
mediterranen  Pflanzen  bestehende  Flora  um  Buenos  Aires 
hatte  für  mich  nur  geringen  Reiz.  Unser  Hamburger 
Dampfer,  die  ..Clinda",  fuhr  nach  wenigen  Tagen  weiter 
den  La  Plata  und  Parana-Strom  hinauf  nach  Rosario  de 
Santa  Fe,  von  wo  ich  sofort  die  Eisenbahn  nacli  Cordoba 
benutzte.  Es  war  eine  abseheulieli  staubige,  zehnstündige 
Fahrt  durch  nur  wenig  cultivirte  Pampas;  die  meisten 
waren  nur  für  Viehheerden  benutzt,  doch  waren  stellen- 
weise grosse  Flächen  mit  Weizen,  der  kaum  V2  "i  hoch, 
jetzt  mit  Maschinen  geerutet  wurde,  oder  mit  Alfalfa 
—  Medica(go)  sativa  L.  —  oder  mit  Mais  bebaut.  An 
den  Eisenhahnstationen  Hess  sich  fast  gar  nicht  botani- 
siren,  da  der  Aufenthalt  der  Züge  meist  sehr  kurz  und 
unbestimmt  war,  sowie  die  Flora  um  alle  Stationen  auf 
mindestens  einige  Hundert  Schritt  Entfernung  stets  auch 
nur  aus  europäischen,  bezw.  cosmopolitischen  Ansiedlern 
besteht. 

In  Cordoba  fand  ich  im  Hotel  Roma  gute  Pension, 
incl.  Wein  für  nur  ti  Pesos  =  öVo  Mark.  Es  war  Regen- 
zeit, welche  sich  durch  tägliche  oder  in  je  zwei  Tagen 
eintretende,  kurze,  aber  heftige  Gewitter  äusserte  und 
dieses  Jahr  aussergewöhnlich  stark  war,  so  dass  die  Flüsse 
stark  angeschwollen  Avaren.  Da  die  Gewitter  meist  nur 
kurze  Zeit  dauerten  und  ihre  Wassermassen  in  den  Strassen 
Und  Gefilden  sich  sclmell  verliefen,  so  blieb  Zeit  und  Ge- 
legenheit genug,  in  der  Umgebung  zu  botanisiren;  ich 
habe  innerhalb  zwei  AVochen  nahezu  400  verschiedene 
Arten  gesammelt.  Die  Flora  ist  dorJ;  relativ  reich  zu 
nennen  und  aus  strauehloser  Pampaflora  mit  den  ver- 
schiedenartigen Monte-Fhu'en,  die  wir  s])äter  einzeln  kennen 
lernen  werden,  zusannnengesetzt,  durch  Abholzen  z.  Th. 
auch  verändert.  Monte  bedeutet  Buschwald  (nicht  Berg) 
und  ist  im  Uebrigen  durch  mancherlei  Uebergänge  mit 
der  Pampaflora  im  strengeren  Sinne,  welche  vorherrschend 
aus  Gräsern  und  Kräutern  mit  vereinzelten  Sträuchern  oder 
ohne  dieselben  besteht,  verbunden,  so  dass  strenge  Vege- 
tationsgrenzen nicht  zu  ziehen  sind.  Manche  verstehen 
unter  Pampas  auch  die  Gebiete  mit  niederen  Sträuciiern, 
welche  zuweilen  fast  gi'aslos  sind.  Im  Allgemeinen  findet 
sich  Monte -Hora  mehr  längs  der  Flüsse  und  Bäche, 
während  die  Pampas  meist  wenig  oder  keine  fliessenden 
Gewässer  besitzen,  bezw.  wo  schliesslich  die  Flüsse  durch 
die  Pampa  gehen,  hal)en  sie  meist  Ufergebüsch  der  Monte- 
Formation.  Auch  in  die  Sierra  de  Cordoba  bin  ich  ge- 
kommen, jedocii  nur  bis  zur  Dique  de  San  Roque,  wohin 
eine  Eisenbahn  führt. 

Die  aussergewöhnliehe  Regenmenge  hatte  die  Flüsse, 
wie  gesagt,  sehr  wasserreich  gemacht,  und  diesem  Um- 
stände verdanke  ich  es,  dass  ich  Freund  Fritz  Kurtz 
(Dr.  Don  Federico),  Catedratico  de  botanica  en  la  universi- 
dad  de  Cordoba,  noch  anwesend  fand;  er  hatte  mit  seinem 
geologischen  Collegen   Dr.  W.  Bodenbender   eine   wissen- 


schaftliche Expedition  imcli  den  Cordilleren,  speciell  nach 
dem  Planclioniiass  zu,  unternonnnen,  freie  Eisenbahnfaln't 
bis  Villa  Mercedes  bewilligt  erhalten  und  nun  2  Diener 
mit  Maulthii-ren  und  Pferden  ülier  Land  vorausgesandt. 
Letztere  konnten  nun  den  reissend  gewordenen  Rio  tercero 
nicht  passiren,  so  dass  dieser  Umstand  den  Beginn  der 
Expedition  um  14  Tage  verschob  und  ich  noch  recht- 
zeitig ankam,  um  selbst  diese  Reise  mitmachen  zu  kiinnen, 
wenigstens  einen  Tlieil  derselben,  welcher  sich  meinem 
Reiseprogramm  anpasste. 

Inzwischen  war  auch  die  Eisenbahn  nach  Villa  Mer- 
cedes von  den  Fluthen  zerstört  worden,  und  bei  den  fort- 
währenden neuen  Regengüssen  wurde  es  immer  zweifel- 
hafter, ob  unsere  projectirtc  Reise  noch  ausführbar  sein 
würde,  um  so  mehr,  als  die  den  beiden  Professoren  dafür 
gestattete  Zeit  von  2  Monaten  bei  weiterer  Verschiebung 
daran  so  verkürzt  würde,  dass  bei  der  grossen  Entfernung 
diese  Zeit  dann  nicht  mehr  ausreichen  konnte. 

Am  letzten  December  riskirten  wir  die  Abfahrt,  ob- 
wohl wir  nicht  hatten  erfahren  können,  ob  der  Eiscnbalin- 
dannn  am  Rio  Tercero  wieder  hergestellt  sei,  und  ob  die 
altbewährten  Diener  der  Professoren  Don  Komulo  und 
Don  Vicente  mit  den  Maulthieren  den  Fluss  schon  etwa 
passirt  hatten. 

Bis  zur  Station  Villa  JMaria,  wo  die  Bahn  nach  Villa 
Mercedes  abzweigt,  ging  unsere  Fahrt  glatt;  dann  be- 
durfte es  aber  dringender  Vorstellungen  bei  dem  Stations- 
clief,  um  überhaupt  weiterbefördert  zu  werden.  Das  ging 
aber  luclit  glatt  von  statten:  ein  Personenwagen  und  ein 
Gepäckwagen  wurden  von  der  Locomotive  geschoben 
(nicht  gezogen);  schliesslich,  als  der  Bahndaunn  mehr  einem 
Sumpf  glich,  und  unter  den  Schienen  stellenweise  Wasser 
stand,  wurden  Passagiere  —  es  waren  etwa  8  —  und 
Bagage  auf  2  leichte  Draisinen  .,geladen"  und  von  Leuten, 
die  auf  den  Schienen  liefen,  weitergeschoben.  Auf  dem 
Bahndaunn  war  jetzt  selbst  das  Laufen  unmöglich,  denn 
das  Ueberschwemnuingswasser  floss  über  und  oft  auch 
unter  den  Schienen  cascadenartig  über  den  Damm.  Nach 
20  Minuten  solcher  Fahrt  komite  ein  Pferd  vorgespannt 
werden,  bis  wir  zur  Brücke  kamen,  über  welche,  weil 
das  eine  Ende  unterbrochen  und  dureli  einen  Steg  vor- 
läufig ersetzt  war,  wir  zu  Fuss  wamh'rn  mussten,  während 
die  Gepäckstücke  einzeln  hinübergetragen  wurden.  Am 
Ufer  des  Flusses  wuchsen  mächtige  Bäume  von  Salix 
Ilumboldtiana  mit  hängenden  Zweigen,  zur  Zeit  mit 
Früchten.  Auf  der  überwundenen  Eisenbahnsumpfpartie 
hatten  wir  auch  eine  interessante  Pflanze  nntgenonunen: 
im  Sumpfe  wuchs  eine  P]ryngium-Art  (cfr.  paniculatum) 
mit  einfachem,  manneshohem  Stengel  und  aloeähnlichen 
Blättern.  Ein  zerlumpter,  barfüssiger  Junge  holte  sie  uns 
aus  dem  Sumpf  und  erhielt  dafür  1  Bankbillct  von  10  Cen- 
taros  im  Werthe  von  11  Pfennigen. 

Jenseits  der  Brücke  war  die  Eisenbahn  wieder  in 
Ordnung,  und  brachte  uns  der  Zug  gegen  Abend  nach 
dem  Städtchen  Rio  Cuarto    und    am   andern  Morgen   bis 


Nr.  1. 


Naturvvisscnschaftliclic  Wochenschrift . 


Mittag-  nach  Villa  Mercedes,  ^^'ir  fuhren  nici.st  durch 
Pampas,  wo  die  Heuschrecken  fürchterlich  gehaust  hatten; 
es  ist  ein  Heuschreckenjahr,  und  die  junge  flügellose  Brut 
zerfrisst  fast  alles,  was  ihr  von  Pflanzen  crreicldjar  ist, 
von  den  Gräsern  der  Pampa  vornehndich  die  oberen 
Theilc;  dagegen  lassen  sie  eine  in  der  Panifia  stellen- 
weise häutigi'  silhergraue,  Vj  i"  holie  Compositenstandc 
mit  schlanken  Zweigen  und  lancettlichcn  Blättern,  Hya- 
loseris  argeutea  Cesati,  unangerührt. 

Silvester  hatten  wir  im  Bahnhi>frestaurant  zu  Rio 
Cuarto  mit  Grog  gefeiert;  doch  wollte  eine  recht  fröh- 
liche Stimmung  nicht  Platz  greifen,  da  wir  in  Ungewiss- 
heit  waren  über  die  Tropa  —  so  nennt  man  die  zu  einer 
Expedition  gehörigen  ^laulthiere  inel.  der  Madrina,  einem 
Pferd,  dem  eine  Klingel  angehängt  wird.  Die  Madrina 
übt  einen  eigenartigen  Zauber  auf  alle  Thiere  einer  Tropa 
aus  und  hält  die  Thiere  zusannncn.  Unsere  Tropa  be- 
stand schliesslich  aus  1  Pferd  i Madrina)  und  11  Mulen 
(Maulthicre:  Mula5,  Macho  j' ). 

In  Villa  Mercedes  angekommen,  fanden  wir  weder 
unsere  Tropa,  noch  Nacliricht  von  Don  Romulo,  der  uns 
eventuell  liatte  telegraphiren  sollen.  Wir  nahmen  einst- 
weilen Unterkunft  in  einem  sehr  niittelmässigen  (iasthaus 
(Fonda);  bessere  giebt  es  kaum  in  dieser  öden  Camp- 
stadt. Prof.  Bodenbender,  der  die  Führung  der  Expedition 
übernonnnen  hatte,  telegraphirte  nach  allen  Kiclitungen, 
die  Don  Komulo  mit  der  Tropa  hätte  einschlagen  können 

—  eventuell  auch  nach  Uebersteigung  der  Sierra  de  Oor- 
doba  jenseits  derselben.  Die  Depeschen  waren  ohne  Er- 
folg —  eine  verspätete  Antwort  war  sogar  ganz  falsch  —  ; 
wir  blieben  in  Ungewissheit  l)is  zum  2.  Januar  Abends, 
als  unsere  Tropa  mit  Verlust  eines  zurückgelassenen  Pferdes 
endlich  eintraf.  Die  Mulen  mussten  min  erst  etwas  aus- 
ruhen, wir  mussten  uns  einen  Vaqueano  (Fuhrer)  nach 
San  Kafael,  Provinz  Mendoza,  besorgen,  für  mich  mussten 
o  Maulthiere  (ä  40  Pesos)  hinzugekauft  werden.  Da  die 
Regengü.sse  auch  hier  sieh  wiederliolten,  wurde  telcgraplii- 
schc  Nachriclit  eingezogen,  ob  der  Rio  Dianiante  bei  San 
Rafael  und  der  Rio  Atuel  (bezw.  Rio  Salado)  überhaupt 
passirbar  seien.  Da  in  diesem  Sommer  (also  hier  De- 
cember-Februar)  auf  den  Cordilleren  viel  Schnee  gefallen 
und  im  Abtliauen  begriffen  ist,  so  sind  die  Flussübergänge 
unberechenbar.  Es  liefen  aber  gute  Nachrichten  ein.  Da- 
gegen war  der  Rio  Quinto,  an  welchem  \'illa  Mercedes 
liegt,  nicht  mit  beladenen  Mulen  zu  passiren,  und  als  wir 
es  am  7.  .lanuar  \ ersuchten,  mussten  wir  umkeln'cn. 
Glücklicherweise  fand  .sich  ein  Ausweg:  die  3  Stunden 
entfernte  Eisenbahnbrücke,  über  welche  wir  gehen  und 
das  Gepäck  tragen  mussten,  während  die  Mulen  den 
Fluss  durchschwammen.  Die  Mulen  hätten  be(|uem  auch 
über  den  1  in  breiten  Steg  der  Eisenbahidiängeltriieke 
laufen  können,  aber  Mulen  sind  eigenartige  Thiere,  mit 
deren  Gewoiinheiten  man  auf  Reisen  sehr  rechnen  nniss; 
sie  wären  auf  der  Eisenbahnbrücke  scheu  geworden,  und 
es  musste  daher  das  stets  uiuständliciie  Umladen  des 
Gepäckes,  das  einige  Stunden  aufiiält,  in  der  Mittagshitze 

—  32°  C.  im  Sciiatten  —  vorgenonnnen  werden. 

Die  Zeit  bis  zur  Abreise  am  7.  .lanuar  hatten  Kurtz 
und  ich  zu  einigen  kleinen,  wenig  loluiendcii  Excursionen 
benutzt;  eine  mit  der  neuen  Bahn  nach  San  Jose  de  Jlorro 
hätte  lohnend  werden  können,  wenn  wir  darauf  hätten 
2  —  3  Tage  verwenden  dürfen;  die  Züge  fahren  bloss  alle 
2  —  3  Tage  und  an  einem  Tage  lässt  sich  der  Ccrro  de 
^lorro  nicht  erreichen;  so  konnten  wir  nur  die  niedrigen 
Vorhöhen  des  Cerro  blaneo  erreichen,  die  nichts  Itesonderes 
boten;  doch  seien  erwähnt:  Ecbolium  campestre  ()k.^ 
Rhjtiglossa  c.  Nees  =  Justicia  c.  Grisel,  eine  blau- 
blüthige,    1  m    hohe,    aufrecht -diehtästige,    starkbelaubte 


Staude,  welche  dichte  Bestände  bildet;  2  niedrige  \  cr- 
bcna-Arten:  V.  chamaedryodes  mit  brennendrothen 
P>lüthen,  krautigen,  gestreckten  Stengeln,  welclie  Art  meist 
vereinzelt  sich  findet,  und  eine  iicilblaublüthige  Art,  welche 
bis  If)  cm  h(die,  sparrig  verzweigte  Zwcrgsträucher  bildet 
nnd  mehr  gesellig  \'orkonnnt.  .\uf  den  windigen  Höhen 
blühte  ein  Meloeactus.  In  dem  kleinen  Thalkessel  des 
Cerro  blaneo  standen  einige  riesenhafte,  rt  '/^  ni  im  Stamm 
dicke  Feigenbäume,  deren  verlockende  Früchte  aber  zu 
hoch  hingen,  um  erreichbar  zu  sein;  das  Erklettern  ist 
bei  iler  Brüchigkeit  des  Holzes  unstatthaft.  Unter  dem 
Schatten  dieser  mächtigen  iülumc  lagerten  wir  zum  Mittag; 
eine  Ziegcnheerde  suchte  ebenfalls  dort  Schatten  und 
lieferte  uns  Milch.  Von  Gräsern  und  anderen  kleinen 
(iewäehsen,  deren  .Vufzählung  hier  zu  weit  führen  würde 
und  ohne  nachträgliche  Bestimmung  im  Herbarium  zu 
Hause  auch  nicht  gut  möglieh  und  zweifelhatt  ist,  seien 
noch  von  jener  Partie  aufgeführt:  Cestrum  Pseudo- 
(|uina  Mart.,  eine  fast  zur  Ruderalpflanze  gewordene  ein- 
heimische, halbstrauchige,  1  — 1  'o  m  hohe,  giftige  Solanacee 
mit  gelbgrünen  bis  gelben,  cylindrischen  Blüthen.  Ziegen 
fressen  diese  Pflanze  nicht,  wohl  aber  wird  sie  von  lieu- 
schrccken  angegriffen.  .lodina  rhombifolia  Tlk.  u.  .\rn. 
ist  eine  baumartige,  bis  8  m  h(die,  oft  aber  nur  hoch- 
strauchige  Santalacee  mit  lederartigen.  Ijlassgriinen,  4  bis 
5  cm  langen,  cuneat- i-hondiischen,  kahlen  Blättern,  deren 
3  oberhalb  gelegene  Ecken  in  Staehelspitzen  auslaufen. 
Prosopis  alba  (iriseb.  wird  ein  mächtiger  Baum  bis  zu 
1  m  stark  und  12  m  hoch;  es  ist  eine  Mimosaeee  mit  zartem 
Laub,  die  1 — 2-jugatcn  Blätter  haben  gefiederte  ,loch- 
theile  mit  zahlreichen,  kaum  1  cm  langen  und  '  4eni  breiten 
]>lättcheii.  Die  jungen  Exem])lare  sind  reichlicher  mit 
Dornen  versehen.  Auf  dem  Algarrobo  blaneo,  mit  welchem 
italienischen  Namen  für  das  Johannisbrot  man  hier  diesen 
Baum  wegen  der  süssen,  johannisl)rotähnliehen,  aber  4  Mal 
schmäleren  und  2  Mal  kürzeren  Hülsen  bezeichnet,  vegetirtc 
dort  ein  Loranthus  mit  sehr  sehmalen,  fast  linealen 
Blättern,  z.  Z.  noch  nicht  in  Blüthe.  Zu  dieser  Partie, 
deren  kurze  I^isenbahnfahrt  (i  Pesos  Jedem  kostete,  hatten 
wir  ausserdem  3  Pferde  mit  1  Führer  auf  4  Stunden  ge- 
miethet,  wofür  wir  nur  zusannncn  b  Pesos  zahlten. 

A'illa  Mercedes  ist  eine  Canipstadt,  deren  man  t'ine 
zu  besehreiben  hat,  um  alle  anderen  hier  damit  zu  schil 
dem.  Die  Strassen  sind  sehr  breit,  staubig,  bezw.  nach 
Regen  schlammig,  reelitwiid^clig  sieh  kreuzend  und  Cuadros 
bildend,  die  für  Häuserxierccke  einer  künftigen  tiross- 
stadt  angelegt  sind,  auf  denen  jetzt  ai)er  meist  nur  .M- 
falfe  (Luzerne)  oder  Mais  gebaut  wird:  diese  von  Strassen 
umgebenen  Felder  sind  mit  dicht  gepflnnzten  Pyramiden- 
pappeln umgeben,  welche  infolge  ihrer  Höhe  nnd  ihres 
dichten  Standes  den  Feldern  einen  weitgehenden  Schatten 
gel)en.  Die  Häuser,  welche  sich  nur  stellenweise  mehr 
zusannnengeljaut  finden,  sind  ausschliesslich  aus  Lehm- 
ziegeln gefertigt;  in  der  Nähe  der  Plaza  finden  sich  dann 
meist  die  grösseren  Gescliäftsläden  etc.  Gross  geplant,  ist 
eine  solche  schwach  be\ölkerte  Stadt  wegen  ihier  .\us 
dehnung  nur  mit  Pferden  oder  Droschken  zu  benutzen, 
die  hier  beispielhis  billig  sind  —  Fahrt  pro  Person  40  Cs. 
oder  ]n'o  Stunde  (dme  Rücksicht  auf  Personenzahl  I  Peso 
Jetzt  etwa  1  Mark  werth).  Die  vielen  Pa|)pelreilien,  an 
denen  übrigens  die  Heuschrecken  schliesslich  auch  weiden, 
wenn  das  Futter  zu  ebener  Erde  fehlt  oder  .-die  geworden 
ist,  machen  eine  solche  Campstadt  schon  von  Weitem  er- 
kenntlich; für  den  Botaniker  sind  si(>  trostlos,  denn  an 
den  Wegen  und  freien  Plätzen  waidisen  fast  um'  l\uder;il- 
pflanzen,  vor  allem  Clienopodium  album  L.,  Xan- 
thium  siiinosum  L.  und  \'erbcsina  enceliodes 
Bsigr.  (Cav.).  iJ''ortsetzung  folgt.) 


6 


Naturwissenschaftliflie  Wocliensclirift. 


Nr.  1. 


Der  Rechner  Iiiaiuli.  —  Da  der  in  der  letzten  Zeit 
in  Tageshlättern  viel  erwähnte  „Wunderreehner"  Inaudi 
die  Absiclit  haben  soll,  auch  nach  Deutschland  zu  kommen, 
sind  vielleicht  einige  Notizen  über  ihn  nach  den  Be- 
obachtungen der  Pariser  Akademiker  in  der  Salpetriere 
und  an  der  Sorbonne  (Aerztc,  ^Mathematiker  und  Philo- 
sophen habeu  Theil  genommen,  liesonders  der  Neurolog 
Charcot,  Binet,  die  Mathematiker  Tisseraud,  Dar- 
boux,  Poincare),  an  dieser  Stelle  von  allgemeinem 
Interesse.  Es  handelt  sich  bei  ,1.  Inaudi  um  einen  Kopf- 
rechner, der  den  berühmtesten  Erscheinungen  dieser  Art, 
Mondeux  in  Frankreich  (1840  von  Cauchy  der  Akade- 
mie vorgestellt),  Colbum  in  England,  Mangiamele  in 
Italien  u.  s.  f.  nicht  nachsteht  und  vielleicht  nur  von 
Zach.  Dase  übertroifen  wird  (Dase,  1824—1861,  ist 
mit  15  Jahren  ölt'eutlich  als  „Rechner"  aufgetreten  und 
hat  übei'all  das  grösste  Staunen  erregt  durcii  seine  Schnellig- 
keit im  Zitfernrechnen;  in  Wien  multiplicirte  er  z.  \i. 
40  Zahlen  mit  40  anderen  in  40  Minuten.  Er  wurde 
auch  bei  Zahlenrcchnungen  für  wissenschaftliche  Arbeiten 
vielfach  verwendet,  z.  B.  von  B  es  sei  an  der  Sternwarte 
in  Berlin ,  im  preussischen  Finanzministerium  u.  s.  f.) 
Inaudi  unterscheidet  sich,  um  das  gleich  vorweg  zu 
nehmen,  in  höchst  interessanter  Weise  von  seinen  Vor- 
gängern: er  hat  von  je  die  Ziffern,  mit  deren  Kombination 
er  sich  von  früher  Jugend  an  leidenschaftlich  befasste, 
nicht  durch  das  Auge,  sondern  durch  das  Ohr  erfasst.  — 
Er  stammt  aus  Onoraso  in  Piemont,  ist  am  13.  October  1867 
in  ärmlichen  Verliältnissen  geboren  und  war  lange  Jahre 
Hirte  (wie  auch  Mondeux  und  Mangiamele);  Lesen 
und  Schreiben  hat  er  erst  im  20.  Jaln-e  gelernt,  im  Rech- 
nen hat  er  nie  einen  Lehrer  gehabt.  Mit  5  Jahren  ist  er 
von  jener  merkwürdigen  Leidenschaft  für  die  Zahlen  er- 
griffen worden,  die  alle  diese  Rechner  im  zartesten  Alter 
erfasst  und  nicht  mehr  loslässt.  (Uebrigens  ist  auch  von 
vielen  Mathematikern  und  Physikern  l)ekannt,  dass  sie  in 
frühester  Jugend,  Gauss  und  Ampere  z.  B.  im  dritten 
Jahre  zu  rechnen  begonnen  haben.)  Schon  in  seinem 
13.  Jaiu"e  hat  sich  des  Knaben  ein  Impresario  bemächtigt, 
der  ihn  u.  A.  nach  Paris  führte,  wo  ihn  Broca  unter- 
suchte. Er  hat  nie,  auch  als  kleiner  Knabe  nicht,  wie 
andere  Rechner  mit  materiellen  Dingen  gerechnet,  z.  B. 
an  den  Fingern  oder  mit  Kieselsteinen  u.  s.  f.  gezählt, 
sondern  sofort  im  Kopf  zu  rechnen  begonnen,  nachdem 
er  die  Namen  der  Zahlen  von  seinem  Bruder  kennen  ge- 
lernt hatte.  Es  ist  schon  angedeutet,  dass  ihm  deshalb 
auch  jetzt,  da  er  lesen  und  S'ehreiben  kann,  die  Schrift 
beim  Rechnen  gar  nichts  nützt;  er  fasst  alle  Zahlen  nur 
durch  das  Ohr  beim  ^'orsprechen  auf,  um  dann  im  Kopf 
die  gewünschten  Operationen  zu  machen.  Gesehriebcue 
Zahlen  fasst  er  viel  schlechter  auf;  er  sagt  selbst,  dass 
ihn  die  Schrift  verwirrt.  Er  nudtiplicirt  .jetzt  acht-  bis 
zehnstellige  Zahlen  mit  einander.  Dabei  ist  weniger  eine 
ganz  ausstn-ordeiitliehe  Schnelligkeit,  als  die  Sicherheit 
seiner  Antwort  überraschend,  inmierhin  ist  auch  die  erstere 
nicht  gering,  z.  B.  braucht  er  zur  Auffassung  zweier  vor- 
gesprochener 4zitfriger  Zahlen,  der  Multiplication  beider 
und  dem  Aussprechen  des  Resultats  20  Sekunden.  Wäh- 
rend ein  Erwachsener,  von  einer  beliebigen  Folge,  ihm  in 
bestimmtem  Rythmus  (z.  B.  in  Gruppen  von  drei)  vorge- 
sprochenen Ziffern  nur  etwa  8  bis  10  in  richtiger  Folge 
wiederholen  kann,  gelingt  dies  Inaudi  ohne  Anstrengung 
bei  24  bis  30;  dabei  prägen  sieh  diese  Ziffern  durch  ein- 
maliges Nachsprechen  seinem  Gedächtniss  sofort  ein,  dass 
er  sie  z.  B.  ebenso  gut  (dme  alles  Zuthun  in  umgekehrter 
Folge  wiederholen  kann  oder  die  erste  Hälfte  in  gerade, 
die  zweite  in  umgekehrter  ( »rdnung  u.  s.  f.  .fa  er  kann  am 
Ende  einer  längeren  Sitzung  noch  alle  Zahlen  hersagen, 
mit    denen    er   während    derselben  zu  thun  hatte;    es  ist 


fast  unglaublich  und  doch  sicher  verbürgt,  dass  er  z.  B. 
bei  einem  Besuch  dieser  Art  in  der  Sorbonne  400  Ziffern 
so  wiederholt  hat  nnt  nur  wenigen  IrrthUmcrn,  die  er  selbst 
sofort  berichtigte,  nachdem  er  zuvor  gebeten  hatte,  ihn 
nicht  zu  unterbrechen.  Eine  22-stellige  Zahl,  die  ihm  bei 
Darboux  vorkam,  wusste  J.  noch  8  Tage  später,  ohne 
auf  diese  Gedächtnissprobe  vorbereitet  zu  sein.  Das 
Linien-  oder  Formengedächtniss  eines  zeichnerisch,  das 
Tongedäehtniss  eines  musikalisch  ,,Begabten''  (Mozart 
hat  das  Jliserere  der  päpstlichen  Kai)elle  vollständig 
notirt,  nachdem  er  es  zweimal  gehört  hatte),  ja  alltägliche 
Klagen,  wie  „ich  habe  ein  so  schlechtes  Zahleugedächt- 
niss",  oder  „wären  doch  die  Leute  numerirt,  dass  ich  sie 
besser  unterscheiden  könnte",  haben  längst  gezeigt,  dass 
das  „Gedächtniss"  keineswegs  eine  einheitliche  P^'unetion 
ist.  Durcli  die  Kopfschnellrechner  und  ähnliche  Er- 
scheinungen wird  bewiesen,  dass  wohl  jeder  Theil  <les 
Gedächtnisses  besonders  „begabt"  und  in  diesem  Falle 
durch  entsprechende  Uebung,  zu  der  die  so  „Begabten" 
eben  durch  ihre  „Anlage"  willenlos  getrieben  werden 
(denn  sie  fangen  in  einem  Alter  an  zu  „üben",  in  dem 
von  Willensbestinnnung  noch  kaum  die  Rede  sein  kann), 
zu  ausserordentlicher  Leistung  befähigt  werden  kann. 
Dabei  können  andere  Tlieile  des  Gedächtnisses,  im  Ver- 
gleich mit  dem  Durchsehnittsmeuschen  schwächer  oder 
auch  vollständig  normal  sein.  Das  Beispiel  Inaudi' s  zeigt, 
dass  nicht  liei  allen  Kopfrechnern  die  ..muiihcr  forms" 
(Galton)  visuell  sind;  wenigstens  Inaudi  fasst,  wie  schon 
erwähnt,  Zahlen  nur  durch  das  Gehör  auf  und  kann  auch 
nur  rechnen,  indem  er  murmelt,  sich  rechnen  hört.  Wie  bei 
den  meisten  „Rechnern"  ist  bei  Inaudi  ausschliesslich  das 
Zifferngedächtniss  merkwürdig  geübt,  während  z.  B.  das 
Buchstabengedächtniss  normal  ist,  wie  auch  seine  geistigen 
Fähigkeiten  ül)erhaupt  zu  sein  scheinen.  Während  er, 
wie  erwähnt,  bis  zu  30  vorgesprochenen  Ziffern  richtig  be- 
hält (bei  50  wird  er  unsicher  und  begeht  Versehen,  kann 
er  nur  die  durchschnittliche  Zahl  von  vorgesprochenen 
Buchstaben  in  richtiger  Folge  behalten  und  es  ist  un- 
wahrscheinlich, dass  auch  weitgehende  Uebung  ihn  hier 
besonders  fördern  würde.  Es  mag  schliesslich  noch  er- 
wähnt   w<'rden,   dass  von  irgend  einer  erblichen  Anlage 


bei  Inaudi  nichts  nachgewiesen  werden  konnte. 


II. 


JMe  Blutseruintlieraitie.  —  Die  von  Stabsarzt 
Dr.  Behring  in  Berlin  iiiaugurirte  sogenannte  Blutseruni- 
therapie,  die  neueste  hoffnungsvolle  Errungenschaft  der 
modernen  Medizin,  wird  durch  ihren  Urheber  ihrer  Ver- 
vollkomnuiung  innner  näher  entgegengeführt.  In  einem 
soeben  erschienenen  Buche:  „Das  Tetanusheilseruni  und 
seine  Anwendung  auf  den  kranken  Menschen"  (Leipzig, 
Verlag  von  Georg  Thieme  1892)  giebt  der  Verfasser  einen 
Bericht  über  den  derzeitigen  Stand  und  die  Leistungs- 
fähigkeit der  sogenannten  Blutserumtherai)ie  und  fügt  An- 
leitungen zu  ihrer  praktischen  Handhabung  bei.  Nur  für 
den  VVundstarrkrampf  hat  die  neue  Heilmethode  bisher 
praktische  Bedeutung  gewomien;  hier  ist  sie  ai)er  auf  so 
sichere  experimentelje  Grundlage  d.  h.  Erfolge  bei  Thier- 
versuchen  gestellt,  dass  ihre  Anwendung  beim  Menschen 
v(dlkommen  bereclitigt,  ja  sogar  gegenwärtig  schon  als 
eine  Pflicht  für  den  Arzt  erscheinen  nuiss. 

Nachdem  Behring  entdeckt  hatte,  dass  das  Blutserum 
solcher  Thiere  (Mäuse,  Meerschweinchen  und  Kaninchen"), 
welche  gegen  Tetanus  inmum  gemacht  worden  sind, 
immunisirende  und  heilende  Kraft  für  andere  Thiere 
nicht  nur  der  gleichen  Gattungen,  sondern  auch  höherer 
Arten,  vornehmlieh  Hannnel  und  Pferde  besitzt,  ist  sein 
Streben  dahingegangen,  den  Immunisirungswerth  und  die 
Heilkraft    des  Serums   immer   mehr   zu    steigern     Durch 


Nr.  1. 


Naturwissenschaftliphe  Woohcnsflirift. 


ständige  Ueberinipfnug-  des  Seniins  von  Thiev  zu  'l'hier 
ist  dieses  Ziel  auch  bis  /n  einer  hestinnnten  Grenze  \<in 
ihm  erreielit  worden.  Je  stärl^er  und  je  länger  ein  Tiiier 
immun  ist,  desto  grösser  ist  aueli  die  innnunisirende  und 
heilende  Kraft  seines  Blutwassers.  Diese  beiden  Eigen- 
sebaften  unterscheiden  sieh  dadurch,  dass  letztere  immer 
geringer  als  die  erstere  ist,  so  dass  man  für  die  praktische 
Anwendung  des  Heilserums  immer  eine  stärkere  (Jon- 
eenfration  nötliig  hat,  als  der  hnmunisirungswcrth  Ijeträgt. 
\'erfugte  Behring  früher  nur  über  ein  Serum,  von  dem 
ein  (Iranun  im  Stande  war,  ein  Thier  von  100  Gramm 
Köi-pergewicbt  vor  dem  Tetanustode  zu  schützen,  d.  h.  das 
Blutserum  besass  einen  Immunisirungswerth  von  1  zu  100, 
so  ist  er  jetzt  bereits  zu  einem  solchen  ^ou  1  zu  1  000  000 
gelangt,  das  also  1000  Thiere  nnt  je  1000  Grannn  Kör|)er- 
gewicht  zu  immunisiren  \ermag.  Zur  Heilung  eines  l)ereits 
bestehenden  Tetanus  ist  aber  mindestens  die  tausendfache 
Menge  der  zur  Imnninisirung  genügenden  erforderlich,  in 
Folge  dessen  ist  der  praktische  Werth  des  Heilserums 
zur  Zeit  nnr  erst  1  zu  1000.  P'ür  den  Menschen  von 
75  Kilogrannn  Körpergewicht  berechnet,  würden  also 
75  Gramm  Heilserum  zur  Heilung  des  Tetanus  nothwendig 
sein.  Schwere  Erkrankungen  würden  noch  eine  Steigerung 
dieser  Dosis  erheischen.  Wie  weit  in  solchen  Fällen 
Behrings  Heilserum  leistungsfähig  wäre,  steht  noch  da- 
hin. Bis  jetzt  ist  nur  aus  dem  St.  Hcilwigs-Krankenhause 
in  Berlin  ein  ndt  dem  Tetanushcilscrum  behandelter  und 
geheilter  Fall  vim  Wundstankrampf  Ijeriehtet  worden. 
Da  es  sich  aber  imr  um  eine  mittelschwere  Form  dieser 
Erkrankung  handelte,  die  öfters  auch  von  selbst  zur  Heilung 
gelangt,  so  beweist  dieser  Fall  noch  nicht  stricte  die 
Wirksamkeit  der  Behringschen  Heilmethode.  Jedenfalls 
aber  eröft'net  sie  die  Aussicht  auf  ein  rationelles  wirk- 
sames Heih  erfahren.  Es  sei  übi-igens  noch  erwähnt,  dass 
diese  Methode,  deren  Anwendbarkeit  auch  bei  anderen 
Krankheiten,  wie  z.  B.  Typhus  und  Cholera  schon  durch 
Tliierversuche  theoretisch  bewiesen  ist,  bereits  eine  für 
ihre  i)raktisehe  Anwendung  sehr  wertlivolle  Abänderung 
von  anderer  Seite  erfahren  hat,  indem  nämlich  statt 
des  Blutserums  der  immunen  Thiere  die  Milch  dersclljcn 
benutzt  wird,  in  welche  die  innnunisirenden  und  heilenden 
Stoffe  gleichfalls  übergehen.  In  der  That  hat  auch  die 
Milch  innnuner  Ziegen,  welche  in  dieser  Hinsicht  die  ge- 
eignetesten Versuchsthierc  sind,  solche  Wirkung  bei  Thicren 
entfaltet.     Man  hat   dadurch  Meerschweinchen   ü-esen   die 


lidection  mit  Oiiolera  zu  schützen  \crmoelit. 


Dr.  A. 


Dr.  Nansens  Nordpolexpeditioii.  —  Am  2S.  Sept. 
d.  J.  hielt  Dr.  Nansen  vor  der  geographischen  Gesell- 
schaft Norwegens  in  Christiania  einen  zweiten  Vortrag 
über  seine  geplante  Nordi)olexpedition,  welcher  in  dem, 
vor  einigen  Wochen  herausgegebenen  Jalii'buch  genannter 
Gesellschaft  zum  Abdruck  gelangt  ist.  Derselbe  enthält  eine 
Reihe  von  Mittheilungen,  über  deren  interessanteste  wir 
in  Folgendem  berichten  wollen. 

Nansens  Plan  besteht  bekanntlieh  darin,  den  P(d  ndt 
Hilfe  einer  Meeresströnning  zu  erreichen,  welche,  von  dem 
sil)irisehen  Eismeere  ausgehend,  die  Gegend  des  Nord- 
poles  erreicht  und  aus  derselben  in  südlicher  Richtung 
wieder  heranstritt,  um  in  Gestalt  des  l)ekannten  ost-grön- 
ländiselicn  PoIareisstr(mies  den  atlantischen  Oeean  zu  er- 
reichen. Für  das  Vorhandensein  dieser  Strömung,  be- 
ziehungsweise für  die  Zusammengehörigkeit  des  sibirischen 
und  des  ost-gröuländischeu  Stromes,  hatte  er  schon  vor 
zwei  Jahren  einige  Beweise  augeführt;  unter  denselben 
spielten  Geräthschaften  von  dem,  bei  den  neu-sibirischen 
Inseln  im  Treibeis  uutergegangenen  nordamerikanisciien 
Dampfer  „Jeannette",  die  3  Jahre  später  au  der  südlichen 
Westküste  Gr<inlands   bei  Julianehaab    gefunden  wurden, 


eine  Hauptrolle :  ferner  hatte  er  die  zum  grössten  Theil 
auf  sibirisclicn  Lärcbenstännncn  bcstehemlen  Treibholz- 
masseu  genannt,  die  in  nord-südlicber  Richtung  an  den 
Küsten  von  Island,  Grönland  und  Spitzbergen  in  grossen 
Mengen  jahraus  jahrein  angetrieben  werden.  Sodann 
nannte  er  ein  Wurfholz,  welches  bei  Godthaab  gefunden 
und  von  Dr.  Rink  als  eine  (ieräthschaft  der  Alaska- 
Eskimos  erkannt  wurde.  In  der  Zwischenzeit  hat  nun 
Nansen  nocii  mehrei'e  andere  Beweise  für  das  Vorhainlcn- 
sein  dieser  Strömung  gefunden.  Dahin  gehören  Proben 
von  Erde  und  Staub,  die  er  selbst  bei  seiner  Grönland- 
expedition auf  dem  ost-grönländischen  Treilteise  gesammelt 
hat.  Die  Untersuchung  dieser  Proben  ergab,  dass  die- 
selben zwei  verschiedenen  Typen  angehören;  die  eine, 
von  Professor  Trirnebolmi  in  Stockholm  untersuchte  Art, 
bestand  überraschenderweise  zum  grösseren  Tlieih-  ans 
Humus,  welcher  mit  mikroskopischen  Splitterchen  kry- 
stalliner  Gesteine  durchsetzt  war.  Xinmiermebr  kann  die 
Heimath  dieses  Hunms  in  dem  Polargebiete  selbst  gesucht 
werden,  vielmehr  liegt  dei'  Sidduss  nahe,  dass  diese,  vom 
Winde  auf  den  Eisschollen  aufgewehten  Erdmassen  aus 
einem  humusreichen  Steppenlande  herrühren,  und  es  ist 
in  höchstem  Maasse  wahrscheinlich,  dass  ihre  Heimath  in 
der  sibirischen  Ebene  zu  suchen  ist,  von  wo  aus  sie  auf 
den  Eisschollen  der  mächtigen  Ströme  dieses  Landes  die 
weite  Reise  angetreten  haben.  Noch  viel  charakteristischer 
ist  die  Zusannni'nsetzung  der  zweiten  Art  von  Staub,  welche 
nur  in  geringen  Mengen  durch  Einschmelzen  des  Eises 
und  Filtrireu  des  Schmelzwassers  erhalten  werden  konnte. 
Dieselbe  besteht  zum  grössten  Theile  aus  Diatomeen,  mi- 
kroskopisch-kleinen einzelligen  Kieselpanzern  von  Algen, 
welche  \  on  dem  bekannten  schwedischen  Diatomecntorscher 
Prof.  Cleve  in  Upsala  untersucht  wurden.  Derselbe 
sagt  darüber  Folgendes:  „Die  Diatomeen  sind  marine 
Formen  (d.  b.  im  Salzwasser  entstanden)  vermischt  nnt 
einigen  wenigen  Süsswasserformen,  die  mit  dem  Winde 
vom  Lande  gekonmien  sind.  Die  Diatonieenüora  dieses 
Staubes  ist  sehr  eigenthündicb  und  verschieden  von  den 
tausend  von  nn'r  untersuchten  Proben,  mit  Ausnahme  von 
einer,  mit  welcher  sie  die  vollständigste  Uel)ereinstiinmung 
besitzt,  einer  Probe  nändich,  die  während  der  N'egaexpe- 
dition  von  Kjellman  auf  einem  Eisfleek  bei  Gap  Wanka- 
rema  in  der  Nähe  der  Beringstrasse  eingesannnelt  wurde. 
Die  Arten  und  die  Varietäten  in  beiden  Proben  stinnnen 
vollständig  überein."  Diese  LIebcreinstinnnnng  ist  um  so 
nierk\vürdiger,  als  zum  Vergleiche  auch  Diatomeenproben 
aus  anderen  'l'heilen  des  Polarmeeres,  von  Spitzbergen, 
dem  Karischen  Meere,  Franz-Josephsland  und  (irönland 
benutzt  werden  konnte  und  keine  mit  jener  ül)erein- 
stiramte. 

Dass  diese  Verbindung  Nord-Asiens  mit  dem  Meere 
nördlich  von  Europa  schon  seit  sehr  langer  Zeit  be- 
steht, dai'üi-  spricht  noch  ein  anderer  Umstand.  An 
den  Küsten  von  Norwegen  und  an  den  Nordseeküsten 
linden  sich  Bimsteine  und  Bimstein  ähnliche  Gesteine,  die 
zweifellos  auf  dem  Meereswege  dorthin  geführt  sind. 
Eine  Untersuchung  dieser  Gesteine  durch  den  schwedischen 
Geologen  Bäckström  ergab,  dass  dieselben  verschieden- 
artigen Ursprunges  sind.  Ein  'i'lieil  besteht  aus  llohofen- 
schlacken,  die  von  den  Eisenwerken  bei  Jliddlcsbro  in 
England  erzeugt  und  seit  mehr  als  50  Jahren  regel- 
mässig in  die  Nordsee  geworfen  sind.  Ein  anderer  Theil 
dagegen  besteht  aus  Andesitgesteinen,  von  einer  Be- 
schafil'enheit,  wie  sie  in  den  atlantischen  Vulcangebieten 
bisher  nicht  beobachtet  wurde;  wohl  aber  kömnen  die- 
selben sehr  leicht  von  den  Vulcanen  des  nordwestlichen 
Nordamerika  in  der  Nähe  der  Beriugstrasse  herridnx'u 
und  es  wäre  damit  ein  neuer  Beweis  für  das  Vorhamlen- 
sein  der  von  Nansen  Norausgesetzten  Strömung  erbracht. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  1. 


Gegenüber  allen  amlereu  Versuciien,  zum  l'ol  vorzu- 
dringen, die  mit  widrigen  Strömungen  und  hindernden 
Packcisniassen  zu  kämpl'en  hatten,  will  Nansen  nun  sein 
Ziel  erreiclieu,  indem  er  von  den  Neusibirisclien  Inseln 
ausgehend,  von  der  Strömung'  im  Eise  zu  dem  so  heiss 
ersehnten  Ziele  aller  Polartährer  sich  hintragen  lassen 
will.  Dazu  bedarf  er  vor  Allem  eines  hinreichend  wider- 
standskräftigen Schiffes,  über  dessen  Construetidn  er  fol- 
gende Mittheilungeu  macht: 

Die  wichtigste  Eigeüsehaft  des  Schiffes  besteht  darin, 
dass  die  Seiten  unter  der  Wasserlinie  abgeschrägt  sind, 
so  dass  es,  wenn  es  zwischen  zusannnendrängende  Eis- 
schollen geräth,  von  denselben  nicht  zusanmiengedrückt 
werden  kanu,  sondern  von  ihneu  gehoben  werden  nuiss, 
unter  Umständen  so  hoch,  dass  es  auf  einer  Eisscholle 
zum  Stehen  kommen  kann,  woljci  es  durch  ilie 
flache  Unterseite  vor  dem  Kentern  geschützt  wird.  Das 
Schiff'  ist  SU  klein  wie  möglich  und  kann  nur  Proviant 
für  5  Jahre  für  12  Mann,  sowie  das  nöthige  Brennmate- 
rial für  die  Maschine  und  die  Heizung  führen.  Fernerhin 
ist  das  Schilf  so  kurz  wie  niöglicii  und  zwar  beträgt  seine 
Länge  nur  dreimal  so  viel  wie  seine  Breite  (34  und  11 
Meter).  Von  besondeier  Wichtigkeit  wai-  es,  die  Seiten  des 
Schiffes  so  glatt  \vie  nur  möglich,  luid  ohne  irgend  welche 
vorspringende  Ecken  und  Kanten  zu  l'ertig-en,  so  dass 
das  Eis  keine  Angriffspunkte  tiudet  und  das  Schiff  selbst 
glatt  wie  ein  Aal  den  Umarmungx'u  des  drängenden 
Packeises  sich  zu  entwinden  \erniag.  Sodaiui  muss  das 
Schiff  selbstverständlich  so  stark  als  nKiglicli  gebaut  sein, 
um  tlem  Drucke  des  Eises  Itei  etwaigem  Emporheben 
genügend  Widerstand  leisten  zu  können.  Aus  dem  Grunde 
wurden  zum  Bau  die  besten  Hcilzer  verwendet:  amerika 
nische  Ulme  zum  Kiel,  italienische  Eiche,  in  dreissig 
Jahre  gelagerten,  natürlich  gewachsenen  l\runmili(ilzern 
zu  den  Sjjanten,  amerikanische  Pitchpine  zu  der  Ueber- 
kleidung  der  Spanten  und  darüber  dann  nochmals  drei 
Verkleidungen.  Die  beiden  innersten  derselben,  3  resp. 
4  Zoll  dick,  bestehen  aus  Eichenholz,  die  äusserste,  die 
sogen.  Eishaut  dshnd)  aus  Greenheart,  einer  ausserordent- 
lich harten  und  glatten  Holzart,  in  einei-  Stärke  von 
6  Zoll  in  der  Wasserlinie.  Als  Beweis  für  die  Kostbar- 
keit des  ganzen  Schiffes  führt  Nansen  an,  dass  allein 
das  Rohmaterial  zu  dieser  Eishaut  22  000  Mark  ge- 
kostet hat. 

Das  Schiff'  ist  ein  dreimastiger  Schooner  mit  einer 
Maschine  \(>n  KiO  Pferdekräften,  die  bei  einem  täglichen 
Kohlenverbrauch  von  2,8  Tonnen  dem  Schiffe  eine  (!e- 
sehwindigkeit  von  6  Knoten  geben  wird.  Unter  Segeln 
kann  dasselbe  etwa  eine  Schnelligkeit  \  tni  S — 9  Knoten  er- 
reichen. Von  der  Wasserverdrängung  von  800  Tonnen 
beansprucht  die  Maschine  bei  gefüllten  Kesseln  etwa 
420  Tonnen.  Da  der  Proviant  auf  t)0  Tonnen  sich  be- 
rechnet, so  bleiben  etwa  320  Tonnen  füi-  Kohle  und 
anderes  Brennmaterial,  was  um  so  mehr  ausreichend  er- 
scheint, als  das  Schiff  nach  der  letzten  K(dileneinnahme  bis 
zur  Heimkehr  unter  keinen  Umständen  länger  als  zwei 
Monate  unter  Dampf  sein  wird.  Unter  diesen  Umständen 
kann  die  Hälfte  des  Heizmaterials  zum  Kochen  und  zur 
Wärmeerzeugung  während  der  Ueberwinteruugen  \er 
wendet  werden.  Ausserdem  wirtl  natürlicii  zur  Beleuchtung 
auch  noch  Petroleum  und  Paraffin,  sowie  zum  Jvochen 
S])iritus  mitgeführt. 

Mit  Stolz  sagt  Nansen,  dass  ein  Schiff  gleich  dem 
seinen  und  in  gleich  praktischer  Einrichtung  und  Aus- 
rüstung noch  niemals  vorher  gebaut  ist.  Uebrigens  wird 
es  in  Lanrwig  von  Colin  Archer  angefertigt  und  geht 
seiner  denniäclistigen  \'ollenduug  entgegen.  Für  den  Fall, 
dass  das  Schiff  gegen  alle  Voraussetzung  doch  unter- 
gehen sollte,    führt  Nan.seu    noch    zwei  zweckmässig  ge- 


baute Boote  mit  sieh,  die  im  Stande  sind,  die  gesannnte 
Bemannung  und  eine  hinreichende  Menge  von  Lebens- 
mitteln aufzunehmen,  so  dass  auf  iiinen  die  t^ahrt  im  Treib- 
eise  „mit  aller  Behaglichkeit"    fiu-fgesetzt    werden   kann. 

Eine  grosse  Unannehmlichkeit  hat  bei  verschiedenen 
Polarexpeditionen  darin  gelegen,  dass  die  Feuchtigkeit 
im  Räume  an  den  kalten  Aussenwänden  sich  nieder- 
schlug und  zu  Eis  gefror,  und  es  ist  eine  ganz  gewöhn- 
liche Sache,  dass  die  Matratzen  in  den  Mannschaftskojen, 
die  an  den  Aussenwänden  liegen,  mehr  oder  weniger 
vollständig  in  Eisklumpen  verwandelt  wurden.  Um  dieser 
Unbeipiemlichkeit  zu  entgehen,  ist  alles  Mögliche  ge 
schelten,  um  die  Aussenseiten  zu  erwärmen:  sie  sind  mit 
getheertem  Filz,  mit  Korklagen,  mit  Tannenbretteru,  mit 
einer  Lage  dicken  Filzes,  einer  luftdichten  Linoleundage 
und  noch  einer  Bretterverkleidung  bedeckt.  Ebenso  be- 
steht die  Decke  im  Salon  und  den  Kajüten  aus  ver- 
schiedenen Lagen:  Luft,  Filz,  Fichtenbretter,  Linoleum, 
Rennthierhaardecken,  Fichtenholz,  Linoleum,  Luft  und  noch- 
mals Fichtenholz,  was  zusammen  mit  den  4  Zoll  dicken 
Deckplatten  eine  Stärke  von  IT)  Zoll  ergiebt.  In  ähn- 
licher \\'eise  ist  natürlich  auch  der  Fussboden  behandelt 
worden  und  der  kalten  Luft  möglichst  jeder  Zugang  ab- 
geschnitten. Als  Hauptwohnraum,  in  welchem  die  ge- 
sammte  Mannschaft  bei  der  stärksten  Kälte  Tag  und 
Nacht  wohnen  wird,  wird  der  Salon  dienen,  wobei  nach 
dem  Princip  der  Eskimos  das  Ik'ieinanderhauseu  im  eng- 
sten Räume  zur  Wärmeei-zeugung  dient. 

Auf  dem  Schiff'e  sollen  Hunde  mitgeführt  werden, 
zur  Benutzung  bei  AusHügen  übe.  das  Eis  und  über  etwa 
zu  findende  Landstreeken,  zu  letzterem  Zwecke  natürlich 
auch  Schneeschuhe. 

Vor  dem  Skorbut. hofft  Nansen  sich  und  seine  Leute 
zu  schützen  durch  Vermeidung  schlechtpräservirten  oder 
gesalzenen  Fleisches,  wofür  es  ja  mancherlei  P^rsatz  giebt. 

Noch  zwei  andere  Dinge  sind  wichtig  für  die  Er- 
haltung der  Gesundheit:  Wärme  und  Licht.  Zur  Erzeu- 
gung der  nöthigen  Wärme  dient  also  einmal  das  Zu- 
sammenwohnen im  engen  Räume,  sodann  warme  Kleidung 
und  drittens  die  Heizung.  Für  letztere  hält  er  eine  gute 
Paraffinlampe,  die  Tag  und  Nacht  brennt,  als  ausreichend. 
Die  durch  dieselbe  entwickelte  Kohlensäure  will  er  in 
einem  Rohre  so  fortführen,  dass  sie  auf  ihrem  Wege  ihre 
ganze  Wärme  an  den  Wohnraum  abgiebt.  Zur  Beleuch- 
tung in  der  monatelangen  Polarnacht  wird  das  elek- 
trisdie  Licht  dienen.  Das  Schiff  wird  eine  Dynamo- 
maschine führen  und  die  Elektricität  soll  mit  Hilfe  einei- 
Windmühle  durch  die  bewegte  Luft  erzeugt  werden.  Wo 
diese  Kraftquelle  aber  versagt,  wird  die  Besatzung  des 
Schiffes  seihst  sich  in  der  Weise  Lieht  verschaffen,  dass 
die  Leute,  zu  je  vieren  auf  dem  Verdeck  im  Kreise  lust- 
wandelnd, ein'  Göpelwerk  in  Bewegung  setzen  werden, 
welches  zur  Erzeugung  und  Aufspeicherung  von  Elektrici- 
tät dient.  Äussernder  nützlichen  und  gesunden  Bewegung 
kann  auf  diese  Weise  für  eine  täglich  8—10  Stunden 
brennende  Bogenlampe  die  nöthige  Elektricität  geschafft 
werden,  und  Nansen  hofft,  dass  seine  Zuhörer  ihm  und 
den  Seinen  zuweilen  ein  freundliches  Gedenken  gönnen 
werden,  wenn  sie  oben  in  der  Stille  der  Polarnacht  mit  ihrer 
Rundwandcrnng  auf  dem  Verdecke  zum  Zwecke  der  Licht- 
erzeugung lieschäftigt  sind.  Dr.  K.  Keilhack. 


Die  Schw  aiiliuiigen  der  Polhöhe,  welche  bereits 
seit  einigen  Jahren  auf  Grund  genauester  Meridianbeobach- 
tungen an  einigen  europäischen  Sternwarten  als  äusserst 
wain-scheinlich  gelten  mussten,  sind  neuerdings  durch  ein 
im  Auftrage  der  internationalen  Erdmessung  ausgeführtes 
experimentum  crucis    als    sieher    erwiesen  zu   betrachten. 


Nr.  1. 


Naturwissenschaftliche  Wochensclirift. 


Es  haben  näniHch  im  vorigen  Jahre  Dr.  Markuse  und 
Mr..  Preston  auf  den  Havai-Inschi  Polhöhenbestimraungcn 
ausg-efiihrt,  mit  denen  gleiclizeitige  lieobacbtungcn  in 
Berlin,  Strassburg  und  Prag  corresixmdirten.  Dabei  bat 
sich  herausgestellt,  dass  die  .Schwankungen  der  J'dlbölic 
in  Honolulu  das  genaue  Si)iegelbil(l  der  entsprechenden 
8cbwanknngen  in  Deutschland  darstellen,  was  bei  einer 
wirklichen  Verschiebung  der  Erdachse  im  Erdkörper  noth- 
wendig  der  Fall  sein  mnsste,  weil  Honolulu  ziemlich  ge- 
nau an  der  uns  diametral  gegenüberliegenden  Stelle  der 
Erdoberfläche  sich  betindet.  Der  maximale  Betrag  dieser 
nunmehr  also  festgestellten,  in  ihren  Ursachen  aber  noch 
nicht  klar  durchschauten  Polhöhenschwankung  beträgt 
eine  halbe  Bogensecunde,  was  einer  Verschiebung  des 
Pols  um  20  Meter  entspricht.  Die  Periode  der  Schwan- 
kung beläuft  sich  nach  den  neuesten  Festellungen  auf 
386  Tage.  Man  beabsichtigt,  zum  Zweck  der  näiieren 
Erforschung-  der  vernuithlieii  meteorologischen  Crsaeiien 
der  hochinteressanten  Erscheinung  an  einzelnen,  günstig 
gelegenen  Punkten  der  Erdoberfläche  dauernde  Beobaeh- 
tungsstationen  für  dieselbe  einzurichten. 


Das  Spectriim  des  Yeränderlichen  Sternes  ß  Lyrae 

ist  in  den  letzten  Monaten  Gegenstand  einer  eingehenden 
Untersuchung  durch  Herrn  A.  Beloimlsky  auf  der  Stern- 
warte in  Pulkowa  gewesen.  Die  benutzten  Instrumente 
sind  der  dortige  30-Zöller  und  der  neue  Spectograph  der 
Sternwarte.  Die  Spectren  sind  durch  orthochromatische 
Platten  flxirt  worden.  Im  Ganzen  sind  17  Spectrogranunc 
erhalten  worden,  welche  hauptsäehlicli  die  Gegend  zwischen 
den  Linien  H3  und  1)  zur  Darstellung  bringen.  Die  Er- 
gebnisse lassen  sicli  so  zusannnenfasscn: 

Es  sind  helle  und  dunkle  Linien  vorhanden.  Erstere" 
sind  der  Mehrzahl  nach  sehr  zart  und  in  der  Gegend 
zwischen  Hp  und  H^  besonders  gut  zu  sehen.  Eine 
andere  duulcle  Linie,  welche  das  Si)ectrum  besonders 
charakterisirt,  ist  breiter  als  die  ersterwähnten,  sehr 
deutlich  mit  hellen  Rändern,  die  man  zuweilen  als  selbst- 
stäudige  helle  Linien  beobachten  kann.  Die  Linie  D3  ist 
sehr  hell. 

Das  continuirliche  Spectrum  wird  zuweilen  sehr 
schwach.  Hier  ist  die  der  Wellenlänge  .501,4  /(/*  (Mil- 
liontel ^Millimeter)  entsprechende  Linie  besonders  zu  er- 
wähnen. Sie  bleibt  stets  vorhanden,  während  die  anderen 
von  Zeit  zu  Zeit  verschwinden.  Dagegen  werden  ihre 
hellen  Ränder  zuweilen  sehr  schwach  und  verschwinden 
selbst  gänzlich.  Auch  finden  Wechsel  in  den  relativen 
Intensitäten  beider  Ränder  statt. 

Die  Linien  F  (Wasserstoft")  und  Dg  müssen  besonders 
untersucht  werden.  Erstere  ist  grösstentheils,  so  vom 
30.  August  bis  3.  (Jetober  1892,  doppelt  gewesen.  Hellig- 
keit und  Breite  l)eider  Gomponenten  sind  häufigen  Ver- 
änderungen unterworfen.  Bald  sind  beide  gleich,  und 
zwischen  ihnen  sieht  man  eine  dunkle  Linie.  Bald  ist 
die  eine  breiter  als  die  andere  und  umgekehrt,  bald  ver- 
schwindet die  eine  und  an  ihre  Stelle  tritt  eine  ziemlich 
breite  dunkle  Linie.  Bald  endlich  sind  beide  Gomponenten 
als  helle  Linien  zu  sehen,  die  an  einer  Seite  von  einer 
breiten  dunkelen  Liniebegleitet  werden. 

Zuweilen  verschwindet,  wie  schon  lange  bekannt  ist, 
die  Linie  Dg  gänzlich.  Aber  neu  ist,  dass  sie  auch  dop- 
pelt wird.  Aus  seinen  bisherigen  Beobachtungen  konnte 
Herr  Belopolsky  noch  nicht  sicher  entscheiden,  ob  daim 
zwischen  beiden  Gomponenten  eine  dunkle  Linie  entsteht. 

Ausser  den  erwähnten  hat  Herr  Belopolsky  noch  eine 
grosse  Zahl  von  Linien  gemessen,  von  denen  zehn  als 
besonders  scharfe  bezeichnet  werden.  Dieselben  erstrecken 
sich  von  587, G2  [ift-  bis  448,13  |U|(/  Wellenlänge.  Sie  sind  tbeils 
helle,  theils  dunkle;  einige  sind  dunkle  mit  hellen  Rändern. 


Die  Beobachtungen  B's.  sind  umso  werthvoller,  als 
ß  Lyrae  zu  denjenigen  Variabein  gehört,  in  deren  Liclit- 
weclisel  bisher  noch  keine  rechte  ( iesetzmässigkeit  gebracht 
werden  konnte,  sodass  auch  eine  Hy|)othese  über  die  Ur- 
sachen der  Veränderlichkeit  noch  nicht  gewagt  werden 
durfte.  Auch  jetzt  ist  es  noch  zu  früli,  um  eine  solche, 
definitiv  aufzustellen.  Dazu  müssen  die  Beobachtungen 
der  F-Liuie  noch  vervielfältigt  werden.  Es  scheint  nämlich 
aus  den  vorliegenden  Wahrnehmungen,  als  ob  eine  dunkle 
Linie  sich  in  der  Gegend  von  F  hin  und  her  bewege,  wo- 
durch das  Aussehen  einer  hellen  beeinflusst  wird.  Be- 
stätigt sich  das,  so  würden  wir  allerdings  in  der  Lage 
sein,  zuverlässigere  Schlüsse  über  die  physikalischen  Ver- 
hältnisse der  Variabein  zu  ziehen.  Die  Verdoppelung  der 
Dg-Linie  sollte  übrigens  einen  engen  Doppelstern  anzeigen, 
dem  wohl  etwa  26  Tage  Undaufszeit  zukonnnen  würden. 
Allein  auch  für  eine  Entscheidung  in  diesem  Punkte 
müssen  weitere  Beobachtungen  abgewartet  werden. 


Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben. 

Eis  wurden  ernannt:  liezirkstliicrarzt  Steuert  in  iMenniiinfcen 
zum  I-'rofessor  iler  Anatomie  und  Physiologie  der  Thiere  an  der 
landwirthseliaftliclien  Schule  zu  Weihenstephan.  —  Zum  Director 
der  k.  k.  geologischen  Reichsanstalt  in  Wien  (an  Stelle  des  aus- 
geschiedenen Herrn  Dionys  Stur)  d^r  seitherige  Vicedirector 
Oberbergrath  Dr.  Guido  Stäche.  —  Prof.  S  triebeck,  zum 
Docenten  für  meclianische  Technologie  an  der  technischen  Hocli- 
schule  in  Dresden. 

Der  Botaniker  Dr.  Paul  Preuss  ist  Anfang  Januar  im  Auf- 
trage des  auswärtigen  Amtes  wieder  nacli  Afrika,  und  zwar  als 
Leiter  des  botanisclien  Gartens  und  der  Versuchsplantage  nach 
Victoria  am  Kamerun-Gebirge  gereist. 

Es  ist  gestorben:  Der  vergleichende  Anatom  Sir  Rii-hard 
Owen  in  Kichmond  bei  London  im  89.  Lebensjalirc. 


Eine  „  (lesel  Ischaf  t  der  Iva  kte  enfreunde  "  hat  sich  in 
Berlin  constituirt.  —  Vorsitzender:  Prof.  Dr.  K.  Schumann- 
Berlin,  Schriftführer:  Chemiker  Hans  Fischer-Adlershof. 


L  i  1 1  e  r  a  t  u  r. 

Dr.  Carl  MüUer's  (Privatdoe.  der  Botanik  au  der  Kgl.  Land- 
wirthseliaftliclien Hochschule  zu  Berlin)  und  Dr.  H.  Potonie's 
(Doc.  für  PHanzenpalaeontologie  au  der  Kgl.  Bergakademie 
zu  Berlin)  Botanik.  Dr.  H.  Potonie's  Naturwissenschaftliche 
Repetitorien,  lieft  3.  32o  Seiten.  Mit  43  Abbilduugeu  im  Te.\te. 
Berlin  NW.,  Fischer's  Medic.  Buchhandlung.  H.  Kornfeld.  1893. 
Preis  .5  M. 

In  meinen  „Elementen  der  Botanik",  die  für  solche  berechnet 
sind,  die  botanische  Studien  überhaupt  noch  nicht  getrieben  haben, 
konnte  ich  die  Darstellung  so  wählen,  wie  sie  mir  am  richtigsten 
scheint,  und  diejenigen  Termini  in  den  Vordergrund  stellen  und 
anwenden,  die  ich  für  die  zweckmässigsten  halte.  In  dem  vor- 
liegenden Bcpetitorium  mussten  die  beiden  Verfasser  —  mit  Rück- 
sicht auf  die  E.xaminatoren  verschiedener  Schulen  — •  auch 
die  Termini  und  überhaupt  die  Wissenschaft  auch  der  anderen 
botanischen  Richtungen  vorbringen,  als  derjenigen  (der  Scliwen- 
dener'schen  Schule),    welcher  meine  Elemente  angehören. 

Herr  Dr.  Carl  Müller,  den  ich  die  Freude  hatte,  als  Mitar- 
beiter an  dem  vorliegenden  Heft  3  (Botanik)  der  von  mir  heraus- 
gegebenen Repetitorien  zu  gewinnen,  hat  mich  in  der  erwähnten 
Absicht  unterstützt;  bei  zwischen  zweien  gepflogenen  Berathungen 
musste  der  erwähnte  Plan  besser  gelingen.  Es  kommt  hinzu, 
dass  Herr  Dr.  Müller  als  Verfasser  einer  ausgezeichneten  ,Medicinal- 
Hora"  bei  ihrer  Abfassung  Gelegenheit  hatte,  sich  eingehender 
mit  medicinisch-pharmaceutisclier  Botanik  zu  beschäftigen,  die 
bei  dem  vorliegenden  Repetitorium  in  Betracht  kouuut,  weil  es 
auch  mit  Rücksieht  auf  die  Bedürfnisse  der  Mediciner  und  Phar- 
maceuten  verfasst  ist. 

Abgesehen  von  dem  Gesagten  ist  naturgemäss  das  Repetito- 
rium nur  für  diejenigen  geschrieben,  die  schon  —  wenn  auch  ver- 
gessene —  botanische  Studien  getrieljen  haben  und  bereits  An- 
schauungen mitbringen.  Ein  Repetitorium  soll  ja  nur  Kenntnisse 
und  Anschauungen  auffrischen,  kurz  und  bündig  sein  und  vor 
allen  Dingen  nur  das  Allerwichtigste  bringen;  ein  Lehrbuch  oder 
Grundriss  hingegen  sollte  auch  dem  vollständigen  Anfänger  von 
Nutzen  sein.  P. 


10 


Naturwissenscliaftlichc  Woclionsclirift. 


Nr.  1. 


Fr.  Ludwig.    Lehrbuch   der  niedern  Kryptog:amen  mit  beson- 
derer   Berücksichtigung'     derjenigen     Arten,     die     für     den 
Menschen  von  Bedeutung  sind  oder  im  Haushalte  der  Natur 
eine  hervorragende  Rolle  spielen.   .Stuttnurt  (Ferilinaiul  Enkej. 
189-'.     ö".  —  Preis  J-i  Mk. 
Das    vorliegende     Buch    verfolgt     in    erster    Linie    populäre 
Zwecke;  es  soll  dem  Lehrer,  dem  Studirenden  und  dem  gebildeten 
Laien  eine  Einführung  in  d;ia  Studium  der  niedern  Kryptogamen 
geben  und  zugleich  eine  vollständige  Uebersicht  über    diejenigen 
Formen  bieten,    welche   in    irgend   einer  Beziehung  wichtig   sind. 
Dieser  letztere  Zweck  wird  völlig  erreicht,  Verf.  hat  mit  grossem 
Fleiss    die    gesammte  Littevatur  benutzt    und  giebt   die  neuesten 
Forschungen  in  ausführlicher  Form  wieder.     Wer    also   sich  über 
die   krankheitserregenden   Bacterien,   über   den   Parasitismus   und 
Saprophvtismus    der    Pilze    oder    über    die    A'erwendbarkeit    der 
Algen  und  Flechten  unterrichten  will,  der  nehme  das  Buch  getrost 
zur    Hand,    er    wird    in    allen    Fällen    Belehrung    und    Auskunft 
finden. 

Den  mehr  praktischen  Zwecken  des  Buches  entsprechend 
sind  die  einzelnen  Abtheilungen  der  Pilze,  Algen  u.  s.  w.  in  ver- 
schieden ausführlicher  Form  wiedergegeben.  Ref.  hätte  gern  ge- 
sehen, dass  bei  den  Algen  und  Flechten,  die  ja  naturgemäss  nicht 
die  Wichtigkeit  besitzen  wie  die  Pilze,  die  entwieklungsgeschicht- 
lichen  Thatsachen  ausführlicher  angegcijen  wären;  es  wäre  dann 
das  Missverhältniss,  das  zwischen  der  Seitenzahl  di-r  Pilze  und 
der  der  übrigen  Gruppen  lierrscht  und  durch  die  Anführung  aller 
bemerkenswerthen  und  wichtigen  Arten  l)edingt  ist,  zum  grossen 
Theil  ausgeglichen  worden.  Indessen  lässt  sich  dies  einigermaassen 
mit  den  praktischen  Gesichtspunkten,  von  denen  das  Buch  aus- 
geht, entschuldigen. 

Jedenfalls  wird  das  Buch  für  alle  Diejenigen,  welche  sich  mit 
der  Kryptogamenkunde  befassen  wollen  und  sich  scheuen,  die 
Fachlittoratur  zu  lesen,  ein  ganz  willkommener  Rathgelier  und 
eine  Quelle  der  Anregung  sein.  Dr.  Lindau. 


Kine  „Zeitschrift  für  praktische  Geologie  mit  besonderer 
Berücksichtigung  der  Lagerstättenkunde'  irscheint  seit  dem 
1.  Januar  in  niouatlichen  Heften  in  der  Verlagsbuchhandlung  von 
Julius  Springer  in  Berlin.  Herausgeber  ist  Bergingenieur  Max 
Kr  ah  mann.  Sie  will  zwischen  Wissenschaft  und  Praxis  ver- 
mitteln, und  ein  wissenschaftlicher  Centralpunkt  für  alle  die  ver- 
schiedenen Interessen  werden,  deren  Ausgangs-  oder  Mittelpunkt 
die  Erdkruste  mit  ihren  Schätzen  ist;  sie  will  ferner  die  für  das 
wirthschaftliche  Leben  wichtigen  Resultate  der  geologischen 
Landesdurchforschungen  sammeln,  kritisch  vergleichen,  ordnen 
und  einem  grösseren  Leserkreise  zugänglich  machen;  sie  möchte 
in  durchaus  wissenschaftlicher  Haltung  zwar,  doch  in  allgemein 
verständlicher  Form  zwischen  Lehre  und  Leben,  zwischen  Intelli- 
g^enz  und  Kapital  vermitteln,  der  Praxis  ein  Führer  sein  und  der 
Wissenschaft  neues  Boobachtungsmaterial  zuführen. 

Das  vorliegende  —  wie  alle  in  dem  genannten  Verlage  er- 
scheinenden Zeitschriften  —  gut  ausgestattete  Heft  in  Gross- 
Octav  umfasst  48  Seiten  und  bringt  die  folgenden  Original-Ar- 
tikel, deren  Fortsetzungen  zum  Theil  noch  ausstehen:  Fr.  Bey- 
schlag,  Geologische  Specialaufnahmen:  F.  Wahnschaffe, 
Geologie  und  Ackerbau;  A.  Baltzer,  Bericht  über  einleitende 
Arbeiten  am  unteren  Grindelwaldgletscher  zur  empirischen  Be- 
stimmung der  Eiserosion;  Th.  Breidenbach,  Das  Goldvor- 
kommen im  nördlichen  Spanien;  P.  Groth,  lieber  neuere  Unter- 
suchungen ostalpiner  Erzlagerstätten;  R.  Beck,  Das  Steinkohlen- 
becken des  Planenschen  Grundes;  R.  Helmhacker,  Die  Mineral- 
kohlen in  Russisch-Asien;  Carl  Ochsenius,  Ueber  unterirdische 
Wasseransammlungen.  Das  Heft  bringt  eine  Anzahl  Abbildungen 
und  Kartenskizzen.  —  Der  Preis  für  den  Jahrgang  der  Zeitschrift 
beträgt  18  Mk.  

Nietzsche,  F.,  Also  sprach  Zarathustra.  2.  Aufl.  Leipzig.  12  M. 
— .—  Unzeitgemässe  Betrachtungen.  '2.  Aufl.  Leipzig.  5,75  M. 
Perregaux,  F.,  Untersuchungen  über  die  in  den  toten  thierischen 

Geweben    vom    galvanischen    Strom    bedingten   elektrolytischen 

Veränderungen.     Basel.     3,20  M. 
Pfeil,  L.,  Graf  v..  Die  Lufthülle  der  Erde,  der  Planeten  und  der 

Sonne.     Berlin.     1  M. 


Von  Dr.  C.  Baenitz  Herbarium  Europaeum  werden  soeben 
die  Lief.  3o— 10,  Vi,  5-',  .5.5  und  Gl)  (109  No.),  Lief.  51,  56,  58 
und  65  (53  No.)  in  zweiter  und  die  Lief.  70-74  in  erster  Aufl. 
ausgegeben. 

Lief.  70  (68  No.)  enthält  die  niederen  Cryptogamen  (Moose 
und  Pilze),  von  welchen  die  letzteren  von  Prof  Dr.  P.  Magnus 
Berlin  und  Oertel-Halle,  die  21  Sphagnum-Arten  von  Baenitz  bei 
Königsberg  und  in  Dovre  Fjekl  in  Norwegen  gesammelt  worden. 

Lief.  71  (45  No.)  bringt  seltene  und  interessante  Pflanzen 
aus  Ungarn  und  Siebenbürgen.  Lief.  72  (97  No.)  umfasst  die 
mitteleuropäische  Flora,  aus  welcher  19  No.  allein  auf  die  Hie- 
racien  kommen. 

Lief.  73  (82  No.)  gehört  fast  ausschliesslich  der  skandina- 
vischen Flora  an.  Bemerkenswerthe  Arten  sind :  der  sehr  seltene 
Juncus  alpinus  et  lamprocarpus  (Schweden),  das  neue  vom  Autor 
gesammelte  Cerastium  subtetrandum  Murbeck,  Heleoscharis  am- 
phibia  Dur.  (Frankreich)  u.  zahlreiche  Arten,  sowie  auch  einige 
neue  Varietäten  (Ribes  rubum  L.  v.  pseudo-petraeum  Baenitz  etc.) 
des  arktischen  Norwegens  und  des  Dovre  Fjelds. 

Lief  74  (115  No.)  umfasst  Spanien,  Portugal,  Sicilien,  Bul- 
garien und  Griechenland.  Die  Namen  der  Sammler:  El  Rever- 
chon,  Burchtien,  H.  Ross,  Strebny  und  v.  Heldreich  bürgen  für 
gut  präparirte  Exemplare.  Besondere  Erwähnung  verdient  die 
Thatsachi»,  dass  diese  Lieferung  zahlreiche  neue  Arten  enthält, 
welche  Dr.  v.  Velenosky  in  seiner  klassischen  „Flora  Bulgarica" 
(1891)  beschreibt. 

Das  Inhaltsverzeichnlss  aller  Lieferungen  ist  gratis  zu  be- 
ziehen durch  den  Herausgeber  Dr.  C.  Baenitz  in  Königsberg  i.  Pr. 


Zur    Nachricht. 

Ich  sehe  mich  genöthigt,  nochmals  die  folgende  Mittheilung 
zu  machen.  —  Die  Angabe  des  „verantwortlichen  Redacteurs" 
unter  jeder  Nummer  der  „Naturw.  Wochenschr."  geschieht  nur. 
um  dem  Gesetze  (Press-Gesetz  §  7)  zu  genügen.  In  Bezug  auf 
die  Verantwortlichkeit  der  Redaktion  gegenüber  dem  Leserkreise 
aber  ist  zu  betonen,  dass  keineswegs  Alles,  was  ein  Mitarbeiter 
in  der  „Naturw.  Wochenschr."  ausspricht,  auch  im  Sinne  der 
Redaction  liegt.  Wer  das  Blatt  aufmerksam  liest,  wird  häufig 
genug  sich  widersprechende  Ansichten  finden,  allerdinars  nur  auf 
theoretischem  (xebiete,  wie  das  in  dem  Worte  „Ansichten"  liegt. 
Die  Redaction  hält  es  bei  der  Selbständigkeit  des  Leser- 
kreises nicht  für  ihre  Aufgabe,  ausschliesslich  für  ihre  Special- 
ansichten über  das  «  und  w  der  Welt  Propaganda  zu  machen, 
sondern  lässt  auch  solchen  Richtungen  das  Wort,  die  —  sei  es 
wegen  ihres  grossen  Anhanges,  sei  es,  weil  sie  von  bewähi'ten 
Fachleuten  vertreten  werden  —  Beachtung  verdienen.  Die  Re- 
daction strebt  danach  zu  erkennen,  was  die  Welt  im  Innersten 
zusammenhält,  und  meint  nicht,  dass  sie  für  ihren  Theil  diese 
Erkenntniss  bereits  unumstösslich  gewonnen  habe.  Die  Autoren 
sind  also  besonders  in  der  angedeuteten  Hinsicht  für  ihre  Mit- 
theilungen allein  verantwortlich;  die  Verantwortung  der 
Redaction  den  Lesern  gegenüber  erstreckt  sich  nur  soweit,  als 
sie  bemüht  ist,  nur  solche  A'eröftentlichungen  zuzulassen,  die  ihrer 
Meinung  nach  geeignet  sind,  dem  genannten  Streben  zu  dienen. 
Sie  glaubt  in  dieser  Hinsicht  nicht  zu  engherzig  sein 
zu  dürfen.  Dass  aber  auch  eine  Redaction  nur  Menschenwerk 
ist,  dem  stets  Unvollkommenes  anhaftet,  wird  der  Leser  gebeten, 
niemals  zu  vergessen.  Sie  ist  daher  auf  Nachsicht  angewiesen, 
und  es  muss  ihr  vollkommen  genügen,  wenn  der  freundliche 
Leserkreis  die  Ueberzeugung  gewinnt,  dass  die  Leitung  bei  Allem 
stets  nur  mit  ihren  besten  Ki-äften  im  Sinne  ihrer  Aufgabe  handelt. 
P. 

Briefkasten. 

Hrn.  Prof.  K.  —  Wir  empfehlen  Ihnen  für  den  von  Ihnen 
erwähnten  Zweck  dringend  das  Studium  des  Buches  von  (t.  John 
Romanos  (eines  Schülers  von  Darwin):  „Die  geistige  Entwicklung 
im  Tliierreich.  Nebst  einer  nachgelassenen  Arbeit :  Ueber  den 
Instinkt,  von  Charles  Darwin".  Die  gute  deutsche  Uebersetzung 
ist  zu  dem  geringen  Preise  von  5  Mk.  in  Leipzig  (Ernst  Günther's 
Verlag)  1885  erschiene!.  Wer  sich  näher  über  die  Entwicklung 
der  seelischen  Erscheinungen  unterrichten  will,  muss  in  erster 
Linie  Romanes'  Buch  zur  Hand  nehmen. 


Inliiilt:  Dr.  med.  et  phil.  Georg  Buschan:  Die  tertiären  Primaten  und  der  fossile  Mensch  von  Südamerika.  —  Dr.  Otto  Kuntze: 
Botanische  Excursion  durch  die  Pamjias  und  Monte-Formationen  nach  den  Cordilleren.  —  Der  Rechner  Inaudi.  —  Die  Blut- 
serumtherapie. —  Dr.  Nansens  Nordpol('xi)edition.  —  Die  Schwankungen  der  Polhöhe.  —  Das  Spectrum  des  Veränderlichen 
Sternes /J  Lyrae.  —  Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben.  —  Litteratur:  Dr.  Carl  Müllers  und  Dr.  H.  Potonie's  Botanik.  Dr. 
H.  Potonie's  Naturwissenschaftliche  Repititorien  III.  —  Dr.  Ludwig:  Lehrbuch  der  niedern  Kryptogamen  mit  besonderer  Be- 
rücksichtigung derjenigen  Arten,  die  für  den  Menschen  von  Bedeutung  sind  oder  im  Haushalte  der  Natur  eine  hervorragende 
Rolle  spielen.  —  Zeitschrift  für  praktische  Geologie  mit  besonden-r  Berücksichtigung  der  Lagerstättenkunde.  —  Liste.  — 
Dr.  C.  Baenitz:  Herbarium  Europaeum.  —  Zur  Nachricht.  —  Briefkasten. 

Verantwortliclier  Redakteur:  Dr.  Henry  Potoniö,  Berlin  N.  4.,  Invalidoustr.  40/41,  für  den  Inseratentheil:  Hugo  Bernstein  in  Berlin.  — 
Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12.  —  Druck:  G.  Bernstein.  Berlin  SW.  12. 


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Xaturwissenscliaftliche  Woehcnsolirift. 


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J  und  Geräthschaften  im  Gesammtgebiete  der  Naturwissenschaften.  J 
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1.  Versteinerungen  des  lithograpb. 
Schiefers  von  Solenhofen. 

2.  Slineralien  der  Alpen  u.  Bayerns 

i'Mllitii-lilt  ;iN  S[jf.'i;ilit.it  : 

Friedrich  Kohl, 

M'eissenbur^  a./S.  und  .Müiiclien, 
Hildegardstrasse  20. 21. 


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I      IPatentan-walt 
Ulr.  R.  Maerz, 

:     Berlin,   Leipzigerstr.  67. 

§idjcrljcit5  -  fitniifi-|hiljlc. 

HhU-U- 
imb   Sauf- 

(tni)le, 

.«iiittv. 

fcfac-,  gci= 

fei  ;c. 

Adolf 
Kobs. 

Bcriiu  .\ff., 
LDiscastr.  3  f. 
SUuitriette  $vei6lii't€n  itniifo  uub  ntotiS. 


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^\  3eifin  S.3£«iMH<»tuUint«n>.ti.  23. 

Sauerstoff 

jin  Stalilc.vlin<iei"n.i 

Dr.  Th.  Elkan, 

I Berlin  N.    Tegeler  Str.  15.1 


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vou   H.  J.  Kolbe,    Kustos  am  Küaigl. 
Museum    für  Naturkunde  in  Berlin.     Mit 
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Geologisches  u.  mineralogisches  Comtor 
Alexander  Stiier 

40  Rue  des  Mathurins  in  Paris. 

Lieferant  des  französischen  Staates  u.  aller  fremden  Staaten. 

Herr  Alexander  Stuer  beehrt  sich  mitzutheilen.  dass  er  alle  geolo- 
gischen und  mineralogischen  Sammlungen  kauft.  Er  möchte  sich  ausser- 
dem mit  Geologen  in  Beziehung  setzen,  welche  ihm  liefern  können,  in 
grossen  Quantitäten  Fossilie  von 

Silurien  von  Deutschland,  Devon  der  Eitel,  Dluschelkalk  von 
Württemberg,  Lias  der  Souabe,  Dogger  von  Württemberg,  Ba- 
lingen Schichten,  Corallien  von  Natheim,  Wealden,  Flammen- 
mergel, Quadersandstein,  Plaener,  Tertiär  aus  dem  Mainzer 
Becken  u.  s.  w.  u.  s.  w. 
überhaupt  Local-Suiten  und  deutsche  Mineralien 

Kauf  odei'  Tausch. 

Wegen  der  Bediag«ngen-  bitte  zu  schreiböiian  Alexander' 
Stuer  40  Ruo  des-Mathurin.s  iii  Paris.     -■■-    


a;najjjjjj.ij.i.t.ij.i.(jjjjj.i 


.'J.iJJ.iJ.t.iJj.ij^j.ijjjj.ij.ij.iajjj^tjjjjajja^aajaaj^jQjaaaj.i 


Uli  IJ^IJ  M  I  I  M  I  I I n  I  I  1  I  I  I  I  I  I  1  I  I  I  1  I  I  1  I  I  I  I  I  1  I  II  I  I  I  II 

j     5l)om  1.  Sanuor  1893  ab  cvfd|eint  in  imferm  Söerlnge: 

pd|fiifd]i1ft  iiir  llrrlirritiiiiii  rtljifdjrr  iirltrrliiiiitini 

I      Im  ^iiftnigf  öfr  Dnitrtljni  flicfrliriljaft  für  ttljifdje  fiiiltiir 

l^crausgccjcbcn  ron 

^riiffl]'iH-  ©corg  nun  ©ijijdu. 

IDödu'ntItdi  eine  iTummcr  von  8  Seiten  ai".  4". 
mr   *)*rctö  i)tcvtcljrt(u-lid)  l.fiO  Warf,  -^m 

StbonncmentS   burdj   inmtlidjc   iUtdjfianblungcu   «nb    -l^oitnuitaltcit. 
==■  '^^roDenunimcrit   grati§  itnfa  fraitfo.   = 

^ffir»  pitmtnUro  llcrlnjiöbudflirtnbhiug/ 

in  Pcvliu  S\V.  12,  Ziiiiiiiun-rtratji:  94. 

'in  II  I  I  I  I  I  I  I  I  I  I  I  I  I  I  I  I  I  I  I  I  1 1  I  I  I  I  I  I  I  n  I  I  n  I  I  I  n  I  I  I  I  1 1 1 1  1 1 1  I  I  'i  I  Wl' 


II 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  1. 


iJIIIWlllHnilll[llllllllllllllllllilllllllllilllllllll|[||||||||lllllllllllNIIII[llilllll[llllllllllllllllllllllllillltllllll]lilllllllllllllllllllllllUlllllllllllllll[lllllllllllillll 


In    Ferd.    Dümmlers    Verlagsbuchhandlung  in  Berlin    SVV.  12 
erschien: 

Ueber 

Tundren  und  Steppen 

der  Jetzt-  iiiid  Vorzeit 

mit  hesonderer  Berücksichtigung  ihrer  Fauna. 
Von 

Dr.  Alfred  Nehring, 

Professor  der  Zoologie   und  Vorsteher   der   zoologischen  Sammlungen  an  der 
Königlichen  landwirthschaftlichen  Hochschule  zu  Berlin. 

Mit  I  Abbildung  im  Text  und  i  Karte  der  Fundorte. 

866  S.  gr.  8°.    Preis  6  Mark. 


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In  unserem  Verlage  erschien: 


Tierstelliye  loprittimiscHripnonietrisclie  Tafeln 


iür  ilie 


Decimalteilung  des  Quadranten, 

nebst 

)'  Tafeln  der  Logarithmen  der  Zahlen,  Antilogarithmen,  Tafeln  der 
Zahlenwerte  der  trigonometrischen  runktionen,  ausführlichen 
Quadrattafeln  und  Logarithmentafeln    der  Hyperbelfimktionen. 

Von 

Harry  Gravelius. 

Ijj  64  Seiten,  gr.  8".  Preis  geh.  1,50  Marh,  carionniert  1,80  Mark. 
Zu  beziehen  durch  jede  Buehliandlung. 
Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung  in  Berlin  SW.  12. 


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3«   if£rb.   Bummlers  llerlagshitrijliairöhmg   in  ßcrlin 
SW.  12  erfc^ien  focbeu: 

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(Symnaficn  un6  Kcaifchulcn. 

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D.  Dr.  SBiKicIm  Stfirnbcr, 

©e^.  Dberregicnuigc-rat  iinb  i^urator  bcv  Itniueviitiit  ju  ijallc. 

Bmeite  mit  fintni  ^nljoiige  iibfr  Vit  nciicit  Iclirjiinflc  «ftftlicnc 

Anetiiuic  Im-  fünftfii  hcririitiiitcn  Autiaiu'- 

644  ^cttm  flv   8".    ^rcts  10,50  Parß. 

Srr   Änliamj  ilt  nuri)   bcroiibcrs  nim  Prcifr  uon  1,20  ^. 
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l^fgtHrJIHHiCTiSIHFlInrJPiPlFiJt^iFSI^CipCTl^Iiif^CwOgjgFll^ 


Sil  3icrti.  Pümintcrs  ^crtagsßjid)6on&funij  in  Säcrfin  SW.  12 

erfii)ien  focbcti: 

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ökottütttifdi  tttttr  etl|tfd|. 

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Dr.  ^tanj  jiütgcnau. 

22  Seiten,    gr.  8».    «PrciS  30  %l 
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|(5jggggg^^gjg3ig5ia[^pi(m3[iTn]Cns[^p][m^i^Ric?n^[nniGnJgiiPPüaggg[^^ 


In  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung  in  Berlin  sind  erschienen: 


Allgemein-verständliche  naturwissenschaftliche  Abhandlungen. 


Heft  1. 


3. 


(Separatahdrücke  aus  der  „Naturwissenschaftlichen  Wochenschrift.") 

Heft  10 


6. 

7. 


Ol 


9. 


Ueber   den  sogenannten  vlerdimensionalen   Raum         ... 

von    Dr.   V.   Sclile-el.  M 

Das  Rechnen  an  den  Fingern  und  Maschinen  von 

l'i.'t.  Dr.   .\.   s^-|;ubert. 

Die  Bedeutung  der  naturhistorischen,  insonderheit 

der  zoologischen  Museen  von  Professor  Dr.  Karl 

Krjie]ieliii. 

Anleitung    zu    blütenbiologischen    Beobachtungen 

von  Prof.  Dr.  E.  Loew. 

Das  „glaziale"  Dwykakonglomerat  Südafrikas  von 

Dr.  F.  M.  Staplf. 

Die  Bakterien  und  die  Art  ihrer  Untersuchung  von 

Dr.  Hob.  Mittniunn.     Mit  8  Holzschnitten. 

Die  systematische  Zugehörigkeit  der  versteinerten 

Hölzer  (vom  Typus  Araucarioxylon)  in  den  palaeo- 

litischen  Formationen  von  Dr.  H.  Potonie.     Mit 

1   Tafel. 

Ueber  die  wichtigen  Funktionen  der  Wanderzellen 

im    thierischen    Körper    von    Dr.    E.    Korscheit. 

Mit   10  Holzschnitten. 

Ueber  die  Meeresprovinzen  der  Vorzeit  von  Dr.         M 

F.  Frech.     Mit  Abbildungen  und  Karten.  * 


Ueber  Laubfärbungen  von  L.  Kny. 
bchnitten. 


Mit  7  Holz- 


11.  Ueber  das  Causalitätsprincip  der  Naturerschei- 
nungen mit  Bezugnahme  auf  du  Bois-Reymonds 
Rede:  „Die  sieben  Welträthsel"  von  Dr.  Eugen 
Dreher. 

12.  Das  Räthsel  des  Hypnotismus  von  Dr.  Karl  Friedr. 
Jordan. 

13.  Die  pflanzengeographische  Anlage  im  Kgl.  bota- 
nischen Garten  zu  Berlin  von  Dr.  H.  Potonie. 
Mit  2  Tafeln. 

14.  Untersuchungen  über  das  Ranzigwerden  der  Fette 

von  Dr.   Ed.  Ritsert. 

15.  Die  Urvierfüssler  (Eotetrapoda)  des  sächsischen 
Rothliegenden  von  Prof  Dr.  Hermann  Credner 
in  Leipzig.     Mit  vielen  Abbildungen. 

IG.   Das  Sturmwarnungswesen  an  den  Deutschen  Küsten 

von  Prof  Dr.  W.  J.  van  Bebber.    Jlit    I  Tafel 
und  5  Holzschnitten. 


Preis:    Heft  1—4  a  50  Pf..  Heft  5—16  ä  1  M. 


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a»-  Hierzu  eine  Beilage  von  der  Verlagsbuchhandlung  Velhagen  &  Klasing  in  Bielefeld,  betreffend:  „Velhagen  i:  KlasiugS 
Monatshefte",  die  wir  hiermit  besonderer  Beachtung  empfehlen. 


Verlag:  Ferd.  Düminlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12,  Zimmerstr.  94. 


VIII.  Band.                Honntag,  den 

8- 

Januar  1893. 

Nr.  2. 

Abonnement:  Man  abonnirt  bei  allen  Buchhandlungen  und  Post- 

anstalten,  wie  bei  der  Expedition.    Der  Vierteljahrapreis  ist  Ji  3.— 

Bringegeld  bei  der  Post  15  4  extra. 

f 

Inserate :  Die  viergeapaltene  Petitzeile  40  ^.   Grössere  Aufträge  ent- 
sprechenden Rabatt.  Beilagen  nach  üebereinkunft.  Inseratenannahme 
bei  allen  Annocenbureaux,  wie  bei  der  Expedition. 

Abdruck  ist  iiar  mit  volliständi 

g:er  ({nellenang-abe  gestattet. 

Botanische  Excursion  durch  die  Pampas  und  Monte-Formationen  nach  den  Cordiileren. 


Von  Dr.  Otto  Kuntze. 
(Fortsetzung.) 


Als  am  5.  Januar  eiu  Landregen  sich  einstellte,  wur- 
den die  Reisegenossen  schier  verzweifelt  und  waren  fast 
entschlossen,  die  Expedition  aufzAigeben;  wir  hatten  uns 
erkundigt,  was  meine  3  Mulen  Eisenbahntransport  nach 
Mendoza,  von  wo  noch  der  kürzeste  Andeniil)ergang,  jetzt 
in  4  Tagen  ausführbar  ist,  kostete.  Da  dies  116  Pesos, 
also  etwa  ebensoviel  als  der  Kaufwerth  der  Mulen  be- 
tragen sollte,  verzichteten  wir  auf  diesen  Transport  und 
wappneten  uns  mit  Geduld,  trösteten  uns  mit  dem  guten 
Mendoziner  Rothweiu  des  Hotels,  zur  Abwechselung  auch 
mit  1  Glas  Gin  mit  Bitter-,  oder  Cognac  mit  Sodawasser. 
Da  indess  trotz  der  Pension  von  nur  3  Pesos  für  Jeden 
täglich  bei  dem  infolge  des  Regens  möglicherweise  länger 
dauernden  Aufenthalt  die  Gesellschaftskasse  der  Professoren 
zu  sehr  in  Angritf  genommen  würde  —  ihre  Gehälter  sind 
nicht  gestiegen,  aber  der  Geldwerth  ist  auf  Va  gefallen, 
sodass  Sparsamkeit  hier  wohl  angebracht  ist  — ,  so 
siedelten  wir  von  dem  Gasthof  zu  unseren  Mulen  über 
und  campirten  in  der  Remise,  wo  unsere  Bagage  lagerte. 
Der  Diener  von  Prof.  Kurtz,  Don  Vicente,  kochte  für  uns, 
so  gut  er  konnte;  wir  assen  alles  aus  je  einer  Feldschüssel, 
halb  Teiler,  halb  Schüssel,  schlürften  Mate  (Hex  para- 
guariensis  St.  Hil.)  mit  der  Bombilla,  wuschen  uns 
am  Ziehbrunnen,  oder  manche  Reisegenossen  wuschen  sich 
auch  gar  nicht,  und  schliefen  Nachts  auf  unseren  Plaids, 
den  Sattel  als  Kopfkissen  benutzend;  der  Besitzer  des 
Grundstückes  stellte  uns  Salon  und  Veranda  dazu  zur 
Verfügung. 

Nachts  hatten  die  Hunde  eine  Viscacha,  welche  in 
unser  Gehöft  eingedrungen  war,  aufgejagt  und  todtge- 
bissen;  Viscacha  ist  ein  Nagethier  mit  kurzen  Vorderfüssen, 
das  Erdbaue  aufführt,  wie  der  Dachs,  und  das  etwas  grösser 
als  ein  Hase  wird;  2  mal  2  gegenüberstehende,  stark  vor- 
ragende, 4  bis  5  cm  lange,  1  cm  breite  Vorderzähue  und 
lange  Schnauzborsten  geben  dem  Thier  ein  eigenes  An- 
sehen. 


Januar 


Am  7.        „.V„.....  IWO..  .^V^ö"""  Vl^...l.ll.  L.lJO^l^  Xl.V.iO^, 

soweit  sie  uns  nun  in  kaum  bewohnte,  strassenlosc,  von 
civilisirten  Pflanzen  fast  unverdorbene  Florengebiete  führte. 
Ehe  wir  die  Eisenbahnbrücke  passirten,  ritten  wir  nahe 
dem  Rio  Quinto  durch  eine  lichte  Waldflora,  von  der  Sierra 
abstammende  AIonte-Formation,  deren  Hauptbestandtheile 
folgende  Pflanzen  waren:  Prosopis  alba,  Jodina  rhom- 
bifolia,  Ecbolium  campestre,  Cestrum  Pseudo- 
(juina  (vergl.  vorige  No.),  ferner  Condalia  lineata 
A.  Gray,  eine  Rhamnacee,  ein  bis  3  m  hoher,  sparrig  und 
dicht  verästelter,  dorniger  Strauch  mit  etwa  1  cm  langen, 
länglichen  l)is  ovalen,  saftigen,  dunkelgrünen  Blättern, 
welche  von  den  Heuschrecken  verschont  bleiben,  währentl 
die  jetzt  nicht  reifen  kleinen  Beeren  von  ihnen  verzehrt 
werden.  Duvaua  praecox  Gris.,  eine  Anacardiacee  mit 
kleinen,  mehr  lederigen,  hellergrunen,  obovalen,  IV2  cm 
grossen  Blättern;  meist  ein  niedriger  Dornstrauch,  jetzt 
ohne  Blüthen  und  Früchte.  Celtis  Sellowiana  Miq.,  ein 
dichtsehattiger,  nicht  allzuhäutigcr  Baum  im  Habitus  be- 
kannterer anderer  Celtis- Arten.  Die  Zygophyllacee  Larrea 
divasieata  Gav.  mit  gelben  Blüthen,  weissborstigen 
Früchten  und  den  eigenthümlichen,  schmetterlingsartigeu, 
kleinen  Blättern  ist  ein  weitverbreiteter,  bis  3  m  hoher, 
zartverästelter  Strauch.  Macaglia  Quebracho  Ok.  = 
Aspidosperma  Quebracho  blanco  Schi.,  eiu  bis  12  m 
hoher  und  73  m  dicker  Apocynaceenbaum  mit  lederigen, 
ganzrandigen,  spitzen,  stechenden,  breitlanzettlieh,  ±  3  cm 
langen  Blättern,  bicarjiellaten,  holzigen,  5 — 6  cm  grossen, 
zusannnengedrückten,  später  in  die  Hälften  auseinander 
springenden  Früchten  mit  schildförmig  angehefteten,  zahl- 
reichen, kreisrunden,  dünnen  Flügelsamen  von  etwa 
Durchmesser.  Auf  diesem  liaume  nisten  gern  kleine 
landsia-Arten.  Ausserdem  einige  Krautptianzen,  die, 


J  cm 
Til- 
meist 


abwechselnd,  gesellig  grössere  Flächen  für  sich  allein  ein- 
nehmen, so  z.  B.  luucus  acutus  Lam.  in  bis  V2  m 
dicken  Rasen  an  feuchteren  Stellen,    Schkubria  bona- 


12 


Naturwissenschaftliche  Woehenselirift. 


Nr.  2. 


rieusis  Hk.  ii.  Arn.,  eine  zierliche  bis  Vi™  hohe,  gelbe 
Composite  mit  fädlieheu  Blättern,  bezw.  Blattsegmenten; 
die  Ptianze  dient  zum  Vertreiben  der  Flöhe  nach  Hiero- 
nymus'  plantae  diaphoricae.  Die  bekannte  niedrige  Mol- 
lugo  verticillata  L.  bedeckt  stellenweise  den  Boden. 
Eine  V2  ^  hohe,  weissbliithige  Aster  (cfr.  linifolius) 
mit  aufrechten,  wenigverzweigten  Stengeln  ist  sehr  häufig; 
Gräser  sind  sehr  sparsam  in  diesem  manehnial  der  Ueber- 
sch'.venimung  ausgesetzten  Gel)iete. 

A'ou  der  Eisenbalmbrüeke  ritten  wir  den  Rio  Quinto 
zum  Tlieil  entlang  und  lagerten  Abends  unter  Bäumen  von 
l'rosopis  Algarrobilla,  einer  mit  l'rosopis  alba  nah- 
verwandten Art,  die  wir  des  anderen  Tages  häufiger  in 
der  Pampa  zerstreut  fanden.  Der  Baum  wird  ebenso  gross 
wie  letztere  Art,  das  Laub  ist  noch  zarter;  die  unteren 
Aeste  sterben  in  gewissem  Alter  leicht  ab  und  dienten 
uns  als  Brennholz  für  d^s  Lagerfeuer.  Sei  es,  dass  dieser 
Baum  kein  höheres  Alter  erreicht  —  vielleicht  weil  er 
mit  trocknerem  Boden  vorlieb  nimmt  — ,  sei  es,  dass  die 
öfteren  Pampabräude  die  trocknen  Aeste  verzehren  und 
so  die  Lebenskraft  der  dann  unten  angekohlten  Bäume 
schädigen,  der  Anblick  der  vielen  abgestorbenen  oder  nur 
noch  in  der  Spitze  der  Krone  grünenden  Bäume,  welche 
ein  terpeutinduftendes  Holz  haben,  ist  dann  kein  wohl- 
thuender. 

Wir  hatten  die  Zelte  nicht  aufgesehlagen,  was  bei 
21  °  C.  Nachts  bei  klarem  Himmel  und  Mondscheinl)eleuch- 
tung  auch  nicht  nöthig  war.  Das  Lager  in  der  Nähe 
einer  schwachsalzigen  Lagune  war  romantisch,  und  schwir- 
rende Leuchtkäfer  vermehrten  nur  diesen  Eindruck.  Ausser 
der  Algarrobilla  trat  jetzt  auch  Gourliea  decorticans 
Gill.,  ein  dorniger,  bis  7  m  hoher  Leguminosenbaum  mit 
bleichgrünem  Laub,  auf,  dessen  grüne  Rinde  sich  in  grossen 
Platten  ablöst  nnd  dann  die  neue  weisse  innere  Rinden- 
schicht erkennen  lässt.  Das  weisse  Holz  scheint  hart  und 
zäh  wie  Buchsbaum  zu  sein.  Jetzt  ohne  BlUthen  und  nur 
selten  mit  mandelartigen  unreifen  Früchten  versehen  — 
die  einsamigen  Hülsen  sollen  inseitig  ein  feinschmeckendes 
Fruchtfleisch  haben  — ,  ist  dieser  IJaum  ein  häufiger  Be- 
gleiter anf  den  folgenden  Tagereisen,  soweit  nicht  reine 
Pampa  auftritt,  und  hat  der  einheimische  Name  Chafiar 
Griesebach  veranlasst,  diese  Region  die  Chafiarsteppe 
zu  benennen;  sie  ist  indess  in  ihrer  Zusammensetzung, 
insbesondere  was  Holzgewächse  betrifft,  ziemlich  \  erändcr- 
lich.  In  der  Nähe  unseres  Nachtlagers  fand  sich  auch, 
den  Boden  stellenweise  allein  nnd  dicht  bedeckend,  eine 
niedrige  (bis  10  cm  hohe)  Composite,  Ambrosia  sp.,  die 
recht  unschuldig  aussah,  aber  beim  Anfassen  verdeckte 
kleine  Stacheln  energisch  fühlen  Hess. 

Am  8.  Januar  zeitig  aufgebrochen,  ritten  wir  bis 
11  Uhr  nach  einer  italienischen  Viehzüchterei,  Medano 
Colorado  (rothe  Düne),  wo  es  wiederum  Wasser  gab,  und 
wo  wir  bis  6'/o  Uhr  in  der  grössten  Hitze  (327,/)  blieben, 
um  dann  während  der  Nacht  bis  anderen  Tages  gegen 
11  Uhr  eine  Travesia,  d.  h.  wasserlose  Einöde  mit  viel 
Dünen  und  fast  nur  Graswuchs,  zu  überwinden.  Die  wich- 
tigsten Gräser  der  Pampa  sind:  Stipa  lehn  Kth.,  Sor- 
ghum (Andropogon)  saccharodes  OK.  (Svv.),  con- 
densatuni  GK.  (IIBK.),  Chamaeraphis  (Setariaj  sp., 
mit  glauken  Blättern  und  Stengeln  (Dünengras),  Chloris 
Beyrichiana  Kth.,  diverse  Aristida-  und  Paspalum- 
Arten,  Melica  niacra  Nees.  Zwischen  den  Gräsern 
wuchsen,  mit  Ausnahme  der  schon  erwähnten  häufigen 
Composite  Hyaloseris  argeutea,  vereinzelt  andere  Pflan- 
zen, von  denen  wir  aber  wegen  der  Nachtreise,  die  noch 
dazu  nach  Monduntergang  auf  3  Stunden,  ohne  die  Pack- 
thiere  abzuladen,  unterbrochen  wirde,  wenig  sammeln 
konnten.  Es  seien  nur  erwähnt:  Baccharis  micro- 
cephala  DC.  (B.  articulata  Griseb.),    mit    geflügeltem, 


blattartigem,  gegliedertem  Stengel;  Senecio  dealbatus 
hat  filzig  schneeweisse  Stengel-  und  Blattbehaarung;  Se- 
necio ceratophyllus,  ein  gelbblüliendes  Kraut  mit  lineal- 
zersehlitzten  grünlichen  Blättern  und  dabei  ein  Solanum 
von  gleicher  Grösse  und  gleichen  Blättern,  so  dass  man 
an  Mimicry  denken  möchte.  Euphorbia  piluliferaL. 
oder  verwandte  Art  mit  Salaginella-Habitus.  Eine  weisse, 
krautige  Polygala  bis  30  cm  hoch,  nnt  linealen  Blät- 
tern. Crassina  peruviana  OK.  (L.)  =  Zinnia  jjauci- 
flora  L.,  die  hier  übrigens  sicher  wild  ist,  und  Portu- 
laca  grandiflora  mit  puri)urnen  lüiithen,  die  indess 
bald,  bezw.  manchmal  ins  Bräunliche  oder  Orange  ändern. 
A  m  a  ry  1 1  i  s  h  u  ni  i  1  i  s  hat  kleine  gelbe  Blüthen.  P  a s  c  a  1  i  a 
glauca  Ort.  ist  eine  interessante  krautige  Composite  mit 
fleischigen,  fädliehen  Blättern  und  gelben  Blütlienköpfen, 
die  v(ni  einem  strohgelben,  zuletzt  braunen  Hüllkelch  ein- 
gehüllt sind.  Ephedra  sp.,  meist  niedrige  Formen  in 
dichten  Rasen. 

Die  Thierwelt  ist,  von  Insecten  abgesehen,  arm  in 
diesen  Regionen;  wir  bemerkten  2  Hirsche,  1  Strauss  mit 
Jungen,  von  denen  der  Führer  3  fing,  die  wir  aber  wieder 
laufen  Hessen;  eine  Erd-Eulenart  —  Lechuza  —  sass  öfters 
in  den  Wipfeln  der  Aigorobilla;  Aasgeyer  —  Carancho  — 
und  ein  anderer,  mehr  krähenartiger  Raubvogel,  der  meist 
von  der  Tijera  (die  Scheere),  einem  kleinen  schwarzen 
Vogel  mit  sehr  langen  „scheerenartigen"  Schwanzfedern, 
begleitet  war,  bilden  den  Rest. 

Gran  Chichaca  lieisst  der  Ort,  den  wir  am  9.  Januar 
gegen  11  Uhr  erreichten.  Einige  Stunden  vorher  waren 
wir  schon  wieder  in  Monteformation  eingetreten.  Es  waren 
von  Sträuchern  nur  neu  zu  bemerken:  Acantholippia, 
bez.  Lippia  sp.,  blattloser  Strauch  von  3  m  Höhe, 
dicken  grünen,  glatten  Zweigen  und  einzeln  daran 
stehenden  Früchten;  Prosopis  humilis  ist  ein  anderer 
blattloser  Strauch,  al)er  nui-  bis  7  m  hoch  und  jetzt 
blüthenlos;  Siegesbeckia  sp.  ist  eine  ±  1  m  hohe  Staude. 
Grindelia  pulchella  Don  V2  ™  hoch,  bedeckt  manche 
Flächen  wie  ein  angebautes  Feld.  Eine  Cereus-Art 
tritt  vereinzelt  auf,   blüht  alter  nicht. 

Gran  Chichaca  ist  ein  in  und  an  grossen  Süsswasser- 
lagunen  angesiedelter  Ort,  welche  Lagunen  jetzt  aber 
schon  fast  ausgetrocknet  sind.  Das  AVasser  zum  Trinken 
wird  in  Represaz,  ausgestochenen  Lehmgruben,  die  durch 
Dornheeken  gegen  Vieh  und  deren  Badevisiten  geschützt 
sind,  gesannnelt  und  wird  von  uns,  lehmig  wie  es  ist,  ver- 
wendet. Wir  schlachteten  eine  junge  Ziege  —  wie  auch 
später  noch  einige  Male  —  und  riciiteten  uns  auf  einem 
Schindanger  unter  einem  Algarrobo-Baum  ein,  so  gut  es 
eben  ging.  Beim  Wählen  des  Lagerplatzes  war  anf  einen 
nahen  Weideplatz  Rücksicht  zu  nehmen,  dessen  unsere 
Maulthiere  nach  einem  14-stündigen  Marsche  dringend  be- 
durften. Ich  selbst  benutzte  eine  leerstehende  Ochsen- 
karre und  schlief  oben.  Die  Reisegefährten  hatten  sich 
zuerst  im  Schatten  unterhalb  derselben  gelagert;  ich  hatte 
aber  nolens  volens  den  besseren  Theil  gewählt,  denn  ich 
konnte  Nachts  unbelästigt  schlafen.  Ein  scharfer  Wind, 
gegen  dessen  Richtung  ich  mich  gelegt,  vertrieb  mir  die 
Insecten,  ausgenounnen  die  über  mir  in  der  Baum- 
krone wohnenden  und  früh  von  9 — 11,  Nachmittags  von 
7 — 9  Uhr  concertirenden  Licoden,  von  denen  ich  höchstens 
manchmal  durch  herabfallende  Tropfen  belästigt  wurde, 
wogegen  ich  mich  indess  bald  schützte.  Die  Parterre- 
bewohner hatten  indess  von  ]\Iücken,  Stechfliegen,  Heu- 
schrecken und  Mondschein  zu  leiden.  Heuschrecken  be- 
lästigen den  Menschen,  besonders  wenn  sie  Abends  in 
Heereszügen  wandern;  ihr  Zug  geht  dann  manchmal  so- 
gar durch  einen  Rancho  (hiesiges  Haus  letzter  Sorte) 
über  Mensehen  hinweg,  wo  sie  einem  dann  an  den  Hals 
und  in  die  Aermel  und  in  alle  offen  stehenden  Säcke  und 


Nr. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


13 


Kotier  springen;  sie  ljelästif;-en  den  Mensclien  mehr  durch 
ilire  Meug'c  und  plumi^en  Spriinj^'e,  als  dass  sie  ihn  an- 
greiCeu.  Jianchnial  kneifen  sie  einen  mehr  aus  Versehen, 
aber  das  hat  keine  Uebelstände  im  Gefolge.  Bei  Mond- 
schein kann  Freund  Kurtz  nicht  einschlafen.  Gegen  Mos- 
quitos  nützt  nur  ein  Tiillnetz  (Gaze),  das  man  doppelt 
um  Kopf  und  Hals  wickelt;  einfach  gelegt  stechen  die 
Mücken  dort  ikicIi  durch,  wo  es  der  Haut  anliegt.  Die 
Hände  incl.  der  Handgelenke  schützt  man  am  besten 
durch  sehr  lange  und  dicke  IJuckskin-Handsclmhe,  die, 
ausserdem  angefeuchtet  \icl  Wasser  absorbiren  und  so  die 
juckenden  Mückenstiche  schnell  heilen.  Anliegende  dünne 
Strümpfe  halten  die  Mos(iuitos  nicht  ab.  Die  Füsse 
dürfen  nicht  blossliegen  untl  sind  durch  Hosen  und  Stie- 
feln oder  Filzschuhe  zu  schützen.  Don  Vicente  reist  bei 
trockenem  Wetter  sogar  in  Filzscdiuhcn,  mit  mein-eren 
Strümpfen  über  die  Hosen  gezogen,  so  dass  auch  keine 
Insecten  den  Fuss  liinanfkriechcn  können. 

Sonntag,  den  10.  Januar,  gegen  Jlittag,  zogen  wir 
weiter,  aber  der  Führer  wusste  nicht  recht  Bescheid,  so- 
dass wir  uns  in  menschenleeren  p]inoden  verliefen  und, 
nach  einem  Hergkegel  uns  richtend  gegen  6  Uhr  Abends 
am  Fuss  des  Cerro  Varela  einen  Kancho  und  eine  Lehm- 
pftitze  fanden,  wo  >vir  unter,  bezw.  an  einem  Baum  von 
Jodina  rhombifolia  lagerten.  Wir  waren  in  Ibllie 
von  570  m  und  erkletterten  noch  vor  Sonnenuntergang 
eine  der  l'orphyrkuppen,  etwa  100  m  höher,  des  Cerro 
Varela.  Da  auf  dem  Gebirge  kein  Tropfen  Wasser 
bleibt,  war  die  floristisehe  Ausbeute  gering:  Dinoseris 
argentea  Grisb.,  eine  strauehige  Composite;  die  Poly- 
galacee  M(Minina  pter()cari)a  in  Blüthe  und  Frucht; 
ein  Gras,  Boiiteloua  curtipendula  A.  Gray;  die 
Bromeliaceen  I'itcairnea  spathaeea  Griseb.,  Ananas 
sp.,  letztere  2,  ebenso  wie  1  Oaetus,  1  Cereus, 
1  Opuntia,  ohne  Blüthen.  Die  Gacteen  und  noch  einige 
Pflanzen  fanden  wir  auch  am  anderen  Tage  in  einer 
Monte-Region,  Tierritas  auf  der  Landkarte  genannt,  die 
fast  keinerlei  Kräuter  am  ]5oden  aufwies,  wo  infolge 
dessen  die  Heuschrecken  den  Wald,  die  Brnnukronen  und 
Sträueher  total  abgefressen  hatten,  mit  Ausnahme  einer 
noch  unbesebriebenen  Art  von  Atriplex  (Obione)  ex 
affinitate  A.  pamparum  Moq.-Tand..  efr.  A.  Cachiyuya 
Hieron.  in  msc.  Dieser  Strauch,  jetzt  weder  in  Blüthen 
noch  in  Fruclit,  wird  Ids  1'  o  ni  hoch,  ist  von  unten  an 
stark  verzweigt,  die  Stengel  sterben  aber  ab,  nachdem 
sie  3 — 5  cm  dick  geworden  sind,  und  legen  sieh  dann 
strahlenförmig  auf  den  Erdboden;  die  Blätter  sind  gelb- 
lich-graugrün, filzig,  stachelförnug  und  an  der  Spitze 
etwas  gezähnt.  Kurz,  dieser  dort  häutige  Strauch  zeigt 
genau  dasselbe  Bild,  wie  der  berühmte  Sage  shrub  der 
Prärien  Nordamerikas,  Artcniisia  tridentata  Nutt. 
Es  war  ein  öder  heisser  Landstrich,  diese  Tierritas,  durch 
welchen  wir  öVs  Stunden  ritten.  Cassia  aphylla, 
Lippia  salsoloides  (Grisb.)  (Acantliolippia  s.  Griseb.) 
Acacia  striata  ebenfalls  blattlos,  die  schon  augedeuteten 
Cacteen  hatten  sich  hier  der  abgefressenen  Montefiora 
schon  genannter  Arten  beigesellt.  Als  Kraut  war  fast 
nur  die  S  cm  hohe  Trixis  efr.  discolor  Gill.  uiul  Don 
zu  erwähnen,  ^^"enn  manche  solche  fast  krautlose  Vege- 
tationsgebiete mit  vorrherrschenden  Sträuchern  noch  als 
Pampa-Flora  bezeichnen,  so  ist  das  gewiss  nicht  zu 
Itilligen. 

Mittags  lagerten  wir  am  Rio  Salado  beim  Paso 
Aqua  dolce;  die  Hitze  war  auf  39°  im  Schatten,  44°  in 
freier  Luft,  mit  Schwingthermometer  gemessen,  gestiegen. 
Um  den  Verlust  des  gestrigen  Tages  wieder  einzuholen, 
ritten  wir  Abends  von  6 — 10 V2  Uhr  weiter  längs  des  Rio 
Salado  und  lagerten  etwas  entfernt  vom  FIuss.  In  ilcr 
Satteltasche,    Alforja,    die     dem  Sattel    hinten    aufgelegt 


wird  und  die  allernötliigsten  Reiscutensilien  enthält,  u.  A. 
auch  das  Pilanzen})apier,  in  welches  die  uuterwegs  ge- 
sammelten Pflanzen  provisorisch  gelegt  werden,  hat  auch 
ein  Jeder  eine  Reserveflasche  mit  Wasser.  Da  ich  noch 
in  der  Rocktasche  eine  kleine  Feldflasche  trug,  war  mein 
Wasservorratli  noch  relativ  reich,  so  dass  ich  es  vorzog, 
um  Mitternacht,  nach  des  Tages  ungewöhnlicher  Hitze 
und  Staubplage,  nocii  stehenden  Fusscs  ein  Doncheliad 
zu  nehmen,  indem  ich  den  Wasscrflascheninhalt  langsam 
über  den  nackten  Körj)er  heraljlaufen  Hess,  ein  Taschen- 
tuch mit  Seife  als  Waschlappen  benutzte  und  schliesslich 
mit  einem  grossen  Handtuch  den  Körper  tüciitig  abrieb. 
l>ei  der  Morgentoilette  in  unseren  Feldlagern  wird  in  der 
Regel  nur  mit  einem  Becher  voll  Wasser  und  einem  Taschen- 
tuch die  Waschung  besorgt.  Meine  Reisegefälirten  sind 
sogar  der  Meinung,  dass  unterwegs  eine  feine  Schnuitz- 
kruste  die  Haut  vor  Sonnenbrand  und  Austrocknen  schütze. 
Manchmal  putzt  Jedoch  einer  der  Herren  die  Fingernägel; 
das  ist  aber  auch  alles. 

Am  12.  Januar  kamen  wir  nur  2  Stunden  AVegs 
\(jrwärts,  bis  zu  einem  Flussübergang,  Pasa  Tierra,  wo 
au  einer  primiti\en  Drahtseilverbindung  zwischen  beiden 
Ufern  ein  Fahrstuhl  ans  Kuhhaut  nut  höchstens  100  Kilo 
TragfähigkiMt  fortwährend  lierüber  und  hinüber  gezogen 
wurde,  was  zwei  Stunden  dauerte,  bis  alles  Gepäck  und 
alle  ß  Personen  das  andere  Ufer  des  Bio  Salado  erreicht 
hatten.  Die  Muten  schwammen  d;inn  der  hinübergezo- 
genen Madrina  nach  und  durchkreuzten  den  tiefen  und 
schnellfliessenden  Strom  schnell  und  geschickt;  sie  folgten 
der  Madrina  dabei  so  blindlings,  dass  sie  ihr  selbst  an 
den  steilen  Uferabfall  nachschwammen,  wohin  die  Mailrina 
ungeschickter  Weise  vom  Vaqueano  gezogen  worden  war, 
und  wo  die  Thiere  gar  nicht  landen  konnten.  Don  \i- 
cente  corrigirte  das  Versehen  schnell,  leitete  die  ^Madrina 
an  eine  Böschung,  wo  die  Landung  aller  Thiere  glück- 
lich verlief.  Ich  selbst  nahm  währenddessen  auch  ein 
Bad  im  Strom;  das  Wasser  war  aber  zu  wann,  um  zu 
erfrischen;  doch  geschah  letzteres  durch  die  darauffolgende 
Al)kühlung  durch  Verdunstung  des  Wassers  am  Körper 
durch  die  Luft. 

Wir  hätten  nun  noch  einen  Tagesmarsch  von  zehn 
Stunden  nach  dem  Rio  Diamante  ausführen  kfinuen,  aber 
bis  dahin  war  kein  Wasser  und  am  Rio  dort  kein  Weide- 
platz zu  finden;  ausserdem  hatte  der  Gaucho,  diu  wir 
auf  3  Leguas  als  Führer  nöthig  braucliten,  sein  Pferd 
nicht  zur  Hand.  Kurz  wir  mussten  den  ganzen  Nach- 
mittag dort  liegen  bleiben,  was  in  einem  Gehölz  von 
Gourliea  decorticans  geschah,  dem  sich  eine  dürftige 
Weide  für  die  Thiere  anschloss. 

Auf  den  benachljarten  Dünen  zeigte  sich  wiederum 
ein  anderes  Florenbild:  Baccharis  salicifolia  Pcrs., 
eine  halbstrauchige  Composite  von  1 — 2  m  Höhe  bildete 
dichte  Bestände,  die  nur  mit  Atriplex  pamparum  vel 
sp.  äff.  eine  halbkrautige  30 — 50  cm,  selten  höhere  Art  mit 
stcngelumfassenden  graugrünen,  stark  gekräuselten,  ovalen 
Blättern,  gemischt  war.  Weiterhin  trat  lletero thalanius 
spartiodes  11k.  und  Arn.,  ein  blattloser,  harzigl)itterer 
Compositenstrauch  von  1  m  Höhe,  der  vielfach  zu  Besen 
verwendet  und  von  den  Heuschrecken  verschont  wird, 
bestandbildend  auf  und  hatte  unter  sich  meist  nur  eine 
Vegetation  der  zwergigen  Form  des  10 — 30  cm  hohen 
zarten  Strauches,  Prosopis  strombulifera  Bth.,  einer 
gelbl)lüthigen  Mimose,  deren  Hülsen  dichtschraubenförinig 
gewunden  sind  und  schliesslich  wachsgelb  werden.  Diese 
zwei  bestandbildenden  Compositcn,  Baccharis  sal.  und 
Hetcrothalamus  spart.,  begleiten  uns  noch  einige  Tage 
auf  der  Reise  längs  des  Rio  Diamante,  jedoch  meist  nur 
an  der  Grenze  oder  ausserhalb  des  Ueberschwemmungs- 
gebietes;    beide    meist    in   ihren   Beständen  abwechselnd, 


14 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  2. 


seltener  gemischt  und  stellenweise  von  anderer  Vegetation 
unterbrochen. 

Am  13.  Januar  erfolgte  also  der  Ritt  nach  und  durch 
den  Rio  Diamante  nach  dem  verlassenen  und  verfalleneu 
Fortin  nuero.  Es  ging  durch  ein  ausgetrocknetes  Delta- 
gebiet,  welches  den  Zusammenfluss  dieser  zwei  Ströme 
zum  Theil  jetzt  noch  bildet.  Es  wechseln  daher  Lehm- 
boden, Dünen,  die  der  Wind  znsammengeweht  und,  tiefere, 
alte,  trockene  Flussbetten,  worin  sich  öfters  eine  Salzflora 
und,  nahe  dem  Rio  Diamante,  das  dort  in  den  Fluss- 
niederungen  bestaudbildende  Gynerium  argenteum 
Nees  findet.  Zur  Salzflora  gehört  dort  Lerchea  mari- 
tima OK.  (Schoberia  m.  C.  A.  Mey.)  imd  fruticosa 
OK.  (L.),  Allenrolfea  patagonica  OK.  (Spirostachys 
p.  Griseb.  =  '?  Halopeplis  Gilliesii  Griseb.)  mit  Sali- 
cornia-Habitus,  krautig  und  strauchig  25  cm  bis  1  m  hoch. 
Gynerium  argenteum  bildet  hier  Hexenringe,  d.  h.  die 
Rasen,  welche  bis  2  m  Durchmesser  erhalten,  sterben  im 
Centrum  aus  Nahrungsmangel  ab,  und  dieses  todte  Cen- 
trum, \;-73  ™,  wird  meist  bei  Steppenbränden  ausge- 
brannt. Die  Rasen  dieses  auch  in  enropäischeu  Ziergärten 
beliebten  Grases  stehen  meist  soweit  von  einander  ab,  dass 
man  bequem  dazwischen  durchreiten  kann.  Je  nach 
trockuerem  oder  nassem  Staudort  wechselt  auch  die  Grösse 
dieser  Pflanze;  grosse  Exemplare  verbergen  einen  dahinter 
stehenden  Mann  vollständig,  und  wo  solche,  wie  wir  es 
später  am  Rio  Diamante  stellenweise  sahen,  in  vollem  Flor 
auf  langen  Strecken  stehen,  ist  der  Anblick  dieser  schönen 
Pflanze  in  der  That  ein  erhabener. 

Das  Gegentheil  davon,  eine  hässliche  Pflanze,  wie 
ich  solche  kaum  jemals  so  abschreckend  sah,  ist  die  dort 
in  den  Dünen  vereinzelt  vorkommende  Flotowia  Hys- 
trix,  ein  ±  1  Meter  hoher  sparriger  Compositenstrauch 
mit  kurzen  nadelartigen,  dichtstehenden  Blättern  von 
schmutzig  ochergelber  Farbe;  die  gelben  Blüthen  sind 
vereinzelt  im  Laub  und  beeinträchtigen  den  Eindruck 
kaimi;  man  stelle  sich  Juniperus  communis  L.  recht 
unregelmässig  gewachsen  mit  diesem  düsteren  Colorit  der 
Blätter  vor,  so  wird  man  einen  annähernden  Eindruck  er- 
halten. Ein  anderer  durch  seine  ausserordentliche  Brüchig- 
keit merkwürdiger  Strauch  wächst  dort:  die  Capparidacee 
Atamisquea  emarginata  Micrs;  jeder  Zweig,  den  man 
von  diesem  dornigen,  ±  3  m  hohen  Strauch  mit  dunklen 
kleinen  Blättern  und  weissen  unscheinbaren  Blüthen 
brechen  will,  bricht  auffallend  leicht  quer  ab.  Sonst  ist 
die  strauchige  Monteflora  dort  recht  gemischt,  es  finden 
sich  viele  Arten  wieder,  denen  wir  schon  am  Rio  Quinto 
begegneten.  Von  der  niederen  Vegetation  macht  sich 
namentlich  eine  Lippia-Art  mit  Thymian-Geruch,  ein 
Hall)Strauch,  bis  30  cm  hoch,  und  Lip])ia  salsolodes 
bemerkbar,  welche  mehr  einen  Erica-Habitus  hat;  beide 
Arten  sind  jetzt  in  voller  BIttthe  und  habituel  von  anderen 
Lippia- Arten  recht  abweichend.  Ausserdem  seltenere 
niedere  Pflanzen  sind  dort:  Verbena  tt avescens  und  die 
Boraginacee  Cortesia  cuneata  R.  et  P. 

Unterwegs  fingen  unsere  Diener  drei  Gürtelthiere, 
Quirquinchos,  die  sofort  ausgeweidet  wurden  und  uns, 
anderntags  gekocht,  einen  kalten  Leckerbissen  zum  Früh- 
stück boten.  In  einem  Rancho,  wo  gerade  geschlachtet 
worden  war,  wollten  wir  wiederum  einmal  Rindfleisch 
kaufen;  der  Hambo  schenkte  uns  aber  nur  ein  Bruststück 
von  vielleicht  8  Kilo,  wofür  wir  nun  seinem  Kind  ein 
Geschenk  von  1  Peso  machten,  womit  das  Fleisch  übrigens 
hinreichend  bezahlt  war.  Der  Fleischgenuss  ist  das 
billigste  hier  zu  Lande;  1  Kilo  bestes  Oclisenfleisch  gilt 
etwa  30  Cts.  (Pf);  1  junge  Ziege,  wenn  man  das  Fell 
zurückgiebt,  nur  ''^  Peso.  Unterwegs  haben  wir  meist 
täglich  zwei  Mal  Spiessbratcn  (Asado),  der  über  glühenden 
Holzkohlen,  die  das  verbraunte  Holz  zurücklässt,  bereitet 


wird.  Brot  wird  im  Feldlager  in  der  Regel  gar  nicht 
genossen,  immer  Asado,  wozu  das  viele  Mate-Trinken 
passt  und  mir  auch  gut  bekommt. 

Die  Temperatur  schwankte  an  jenem  Tage  von  16° 
bis  35°  und  war,  weil  wir  den  ganzen  Tag  12  Stunden 
durchritten,  Nachmittags  recht  unangenehm.  Vor  dem 
Rio  Diamante  angekommen,  wurde  nochmals  alles  Sattel- 
zeug und  die  Packung  der  Cargo-Mulen  auf  ihre  Festig- 
keit revidirt.  Der  Durchritt  geschah  dann  mir  unerwartet 
schnell,  wahrscheinlich,  weil  man  voranreitenden,  die  Fuln-t 
genau  kennenden  Argentinern  schnell  folgte.  Die  Mulen 
folgen  bei  solcher  Gelegenheit  dicht  hintereinander  und 
hinter  der  Madrina.  Ich  war  also  20  Schritt  zurück- 
geblieben, weil  ich  die  Alforga  neu  umgepackt  hatte  und 
erst  schnell  auf  den  Sattel  springen  konnte,  als  der  Zug 
schon  in  Bewegung  war.  Mein  Reitthier  schlug  trotz 
meiner  Zügelung  nun  direete  Richtung  nach  der  Madrina, 
also  einen  andern  Weg  als  die  andern  Mulen  ein ;  es  ging 
jedoch  gut  ab  trotz  der  nicht  unbedeutenden  Strömung 
des  Flusses,  doch  hatte  das  alte  Thier,  das  ich  erhalten, 
die  unangenehme  Gewohnheit,  gelegentlich  in  die  Knie 
zu  sinken.  Das  passirte  denn  auch  jetzt  im  Flusse  ein- 
mal; ich  sass  jedoch  fest  im  Sattel  und  zog  das  Thier 
schnell  mit  dem  Zügel  empor.  Das  Wasser,  welches 
ohnehin  bis  an  den  Bauch  der  Thiere  reichte,  hatte  aber 
meine  Alforga  genässt,  und  es  war  nur  gut,  dass  ich 
vorher  Pflanzen  und  Wasserflasche  zu  Unterst  gepackt 
hatte,  die  diese  Ueberschwemmung  vertragen  konnten. 
Anderntags  wechselte  ich  jedoch  meine  Mule  gegen  eine 
bessere  aus.  Wir  haben  immer  zwei  zur  Reserve,  sodass 
eine  Abwechselung  bei  den  Thieren  stattfindet  und  anderer- 
seits rückenwund  gewordene  oder  lahmgetretene  —  was 
bei  dem  unterwühlten  Boden  manchmal  eintritt  —  Thiere 
Erholungstage  geniessen. 

Fortin  nuevo  wird  nur  noch  von  wenigen  Hirten  be- 
wohnt; die  früheren  Soldatenhäuser  und  das  Fort,  alles 
nur  aus  ungebrannten  Lehmziegeln  erbaut,  sind  zerfallen ; 
als  einziges  Wasserbassin  dient  eine  uneingezäunte  Re- 
presa-Lehmgrube  mit  Regenwasser  —  in  der  jedoch  auch, 
wie  Professor  Bodenbender  meint,  das  Vieh  gelegentlich 
ohne  Standesunterschied  badet.  Wir  campirten  dort 
wiederum  auf  einem  Schindanger;  frühere  Reisende  hatten 
dort,  wie  wir  es  ja  auch  thaten,  geschlachtet  und  die 
Knochen  etc.  den  Insecten  zum  Reinigen  hinterlassen. 
Zwischen  den  Hausruinen  hatten  sich  noch  Sidcachas 
angesiedelt  und  dachshöhlenartige  Erdbauteu  augelegt. 

Am  14.  Januar  wollten  wir  zeitig  aufbrechen;  es 
zogen  sich  jedoch  die  Wolken  zusammen  und  vertheilteu 
sich  dann  gleichmässig,  sodass  ein  Landregen  in  Aus- 
sicht stand.  Wir  schlugen  daher  ein  Zelt  auf  und  brachten 
uns  und  die  (iepäckstücke  darin  in  Trockenheit.  Es 
regnete  von  Zeit  zu  Zeit  etwas,  aber  unbedeutend,  sodass 
wir  gegen  9  Uhr  aufbrachen.  Gegen  10  Uhr  aber  weichte 
uns  ein  Gewitter  gehörig  ein,  gegen  welches  der  landes- 
übliche Poncho,  ein  Plaid  mit  Schlitz  inmitten  zum  Kopf- 
durchstecken, nur  wenig  nützte.  Der  Landregen  war 
glUcklielierweise  nicht  zum  Ausbruch  gekommen,  und  die 
Feuchtigkeit  des  Gewitters  in  unseren  Anzügen  trocknete 
später  während  des  Reitens  schon  aus.  Mittags  hielten 
wir,  um  die  Gürtelthiere  kalt  zu  verzehren.  Dabei  kam 
eine  Spottdrossel  auf  mein  nachahmendes  Pfeifen  ganz 
nahe  auf  den  nächsten  Busch,  und  nun  pfiffen  wir  um 
die  Wette;  ich  war  aber  ausser  Stande  alle  die  Töne, 
die  sich  in  ungleichen  Melodien  oft  unvermittelt  folgten, 
nachzuahmen.  Jlan  glaubt,  falls  man  nicht  weiss,  dass 
alles  von  einem  Vogel  stammt,  mindestens  sechs  ver- 
schiedene Vögel  hintereinander  zu  hören.  Die  nächsten 
Tage  Hessen  uns  diese  Vogelart  noch  oft  hören.  Dann 
und   wann   war  noch  ein  schwarzer  Vogel  zu  sehen,  der 


Nr.  2. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


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ein   metallglänzeudes   kupferrothes   ßrust-   und   Halsschihl 
zeigte,  Trupial  genannt. 

Abends  campirten  wir  am  Rio  Diamante  in  einem 
Gehölz  von  G  o  u  r  1  i  e  e  n ;  vor  uns  war  eine  Viehweide,  die 
hauptsächlich  ans  Gyneri um -Rasen,  ein  sehr  hartes 
Gras,  von  dem  die  Heuschrecken  nur  die  Blüthenstände 
und  Blattränder  fressen,  und  einem  jetzt  verdorrten,  sehr 
niedrigen,  aber  den  Boden  dicht  bedeckenden  Grase 
bestand,  das  die  Thiere  vorzuziehen  scheinen,  es  ist 
dies  Distichiis  thalassica  Desv.  =  ßrizopyrum 
spicatum  A.  Gray. 

Während  bisher  das  flache  Terrain  nur  aus  fein- 
erdigen oder  sandigen  Substanzen  bestand,  stellten  sich 
jetzt  andere  FlussgeröUe  neben  dem  Rio  Diamante  ein, 
und  zwar  zuerst  Gerolle  von  Bimsstein. 

In  einem  an  einer  Seite  offenen  Hexenring  von  Gy- 
neri um  hatte  ich  mein  Nachtlager  aufgeschlagen  und  die 
halbtrockenen  Sachen  auf  dem  Rasen  selbst  ausgehängt; 
am  anderen  Morgen  aber  waren  sie  durch  den  Thau 
feuchter  als  vorher. 

Am  15.  Januar,  bei  18°— 36°  Temperatur,  reisten  wir 
bis  Rincon  grande  etwa  10  Leguas  weit  und  campirten 
Abends  zwischen  Hetherothalamus  spartiodes  auf 
Sanddünen,  wo  wir  erst  die  kleine  stachelige  Prosopis 
strombulifera  vom  Boden  wegrasiren  mussteu.  Ver- 
einzelte Bäume  lieferten  uns  Brennholz;  ein  ofiener  Lager- 
platz war  indess  nicht  vorhanden,  und  wenn  sich  die 
Aussichten  auf  Gewitter  erfüllt  hätten,  wäre  es  nicht 
möglich  gewesen,  ein  Zelt  aufzuschlagen;  wir  legten  uns 
mit  dem  Gefühl  zur  Ruhe,  von  einem  Gewitter  rettungslos 
überrascht  zu  werden.  Es  ging  aber  die  Nacht  ohne 
Regen  vorüber. 

Der  16.  Januar  brachte  uns  etwa  ebensoviel  weiter 
nach  einer  Ackerbau-Colonie  mit  viel  Wasserleitungen  und 
einem  Wäldchen  vorher,  in  dem  der  Weg  aus  Sackgassen 
bestand,  die  uns  wiederholt  zum  Umkehren  zwangen,  in 
dem  Wald  trat  eine  andere  Larrea-Art  auf  mit  zwei- 
zeiligen Aesten  und  Blättern:  L.  cuneifolia  Cav.,  ein 
noch  schönerer  Strauch  als  die  andere  verbreitete  Art. 
Der  Ort  und  Wald  waren  noch  von  Heuschrecken  ver- 
schont geblieben  und  boten  ausser  der  Ruderalflora  im 
Dorfe,  deren  Aufzählung  ich  unterlasse,  manche  seltene 
Pflanze,  z.  B.  Munroia  squarrosa  Torr.,  Sterrhy- 
menia  cynocrambe,  Hoffmannseggia  falcaria  Cav., 
Flaveria    Contrayerba    Pers.,     Philibertia    rotata 


Griseb./  Willoughbya  tcnuiflora  OK.  (Mikania  t. 
Grisel).,  zwei  Lyciuni- Arten,  JMalveopsis  cfr.  bona- 
riensis  und  eine  andere  3[alvacee  mit  brennendrothen 
Blüthen,  sowie  mehrere  noch  unbestimmte  Pflanzen. 

Wir  lagerten  aussei  halb  des  Ortes  im  Geröll  des 
Flusses  vor  einem  Juncus-Bestand;  auf  dem  trockenen 
Geröllboden  war  Pluchea  Quitoc  DC,  eine  meterhohe, 
wenig  verzweigte,  krautige  Composite  mit  röthhchen  Köpfen 
und  glauken  Blättern  häuflg  und  eine  niedrig  strauchige 
Patagonium-Art  (Adesmia)  aus  den  Cordilleren  herab- 
geschwennnt.  Im  Uebrigcn  bot  die  Flora  der  Rio  Dia- 
mante-Gelände  wenig  Abwechselung;  Gyneri  um  spec, 
Baccharis  salicifolia,  schliesslich  Pluchea  Quitoc 
und  eine  noch  nicht  bestinnnte  Senecio-Art,  ein  Strauch 
von  kaum  1  Meter  Höhe  mit  einzelnen  gro.ssen  Köpfen, 
fleischigen,  fädliehcn  Blättern,  die  merkwürdigerweise 
von  Grün  in  Schmutzigviolctt  und  häufiger  in  Wachs- 
gelb variiren,  bilden  die  Typen  der  Flora,  der  die 
Sträucher  und  Bäume  der  Monteformation  relativ  wenig 
beigemischt  sind.  —  Der  Fluss  ist  so  schlannnig,  dass 
wir  kein  Bad  nehmen  mochten,  obwohl  wir  meist  in  seiner 
Nähe  waren. 

Am  17.  Januar  gegen  11  Uhr  kamen  wir  wieder  nach 
einem  Ort,  Ramecoida,  wo  es  wenigstens  Wein,  Brot  und 
Käse  wieder  gab;  hier  pausirten  wir  4'/ 2  Tage,  theils 
um  die  Maulthiere  an  Alhalfa  wieder  gut  zu  nähren,  theils 
um  sie  für  die  Cordilleren  wieder  beschlagen  zu  lassen, 
theils  um  uns  selbst  etwas  zu  erholen,  was  aber  ohne 
Bett  und  mit  Besuch  zollgrosser  Wanzen  geschah,  und 
uns  Führer  für  die  Cordilleren  zu  besorgen. 

Die  Prurt".  Bodenbender  und  Kurtz  wollen,  weil  über 
3000  m  anscheinend  noch  viel  Schnee  liegt,  erst  einen 
Abstecher  nach  Malargue  unternehmen,  woran  ich  aus 
Zeitmangel  —  denn  ich  muss  spätestens  im  März  die  hohe 
Pona  in  Bolivien  wegen  der  Schneestürme  überwunden 
haben  —  nicht  theilnehmen  kann,  sodass  ich  von  hieraus 
direct  mit  einem  eigenen  Führer  und  Pean  und  gemietiieter 
Tropa  (für  =b  240  Mark)  nach  Santiago  in  Chili  über  den 
3780  m  hohen  Paso  de  la  cruz  de  Piedra  gehe,  wo  ich 
in  zehn  Tagen  einzutreffen  hoffe. 

Es  erübrigt  mir  noch,  meinen  verbindlichen  Dank 
meinen  Reisegefährten  Professor  Bodenbender,  der  alle 
Schwierigkeiten  der  Reise  mit  liebenswürdiger  Geduld 
überwand,  und  Professor  Kurtz,  der  mir  auch  die  Pflanzen 
bestimmte,  zu  sagen.  (Fortsetzung  folgt.) 


Zur  Yerbreituiig-,  Biologie  und  Geschichte  von 
Hex  Aciuifoliuni  L.  —  In  den  Verhandlungen  des  West- 
fälischen Provinzialvereins  (Sect.  Botanik)  für  1891/92 
bringt  Dr.  West  ho  ff  interessante  Mittheilungen  über 
die  Stechpalme,  Hex  Aquifolium  L.  und  ihre  Verbreitung 
im  ]\Iünsterlande.  Es  werden  von  ihm  nicht  nur  einige 
durch  ihre  ausserordentliche  Grösse  hervorragende  Ilex- 
bäume  von  bis  6  liezw.  bis  9  Meter  Höhe  eingehender 
besprochen,  an  denen  die  bekannte  Thatsache,  dass  in 
den  oberen  Regionen  der  Krone  die  Stacheln  an  den 
Blättern  nur  in  geringem  Maasse  oder  endlich  gar  nicht 
mehr  zur  Ausl)ildung  gelangen,  sehr  schön  zu  beobachten 
war,  und  bei  denen  ausserdem  mit  der  zunehmenden  Ganz- 
randigkeit  eine  Verschmälerung  der  Blätter  bis  fast  zur 
linearen  Form  Hand  in  Hand  ging;  sondern  der  \\'rf. 
gelangt  zugleich  aus  der  genaueren  Untersuchung  der 
Standortsverhältnisse  und  Entwicklungsstadien  einzelner 
Exemplare  zu  einem  auch  in  cnlturhistorisclicr  Beziehung 
beachtenswerthen  Resultate.  Es  handelt  sicli  um  das  Laer- 
brok  in  der  Nähe  von  Münster,  einem  mitten  im  Ilochwalde 
gelegenen,  unbewaldeten,  halbkreisförinigen,  umwallten  Be- 


zirke von  etwa  200  m  Länge  und  150  m  Breite,  der, 
wie  urkundlicli  festgestellt  ist,  vom  Beginne  des  13.  bis 
zum  Ende  des  16.  Jahrhunderts  als  Vcrsannnlungsort  von 
den  aus  Geistlichkeit,  Adel  und  Städten  zusammen- 
kommenden Landtagen  benutzt  wurde.  Mit  dem  17.  Jahr- 
hundert, als  die  Landtage  nach  Münster  selbst  verlegt 
wurden,  gerieth  die  Stelle  in  Vergessenheit  und  erst  nach 
ungefähr  30  Jahren  gelang  es  in  dieser  Stätte  das  für 
das  Münsterland  historisch  ehedem  so  bedeutungsvolle 
Laerbrok  zu  coustatiren.  Etwa  um  1830  wurde  dasselbe 
getheilt  und  fiel  zwei  verschiedenen  Gemarkungen  zu. 
Seit  dieser  Zeit  wurde  die  Stelle  theils  aufgeforstet,  heils  in 
anderer  Weise  culti\irt.  Wie  sie  sich  dagegen  in  den 
200  Jahren  vor  diesem  Zeitpunkt  verhalten  hat,  ol)  sie 
bewaldet  war  oder  nicht,  darüber  feldt  jegliche  Kunde. 
Dies  lässt  sich  indessen  durch  die  Wachsthumsverliältnisse 
der  Stechpalme  auf  dem  Laerbroke  entscheiden.  Während 
sich  nämlich  in  dem  dasselbe  umgebenden  Hochwalde 
eine  so  üppige  Ilexvcgetation  findet,  das  stellenweise  neben 
der  Stechpalme,  welche  hier  oft  auch  l)eträchtliches 
Ilöhenwachsthum  zeigt,  kein  anderes  Unterholz  aufkommen 


16 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  2 


kann,  ist  diese  nur  etwa  6  m  weit  ans  den  anliegenden 
Waldpartien  über  die  Umwallung  auf  das  Laerbrok  vor- 
gedrungen. Je  grösser  die  Entfernung  von  dem  Walle 
ist,  desto  spärlicher  wird  der  Bestand.  Die  am  Rande 
des  Planums  wachsenden  Exemplare  sind  durchweg  frei 
wurzelnde,  aus  Samen  (der  im  anliegenden  Hocliwalde 
j-eichlich  erzeugt  wird)  hervorgegangene  Sprösslinge  von 
kaum  über  50  bis  60  Jahren,  jedoch  kein  alter  Wurzel- 
ausschlag. 

Dies  ist  also  einerseits  ein  Beleg  dafür,  dass  das 
Lacrln'ok  von  Alters  her  ))is  in  dieses  Jahrliundert  iiiuein 
unbewaldet  gewesen  sein  mu.ss,  andererseits  beweist  es, 
dass  die  Stechpalme  sich  nur  äusserst  langsam  weiter  zu 
verbreiten  vermag,  besonders  dort,  wo  sie  des  Wald- 
schutzes entbehrt.  Westhotf  giebt  sogar  an,  dass  die 
Pflanze  selbst,  wenn  ihr  der  nöthige  Schutz  gewährt  wird, 
auch  dann  sicli  nur  äusserst  schwer  ansiedele,  so  dass 
nach  seinen  Beobachtungen  in  seinem  Gebiete  „das  Fehlen 
von  Hex  im  Verein  mit  anderen  Anzeichen  sehr  gut  als 
ein  Kriterium  für  das  verhältnissmässig  jugendliche  Alter 
eines  Waldes  angenommen  werden  kann  und  umgekehrt, 
dass  mau  aus  einer  reichen  llex-Vegetation,  bezüglicli 
aus  zahlreichen  Resten,  welche  eine  Gegend  an  Hecken  etc. 
aufweist,  den  Schluss  ziehen  darf,  dass  diese  Gegenden 
einen  uralten  Wald  besitzen,  liezüglich  früher  besessen 
haben.''  Mit  Recht  sieht  Westhott'  den  Grund  für  diese 
geringe  Propagationsfähigkeit  in  dem  Mangel  an  frucht- 
erzeugenden Pflairzen.  Die  Zahl  der  fructificirendcn 
Exemplare  ist  gegenüber  der  der  im  Ganzen  vorhandenen 
eine  äusserst  geringe.  Dies  wiederum  ist,  wie  Westhoft' 
ebenfalls  richtig  betont,  eine  Folge  davon,  dass  die  Pflanze 
nur  erst  bei  einem  gewissen  Alter  nnd  einer  gewissen 
Höhe  anfängt,  Blüthen  nnd  Früchte  zu  erzeugen,  und  dass 
.sie  bei  der  heutigen  Forstcultur,  die  in  ihr  ein  mehr  lästi- 
ges als  nützliches  Holz  erblickt,  jenes  Entwicklungsstadium 
nur  schwer  erreichen  wird. 

Ich  wollte  nun  hier  noch  auf  eine  zweite  Thatsache 
aufmerksam  machen,  die,  wie  ich  glaube,  bei  dem  Mangel 
an  fruchterzeugenden  Exemplaren  nicht  minder  schwer 
ins  Gewicht  fällt.  Es  ist  dies  der  Dioecisnuis.  Hex  Aqui- 
folium  ist,  wie  die  ganze  Gattung,  streng  zweihäusig.  Alle 
anderen  Angaben  in  der  Litteratur  sind  falsch.*)  Es 
gelangen  zwar  in  den  weiblichen  P>lnthen  Staminodien 
zur  Ausbildung,  welche  an  Gestalt  den  Staubgefässen  der 
männlichen  Blüthen  sehr  ähnlich  sind;  dieselben  sind  aber 
stets  steril;  ebenso  der  Fruchtknoten  der  männlichen 
Blüthen,  in  welchem  niemals  Samenknospen  zur  Ausbil- 
dung gelangen  und  der  niemals  eine  Narbe  besitzt.  Das 
geübte  Auge  kann  sogar  schon  der  Knospe  ansehen,  ob 
sie  männlich  oder  weiblich  ist.  Unter  der  Voraussetzung 
also,  dass  durchschnittlich  dieselbe  Anzahl  männlicher  wie 
weiblicher  Stämme  erzeugt  wird,  würde  demnach  nur  die 
Hälfte  aller  bisznrBlütiiencntwicklung  gelangenden  Stämme 
Früchte  erzeugen  können.  Ob  jene  Voraussetzung  richtig 
ist,  darüber  fehlt  es  bisher  gänzlich  an  Beo)>achtungen, 
auch  mag  sich  die  Pflanze  in  den  einzelnen  Gebieten  ver- 
schieden verhalten.  Nach  dem  mir  vorliegenden  Herbar- 
material würde  das  männliche  Geschlecht  in  Bezug  auf 
die  Individuenzahl  überwiegen;  von  186  Exemplaren 
waren  81  S.  60  5  und  4.ö  ohne  Blüthen  resp.  Früchte 
(also  nnentsciiieden).  Dies  lässt  sich  aber  nicht  an  Her- 
bannaterial,  sondern  nur  in  der  Natur  selbst  entscheiden; 
nnd  es  würde  sich  daher  wohl  der  Mühe  lohnen,    in  den 


*)  Trotzdem  ich  bereits  in  meiner  Dissertation  diese  Verhält- 
nisse klar  gelegt  zu  haben  glaube  (vergi.  Verhdl.  d.  bot.  Ver.  d. 
Provinz  Brandenburg  XXXIII.  1891,  S.  12,  14,  18  ff.),  giebt  den- 
noch Kronfeld  in  seiner  Bearbeitung  der  Aquifoliaceae  in 
Englor  und  l^rantl,  die  natiirl.  Ptlanzenfam.  III.  .5.  S.  186  in 
der  Gattungsdiagnose  für  Ikx  „Bl.  polygam   od.   dioeciseh"   an. 


Gegenden,  wo  die  Hex  reicher  vertreten  ist,  auf  die.se 
Verhältnisse  zu  achten. 

Die  (5*  Blüthenstände  sind  durchweg  reicher  ver- 
zweigt nnd  reichblütliigcr  als  die  2,  wie  man  dies  ja 
auch  bei  andern  Familien  beobachtet  hat.  Es  verhält 
sich  in  der  Gattung  Hex  die  Zahl  der  Blüthen  eines 
9-Astes  zu  der  eines  die  gleiche  Zahl  blüthentragender 
Blattachseln  besitzenden  o -Astes  wenigstens  wie  1 :  3,  oft 
aber  wie  1  :  7  oder  1  :  15,  und  es  beträgt  somit  unter 
obiger  Voraussetzung  bei  der  Stechpalme  die  Zahl  der 
5-UIüthcn  höchstens  den  dritten  Theil  von  allen,  die 
überhaupt  zur  Entwicklung  gelangen. 

Endlich  sei  es  mir  noch  gestattet,  auf  einen  l'unkt 
der  Einleitung  von  Westhoff's  Arbeit  näher  einzugehen. 
Nach  der  herrschenden  Ansicht  soll  die  eigenthündiche 
Verbreitung  der  Stechpalme  in  Europa  auf  eine  Wande- 
rung nach  Norden,  längs  der  durch  die  Nähe  des  (iolf- 
stromes  ein  milderes  Klima  besitzenden  westlichen 
Meeresküste,  zurückzuführen  sein;  darauf  soll  sie  dann 
nach  Osten  soweit  vorgedrungen  sein,  wie  es  ihr  die 
Vegetationsverhältnisse  ermöglichten.  „Will  man  etwas 
auf  die  Funde  geben,  welche  hie  und  da  betreffs  fossiler 
Reste  viin  IJe.r  gemacht  worden  sind,  so  ist  die  Pflanze 
nach  Ablauf  der  Eiszeit  zu  uns  herübergekonmien."  Die 
Einwanderung  soll  erfolgt  sein  mit  der  Bildung  der  Wald- 
vegetation. Hiermit  stehen  die  Angaben  Nehrings  über 
die  interglacialen  Ilexfunde  von  Klinge  bei  Cottbus,  die 
in  dieser  Zeitschrift  l)ereits  öfters  besprochen  worden  sind, 
scheinbar  im  Widerspruch;  da  ans  demselben  hervorgeht, 
dass  Hex  A(|uifo]ium  ein  uralter  Bestandtheil  unserer 
Flora  sein  und  bereits  bei  Beginn  der  Diluvialzeit,  jeden- 
falls vor  Ablauf  der  sog.  (i\a,e\n]/)en'ocle  im  norddeutschen 
Tieflande  existirt  haben  muss.  Der  betreffende  Blattfuud 
stinnnt  in  seiner  Grösse.  Nervatur,  Berandung,  (irösse  der 
15lattstacheln  und  der  zwischen  ihnen  beflndlichen  Buchten 
auf  das  (Jenaueste  mit  einem  Stachelblatte  unserer  heute 
lebenden  Stechpahne  überein,  wie  ich  mich  durch  Autop- 
sie überzeugen  konnte.  Auf  den  genannten  Fund  würde 
ich  wenig  oder  gar  kein  Gewicht  legen,  wenn  nicht  in 
derselben  Schicht  auch  einige  Steinkerne  von  Hex  Aqui- 
tolium  gefunden  worden  wären,  deren  Zugehörigkeit  zu 
unserer  Art  ich  ebenfalls  nur  bestätigen  konnte.*) 

Aus  dieser  Thatsache  lassen  sich  mn-  zwei  Möglich- 
keiten folgern.  Entweder  ist  die  Pflanze  bereits  zur 
Tertiärzeit  im  norddeutschen  Tieflande  vertreten  gewesen, 
oder  sie  ist  während  der  bezw.  einer  Interglacialzeit 
nach  demselben  gewandert.  Welche  dieser  beiden  Mög- 
lichkeiten der  Wahrheit  entspricht,  muss  vor  der  Hand 
noch  unentschieden  bleiben. 

Was  nun  Westhoff's  Angabe  betrifft,  so  bezieht 
sich  sein  zu  uns  „herübergekommen",  wie  ich  einer 
nachträglichen  brieflichen  Mittheilung  entnehme,  nur  auf 
den  westlichen  Theil  des  norddeutschen  Tieflandes, 
welches  nur  eine  Vergletscherung  durchgemacht  haben 
soll,  so  dass  die  späteren  Vereisungen  des  östlich  der 
Elbe  gelegenen  Gebietes  und  die  Interglacialzeit  resp. 
Zeiten  in  Bezug  auf  den  irestlielien  Theil  schon  als  post- 
glacial  zu  bezeichnen  sind.  Es  ist  daher  sehr  wohl  mög- 
lieh, dass  die  für  das  Münsterland  //o.s^glaciale  Einwande- 
rung der  Hex  vor  dem  Absehliiss  der  G\nc\i\\qeri(/(le  er- 
folgt ist. 

Jedenfalls  ist  Englei-  vollkonnnen  im  Rechte,  wenn 
er  Hex  Aquifolium  mit  unter  den  Pflanzen  aufführt,  die 
bereits  vor  der  Glacialperiode  in  Europa  weiter  verbreitet 
gewesen  waren  (vergl.  Entwicklungsgeschichte  d.  Pfl.  I. 
S.  176  u.  177)  imd  es  ist  anzunehmen,    dass  die  Pflanze 


*)  Vergl.    die    Figur    10    auf   .S.  45-t    Bd.  VII    der  „Naturw. 
Wochenschr."  Ked. 


Nr.  2. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


17 


auch  im  norddeutschen  Tieflandc  fridier  eine  weitere 
Verbreitiuii::  besessen  hat  als  jetzt.  Ob  sie  sich  indessen 
während  des  Tertiärs  in  Europa  selbst  entwickelt  hat, 
was  deshalb  nicht  ganz  nnwahrsclieinlich  ist,  da  das 
Voriiandcnsein  der  Gattung  auf  uuscrni  ('ontinente  zu 
Anfan.i;-  dieser  Epoche  als  erwiesen  gelten  kann,  oder  ob 
sie  während  jener  Zeit  nach  P.uropa  eingcwanilcrt  ist, 
dürfte  schwer  zu  entscheiden  sein.       l»r.  Th.  Loesener. 


Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben. 

K.S  wurden  ernannt:  l'rivatdooent  Dr.  Karl  Gions  zum  Pro- 
fessor der  Philosophie  an  der  Universität  Giessen.  —  Der  Privat- 
docent  an  der  Berliner  Uuiversitiit  Eugen  Korselielt  zum 
ordentlieheu  I^rofessor  der  Zoologie  und  Dirertor  des  zoologi.schon 
Instituts  an  dar  Universität  Marburg.  —  I'rivatdocent  der  Sledicin 
Dr.  Adolf  l^aginsky  von  der  Berliner  Universität  zum  ausser- 
ordentlichen Professor.  —  Ausserordentli(dier  Professor  I>r.  Helm 
an  der  technis<dien  Hochscliule  in  Dresden  zum  ordentlichen  Pro- 
fessor der  Geometrie,  analytischen  iMi.ichanilc  un<l  mathematischen 
Physik.  —  Privatducent  Dr.  Bayer  zum  ausserortlentlicheu  Pro- 
fessor der  Chirurgie  an  der  deutschen  t^niversität  Prag.  —  I-'rivat- 
docent  Lachtin  an  der  Universität  Moskau  zum  stellvertretendi'n 
ausserordentlichen  IVofessor  (h'r  reinen  Mathematik  an  der  Uni- 
versität Dorpat. 

Es  habilitirten  sich:  Dr.  Groenouw  an  der  medic.  I*\icultät 
der  Universität  Breslau. —  Professor  Dr.  Simonkai  an  der  Uni- 
versität Budapest  für  Pflanzeugeographie. 

Dr.  Karl  Kiemann  ist  Assistent  an  der  mini'ralogischen 
Abtheilung  der  Universität  zu  Kiel  geworden. 

Es  ist  gestorben:  Hofrath  Professor  Stefan.  Director  des 
physikalischen  Instituts  in  Wien. 


L  i  1 1  e  r  a  t  u  r. 

Dr.  Theodor  Jaenscli,  Aus  Urdas  Born,  Schilderungen  und  Be- 
trachtungen im  Lichte  der  lieutigen  Leb(uisforscIiung.  Berlin, 
Verlag  des  Vereins  der  Bücherfreunde,  1892.  —  Pi-eis  5  Mk. 
Der  283  Seiten  starke  Band  ist  naturwissenschaftlichen  In- 
haltes —  es  ist  nöthig,  dies  ausdrücklich  zu  sagen,  da  der  Titel 
ein  so  merkwürdiger  ist,  dass  die  meisten  Leser  desselben  aus 
ihm  allein  nicht  auf  den  Inhalt  des  Buches  sehliessen  können. 
Auch  selbst  solche,  denen  deutsche  Mythologie  kein  fremdes  Feld 
ist,  müssten  sieh  er.st  überlegen,  was  wohl  „Aus  Urdas  Born" 
enthalten  könnte  —  am  häutigsten  dürfte  man  darauf  verfallen, 
dahinter  eine  altnordische  Sage  zu  vermuthen.  Die  einzelnen 
Kapitel  —  Tainienbaum;  Herbstlaub;  Vorr.ithskannnern  im 
Prtanzenrciclie;  Schaurohr -Forschung;  Lebendige  Wegweiser; 
Ameisenbäumi- ;  Zeugewechsel;  Lebensgemeinschaften;  Unsterb- 
lichkeit —  behandeln  mehr  oder  minder  allgemein  interessirende 
naturwissenschaftliche  Themata,  welche  dem  Leser  manches 
Wissenswerthe  bieten  —  zumal  wenn  er  sich  erst  an  die  Dar- 
stellung gewöhnt  hat  — ,  indessen  schon  in  anderen  populär- 
wissenschaftliehen Werken  verständlicher  und  umfassender  be- 
handelt worden  sind.  Eine  Merkwürdigkeit  des  Buches  ist  die 
denkbar  weitest  getrieljene  Verdeutschung  aller  nur  irgend  in 
dem  Gerüche  des  Nichtdeutschseins  stehenden,  sonst  aber  all- 
gemein bekannten  wissenschaftlichen  Ausdrücke.  Dass  hierdurch 
das  Verständniss  wesentlich  gefördert  würde,  kann  nicht  behauptet 
werden;  im  Gegentheil  wird  vieles  geradezu  —  nicht  leicht  ver- 
ständlich. Das  hat  der  Herr  Verfasser  denn  auch  selbst  ein- 
gesehen und,  des  Verständnisses  wegen,  hat  er  dort,  wo  es  ohne 
die  gräulichen  Fremdwörter  nicht  zu  machen  war,  dieselben, 
zwischen  üänsefiisschen  eingepfercht,  im  Texte  selbst  oder  als 
Anmerkungen  gebracht.  Trotz  dieser  eifrigen  Fremdwörterver- 
folgung ist  dem  Herrn  Verfasser  aber  gleich  in  seiner  einleitenden 
Sage  vom  Tannenbaum  das  Malheur  passirt,  ein  ganz  unver- 
fälschtes Fremdwort  zu  gebrauchen:  „Rings  um  ihn  standen 
Kameraden,  ältere  und  jüngere"  etc  Hätte  „Genossen"  nicht 
mindestens  ebenso  gut  geklungenV!  Auch  weiter  im  Werke 
macht  er  sich  derselben  Ketzerei  schuldig,  indem  er  von  „Ge- 
bilden der  Phantasie"  (S.  80),  „Krystalle"  (S.  !S1),  ,Ein  bo- 
tanisches Märchen'  (Inhaltsangabe),  „Phosphor",  „K  aliu  m", 
„Calcium",  „Magnesium"  (S.  37),  Teleskop,  Mikroskop" 
(S.  58  u.  a.J,  „Cordia  nodosa".  „Myrmek^od  ia"  (S.  113), 
„Siredon  pisciformis"  (.S.  124),  „Pro  tomonas,"  „V  ampy - 
rella"  (p.  25i!)  etc.  etc.  erzählt,  ohne  diese  Bösewicliter  durch 
die  bewachenden  Gänsefüsschen  von  den  guten  deuts(dien  Aus- 
drücken zu  scheiden.  —  Ob  als  Einleitung  zu  einem  naturwissen- 


schaftlichen Werke,  selbst  wenn  dasselbe  populär  gehalten  ist, 
ein  Märchen  passt,  lassen  wir  dahin  gestellt.  —  Der  Verfasser  be- 
tont in  der  Einleitung  zuweilen  Dinge,  die  ganz  selbstverständlich 
sind  z.  B.  S.  XIII:  „.  .  .  .  Doch  habe  ich  wenigstens  dafür  ge- 
sorgt, dass  einer  und  derselbe  Gegenstand  nie  mehr  als  an  einer 
Stelle  ausführlich  erörtert  worden  ist."  —  Welchen  Eindruck  das 
Folgende  auf  einen  niicditernen  Leser,  der  sich  über  naturwissen- 
schaftliche Dinge  unterrichten  will,  macht,  mag  jc^ler  an  sich 
prüfen:  „Zum  Schluss:  Ich  habe  deutsch  geschrieben.  Nicht  bloss 
als  Deutscher  und  für  deutsche  Leser,  sondern  auch,  weil  ich 
weiss,  dass  sich  für  Das,  was  im  Denken  wirklich  klar  geworden 
ist,  in  jeder  Spracdie  ein  triftiger  Ausdruck  finden  lässt."  Der 
Schlusssatz  der  Einleitung  lautet:  „Zudem  halte  ich  Einheit  des 
Stiles  in  der  Sprache  für  keine  mindere  Geschmacksforderung  denn 
in  der  Kunst."  Da  dürften  unsere  Klassiker  fortan  wirklich  zu 
bedauern  sein! 

Wie  sehr  der  Verfasser  dem  Laien,  für  welchen  doch  allein 
sein  Buch  berechnet  ist,  das  Verständniss  erschwert,  beweist  er 
bei  der  Besijrechung  der  Thätigkeit  des  Chlorophylls  —  besser 
Chlorophyllkörner.  Auf  Seite  :>  spricht  er  von  unzähligen  win- 
zigen Hei  fern  des  Baumes,  echten  Sonnenkindern,  die  überaus 
Heissig  sind,  aber  winzig  klein,  lieschreibt  höchst  poetisch  ihre 
Thätigkeit  und  ihr  Können  und  bricht  nach  beinahe  zwei  Siuten 
(S.  6  unten),  ohne  auch  nur  ihren  wirklichen  Namen  zu  verrathen, 
ganz  davon  ab.  Da  soll  nun  der  Laie  sich  belehren!  Eine  min- 
destens ungebräuchliche  Redewendung  dürfte  der  folgende  Satz 
enthalten  (S.  451):  „nur  sind  die  in  ihm  abgelagerton  Stotie 
schon  vor  der  Samenreife  gänzlich  in  die  Keimblätter  überge- 
gangen; als  welche  denn  auch  den  weitaus  mächtigsten  Tlieil 
des  Keimlings  darstellen".  Recht  stark  poetisch  klingt  auf  Seite  U) 
der  Satz:  ,,Es  würde  neues  Leben  sich  durchtiuthen  fühlen,  und 
wachsen,  und  schwellen"  etc.  —  Eigenthümlich  sind  auch  die  fol- 
genden Ausdrücke:  Der  Blüthenstaub  erhebt  sich  als  „leises 
Wölkchen"  (S.  9);  „verstorbene  Landschaft"  (S.  13);  „lebensbild- 
same Formen"  (S.  44);  „bei  ihrer  sonstigen  Eigiuing  für  den 
fraglichen  Zweck"  (S.  36);  „Schneidung"  (S.  62);  „Kai-,  kalk-, 
talkstotf-  u.  s.  w.  -haltige  Stoffe"  (S.  38).  Wie  Druckfehler,  welche 
der  Correctur  entschlüpft  sind,  lesen  sich  Wörter,  wie  „verstunden" 
(S.  12),  „gewohn"  (S.  13),  „Zerstörwerk"  (S.30),  „erfahrniässig"  (S.52). 
Dass  die  genauesten  Uebersetzungen  oft  recht  komisch  klingen, 
mindestens  aber  bisweilen  dem  Leser  schwerer  verständlich  sein 
können,  als  die  Fremdwörter  selbst,  beweisen  die  folgenden: 
„zwischenvolklich"  für  international;  „stofflieitliche"  für  <;hemi.sche 
Untersuchung;  „Ohnblüthler"  für  Kryptogamen ;  „barsichtig  und 
unbarsichtig"  für  nuxkroskopisch  und  mikroskopisch,  „Schlicht- 
gewebe" für  Parenchyni.  Die  Bezeichnung  „Keimlappen"  für 
Kotyledonen  ist  anti([uirt,  eine  bessere  Einsieht  sagt  Keimblätter. 

Dr.  Kaunhowen. 


Dr.    Fried.  Dreyer,    Ziele    und  Wege    biologischer    Forschung 

beleuchtet  an  der  Hand    einer   Gerüstbildungsmechanik.     Mit  G 

lithogr.   Tafeln.     Verlag  von  Gustav  Fischer  in  Jena.     1892.  — 

Ueber  den  interessanten  Inhalt  der  vorliegenden  Arbeit  wird 

der  Herr  Verfasser  in  einem  besonderen  Artikel  in  der  „Naturw. 

Wochenschr."   selbst   berichten;    wir    beschränken    uns    daher   an 

dieser  Stelle  mit  einer  Anzeige  des  Heftes. 


Prof.  Dr.  H.  F.  Kessler,  Die  Ausbreitung  der  Reblauskrank- 
heit in  Deutsehland  und  derc'n  l!ekäm]jfung  uuter  Benutzung 
von  amtliehen  Schriftstücken  beleuchtet.  Berlin,  Verlag  von 
R.  Friedländer  u.  Sohn,   1892.   -  Preis  80  Pf. 

Der  Verfasser  giebt  in  diesem  Schriftehen  nach  einer  Ein- 
leitung, welche  die  Entstehung  der  Furcht  vor  der  Reblaus  be- 
handelt, einen  historischen  Ueberblick  über  die  ursprünglichen 
Ansichten  über  die  Ausbreitung  der  Reblauskraukheit  in  Deutsch- 
land, beschreibt  dann  die  Eig-iMisehaften  der  Reblaus  sowie  die 
Vorgänge  bei  der  Ernährung  und  dem  Wachsthum  der  Rebe  und 
schildert  die  Ausbreitung  der  Reblaus  in  Deutschland.  Dem 
grössten  Theil  des  Schriftchens  sind  die  Darlegungen  zur  Abwehr 
des  Rebenfeindes  gewidmet.  Der  Verfasser  ist  ein  Gegner  der 
Verwüstungsarbeiten,  welche  seit  einem  Vierteljahrhundert  behufs 
Vertilgung  der  Reblaus  betrieben  werden.  Diese  haben  für  das 
Deutsehe  Reich  ungeheure  Geldkosten  verursacht  und  sind  für 
den  Weinbau  viel  schädlicher  als  nützlich  gewesen.  Thatsächlich 
ist  die  Reblausgefahr  in  Deutsehland,  zumal  am  Rhein,  nur  ge- 
ring. Der  inticirten  Stöcke  sind  wenige,  und  kerngesunde  Stöcke 
leiden  gar  nicht  trotz  der  Nachbarschaft  mehr  oder  weniger  be- 
fallenei-i  Die  bisherig<'n  Anschauungen  über  die  Bekämpfung  der 
Reblaus  müssen  sieh  ändern.  —  Das  Schriftchen  setzt  sich  haupt- 
sächlich aus  Berichten  von  Sachverständigen  zusammen.      Kolbe. 


18 


Naturwisseuschaftlicbe  Wochenschrift. 


Nv.  2. 


H.  von    Helmholtz.     Handbucli    der    physiologischen    Optik. 

Zweite  luiiniMrlioit'-'fe  Auri:ini>  —  Sii  beute  Liet'enmg.  Verlag 
von  Leopold  Voss.  Hamburg  und  Leipzig  18'J2.  Preis  3  Mk. 
Von  der  zweiten  Auflage  des  klassisehen  v.  Hehnholtz'sehen 
Handbuches  der  pliy.siologischen  Optik,  dessen  frühere  Lii-t'erungen 
einer  eingehenden  Besprechung  in  dieser  Zeitschrift  gewürdigt 
worden  sind,  ist  nunmehr  bereits  die  siebente  Lieferung  er- 
schienen, welche  die  SS  22,  23  und  zum  Theil  24  enthält.  §  22 
handelt  von  der  „Dauer  der  Lichtempfindung",  speciell  von  schnell 
wiederholten  Eindrücken,  von  den  Zeitbestinnnungen  der  Dauer, 
vom  Farbenkreisel,  dem  Anorthoskop  und  den  stroboskopischen 
Apparaten,  wobei  auch  die  jetzt  so  bekannten  und  beliebten 
Monientphotographien  von  Muybridge  und  Ansehiitz  Berücksich- 
tigung gefunden  haben.  In  §  23,  „Veränderungen  der  Reizbarkeit" 
betitelt,  werden  die  positiven,  negativen  und  farbigen  Nachbilder 
sowie  die  „flimmernden  Scheiben"  eingehend  untersucht;  neu  ist 
hier  insbesondere  die  Erörterung  des  zeitlichen  Verlaufes  eines 
durch  constante  Beleuchtung  erzeugton  Eindruckes  und  der  dies- 
bezüglichen Versuche  von  Exner.  §  24  endlieh  enthält  die  Lehre 
vom  successiven  und  simultanen  Contraste ;  in  der  Behandlung 
des  simultanen  Contrastes  bringt  die  zweite  Auflage  neben  viel- 
fachen Umarbi'itungen  und  zweckmässigen  Umstellungen  eben- 
falls manches  Neue  wie  z.  B.  den  auffallenden  Einfluss  schwächster 
Grenzlinien.  Dr.  G.  Wallenberg. 

Dr.  Josef  Maria  Eder,  Recepte  und  Tabellen  für  Photographie 
und  Repi'oductionstechnik,  welche  an  der  k.  k.  Lehr-  und 
Versuchsanstalt  für  Photographie  und  Keproductionsverfahren  in 
Wien  angewendet  werden.  3.  Aufl.  Verlag  von  Wilhelm  Knapp. 
Halle  a.  d.  S.  1892.  —  Preis  2  Mk. 

Wenn  es  möglich  war,  in  der  während  der  letzten  10  Jahre 
so  überreich  angewachsenen  Litteratur  auf  dem  Gebiete  der  Licht- 
bildnerei  und  verwandter  Zweige  noch  eine  Lücke  zu  entdecken, 
so  konnte  ihre  Ausfüllung  keine  berufenere  Hände  finden,  als  die 
des  bewährten  Autors. 

Das  vorliegende  Büchlein  bringt  in  gedrängter,  aber  sehr 
übersichtlicher  Form  alle  sonst  nur  in  umfangreichen  Werken 
zerstreuten,  ungemein  verständlich  geschriebenen  Angaben  über 
alle  möglichen  Verfahren  im  Belichtungs-,  Entwickelungs-  und 
Druckprozess  bis  herab  zum  Klebemittel,  wie  solche  an  der  k.  k. 
Lehr-  und  Vei-sucbsanstalt  für  Photographie  und  Keproductions- 
verfahren in  W^iei\  lur  Verwendung  gelangen,  und  wird  namentlich 
für  die  Anwendung  der  Photographie  auf  dem  weitverzweigten 
und  schwierigen  Gebiet  der  Wissenschaften  von  grossem  Nutzen 
sein.  Von  diesem  Gesichtspunkte  aus  dürften  auch  die  angefügten 
optischen  und  chemischen  Tabellen  in  manchen  Fällen  gute 
Dienste  leisten.  Pütz. 


A.  Palaz,  Traite  de  Photometrie  industrielle  specialement  ap- 
pliquee  ä  l'eclairage  electrique.     (ieorges  Carrc,  Paris  181)2. 

Der  Aufschwung  der  Beleuchtungsindustrie  und  der  Wett- 
kampf zwischen  den  verschiedenen  Beleuchtungsarten  haben  auch 
eine  Steigerung  der  Ansprüche  an  die  Photometrie  im  Gefolge 
gehabt,  welche  eine  wesentliche  Aenderung  bezw.  Verfeinerung 
der  photometrischen  Methoden  hervorgerufen  haben.  Die  Photo- 
metrie ist  durch  die  sehr  vielseitigen  Anstrengungen  zu  einem 
ungemein  wichtigen  Gebiet  geworden,  und  die  Kenutniss  der  ver- 
schiedenen Photometer  und  ihrer  Anwendung  ist  für  den  mit  der 
Installation  oder  der  Kontrolle  von  Beleuchtungsapparaten  beauf- 
tragten Ingenieur  ein   unabweisbares  Erforderniss. 

Speciell  für  die  photometrischeu  Aufgaben  bezw.  Apparate, 
welche  bei  elektrischen  Beleuchtungsanlagen  in  Betracht  kommen, 
besitzen  wir  in  Deutschland  das  kleine  W^erk  von  Krüss,  die 
elektrotechnische  Photometrie;  aber  dasselbe  ist  doch  bereits 
wesentlich  veraltet  (erschien  18S5),  und  über  die  ganz  erheblichen 
Fortschritte,  die  zahlreichen  Verbesserungen  und  die  feinen  neuen 
Methoden,  welche  die  Bestrebungen  der  letzten  Jahre  gezeitigt 
haben,  muss  der  Interessent  sieh  in  den  verschiedensten  Werken, 
Journalen  und  Gesellschaftssshriften  unterrichten,  während  er  doch 
eines  sicheren  und  zuverlässigen  Nachschlagewerkes  dringeml 
bedarf. 

Diesem  Bedürfniss  kommt  dass  der  Besprechung  unterliegende 
Werk  des  Herrn  Pahiz,  welcher  als  Professor  für  industrielle 
Elektricität  an  der  Universität  Lausanne   thätig  und  durch    seine 


Aufsätze  über  die  elektrotechnische  Photometrie  in  der  Zeitschrift 
„La  Lumiere  electrique"  bekannt  ist,  in  durchweg  befriedigender 
Weise  entgegen.  Es  unterliegt  keinem  Zweifel,  dass  dieses  Werk 
allen  denen,  die  sich  mit  den  schwii'rigeren  Fragen  des  Beleuch- 
tungswesens (nicht  nur  der  elektrischen  Beleuchtung)  zu  beschäf- 
tigen haben,  gute  Dienste  leisten  wird.  Die  Behandlung  des 
Stoft'es  ist  eine  durchaus  sacligemässo,  und  die  einzelnen  Kapitel 
sind  .sehr  vollständig.  Dass  dem  Werke  zahlreiche  Abbildungen 
beigegeben  sind,  ist  bei  der  Art  des  behandelten  Stottes  selbst- 
verständli(di;  ungemein  wichtig  und  sehr  nützlich  .sind  die  biblio- 
graphischen Angaben,  die  in  Form  von  Fussnoten  dem  Texte 
beigefügt  sind.  Kurz:  das  Werk  dürfti'  nach  allem  auch  in 
Deutschland  weite  A^erbreitung  finden.  Es  erscheint  uns  sogar 
wahrscheinlich,  dass  sich  das  Bedürfniss  nach  einer  deutschen 
Uebersetzung  oder  freieren  Bearbeitung   des  Palaz'schen  Werkes 


herausstellen  wird. 


G. 


Zeitschrift    für 
Heft  IV.    ~    Aussei 


Ethnologie.      24.    Jahrgang,    Berlin,    1892. 

vielen  kleineren  Mittlieilungen  bringt  das 
Heft  einen  Haupt- Artikel:  Dr.  S.  Weissenberg,  Beitrag  zur 
Anthropologie  der  Turkvölker,  Baschkiren  und  Meschtcherjaken 
(mit  einer  Tafel). 

Verhandlungen  des  Botanischen  Vereins  der  Provinz  Branden- 
burg. 33.  Jahrgang.  1891.  Berlin  1892.  —  Der  Band  enthält 
Beiträge  von  Abromeit,  Altmann,  Ascherson,  Bauni- 
gartuer,  Beyer,  Bolle,  Druce,  Geisenhoy ner,  Gurke, 
Hennings,  Jacobascii,  Koehne,  Ernst  H.  L.  Krause, 
G.  Lehmann,  Loesener,  Loew,  Magnus, 
Retzdorff,  Koedel,  Ruthe,  Scheppicli, 
Seemen,  Taubert,  J.  Winkelmann, 
Wittmack. 


Moewes,  Fax, 
S  e  e  h  a  u  s ,  von 
W  i  n  k  1  e  r      und 


8  M. 
Leipzig. 


Pinner,  A.,  Die  Imidoäther  und  ihre  Derivate.     Berlin. 
Rawitz,  B.,  Compendium  der  vergleichenden  Anatomie. 

b  M. 

Regel,  F.,  Thüringen.     I.     Jena.     9  M. 
Reis,  P.,   Elemente  der  Physik,   Meterologie  und  mathematischen 

tii'Ographie.     5.  Aufl.     Leipzig.     4,50  M. 
Reye,  Th.,  Geometrie  der  Lage.     3.  Aufl.     Leipzig.     9  M. 
Reyer.  E.,  Geologische  und  geographische  Experimente.    Leipzig. 

1,80  M. 
Rogel,  F.,  Zur  Theorie  der  höheren  Integrale.     Prag.     0,40  M. 
Rubner,  M.,   Lehrbuch   der  Hygiene.     4.  Aufl.     Wien.     22,50  M. 
Sachs,  J.,  Gesammelte  Abhandlungen   über  Pflanzen-Physiologie. 

Leijizig.     16  M. 
Schmaus,  H.,  Grundriss  der  pathologischen  Anatomie.    Wiesbaden. 

1-J  M. 
Schultze,  E.,  Amphibia  europaea.     Leipzig.     0,50  M. 
Schumann,  K.,  Morphologische  Studien.     Leipzig.     10  M. 
Spencer,   H.,     Svstem  der  synthetischen   Philosophie.     Stuttgart. 

S  M. 
Stevens,  H.   V.,   Materialien   zur  Kenntniss   der   wilden   Stämme 

auf  der  Halbinsel  Malaka.     Berlin.     10  M. 
Teixeira,    M    F.   G.,   Remarques   sur   l'emploi   de   la   fonction  (u) 

dans  la  theorie  des  fonctions  ellipti<|ues.  Prag.     0,10  M. 
Toula,  F.,  Zwei  neue  Säugethierfundorte  auf  der  Balkanhalbinsel. 

Leiiizig.     0,70  M. 
Weber's,  W.,  Werke.     Berlin.     34  M. 
Weinert.    H.,    Die    Grundbegriife    der    Chemie.      Braunschweig. 

(I..-10  M. 
Weismann,  A.,   Die  Continuität  des  Keimplasmas  als  Grundlage 

einer  Theorie  der  Vererbung.     2.   Aufl.     Jena.     2,50  M. 
WUser,  L.,   Die  Vererbung  der  geistigen  Eigenschaften.     Heidel- 
berg.    1   .M. 
Windisch,  K.,   Die   Bestimmung    des  Molekulargewichts  in    theo- 
retischer und  praktischer  Beziehung.     Berlin.     12  M. 
Wittwer,  W.  G.,  Grundzüge  der  Molecular-Physik  und  der  mathe- 

iuatis(dii-n  Chemie.     2.  Aufl.     Stuttgart.     6  M. 
Wundt,  W.,  Hypnotisnius  und  Suggestion.     Leipzig.     1,50  M. 
Zschokke,    E.,    Weitere    Untersuchungen    über    das    Verhältniss 

der  Knochenbildung  zur  Statik  und  Mechanik  des  Vertebraten- 

Skelettes.     Zürich.     8  M. 


Inhalt:  Dr.  Otto  Kuntze:  Botanische  Excur.sion  durch  die  Pampas  und  Monte-Formationen  nach  den  Conlilleren.  (Fortsetzung.) 
—  Zur  Verbreitung,  Biologie  und  Geschichte  von  Hex  Aquifolium  L.  —  Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben.  —  Litteratur: 
Dr.  Theodor  Jaensch:  Aus  Urdas  Born.  —  Dr.  Fried.  Dreyer:  Ziele  und  Wege  biologischer  Forschung.  —  Prof.  Dr. 
H.  F.  Kessler:  Die  Ausbreitung  der  Reblauskrankheit  in  Deutschland.  —  H.  von  Helmholtz:  Handbuch  der  physiologischen 
Optik.  —  Dr.  Josef  Maria  Eder:  Recepte  und  Tabellen  für  Photographie  und  Reproductionstechnik.  —  A.  Palaz:  Traite 
de  Photometrie  industrielle  specialement  appliquee  :i  Teclairage  electrique.  —  Zeitschrift  für  Ethnologie.  —  Verhandlungen  des 
Botanischen  Vereins  der  Provinz  Brandenburg.  —  Liste.  

Verantwortlicher  Redakteur:  Dr.  Henry  Potonie,  Berlin  N.  4.,  Invalidenstr.  40/41,  für  den  Inseratentheil:  Hugo  Bernstein  in  Berlin.  — 
Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12.  —  Druck:  G.  Bernstein.  Berlin  SW.  12. 


^^  Redaktion:  7         Dr.  H.  Potonie. 

Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12,  Zimmerstr.  94. 


VIII.  Band. 


Sonntiig,  den  15.  Januar  1898. 


Nr. 


3. 


Abonnement:  Man  abonnirt  bei  allen  liuchhandUingen  und  Post- 
anstalten,  wie  bei  der  Expedition.    Der  Vierteljahrspreis  ist  Jt  'i.— 
Bringegeld  bei  der  Post  15  -^j  extra. 


1^ 


Inserate:  Die  vicrgespaltene  Petitzeile  40  -A.    Grössere  Aufträge  ent- 

spiecheiulcn  Rabatt.  Beilagen  nach  Uebereinkunft.  Inseratenannalime 

bei  allen  Aunocenbureauj,  wie  bei  der  Expedition. 


Abdruck  ist  nnr  mit  vollständiger  ({nellenaii)j;abc  gestattet. 


Werner   von    Siemens. 


(t  6.  Dezember  1892.) 


Noch  kurz  vor  der  Jahreswende  hat   der   Tod  einen 
von   Deutschlands    grossen   Männern    abberufen.     Werner 
von  .Siemens,    der  Altmeister   der  Elektrotechnik,    hat  im 
fast  vollendeten  7G.  Lebens- 
jahr   nach    einem    an  Arbeit 
und   Erfolgen   gleich  reichen 
Leben  die    Augen  zum 


gen   Schlummer 


ewi- 
?eschlossen. 
Die  Nachwelt  kann  es  als 
eine  gnädige  Fügung  des 
Schicksals  betrachten,  dass 
sein  letztes  Werk  noch  seine 
Autobiographie  sein  durfte. 
Der  grosse  Forscher  ahnte 
freilich  nicht,  als  er  auf 
seiner  lauschigen  Villa  bei 
Harzburg  die  „Lebenserinue- 
rungcn"  schrieb,  dass  sie 
sein  Nekrolog  werden  sollten. 
Am  nördlichen  Abhänge 
des  Harzes  hausten  Siemens' 
Vorfahren  seit  dem  dreissig- 
Jährigcn  Krieg  als  eine  an- 
gesehene Familie.  Sein  Vater, 
ein  hochgebildeter  und  kluger 
Mann,  der  auf  der  alten 
Fürstenschule  zu  Ilfeld  und 
später  auf  der  Universität 
Göttingen  sich  ein  reiches 
Wissen  angeeignet  hatte,  war 
dem  von  den  Vätern  ererb- 
ten Beruf  eines  Landwirthes 

treu  geblieben.  Im  .Jahre  1816,  in  dem  ihm  am  13.  De- 
cember  sein  Sohn  Werner  geboren  wurde,  hatte  er  das 
Gut  Lenthe  bei  Hannover  gejiachtet.  Einige  Jalire  später 
aber  vertauschte  er  diesen  AVohnsitz  gegen  die  grossherzog- 
liche    Domaine    Menzendorf   im    Fürstcnthum    Katzeburg, 


weil  ihm  die  Verhältnisse  auf  Lenthe  unerträglich  wurden. 
Immerhin  lernte  Werner  trotz  seiner  Jugend  die  Zustände 
in   der   damaligen    „Königlich  grossbritannischen  Provinz 

Hannover"  kennen  und  viel- 
leicht verachten.  Einst  hatte 
sich  ein  Rudel  Hirsche  in 
Lenthe  auf  den  Gutshof  ver- 
irrt. Vater  Siemens,  wohlbe- 
kannt mit  den  strengen  Jagd- 
gesetzen, Hess  die  Thiere  in 
einen  Stall  treiben  und  sandte 
einen  Boten  mit  entsprechen- 
der Meldung  nach  Hannover. 
Sofort  erschien  auf  dem  Gut 
eine  grosse  Unter.^uchungs- 
kominission,  welche  die  wider 
ihren  Willen  vergewaltigten 
Hirsche  in  Freiheit  setzte  und 
den  alten  Siemens  ob  des  ver- 
übten Jagdfrevels  mit  einer 
hohen  Geldstrafe  belegte. 
Vorfälle  und  die 
der 
unter  den  Stürmen  der  fran- 
zösischen Revolution  aufge- 
wachsen war,  erweckten  fndi- 
zeitig  den  Wunsch  in  dem 
Knaben,  sein  deutsches  Vater- 
land einst  einig,  stark  und 
mächtig  zu  sehen  und  diesem 
Vaterlande  ein  tüchtiger  Sohn 
zu  werden. 
Die  Zeit  in  Menzendorf  preist  Siemens  als  die  glück- 
lichste seiner  Jugend.  Hier  durften  er  und  seine  Ge- 
schwister ungebunden  mit  den  Altersgenossen  aus  dem 
Dorfc  in  l'\'ld  um!  Wah 


Derartige 

Erzählungen  des  Vaters 


Freiheit  der  Kinderjahrc 


iiinherscinveifen  und  die  goldene 
so  recht  genicssen.     Diese  Frei- 


20 


Natui-wisseDsehaftliche  Wocbensclirift. 


Nr.  3. 


lieit  wurde  erst  eingescbi-äukt,  als  der  erste  Unterriebt 
begann,  der  zunäcbst  von  der  alten  Grossmutter  und  später 
ein  balbes  Jahr  laug  vom  Vater  ertbeilt  wurde.  Den 
elfjäbrigen  Werner  finden  wir  sodann  auf  der  Bürger- 
schule zu  Sebönherg  wieder,  die  er  jedoch  nur  kurze 
Zeit  besuchte.  Ostern  1828,  als  Werner  elf  und  ein  halbes 
Jahr  alt  war,  nahm  Vater  Siemens  seinen  Kindern  einen 
Hauslehrer.  Dieser  Mann,  Namens  Sponholz,  verstand  in 
vortrefflicher  Weise  auf  seine  Zöglinge  einzuwirken. 
„In  mir  erweckte  er",  so  schreibt  Simens  von  ihm,  „das 
nie  erloschene  Gefühl  der  Freude  au  nützlicher  Arbeit  und 
den  ehrgeizigen  Trieb,  sie  wirklich  zu  leisten."  Ein  früher 
Tod  setzte  dem  Wirken  Sponholz'  ein  Ziel.  Sein  Nach- 
folger, ein  alter  gedienter  Hauslehrer  aus  adeligen 
Famiben  vermochte  ihn  nicht  zu  ersetzen,  und  als  auch 
dieser  starb,  brachte  man  Werner  und  seinen  Bruder  auf 
das  Catbarineum  zu  Lübeck;  Werner  kam  nach  Uber- 
und  Hans  nach  Untertertia.  Der  Ruf  dieser  Schule  als 
gelehrte  Schule  war  damals  ein  ausgezeichneter,  aber 
gerade  die  alten  Sprachen,  die  den  wesentbchsten  Theil 
des  Unterrichts  ausmachten,  vermochten  Siemens  nicht 
zu  fesseln.  „Die  alten  Sprachen",  schreibt  er,  „fielen  mir 
recht  schwer,  weil  mir  die  schulgerechte  feste  Grundlage 
fehlte.  So  sehr  mich  das  Studium  der  Klassiker  auch 
interessirte  und  anregte,  so  sehr  war  mir  das  Erlernen 
der  grammatischen  Regeln,  bei  denen  es  nichts  zu  denken 
und  zu  erkennen  gab,  zuwider.  Ich  arbeitete  mich  zwar 
in  den  beiden  folgenden  Jahren  gewissenhaft  bis  zur 
Versetzung  nach  Prima  durch,  sah  aber  doch,  dass  ich 
im  Studium  der  alten  .Sprachen  keine  l'>efriedigung  finden 
würde".  Deshalb  vertauschte  er  das  (iriechische  gegen 
Mathematik  und  Feldniessen,  um  sich  in  geeigneter  Weise 
auf  das  Baufach,  das  einzige  technische  Fach  jener  Zeit, 
vorzubereiten.  1834  verliess  Siemens  als  Trimaner  das  Gym- 
nasium. Seinen  Wunsch,  die  Bauakademie  in  Berlin  zu 
beziehen,  musste  er  aus  Mangel  an  Mitteln  aufgeben; 
statt  dessen  beschloss  er  auf  den  Rath  eines  seiner  Lehrer, 
eines  ehemaligen  Artillerieoffiziers,  in  das  preussische 
Ingenieurcorps  einzutreten!,  in  der  Hoffnung,  sieh  dort 
dieselben  Kenntnisse  erwerben  zu  können  wie  auf  der 
Bauakademie. 

So  zog  denn  der  siebenzehnjährige  Jüngling  nach 
einem  schweren  Abschied  von  der  lleiniath  mit  froher 
Zuversiebt  und  ziemlieh  beschränkten  Mitteln  nach  Berlin, 
jedoch  nur  um  eine  abermalige  Enttäuschung  zu  erfahren. 
Das  Ingenieurcorps  war  überfüllt  und  die  Aussiebt  auf 
Aenderuug  dieser  Zustände  lag  in  weiter  Ferne.  Ein 
Versuch,  bei  der  nächstverwandten  Truppengattung,  der 
Artillerie,  anzukommen,  hatte  endlich  Erfolg.  Nach 
einer  dreimonatlichen  Vorbereitung  bestand  Siemens  die 
Eintrittsprüfung,  der  dann  unmittelbar  der  Eintritt  hei  der 
preussischen  Artillerie   in  Mageburg  folgte. 

Obwohl  die  Thätigkeit,  die  ihn  hier  erwartete,  herz- 
lieh wenig  gemein  liatte  mit  den  Idealen,  die  ihn  von 
der  Schulbank  nach  Berlin  gelockt  hatten,  warf  sich 
Siemens  doch  mit  der  ihm  eigenen  Energie  dem  neuen 
Beruf  in  die  Arme.  „Ich  denke",  so  sagt  er,  ..an  meine 
Rekrutenzeit  trotz  der  grossen  mit  ihr  verknüpften  An- 
strengungen, sowie  grober  und  scheinbar  harter  Behand- 
lung durch  die  Exerciermcister  n((ch  heute  mit  Vergnügen 
zurück.  Die  (irobheit  ist  Manier  und  ist  nicht  mit  krän- 
kender Absicht  verbunden.  Sie  geht  daher  auch  nicht 
zu  Herzen,  bat  im  Gegentheil  etwas  AuftVischendes  und 
Anregendes,  namentlich,  wenn  sie  mit  Humor  verknüpft 
ist,  wie  es  bei  den  berühmt  gewordenen  Mustern  militä- 
rischer Grobheit  fast  immer  der  Fall  war.  Ist  der  Dienst 
vorbei,  so  ist  die  Grobheit  vergessen  und  das  kamerad- 
schaftliche Gefühl  tritt  wieder  in  sein  Recht."   — 

Vermöge  seiner  hohen  tecbnischeu  Begabung,  deren  er 


sich  in  dieser  Zeit  allmählich  bewusst  wurde,  war  es 
Siemens  ein  Leichtes,  den  an  ihn  gestellten  Anforderungen 
zu  genügen.  Schon  das  folgende  Jahr  brachte  ihm  das 
beiss  ersehnte  dreijährige  Commando  zur  vereinigten  Ar- 
tillerie^ und  Ingenieurschule  in  Berlin.  Endlich  sollte  ihm 
nun  Gelegenheit  gegeben  werden,  „Nützliches  zu  lernen". 
Er  war  ein  eifriger  Schüler  und  bestand  in  diesen  Jahren 
glücklich,  wenn  auch  ohne  Auszeichnung,  das  Fähnrich-, 
das  Armeeofficier-  und  das  Artillerieofficicrexamen.  So 
viel  wie  möglich  aber  widmete  er  seine  Zeit  seinen 
drei  Lieblingsdisciplinen-,  Mathematik,  Physik  und  Chemie. 
Ohm,  Magnus  und  Erdmann  verstanden  es,  dem  jungen 
Mann  ein  reges  Interesse  für  ihre  Wissenschaften  einzu- 
flössen, ein  Interesse,  das  je  mehr  an  Alter,  desto  mehr  auch 
an  Intensität  zunahm.  Daneben  pflegte  er  einen  fröhlichen 
kameradschaftliehen  Verkehr  mit  Seinesgleichen,  und  dass 
es  nicht  an  manch  heitrer  Stunde  fehlte,  in  der  der  ju- 
gendliche üel)ernuith  übersprudelte,  bezeugen  die  Pauke- 
reien und  Duelle,    deren  Zahl   nicht   gerade    gering  war. 

In  seine  Garnison  Magdeburg  zurückgekehrt,  setzte 
der  nunmehrige  Artillerielieutenant  seine  wissenschaft- 
lich-technischen Studien  und  Versuche  fort.  Sein  Vetter, 
ein  hannoverscher  Artillerieofficier,  hatte  damals  die  ersten 
Versuche  mit  Frictionsschlagröbren  gemacht.  Siemens 
erkannte  die  Wichtigkeit  dieser  Frage  und  bescbbiss,  selbst 
an  der  Lösung  derselben  zu  arbeiten.  Der  ihm  zu  Ge- 
bote stehende  Apparat  war  freilich  primitivster  Art.  In 
einer  Pomadenkruke  rührte  er  mit  einem  Streichholz  einen 
Brei  von  Phosphor  mit  chlorsaurem  Kali  zusammen  und 
verwahrte,  als  ihn  der  Dienst  rief,  das  Ganze  am  kühlen 
Fenster.  Nach  Hause  zurückgekehrt  fand  er  die  gefähr- 
liche Mischung  zwar  noch  am  selben  Orte  vor,  beim  Be- 
rühren des  Streichholzes  aber  explodirtc  die  Masse  unter 
heftiger  Detonation.  Der  Boden  der  Kruke  sass  tief  im 
Fensterbrett,  während  alles  andere  als  feiner  Staub  im 
Zimmer  herumwirbelte.  Der  Bursche  hatte  beim  Auf- 
räumen des  Zimmers  die  Kruke  in  die  Ofenröhre  gesetzt 
und  dadurch  ein  mehrstündiges  Trocknen  des  Präparats 
verursacht.  Dem  kühnen  Experten  trug  dieser  Versuch 
eine  Quetschung  der  Hand  und  eine  Zerreissung  des  rechten 
Trommelfells  ein. 

Das  Jahr  1840  wurde  für  Siemens  ein  an  Ereignissen 
besonders  reiches.  Zunächst  brachte  es  ihm  die  Versetzung 
nach  Wittenberg,  wo  er  die  Leiden  und  Freuden  einer 
kleinen  Garnison  kennen  lernte.  Sodann  führte  es  ihn 
zurück  nach  Magdeburg,  das  heisst  nicht  in  die  Garnison, 
sondern  in  die  Citadelle,  und  zwar  zur  Verbüssung  einer 
fünfjährigen  Festungsstrafe  wegen  Tbeilnabme  als  Se- 
kundant an  einem  Duell.  Hier  hinter  den  vergitterten 
Fenstern  seiner  geräumigen  Zelle  hatte  er  Jlusse  genug 
für  seine  Forschungen.  Jacobi's  Erfindung,  das  Kupfer 
aus  seinen  Lösungen  durch  den  galvanischen  Strom  me- 
tallisch niederzuschlagen,  veranlasste  Siemens,  diesen 
Versuch  nachzumachen  und  nachdem  er  ihm  gelungen,  auch 
andere  ^letallhisungen  dem  galvanischen  Strom  zu  unter- 
werfen. Das  Resultat  dieser  Experimente  war  die  Erfin- 
dung der  galvanischen  Vergdidung  und  Versilberung. 
„Ich  glaube",  äussert  er  sich  hierüber,  „es  war  eine  der 
grössten  Freuden  meines  Lebens,  als  ein  neusilberner 
Tbcelöfl'el,  den  ich  mit  dem  Zinkpole  eines  Danieirschen 
Elements  verbunden  in  einen  nüt  unterscbwcfligsaurer 
Goldlösung  gefüllten  Becher  tauchte,  während  der  Kupfer- 
pol mit  einem  Louisdor  als  Anode  verbunden  war,  sich 
schon  in  wenigen  3Iinuten  in  einen  goldenen  Lötfei  \<nü 
schönsten,  reinsten  (4oldglanze  verwandebe." 

Vierzig  Louisdor,  um  welchen  Preis  ein  Magdeburger 
Juwelier  ihm  die  Erlaubniss,  nach  dem  Verfahren  zu  ar- 
beiten, allkaufte,  und  ein  jireussisches  Patent  auf  5  Jahre 
waren    die    nächsten    praktischen    Erfolge    für    Siemens. 


Nr. 


Nutufwipsensphaftliplie  Wocliensclirift. 


21 


Bald  darauf  wurde  er  be^'iiadigt  und  zur  Lustfeuorwerkerei 
nach  Spandau  kdimnandirt;  von  dort  zur  Artilleriewerk- 
statt in  Berlin. 

Die  pecuniäreu  Verbältnisse  des  jungen  Offiziers 
besserten  sieh  wesentlich,  als  es  ihm  gelang  sein  Patent 
für  galvanisciie  Versilberung  und  Vergoldung  an  die  Xeu- 
silbcrfabrik  von  J.  Henuiger  in  Berlin  zu  verkaufen,  und  zwar 
gegen  Gewinnantheil.  Als  erste  und  damals  einzige  Fabrik 
ihrer  Art  arbeitete  dieselbe  mit  vielem  Erfolg.  Inzwischen 
hatte  Wilhelm  Siemens,  Werners  jüngerer  Bruder,  den 
dieser  nach  der  Eltern  Tode  zum  tüchtigen  Maschinen- 
bauer hatte  ausbilden  lassen,  in  England  eine  neue 
Heimath  gefunden.  Beide  Brüder  wirkten  nun  ge- 
meinsam. Was  Werner  in  Deutschland  erfand,  verwer- 
thete  Wilhelm,  der  gewiegte  Geschäftsmann,  in  England. 
So  war  es  sein  Verdienst,  dass  das  Vergoldungspatent 
an  eine  englische  Concurrcnzfirma  für  l.")00  Pfund,  eine 
für  damalige  Zeiten  ungeheure  Summe,  veräussert  wurde. 

In  dieser  Zeit  trat  l)ci  Siemens  eine  Art  Rückschlag 
ein.  Das  Bestreben  durch  neue  Erfindungen  und  Verbes- 
serungen des  Vorhandenen  Erfolge  zu  erzielen,  hatte  eine 
rein  wissenschaftliche  Thätigkeit  fast  ganz  in  den  Hinter- 
grund gedrängt.  Siemens  erkannte  die  grosse  Gefahr,  die 
das  Jagen  nach  Erfindungi'n  für  ihn  mit  sich  brachte,  und 
beschloss  vollkommen  mit  der  alten  Thätigkeit  zu  brechen. 

Er  belegte  Oollegia  an  der  Universität  und  fand  nament- 
lich in  einem  Kreise  junger  Naturforscher,  deren  Namen 
heute  sämmtlich  mehr  oder  weniger  hochangeseheu  in  der 
Wissenschaft  dastehen,  ausserordentliche  Anregung.  Diese 
Männer  waren  du  Bois-Reymond,  Brüeke,  Hclmholtz, 
(Uausius,  Wiedemann,  Ludwig,  Beetz,  Knoblauch.  Mit 
ihnen  gründete  Siemens  in  jener  Zeit  die  Physikalische 
Gesellschaft. 

„Doch  die  Verhältnisse  waren  stärker  als  mein  Wille, 
und  der  mir  angeborene  Trieb ,  erworbene  wissenschaft- 
liche Kenntnisse  nicht  schlummern  zu  lassen,  sondern 
auch  möglichst  nützlich  anzuwenden,  führte  mich  doch 
immer  wieder  zur  Technik  zurück.  Und  so  ist  es  während 
meines  ganzen  Lebens  geblieben.  Meine  Liebe  gehörte 
stets  der  Wissenschaft  als  solcher,  während  meine 
Arbeiten  und  Leistungen  meist  auf  dem  Gebiete  der 
Technik  liegen." 

In  der  polytechnischen  Gesellschaft,  der  er  sieh  als 
junger  Offizier  eifrig  widmete,  fand  Siemens  Gelegenheit 
sein  Talent  für  die  Technik  zu  entfalten.  Die  L(isung  und 
Diseussion  der  im  Fragekasten  gestellten  Aufgaben  bil- 
dete bald  einen  Theil  seiner  regelmässigen  Thätigkeit 
und  war  für  ihn  eine  gute  Schule.  Durch  seine  Thätig- 
keit in  dieser  (Sesellschaft  gelangte  Siemens  zu  der 
Ueberzeugung,  dass  naturwissenschaftliche  Kenntnisse  und 
wissenschaftliehe  Forschungsmetliode  berufen  wären,  die 
Technik  zu  einer  damals  noch  garnicht  zu  übersehenden 
Leistungsfähigkeit  zu  entwickeln.  Er  erkannte  die  dringende 
Nothwendigkeit,  die  unüberbrückbare  Kluft,  die  damals 
noch  zwischen  Wissenschaft  und  Technik  herrschte  zu 
beseitigen. 

Dieser  hochwichtigen  Periode  entstammen  auch  die 
ersten  litterarischen  Arbeiten  von  Siemens.  Sie  zeigen 
zugleich,  welcher  Art  die  wissenschaftlich-technischen 
Fragen  waren,  die  ihn  damals  beschäftigten.  Es  sind 
dies  ein  Aufsatz  .über  die  Anwendung  der  erhitzten  I^uft 
als  Triebkraft"  und  ein  zweiter  „über  die  Anwendung 
des  elektrischen  Funkens  zur  (k'schwindigkeitsmessung." 
Zu  jener  Zeit  wurden  von  Leonhardt  im  Auftrage  des 
Generalstabs  Versuche  angestellt  über  die  Ersetzbarkeit 
der  optischen  Telegraphie  durch  elektrische.  Siemens' 
Interesse  für  elektrische  Experimente  fand  durch  Bethei- 
ligung an  diesen  Arbeiten  lebhafte  Anregung.  Die  Er- 
findung   der    selbstthätigen    Stromunterbrechnng  als  Ver- 


besserung des  Wheatstoneschen  Zeigertelegraphen  belohnte 
seine  Arbeiten.  Die  Ausführung  dieses  neuen  Zeigertele- 
graphen übertrug  Siemens  dem  jungen  Mechaniker  Halske, 
musste  ihn  aber  erst  durch  ein  paar  aus  Cigarrenkisten, 
Weissblech,  einigen  Eisenstückchen  und  etwas  isolirtem 
Kupferdiaht  hergestellte  selbstthätige  Telegraphen  von 
der  Brauchbarkeit  des  Apparates  überzeugen.  Die 
Sicherheit,  mit  der  diese  improvisirten  Telegraphen  zu- 
sammen gingen  und  standen,  begeisterte  Halske  der- 
maassen  für  das  neue  System,  dass  er  sich  bereit  erklärte, 
mit  Siemens  in  Verbindung  zu  treten  und  sich  ganz  der 
Telegraphie  zu  widmen. 

Siemens  erkannte  die  hohe  Bedeutung  der  Tele- 
graphie klar;  er  fühlte  sich  auch  in  dieser  neuen  Thätig- 
keit in  seinem  rechten  Fahrwasser  und  durfte,  ermuthigt 
durch  seinen  ersten  Erfolg,  hoffen,  sich  hier  einen  Lebeus- 
beruf  gründen  zu  können ,  der  ihn  zugleich  in  die  Lage 
versetzte,  seinen  Verpfiiehtungen  gegen  diej'üngeren  Brüder 
gerecht  zu  werden.  Mitten  in  diese  l'läne  hinein  traf  vn\ 
Ereigniss,  welches  ihn  unvermittelt  zwang,  seinem  Erfinder- 
geist ein  anderes  Gebiet  zu  eröffnen. 

Durch  Theilnahme  an  einer  Demonstration  für  den 
Fuhrer  der  freireligi(isen  Bewegung  in  Berlin,  den  Pastor 
Johannes  Ronge,  gegen  „Reaction  und  Muckerthum", 
drohte  Siemens  die  Aufhebung  seines  Commandos  in 
Berlin  und  Zurückversetzung  zu  seiner  Brigade.  Gerade 
diese  Maassregel  aber  durfte  jetzt  nicht  zur  Ausführung 
gelangen. 

„Da  fiel  mir  zum  Glück  die  Schiessbaumwolle  ein", 
erzählt  Siemens,  .,die  kurz  vorher  von  ProfesS(n-  Schön- 
l)ein  in  Basel  erfunden,  aber  noch  nicht  brauchbar  war. 
Es  schien  mir  unzweifelhaft,  dass  sie  sich  so  verbessern 
Hesse,  dass  sie  militärisch  anwendltar  würde.  Ich  ging 
daher  sogleich  zu  meinem  alten  Lehrer  Erdmann,  Pro- 
fessor der  Chemie  an  der  Kgl.  Thierarzneischule,  trug 
ihm  meine  Noth  vor  und  bat  ihn  um  die  Erlaultniss,  in 
seinem  Laboratorium  Versuche  mit  Schiessbaumwolle  an- 
stellen zu  dürfen.  Er  erlaubte  es  freundlich,  und  ich  ging 
ans  Werk.  Ich  hatte  die  Idee,  dass  man  durch  An- 
wendung stärkerer  Salpetersäure  und  durch  sorgfältigere 
Auswaschung  und  Neutralisirung  ein  besseres  und  weniger 
leicht  zersetzbarcs  Product  erzielen  kömne.  Alle  Versuche 
schlugen  aber  fehl,  obschon  ich  rauchende  Salpetersäure 
höichster  Concentration  verwendete;  es  entstand  immer  ein 
schmieriges,  leicht  wieder  zersetzbares  Product.  Als  mir 
die  hochconcentrirte  Salpetersäure  ausgegangen  war,  suchte 
ich  sie  einmal  bei  einer  Probe  durch  Zusatz  von  con- 
eentrirter  Scliwefelsäure  zu  verstärken  und  erhielt  zu  meiner 
Ueberraschung  eine  Sehicssbaumwolle  von  ganz  anderen 
Eigenschaften.  Sie  war  nach  der  Auswaschung  weiss  und 
fest  wie  die  unveränderte  Baumwolle  und  explodirte  sehr 
energisch.  Ich  war  glücklich,  machte  bis  spät  in  die 
Nacht  hinein  eine  ansehnliche  Quantität  solcher  Schiess- 
wolle und  legte  sie  in  den  Trockenofen  des  Laboratoriums. 
Als  ich  nach  kurzem  Schlafe  am  frühen  Morgen  wieder 
ins  Laboratorium  kam,  fand  ich  den  Professor  trauernd 
unter  Trümmern  in  der  Mitte  des  Zimmers  stehen.  Beim 
Heizen  des  Trockenofens  hatte  sich  die  Sehicssbaumwolle 
entzündet  und  den  Ofen  zerstört.  Ein  Blick  machte  mir 
dies  und  zugleich  das  vollständige  Gelingen  meiner  Ver- 
suche klar.  Der  Professor,  mit  dem  ich  in  meiner  Freude 
im  Zimmer  herumzutanzen  suchte,  schien  mich  anfangs 
für  geistig  gestört  zu  halten.  Es  kostete  mir  Mühe,  ihn 
zu  beruhigen  und  zur  schnellen  Wiederaufnahme  iler  \'er- 
suche  zu  bewegen.  Um  11  Uhr  Morgens  hatte  ich  schon 
ein  ansehnliches  Quantum  tadelloser  Sehicssbaumwolle 
wohlverpackt  und  schickte  es  mit  einem  dienstlichen  Schrei- 
ben direct  an  den  Krii'gsminister.  Der  Erfolg  war  glän- 
zend.   Der  Kriegsminister  hatte  in  seinem  grossen  (Tarten 


22 


Naturwisseuschaftliclie  Wochenschrift. 


Nr.  3. 


eine  Sehiessprobe  angestellt  und,  da  sie  brillant  ausfiel, 
sofort  die  Spitzen  des  Ministeriums  zu  einem  vollständigen 
Probescliiessen  mit  Pistolen  veranlasst.  Noch  an  demselben 
Tage  eriiielt  ich  eine  officielle  directe  Ordre  des  Kriegs- 
ministers,  mich  zur  Anstellung  von  Versuchen  in  grösserem 
Maassstabe  zur  Pulverfabrik  nach  Spandau  zu  begeben, 
die  bereits  angewiesen  sei,  mir  dazu  alle  Mittel  zur  Ver- 
fügung zu  stellen.  Es  ist  wohl  selten  eine  Eingabe  im 
Kriegsministerium  so  schnell  erledigt  worden.  Von  meiner 
Versetzung  war  keine  Rede  mehr.  Ich  war  bald  der  ein- 
zige von  meinen  Unglücksgefährten,  der  üerlin  noch  nicht 
hatte  verlassen  müssen. 

Ich  hatte  meinen  Bericht  über  meine  Versuche  in 
Spandau  schon  eingeschickt,  als  Professor  Otto  in  Braun- 
sehweig  meine  Methode  der  Darstellung  brauchbarer 
SchiesswoHe  neu  erfand  und  pubHeirte.  Meine  frühere 
Thatigkeit  in  der  Sache  und  mein  Bi'richt  an  das  Kriegs- 
ministerium blieben  natürlich  geheim,  und  Otto  gilt  daher 
mit  Recht  als  P^rfinder  der  brauchbaren  Schiessbaumwolle, 
da  er  die  Methode  ihrer  Herstellung  zuerst  veröftentlicht 
hat.     So  ist  es  mir  vielfach  ergangen."  — 

Nachdem  so  die  Gefahr  der  Versetzung  in  die  Gar- 
nison glücklich  beseitigt  war,  konnte  Siemens  sich  aufs 
Neue  ungestört  der  Telegraphie  widmen.  Er  sandte  an 
den  General  Oetzel,  den  Chef  der  unter  dem  Generalstabe 
stehenden  optischen  Telegraphen,  einen  Berieht  über  den 
damaligen  Stand  der  Telegraphie  und  die  zu  erwartenden 
Verbesserungen,  dessen  Folge  ein  Commando  zur  Dienst- 
leistung bei  der  Commission  des  Generalstabes  war, 
welche  die  Einführung  der  elektrisclien  Telegraphen  vor- 
bereiten sollte. 

In  jenen  Zeiten  hielt  man  ofHen  zu  Tage  liegende 
Telegraphenlinien  für  unmöglich,  weil  man  ihre  Zer- 
st(irung  durch  das  Publicum  befürchtete,  und  die  unter- 
irdischen Leitungen  wollten  nicht  in  der  gewünschten 
Weise  functioniren,  weil  es  an  einem  gei'igneten  Isolir- 
mittel fehlte.  Als  solches  fand  Siemens  die  Guttapercha 
sehr  geeignet,  ein  Material,  welches  damals  zuerst  auf 
dem  englischen  Markte  erschienen  und  Siemens  von  seinem 
Bruder  Wilhelm  als  Curiosität  zugeschickt  war.  Mit  Hülfe 
einer  eigens  dazu  construirten  Schraubenpresse  gelang  es 
ihm,  die  Guttapercha  oime  Naht  um  den  Kupferdraht  zu 
pressen,  und  im  Jahre  1847  wurde  die  erste  längere  unter- 
irdische Leitung  von  Berlin  bis  Grossbeeren  mit  derartig 
isolirten  Drähten  gelegt.  Im  selben  Jahre  gründete  Siemens 
mit  dem  Mechaniker  Halske  in  einem  Hinterhause  der 
Schönebergerstrasse  eine  Telegraphenbauanstalt,  aus  der 
das  weltbekannte  Etablissement  von  Siemens  und  Halske 
in  Berlin  mit  seinen  Zweiggeschäften  in  fast  allen  Haupt- 
städten Europas  entstanden  ist.  Als  offener  Theilhaber 
wollte  Siemens  in  das  Geschäft  erst  eintreten,  sobald  er 
seinen  Abschied  vom  Militär  hatte.  Dass  dieser  nicht  so 
schnell  zu  bewerkstelligen  war,  verschuldeten  die  Stürme 
des  Jahres  1848.  Der  18.  März  dieses  Jahres  machte  der 
Thatigkeit  der  Telegraphencommission  ein  jähes  Ende. 
Sie  hörte  auf  zu  arbeiten,  ohne  aufgelöst,  auch  nursuspendin-t 
zu  sein.  Siemens  war  nun  ohne  dienstliche  Thatigkeit  und 
durfte  doch  seinen  Abschied  nicht  nehmen,  da  ein  aus- 
wärtiger Krieg  unausbleiblich  schien. 

„Da  trat  wieder,  wie  so  oft  in  meinem  Leben'-,  sagt 
Siemens,  „ein  Ereigniss  ein,  das  mir  eine  neue  und  schliess- 
lich für  mich  günstige  Richtung  gab."  In  Schleswig- 
Holstein  war  der  Aufstand  gegen  Dänemark  ausgebrochen, 
und  der  Stadt  Kiel,  dem  Sitz  der  provisorischen  Regie- 
rung, drohte  von  dänischer  Seite  ein  Bombardement. 
Siemens  kam  auf  den  damals  vollkommen  neuen  Gedanken, 
den  Hafeneingang  durch  unterseeische  Minen  mit  elek- 
trischer Zündung  zu  vertheidigen.  Nachdem  von  Preussen 
der  Krieg  an  Dänemark  erklärt  war,    erhielt  er   die  Er- 


lanbniss  zur  Ausführung  seines  Planes.  Er  verankerte 
grosse,  wohlverpichte,  mit  Pulver  gefüllte  und  mit  Zündern 
versehene  Fässer  vor  dem  Hafen,  so  dass  sie  circa  20  Fuss 
unter  dem  ^leeresspiegel  schwebten.  Die  Zündleitungen 
wurden  nach  zwei  gedeckten  Punkten  am  Ufer  geführt 
und  der  Stromlauf  so  geschaltet,  dass  eine  Miiu^  explodiren 
musste,  wenn  an  beiden  Punkten  gleichzeitig  die  Oontacte 
für  ihre  Leitung  geschlossen  waren.  Für  jede  Mine  wurden 
an  den  i)eiden  Beobachtungsstellen  Riehtstäbe  aufgestellt 
und  die  Instruction  ertheilt,  dass  der  Contact  geschlossen 
wer<len  müsse,  wenn  ein  feindliches  Schiff'  sich  in  der 
Richtlinie  der  betreffenden  Stäbe  befinde,  und  so  lange 
geschlossen  bleiben  müsse,  bis  sich  das  Schiff'  wieder  voll- 
ständig ans  der  Richtlinie  entfernt  habe.  Der  Ei-folg 
war  grossartig.  Die  zufällige  Explosion  einer  Mine  vor 
der  Festung  Friedrichsort  flösste  den  Dänen  einen  so 
grossen  Respect  vor  den  Minen  ein,  dass  Kiel  trotz  seiner 
schwachen  Arniirung  in  beiden  dänischen  Feldzügen  un- 
belästigt  blieb. 

Siemens  beklagt  sich  mit  Recht,  dass  trotz  dieser 
viel  besprochenen  Erfolge  von  militärischen  Schriftstellern 
nicht  ihm,  sondern  dem  Proiessor  Jaeobi  in  Petersburg 
die  Erfindung  der  Unterseeminen  zugeschrieben  ist,  obwohl 
dessen  Versuche  bei  Kronstadt  viele  Jahre  später  ausge- 
führt wurden,  und  Jaeobi  selbst  weit  davon  entfernt  war, 
die  Erfindung  und  die  erste  Ausführung  im  Kriege  für 
sich  in  Anspruch  zu  nehmen. 

Mit  Beginn  der  Friedensunteihandlungen  kehrte 
Siemens  nach  Berlin  zurück,  um  seine  wissenschattlich- 
technisclien  Arbeiten  fortzusetzen.  Die  Telegraphen-Com- 
mission  war  inzwischen  auch  formell  aufgelöst,  und  die 
Telegraphie  dem  Handelsministerium  unterstellt.  Trotz 
der  wenig  verlockenden  Aussicht,  einen  Assessor  zum 
^'orgesetzten  zu  bekommen,  nahm  Siemens  ein  Kommando 
zur  Dienstleistung  beim  Handelsministerium  an.  Im  Herbst 
desselben  Jahres  wurde  die  erste  grössere  Telegraphen- 
linie nicht  nur  Deutsehlands,  sondern  ganz  Europas  in 
Angriff'  genummen  und  dank  der  Energie  Siemens'  schon 
im  Winter  1849  dem  Betrieb  übergeben.  Es  war  dies 
die  Linie  Berlin — Frankfurt  a.  M. ,  der  dann  liald  die 
Linie  Berlin— Köln  folgte  und  deren  Verlängerung  bis 
Verviers  in  Belgien.  Nach  Vollendung  dieser  Arbeiten 
besehloss  Siemens,  endgültig  aus  dem  Militär-  und  Staats- 
dienst auszuscheiden.  Nach  einer  vierzehnjährigen  Dienst- 
zeit erhielt  er  seinen  Abschied  als  Premierlieutenant,  obwohl 
er  bei  den  schlechten  Beförderungsverhältnissen  jener  Zeit 
erst  eben  über  die  Hälfte  des  Secondelieutenants  hinaus 
war.  Mit  seinem  Eintritt  in  die  Firma  begann  eine  Zeit 
äusserst  anstrengender  Thatigkeit.  Die  Eisenbahnverwal- 
tungen erkannten  den  grossen  praktischen  Nutzen  der 
Telegraphie,  und  entschlossen  sich  deshalb  eine  nach  der 
andern  zur  Legung  von  telegraphischen  Begleitlinieu.  Trotz- 
de4ii  fand  er  noch  Zeit  zu  litterarischen  Arbeiten;  so  erschien 
bereits  im  Anfang  des  Jahres  1850  eine  umfangreiche  Schrift 
„Memoire  sur  la  telegraphie  electrique",  in  der  Siemens 
seine  bis  dahin  gesammelten  Erfahrungen  zusammen fasste, 
und  auf  Grund  deren  er  von  der  Pariser  Akademie  der 
Wissenschaften  in  die  Savants  etrangers  aufgenommen 
wurde. 

In  der  nun  folgenden  Zeit  widmete  sich  Siemens  im 
Wesentlichen  dem  Auslande.  In  erster  Reihe  galt  es  in 
Russland  eine  Anzahl  grosser  Linien  zu  schaffen,  unter 
denen  namentlich  die  Linie  nach  Sebastopol,  zur  Zeit  des 
Krimkrieges  in  sechszehn  Wochen  hergestellt,  seine  ganze 
Thatkraft  in  Anspruch  nahm.  Es  darf  nicht  unerwähnt 
bleiben,  dass  sich  Siemens  im  Jahre  1852  auf  seiner 
ersten  Geschäftsreise  nach  Russland  in  Königsberg  mit 
Mathilde  Drumann  verlobte. 

Im  Jahre  1857  legte  er  sein  erstes  Tiefseekabel  von 


Nr.  3. 


Naturwissenschaftliclie  Wochensclii-ift. 


23 


Sardinien  nach  Bona  in  Algier.  Im  selben  Jalire  noch 
folgte  die  Linie  durch  das  Rothc  und  Indische  Meer  von 
Suez  bis  Kurratschi  in  Indien,  deren  Länge  von  3000 
Seemeilen  alles  bisher  Geleistote  übertraf.  Ein  für  diese 
Linie  construirtes  und  damals  7Aierst  verwandtes  System 
führt  noch  heute  den  Namen  „Rothes  Meersystem." 

Die  Zeit  nach  dem  östcrreichisciicn  Krieg  charaktc- 
risirt  Siemens  mit  folgenden  ^^'orten:  .,Magnetelectrischc 
Minenzünder,  electrisclic  Distanzmesser,  eleetrische  Scliiffs- 
steuerung,  um  mit  Sprengladung  ausgerüstete  Boote  olme 
Bemannung  feindlichen  Schificn  entgegenzusteuern,  sowie 
zahlreiche  Verbesserungen  der  Militärtclcgraphie,  waren 
Kinder  dieser  bewegten  Zeit.'"  Hierher  gehiirt  ferner  die 
dynamo-electrische  Maschine,  welche  „die  Grundlage  eines 
grossen  neuen  hidustriezweigcs  geworden  ist  und  fast  auf 
alle  Gebiete  der  Technik  belebend  und  umgestaltend  ein- 
gewirkt hat  und  noch  fortdauernd  einwirkt." 

Das  Jahr  1869  brachte  den  Plan  und  schon  das 
folgende  Jahr  die  Ausführung  der  ungeheuren,  über  zehn- 
tausend Kilometer  langen  indoeuropäischen  Linie,  auf  der 
noch  heute  London  und  Kalkutta  so  schnell  und  sicher 
mit    einander    s|)recben    wie   zwei  benachbarte  Stationen. 

In  den  Anfang  der  siebziger  Jahre  fällt  die  Legung 
des  ersten  atlantischen  Kabels  zwischen  Irland  und  den 
Vereinigten  Staaten.  Der  eigens  zu  diesem  Behufe  ge- 
baute Kabcldampfer  ..P"'araday"  löste  seine  Aufgabe  in 
zufriedenstellendster  \\'eisc,  obschon  es  nicht  an  kritischen 
Momenten  bei  der  Legung  des  Kabels  fehlte.  Eines 
Tages  erhielt  Siemens  die  Nachricht,  der  Earaday  sei 
zwischen  Eisbergen  zcrquetsclit  und  mit  Mann  und  Maus 
untergegangen.  Erst  einige  Tage  hinterher  erfuhr  er, 
dass  diese  Nachricht  unwahr  uml  nur  ein  Freundschafts- 
dienst seiner  Gegner  gewesen  war.  Jedenfalls  war  es 
eine  harte  Probe  für  seine  Selltstbehcrrschung,  unmittel- 
bar nach  dem  Em{)fang  dieser  Nachricht  in  der  Festsitzung 
der  Berliner  Akademie  der  Wissenschaften  seine  Antritts- 
rede halten  zu  müssen. 

üeber  diese  ehrenvolle  Auszeichnung,  die  vor  ihm 
noch  keinem  3Ianne  der  Technik  zu  Theil  wurde,  liörcn 
wir  ihn  am  besten  selbst: 


..Wie  mein  Freund  Du  Bois-Reynumd,  der  als  jiriisi- 
dircnder  ..Sekretarius"  der  .Akademie  meine  Antrittsrede 
beantwortete,  richtig  hervorhob,  gehörte  ich  nach  Bean- 
lagung  und  Neigung  in  weit  höherem  Maasse  der  Wissen- 
schaft als  der  Technik  an.  Naturwissenschaftliche  For- 
schung war  meine  erste,  meine  Jugendliebe,  und  sie  hat 
auch  Stand  geiialten  bis  in  das  hohe  Alter.  —  Daneben 
habe  ich  fieilicli  immer  den  Drang  gefühlt,  die  natur- 
wissenschaftlichen Errungenschaften  dem  praktischen 
Leben  nutzbar  zu  machen.  Ich  drückte  das  auch  in 
meiner  Antrittsrede  aus,  indem  ich  den  Satz  entwickelte, 
dass  die  Wissenschaft  nicht  ihrer  selbst  wegen  bestehe 
zur  Befriedigung  des  Wissensdranges  der  bcschräid^ten 
Zahl  ihrer  lickenner,  sondei-n  dass  ihre  Aufgabe  die  sei, 
den  Schatz  des  Wissens  und  Krmnens  des  Mcnsdien- 
gcschlechts  zu  vergr("pssern  und  dasselbe  dadurch  einer 
höheren  Kulturstufe  zuzuführen." 

lieber  die  umfassende  und  vielseitige  Thätigkcit  in 
seinem  Geschiiftslebcn,  sowie  über  seine  wissenschaft- 
lichen Arbeiten,  deren  Zahl  nach  der  .Vulnahme  in  die 
Akademie  der  Wissenschaften  lieträchtlich  wuchs,  kann 
leider  an  dieser  Stelle  nicht  ausführlich  berichtet  werden. 
Bis  ans  Ende  seines  wechselvollcn  Lebens  aber  war  Sie- 
mens ein  rühriger  Mitarbeiter  an  den  Aufgaben  der 
Gegenwart. 

..Ich  begann,"  so  schliesst  er  seine  Schilderungen, 
.,die  Niederschrift  meiner  Elrinnerungen  mit  dem  biblischen 
Ausspruche:  „Unser  Leben  währet  siebenzig  Jahre,  und 
wenn  es  hoch  kommt,  so  sind  es  achtzig  Jahre,"  und  ich 
denke,  sie  wird  gezeigt  haben,  dass  auch  der  Schluss 
des  Denkspruchs  „und  wenn  es  köstlich  gewesen  ist,  so 
ist  es  Mühe  und  Arbeit  gewesen,"  sich  an  mir  bewährt 
hat,  denn  mein  Leben  war  schön,  weil  es  wesentlich  er- 
folgreiche Mühe  und  nützliche  Arbeit  war,  und  wenn  ich 
der  Trauer  darüber  Ausdruck  gebe,  dass  es  seinem  Ende 
entgegengeht,  so  bewegt  mich  dazu  der  Schmerz,  dass 
ich  von  meinen  Lieben  scheiden  mu.ss  und  dass  es  mir 
nicht  \'ergöuut  ist,  au  der  vollen  Entwickelung  des 
naturwissenschaftlichen  Zeitalters  erfolgreich  weiter  zu 
arbeiten."  Dr.  H. 


Botanische  Exciirsion  durch  die  Pampas  und  Monte-Formationen  nach  den  Cordilleren. 


Von  Dr.  ( )  1 1  o  K  u  ii  t  z  e. 


(Fortsetzuiio- 

Ein  Andenübergang,  ausgenommen  der  von  Mendoza 
aus,  ist  noch  mit  so  viel  Schwierigkeiten  verbunden,  dass 
selbst  ein  so  erfahrener  Reisender,  wie  ich  es  wohl  l)in, 
mit  Stolz  auf  die  überwundene  Partie  zurückblicken  darf. 
Auch  der  von  Mendoza  ans,  bezw.  2  Eisenbahnstationen 
darüber  hinaus,  über  den  Upsallata  führende  Pass,  den 
man  jetzt  in  4  Tagen  unter  Benutzung  von  Naehtherbcrgen 
überschreitet,  gilt  den  Meisten  für  so  beschwerlich,  dass 
sie  es  vorziehen,  den  weiten  und  theuren  Weg  durch  die 
stürmische  Magelhaens-Strasse  mit  Dampfer  zurückzulegen, 
um  von  Argentinien  nach  Chile  zu  gelangen.  Denselben 
Weg  nimmt  auch  noch  die  Post  aus  Europa,  und  alle 
europäischen  Waaren  werden  noch  auf  dem  Seewege 
dorthin  transportirt. 

Man  muss  sich  der  Schwierigkeiten  einer  Cordilleren- 
passage  vollauf  bewusst  sein,  um  ihnen  vorzubeugen. 
Zunächst  ist  wegen  des  Schnees  meist  nur  in  den  Monaten 
December  bis  Juli  ein  Uebergang  nKiglich;  wenn  man 
aber  Gepäck  mitführt,  welches  kein  Wasser  verträgt  — 
wie  z.  B.  Pflanzenpapier  und  -Sammlungen  —  so  muss 
man  wegen  der  z.  Th.   i-echt   tiefen    und  reissenden  Ge- 


iml   Schluss.) 

birgspässe  warten  bis  Ende  Januar  oder  später,  bis  der 
Schnee  zum  grösseren  Theil  weggeschmolzen  ist. 

Der  U])sallata  Pass  ist  botanisch  am  meisten  bekannt 
und  interessirte  mich  also  am  wenigsten;  der  Cruz -Pass, 
unter  =t  34°  s.  Br.,  ist  zwar  von  Grüufeldt  explorirt  wm-den. 
aber  auf  seinen  4  Andenübergängeu  hat  Grüufeldt  zu- 
sammen nur  163  Pflanzenarten  gesammelt,  welche  Ascher- 
son  bearbeitete,  von  denen  iudess  nur  33  Arten  specifisch 
bestimmt  sind.  Dieser  Pass  war  also  botanisch  noch  viel- 
versprechend, und  ich  habe  auf  ihm  in  der  That  gegen 
oOO  Arten  innerhalb  8  Tagen  gesammelt.  Doch  kann  ich 
erst  später  nach  Rückkehr  in  Europa  ein  Verzeiclmiss  der 
Arten  ausarbeiten.  Auch  habe  ich  keineswegs  alle  Pflanzen- 
arten  gesammelt  und  die  Flora  gründlich  abgesucht, 
sondern  nur,  was  den  gegebenen  Umständen  nach  mög- 
lich war. 

Während  dieser  Reise  habe  ich  innerhalb  8  Tagen 
und  Nächten  kein  Unterkommen  gefunden  —  die  Erde 
oder  der  Felsen,  ndt  einer  Kuhhaut  bedeckt,  mit  den 
Plaids  und  Decken,  die  tagüber  dem  Reitthier  unter  und 
über  den  Sattel  gelegt  werden,  gepolstert,  war  das  Bett, 


24 


Natur  wissen  s  chaftlich  e  Wochenschrift. 


Nr.  3. 


das  Sternenzelt  unsere  Bedachung.  Ein  Zelt  hatte  ich 
zwar  mit,  aber  glücklicherweise  regnete  es  bis  auf  den 
vorletzten  Tag  nicht,  und  gegen  Wind  oder  Kälte  haben 
wir  das  Zelt  nicht  aufgeschlagen;  das  ist  viel  zu  um- 
ständlich und  zeitraubend.  Gegen  viel  Wind  nützt  es 
auch  nichts,  der  reisst  das  Zelt  um;  auch  war  meine 
Partie  von  starken  Winden  —  also  auch  von  Staubplage 
der  manchmal  vorherrschenden  vulkanischen  Asche  —  ver- 
schont, und  gegen  die  Xachttemperaturen  von  3 — 10°  im 
Gebirge  schützt  man  sich,  indem  man  doppelte  Kleidung, 
namentlich  trockene  wollene  Wäsche  Nachts  anzieht;  gute 
Dienste  haben  mir  wiederum  meine  leichten  Filzschuhe  ge- 
than,  wogegen  ich,  als  ich  einmal  mit  Stiefeln  schlief, 
diese  des  Nachts  noch  wegen  Kälte  wechseln  musste. 
Wenn  man  überdies  einen  grossen  Sack  mitführt,  in 
welchen  man  Nachts  die  eingekleideten  Füsse  steckt,  so 
wird  man  sich  auch  nicht  durch  Entblüssung  erkälten  und 
nach  des  Tages  Ueberanstrengung  sich  eines  festen 
Schlafes  erfreuen.  Wenigstens  mir  ist  es  so  ergangen, 
während  meine  beiden  Führer  sich  oft  des  Nachts  am 
Lagerfeuer  aufhielten. 

Der  Wind  ist  aber  oft  recJit  störend  beim  PÜauzen- 
einlegen,  das  trotzdem  bei  mittlerem  Wind  fertig  zu  brin- 
gen, ist  ein  Kunststück,  das  man  mit  viel  Geduld  hier 
lernen  kann;  die  leeren  Bogen  sowohl  als  die  mit 
Pflanzen  versehenen  unil  zu  versehenden  müssen  mit 
Steinen  belastet  werden,  und  die  Packcte  dürfen  nicht 
hoch  werden,  ehe  sie  in  die  Drahtprcsse  koumien,  sonst 
wirft  sie  der  ^\'ind  doch  um  und  zerstreut  sie  sammt  In- 
halt in  alle  Richtungen.  Freund  Kurtz  war  schon  in 
Ramacaida  das  Unglück  passirt,  dass  ein  20  cm  hohes 
Packet  vorher  getrockneter  und  registrirter  Pflanzen  trotz 
Steinltelastung  vom  Wind  zerstreut  wurde,  und  mir  hat 
der  Wind  eine  Beschwerung  von  2  Kilo  vom  Packet,  in 
dem  er  sich  wohl  gefangen  hatte,  weggetrieben;  bei  diesem 
Wind  habe  ich  eines  Nachmittags  gegen  GO  Arten  frisch 
eingelegt!  Das  Botanisiren  vom  Rcittbier  herab,  wie  es 
vorläufig  auf  einer  solchen  Partie  nur  möglich  ist,  hat 
überhaui)t  mancherlei  Beschwerden.  Wegen  jeder  Pflanze 
muss  man  vom  Maulthier  absjiringen  oder  einen  Führer 
abspringen  lassen;  in  eine  Botanisirtroninicl.  die  ich  weder 
mithatte,  noch  beim  Reiten  verwendbar  ist,  kann  man  die 
Ernte  unterwegs  nicht  stecken;  die  Drahtpresse  steckt  im 
Koffer  und  ist  auch  nicht  beim  Reiten  transportirbar.  Es 
wird  alles  einfach  in  einen  Reit«ack  (Alforga)  am  Sattel 
hinten  geschoben  und  erst  beim  Halten  der  Tropa  am 
Abend  oder  Mittag  sauber  in  Papier  gelegt.  Dauert  ein 
Ritt  etwa  5  Stunden,  so  müssen  die  Pflanzen  angefeuchtet 
werden,  und  beim  Einlegen  am  Lagerplatz  geht  nun  erst 
das  Sortiren  der  oft  etwas  beschädigten  Pflanzen  an  — 
wenn  es  der  Wind  erlaubt.  Von  Ausgraben  der  Wurzeln 
kann  fast  nicht  die  Rede  sein,  trotzdem  ich  einen  hand- 
festen Ascherson'schen  Spatel  ndthabe.  Die  Wurzeln, 
Knollen,  Zwiebeln  stecken  so  tief  meist  in  dem  aus  Sehotter- 
und vulkanischer  Asche  oder  Lehm  aufgebauten  Boden, 
dass  man  eine  starke  Radehacke  braucht,  um  nach  langer 
Zeit  erst  seinen  Zweck  zu  erreichen.  Ich  hätte  gern 
einige  sehönblühende  Pflanzen  auf  ihre  Wurzeln  geprüft, 
ob  sie  etwa  zum  Transport  nach  Deutschland  geeignet 
seien;  aber  diese  Versuche  waren  stets  erfolglos.  Da  jetzt 
über  2000  m  in  den  Anden  Frühlingsflora  herrseht,  waren 
auch  fast  keine  Sämereien  reif,  und  später,  erzählt  mir 
der  Übergärtner  des  botanischen  Gartens  in  Santiago, 
Chile,  sind  die  Samen  sparsam  zu  finden,  weil  die  Vieh- 
heerden  aus  dem  Tiefland,  wo  Dürre  herrscht,  ins  Ge- 
birge getrieben  werden  und  bis  an  den  Schnee  hin  alles 
abweiden,  was  nicht  stark  dornig  ist. 

Zum    ausgiebigen  Botanisiren    in   jenen  Höhen,  also 
von  1.500  m  bis  3500  m  —  ich  bin  zwar  bis  3780  m  ge- 


kommen, aber  über  3200  m  hört  fast  die  Vegetation  auf 
—  gehört  Zeit,  viel  Zeit,  jedes  Seitenthal,  jeder  aus 
Schneefeldern  hcrabrinnende  Bach  hat  au  seinen  Ufern 
oft  andere  Arten,  aber  man  ist  von  den  Maulthieren 
wegen  der  seltenen  Weideplätze,  eombinirt  mit  Wasser- 
und  Feuerholzbedarf,  so  abhängig,  dass  man  meist  sehr 
lange  Touren  relativ  schnell  zurücklegen  muss.  Ich  hatte 
die  weite  Reise  von  Ramacaido  bis  Santiago  mit  den 
Führern  in  ±  10  Tagen  accordirt:  es  sind  dies  in  der 
directen  Luftlinie  etwa  300  km,  infolge  der  Umwege,  des 
häufigen  Bergauf-  und  Absteigens,  wie  das  auf  der  chi- 
lenischen Seite  längs  des  im  engen  Thale  des  Rio  Mairo 
oft  nöthig  ist,  vielleicht  500  km,  also  mindestens  50  km 
pro  Tag.  Mein  Führer  eilte  noch  dazu,  um  mich  mög- 
lichst schnell  in  .Santiago  „abzuliefern";  aber  ich  hatte 
bedungen,  dass  immer  einer  der  zwei  Führer  zu  meiner 
Verfügung  behufs  Pflanzensamnieln  sei,  und  habe  es  mit 
etwas  Grobheit  wenigstens  durchgesetzt,  dass  die  Tour 
nicht  'in  7  Tagen,  sondern  in  neun  erledigt  wurde.  Da  es 
keinen  Weg  und  Steg  giebt,  bloss  in  Chile  bei  ±  1600  m 
fanden  sich  einige  Brücken  und  tiefer  auch  Strassen,  da 
man  sich  auch  wegen  der  Weideplätze  auf  die  I-"'ührer 
verlassen  nmss,  so  ist  man  von  ihnen  abhängig.  Wenn 
man  aber  für  dieselbe  Partie  doppelt  so  viel  Zeit  ver- 
wenden wollte,  würde  man  gewiss  auch  durch  eine  doppelt 
reichere  Pflanzenernte  erfreut  werden. 

Einer  diT  Führer  sollte  zwar  innner  zu  meiner  Ver- 
fügung sein,  um  vom  Jlaulthier  abzusiiringen  und  Pflanzen 
zu  sammeln;  sie  zeigten  meist  auch  den  guten  Willen 
dazu,  aber  wir  hatten  anstatt  eines  Reservethieres  vier 
leergehende  Maulthiere,  welche  in  Chile,  wo  sie  viel 
besser  bezahlt  werden,  von  Don  Ramon  Mercado,  so  heisst 
mein  Führer,  verkauti  werden  sollten.  Während  nun  der 
Paon  Don  Lorenzo  meist  die  Madrina  am  Zügel  leiten 
nnisste,  da  der  Saumpfad  oft  gar  nicht  zu  erkennen  war, 
hatte  der  andere  zugleich  noch  die  zwei  Packthiere  und  die 
vier  freien  Mulen  zu  treiben  und  auf  den  richtigen  Weg 
zu  weisen,  falls  sie  grasend  davon  abwichen,  oder  gar 
gefährliche  Pfade  einschlugen:  z.  B.  auf  unsichere,  unter- 
höhlte Schneehrücken  liefen  etc.  Ausserdem  raussten  die 
Packthiere  von  Zeit  zu  Zeit  auf  richtige  Ladung  und 
gleichwiegende  Belastung  geprüft  und  deren  Schnürung 
fester  gezogen  werden;  denn  davon  hängt  es  hauptsäch- 
lich ab,  dass  die  Thiere  nicht  an  gefährlichen  Stellen 
abstürzen.  Das  Treiben  der  Thiere  von  dem  bald  berg- 
auf, bald  bergab  auf  den  Halden  galoppirenden  Führer 
ist  zwar  wegen  der  verwegenen  Ritte  interessant  anzu- 
sehen, aber  es  beraubte  mich  des  Pflanzensammlers,  der 
behende  und  öfter  als  ich  vom  Reitthier  springt.  Manch- 
mal, besonders  bergab,  waren  die  Pfade  so  miserabel,  dass 
wir  es  alle  vorzogen,  zu  gehen,  und  die  Thiere  bis  auf 
die  Lastthiere  leer  gehen  zu  lassen;  einmal  aber  auf  dem 
Malpaso  musste  auch  die  Ladung  dieser  Thiere  getheilt 
werden,  um  einen  etwa  300  m  hohen  steilen  Abhang  zu 
erklimmen,  wo  man  bloss  in  Lavaasche  im  Zickzack  hin- 
aufklimmen  konnte.  Ein  ander  Mal  hatten  wir  einen 
kaum  bemerkbaren  Pfad  längs  eines  steilen  Abhanges 
eingeschlagen,  als  die  Madrina  zurückgeführt  werden 
musste,  um  die  verlaufenen  leergehenden  Maulthiere  durch 
das  Klingeln  der  Madrina  wieder  auf  den  richtigen  Weg 
zu  lenken.  War  es  an  sich  schon  bedenklich  auf  diesem 
Pfad,  der  kaum  Platz  für  ein  Thier  bot,  zu  reiten,  so 
musste  also  nun  die  Madrina  an  meinem  Thier  vorüber- 
geführt werden,  dann  kehrte  auch  mein  Thier  um,  damit 
es  der  Madrine  folge;  es  währe  Wahnsinn,  sein  Maulthier 
an  gefährlichen  Stellen  zu  einem  andern  Weg  zwingen  zu 
wollen.  Man  thut  am  besten  sich  dem  sichergehenden  Maul- 
thier au  gefährlichen  Stellen  ganz  anzuvertrauen,  und  hat 
nur  den  Zügel  fest  anzuziehen,  falls  es  etwa  ins  Knie  fällt. 


Nr.  3, 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


25 


Nur  wenn  ein  Maulthier  die  Bladrina  ausser  Gesicht 
und  Gehör  hekonimeu  hat,  wird  es  unruhig  und  unver- 
ständig; dann  fängt  es  an  zu  rennen,  bis  es  die  Madrina 
wieder  sielit  und  hurt,  mögen  die  Wege  noch  so  selilecht 
oder  gcfäiirlieh  sein.  Auf  ebenem  Terrain  lässt  sich  dann 
die  Mule  durch  Alisteigen  und  lleruntcrnchnicn  des  Zügels 
noch  anhalten,  aber  das  Hotanisiren  wird  dann  ungemüth- 
lich,  besonders  wenn  der  Weg,  wie  so  oft,  an  steilen  Ab- 
hängen und  Abgründen  dahin  führt. 

Je  länger  sich  eine  Cordillcrenrcisc  ausdehnt,  um  so 
mehr  hat  man  auch  Bedacht  darauf  zu  nehmen,  nicht 
bloss,  dass  niari  Proviant  etc.  mitnimmt,  denn  unterwegs 
findet  man  absolut  nichts  zu  kaufen,  snuderu  auch  dass 
man  genügend  PÜauzenpapier  in  wasserdichten  Koft'ern, 
die  zur  Maultbierladung  passen  müssen,  mitführt.  Meine 
Cordobaser  Eei.segefährten  durch  die  Pampas  hatten  mir 
dazu  ein  Paar  noch  eine  Reise  aushalti'ndc  b(ili\ianische 
Koffer  —  Petacas  —  aus  ungegcrbtem  Leder  zur  Verfügung 
gestellt.  Das  Papier  muss  fleissig  au  der  Luft,  im  Sonnen- 
schein oder  am  Herdfeuer  in  kleinen  Packeten  getrocknet 
werden,  nachdem  es  von  den  vielen  Püanzen  durchfeuchtet 
ward.  Mein  Papier  njit  Pflanzen  bildete  zuletzt  eine  volle 
Maulthierlast;  Zelt,  Handkoft'er,  Kleidersaek  und  Proviant 
die  andere  Maulthierlast. 

Zum  Proviant  hatten  wir  diesmal  frischen  Argentiner 
Käse,  der  ähnlich  dem  Schweizerkäse,  nur  weich  ist,  mit- 
genommen, der  uns  unterwegs  recht  behagte  und  den 
ersten  Hunger  stillte,  nachdem  abgesattelt  war,  ehe  Asado 
oder  Lopa  fertig  wurde.  Früh  morgens  nahm  und  gab 
ich  jetzt  Choeolade,  sodass  wir  bloss  Abends  und  Mittags 
Mate  tranken.  Meinen  Führern  getiel  die  hier  theure 
Choeolade  auch,  und  als  ich  eines  Abends,  übermüdet, 
vergessen  hatte,  die  Portionen  herauszugeben,  weckten 
mich  andern  Morgens  vor  Sonnenaufgang  die  Leute  mit 
der  naiv  höflichen  Fi'age,  ob  ich  Mate  oder  Choeolade 
wünsche.  Auch  mit  Brod  waren  wir  diesmal  ausreichend 
versehen,  dabei  eine  Sorte  Zuckerbrod,  welches  nicht  hart 
wurde. 

Zu  den  nothwendigen  und  angenehmen  Erfordernissen 
einer  solchen  Reise  seien  noch  erwähnt:  Salycylvaseline, 
um  die  bei  trockener,  dünner  bezw.  warmer  Luft  auf- 
springende Haut  des  Gesichtes,  der  Lippen,  Ohren,  Hände 
geschmeidig  zu  erhalten.  Eine  Feldflasche  mit  ansitzen- 
dem Becher,  die  genau  in  die  Rocktasche  passt,  damit 
sie  beim  Reiten  nicht  herausfällt.  Auch  die  übrigen 
Taschen  der  bei  der  Hitze  nöthigen  Kleidung  müssen  so 
beschaffen  sein,  dass  beim  Auf-  und  Absteigen  vom  Reit- 
thier  nichts  herausfällt,  also  tief  und  oben  etwas  verengt. 
x\.m  Sattel  vorn  sind  grosse  Satteltaschen  mithig,  ilie  man 
von  Eurojia  mitbringt,  da  man  sie  hier  nicht  tindct,  und 
zwar  für  Barometer  und  nöthigste  Bücher.  Die  Sättel 
sind  sonst  hier  gut  und  praktischer  als  drüben;  die  be- 
schuhten Steigbügel  schützen  gegen  Hitze,  Kälte,  Dornen, 
Steine  und  sitzen  auch  besser;  unter  und  über  dem  Sattel 
werden  Decken  und  Felle  verwendet,  die  Nachts  als 
Lager  dienen.  Bindfaden,  Branntwein,  Streichh(ilzer, 
Mate  (Ycrba)  nebst  Zucker  und  dazu  gehöriger  Bondjilla 
und  Tasse,  ein  Blechtopf,  den  Schüsselteller,  die  nn'talk'nen 
Wasserkoehcr  wird  Niemand  vergessen  dürfen.  Ein  eiser- 
ner Bratspiess  ist  gut  mitzunehmen,  ward  aber  von  meinen 
Leuten  durch  einen  hölzernen  von  einer  Patagonium- 
(Adesmia-)  Art  ersetzt.  Man  nehme  auch  ein  seidenes 
Tuch  und  sogenannte  Sicherheitsnadeln  mit,  um  das  Tuch 
bei  Hitze  und  gegen  Sonnenbrand  lose  um  Iliutcrluuqit 
und  Hals  zu  befestigen,  indem  man  zwei  Zipfel  fest- 
steckt, einen  unter  den  Hut  schiebt,  einen  auf  den  Rücken 
fallen  lässt.  Das  Umbin<leu  schützt  nicht  genug  und  ver- 
ursacht Schweiss. 

Da    ich    die  Cordillerenreise  nicht  ausreichend  bota- 


nisch jetzt  besprechen  kann,  will  ich  nur  noch  die  Route 
kurz  mittheilen. 

Nachdem  wir  am  20.  Januar  noch  einen  argen  Staub- 
sturm in  Raniacaido  erlebt,  gingen  unsere  Expeditionen 
am  21.  früh  getrennt  ab;  Kurtz  und  Bodeubender  mehr 
südlich,  ich  nach  San  Rafael  zunächst  durch  7  oder 
mehr  Arme  des  wasserreichen  Rio  Diamante.  In  San 
Rafael  oder,  wie  die  ,,Studt''  jetzt  heisst,  „2ö.  dcl  Mayo"" 
war  ein  Hotel,  wo  ich  einmal  ein  Bett  bekam,  soflass 
meine  21  Nächte  Biwak  durch  eine  gewöhnliche  Nacht 
unterbrochen  wurden;  jedoch  das  Zinmier  war  dumpf 
und  moderig. 

Am  22.  Januar  führte  der  Weg  durch  relativ  niedrige, 
aber  doch  schon  15U0  m  hoch  gelegene  Vorberge,  welche 
mit  verschiedenen,  meist  Compositen- Sträuchern  und 
einem  roth-  und  weissborstigen,  ungegliederten,  1  — l'/o  m 
hohen,  bis  Vs  •"  dicken  Säulencaetus  mit  sehrmen  rothen 
cylindrischen  Blüthen  sparsam  bewachsen  waren.  Zu 
ebener  Erde  zeigten  sich  verschiedene  niedrige  rasen- 
bildende Cacteen.  Am  Lagerplatz  zu  Mittag,  nahe  einem 
etwas  salzhaltigen  Bach,  war  schlechte  Weide  für  die 
Thiere,  und  das  bittere  Marrubium  albuni,  das  dort 
massenhaft  eingeführt  sich  flndet,  war  vollständig  bis  auf 
die  Erde  von  Thieren  abgeweidet. 

Am  23.  Januar  durchritten  wir  t)  Stunden  lang  eine 
Travesie,  ein  wasserleeres  Hochplateau  ohne  Sträucher; 
schliesslich  passirten  wir  zwei  hoch  und  breit  in  das 
Plateau  eingeschnittene  Thäler  mit  relativ  wasserarmen 
Gebirgsbächen.  In  dem  einen,  Arroya  de  la  Papagayos, 
trat  eine  ganz  andere  Flora  auf;  namentlich  verschieden- 
artige Verbenen  —  eine  ephedraartig,  eine  andere  mit 
uadelartigen  Blättern  —  fielen  auf;  gelbe,  dornige  Um- 
belliferen  -  Rasen,  gelbblüthige  Rasenpolster  von  1  m 
Durchmesser  einer  Saxifragee  (?)  seien  noch  erwähnt. 

Am  24.  Januar  ging  es  einen  Gebirgsbaeh  entlang, 
den  mein  Führer  Arroyo  tres  cuartos  nannte,  in  einem 
Thal,  das  Güssfeldt  Valde  la  Cruz  de  Piedra  nannte, 
hinauf,  mit  einem  mittäglichen  Halt,  ohne  Unterbrechung 
der  allmählichen  Steigung  und  ohne  von  Seitenthälern 
und  Wegschwierigkeiten  beeinflusst  zu  sein,  bis  zur  Pass- 
höhe, die  Güssfeldt  mit  3781  m  berechnete;  meine 
Tasehenbarometer  zeigten,  oifenbar  zu  hoch,  12  000  engl. 
Fuss,  der  andere  4(HJ0  m.  Dann  400  m  hinab  an  Tiitf- 
und  Binisteinhalden  entlang  zum  Nachtquartier  an  einen 
Bach,  der  in  Güssfeldts  Karte  nicht  angegeben  ist,  der 
aber  den  Grund  der  dort  notirten  Hochgebirgsmulde 
durchfliesst  und  von  meinem  Führer  Arroyo  de  la  Yaucha 
genannt  ward. 

Der  25.  Januar  früh  sah  uns  schon  bei  Sternenschein 
wieder  unterwegs;  wir  erkletterten  nochmals  3741  m, 
hatten  dort  einen  leidlichen  Soniu'uaufgang  und  durch- 
ritten dann  das  Hochland  bis  zur  Laguuo  Diamante. 
Kleine  Teiche  an  Firnfeldern  waren  zum  Theil  gefroren, 
aber  auf  der  ganzen  Tour  findet  sich  trotz  vieler  Sclmee- 
felder  kein  einziger  Gletscher.  Am  Diamante-See  jagten 
wir  vergeblich  (inavalos;  r)on  Raujon  hatte  ihnen  den 
Weg  zur  Tränke  abgeschnitten,  konnte  sie  aber  doch 
nicht  mit  seinem  Zolos  (Lasso)  erreichen.  Aus  der  3324  m 
hohen  Ebene  des  Diamante-Sees  gingen  wir  erst  etwas 
bergab  den  Rio  Diamante  entlang,  kreuzten  diesen  aber 
bald  und  stiegen  in  die  von  Basaltbomben  erfüllte  Mayjiu- 
ebenc  100 — 150  m  empor,  welche  nahezu  2tHJ0  m  nocli 
vom  May])uA'uican  überragt  wird.  Mir  erscheint  der 
flache  Boden  um  den  Maypu-Vulcan  wie  ein  riesenliaftei' 
alter  Kraterboden  von  dem  halbkreisförmig  die  äusseren 
älteren  Kraterwände  noch  als  Bergreste  zu  sehen  siiui. 
Drei  Stunden  hat  etwa  der  fast  diametrale  Ritt  durch 
diesen  alten  Krater  gedauert,  doch  ging  die  Bewegung 
langsam  von  statten,  weil  wir  über  12  oder  mehr  grosse 


26 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  3. 


Schneefelder  mit  Biisserschneebildung-  (Soudeniui;-  durch 
den  Wind  in  Läugsfurchen  und  geringere  Querfurehen,  die 
durch  Abschmelzung  nach  den  tieferen  Stellen  zu  ±  iso- 
lirte  Schneekegel,  „Büsser"',  zurückla.ssen)  reiten  nnissten; 
der  Schnee  war  glücklicherweise  fest,  sodass  es  ohne 
Beinbruch  abging. 

Desselben  Tages  ging  es  noch  bis  2400  in  hinab  an 
eine  Stelle,  wo  wir  Weide,  Wasser,  Holz  in  Fülle  hatten. 
Als  Feuerholz  dient  über  2000  m  fast  nur  das  knorrige 
gelbriudige  Holz  von  Patagonium-  (Adesmia-)Arten. 
Diese  Arten  werden  1 — 2  m  hoch  und  verkrüppeln  in 
höheren  Regionen  bis  zu  Vs  ^j  woliei  sich  aus  den 
dicken,  unter  dem  Laube  versteckten,  dem  Boden  anlie- 
geiMlen  Aesten,  halbkugelige  Rasen  bilden. 

Da  die  Wassersclieide  zugleich  die  politische  Grenze 
von  Chile  und  Argentinien  hier  ist,  befanden  wir  uns  nun 
auf  chilenischem  Gebiet  und  zugleich  in  einer  viel  reicheren 
Flora.  Die  Bildungen  von  Seitentliiilern  mit  Bächen  und 
Flüssen  zu  dem  ±  2000  tief  eingeschnittenen  ]\Iaypu-Tlial 
sind  zahlreich,  der  Fluss  selbst  ist  mit  Packthieren  nicht 
mehr  zu  passireu,  und  schmale  Ebenen  neben  dem  Fluss 
sind  Ausnahmen;  aus  solchen  muss  man  immer  und  immer 
wieder  während  dreier  Tage  über  dicht  an  den  Fluss  tre- 
tende Bergklippen  200 — 400  m  empor  und  wieder  nieder 
steigen,  was  für  den  Botaniker  ganz  interessant,  für  den 
Reisenden  aber  sehr  beschwerlich  ist.  Einmal  war  die 
etwa  1  m  starke  Schneebrücke  über  einem  Bach  kurz 
vorher  eingebrochen,  und  musste  sich  unsere  Tropa  einen 


neuen  Weg  suchen.  Nachdem  wir  fast  8  Stunden  Um- 
weg einmal  gehabt  hatten,  kamen  wir  nicht  weit  von 
unserem  früheren  Weg  über  eine  natürliche  Brücke  über 
den  Rio  Miapo. 

Am  26.  erreichten  wir  in  einer  Thalerweiterung  eine 
wirkliche  Wiese  und  fanden  dort  aber  auch  schon  euro- 
päische Unkräuter,  die  von  Hirten  und  Heerden  hier 
heraufgebracht  waren,  daneben  aber  die  bunte  Flora 
der  Gesteinsfelder,  insbesondere  aus  Amaryllidaceen 
(Alstroemeria),  Portulaeaceen  (rothblütliige  Cla}- 
tonien),  diversenFagelia-Arten  (Calceolaria),  wunder- 
schönen karminrothen  Mutisia-Arten  und  anderen  Com- 
positen,  einigen  auffallenden  T r o  p  h  a  e  u  m  -(T  r  o  p  a e  o  1  u  m-) 
Arten  bestellend. 

Am  27.  Januar  kamen  wir  in  Wakb-egion  neben  dem 
Fluss  in  Höhe  von  1750—1500  m.  Dann  noch  ein  Dureh- 
bruch  mit  tiefem  Einschnitt  des  Flusses  durch  granitisches 
Gebirge,  wo  wir  am  28.  Januar  auf  die  Landstrasse  beim 
Rio  Yulcan  und  Rio  Yeso  iu  tiefere,  nur  cultivirte  Re- 
gionen kamen,  wo  auch  alles  Land,  selbst  wenn  es  nicht 
bebaut  war,  durch  Steindämme,  Dornhecken  u.  s.  w.  ein- 
gezäunt war  und  neben  der  staubigen  Strasse  nur  noch 
verdorrte  Kräuter  und  cultivirte  Sträucher  zu  finden  waren. 
Es  fing  schliesslich  an  noch  stark  zu  regnen,  sodass  wir 
froh  waren,  bei  einem  Landmann  eine  leere  Lehmschauer 
als  Nachtquartier  zu  erhalten. 

Am  29.  Januar  Mittags  traf  ich  in  Santiago  im 
Hotel  Oddo  ein  und  konnte  nun  ein  neues  Leben  beginnen. 


lieber  den  Solielfh  im  Nilieliiiigenliede  sprach 
Dr.  Ed.  Hahn  in  der  Februarsitzung  1892  der  Berliner 
Gesellschaft  für  Anthropologie  und  Urgeschichte.  Das 
einzige  Interesse,  das  sich  an  die  Frage  knüpft,  welches 
Tbier  unter  dem  Scheich  zu  verstehen  ist,  bezieht  sich 
auf  jene  Stelle  des  Nibelungenliedes,  wo  unter  den 
Thieren,  die  Siegfried  auf  der  ihm  zu  Ehren  von  den 
Burgunderfürsten  veranstalteten  Jagd  erlegt,  auch  der 
Scheich  unter  der  Jagdbeute  (halphul,  lewe,  hirz,  binden, 
wiseut,  clech,  in")  angeführt  wird.  Der  Scheich  kann 
unmöglich  ein  mvthisclies  Thier  gewesen  sein,  denn  wir 
besitzen  verschiedene  Beweise  für  sein  Vorkommen  im 
mittleren  Europa.  Veuantius  Fortunatus,  ein  lateinischer 
Dichter  am  austrasischen  Hofe,  führt  helices  (helix-helo, 
elo)  unter  den  Jagdthiereu  der  Ardennen  und  Vogesen 
auf.  In  einer  Urkunde,  in  welcher  das  beträchtliche 
Sumpf-  und  Waldgebiet  Drenthe  von  Otto  dem  Grossen 
aus  dem  .Jahre  944  mit  der  gesammten  Jagdherrlichkeit 
verliehen  wird,  werden  unter  andern  Thieren  auch  „bestias, 
quae  teutonica  lingua  elo  aut  schelo  appellantur"  erwähnt. 
Schliesslich  findet  sich  das  Wort  in  verschiedenen  Orts- 
namen wieder,  so  in  Scelfieta  (iu  Flandern),  Scelenhonc 
(bei  Würzburg)  Scellinahe  (Schöllnach)  u.  a.  m. 

Die  älteste  Erklärung  des  Wortes  Scheich  scheint 
Hagen  in  seiner  Ausgabe  der  Nibelunge  Noth  1820  zu 
geben,  und  zwar  als  „Bockshirsch  mit  Bart  und  Zotteln 
am  Halse,  vielleicht  den  Brandhirsch,  der  noch  iu  Böhmen 
häufig'-.  Nachdem  ein  Jahr  später  der  Palaeontologe  Gold- 
fuss  die  Beschreibung  eines  Riesenhirschgeweihes  ver- 
öftentlicht  hatte,  war  es  natürlich,  dass  die  Aufmerksam- 
keit der  Nibelungenliederklärer  sich  auch  auf  dieses  Thier 
richtete.  Nees  von  Esenbeck,  ferner  Fr.  Pfeiffer  und  nach 
ihm  eine  ganze  Reihe  anderer  Germanisten  deuteten  dar- 
auf bezugnehmend  den  Scheich  als  Riesenhirsch. 

Hahn  kam  nun  durch  Zufall  zu  einer  andern  Er- 
klärung. Er  fand  in  deutschen  Wörterbüchern  (z.  B.  Graf, 
Schade),  dass  die  Worte  scelo  oder  Schelc  neben  der 
üblichen  Erklärung,  wie  oben  angegeben,  stets  noch  eine 


zweite  Auslegung  als  ..Beschäler,  Zuchthengst  (emissarins)" 
erfahren  haben.  Weiter  constatirte  er  in  einer  lippischen 
Küchenrechnung  aus  dem  Jahre  1537  die  Stelle:  „vor 
einen  hinxt  LXVI  gld.  de  quam  up  de  sende  vor  einen 
Seelen  ton  wilden  perden",  also  die  Thatsache,  dass  die 
lippischen  Herren  einen  Hengst  des  Wildgestütes  auf  der 
Sonne  pflegten,  der  noch  im  Jahre  1537  Scheich  hiess.  — 
Es  steht  somit  für  Hahn  zweifellos  fest,  dass  die  richtige 
Erklärung  des  Wortes  Scheich  „Wildpferd"  ist.  Vor- 
geschichte und  Geschichte  kommen  Hahn's  Ansicht  zu 
Hilfe;  sie  lehren,  dass  das  Wildpferd  ein  bevorzugtes 
Jagdthier  der  alten  Deutschen  gewesen  ist.  Die  Missionäre 
dieses  Volksstammes  hatten  unter  anderem  grosse  Mühe, 
ihren  Täuflingen  den  Genuss  des  Wildpferdfleisches 
abzugewöhnen. 

Prof.  Nehring  entgegnete  diesen  Ausführungen  Hahn's, 
dass  er  an  der  fraglichen  Stelle  des  Nibelungenliedes 
unter  Scheich  lieber  ein  starkes,  männliches  Elenthier 
(cervus  alces  L.)  verstanden  wissen  will;  das  Wort  „Elch" 
in  dem  vorhergehenden  Verse  mag  entweder  ein  weib- 
liches Elenthier  oder  einen  starken  Edelhirsch  (Cervous 
elaphus  L.)  bezeichnen.  Uebrigens  scheinen  ihm  die  Worte 
scelo,  schelo,  schele,  scheletko,  schalz,  schelch  nicht  immer 
dieselbe  Thierart  zu  bezeichnen,  sondern  sind  je  nach 
dem  Zusammenhange  verschieden  aufzufassen.  Nach 
Veckenstedt  soll  schelch  ein  ursprünglich  slavisches  AVort 
(schele,  dimin.  scheletko)  sein  und  das  Kalb  bezeichnen; 
in  ähnlicher  AN'eise  erklärt  v.  Etzel  den  Schelch  des 
Nibelungenliedes  als  einen  „alten,  besonders  gefährlichen 
Stier  derselben  Gattung",  also  als  einen  Ürstier.  — 
Ausserdem  ist  auf  eine  solche  Diehterstelle,  wie  die  uns 
interessirende  des  Nibelungenliedes,  vom  Standi)unkte 
der  exacten  Forschung  aus  kein  grosses  Gewicht  zu 
legen,  da  die  volkstliümlichen  Bezeichnungen  der  Thiere 
häufig  durch  einander  laufen.  —  Das  in  der  von  Hahn 
citirten  Urkunde  von  Drenthe  genannte  Thier  dürfte  nach 
Nehring's  Ansicht  auch  nur  ein  Elenthier  sein. 

Im  Auschluss  hieran  erörterte  Nehring  die  Frage,  ob  mit 


Nr. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


27 


dem  Scheich  etwa  auch  der  Riesenliirseh  gemeint  sein  kann. 
Er  beantwortet  dieselbe  in  verneinendem  Sinne,  denn  alle 
bisher  auf  primärer  Lagerstätte  in  Deutschland  aufge- 
fundenen Reste  dieses  Thieres  gehören,  wie  er  des  Wei- 
tereu ausführt,  dem  Diluvium,  nicht  dem  Alluvium  an. 

Buschan. 


Die  Fortyflauzniis:  des  Wnrmes  Plaiiaria  alpina 
Dana,  der  bislang  im  Verdacht  stand,  lebendige  Junge 
zur  Welt  zu  bringen,  ist  durch  Walther  Voigt  aufge- 
klärt worden  (s.  „Zool.  Anz."  1892  S.  238).  Derselbe 
fand  im  Januar  d.  J.  in  einem  Aquarium,  das  eine  An- 
zahl der  genannten  Thiere  enthielt,  frisch  gelegte  Coeons, 
die  über  1  mm  gross,  kugelig  und  ungcstielt  waren.  Sie 
waren  nicht  an  eine  Unterlage  festgeklel)t,  sondern  frei, 
ein  Umstand,  der  wohl  die  Veranlassung  gewesen  ist, 
dass  sie  bisher  nicht  entdeckt  worden  sind,  da  sie  sich 
so  leicht  im  Sand  imd  Schlamm  verlieren.  Nach  14 
Wochen  im  kalten,  nach  8  Wochen  im  geheizten  Zimmer 
schlüpften  die  Jungen  aus,  indem  der  Cocon  unregelmässig 
aufriss.  Die  Jungen  waren,  je  nach  ihrer  Jlenge  in  einem 
Cocon,  2  bis  4  mm  lang  und  noch  gänzlich  ohne  Pigment. 
C.  M. 

In  der  Olinuuschol  nnd  im  Gehörgang  von  Nagern, 
Wiederkäuern    nnd    Haubthieren    lebende  Milben.  — 

In  den  dicsjäiu'igen  Verhandlungen  der  „Societe  de  Bio- 
logie" zu  Paris  findet  sich  eine  Reihe  von  Aufsätzen*) 
über  die  .,Otacariasen",  wie  Neumann  die  Krankheiten 
genannt  hat,  die  in  der  Ohrmuschel  und  im  Gehörgang 
von  Nagern,  Wiederkäuern  und  Raubthieren  lebende 
Milben  veranlassen.  Dieselben  beziehen  sich  auf  eines 
der  interessantesten  der  so  überaus  zahlreichen  Lebens- 
verhältnisse, die  von  Milben  bekannt  sind.  Es  sind  zwei 
Milben,  die  hier  in  Frage  kommen:  Psoroptes  com- 
munis, die  vom  Kaninchen,  der  Ziege  und  der  Gazelle, 
und  Symbiotes  aurieularum,  die  vom  Hund,  der 
Katze  und  vom  Frettchen  bekannt  ist.  Der  erste  Ent- 
decker der  Ohrmilben  war  Hering  (1834);  er  fand  sie 
beim  Hunde.  Bei  der  Katze  entdeckte  sie  Huber  im 
Jahre  1860,  beim  Frettchen  Megnin  1878.  Auf  einen  mit 
dem  Tode  endigenden  Fall  der  Infection  eines  Kanincliens 


mit  den  genannten  Milben  bezieht  sich  der  Aufsatz 
Laverans.  Da  keinerlei  Abnormitäten  am  Gehirn  oder 
Rückenmark,  auch  keine  Eiterbildung  am  Schädel  wahr- 
genommen werden  konnte,  handelt  es  sicli  nach  Laverans 
Ansicht  um  eine  Reflexlähmung.  Die  Beobachtungen 
und  Versuche  Raillcts  und  Cadiots  betreffen  die  Raub- 
thiermilbe.  In  zwei  Fällen  wurden  bei  Katzen  epilep- 
tische Zuckungen  festgestellt,  die  auf  einer  Erregung  der 
Nerven  des  Ohres  durch  die  genannten  iMillien  beruhten. 
Die  beiden  Forscher  versuchten  nun,  Symbiotes  ent- 
haltendes Ohrenschmalz  in  das  Ohr  einer  anderen  Katze 
zu  übertragen.  Die  Infection  gelang  vollkommen,  und 
das  inficirte  Thier  starb,  nachdem  es  alle  typischen 
Kraukheitszeichen  aufgewiesen  hatte,  etwa  10  Monate 
nach  der  Infection.     Eine  Uebertragung  der  Katzenmiiben 


*)Raillet  et  C<adiot.  Observations  et  experienct'S  sur 
Fotacaviase  symbiotiqiie  des  Carnivores.  Compt.  rend.  de  la  Soc. 
df  Biol.  9.  ser.  tom.  4.  S.   104. 

Miigniii.  Acariens  des  oreilles,  cliez  le  Chat,  le  Fiin.'t  et  le 
Chien.    eb.  S.  125. 

Raillet.  Simples  remarques  historiquos  sur  l'otaoariasc  des 
Carnivores.     eb.  S.  126. 

P.  Megnin.  Un  dornier  mot  sur  la  question  de  l'epilepsie 
acarienne  de  nos  Carnassiers  domostiques.     eb.  S.  142. 

Raillet.  Sur  les  convulsions  epileptiformes  provoquees  par 
les  Acariens  auriculaires.     eb.  S.   142. 

A.  Laveran.  Acariens  de  l'üreille  cliez  le  lapin,  paraplegie 
reflexe.     eb.  S.  169. 


auf  einen  Hund  hatte  den  Erfolg,  dass  sicii  bei  diesem 
die  Milben  vermehrten,  und  dass  ein  Gefährte  dieses 
Hundes  auch  inficirt  wurde.  Doch  schritt  bei  letzterem 
die  Krankheit  nicht  fort,  und  der  erste  Hund  starb  zu 
früh  für  eine  Entscheidung  der  Frage.  Drittens  wurden 
an  einem  Hunde  gefundene  Milben  auf  eine  Katze  gesetzt; 
sie  konnten  später  liier  nicht  wieder  aufgefunden  werden. 
Schliesslich  wurden  mehrfache  Uebertragungen  von  Frett- 
chen auf  Hunde  versucht;  sie  blieben  stets  ohne  Erfolg. 
Dass  die  Infectionen  von  einer  Wirthsart  auf  die  andere 
nicht  gelangen,  erklärt  sich  daraus,  dass  die  drei  Ab- 
arten des  Symbiotes  aurieularum,  die  Raillet  und  Cadiot 
var.  canis,  cati  und  fnronis  nennen,  in  Länge  und 
Breite  und  dass  auch  ihre  Eier  in  der  Grösse  Ver- 
schiedenheiten aufweisen.  C.  Matzdorff, 


Beiträge  zur  Entwicklnngsgeschichte  der  Sanien- 
deeken  bei  den  Enphorbiaceen  mit  besonderer  Be- 
rücksichtigung von  Ricinus  communis  L.  hat  Georg 
Kay  ser  in  den  Sitzungsberichten  der  Phanuaceutischen 
Gesellschaft  zu  Berlin  veröffentlicht. 

K.  theilt  u.  a.  mit,  dass  aus  der  Mittelsäule  des  drei- 
fächerigen Fruchtknotens  von  Ricinus  communis  L.,  welcher 
in  jedem  Fache  eine  hängende  anatrop-epitrope  Samen- 
lage enthalte,  ein  Gefässbündel  den  kurzen  Funiculus  eines 
jeden  Ovulums  durchziehe,  um  sieh  unmittelbar  nach 
seinem  Austritt  unter  scharfer  KrUnnnung  in  dem  äusseren 
lutegument  der  Samenlage  (bezw.  in  der  Raphe)  als 
Raphebundel  nach  der  Basis  hin  fortzusetzen.  Unter 
nahezu  rechtem  Winkel  sehe  man  es  alsdann  in  den 
Chalaza-Theil  der  Samenanlage  eintreten.  Den  peripheren 
Theil  derselben  könne  man  v(u-  der  Hand  als  eine  Fort- 
setzung des  inneren  Integumentes  ansehen,  welches  mit 
dem  Nucellus  einen  einzigen  Gewebekörper  bilde,  der  mit 
dem  äusseren  Integument  an  einer  sehr  schmalen  Stelle 
seitlich  verwachsen  sei. 

Auf  diese  Anheftung  habe  schon  im  Jahre  1859 
Ach.  Guillard  in  seiner  Arbeit  .,Les  evolutions  de  l'ovule" 
(Bull.  soc.  bot.  de  France  1889,  T.  VI,  S.  142)  aufmerksam 
gemacht  und  erklärt,  dass  sich  das  Raphebundel  gleich- 
sam wie  durch  ein  Loch,  welches  im  reifen  Samen  noch 
deutlich  erkennbar  wäre,  in  die  Chalaza  hiueinbohre  und 
sich  daselbst  ästig  verzweige. 

Diese  Verzweigung  schildert  Kayser  als  eine  zunächst 
gabelffirmige,  und"  dadurch,  dass  sich  von  dieser  Gabel, 
wie  deren  Ausläufern,  weitere  Verzweigungen  erstreckten, 
werde  zuletzt  ein  vollkommenes  Bündelsystem  bewirkt, 
welches  sich  auf  dem  Oberflächenschnitt  eines  Ovulum  iu 
Gestalt  eines  maschenförmigeu  Netzes  präscntire. 

Kayser  macht  nun  darauf  aufmerksam,  dass  die  fein- 
sten Verzweigungen  des  Bündelsystems  auf  der  der  Raphe 
zugekehrten  Seite  stets  höher  hinaufreichten,  als  auf  der 
entgegengesetzten,  und  dass  immer  gerade  an  der 
Stelle,  wo  diese  feinsten  Verzweigungen  endigen,  sich 
der  Nucellus  deutlich  erkennbar  abhebe  und  als- 
dann die  genaue  Unterscheidimg  zwischen  Nucellus, 
innerem  und  äusserem  Integument  zulasse. 

Während  nun  im  Nucellus  die  Anlage  des  anfänglich 
langgestreckten  Embryosackes  stattfinde  nnd  derselbe  in 
seiner  fortschreitenden  Entwicklung  die  umliegenden  Nu- 
cellarpartien  resorbire,  finde  durch  Theilungsvorgänge  in 
der  Chalaza  und  speciell  in  der  von  der  Verzweigung  des 
Bündelsystems  eingeschlossenen  Gewebepartie  eine  auf- 
fallende" Vermehrung  des  Gewebes  und  dadurch  eine 
basale  Verlängerung  der  ganzen  Samenanlage  statt.  Es 
erreiche  infolge  dessen  dieses  eingeschlossene  (Gewebe 
etwa  das  siebenfache  seiner  ursprünglichen  Länge  bei  un- 
geänderter  Form,   und   es  finde  gleichzeitig  in  demselben 


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Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  3. 


eine     förmliche    Ueberladiing     mit    plasmatischcn    Nähr- 
stoffen statt. 

Die  Schilderung'  dieser  basalen  Gewebewucherung' 
bildet  zwar  schon  einen  wesentlichen  Theil  früherer  Ar- 
beiten von  G.  A.  Gris  („Notes  sur  le  developpement  de  la 
greine  de  Ricin",  veröffentlicht  in  den  „Annales  des 
Sciences  natur.  Botanique"  in  den  Jahren  1861  und  1862) 
über  den  gleichen  Gegenstand,  von  welchen  jedoch  Kayser 
erst  Kenntuiss  erhielt,  nachdem  er  seine  Untersuchungen 
über  Ricinus  bereits  abgeschlossen  hatte.  Er  machte  infolge 
dessen  unabhängig  von  dem  vorerwähnten  Autor  die 
gleichen  Beobachtungen,  weicht  aber  insofern  mit  seiner 
Ansicht  ab,  als  er  die  von  Gris  gefasste  Annahme:  „das 
Gewebe  ausserhalb  des  Bündelsystcms  gehöre  zum 
inneren  Integument  und  das  innerhalb  desselben  be- 
findliche zum  Nucellus",  nicht  zu  thcileu  vermag.  Im 
Gegentheil,  er  hält  eine  derartige  Abgrenzung,  welche 
sich  nur  auf  das  Abheben  des  Bündelnetzes  und  des 
riasmareichthums  des  von  demselben  umschlossenen  Ge- 
webes gründe,  für  ganz  willkürlich,  und  folge  man  der 
Anschauungsweise  von  Gris,  so  sei  dies  rein  conventionell. 
Corrcct  morphologisch  sei  entschieden  nur  der  Aus- 
druck: „aussergewöhnlich  stark  vermehrtes  Cha- 
laza-Gewebe".  Die  weitgehende  Differenzirung  desselben 
entspräche  den  verbreitetsten  Fällen,  in  welchen  dicht 
unter  dem  Chalazaende  des  Embryosackes,  und  unmittel- 
bar über  dem  Grunde  des  Raphebündels,  eine  Gruppe 
plasmareicher,  bei  Alkohol-Material  gewöhnlich  rothbraun 
erscheinender  Zellen  Hegt. 

Die  Entwicklung  des  Embryosackes  beschreibt  der 
Verfasser  in  folgender  Weise: 

Derselbe  nähme  in  den  jüngsten  Fruchtzuständen  eine 
langgestreckte  cylindrischc  Form  an.  Späterhin  erweitere 
er  sich  unter  Resorljirung  des  Nucellus  immer  mehr  und 
mehr,  bis  er  zuletzt  vollkommen  dessen  Stelle  eingenommen 
habe.  In  gleicher  Weise  dringe  auch  die  der  Chalaza 
zugewandte  Basis  des  Embryosackes  stetig  vor.  Sobald 
dieselbe  den  von  dem  Bündelsystem  umschlossenen  Gewebe- 
körper erreicht  habe,  spitze  sich  dieselbe  keilförmig  zu 
und  führe  nunmehr  eine  Sprengung  des  Gewebes  her- 
bei, um  dann  in  gleicher  Weise,  wie  beim  Nucellus,  die 
Endospermstoft'e  in  sich  aufzuspeichern,  und  es  resultire  aus 
dieser  Entwicklung  die  Gesanmitform  des  Embryosackes. 
K.  führt  aus,  dass  sich  das  äussere  Integument  der 
Samenanlage  aus  einer  Reihe  tangential  -  abgeplatteter 
Epidcrmiszellen,  einem  dünnwandigen  Parenehym,  in 
welchem  das  Raphebündel  verlaufe,  und  einer  Reihe 
radialer  Zellen,  deren  Zcllwandungen  säunutlich  aus  Cel- 
lulose  beständen,  zusannnensetze.  An  den  Epidcrmiszellen 
wurden  höchst  cigentliümliche  Exerescenzen  l)e- 
obachtet,  hervorgerufen  durch  zapfenartige,  an  der  Spitze 
kugelig  abgerundete  Gebilde,  welche  von  der  sehr  ver- 
dickten Aussenwand,  sowie  von  den  Radialwändcn  und 
der  Innenwand  in  das  Lumen  der  einzelnen  Zellen  hinein- 
ragten und  dem  letzteren,  von  der  Aussenfläche  her  be- 
trachtet, ein  granulirtes  Aussehen  verliehen.  Unregcl- 
niässige  Grupjien  der  Wandverdickungen  enthielten  einen 
rothbrauuen  Farbstoff. 

Die  äussere  Epidermis  der  inneren  Integumente,  durch 
eine  Schicht  langgestreckter,  paralleler,  verholzter  Zellen 
gebildet,  cutwickelt  beim  Ausreifen  des  Samens  einen 
dunkelbraunrothen  Farbstoff,  welcher  sie  gleichmässig 
dunkelfarbig  erscheinen  lässt,  und  ist  im  völlig  reifen 
Samen  glasartig,  splitterig.  AndiePalissadenschichtschliesst 
sich  ein  grosslumiges,  dünnwandiges  und  farbloses  Pa- 
renehymgewebe  mit  Cellulosewändcn  von  wechselnder 
Schichtenzahl  an.  In  demselben  verlaufen  die  Verzwei- 
gungen des  Leitbündelsystems  (auf  mittleren  Querschnitten 


als  dunkler,  ovaler,  geschlossener  Ring  Itemerkbar).  Nach 
einer  mit  Phloroglucin  und  Salzsäure  vorgenommenen  Roth- 
färbung Hessen  sich  dieselben  als  gruppenweise  längs 
verlaufende  Ring-  und  Spinalfasertracheiden  (ob  echte 
Gefässe  vorliegen,  lässt  sieh  mit  völliger  Gewissheit  nicht 
entscheiden)  erkennen. 

Darauf,  dass  sich  von  dem  Hauptstrange  einzelne 
oder  paarweis  bis  zu  mehreren  verzweigte  Traehei'den 
loslösten,  sei  die  mit  Anastomosebildung  verknüpfte  Ver- 
zweigung des  Bündelsj-stems  zurückzuführen.  In  der  Um- 
gebung besonders  der  ersten  Verzweigungen  wurden 
kugelige  oder  unregelniässig  begrenzte  harzähnliche  Aus- 
scheiduugsproducte  bemerkt,  welche  bei  durchfallendem 
Lichte  intensiv  t)raunroth  erscheinen,  und  auf  deren  Vor- 
handensein unzweifelhaft  die  im  reifen  Samen  beobachtete 
Färbung  der  von  den  Bündeln  durchzogenen  Membran 
zurückzuführen  sei.  In  den  den  Traehei'den  angelagerten 
und  ihrem  Zuge  folgenden  dünnwandigen,  langgestreckten 
Zellen  dürfe  mau  mit  grosser  Bestimmtheit  ein  rudimentär 
entwickeltes  Phloem  erblicken. 

Bei  der  Untersuchung  eines  reifen  Samens  lässt  sich 
mit  einem  Scaljiell  leicht  ein  äusseres  vertrocknetes  Häut- 
chen  allziehen.  Querschnitte  desselben  Hessen  in  ihm  das 
ursprüngliche  äussere  Integument  wiedererkennen.  Nur 
das  Parenehymgewebe  war  zum  grössten  Theil  obliterirt 
und  darauf  sei  auch  das  an  der  Bauchseite  des  reifen 
Samens  beobachtete  Hervortreten  des  Raphebündels  in 
Form  einer  wulstigen  Naht  zurückzuführen. 

Die  bald  fleckige,  bald  bandartige  und  verschieden- 
farbige Marmorirung,  welche  die  verschiedenen  Varietäten 
von  Samen  der  monotypisehen  Gattung  Ricinus  so  inter- 
essant erscheinen  lässt,  begründet  K.  mit  der  Thatsache, 
dass  nur  ein  kleiner  Theil  der  Epidcrmiszellen,  und  zwar 
unregelmässige  Gruppen  derselben  in  ihren  Wandverdickun- 
gen Farbstoffmassen  enthalten.  Da  die  beiden  darunter 
liegenden  Schichten,  das  obliterirte  Parenehym  und  die 
innere  Epidermis  vollkommen  farblos  erscheinen,  so  könne 
die  nunmehr  sieh  anschliessende  dunkelfarbige  Palissaden- 
sehicht  gleichsam  den  Grundton  für  das  ganze  Farben- 
bild abgeben,  und  es  werde  sieh  dieses  um  so  abwechse- 
lungsvoller gestalten,  je  mehr  die  aus  der  Obliteration  des 
Parenchymgewebes  hervorgegangenen  Intereellularen  und 
mit  Luft  gefüllten  Räume  die  äussere  Veranlassung  zu 
gewissen  optischen  Liehterscheinungen  abgäben. 

Bei  den  Untersuchungen  über  die  Entwicklungsge- 
schichte der  Samendeckeu  anderer  Euphorbiaeeen  fand 
Kayser  bald  mit  Ricinus  übereinstimmende  Resultate, 
bald  aber  auch  wesentliche  Abweichungen. 

So  sehliesse  sich  z.  B.  bei  Croton  flavensL.  var. 
balsamifer.  von  allen  untersuchten  Euphorbiaeeen 
auf  das  Engste  au  Ricinus  an,  zeige  aber  nicht  die  für 
diese  letztere  Pflanze  so  ausserordentliche  charakteristische 
Ausbildung  des  Chalazatheils  zu  einem  mächtigen  Gewebe- 
körper. Eine  Sonderung  des  Innern  Integumentes 
und  des  Nucellus  könne  hier  nicht  beobachtet  werden. 
Das  Ovulum  zeigt  nur  ein  Integument,  welches  dem 
äusseren  von  Ricinus  homolog  sei  und  einen  parenehy- 
matisehen  Gewebekern  umschliesse,  in  dem  sich  der  lang- 
gestreckte, cylindrischc  und  keinerlei  Einschnürung  zei- 
gende Embryosack  als  verhältnissmässig  enger  Sehlauch 
bis  weit  hinunter  zur  Chalaza  erstrecke.  Ob  die  äusserste 
Spitze  frühzeitig  einen  freien  minimalen  Nucellus  resorbirt 
habe,  konnte  der  Verf.  nicht  feststellen,  und  ist  nach 
seiner  Ansieht  der  Fall  nicht  undenkbar,  dass  Croton 
die  Chalazawucherung  frühzeitig  so  weit  treibe, 
dass  ein  freier  Nucellus  gar  nicht  zu  beobachten  sei, 
was  mithin  zu  der  gemachten  Beobachtung  Veranlassung 
giebt,  dass  das  Ovulum  eben  nur  ein  Integument  auf- 
weist.    Dr.  R,  Otto. 


Nr.  3. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


29 


Bejrichit  von  der  Grube  Lanimericliskaiile  bei 
Alteiikircheii  im  Siegeuscheu  ist  von  H.  Laspeyres 
(Chemisches  Central  -  Blatt  II.  No.  15)  einer  erneuten 
Untersuchung  unterworfen  worden.  Die  einzige  Original- 
stufe, welche  im  Jahre  1871  von  Liebe  zuerst  unter- 
sucht wurde,  lag  auch  Laspeyres  vor,  und  dieser  fand, 
dass  die  70  mm  langen  und  8  mm  dicken  Prismen  ein 
Gemenge  von  Millerit  und  Beyrichit  sind.  Chemisch 
und  krystallographisch  sind  beide  identisch,  physikalisch 
unterscheidet  sich  jedoch  der  Beyrichit  in  seiner  blei- 
grauen Farbe  wesentlich  von  dem  gelben  Millerit.  Kleine 
Splitter  von  Beyrichit  verlieren  aber  schon  nach  einer 
Woche  ihre  graue  Farbe  und  setzen  sich  zu  speissgclbem 
Millerit  um.  Wie  der  Augit  sieh  zum  Uralit  verhält,  so 
ist  der  Beyrichit  das  Muttermineral,  aus  dem  durch  Um- 
lagerung  der  Moleküle  aller  Millerit  entstanden  ist.  Beide 
sind  hexagonal  -  rhomboedrisch.  Das  Axenverhältniss 
schwankt  etwas: 

Beyrichit     1  :  0,327  707 

Millerit  .     1  :  0,329  549 

Das  spec.  Gewicht  fand  Verf.  =  4,699  beim  Beyrichit; 
für  Millerit  bestimmte  Miller  dasselbe  :=  5,26 — 5,30  und 
Liebe  =  5,7—5,9. 

Ein  gew(">hnlicher  Begleiter  des  Millerit  auf  den  Nach- 
bargruben ist  der  Polydymit,  durch  dessen  Beimengung 
sich  der  überschüssige,  durch  Abdestilliren  zu  beseitigende 
Schwefel  erklärt. 

Laspeyres  begründet  seine  Ansiclit  über  die  Zu- 
sammensetzung des  Beyrichit  durch  vier  neue  Analysen: 
I.        IL        III        IV.         V.        VI. 

Schwofel  (abdost.)     .  Spur     Spur  1,35         G,8I  1^90  I  in  QR 

SchwefeUira  Rückst.)  3.5,69     35,48  34,23      33,71  r''°  1  ■*"'^"' 

Eiseu 0,85)  2,9Ö         1,71  2,79  4,21 

Nk-k.a 61,05     64,88  ,  .,  ,  ,    .  .g  ^q  54,23  1  . ,  g, 

Kobalt 2,01  i  I*'''*'-'    P*''^'^  Spur  ! ''*''^^ 

Mangan    ....            —          —          — —  Spur  — 

99,60  100,06     100,00     100,82      99,88     100,00 

I,  II  und  III:  Beyrichitkrystalle  Laspeyi-es. 

IV.  Dichter  Beyrichit,    Laspeyres. 

V.  Beyrichit,   Liebe.     In  Wahrheit   etwas  verun- 
reinigter Polydymit. 

VI.  Die  Werthe  der  Polydymitformel  R4S5. 

Dr.  H. 

Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben. 

Es  wurden  ernannt:  Der  Proscctor  Dr.  med.  Kuil.  Armin 
Fick  zum  ausserordentlichen  Professor  der  Anatomie  :in  der 
Universität  Leipzig.  —  Die  Hilfscustoden  bei  der  Kgl.  Bibliotliek 
zu  Berlin,  die  DDr.  Johannes  Paalzow,  Johann  Frantz, 
Alfred  Schultzo,  Richard  Preuss,  Rudolf  Peter,  Ernst 
Dorsch  und  Heinrich  Reimann  zu  Custoden. 

Dr.  Benno  Kühn  ist  als  Assistent  in  der  mineralogischen 
Abtheilung  der  Kgl.  Preuss.  geolog.  Landesanstalt  und  Berg- 
akademie eingetreten. 

Es  shid  gestorben:  Professor  der  Chemie  Dr.  Hans  Schulze 
in  Santiago.  —  Der  Biologe  Dr.  J.  Leon  Soubeiran  in  Mont- 
pellier. —  Der  Professor  der  Zoologie  in  Oxford  John  Obadiah 
Westwood.  —  Der  Mineraloge  Geheimrath  Nikolai  Iwano- 
witsch  Kokscharow  in  Petersburg.  —  Der  Zoologe  Professor 
Dr.  Benjamin  Vetter  in  Blasewitz  bei  Dresden.  —  Professor 
der  Medicin  Dr.  Eichstedt   von  der  Universität   zu  Greifswald. 


L  i  1 1  e  r  a  t  u  r. 

Rudolf  Virchow,  Ijeraen  und  Forschen.  Rede  beim  Antritt 
des  Rrctorats  an  der  Friedricli-Willn'lms-Univi'rsität  zu  Berlin 
geh.  am  15.  October  1892.  Verlag  von  August  Hirschwald. 
Berlin  1892.  —  Preis  0,80  Mk. 

Ueber  den  wesentlichen  Inhalt  der  vorliegenden  Rede  haben 

wir  bereits  ausführlich  in  der  „N.  W."  Bd.  VII   Nr.  45  berichtet. 


Paul  Knuth,    Geschichte   der    Botanik   in    Schleswig-Holstein. 
Zweiter  Theil.     (Die  Zeit  nach  Linaö).     Kiil  u.  L«'ipzig  1892. 
157  S.     8".  —  Preis   1  Mk. 
Aus  der  Vorlinne'schen  Zeit  werden  nachträglich  Mittheilungen 
über    Vasmorus    (Daviil    Wasmer,    gegen    Endi>    des     16.    Jahr- 
hunderts Arzt  in  Lübeck),  Albin  us  (Jakob  Witte,  1637  als  Arzt 
in  Hamburg  gestorljcn)  und  besonders  lungius  (Joacliim  .hinge, 
1.587  zu  Lübeck  geboren,  1657  als  Rector  des  akademischen  Gym- 
nasiums und  des  .lohanneums  zu   Hamburg    gestorben)    gebracht. 
Das  Junge'sche  Werk  Isagoge    phytoscopica  wird   eingehend    ge- 
würdigt und  die  Bedeutung  Junge's  als  Schöpfer  der  botanischen 
Kunstsprache  hervorgehoben. 

Damit  erscheint  Junge  als  ein  Vorläufer  Linne's,  welcher 
einen  noch  grösseren  Einfluss  als  die  „Väter  der  Botanik"  auf 
die  Entwicklung  der  Pflanzenkunde  auch  in  Schleswig-Holstein 
hatte.  Durch  die  Herausgabe  der  Flora  Lapponica  und  der 
Flora  Suecica  regte  Linne  die  Botaniker  zur  botanischen  Landes- 
erforschung an. 

I.  Geschichte  der  floristischen  Erforschung  des 
Gebietes.  Fünf  Jahre  nach  dem  Erscheinen  der  zweiten  Auf- 
lage von  Linne's  Flora  Suecica  erschien  das  erste  Heft  der 
Flora  Danica,  jenes  allbekannten  berühmten  Werkes,  welches 
zu  seiner  Vollendung  l'/j  Jahrhundert  bedurfte.  Die  Herausgeber 
waren  Oeder,  ().  F.  Müller,  M.  Vahl,  Hornemann,  Lieb- 
mann, Job.  Lange.  Die  wichtigsten  Mitarbeiter  sind:  Bargum, 
Drejer,  Forchhammer,  Frölich,  Gottsche,  Lehmann,  Lynghye,, 
Nolte,  Oersted,  Rosonberg,  Saxesen,  Schiötz,  Schouw,  Schumacher, 
Sonder,  Steenstrup,  Vahl  jun. 

Ausser  der  Flora  danica  erschienen  von  Mitte  bis  Ende  des 
vorigen  Jahrhunderts  noch  mehrere  die  dänische  etc.  Flora  be- 
treffenden Arbeiten,  so  von  Rafn  (Danmarks  og  Holsteens  Flora, 
1796—1800),  Rotzius  (Florae  Scandinaviao  Prodromus,  1779).  Die 
erste  wissenschaftliche,  grundlegende  Arbeit  speciell  über  die 
Flora  von  Schleswig-Holstein  waren  G.  H.  Weber's  Primitiae 
Florao  Holsaticae  (1780),  welchen  7  Jahre  später  ein  „Supple- 
mentum"  folgte. 

Von  den  botanischen  Schriftstellern  Schleswig-Holsteins 
gegen  Ende  des  vorigen  und  zu  Anfang  des  jetzigen  Jahrhunderts 
sind  sonst  noch  hervorzuheben:  H.  P.  Ch.  Esmareh,  Rektor  der 
Domschule  zu  Schleswig;  C h.  W.  Ritter,  Dr.  med.  in  Flensburg 
und  Hamburg;  F.  Weber,  D.  M.  H.  Mohr  u.  J.  J.  P.  Mol- 
denhawer,  Protf.  in  Kiel.  Von  Hamburgischen  Botanikern 
sind  zu  nennen:  Rektor  Lichten  stein,  Dr.  med.  Giseke, 
Buok,  Flügge,  Hayne,  Mössler,  Lehmann,  Gottsche, 
Eimbcke,  Schmidt,  Sickmann,  Hübner,  endlich  W.  Sonder, 
durch  dessen  Flora  Hamburgensis  (1851)  die  botanische  Erfor- 
schung Hamburgs  einen  vorläufigen  Abschluss  fand,  ebenso  wie 
einige  Jahre  vorher  diejenige  des  Lübecker  Gebietes  durch 
G.  R.  Hack  er 's  Lübeckische  Flora  (1844),  nachdem  Avt5-Lal- 
lemant,  H.  Brehmer,  Kindt,  Lindenberg,  Marc  de  Wolf 
u.  A.  die  Erforschung  der  Pflanzen  des  Gebietes  gefördert 
hatten. 

Für  Dänemark  ist  dasselbe  Ereigniss  zu  verzeichnen.  Hier 
erschien  1851  Johann  Lange's  treff'liches  Handbog  i  den 
Danske  Floi-a.  Als  wichtigste  Mitarbeiter  sind  zu  nennen: 
L.  Borst,  V.  Fischer-Benzon,  Friederichsen,  Gelert.  Jensen,  M.  Th. 
Lange,  Oersted,  Penisen,  Prahl,  Raunkiaer,  Schiötz,  Steenstrup, 
V.  Suhr,  Vahl,  Vaupell. 

Während  also  Dänemark,  Hamburg  und  Lübeck  bereits  voll- 
ständige Florenwerke  besassen,  sollten  erst  noch  mehrere  Jahr- 
zehnte vergehen,  bis  Schleswig-Holstein  (1887)  auch  in  den 
Besitz  eines  solchen  kam.  Hier  hatte  E.  F.  Nolte  1826  die  No- 
vitiae  Florae  Holsaticae  herausgegeben,  die  zweite  glänzende  In- 
angrift'nahnie  der  Darstellung  der  Pflanzenwelt  des  meerum- 
schlungenen Landes.  Aber  mit  der  Herausgabe  dieses  noch  immer 
sehr  unvollständigen  Pflanzenverzeichnisses  hat  Nolte  seine  bota- 
nischen Veröffentlichungen  so  ziemlich  abgeschlossen.  In  der 
Vorrede  zu  den  Novition  nennt  er  u.  A.:  Bertram,  Eckion,  Esmareh, 
Flügge,  Forchhammer,  Gütschow,  den  vielleicht  verdienstvollsten 
aller  Schleswig- Holsteinischen  Botaniker  Lars  Hansen,  Hin- 
richsen,  Hornemann,  Kindt,  Lehmann,  Neuber,  Prelni,  Reichenbach, 
Ritter,  Saxesen,  Sienkneclit,  Sonder,  v.  Suhr,  Thun,  Weber. 

Das  Arbeitsfeld  der  Amtsnachfolger  Nolte's  lag  auf  einem 
ganz  .anderen  Gebiete.  Zwar  versuchte  A.  W.  Eichler  durch 
Versendung  von  Standortslisten  an  bekannte  Schleswig-Holstei- 
nische  Botaniker  die  völlig  eingeschlafene  Frage  der  Herausgabe 
einer  Landesflora  von  neuem  zu  erwecken,  doch  ohne  den  rechten 
Erfolg.  Auch  die  im  Laufe  der  Jahrzehnte  im  botanischen  Institut 
zu  Kiel  angesammelten  Pflanzenschätze  wurden  dui'ch  P.  Hennings 
mit  bewundernsworthem  Fleisse  geordnet.  Ausserdem  erschienen 
zahlreiche  floristische  Einzelarbeiten,  z.  B.  von  Borchmann, 
Claudius,  V.  Fischer-Benzon,  Fuchs,  Hennings,  Kirmis,  Klalt, 
Kuphaldt,  Laban,  Lenz,  Lienau.  Manch,  Petit,  Prahl,  Prehn, 
Reinke,  Schiötz,  J.  J.  Schmidt,  Timm  u.  s.  w. 

„So  lagen  die  Verhältnisse,  als  Verf.  1881  nach  Kiel  kam. 
Mit    Staunen    bemerkte    er    das   Fohlen    einer  Gesammtttora    des 


30 


Naturwissenschaftliclie  Wochenschrift. 


Nr.  3. 


Gebietes,  das  riesige  aufgehäufte  Material,  die  zahlreichen  Einzel- 
arbeiten, die  Energielosigkeit  oder  Gleichgültigkeit  der  zur 
Herausgabe  einer  Flora  etwa  berufenen  Persönlichkeiten.'"  Er 
studirte  die  Litteratur  und  Herbarien,  durchstreifte  im  Laufe  der 
folgenden  Jahre  nach  allen  Richtungen  das  Gebiet  und  gab  (1887) 
die  erste  Flora  desselben  heraus.  Behülflich  waren  ihm  u.  A.: 
Borst,  Brehmer,  Buehenau,  Burmester,  Callsen,  Fack,  v.  Fischer- 
Benzon,  Fuchs,  Garcke,  Hallier,  Haussknecht,  Hennings,  Hin- 
richsen,  Jensen,  Jessen,  Krause,  Lange ,  Lienau ,  Fax,  Prahl, 
Prehn,  Reinke,  Reinbold,  Rohwedder,  Schmidt,  Timm,  Wüstnei  etc. 

Als  grössten  Erfolg  seiner  Flora  sieht  Verf.  das  Erscheinen 
eines  zweiten  Werkes  dieser  Art  an,  welches  von  Prahl, 
V.  Fischer-Be nzon  und  Krause  (1888 — 1890)  herausgegeben 
wurde,  denen  ausser  den  meisten  der  oben  genannten  noch  zahl- 
reiche andere  Männer  behülflich  waren. 

Auch  auf  dem  Gebiete  der  Algenforschung  ist  ein  vor- 
läufiger Absehluss  durch  J.  Reinke's  „Algenflora  der  westliclien 
Ostsee  deutschen  Antheils"  (Kiel  1889),  welcher  sich  desselben 
Verfassers  „Atlas  deutscher  Meeresalgen"  (Berlin  1891)  anschliesst, 
gemacht  worden.  Ausser  Reinke  sind  als  thätige  AI  gen  forscher 
zu  nennen:  Engler,  Flögel,  Kirchenpaur,  Kuckuck,  Lenz,  Lüders, 
Magnus,  Reinbold,  Schutt.  Chr.  Sonder.  Die  Pilze  bearbeiteten 
Eichelbaum,  B.  Fischer,  Fuchs,  Sadebeck;  die  Moose  Burchard, 
Gottsche,  Jensen,  Langfeldt,  Prahl,  Timm,  Wahuschaff;  die  Ge- 
fä  sskry  ptogamen  Klatt,  Langfeldt,  Prahl,  Timm,  Wahnschaff, 
lieber  Bl  ü  thenpflanz  an  schrieben  ausser  den  oben  genannten: 
Friedrich,  Junge,  Nathorst;  Nöldecke,  0hl,  Petersen,  Raunkiaer, 
C.  Weber,  Zimpel  etc. 

Anhangsweise  werden  Arbeiten  über  Gärten,  Anlagen, 
Institute,  Sammlungen,  sowie  über  die  Geschichte  der 
Botanik,  endlich  in  Schleswig-Holstein  verfasste  Lehrbücher 
augeführt. 

II.  Nordfriesische  Inseln  und  Helgoland.  Die  Litte- 
ratur über  die  Flora  dieser  Inseln  beansprucht  wegen  der  Eigen- 
artigkeit ihrer  Ptlanzenwelt  ein  eigenes  Kapitel  in  der  , Geschichte 
der  Botanik  in  Schleswig-Holstein".  Der  erste  wissenschaftliche 
Botaniker,  welcher  Sylt  liesuchte,  war  Oeder.  Sodann  machte 
Nolte  zahlreiche  interessante  Entdeckungen  auf  den  nordfrie- 
sischen   Inseln.      Spätere    Erforscher    der    Flora    derselben    sind 

F.  Müller,  Spieker,  Schiötz,  Borst,  Prahl,  v.  Fischer- 
Benzon,  Hallier,  v.  Ebner,  Buehenau,  Raunkiaer, 
Knuth.  —  Die  erste  Arbeit  über  die  Flora  von  Helgoland 
stammt  erst  aus  dem  Jahre  1829  und  ist  von  F.  H.  Hotfmann 
verfasst.      Nach     ihm    veröffentlichten     Nolte,     Threde,     Röding, 

G.  F.  W.  Meyer,  Cohn,  Hallier,  Pringsheim,  Wollny,  v.  DaÜa 
Torre,  Haussknecht,  Reinke  arbeiten  über  die  Pflanzenwelt  Helgo- 
lands, insbesondere  über  die  Algenflora. 

III.  Biologie.  Besonders  den  Bestäubungseinrichtungen  ist 
neuerdings  grosse  Aufmerksamkeit  geschenkt  worden.  Nach 
Würdigung  der  Verdienste  Ch,  K.  Sprengel's,  J.  G.  Köl- 
reuter's,  Charles  Darwin's,  H.  Müller's,  J.  Mac  Leod's 
führt  Verf.  seine  zahlreichen  Arbeiten  über  die  Bestäubungsein- 
richtungen Schleswig-Holsteinischer  Pflanzen  auf,  zu  denen  er 
durch  die  Werke  H.  Müller's,  mit  welchem  er  einige  Jahre  in 
derselben  Provinz  und  in  gleicher  Stellung  thätig  war,  angeregt 
wurde.  Zum  Schlüsse  macht  er  noch  auf  die  biologischen  Arbeiten 
von  E.  Warming  aufmerksam. 

IV.  Phaenologie.  Der  Begründer  dieses  Zweiges  der  Bo- 
tanik ist  Linne.  Die  ältesten  phänologischen  Aufzeichnungen  in 
Schleswig-Holstein  sind  durch  Herzog  Christian  August  17.5Ü 
veranlasst;  sie  wurden  durch  F.  H.  Ger  mar  erhalten.  Zu  phäno- 
logischen  Beobachtungen  regte  1785  P.  D.  Giseke  in  Hamburg 
an.  A.  W.  Nouber  in  Apeurade  hat  dort  1825  solche  Beobach- 
tungen angestellt.  Eine  tiefer  gehende  Anregung  gab  erst 
G.  Karsten  in  Kiel  Ende  der  sechziger  Jahre,  doch  nahm  das 
Interesse  sehr  bald  ab.  Angeregt  durch  die  Arbeiten  von  H. Hoff- 
mann in  Giessen  und  die  Schriften  von  E.  Ihne  unternahm  es 
Verf.,  das  Hotfmann'sche  Schema  für  phäuologische  Beobachtungen 
auch  in  Schleswig-Holstein  einzuführen,  und  zwar  mit  dem  Er- 
folge, dass  er  im  ersten  Jahre  (1890)  von  18,  im  zweiten  (1S91) 
von  26  Beobachtern  die  Karten  ausgefüllt  zurückbekam.  .\, 


G.  Massee,  A  Monograph  of  the  Myxogastres,     367  S,  cum  tab. 
col.  12.     8".     London   (Methuen  &  t'o.)  1892.  —  Preis  18  Mk. 

Da  das  Rostafinskisehe  Buch  über  die  My.xomyceten  den 
meisten  unzugänglich  ist,  weil  es  in  polnischer  Sprache  abgefasst 
ist,  so  niuss  das  Erscheinen  eines  Werkes,  welche  diese  interessanten 
Pflanzen  in  einer  verständlichen  Sprache  dem  Fachmanne  und 
dem  Laien  vorführt,  mit  Freuden  begrüsst  werden.  Wir  Deutsche 
besitzen  für  die  Gesammtheit  der  Myxomyceten  ein  ähnliches 
Werk  nicht;  allerdings  sind  unsere  in  Doiitschland  heimischen 
Arten  in  mustergültiger  Weise  von  Schröter  in  der  schlesischen 
Kryptogamenflora  bearbeitet  worden. 

Zwar  sind  neue  Gedanken  über  die  Verwandtschaftsverhält- 
nisse der  Gruppe  in  vorliegendem  Buche  nicht  zu  finden,  auch 
ist  auf  praktische  Bestimmungstabellen  leider  ein  zu  geringer 
Werth  gelegt  worden,  aber  doch  ist  das  Buch  seiner  guten  Be- 
sehreibungen und  Abbildungen  wegen  für  das  Studium  der  Schloim- 
pilze  zu  empfehlen.  Die  Einleitung  giebt  eine  Uebersicht  über 
die  Morphologie  und  die  bisherigen  Systeme  und  kann  daher  als 
Einführung  in  das  Studium  dienen.  Wer  zugleich  neben  diesem 
Buche  noch  die  Schrötersche  Bearbeitung  hat,  wird  sich  leicht 
auch  das  Verständniss  der  schwierigeren  Gruppen  erschliessen 
können.  Zum  Schluss  sei  es  noch  gestattet,  das  S3'stem  mit  den 
Abweichungen  gegen  die  früheren  hier  wiederzugeben. 

Tubulinae:  Tubulina  (incl,  Licea  et  Lindbladia),  Protodermium. 
Cribrariae:  Orcadella,  Enteridium,  Clathroptychium,  Cribr.aria 
(incl.  Heterodictyon),  Dictydium.  Stemonitae:  Stemonitis  (incl. 
Comatricha),  Siphoptychium,  Amaurochaete,  Brcfeldia,  Rostafinskia, 
Reticularia.  Lamprodermae :  Enerthenema,  Ancyrophorus,  Lam- 
proderma.  Echinostelium,   Raciborskia.  Orthotricha. 

Die  Gattung  Clastoderma,  die  Schröter  mit  Orthotricha  iden- 
tisch hält,  wird  von  Masse  nicht  angeführt.  Tricheae:  Trichia, 
(.>ligonema.  Arcyriae:  Prototrichia  (incl.  Coruuvia  pr.  p.)  Peri- 
chaena,  Ophiotheca  (incl.  Coruuvia  pr.  p.),  Heterotrichia  (n.  gen.), 
Lachnobolus,  Arcyria  (incl.  Hemiarcyria),  Lycogala  (incl.  Dermo- 
dium).  Didymeae:  Chondrioderma ,  Didymium,  Lepidoderma, 
Spumaria,  Diachaea.  Physarae:  Badhamia,  Craterium,  Plysarum, 
Tilmadoche,  Leocarpus,  Cienkowskia,  Crateriachea,  Fuligo. 

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Braus,  H.,    Ueber  die  Rami  ventrales  der  vorderen  Spinalnerven 

einiger  Selachier.     Jena.     0,80  M. 
Brendel,  M.,    lieber    die    Brechung    des  Lichts    in   Prismen    etc. 

Bi'rliu. 
Bresg^en,   H.,    Beitrag    zur   Kenntniss    der  Blattfallkrankheit    der 

Weinrebe  (Peronospora  viticola)  und  deren  Bekämjjfung.  Kreutz- 

nach.     0,50  M. 
Claus,  C,  Ueber  die  Entwicklung  der  Scyphostoma  von  Cotylorhiza, 

Aurelia   und  Chrysaora,   sowie    über   die  systematische  Stellung 

der  Scyphomedusen.     2  Tbl.     Wien.     11,20  M. 
Cohen,  E.,  Meteoreisen-Studien.     II.    Wien.     1,20  M. 


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Formationen  nach  den  Cordilleren.  (Fortsetzung  und  Schluss.)  —  Ueber  den  Scheich  im  Nibelungenliede.  —  Fort])rianzung  des 
Wurmes  Planaria  alpina  Dana.  —  In  der  *  )hrmuschel  und  im  Gehörgang  von  Nagern,  Wiederkäuern  und  Raubtliieron  lebende 
Milben.  —  Beiträge  zur  Entwicklungsgeschichte  di-r  Samendecken  bei  den  Euphorbiaceen  mit  besonderer  Berücksichtigung  von 
Ricinus  communis  L.  —  Beyrichit  von  d^r  Grube  Lammerichskaule  bei  Altenkirchen  im  Siegeuschen  —  Aus  dem  wissen- 
schaftlichen Leben.  —  Litteratur:  Rudolf  Virchow:  Lernen  und  Forschen.  —  Paul  Knuth:  Geschichte  der  Botanik  in  Schles- 
wig-Holstein.    Zweiter  Theil.     (Die  Zeit  nach  Linne).  —  G.  Massee:  A  Monograph  of  tlic  Myxogastres.  —  Liste. 

Verantwortlicher  Redakteur:  Dr.  Henry  Potonie,  Berlin  N.  4.,  Invalidenstr.  40/41,  für  den  Inseratentheil:  Hugo  Bernstein  in  Berlin.  — 
Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12.  —  Druck:  G.  Bernstein,  Berlin  SW.  12. 


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Ferd,  Diiininlers  VerlagsMiclilKllo. 

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IS 

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Das  Rätsel  des  Hypnotismus 

und  seine  Lösung. 


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(7  gi.  20  Sr.).  ®en  nädifteii  Süanb  (1H!)3)  unvb  „9lmcrito"  bilbeii.  Saß  ©cfamtmett  ift  nuf 
fünf  Sänbe  (jebev  Erbteil  ein  SJnnb)  bered^net. 


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Vor  Kurzem  erschien: 

Die  Luftliiille 

der  Erde,  der  Planeten 

und  der  Sonne. 

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T^.  Grraf  von  Pfeil. 

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Ferd.  Düinralers  VerlagsbuctihandluDg 

in  Berlin  SW.  12. 


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Die 

Bakterien  und  die  Art  ihrer  Untersuchung 


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(SciLÜler  des  I'xofessor  KIocH.) 

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Preis  I  IVIark. 


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In    Ferd.    Dümmlers    Verlagsbuchhandlung  in   Berlin    SW.  12 

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der  Jetzt-  und  Vorzeit 

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Dr.  Alfred  Nehring, 

Professor  der   Zoolugie    und  Vorsteher   der   zoologischen  Sammlungen  au  der 
Königlichen  landwirthschaftlichen  Hochschule  zu  Kerlin. 

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\ \ SLI   gleichenden  Anatomie  an  der  Universität  München. 

Ijehrbuch  der  Zoologie.  Mit  568  Abbildungen. 

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Zoologisclie  .Talirbüelier. 

Herausgegeben    von  Prof.  Dr.  J.  AV.  Spengel  in  Gir-ssen. 

Abtheilnng:  für  Systematik,  fjeoyrapliie  und  Bio- 


logie  der  Tliiere 


Sechster  Band.    Zweites  Heft. 

Mit  8  iith.igraphischen  Tafeln.  Preis:  10  Mark. 

Inhalt:  Werner,  Franz,  Untersuchungen  über  die 
Zeichnung  der  Wirl)elthiere.  —  Eckstein,  Karl,  Der  Baum- 
wcissling,  Aporia  crataegi  HB.  —  Ortuiann,  A.,  Die  De- 
capoden- Krebse  des  Strassburger  Museums,  —  Salepa. 
Alfred,  Tegonotus,  ein  neues  Phytoptiden-Genus.  —  Mis- 
coUen :  Müller,  Fritz,  Die  Begattung  der  Clepsinen. 

Molisch,    I)r.    Hans,   a.  (i.  Professor   der  Botanik   in  Graz. 


Die  l'ilanze  in  ihren  Bezielinngen  zum 

TT'icon     Kiue  physiologische  Studie.  Mit  einer  farbigen 
SeuiOll,    Richard,   a    ii.    Professor    an     der     Univ.     Jena. 


Studien    über    den   Bauplan    des    Uro- 
genitalsYstems  der  Wirl)eldiiere. 


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Wickelung  dieses  Organsvstems  bei  Ichtiijophis  glutinosus. 
Mit  11  lithographischi'n'Tafeln. 


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VI 


Naturwissenscliaftliche  Wocbensclirif't. 


Nr.  3. 


Geologisches  und  mineralogisches  Comtor 
Alexander  Stiier 

40  Rue  des  Mathurins  in  Paris. 
Lieferant  des  französischen  Staates  and  aller  fremden  Staaten. 

Herr  Alexander  Stuer  empfiehlt  sich  den  Herren  Directoren 
und  Professoren  der  Museen  und  den  Liebhabern  als  Lieferant 
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lungen oder  Studien  von  Interesse  sein  konnten. 

Cephalopoden,  Brachyopoden,  Echinodermen  und  andere 
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dicici)t)alti(tcei  Srtfjcr  nrttinrI)tftorifd)cr  (öegcnftänbc 
foiute  fiinitlidjcr  Fang-  niid  Präparier- Werkaeuge, 

liiin)l[iifißc   Wm^    und   üogECnugeii,    JiifeUfcaiiaiteCii    uait    forf|i[at(m. 

Jlatologe  gratiä  unb  franto. 


Preisgekrönt; 
Mainz  1842 
Berlin  1844 
London  1854 
Paris  1855 


London  1862 

Paris  1867 

Sidney  1879 

Bologna  1881 

Antwerpen  1885 


Rheinisches  Mineralien -Contor 

Bonn  a.iRh.     Dl'.  F.  Kr.ailtZ.     Bonn  a.lRh. 

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Lehrmittel  für  den  natnrwissenschaftlicheii  Unterricht. 

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Ausführliche  Verzeichnisse  stehen  portofrei  zu  Diensten. 

Alle  geschäftlichen  Mittheilungen  erbitte  unter:  Dr.  F.  Erantz, 
Rlieinisclics  Mirii'ralicn-  f'ontor. 


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und  das 

Gesetz  der  Analogie  im  Weltgebände. 

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L.  Graf  von  Pfeil. 

Vierte,    mit    den    neuesten   Entdeckungen    verstärkte  und    um- 
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Konversations  -Lexikon. 

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lu  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung  in  Berlin  sind  erscliienen : 


Allgemein-verständliche  naturwissenschaftliche  Abhandlungen. 


Heft  1. 


3. 


7. 


(Separatabdrücke  aus  der  „Nattirwissenscliaf'tliclieu  Wochenschrift.") 


Lieber   den  sogenannten  vierdimensionalen   Raum 

von  Dr.  V.  Schlegel. 

Das  Rechnen  an  den  Fingern  und  Maschinen  von 

Prot.  Dr.  A.  .Schubert. 

Die  Bedeutung  der  naturhistorischen,  insonderheit 

der  zoologischen  Museen  von  Professor  Dr.  Karl 

Kraepelin. 

Anleitung    zu    blütenbiologischen    Beobachtungen 

von  Prof.  Dr.  E.  Loew. 

Das  „glaziale"  Dwykakonglomerat  Südafrikas  von 

Dr.  F.  M.  Stapft'. 

Die  Bakterien  und  die  Art  ihrer  Untersuchung  von 

Dr.  Rob.  Mittmaun.     Mit  8  Holzschnitten. 

Die  systematische  Zugehörigkeit  der  versteinerten 

Hölzer  (vom  Typus  Araucarioxylon)  in  den  palaeo- 

litischen  Formationen  von  Dr.  H.  Potonie.    Mit 

1  Tafel. 

Lieber  die  wichtigen  Funktionen  der  Wanderzellen 

im    thierischen    Körper    von    Dr.    E.   Korscheit. 

Mit  10  Holzschnitten. 

Ueber  die  Meeresprovinzen  der  Vorzeit  von  Dr. 

F.  Frech.    Mit  Abbildungen  und  Karten. 


ti 


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10 

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11. 

H 

12 

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13 

n 

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15 

16. 


I 


lieber  Laubfärbungen  von  L.  Kny.  Mit  7  Holz- 
schnitten. 

Lieber  das  Causalitätsprincip  der  Naturerschei- 
nungen mit  Bezugnahme  auf  du  Bois-Reymonds 
Rede:  „Die  sieben  Welträthsel"  von  Dr.  Eugen 
Dreher. 

Das  Räthsel  des  Hypnotlsmus  von  Dr.  Karl  Friedr. 
Jordan. 

Die  pflanzengeographische  Anlage  Im  Kgl.  bota- 
nischen  Garten  zu   Berlin   von   Dr.   H.  Potonie. 

Mit  2  Tafeln. 

Untersuchungen  über  das  Ranzigwerden  der  Fette 

von  Dr.  Ed.  Kitsert. 

Die  Urvierfüssler  (Eotetrapoda)  des  sächsischen 
Rothliegenden  von  Prof.  Dr.  Hermann  Credner 
in  Leipzig.     Mit  vielen  Abbildungen. 

Das  Sturmwarnungswesen  an  den  Deutschen  Küsten 

von  Prof.  Dr.  W.  J.  van  Bebber.  Mit  i  Tafel 
und  5  Holzschnitten. 


Preis:   Heft  1—4  ä  50  Pf..  Heft  5—16  ä  1  M. 


Verantwortlicher  Redakteur:  Dr.  Henry  Potonie,  Berlin  N.  4,  Invalidenstr.  40/41,  für  den  Inseratentheil:  Hugo  Bernstein 
Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung  Berlin  SW.  12.  —  Druck:    G.  Bernstein,  Berlin  SW.  12. 


in  Berlin. 


<^.j:-  Redaktion:  7         Dr.  H.  Potonie. 

Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbvichhandlung,  Berlin  SW.  12,  Zimmerstr.  94. 


VIII.  Band.                Sonntag,  den 

9') 

Januar  1893. 

Nr.  4. 

1 

Abonnement:  Man  abonnirt  bei  allen  Bucbhanillungen  und  Post- 
anstalten, wie  bei  dei'  Expedition.    Der  Vierteljahrspreis  ist  JC  3.— 
Bringegeld  bei  der  Post  15  ..j  extra. 

1 

Inserate:  Die  viergespaltene  Petitzeile  40  ■},.   Grössere  Aufträge  ent- 
sprechenden Rabatt.  Beilagen  nach  Uebereinknnft.  Inseratenannahme 
bei  allen  Annocenbureaux,  wie  bei  der  Expedition. 

Abdrnck  ist  nnr  luit  volIstän<lig 

er  Qnollonangabe  gestattet. 

Das   natürliche   Pflanzensystem   A.  Engler's   und   M.  Treub's  Untersuchungen 
zur  systematischen  Stellung  von  Casuarina. 


des  gegenwärtigen 
rectors    des   kgl. 


Das  Erscheinen  des  „Syllabus  der  Vorlesungen  über 
specielle  und  mediciiiisch-pliarinaceutisclie  Botanik,  eine 
Uebersiclit  über  das  gesamnite  l'flanyA'nsystem  mit  Be- 
rücksichtigung der  Medicinal-  und  Nutzpflanzen  (Gebr. 
Borntriiger  [Ed.  Eggers],  Berlin  1892j  aus  der  Feder  eines 
unserer  bedeutendsten 
lebenden  Systematiker, 
Di- 
bota- 
nischen Gartens  und  Mu- 
seums zu  Berlin,  Adolf 
Engler,  ferner  die  für 
das  Pflanzens_ystem  so 
wichtigen  Untersuchun- 
gen 5 1  e  1  c  h  i  o  r  T  r  e  u  b '  s , 
des  Directors  vom  bo- 
tanischen Garten  zu 
Buitenzorg  auf  Java,  an 
Casuariua     geben     mir 


Ein  Bericht  von  H.  Potonie.*) 


Veranlassung  zu  diesem 
Bericht. 

Man  nimmt  auch  in 
der  Wissenschaft  gar  zu 


-  li 


Tafel  I:    Casuarina  equisetifolia  Porst. 

A  =  Stück  eines  Zweiges  von  Casuarina  eciuisetifolia  Forst.,   vergrössert, 

Querschnitt  desselben;   bei  r  die  in   die  Blätter  eintretenden  Leitbiindel.  —  C  —   die  im 

Centrum  verUuifenden  Theile  der  Leitbündel,  welche  im  nilchstoberen  Internodiiim  in  die 

Rinde  austreten.  —  t'  =  Stück  eines  Zweiges  von  Cas.  nodidora  Forst.  —  (Aus  Engler  und 

Prantl's  Natürlichen  Pflanzentamilien.  -  Verlag  von  Wilhelm  Engelmann  in  Leipzig). 


leicht  Rücksicht  auf  die 
fabelhafte  Macht  der 
Gewohnheit  im  Men- 
schen, und  so  hat  denn 

auch  A.  W.  Eichlcr,  der  amtliche  Vorgänger  Engler's,  es 
nicht  gewagt,    die  seit  Adolphe  Brouguiart  184o  tief  ein- 


*)  Ein  kleiner  Theil  des  vorliegenden  Ai'tikels  ist  ein  er- 
weiterter nnd  verbesserter  Abdruck  meines  in  der  Pharmaeeutischen 
Zeitung  (Berlin)  vom  1.  Juni  1892  veröti'entlicliten  Artikels  „Das 
natürlielie  Pflanzensystem  A.  Engler's".  Für  die  Unterstützung, 
die  mir  Herr  Dr.  Reib.  Mittmann  bei  der  Abfassung  des  .Artikels 
für  die  „N.  W."  geleistet  hat,  sage  ich  ihm  meinen  verbindlichsten 
Dank. 


gewurzelte  Zweitheilung  des  Pflanzenreiches  in  Krypto- 
gamen  und  Phanerogamen  zu  beseitigen,  obwohl  sich 
längst  gezeigt  hatte,  dass  die  höheren  Kryptogamen  (die 
„Gefässkryptogamcn",  Pteridophyten)  viel  mehr  Verwandt- 
schaft mit  den  Phanerogamen  als  mit  den  niederen  Krypto- 
gamen (den  Thallophy- 
ten)  besitzen,  die  schroffe 
Gegenüberstellung  der 
beiden  genannten  gros- 
sen Gruppen  jedenfalls 
längst  nicht  mehr  zeit- 
gemäss  ist,  und  obwohl 
doch  schon  der  Vor- 
gänger Eichler's,  Alex. 
Braun,  1864  aus  diesem 
Grunde  die  sachgemässe 
Dreitheiluug  des  ge- 
sammten  Pflanzenrei- 
ches in  Bryophyten, 
C'ormopbyten  und  An- 
thophyten  vorgeschla- 
gen hatte.*) 

Wenn  nun  in  der 
gleichen  Erkeuutniss 
auch  andere  Autoren**) 
die  Brongniart'sche  Ein- 
theilung  zu  verbessern 
suchten,  so  haben  ihre  Gruppiruugen  doch  —  wenigstens 

*)  Ich  ziehe  hier  absichtlich,  um  nicht  zu  weitläufig  werden 
zu  müssen,  nur  die  Systeme  der  3  letzten  Directoren  des  königl. 
botan.  Gartens  zu  Berlin  in  Betracht.  Endlicher  z.  B.  trug  1836—40 
der  näheren  Verwandtschaft  der  Pteridophyten  mit  den  Phanero- 
gamen dadurch  Rechnung,  dass  er  gliederte  I.  Thallo{ihyta, 
II.  Cormophyta.  Die  Cormopliyten  enthalten  die  Pteridopliyten. 
**)  Julius  Sachs  thrilt  z.  B.  in  seinem  bekannten  Lehrbuch 
der  Botanik  ein  in  I.  Thallophyten,  II.  Muscineen,  III.  Gefäss- 
kryptogamcn und   IV'.  Phanerogamen. 


32 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  4. 


bei  den  Systematikern  —  keinen  Eingang-  gefunden,  offen- 
bar weil  die  Anwendungen  der  neuen  Gruppirungen  nicht 
von  vornherein  in  unentbehrlichen  systematischen  Werken 
zur  praktiseben  Verwerthung  gekommen  sind. 

Engler  bat  nun,  ohne  Rücksieht  auf  das  bequeme  Her- 
kömmliebe, ebenfalls  die  Zweitbeilung  in  Kryptogamen  und 
Pbanerogameu  fallen  lassen  und  durchaus  nur  die  Re- 
sultate neuerer  Forschung  zur  Richtschnur  genommen. 
Sein  System  wird  Eingang  finden,  scbon  desshalb,  weil 
es  in  dem  von  ihm  in  Gemeinschaft  mit  Prantl  unter- 
nommenen verdienstlichen  Werke  „Die  natürlichen  Pflauzen- 
familien'"  zur  Anwendung  gelangt:  ein  Werk,  das  von  den 
Systematikern  nicht  zu  übersehen  ist,  das  von  ihnen  stets 
zu  Rathe  gezogen  werden  muss. 

Auch  diejenigen  Systematiker,  die  nicht  gewöhnt  sind, 
über  ihre  Sphäre  hinaus  in  den  Fortgang  der  botanischen 
Wissenschaft  binauszublicken,  werden  durch  das  genannte 
Werk  geuötbigt,  dies  zu  thun,  wenn  sie  es  überhaupt 
versteben  wollen,  oder,  was  gleichbedeutend  hiermit  ist, 
wenn  sie  Systematiker  bleiben  wollen. 

Man  wird    däber    gewissermaassen  von    Engler    aus 


die    Einführung    des 


Systems,    eine    neue 


Epoche  in  der  Entwicklung  des  Pflanzensystems  rechnen 
Die  natürlichen  Pflanzenfamilien  sind  aber  erst  im 
Ersebeinen  begriifen,  und  es  ist  daber  von  besonderem 
•Interesse,  vor  der  vollständigen  Fertigstellung  dieses  um- 
fangreicben  Werkes  in  dem  Syllabus  Engler's  sein  System 
in  genügender  Ausführlichkeit,  um  in  den  Geist  desselben 
eindringen"  OT  können,  nunmehr  vorgelegt  erhalten  zu 
baben.*) 

Dass  sieb  im  Grossen  und  Ganzen  die  Gruppen 
Engler's  mit  den  früheren  decken  und  auch  die  Reihen- 
folge derselben,  äusserlicb  betrachtet,  im  Ganzen  sich  sehr 
an  Bisheriges  anlehnt,  ist  natürlich:  es  ist  das  System 
Engler's  naturgemäss  eine  seinen  eminenten  Kenntnissen 
und  den  Fortschritten  der  Wissenschaft  angepasste  Weiter- 
bildung der  früheren  Systeme. 

Ob  Engler  gut  gethan  bat,  dort,  wo  sich  seine  Gruppen 
mit  früheren  decken,  hier  und  da  neue  Namen  einzu- 
führen, und  die  Endungen  anderer  zu  verändern,  darüber 
lässt  sich  stteiten,  weil  Worte,  Namen,  das  Unwesentlichste 
in  einer  Wissenschaft  sind;  es  ist  in  der  That  im  Grunde 
'gleiebgültig,  wie  mau  eine  Sache  nennt,  wenn  man  sie 
mn-  versteht.  Aber  wer  würde  es  wohl  wagen  zu  leugnen, 
dass  eine  gute  zweckmässige  Terminologie  nicht  nur  ein 
äusserst  werthvoller  Apparat  für  die  Forschung  ist,  son- 
dern auch  pädagogisch  gar  nicht  zu  überschätzen  ist.  Die 
Rücksichtnahme  auf  eine  schneUe  und  leichte  Auffassung 
wissenschaftlicher  Dinge  sollte  der  Gelehrte,  dem  es  wahr- 
baft  darum  zu  thun  ist,  seiner  Wissenschaft  Jünger  zu 
gewinnen  und  leicht  verstanden  zu  werden  —  was  heisst 
•letzteres  andei-s  als  seinen  Mitmenschen  Zeit  sparen  — 
niemals  bei  Seite  lassen. 

-  ■  Will  ein  Gelehrter  durch  den  Fortschritt  der  Erkennt- 
niss  als  unzweckmässig  erkannte,  aber  alteingebürgerte 
imd  daher  bei  den  Fachgenossen  schwer  ausrottbare  Aus- 
drücke durch  sacbgemässere  ersetzen,  so  kann  er  auf 
Anerkennung  nur  dann  rechnen,  wenn  er  Grosses  unter- 
nimmt und  hier  seine  Terminologie  zur  Anwendung  bringt. 
Engler  und  Prantl's  natürliche  Pflanzenfamilien  dürften 
■daher  die  Einführung  der  Engler'schen  Bezeichnungen  ganz 
wesentlich  unterstützen. 

:  Sehen  wir  uns  Engler's  Namen  näher  an,  so  finden 
*;wii',  dägs  er  bei  der  Gestaltung  derselben  zwei  Prineipien 
,im  Auge  gehabt  hat:  1.  orthographisch  -  grammatisch 
möglichste  Richtigkeit;  2.  sachHche  Richtigkeit. 

*).Eine  kurze  Uebersiclit  der  Hauptgruppen  hat  Englor 
schon  früher  im  „Führer  durch  den  botanischen  Garten  von  Breslau" 
geboten. 


Ich  erwähne  Namen  wie  z.  B.:  Equisetales,  Lycopo- 
diales,  Primulales  an  Stelle  von  Equisetinae,  Lycopodinae 
und  Primulinae  bei  Eichler.  während  Namen  wie  Liliiflorae 
und  Glumiflorae  bei  beiden  Autoren  die  gleiclien  sind. 

Wichtiger  sind  die  folgenden  Aenderungen.  So  nennt 
Engler  die  Phanerogamen  „Embryophyta  sipbonogama" 
und  die  Bryophyten  und  Pteridophyten  fasst  er  als  „Em- 
bryophyta zoi'diogama"  zusammen,  und  zwar,  wie  leicht 
ersichtlich,  Embryophyta  wegen  der  Bildung  vonEmbryonen 
aus  der  befruchteten  Eizelle,  zoidiogama  insofern  die  Ei- 
zelle durch  frei  bewegliche,  thierähnliche,  männliche  Be- 
fruchtuugskörper  und  sipbonogama  insofern  sie  durch  Ver- 
mittlung sehlauchtreibender  Pollenkörner   befruchtet  wird. 

An  die  Spitze  des  Pflanzenreiches  stellt  Engler  die- 
jenigen Pilze,  die  wegen  der  in  ihren  Entwicklungsgang 
gehörenden  frei  beweglichen  Zustände  von  vielen  Forschern 
als  Thiere  angesehen  werden  (Mycetozoa). 

Die  grossen  Abtheilungen  des  Engler'schen  Systemes 
ergeben  sich  aus  der  folgenden  Tabelle: 


1.  Myxo- 
thallophyta 


Myxomycetes 


IL  Euthallo- 
phj-ta 


Schizophyta 

Dinoflagellata 

Baeillariales 

Gamophyceae 

Fungi 


III.  Embryophyta  zoidio- 
gama 


Bryophyta 


Hepaticae 

Musci 


Pteridophyta 


Filicales 

Equisetales 

Sphenophyl- 

lales 
Lycopodiales 


IV.   Embryophyta  sipbonogama 


Gymuo- 
sperniae 

A  n  g  i  0  s  p  e  r  m  a  e 

Cyeadales 
Cordaitales 

Chalazogamae 

Acrogamae 

Bennettitales 

Coniferae 

Gnefales 

Verticillatae 
(Farn.  Casua- 
rinaceae) 

Monoco- 
tyledoneae 

Dicotyle- 
doneae 

Archichla- 
mydeae 
Sympetalae 

Am  auffälligsten  erscheint  in  dieser  Tabelle  die  Ein- 
theilung  der  Angiospermen  in  Chalazogamae  und  Acro- 
gamae, welche  letzteren  dann  erst  in  Monocotyledonen  und 
Dicotyledouen  gegliedert  sind.  Wir  sehen  aus  der  Tabelle, 
dass  die  Casuarinaeeeu  mit  ihrer  einzigen  (20  meist  in 
Australien  und  auf  den  indisch-mala3iscben  Inseln  ein- 
heimischen Arten  umfassenden)  Gattung  zu  dieser  Neu- 
gliederung Veranlassung  gegeben  baben.  Die  Casuari- 
naeeeu sind  von  dem  Botaniker  M.  Treub*),  dem  Director 
des  botanischen  Gartens  zu  Buitcnzorg  auf  Java,  neuer- 
dings eingehend  untersucht  worden,  und  diese  Unter- 
suchungen haben  so  eigentbümliche  und  interessante  Er- 
gebnisse geliefert,  dass  sich  aus  ihnen  die  Berechtigung 
ergab,  eine  neue  Pflanzenklasse  zu  gründen.  Jedenfalls 
gehören  sie  nicht  zu  den  Dicotyledouen,  wo  sie  bisher 
untergebracht  wurden,  von  denen  sie  aber  schon  in  eigen- 
thümlicber  AVeise  durch  die  schachtelbalmähnlichen  Sprosse 
(daher  „Verticillatae")  abweichen. 

Wir  geben  zur  allgemeinen  Orientirung  über  die  eigen- 
tbümliche Familie  die  gesammten  P'iguren  über  dieselbe 
aus  Engler  und  Prantl's  Werk  .,Natürlicbe  Pflanzen- 
familien".    Taf.  I  und  IL 

Durch  die  Entwicklungsgeschichte  der  weiblichen  Ge- 
schlechtsorgane und  den  Vorgang  bei  der  Befruchtung 
—  und  die  Verhältnisse   der  Geschlechtsorgane    sind  ja 


*)  Sur  les  Casuarinees  et  leur  place  dans  le  Systeme  natural 
(Ann.  du  Jard.  bot.  de  Buitenzorg,  Vol.  X,   1891,  S.  145  ff.). 


Nr.  4. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


33 


die  ausschlaggebenden  bei  der  Gliederung  unserer  heutigen 
Systeme  —  nimmt  aber  Casuarina  eine  derartige  Sonder- 


geben 


muss,    wenn 


Stellung  ein,    dass  man  Engler  Recht 
er  Treub's  neue  Classification  annimmt. 

Zum  besseren  Verständniss  der  von  Treub  aufgedeck- 
ten engeren  Beziehungen  zu  den  Pteridophyten  und  Gym- 
nospermen sei  das  Folgende  als  Repetition  vorausgesandt. 

Bei  den  Gefiiss- 
kryptogamen  fin- 
den wir  eine  dem 
Generationswech- 
selgewisserThier- 
klassen  ähnliche 
Erscheinung.  So 
stellen  z.  B.  die 
allgemein  bekann- 
ten vegetativen 
Formen  der  Farne, 
die  Wedel,  die  ge- 
schlechtslose Ge- 
neration dar.  Die- 
se erzeug-t  auf  un- 
geschlechtlichem 
Wege  meist  auf 
der  Unterseite  der 
Wedel  die  ge- 
wöhnlich in  Häuf- 
chen (Sori)  bei- 
sammen stehen- 
den Sporangien, 
und  durch  Kei- 
mung der  in  die 
seu  gebildeten 
Sporen  entsteht 
die  geschlecht 
liebe  Generation, 
das    Prothallium. 

Die  Farnspo- 
rangien  zeigen  in 
ihrem  Bau  meist 
eine  gewisse 

Aehnlichkeit  mit 
den  Drtiseniiaaren 
der  Phaneroga- 
men.  Sie  besitzen 
einen  aus  einer 
oder  mehreren 
Zellreihen  be- 
stehenden Stiel, 
welcher  eine  ku- 
gelige Zellanhäu- 
fung trägt.  Letz- 
tere zeigt  zu  äus- 
serst eine  ein- 
oder  mehrschich- 
tige Wand ,  auf 
welche  nach  innen 
eine  ebenfalls  aus 

einer  oder  mehreren  Zelllagen  bestehende  Schicht,  die  Ta- 
petenzellen oder  Jlantelschicht,  folgt,  welche  S])äter  resor- 
birt  wird.  Im  Innern  befindet  sich  das  Archesporium  (sporo- 
gener  Zellcomplex),  eine  plasmareiche  Zelle,  Zellreihe  oder 
enr  Zellkörper,  aus  welchem  durch  Theilung  die  Sporen- 
mutterzellen  entstehen.  Jede  der  Archesporzellen  theilt  sich 
in  4  Sporen,  die  entweder  alle  gleichartig  sind,  wie  bei  den 
eigentlichen  Farnkräutern  (isospore  Pteridophyten),  oder 
verschiedenartig  sind,  wie  bei  Isoetes,  Marsilia,  Selaginella 
(heterosporePteridophyten).  Das  durch  Keimung  der  Sporen 
entstehende  Prothallium  ist  ein  dem  Thallus  der  niederen 


Tafel  II:   A  — L  Casuarina  eqiiisetifolia  Porst.  —  M-O  Cas.  leueodon  Poisson. 

.4  =  Zweig  mit  miiiinlichen  Blüthen  uml  Früchten  (nach  Poisson).  —  ß  =  Stück  des  miinnlichcu 
Blüthenstandes,  vergrössert.  —  t'  =  Diagramm  eines  Blüthenquirls.  —  D  —  eine  männliche  BUithe,  deren 
Staub  die  beiden  Vorbl.  in  die  Höhe  hebt.  —  E  =  Pollen  stark  vergrössert.  —  F  =  weiblicher  Blütben- 
stand.  ~  G  =  weibliche  Blüthe.  —  H  =  Diagramm  derselben;  zu  beachten  das  hintere  leere  Fach.  — 
J  L  ^=-  Frkn.  in  seiner  Entwicklung  fuach  Poisson).  —  M  =  Fruchtstand  von  Casuarina  leueodon 
Poisson.  —  N  =  ein-,!elne  Frucht.  —  0  =  unterer  Theil  der  Frucht  mit  Längsschnitt  durch  den  Samen. 
(Aus  Engler  und   Prantl's  Natürlichen  Pfianzenfamilien.    —    Verlag  von  Wilhelm  Engelmann   in  Leipzig.) 


Lebermoose  ähnlicher  Zellkörper,  welcher  bei  den  isosporen 
Pteridophyten  Ijeide  Arten  von  Geschlechtsorganen  besitzt. 
Die  heterosporen  Pteridophyten  besitzen  2  oft  durch  Grösse 
und  Form  verschiedene  Arten  von  Sporen,  die  auch  in 
zweierlei  Sporangien  (Makro-  und  Mikrosporangien)  erzeugt 
werden.  Beide  bilden  bei  der  Keimung  nur  ein  wenig 
entwickeltes  Prothallium.  Das  aus  einer  ilikrospore  entste- 
hende Prothalliuin 
erzeugt  nur  männ- 
liche Geschlechts- 
organe ( Anthcridi- 
en),  das  aus  einer 
Makrospore  ent- 
stehende nur  weib- 
liche (Archego- 
nien).  Die  Entste- 
hung der  Mikro- 
sporen  erfolgt  in 
der  Weise,  dass 
sich  jede  Sporen- 
mutterzelle  in  4 
Sporen  theilt.  In 
den  Makrosporau- 
gien  dagegen  ver- 
drängt eine  Spo- 
remnutterzellealle 
übrigen  und  theilt 
sich  in  4  Sporen, 
von  denen  oft 
noch  3  zu  Grun- 
de gehen,  sodass 
im  ausgewachse- 
nen Makrosporan- 
gium  meist  nur 
i  Spore  enthal- 
ten ist. 
Bei  den  Phanero- 
gamen  geschieht 
dieBildung  derGe- 
sehlechtsorgane 
in  folgender  Wei- 
se. In  den  Pol- 
lensäcken der 
Staubbeutel  ent- 
wickeln sich,  den 
Mikrosporeu  ent- 
sprechend, sehr 
zahlreiche  Pollen- 
körner, während 
die  als  weiblir 
cbes  Organ  fun- 
girende  Samen- 
knospe (leider 
„Ovulum'-  ge- 
nannt) im  Em- 
bryosack meist 
nur  1  Eizelle  (Oos- 
phäre),  selten  meh- 
gemäss : 


rere. 


sich  dem 


Phanerogamen 


der 


der 


die 


und    die   Mikro- 
und    das  Mikro- 


enthält.     Es  entsprechen 
das  Pollenkorn    der 

spore  der  Kryptogamen; 
Pollensack   der  Phanerogamen 

sporangium  der  Kryptogamen; 
Embryosack  der  Phanerogamen   und  die  Makro- 
spore der  Kryptogamen; 
Samenknospe  der  Phanerogamen  und  das  Makro- 
sporaugium  der  Kryptogamen. 
Zwischen  Phanerogamen  und  Kryptogamen  besteben 
aber  nicht  blos  obige  Homologien,sondern  bei  den  Cycadcen 


34 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  4. 


und  einigen  Coniferen  ist  auch  die  Entwickehing-  der 
entsprechenden  Organe  eine  ähnliche.  Bei  den  Cycadeen 
entwickelt  sich  inmitten  eines  dem  Archesporium  ent- 
sprechenden Zellcomplexes  eine  Zelle  auffallend  stark 
und  wird  zur  Embryosack-Mutterzelle  (Sporen-Mutterzelle). 
Von  den  aus  dieser  entstehenden  3  Zellen  entwickelt  sich 
eine  wiederum  besonders  stark,  verdrängt  die  anderen 
und  wird  zum  Embryosack.  In  diesem  entsteht  durch 
freie  Zellbildung  ein  dem  Prothallium  entsprechendes  Ge- 
webe, an  dessen  Scheitel  sich  die  den  Archegonien  ent- 
sprechenden weiblichen  Organe  bilden;  und  zwar  eine 
kleine  obere  Zelle  (Halszelle)  und  eine  grössere  untere 
(Centralzelle). 

Bei  den  Gymnospermen  sind  die  Samenknospen  nur 
von  1  oder  2  Hüllen  (lutegumenten)  umgeben,  welche  an 
der  Spitze,  der  sog.  Kernwarze,  eine  canalartige  Ocffnung 
(Mikropyle)  freilassen;  im  übrigen  liegen  die  Samen- 
knospen, wie  schon  der  Name  Gymnospermen  besagt, 
offen  auf  den  Fruchtblättern  (Carpellen).  Bei  den  Angio- 
spermen sind  sie  ausser  von  den  Integumenten  noch  von 
den  verwachsenen  Fruchtblättern  umgehen,  liegen  also  in 
einem  völlig  geschlossenen  Gebilde,  dem  Fruchtknoten. 
Der  von  den  Integumenten  umschlossene  Tbeil  der  Samen- 
knospe wird  Knospeukcrn  (Nucellus),  der  der  Mikropyle 
entgegengesetzte  Theil  Knospengrund  (Chalaza)  genannt. 
Dieser  steht  in  Verbindung  mit   dem  Nabelstrang  (Funi- 


culus),  welcher  letztere  die  Samenknospe  mit  der  Frucht- 
knotenwand verbindet. 

Die  Befruchtung  geschieht  nun  in  folgender  Weise: 
Der  auf  die  Narbe  fallende  oder  gebrachte  Pollen  keimt 
in  der  dort  abgesonderten  Flüssigkeit  aus.  Der  hierbei 
entstehende  Schlauch  muss  nun,  um  zum  Ei  zu  gelangen, 
zunächst  den  Griflfelcanal  durchwachsen,  dringt  dann  in  der 
Fruchtknotenhöhle  l)is  zur  Mikropyle  und  durch  diese  und 
das  Gewebe  der  Kernwarze  hindurch  bis  zum  Ei  vor.  Der 
Weg,  welchen  er  dabei  einschlägt,  ist  ihm  durch  den  ganzen 
Bau    des    Fruchtknotens    gewissermaassen    vorgezeichnet. 

Im  Grunde  des  Embryosackes  entstehen  längere  Zeit 
vor  der  Befruchtung  durch  freie  Zellbildung  3  sich  bald 
mit  Membranen  umkleidende  Zellen,  die  Antipoden  oder 
Basalzellen.  An  dem  anderen,  der  Mikropyle  zugewendeten 
Ende  des  Embryosackes,  bilden  sich  fast  stets  3  membran- 
lose Zellen  mit  je  einem  Zellkerne.  Zwei  derselben,  die 
sog.  Gehülfinnen  (Synergiden)  liegen  mit  ihrem  Scheitel 
unmittelbar  an  der  Wand  des  äussersten  Scheitels  des 
Embryosackes.  Die  dritte  Zelle  liegt  etwas  tiefer;  sie  ist 
das  eigentliche  Ei,  welches  sich  nach  der  Befruchtung 
allein  zum  Embryo  entwickelt.  Eine  unmittelbare  Be- 
rührung des  Pollenschlauchs  mit  der  I^izelle  findet  nicht 
statt,  sondern  der  befruchtende  Stoff  tritt  auf  osmotischem 
Wege  durch  die  Synergiden  hindurch  in  die  Eizelle  ein. 

(Fortsetzung  folgt.) 


Mathematische  Spielereien  in  kritischer  und  historischer  Beleuchtung. 


Von  Prof.  Dr.  H.  Schubert. 


V.  Zwei  Dinge  zu  rathen,  die  in  angegebenen 

Reihen   liegen. 

(Mutus  dedit  noinen  cocis.) 

Das  alte  und  sehr  verbreitete  Kartenkunststück  „Mutus 
dedit  nomen  cocis"  besteht  bekanntlich  darin,  dass  der 
Eathende  10  Paare  Karten  aufdeckt,  von  denen  man  sich 
ein  Paar  merken  soll.  Nachdem  der  Rathende  dann  die 
20  Karten  in  gewisser  Weise  in  4  Reihen  zu  je  5  hin- 
gelegt hat  und  gehört  hat,  in  welcher  Reihe  bezw.  welchen 
beiden  Reihen  das  gemerkte  Paar  liegt,  ist  er  im  Stande, 
anzugeben,  welches  die  beiden  gemerkten  Karten  sind. 
Er  nimmt  die  Karten  nämlich  so  zusammen,  dass  immer 
die  Karten  eines  Paares  zusammenbleiben,  denkt  sich 
dann  die  5  Buchstaben  jedes  der  4  Wörter  .,  Mutus 
dedit  nomen  cocis"  in  4  Reihen  auf  den  Tisch  ge- 
schrieben, und  legt  die  Karten  jedes  Paares  so,  dass  sie 
auf  zwei  gleiche  Buchstaben  zu  liegen  kommen.  Wird 
ihm  nun  gesagt,  dass  die  gemerkten  Karten  beide  in  der 
ersten  Reihe  liegen,  so  ist  es  die  zweite  und  vierte,  weil 
in  Mutus  nur  der  zweite  und  vierte  Buchstabe,  nämlich  u, 
derselbe  ist.  Lägen  die  Karten  beide  in  der  zweiten 
Reihe,  so  müsste  die  erste  und  dritte  das  Paar  bilden, 
weil  in  dedit  der  erste  und  dritte  Buchstabe  gleich  ist, 
u.  s.  w.  Hörte  man  ferner,  dass  die  beiden  gemerkten 
Karten  in  der  ersten  und  zweiten  Reihe  liegen,  so  müsste 
mau  den  Buchstaben  suchen,  der  in  Mutus  und  dedit  zu- 
gleich vorkommt.  Man  fände,  dass  es  das  t  ist,  woraus 
mau  zu  schliessen  hätte,  dass  die  dritte  Karte  der  ersten 
Reihe  und  die  fünfte  der  zweiten  Reihe  das  gemerkte 
Paar  bilden.  Ebenso  würde  man  aus  der  Angabe  „zweite 
lind  vierte  Reihe"  wegen  des  gemeinsamen  Buchstabens  i 
finden,  dass  die  vierte  Karte  der  zweiten  Reihe  mit  der 
vierten  Karte  der  vierten  Reihe  das  gemerkte  Paar  zu- 
sammensetzen, u.  s.  w.  Der  Erfolg  dieses  Kunststücks  be- 
ruht darauf,  dass  die  10  Buchstaben,  die  in  Mutus  dedit 
nomen  cocis,  jeder  zweimal,  vorkommen,  sich  derartig  ver- 


theilen,  dass  erstens  jedes  Wort  einen  Buchstaben  dop- 
pelt enthält,  und  dass  zweitens  je  zwei  Reihen  immer 
einen  Buchstaben  gemeinsam  haben. 

Es  liegt  nahe,  dieses  kleine  Kunststück,  dessen  Ge- 
schichte dem  Verfasser  unbekannt  ist,  auf  beliebig  viele 
Reihen  auszudehnen.  Obwohl  man  statt  der  Karten  natür- 
lich beliebige  Dinge  setzen  kann,  wollen  wir  doch,  der 
Einfacliiieit  des  Ausdrucks  wegen,  Karten -Paare  als  die 
zu  rathenden  Dinge  betrachten.  Sollen  u  Reihen  gelegt 
werden,  so  müssen  in  jeder  Reihe  immer  n  +  1  Karten 
liegen,  wie  sich  auf  folgende  Weise  ergiebt.  In  jeder 
Reihe  sind  zwei  Karten,  die  ein  Paar  bilden,  ausserdem 
noch  je  eine  Karte,  die  mit  einer  der  übrigen  n  —  1 
Reihen  ein  Paar  bildet;  also  muss  jede  Reihe  2  4-u  —  1 
oder  n  +  1  Karten  enthalten.  Für  n  =  1  ist  das  Kunst- 
stück naiv.  Für  n  =  2  sind  zwei  Reihen  von  je  drei 
Karten  zu  legen.  Man  hat  sich  dann  nur  zu  merken,  an 
welche  Stelle  jeder  Reihe  man  die  beiden  Karten  legt, 
von  denen  die  eine  in  der  einen,  die  andere  in  der  andern 
Reihe  zu  liegen  hat.  Bezeichnen  zwei  gleiche  Buchstaben 
immer  ein  Paar,  so  kann  die  Legweise  der  drei  Karten- 
paare so  verdeutlicht  werden: 

a     b     a 


Ebenso  kann  man  für  n  ^  3,  also  für  ß  Karten-Paare, 
die  Legweise  aus  folgender  Buchstaben-Zusammenstellung 
entnehmen: 

a     b     c     a 

b     d     e     d 

c     e     f     f 

Es  fragt  sich  nun,  ob  man  ein  leicht  behaltbares 
Princip  der  Zusannuenstellung  der  Buchstaben  finden  kann, 
wenn  n  beliebig  gross  ist,  da  man  ja  doch  darauf  \ev- 
zichten  muss,  für  grössere  n  Zaubersprüche  zu  ersinnen, 
die  ebenso   gut  passen,    wie  die  Buchstaben    in    „Mutus 


Nr.  4. 


Naturwissenscliaftliche  Wochenschrift. 


35 


dedit  nomen  cocis"  für  n  =  4  passen.  Ein  solches  Prin- 
cip,  das  sich  dem  Gedächtniss  leicht  einpiiigt,  ist  folgendes : 
„In  der  a-ten  Reihe  soll  immer  die  a-te  und  die 
letzte  Karte  ein  Paar  bilden;  und  ausserdem 
sollen  immer  die  b-te  Karte  der  c-ten  Reihe  mit 
der  c-ten  Karte  der  b-ten  Reihe  als  Paar  zu- 
saraniengehören."  Bezeichnen  also  wieder,  wie  oben, 
zwei  gleiche  Buchstaben  ein  Paar,  so  kann  die  aus  dieser 
Regel  für  n  =  7  resultirende  Legweise   folgeudermaasseu 


veranschaulicht  ' 

Verden: 

A 

b 

c 

d 

e 

f 

8' 

A 

b 

B 

h 

i 

k 

1 

m 

B 

c 

h 

C 

n 

0 

P 

q 

C 

d 

1 

u 

D 

r 

s 

t 

D 

e 

k 

0 

r 

E 

u 

V 

E 

f 

1 

p 

s 

u 

F 

w 

F 

§• 

m 

q 

t 

V 

w 

G 

G 

(Die  grossen  Buchstaben  bezeichnen   immer  zwei  Kui-ten ,    din   in 
derselben  Reihe  liegen.) 

Es  ist  nun  nicht  schwer,  hiernach  das  Kunststück  für 
beliebig  viele  Karten  durchzuführen.  Natürlich  kann  man 
statt  der  Karten  auch  andere  untersclieidbare  Dinge 
nehmen.  Zur  Unterhaltung  einer  Gesellschaft  empfiehlt 
sieb  z.  B.  die  Wahl  von  männlichen  und  weiblichen  Vor- 
namen. Wir  wollen  hier  beliel)ig  zusammengestellte  Paare 
von  Zahlen  nehmen.  Für  n  =  7  ergeben  sich  28  Paare. 
Wir  schreiben  also  auf  56  gleich  grosse  Zettel  etwa  die 
Zahlen  von  1  bis  56,  und  legen  dieselben,  nachdem  sie 
gehörig  durcheinandergeraischt  sind,  so  zu  Paaren  zu- 
sammen, wie  der  Zufall  es  fügt.  Jeder  in  der  Gesellschaft 
kann  sich  nun  ein  zusammenliegendes  Paar  merken,  und 
wir  werden  ihm  nachher  das  gemerkte  Paar  nennen 
können,  nachdem  wir  die  Paare  aufgenommen,  gemäss 
der  obigen  Regel  gelegt  und  gehört  haben,  in  welcher 
Reihe  bezw.  welchen  beiden  Reihen  die  beiden  gemerkten 
Zahlen  liegen.  Beispielsweise  seien  die  56  Zalden  zu- 
fällig in  folgender  Weise  zu  28  Paareu  zusammengelegt: 


13    16    17     1     31    32     5      33    41    51    42    52    43    14 

29    50    34    53    18    22    30     19     15     8     21     2      3     38 

44    54    47     6     46     7     55      9     45    10    39    11    12    3ß 
26    28    27    48     4     49    20    56     23    40    25    35    37    24 

Nachdem  wir  diese  Paare  aufgenommen  haben,  legen 
wir  sie  nach  der  angegebenen  Regel,  wobei  wir  hinsicht- 
lich der  Reihenfolge,  in  welcher  wir  die  Paare  nach  ein- 
ander auf  den  ihnen  zuktimmcuden  Platz  legen,  beliebig 
verfahren  werden,  um  dem  Ueschauer  das  Legungsgesetz 
zu  verhüllen.  Die  28  Zahlen -Paare  mögen  also  etwa  so 
gelegt  sein: 

42    43    44    47     46    55     45    21 

3  39     37     13     17     31      5     25 

26  12  41  51  52  14  54  15 

27  29  8  6  7  9  10  48 

4  34  2  49  11  .36  16  35 
20  18  38  56  24  1  32  53 
23  30  28  40  50  22  33  19 

Hören  wir  nun,  dass  zwei  gemerkte  ZahU'n  I)('ide  in 
der  fünften  Reihe  liegen,  so  werden  wir,  unserer  Regel 
eingedenk,  die  fünfte  und  letzte,  also  11  und  35  nennen. 
Hören  wir  ferner,  dass  zwei  gemerkte  Zahlen  in  der 
dritten  und  sechsten  Reihe  liegen,  so  muss  es  nach  unserer 
Regel  die  sechste  Zahl  der  dritten  Reihe  und  die  dritte 
Zahl  der  sechsten  Reihe,  also  14  und  38  sein.  Ibiren 
wir  endlich,  dass  die  Zahlen  in  der  ersten  und  dritten 
Reihe  liegen,  so  können  wir  sofort  das  richtige  Zahlen- 
Paar  44  und  26  nennen. 

Man  erkennt  leicht,  dass  in  dieser  Weise  das  Kunst- 
stück auf  beliebig  viele  Reihen  ausgedehnt  werden  kann 
und  um  so  überraschender  wirken  muss,  je  grösser  die 
Zahl  der  Reihen  und  also  auch  die  Zahl  der  Paare  wird. 
So  hat  also  die  Heraussuehung  des  iu  dem  alten  Karten- 
kunststück steckenden  mathematischen  Kerns  dasselbe  be- 
deutend vervollkommnet.*) 

*)  Wird  fortgesetzt. 


üeber  die  Entstehung  und  die  Heilung  von  Krank- 
lieiten  durch  Vorstellungen  hielt  Professor  Dr.  Adolf 
Strümpell  beim  Antritt  des  Prorcctorats  der  Universität 
zu  Erlangen  eine  Rede,  der  wir  (nach  dem  Abdruck  der- 
selben in  der  Berliner  Klinischen  Wochenschrift)  das  Fol- 
gende entnehmen. 

Die  einfachste  Selbstbeobachtung  zeigt  uns,  wie  jede 
stärkere  psychische  Erregung  eine  Anzahl  der  auffallend- 
sten körperlichen  Erscheinungen  zur  Folge  hat.  Auf  fast 
allen  überhaupt  vorhandenen  Gebieten  nervöser  Ueber- 
tragung  machen  sich  unter  Umständen  diese  Folgen  be- 
merkbar. Unsere  Bewegungsorganc  können  erregt  oder 
in  ihrer  Thätigkeit  gehemmt  werden:  Furcht  oder  Auf- 
regung machen  uns  am  ganzen  Körper  zittern  oder  der 
Schreck  lähmt  unsere  Glieder.  Auch  die  Muskeln  unserer 
Blutgefässe  werden  durch  primäre  rein  seelische  Er- 
regungen in  die  Zustände  des  Krampfes  oder  der  Er- 
schlaffung übergeführt:  wir  erröthen  vor  Scham  oder  vor 
Zorn,  wir  werden  blass  vor  Furcht  oder  innerer  Erregung. 
Auch  auf  die  Thätigkeit  zahlreicher  Drüsen  haben  die 
Zustände  unseres  Bewusstseins  den  grössten  Einfluss:  wir 
vergiessen  Thränen  der  Trauer,  uns  bricht  der  Angst- 
schweiss  aus,  uns  (|uält  andererseits  die  Trockenheit  des 
Mundes,  wenn  wir  iu  aufgeregter  Stimnuing  sprechen  sollen. 

Alle  diese  Vorgänge  fallen  noch  nicht  in  das  Gebiet 
eigentlich  krankhafter  Zustände,  obwohl  sie  bereits  aus 
dem  ruhigen  Gleichmaass  der  ungestört  ablaufenden  Le- 
benserscheinungeu  heraustreten.     Sie  bilden  aber  die  un- 


mittelbare Vorstufe  zu  ungemein  häufigen  wirklichen 
Krankheitszuständen,  welche  einem  unaufmerksamen  Be- 
obachter leicht  als  rein  k(>rperlichc  Leiden  erscheinen, 
während  sie  doch  in  Wirklichkeit  nichts  Anderes  sind, 
als  die  uothwendigen  körperlichen  Folgen  rein  geistiger 
Vorgänge  und  daher  auch  nur  mit  diesen  letzteren  zu- 
sammen wieder  verschwinden  können.  Derartige  krank- 
hafte Zustände  entstehen  sowohl,  wenn  ein  einmaliger, 
aber  ungewöhnlich  heftiger  psychischer  Shok  eine  an- 
haltende hochgradige  Erregung  des  Bewusstseins  ver- 
ursacht, oder  wenn  eine  ähnliche  Wirkung  durch  an  sich 
leichtere,  aber  häufig  wiederkehrende  uud  in  ihrer  Wir- 
kung sich  daher  sunnnirende  Einflüsse  erzielt  wird. 

Für  die  praktische  Bedeutung  dieser  Vorgänge  ist 
aber  Nichts  von  so  einschneidender  Wichtigkeit,  wie  die 
Thatsache  der  ungemein  grossen  individuellen  Unter- 
schiede in  Bezug  auf  ihre  Stärke  und  Ausdehnung,  sowie 
die  Leichtigkeit  ihres  Eintritts.  Wie  wir  verschiedene 
körperliche,  so  müssen  wir  auch  verschiedene  geistige 
Constitutionen  annehmen,  zu  deren  wesentlichsten  Unter- 
scheidungsmerkmalen gerade  die  besondere  Beschatfenheit 
des  Abhängigkeitsverhältnisses  zwischen  seelischen  und 
körperlichen  Vorgängen  besteht.  Dabei  kann  aber  kein 
Zweifel  darüber  sein,  dass  diese  Unterschiede  ihrem  Wesen 
nach  vorzugsweise  auf  dem  geistigen  Gebiete  selbst  liegen, 
dass  also  die  Leichtigkeit  des  Eintritts  psychisch  bedingter 
körperlicher  Störungen  nicht  etwa  auf  einer  abnorm 
schwachen  Widerstandskraft  des  Körpers  beruht,  sondern 


36 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  4. 


Von  der  besonderen  Leichtigkeit  und  Häufigkeit  des  Ein- 
tritts abnorm  starker  seelischer  Erregungen  abhängt. 
Wenn  man  gegenwärtig  die  gewöhnlichen  leichten  Grade 
körperlich  hervortretender,  aber  psychisch  bedingter  Reiz- 
oder Depressionserscheinungeu  als  „Nervosität"  be- 
zeichnet, so  müssen  wir  wohl  daran  festhalten,  dass  die 
Nervosität  im  Sinne  der  Wissenschaft  eine  besondere 
geistige,  aber  keine  körperliche  Constitution  bezeichnet. 
Wohl  kann  sie  zuweilen  erworben  und  daher  vielleicht  im 
Zusammenhang  mit  gewissen  körperlichen  Veranlassungen 
entstanden  sein;  in  den  meisten  Fällen  ist  sie  aber  nichts 
Anderes,  als  ein  Ausdruck  der  besonderen  geistigen  In- 
dividualität, welche  zweifellos  durch  die  Verhältnisse  des 
äusseren  Lebens,  durch  Schicksal,  Erziehung  und  Selbst- 
beeinflussung niodificirt  und  in  Schranken  gehalten  werden 
kann,  deren  innerstes  Wesen  aber  völlig  zu  unserer  von 
Geburt  an  gegebenen  Eigenart  gehört  und  ein  Erbtheil 
unserer  Natur  ist. 

Eine  genauere  psychologische  Analyse  der  Nervosität 
lässt  den  in  der  Besonderheit  des  geistigen  Naturells  ge- 
legenen Ursprung  derselben  fast  immer  deutlich  erkennen. 
Eine  derartige  Analyse  führt  zur  genaueren  Feststellung- 
aller  Eigenthümlichkeiteu  des  „nervösen"  Bewusstseins. 
Wir  erkennen  dann,  dass  das  „nervöse"  Bewusstsein  durch 
das  besondere  häufige  und  leichte  Auftauchen  gewisser 
Vorstellungen  und  Vorstellungsgrnppeu  cliarakterisirt  ist, 
ebenso  wie  durch  das  erleichterte  Eintreten  gewisser 
Associationen  mit  anderen  Vorstellungen  meist  ängstlichen 
und  schreckhaften  Inhalts,  und  endlich  durch  die  auf- 
fallende .Schwäche  der  Hemmung,  welche  unter  normalen 
Verhältnissen  derartige  ängstliche  Vorstellungen  durch 
andersartige  ihnen  entgegenwirkende  Vorstellungen  er- 
fahren. 

Auf  die  auf  den  Zustand  des  eigenen  Körpers  sich 
beziehenden  Vorstellungen  ängstlichen  Inhalts,  die  hypo- 
chondrischen Vorstellungen,  geht  St.  specieller  ein. 
Der  Einfluss  und  die  Bedeutung  derartiger  Vorstellungen, 
von  denen  nur  wenige  Menschen  völlig  frei  sind,  und 
deren  Ursprung  ja  zum  Theil  in  den  vollkommen  be- 
rechtigten Gedanken  der  Vorsicht  und  der  Selbsterhaltung 
gelegen  ist,  können  kaum  hoch  genug  angeschlagen  wer- 
den. Denn  nicht  nur,  dass  hierdurch  zahlreiche  sonstige 
Vorstellungen  und  Thätigkeiten  eine  nicht  unbeträchtliche 
Hemmung  erfahren:  die  hypochondrischen  Vorstellungen 
sind  selbst  unmittelbar  die  Ursachen  einer  grossen  Reihe 
abnormer  körperlicher  Zustände.  Bei  ihrer  gewölmlicheu 
Lebhaftigkeit  und  der  besonderen  Art  ihres  Inhaltes  wer- 
den sie  zunächst  alle  jene  allgemeinen  P"'olgeersc]ieinungen 
hervorrufen,  deren  nothwendiges  Auftreten  bei  jeder  stär- 
keren seelischen  Erregimg  überhaupt  bereits  bekannt  ist. 
Ausserdem  aber  sehen  wir,  dass  jede  einer  Erwartung 
entsprechende,  besonders  lebhafte  Vorstellung  unter  Um- 
ständen die  subjective  Empfindung  des  erwarteten  Vor- 
stellungsinhalts hervorrufen  kann.  Diese  Thatsache  erklärt 
uns  die  Entstehung  einer  grossen  Reihe  von  Krankheits- 
zuständen.  Wir  erkennen,  wie  durch  die  blosse  Angst 
vor  einem  Magenleiden  alle  subjectiven  Empfindungen 
eines  solchen,  durch  die  Fmcht  vor  einem  Herzfehler  alle 
subjectiven  Erscheinungen  desselben  entstellen.  Immer  ist 
hier  die  Vorstellung  das  Primäre,  der  körperliche  Zustand 
die  nothwendige  Folge.  Nicht  von  eingebildeten  Krank- 
heiten dürfen  wir  da  sprechen,  sondern  von  Krankheiten, 
die  dur^h  Einbildung,  d.  h.  durch  Vorstellungen  entstanden 
sind.  Wie  weit  diese  Beeinflussung  des  Körperlichen  durch 
das  Vorstellungsleben  reichen  kann,  ahnt  derjenige  nicht, 
der  diese  Verhältnisse  nicht  eingehend  studirt  hat.  Denn 
in  ihrer  weiteren  Entwicklung  und  Ausbildung  können  die 
leichtesten  Störungen  dieser  Art  schliesslich  in  eine  völlige 
Unordnung    und    Auflösung    aller    normalen  Beziehungen 


zwischen  den  köi'perlichen  und  geistigen  Vorgängen  aus- 
arten. Die  Vorstellung  der  Lähmung  kann  zu  wirklicher 
Lähmung,  die  Vorstellung  einer  erwarteten  Empfindung 
zur  Hallucination  führen.  Nimmt  man  hinzu,  wie  hierbei 
in  Wirklichkeit  oft  noch  die  Wahnvorstellungen  eines  von 
vornherein  krankhaften  Bewusstseins  eine  Rolle  spielen, 
so  gewinnt  man  eine  Einsicht  in  die  Entstehung  jener 
schweren  und  traurigen  Krankheitszustände,  bei  denen 
sich  die  krankhafte  Erregung  der  Vorstellungen  in  dem 
völligen  Verlust  jeder  geordneten  Willensthätigkeit  oder 
in  den  Visionen  der  Extase  äussert.  Nur  durch  die  Analyse 
der  einfachsten  Verhältnisse  können  wir  auch  für  diese 
verwickelten  Zustände  den  Faden  des  Verständnisses  ge- 
winnen. — 

Die  Beeinflussung  der  Körperlichkeit  durch  die  Zu- 
stände unseres  Bewusstseins  geschieht  nun  nicht  nur  in 
ungünstiger,  sondern  ebenso  häufig  in  einer  die  Beziehun- 
gen beider  zu  einander  regelnden  und  von  Neuem  be- 
festigenden Weise.  Während  die  lebhafte  Vorstellung  eines 
gefürchteteu  Uebels  häufig  die  subjectiven  Empfindungen 
der  scheinbar  bereits  bestehenden  Krankheit  hervorruft, 
wird  andererseits  die  Vorstellung  der  sicher  gefundenen 
Hülfe  in  einem  solchen  Falle  auch  sofort  die  angstvolle 
Aufregung  des  Bewusstseins  und  damit  auch  alle  hier- 
durch entstandenen  körperlichen  Folgezustände  beseitigen. 
Durch  das  Auftauchen  der  neuen  beruhigenden  Vorstellung 
wird  die  vorhergehende  beängstigende  aus  dem  Bewusst- 
sein verdrängt. 

Diese  Verhältnisse  sind  so  einfach,  dass  sie  einer 
aufmerksamsn  und  denkenden  ärztlichen  Beobachtung  nie- 
mals ganz  entgangen  sind.  Jedoch  der  volle  Umfang 
ihrer  Wirksamkeit  und  Bedeutung  kann  erst  jetzt  richtig 
beurtheilt  werden,  seitdem  wir  ein  eingehenderes  Ver- 
ständuiss  für  den  psychischen  Ursprung  so  zahlreicher, 
scheinbar  rein  körperlicher  Krankheiten  und  Krankheits- 
syraptome  gewonnen  haben.  Insbesondere  ist  es  ein  Um- 
stand, den  man  von  den  ältesten  Zeiten  an  bis  in  die 
Gegenwart  hinein  häufig  übersehen  hat.  Der  erwähnte 
p.sychische  Factor,  nämlich  der  Einfluss  der  Vorstellungen 
auf  die  Beseitigung  zahlreicher,  scheinbar  körperlicher 
Krankheitssymptome,  wird  sich  natürlich  oft  auch  allen 
sonstigen  ärztlichen  Hülfeleistungen  beigesellen.  Denn 
selbstverständlich  wird  das  Auftauchen  der  neuen,  die 
Hofl'nung  und  die  Ueberzeugung  der  wiederkehrenden  Ge- 
nesung ausdrückenden  Vorstellungen  in  den  meisten  Fällen 
nur  durch  äussere  Anlässe  hervorgerufen,  indem  das  Be- 
wusstsein den  Glauben  an  die  Wirksamkeit  irgend  welcher 
allgemein  verbreiteter  oder  ihm  durch  sonstige  Neben- 
unistände  besonders  heilsam  erscheinender  Mittel  gewinnt. 
Hierdurch  entsteht  aber  nicht  nur  für  den  Kranken,  son- 
dern ebenso  für  den  Arzt  eine  ergiebige  Quelle  von  Irr- 
thümern.  Denn  auch  der  letztere  versäumt  es  nur  zu 
leicht,  neben  den  unmittelbaren  Wirkungen  der  von  ihm 
getroffenen  Maassnahmen,  gleichzeitig  auch  die  Bedeutung 
der  hierdurch  bei  dem  Patienten  hervorgerufenen  Vor- 
stellungen in  Betracht  zu  ziehen.  So  kommt  es,  dass 
die  Aerzte  oft  lange  Zeit  hindurch  von  der  specifischen 
Wirksamkeit  gewisser  Heilmittel  überzeugt  sind,  während 
doch  die  in  der  That  beobachteten  günstigen  Heilerfolge 
keineswegs  diesen  Mitteln  selbst,  sondern  in  Wirklichkeit 
nur  dem  auf  sie  gesetzten  Vertrauen  entspringen.  So  er- 
klärt sich  denn  auch,  warum  die  neu  entdeckten  Medi- 
camente so  häufig  ihre  anfangs  allgemein  gepriesene  Heil- 
kraft schon  nach  wenigen  Jahren  wieder  verlieren.  An- 
dererseits sind  uns  aber  auch  jetzt,  seitdem  wir  eine 
genauere  Keunfniss  von  der  Maclit  der  Vorstellungen  auf 
gewisse  körperliche  Zustände  gewonnen  haben,  zahlreiche 
Vorkommnisse  leicht  erklärlich  geworden,  die  früher  von 
dem  Nebel   des  Geheimnissvollen  und  Wunderbaren  ver- 


Nr.  4. 


Naturwisseiiscbaftliche  Wochenschrift. 


37 


hüllt  waren.  Selbst  in  den  durch  die  Leg\'iidenbildung- 
und  durch  abergläubische  Uebcrtreibunj;-  häufig-  noch  aus- 
geschmückten Erzählungen  von  den  überraschenden  Hei- 
lungen schwer  Kranker,  Gelähmter,  Besessener  u.  dgl. 
durch  wunderkräftige  Bilder  und  ]leli(|uien,  durch  Zauberei 
und  Hexenkunst,  durch  Sympathie,  Homöopathie  und  Heil- 
magnetismus, erkennen  wir  den  wahren  Kern  wirklich 
erlebter,  aber  freilich  falsch  gedeuteter  Tbatsaciien,  und 
verstehen,  wie  allein  durch  diesen  thatsächlichen  Kern 
der  Glaube  an  dei'artige  übernatürliche  Heilkräfte  genährt 
und  verbreitet  wird.  Theils  in  unndttelbarer  Fortsetzung 
der  überlieferten,  theils  in  neuen  Formen  wird  die  Macht 
der  Vorstellungen  noch  gegenwärtig  in  absichtlicher  oder 
in  unbewusster  Weise  tagtäglich  gebraucht,  um  den  Ruhm 
gewisser  Heilkünstler  zu  mehren  und  den  Glauben  au 
gewisse  Heilkräfte  zu  unterhalten.  Die  Macht  der  Vor- 
stellungen ist  die  gefährlichste  Waft'e,  welche  dem  soge- 
nannten Kurpfuscherthum  in  seinem  Kam])fe  gegen  die 
wissenschaftliche  Heilkunde  zu  Gebote  steht. 

Die  Wissenschaft  hat  nun  die  Grenzen  festzustellen, 
bis  zu  welchen  die  Macht  der  Vorstellungen  reicht.  Dieses 
Machtgebiet  ist  natürlich  ein  beschränktes,  die  ganze  Fülle 
der  sogenannten  organischen,  anatomischen  Krankheits- 
processe  entzieht  sich  so  gut  wie  ganz  diesem  Einflüsse. 
Nur,  was  durch  Vorstellungen  entstanden  ist,  kann  auch 
auf  diese  Weise  wieder  beseitigt  werden,  und  wenn  eine 
genauere  Einsicht  uns  auch  gezeigt  hat,  dass  die  psychisch 
bedingten  Kraukheitszustäude  weit  häufiger  und  mannig- 
faltiger sind,  als  man  früher  geahnt  hat,  so  wäre  doch 
eine  Uebertreibung  dieser  Thatsachen  eben  so  tadelns- 
werth,  wie  eine  Unterschätzung  derselben.  Jedenfalls  wird 
sich  die  wissenschaftliche  ziel-  und  zweckbewusste  An- 
wendung der  psychischen  Therapie  streng  unterscheiden 
von  der  immer  halb  unbewussten  und  ganz  unverstandenen 
Verwerthung  der  gleichen  Einwirkungen  durch  den  Schwär- 
mer oder  den  Charlatan.  Wie  schwierig  es  aber  gewesen 
ist,  den  Standpunkt  zur  riclitigen  Beurtheilung  dieser  Ein- 
wirkungen zu  gewinnen,  geht  schon  daraus  hervor,  dass 
selbst  Kant,  der  vor  beinahe  100  Jahren  eine  Abhandlung 
verfasst  hat  „von  der  Macht  des  GemUths,  durch  den 
blossen  Vorsatz  seiner  krankhaften  Gefühle  Meister  zu 
sein",  doch  ein  sehr  ungenügendes  Verständniss  der  hier 
in  Betracht  kommenden  Vorgänge  hatte.  Kant  betont 
nur,  wie  die  durch  einen  festen  Willen  erfolgende  Ab- 
lenkung der  Aufmerksamkeit  von  den  krankhaften  körper- 
lichen Empfindungen  diesen  den  Eintritt  in  das  Bewusst- 
sein  erschwert  oder  unmöglich  macht,  während  ibm  der 
ausgedehnte  direete  Einfluss  der  Vor.stellungen  auf  das 
körperliche  Befinden  selbst  und  auf  das  ungestörte  Zu- 
sammenwirken der  seelischen  und  körperlichen  Vorgänge 
noch  fast  gänzlich  unbekannt  war.  Der  Arzt  Hufeland, 
auf  dessen  Anregung  hin  Kant  seine  oben  erwähnten 
Bemerkungen  niedergeschrieben  hat,  war  durch  seine  ärzt- 
liche Erfahrung  schon  zu  einer  viel  eingehenderen  Kennt- 
niss  und  richtigeren  Beurtheilung  der  betreffenden  Ver- 
hältnisse gelangt. 

Die  Ziele  der  psychischen  Therapie  sucht  die  gegen- 
wärtige Medicin  vielfach  durch  die  Methode  der  „hypno- 
tischen Suggestion"  zu  erreichen. 

Hypnotismus,  d.  h.  das  künstliche  Hervorrufen  eines 
schlafähnlichen  abnormen  psychischen  Zustandes,  und 
Suggestion,  d.h.  die  feste  Einfügung  einer  bestimmten 
Vorstellung  in  das  Bewusstsein  eines  Anderen  —  sind  die 
neuen  Schlagworte,  deren  Gebrauch,  wie  es  bei  neu  ein- 
geführten Ausdrücken  so  häufig  der  Fall  ist,  zwar  der 
raschen  Verljreitung  der  Sache  selbst  dienlicii  ist,  anderer- 
seits aber  auch  nur  zu  oft  einem  oberflächlichen  und 
mangelhaften  Verständniss  als  bequemer  Deckmantel  dient. 
Bekanntlich  ist   nur   das  Wort  „Hypnotismus"   neu;    die 


Keuntniss  der  hypuntischen  Erseheinungen  reicht  nnn- 
destens  ebenso  weit  zurück,  wie  überhaupt  unsere  Kunde 
von  der  Vergangenheit.  Was  wir  von  den  wundersamen 
Künsten  der  alten  indischen  Fakire,  von  den  marokkani- 
schen Marabuts,  von  den  Mönchen  auf  dem  Berge  Athos 
lesen,  was  viel  später  unter  dem  Xamen  des  Sonmam- 
bulismus,  Mesmerismus  und  des  thierischen  Magnetismus 
zahlreiche  Geister  in  die  grösstc  Aufregung  und  \'er- 
wirrung  gebracht  hat  —  dies  Alles  ist  sicher  genau  das- 
selbe, was  gegenwärtig  unter  dem  Namen  des  Hypnotismus 
endlich  das  wissenschaftliche  Bürgerrecht  erworben  hat. 
Freilich  war  es  nicht  ganz  leicht,  aus  dem  durch  Aber- 
glauben und  Vorurtheil  verworrenen  Knäuel  falsch  ge- 
deuteter und  daher  scheinbar  räthselhafter  Beobachtungen 
den  wahren  Kern  der  Thatsachen  herauszuwinden,  und 
manche  Aerzte  können  sich  auch  jetzt  noch  nicht  von 
den  letzten  Spuren  eines  veralteten  Mysticismus  völlig  frei 
machen.  Im  Allgemeinen  besteht  aber  unter  den  wissen- 
schaftlichen Forschern  über  das  Wesen  des  Hypnotisnms 
keine  erhebliche  Meinungsverschiedenheit  mehr.  Wir  wissen 
jetzt,  dass  alle  die  mannigfaltigen  hypnotischen  Erschei- 
nungen, der  künstlich  hervorgerufene  hypnotische  Schlaf, 
die  hypnotische  Muskelstarre,  die  Gefühllosigkeit,  endlich 
das  hypnotische  Irresein  mit  seinen  Hallucinationen  nichts 
Anderes  sind,  als  neue  Beweise  für  die  Macht  der  Vor- 
stellungen auf  die  Zustände  unseres  Körpers.  Wir  wissen 
ferner,  dass  alle  die  verschiedenen  früher  angewandten 
besonderen  Methoden  zur  Hervorrufung  der  Hypnose,  das 
anhaltende  Fixiren  glänzender  Glasknöpfe,  das  Heran- 
bringen schwingender  Stimmgabeln  oder  starker  Magnete, 
das  leise  und  regelmässige  Bestreichen  der  Haut' durch 
den  vermeintlichen  „Magnetiseur"  u.  s.  w.  an  sich  gar 
keine  besondere  Wirkung  haben,  und  dass  nur  die  durch 
alle  diese  Manipulationen  erzeugten  Vorstellungen  die 
eigentliche  Ursache  des  eintretenden  hypnotischen  Zu- 
standes sind.  Freilich  muss  man  sich  häufig  derartiger 
Mittel  bedienen,  um  eben  in  den  zu  hypnotisirenden  Per- 
sonen jene  wirksamen  Vorstellungen  von  dem  bevorstehen- 
den und  vermeintlich  nothwendigen  Eintritte  der  Hypnose 
in  der  erforderlichen  Lebhaftigkeit  und  Ueberzeugungs- 
kraft  hervorzurufen.  Von  wesentlicher  unmittelbarer  Be- 
deutung sind  sie  aber  nicht,  wie  schon  allein  daraus 
hervorgeht,  dass  in  sehr  vielen  Fällen  die  einfach  ge- 
sprochene Versicherung  ..Sie  werden  jetzt  einschlafen" 
oder  der  mit  dem  scheinbar  sicheren  Gefühl  der  Macht 
ertheilte  Befehl  „schlafen  Sie  jetzt  ein"  genügt,  um  ein 
empfängliches  Bewusstsein  in  den  hypnotischen  Schlaf  zu 
versetzen.  Natürlich  wirkt  hierbei  stets  eine  Menge  von 
Nebeuvorstellungen  mit,  die  sich  in  der  Regel  auf  den 
bereits  bewährten  Ruf  des  Hypnotiseurs  und  auf  bekannte 
frühere  Erfolge  desselben  bei  anderen  Personen  beziehen. 
So  erklärt  sich  die  z.  Th.  noch  jetzt  verbreitete  Meinung, 
als  ob  die  Fähigkeit  des  Hypnotisirens  nur  gewissen  be- 
stimmten Menschen  verliehen  sei,  als  ob  der  „Wille"  ge- 
wisser Personen  als  solcher  eine  besondere  objective,  über 
die  eigene  Individualität  hinausreichende  Kraft  besitze. 
Jener  scheinbare  Nimbus  aber,  mit  dem  der  Hypnotiseur 
sich  oft  umgeben  muss,  um  die  beabsichtigten  Wirkungen 
zu  erzielen,  birgt  die  grosse  Gefahr  in  sich,  dass  der 
letztere  nur  zu  leicht  die  schmale  Grenzscheide  zwischen 
erlaubter  und  unberechtigter  Täuschung  verliert  und  dann 
unrettbar  dem  Charlatanismus  verfällt. 

Die  Verwendung  des  Hypnotismus  zu  Heilzwecken 
geschieht  in  der  Weise,  dass  dem  zuvor  hypnotisirten 
Kranken  die  Vorstellung  von  der  hiermit  bereits  erfolgten 
Heilung  oder  wenigstens  bedeutenden  Besserung  seines 
Zustaudes  suggerirt  wird.  Die  vorausgehende  Hypnose 
ist  dabei  von  Vortheil,  weil  der  Kranke  schon  durch  den 
Eintritt    derselben    die    festeste    Ueberzeugung    von    dem 


38 


Naturwissenschaftliche  Wocbenschvift. 


Nr.  4. 


mäclitigeii  Einflüsse  des  Hypnotiseurs  auf  seinen  Zustand 
gewonnen  hat  und  daher  für  die  Aufnahme  der  zweiten 
heilenden  Vorstellung  aufs  Beste  vorbereitet  ist.  In  der 
That  sind  mit  Hülfe  des  Hypnotismus  auf  diese  Weise 
bereits  zahllose,  oft  anscheinend  höchst  wunderbare  Hei- 
lungen erzielt  worden. 

Zur  häufigen  berufsmässigen  Ausübung  des  Hypno- 
tisirens  gehört  eine  ganz  besondere  Neigung  und  auch 
ein  gewisses  schauspielerisches  Talent.  Mit"  dem  allge- 
meinen Bekanntwerden  der  hypnotischen  Erscheinungen 
und  der  zunehmenden  Einsicht  in  ihre  Entstehung  müsste 
ihr  Glanz  bald  verblassen,  und  der  gerade  hier  besonders 
zu  fürchtende  Schritt  vom  Erhabenen  zum  Lächerlichen 
würde  dem  Hypnotismus  vollends  den  festen  Boden  ent- 
ziehen. Es  ist  kaum  denkbar,  dass  ein  geistig  normaler 
Mensch,  der  genau  weiss,  was  Hypnose  ist,  von  einem 
anderen  hypnosirt  werden  kann.  Gegen  wirkliche  Er- 
kenntniss  haben  blosse  Vorstellungen  keine  Macht  mehr. 

Der  Zustand  der  Hypnose  besteht  in  der  absichtlich 
hervorgerufenen  Lockerung,  ja  z.  Th.  völligen  Lösung  der 
normalen  festen  Verknüpfung  zwischen  den  seelischen  und 
den  körperlichen  Vorgängen.  Ist  diese  Verbindung  aber 
einmal  oder  sogar  häufig  gelockei't  worden,  so  verliert  sie 
zweifellos  dauernd  an  Festigkeit,  und  es  besteht  nun  die 
Gefahr,  dass  bei  oft  hypnotisirten  Personen  ähnliche  Zu- 
stände auch  ohne  ärztliche  Absicht  auf  sonstige  Veran- 
lassungen hin  auftreten.  Schon  der  Zustand  der  Hypnose 
selbst  muss  unbedingt  als  etwas  Abnormes,  Krankhaftes  an- 
gesehen werden*).  Genau  dieselben  Erscheimmgen,  welche 
bei  der  Hypnose  absichtlich  hervorgerufen  werden,  keimt 
der  Arzt  auch  als  keineswegs  seltene  primäre,  natürlich 
auch  psychisch  bedingte  Krankheitszustände,  die  er  mit 
dem  Namen  der  Hysterie  bezeichnet.  Die  hypnotischen 
Zustände  und  die  Erscheinungen  der  Hysterie  sind  ihrem 
innersten  Wesen  nach  aufs  Engste  mit  einander  verwandt. 
Die  Hypnose  ist  nichts  Anderes,  als  eine  künstlich  hervor- 
gerufene schwere  Hysterie.  Bei  der  Anstellung  hypnotischer 
Versuche  ist  daher  stets  die  Gefahr  vorhanden,  dass  hier- 
mit die  Veranlassung  zum  Ausbruche  schwerer  hysterischer 
Erscheinungen  gegeben  wird,  und  wenn  auch  die  wissen- 
schaftlich gebildeten  Hypnotiseure  diese  Gefahr  kennen 
und  nach  Möglichkeit  zu  vermeiden  wissen,  so  bleibt  der 
Hypnotismus  doch  stets  ein  zweischneidiges  Schwert,  welches, 
zumal  bei  nicht  ganz  einsichtsvoller  Anwendung,  wie  die 
Erfahrung  schon  öfter  gezeigt  hat,  manches  Unheil  an- 
richten kann. 

Alle  diese  Einwendungen  wären  aber  belanglos,  wenn 
wirklich  durch  den  Hypnotismus  Heilerfolge  zu  erzielen 
wären,  die  man  auf  andere  Weise  nicht  erreichen  kann. 
Dies  ist  aber  nicht  der  Fall.  Nur  so  lange  in  der  Me- 
diciu  die  Anwendung  der  psychischen  Heilfactoren  über- 
haupt nicht  die  genügende  Beachtung  fand,  konnte  der 
Hypnotismus  zahlreiche  Triumphe  feiern  über  die  Arznei- 
wissenschaft der  herrschenden  Schulen.  Seitdem  die  Aerzte 
aber  zu  einer  klareren  Einsicht  in  das  Wesen  der  zahl- 
reichen psychisch  bedingten  Krankheitszustände  gelangt 
sind,  fängt  auch  eine  rationelle  psychische  Therapie 
an  sich  zu  entwickeln,  welche  jener  künstlich  geschaffenen 
Bewusstseinsstörungen  der  Hypnose  und  jenes  scheinbaren 
Nimbus  besonderer  geheimnissvoller  Kräfte  nicht  mehr 
bedarf,  sondern  in  der  wissenschaftlichen  Erkenntuiss  und 
psychologischen  Analyse  der  krankhaften  Vorgänge  selbst 
den  Punkt  findet,  wo  eine  unmittelbare  psychische  Be- 
einflussung des  Kranken  die  abnormen  Zustände  desselben 
zu   beseitigen  im  Stande   ist.     Eine  derartige  psychische 

*)  Auch  der  Psychologe  W.  Wuiidt  iu  Leipzig  hat  sieh 
neuerdings' in  seinem  Buch  „Hypnotismus  und  Suggestion"  dahin 
ausgesprochen,  dass  die  liypnotischen  Erscheinungen  in  das  Gebiet 
der  Pathologie  gehören.  Red. 


Therapie  haben  die  bedeutenden  Aerzte  aller  Zeiten  ge- 
trieben. Den  weitreichenden  Einfluss  dieser  Therapie, 
freilich  ebenso  auch  ihre  durch  die  Natur  der  Dinge 
gegebenen  Grenzen  lernen  wir  aber  erst  jetzt  völlig  wür- 
digen, seitdem  wir  den  tieferen  Sinn  des  alten  Satzes 
erkannt  halien,  dass  der  vollkommene  Arzt  des  Körpers 
zugleich  auch  ein  Arzt  der  Seele  sein  müsse. 


SchmetterHngsfaiig  durcli  Drosera  rotiindifolia  L. 

—  In  No.  52  des  Bd.  VII  der  „Naturw.  Wochenschr.'-  ver- 
öfientlichte  Herr  P.  Krefft  eine  Beobachtung  über  den 
Sehmetterlingsfang  von  Drosera  intermedia.  In  dieser 
Veröffentlichung  und  der  angefügten  Note  wird  die 
Jleinung  ausgesprochen,  dass  Drosera  rotundifolia  ihrem 
Bau  nach  nicht  recht  zum  Sehmetterlingsfang  geeignet  sei. 
Ich  theile  deshalb  eine  Beobachtung  mit,  "die  "ich  am 
26.  Juli  vorigen  Jahres  auf  einer  Sumpfwiese  bei  Pansa 
im  sächsichen  Voigtlande  gemacht  habe.  Auf  dieser  Wiese 
war  Drosera  rotundifolia  L.  (es  kommt  im  Voigtland  nur 
diese  eine  Art  vor)  weit  verbreitet,  an  einigen  Stellen 
sogar  zu  dichten  üppigen  Polstern  gehäuft.  Auf  einem 
solchen  Polster,   von  ungefähr  40  cm  im  Quadrat,   hatten 


sieh  acht  Kohlweisslinge  gefangen,  die 


abgesehen  von 


einigen  noch  lebenden  —  verschiedene  Grade  der  Zerset- 
zung zeigten.  Vielfach  war  nur  ein  Theil  der  Beine,  der 
Flügel  oder  des  Hinterleibes  festgeklebt,  aber  die  Thiere 
Sassen  trotzdem  fest.  Manchmal  betheiligten  und  unter- 
stützten sich  auch  2  —  3  Blätter  beim  Fang  eines  Schmetter- 
lings. Hierbei  konnte  man  beobachten,  dass  nicht  nur  die 
Tentakeln  sich  über  die  gefangenen  Theile  zusammen- 
neigten, sondern  mitunter  auch  die  dicken  fleischigen 
Blätter  sich  mit  ihren  Rändern  aufwärts  krümmten,  ja 
vollständig  nach  oben  zusammenschlugen,  so  dass  der  be- 
treftendc  Theil  des  Thieres  dann  von  den  Blatthälften  um- 
schlossen wurde. 

Durch  die  todten  Schmetterlinge  wurden  auch  kleine 
schwarzbraune  Ameisen  angelockt,  die  geschickt,  aber 
sehr  vorsichtig  zwischen  den  Blättern  des  Sonnenthaues 
herumkrochen,  aber  sofort  zurückwichen,  sobald  sie  sich 
den  entgegenstarrenden  Drüsenwimpern  des  Blattes 
näherten.  Auf  die  Blätter  selbst  kroch  keines  der  Thiere, 
und  ich  konnte,  trotz  eifrigen  Sueheus,  auch  keine  ge- 
fangene Ameise  auffinden. 

Auf  einer  zweiten  nicht  viel  grösseren  Stelle  derselben 
Wiese,  die  durch  einen  kleinen  Teich  von  der  ersteren 
getrennt  war,  fanden  sich  zehn  durch  die  Drosera  ge- 
fangene Kohlweisslinge.  Hier  wie  dort  deuteten  herum- 
liegende Flügelreste  auf  den  schon  länger  betriebenen 
Fang  hin.  Auflällig  war  es  mir,  dass,  obgleich  Drosera 
rotundifolia  L.  überall  auf  der  Wiese  wuchs,  die  Schmetter- 
linge sich  doch  nur  an  den  erwähnten  zwei  Stellen  und 
noch  dazu  in  so  grosser  Menge  gefangen  hatten.  Es 
schien  mir,  als  ob  nicht  die  einzelnen  Sonnenthaupflanzen, 
sondern  ein  zufällig  gefangener  Kohlweissling  das  An- 
lockungsmittel für  die  übrigen  gewesen  wäre,  und  ich  er- 
innerte mich  hierbei  der  schon  oft  gemachten  Beobach- 
tung, dass  ein  einziger  Kohlweissling,  der  sich  auf  einer 
feuchten  Stelle  eines  lehmigen  Feldweges  niederlässt, 
ganze  Schaaren  vorüberfliegender  Schmetterlinge  anlocken 
kann,  die  sich  dann  dicht  gedrängt  um  ihn   schaaren. 

Die  vorstehende  Beobachtung  zeigt,  dass  die  Drosera 
rotundifolia  ebenso  zum  Sehmetterlingsfang  geeignet  ist, 
wie  ihre  beiden  Schwestern.  Dr.  Schorler. 


Asboliu  ^on  Braconnet  aus  dem  wässerigen  Auszug 
des  Kienrusses  bereitet  und  als  ^Mittel  gegen  Schwindsucht 
angewendet,  besteht  nach  einer  Untersuchung  von  Behal 
und  Desvigues  (Gompt.  rend.  114,  1541)  aus  Brenzcatechin 


Nr.  4. 


Naturwissenschaftliche  Wo  chenschrift. 


30 


C.H-Oa  (Sdp.  240°  bei  761  mm)  luid  Homobreiizcatechin 
C^HgOo  (Sdp.  251—252°  bei  750  mm).  Letzteres  erwies 
sich  als  identisch  mit  dem  bereits  bekannten  Körper 
gleicher  Zusammensetzung.  Sp. 


Ein  neues  Oiundgesetz  der  Ernährung  und  die 
Quelle  der  Muskelkraft.  —  E.  Pflüger  hat  über  diesen 
Gegenstand  eine  Anzahl  ausführlicher  Abhandlungen  ver- 
ötfentlicht  (Arcli.  f.  d.  ges.  Physiol.  50,98,,.j3„,,)96;  51,,o9,3n; 
52,1  ,..39),  welche  sich  gegen  die  aus  Pettenkofer  und  Voit's 
Versuchen  abgeleiteten  Gesetze  richtet.  Seine  hauptsäch- 
lichsten Resultate  sind: 

1.  Eiweiss,  in  genügender  Menge  verfüttert,  ist  die 
alleinige  Quelle  der  Muskelkraft;  nur  bei  Mangel 
an  diesem  findet  Ersatz  durch  Fette  und  Kohlen- 
hj'drate  statt. 

2.  Das  Körperfett  bildet  sich  nicht  aus  Eiweiss, 
sondern  aus  den  überschüssigen  (d.  h.  das  Be- 
dürfniss  des  Körpers  übersteigenden)  Mengen  von 
Fett  und  Kohlenhydraten.  Sp. 


Der  Planet  Jnpiter,  der  ebenso  wie  Mars  zur  Zeit 
■nnier  mehr  von  der  Erde  zurückweicht,  wird  Ende 
Januar  in  seiner  nach  Osten  gerichteten  Bewegung  vom 
letztgenannten  Planeten  überholt.  Am  23.  Januar  kommen 
beide  Planeten  in  eine  bemerkenswerthe  Constellatiou  mit 
dem  Monde. 


Fragen  und  Antworten. 

Aus  welchem  Material  bestehen  die  essharen  „in- 
dischen Vogelnester''?  L. 

Ihre  Frage  bezieht  sich  —  wie  Sie  sagen  —  auf  die 
Mittheilung  S.  530—531  Bd.  VII  der  „Naturw.  Wochen- 
schrift" über  die  Verwendung  der  Algen,  indem  Sie  an- 
nehmen, dass  die  indischen  Vogelnester  aus  Algen-Material 
zusammengesetzt  sind,  welches  die  Vögel  mit  ihrem  Speichel 
vermischen.  Diese  Annahme  ist  aber  irrig.  Der  Reisende 
F.  Jagor  macht  in  seinem  Buche  „Singapore— Malacca— 
Java"  (Berlin  1866)  diesbezüglich  die  folgende  Mittheilung. 

lieber  den  Stotf,  aus  dem  die  Nester  bestehen, 
herrschten  bis  vor  Kurzem  sehr  abweichende  Vorstellungen. 
Erst  Dr.  Bernstein  beschrieb  nach  wiederholten  sorgfälti- 
gen Beobachtungen  ihre  Entstehung,  sowie  er  auch  der 
Gattung  Collocalia  Gr.,  die  Bonaparte  wieder  zu  den 
Schwalben  gestellt  hatte,  in  Folge  genauer  anatomischer 
Untersuchungen  ihre  richtige  Stellung  im  System  in  der 
Familie  der  Cypseliden  anwies  und  dadurch  Gray's 
frühere  Klassifikation,  ohne  sie  zu  kennen,  bestätigte. 

Nach  Bernstein*)  kennt  man  von  der  Gattung  Collo- 
calia bis  jetzt  nur  vier  Arten:  C.  esculenta  Lath.,  C.  nidi- 
fica  Lath.",  beide  auf  Java  einheimisch,  C.  troglodytes 
Gr.  &  Mitch.,  den  Molucken  und  Philippinen  und  C.  fran- 
cica,  allein  der  Insel  Mauritius  angehörend.  Die  Nester 
von  C.  esculenta,  seit  Jahrhunderten  bekannt  und  oft  be- 
schrieben, haben  im  Allgemeinen  die  Form  einer  der 
Länge  nach  geviertelten  Eiscljale,  die  mit  einer  Seite  am 
Felsen  klebt,  welcher  die  Rückwand  des  Nestes  bildet. 
Von  beiden  Enden  gehen  flügelartige  Ausbreiten  aus,  die 
mit  ihrer  flachen  Basis  am  Gestein  festsitzend,  die 
Hauptstütze  des  Nestes  bilden,  das  aus  einer  sehr  dünnen, 
durchscheinenden,  weissen  oder  bräunlichen  Masse  besteht, 
die    am    meisten  Aehnlichkeit    mit  Hausenblase  hat    und 


wellige  Querstreifen  zeigt.     C.  nidifica,  die  auf  Java  wohl 
noch  häufiger  ist,   als  die  andere  Art,    wohnt  in  weniger 
unzugänglichen  Höhlen  und  baut  ihre  Nester,  die  den  an- 
dern sehr  ähnlich  sehen,  zum  grossen  Theil  aus  Pflanzen- 
bestandtheilen,   welche   durch  die  leimartige  Sub.stanz  an 
einander  geklebt  werden,  während  die  Nester  von  C.  es- 
culenta   ausschliesslich    aus    dieser    Substanz    bestehen. 
Einige  hielten  diesen  Stoff  für  den  verhärteten  Saft  eines 
Baumes,    Calambone*),    andere   für    Seetang,    vom  Vogel 
verzehrt  und  wieder  ausgespieen;  doch  hat  mau  in  seinem 
Magen  nie  Spuren  von  Pflanzenstotf,  sondern  nur  Insekten 
gefunden.     Einen  Kropf,    in   dem   die   Metamorphose   vor 
sich   gehen   könnte,    besitzt    der  Vogel    nicht.     Bernstein 
fand    aber    an    ihm    ungewöhnlich    entwickelte   Speichel- 
drüsen,   besonders  glandulae    sublinguales,    die    zur   Zeit 
des  Nestbaues  ausserordentlich  anschwellen,  dann  wieder 
kleiner    werden,     und    später    die     gewöhnliche    Grösse 
dieses  Organs    bei  verwandten  Vögeln  nicht  übertreffen. 
Sie  sondern  einen  dicken,  zähen  Schleim  ab,  der  sich  in 
grosser  Menge    an    der  Oeft'nung    der  Ausführungsgänge 
dieser  Drüsen,  vorn  unter  der  Zunge,  anhäuft.    Die  Masse 
hat,  oberflächlich  betrachtet,  grosse  Aehnlichkeit  mit  einer 
sehr  dicken  Lösung  von  Gummi  Arabicum,  trocknet  schnell 
an  der  Luft   und  stimmt  auch,   unter  dem  Mikroskop  be- 
trachtet, vollständig  mit  der  Substanz  der  Nester  überein. 
Bernstein   beobachtete    mehrere   Male    diese  Vögel    beim 
Nestbau.     Sie  fliegen  wiederholt  an   die   gewählte  Stelle 
und    drücken    mit    der    Zungenspitze    einen   Tropfen    des 
Speichels    gegen    die   Felswand.      Dies    wiederholen   sie 
zehn-  bis  zwanzigmal,   ohne  sich  mehr  als  eine^EUe  weit 
vom  Platz    zu   entfernen,    sie  müssen    also   das   Material, 
das  sich  schnell  wiedererzeugt,  in  grösserer  oder  geringerer 
Menge  bei  sich  führen.     So    entsteht   als   Grundlage   des 
Nestes  eine  hufeisenförmige  Erhöhung,  der  [Vogel  klammert 
sieh  daran  und  vergrössert,   indem    er  mit  dem  Schnabel 
hin-  und  herfährt   und  den  Schleim   am  Rande   aufsetzt, 
das  Nest,  wodurch  auch  die  oben  erwähnten  Streifen  ent- 
stehen.    Alle    diese   Angaben  beruhen    nicht  auf  Vermu- 
thungen,  sondern  sind  die  Ergebnisse  von  Dr.  Bernstein's 
wiederholten,  mit   grosser  Umsicht  angestellten  Beobach 
tungen.  

Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben. 

Es  wurden  ernannt :  Dr.  Leo  Grunmach  von  der  technischen 
Hochschule  Charlottcnburg-Berlin  zum  Professor  der  Physik.  — 
Der  ausserordentliche  Professor  an  der  thierärztlichen  Hochschule 
in  Budapest,  Dr.  Leo  Lieberniann  ,  zum  Director  des  chemischen 
Landesinstitutes  und  der  cliemischen  Ceutralversuchsstation  in 
Budapest.  —  Professor  von  Lenhossek  in  Basel  zum  Prosector 
an  der  Universität  Würzburg.  —  Dr.  M.  Gurke  zum  Gustos  am 
Kgl.  botanischen  Garten  zu  Berlin. 

Es  haben  sich  habilitirt:  Dr.  A.  Wieler  für  Botanik  an  der 
technischen  Hochschule  in  Braunschweig.  —  Dr.  med  Felix 
Hirschfeld,  Assistent  an  der  inneren  Abtheilung  des  städtischen 
Krankenhauses  Moabit,  als  Privatdocent  für  innere  Medicin  an 
der  Universität  Berlin. 


*)  Over   de   zoogenoemde   eetbare  Vogelnesten.   —  Beiträge 
zur  näheren  Kenntniss  der  Gattung  Collocalia  Gr. 


L  i  1 1  e  r  a  t  u  r. 

Otto    Hamann,    Entwicklungslehre   und   Darwinismus.      Eine 

kritische     Darstellung    der     modernen    Entwicklungslehre    und 

ihrer  Erklärungsversuche    mit  besonderer   Berücksichtigung  der 

Stellung  des  Menschen  in  der  Natur.    Gemeinfasslich  geschildert. 

Mit   IG  Abbildungen.     Verlag  von    Hermann    Costenoble.     Jena 

1892.  —  Preis  8  Mk. 

In  der  Einleitung  dieses  für  Laien  geschriebenen,  aber  diesem 

wegen  der  Ansprüche,  welche  Hamann   an  die  Vorkenntnisse  des 

Lesers  stellt,  nicht  verständlichen  Buches  behauptet  der  Verfasser, 

dass    die    Lehre    Darwin's  von    seinen    Nachfolgern    immer    von 

neuem    nicht    als    eine    Hypothese,    sondern    als    feststehende 

heholz  liefert,  in  Java 


*)  Demselben,  der  das  duftende  Galioc 
aber  nicht  vorkommt. 


40 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  4. 


Thatsache  angepriesen  werde.  Referent  wird  es  schwer  zu 
glauben,  dass  es  dem  Verfasser  unbekannt  gebliehen  sein  sollte, 
dass  die  Naturforscher  verliiufig  noch  von  der  Darwin'schen 
Theorie  sprechen.  Aehnlich  wie  hier  benutzt  der  Verfasser 
das  gesammte  von  ihm  angeführte  Material,  um  seinen  Ansichten 
eine  möglichst  breite  Grundlage  zu  verschaffen:  das  Buch  wimmelt 
also  von  Missverstäudnissen,  wenigstens  nach  Ansicht  des  Ref., 
der  viele  Aeusserungen  herangezogener  Autoren  anders  versteht. 
Ref.  hatte  begonnen  für  die  vorliegende  Besprechung  diese  Miss- 
vorständnisse aufzudecken,  hat  aber  bald  einsehen  müssen,^  dass 
das  der  Abfassung  eines  Buches  gleichkommen  würde.  Bei  dem 
Lesen  des  Hamann'schen  Werkes  drängte  sich  überdies  die  Au- 
sich auf,  dass  der  Autor  zu  denen  gehört,  die  nicht  bekehrt  sein 
wollen.  Näher  auf  das  Buch  eingehen,  hiesse  demnach  Eulen 
nach  Athen  tragen.  

Prof.  Dr.  F.  Klockmann,  Lehrbuch  der  Mineralogie.  Für  Stu- 
dirende  und  zum  Selbstunterricht.  2.  Hälfte,  enthaltend  den 
speciellen  Theil  mit  173  Textfiguren.  Verlag  von  Ferdinand 
Enke.     Stuttgart  1892.  —  Preis  7,20  Mk. 

Nachdem  vor  Jahresfrist  der  erste  Theil  des  Buches,  die 
allgemeine  Mineralogie  umfassend,  erschienen  ist,  liegt  jetzt  der 
zweite  Theil  desselben,  die  specielle  Mineralogie  enthaltend,  vor. 
Alle  die  Vorzüge,  welche  an  jenem  mit  Recht  anerkannt  worden 
sind,  finden  sich  auch  in  diesem  wieder,  besonders  die  treffende 
Kürze  der  klaren,  erschöpfenden  Definitionen.  Der  Umfang  des 
Buches  ist  geringer  als  derjenige  der  bekannten  Lehrbücher  von 
Quenstedt,  Naumann-Zirkel,'  Tschormak  und  Bauer,  aber  trotzdem 
wird  man  in  ihm  nichts  wesentliches  vermissen,  wohl  aber  manches 
finden,  was  dasselbe  vor  jenen  voraus  hat.  Ueberall  ist  der  heu- 
tige Standpunkt  der  Wissenschaft  gewahrt.  Neben  der  Mor- 
phologie, den  physikalischen  und  chemischen  Eigenschaften 
der  Mineralien,  finden  auch  ihre  Lagerstätten,  ihre  Bildung  und 
Umwandlung  Berücksichtigung,  In  einem  Anhang  werden  die 
nutzbaren  Rlineralien,  ihre  Verwendung  und  ihr  Vorkommen 
nochmals  besonders  hervorgehoben.  Der  systematische  Theil 
zeichnet  sich  durch  Vollständigkeit  aus  und  besitzt  den  grossen 
Vorzug,  dass  bei  den  Angaben  über  das  Vorkommen  der  Mine- 
ralien nicht  nur  Fundorte  aufgezählt,  sondern  die  Art  des  Auftretens, 
das  Zusammenvorkommen  mit  andern  Mineralien ,  kurz  —  die 
geologische  Seite  des  Vorkommens  gewürdigt  wird;  durch  diese 
Verbindung  des  einzelnen  Minerals  mit  anderen  gewinnt  die  Be- 
schreibung sicher  an  Interesse.  Das  nach  einem  wohldurchdachten 
Plan  in  jeder  Hinsicht  sorgfältig  ausgearbeitete  Buch  kann  auf 
das  Wärmste  empfohlen  werden.  Es  wird  sieh  als  Lehrbuch  auch 
zweifellos  Isewähren,  Wenn  man  vielleicht  bei  Bezeichung  der 
Mineralien  alte,  gute,  deutsche  und  bergmännisch  gebräuchliche 
Namen  noch  mehr  als  es  geschehen  ist,  angewendet  sehen  und 
hie  und  da  eine  Figur  etwas  schöner  haben  möchte,  so  können 
doch  solche  untergeordnete  Ausstellungen  gegenüber  den  Vor- 
zügen des  Werkes  nicht  ins  Gewicht  fallen.       Dr.  R.  Scheibe. 


Alexander  Lainer,  Anleitung  zu  den  Laboratoriumsarbelten 
mit  besonderer  Rücksicht  auf  die  Bedürfnisse  des  Photo- 
graphen, Mit  2-to  Ablj.  Verlag  vnu  Willi.  Knapp.  Halle  a.  S, 
1892.  —  Preis  3  Mk. 

Das  Heft  bildet  gewissermaasen  eine  Ergänzung  zu  dem 
Lehrbuehe  der  photographischen  Chemie  des  Verfassers,  die  dem 
Photographen  von  grossem  Werth  sein  dürfte.  Verf.  hat  bei  den 
betriebenen  Operationen  stets  auf  die  einfachste  Form  ihrer 
Ausführung  das  Hauptgewicht  gelegt.  Die  Arbeit  ist  aber  nicht 
ausschliesslich  für  den  Photographen  berechnet,  da  sie  überhaupt 
solche  Operationen  und  Apparate  erwähnt,  deren  Kenntniss  zur 
Ausübung  einfacher  analytischer  Arbeiten  erforderlieh  ist. 


Buddhismus.  —  Von  Mittheiluugen  nennen  wir  diejenigen  von 
Rahon  über  Sechsfingerigkeit  und  theilweise  Syndactylie;  Be- 
dart,  über  vierfache  Ectrodactylie  an  Händen  und  Füssen  und 
ihre  Vererbung  durch  drei  Generationen ,  sowie  über  einige 
seltene  Fälle  von  Muskel-Anomalien,  beobachtet  im  anatomischen 
Laboratorium  zu  Toulouse;  F.  Regnaul  t,  über  einen  Greiffuss; 
Emil  Potitot,  über  das  Dolmengrab  von  Mareuil-les-Meaux; 
Georges  Herve,  über  den  Schädel  von  Canstadt;  Alphonse 
Bertillon,  Tafel  der  verschiedenen  Farben,  welche  an  der  Iris 
des  menschlichen  Auges  auftreten;  Gabriel  de  Mortillet, 
über  neuerlichst  entdeckte  Grabstätten  bei  Baousse-Rousse  (bei 
Mentone).  —  Ausserdem  bringt  das  Heft  den  Schluss  eines  Vor- 
trages von  Varion  und  Bezancon  über  Samenerzeugung  und 
kündigt  die  VerOfl:'entlichung  eines  Berichtes  über  das  Verhältniss 
der  Geburten  zur  Bevölkerungsmenge  im  Kanton  Beaumont- 
Hague  von  A.  Dumont  und  einer  Abhandlung  über  den  Körper- 
bau des  Menschen  in  prähistorischen  Zeiten  von  Rahon  in  den 
Memoiren  der  Gesellschaft  an,  F.  K, 


The  Geological  Magazine.  Herausgegeben  von  Henry  Wood- 
ward und  Anderen.  Deceuibcr  1892.  London,  —  Mit  dem  vor- 
liegenden Hefte  schliesst  der  neunte  Band  der  dritten  Decade  ab. 
Dasselbe  enthält  das  Inhaltsverzeichniss  für  das  verflossene  Jahr, 
8  Originalaufsätze,  mehrere  Mittheiluugen  nach  Vorträgen,  welche 
in  auswärtigen  Gesellschaften  gehalten  worden  sind;  Besprechungen 
neuer  litterarischer  Erscheinungen;  den  Bericht  der  November- 
sitzung der  Londoner  Geologischen  Gesellschaft;  briefliehe  Mit- 
theilungen, Nekrologisches  und  kleinere  Mittheilungen  verschie- 
denen Inhalte.''.  —  An  Original-Artikeln  sind  vorhanden:  1)  Arthur 
Smith  Wo  od  ward  —  Beschreibung  des  Sclororhynehus  atavus 
aus  der  Kreide:  2)  J.  E.  Marr  —  Die  Wenlock-  und  Ludlow- 
Schichten  im  See-Bezirke;  3)  Bullen  Newton  —  Ueber  das 
Vorkommen  von  Chonetes  Pratti  in  den  carbouischen  Gesteinen 
West-Australiens;  4)  Charles  Callaway  —  Ueber  den  Prozess 
der  Schieferbildung  in  den  Malveru  Hills;  5)  John  Francis 
Walker  —  Lieber  Yorkshire-Thecideen;  6)  F.  R,  Kow])cr- 
Reed  —  Notizen  aus  dem  Woodward-Museum  (über  eine  abnorme 
Form  von  Platycrinus  pileatus,  Goldf.);  7)  W.  F.  Hume  —  Be- 
merkungen zur  Geologie  Russlands:  II,  Der  Löss;  Beschreibung 
und  Eigenart  des  russischen  Löss,  Der  erste  Aufsatz  dieser 
Reihe  erschien  im  September-Heft  des  Geol,  Mag.  und  behandelte 
die  russische  Kreide.  8)  Thomas  R.  Struthers  —  Ueber 
Granit.  —  Von  den  brieflichen  Mittheilungen  nennen  wir  die- 
jenigen über  Glaeial-Geologie  von  R.  M.  Deeley  und  Ueber 
das  Mammuth  und  die  Glacial-Drift  von  A.  J.  Juk  es-Bro  w  n  e. 
F.  K. 

Einen  umfangreichen  General-Catalog  von  Büchern  und  Se- 
paraten aus  den  Gebieten  der  Geologie,  Mineralogie  und  Palae- 
ontologie  bringt  das  „Comptoir  gcologique  de  Paris"  von  Paul 
Pierrotet  zur  Versendung. 


Balla  Torre,  C.  G.  de,  Catalogus  hymenopterorum     hujusque    de 

scriptorum  systematicus  et  synonymicus.     Leipzig,     5  M 
Eisler,  P.,  Der  Plexus  lumbosacralis  der  Menschen,     Halle      6  M, 
Ernst,  A.,  Eine  bergmännische  Excursion  durch  den  Ural.     Frei- 
berg.    3  M. 
Ewing,  J,  A.,    Magnetische  Induktion   in    Eisen    und   verwandten 

Metallen.     Berlin:     8  M, 
Fischel,  F.,   Untersuchungen   über   die  Morphologie   und   Biologie 

des  Tuberculosc-Erregers.     Wien.     2  M. 
Fischer-Sigwart.  H„    Das  Gebirge,    ein   Rückzugsgebiet    für    die 

Thierwelt.     Aarau.     1,40  M. 
Fraas,  E.,  Geologie,  in  kurzem  Auszug  für  Schulen  und  zur  Selbst- 

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Fragen  und  Antworten :  Aus  welchem  Material  bestehen  die  essbaren  „indischi-n  Vogelnester.  —  Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben. 

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Verantwortlicher  Redakteur:  Dr.  Henry  Potoni^,  Berlin  N.  4,,  Invalidonstr,  40/41,  für  den  Inseratentheü:  Hugo  Bernstein  in  Berlin,  — 
Verlag:  Ferd.  Dümmlors  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12.  —  Druck:  G.  Bernstein.  Berlin  SW.   12, 


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bis  Juli  und  enthält  die  Sitzungsberichte,  Mittheilungen  und 
Vorträge,  welche  in  der  Gesellschaft  gehalten  worden  sind.  Von 
letzteren  besitzen  allgemeines  Interesse:  Lajard  — Die  Iberische 
Rasse  (Untersuchungen  an  Schädeln  von  den  Kanarischen  Inseln 
und  den  Azoren),  und  Julien  Vinson  —   Die  Ent Wickelung  des 


Nr.  4. 


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Die    Mitglieder    der    genannten    Vereinigung    erhalten    obige    Mit- 
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Beitrittserklärungen  sind  an  den  Schriftführer  der  Vereinigung, 
Herrn  Dr.  P.  Sclnvalin.  T?prlin  SW.,  Kreuzbergstr.  71   zu   richten. 


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nützliche  und  schädliche  Vogel-  die  wir  liiermit  besonderer  Beachtung  empfehlen. 


„Fürst,  Dr.  H.,   Deutschlands 


^.^  Redaktion: 

Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12,  Zimmerstr.  94. 


VIII.  Band. 


Sonntilg,  den  29.  Jannar  1893. 


Nr.  5. 


Äbounement:  Man  aboonirt  bei  allen  ßuchhaiuUuiigeii  und  Post- 

anstalten,  wie  bei  der  Espedition.    Der  Vierleljahrspreis  ist  M  3.— 

Bringegeld  bei  der  Post  15    .(  extra. 


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Inserate:  Die  viergespaltene  Petitzeile  40  A.   Grössere  Aufträge  ent- 
sprechenden Rabatt.  Beilagen  nach  Uebereiukunft.  Inseratenannalime 
bei  allen  Annocenbureaus.  wie  bei  der  Expedition. 


Abdruck  ist  nur  mit  vollständiger  <|nellenaii}«abe  gestattet. 


Das   natürliche   Pflaiizensystem   A.  Engler's   und   M.  Treub's   Untersuchungen 
zur  systematischen  Stellung  von  Casuarina. 


Ein  Beriflit  von  H.  Potoniü. 


(Fortsetzung 

Bei  Casuariua  finden  sich  nun  fo!i;eadc  buchst  auf 
fallende  Abweichuns^en  vom  gewöhnlichen  Bau  der  Ge- 
scblechtsoi-nanc  der  Angiospermen  und  der  Art,  wie  die- 
selben fnnetioniren.  Die  weibliche  ISliithe  hat  hier  weder 
Kelch  noch  IJlumenkrone,  sondern  besteht  aus  2  ver- 
wachsenen Fruchtblättern  mit  kurzem  gemeinschaftlichen 
Griffel,  welcher  2  lange  fadenförmige  Narben  trägt  (vgl. 
Tat".  II.  G).  Der  sonst  vorhandene  Oriffelcanal  wird  hier 
durch  dünnwandiges  Parenchym  ansgefiillt,  welches  sich 
nahe  der  Spitze  des  äusseren  Integunients  unmittelbar  in 
das  Gewebe  desselben  (Tat.  III,  Fig.  7,  a  i)  fortsi'tzt. 
Diese  ausser  dem  Funiculns  noch  vorhandene  Verbindung 
der  Samenknospe  mit  der  Fruchtknoten  wand  bezeichnet 
Treub  als  „Brücke"  (pont),  Taf.  III,  Fig.  7,  br;  dieselbe 
spielt,  wie  wir  sehen  werden,  eine  wichtige  Rolle  bei  der 
Befruchtung. 

Es  werden  hier  ebenfalls  2  Integiimente  (Taf.  III, 
Fig.  7,  ai  und  ii)  gebildet  und,  wie  aus  den  Abbildungen 
Treult's  hervorgeht,  auch  eine  Mikropyle  angelegt,  jedoch 
tritt  dieselbe  niemals  in  Function. 

Auch  die  nrsprünglich  augelegte  Fruchtknotenliühle 
verschwindet  hier  zeitweise  und  wird  erst  bei  Ausbildung 
der  Samenknospe  wieder  sichtbar.  Die  Bildung  der 
letzteren  geschieht  folgendermaassen:  Im  jugendlichen 
Nucellus  entsteht  ein  durch  die  Grösse  seiner  Zellen  aus- 
gezeichnetes sporogenes  Gewebe  (Taf.  III,  Fig.  1,  sp), 
welches  sich  durch  intercalares  Wachsthuiu  bald  bis  zur 
Chalaza  fortsetzt. 

In  dem  grosszelligen  Gewebe  treten  später  Quer- 
theilungen  ein,  ähnlich  denen,  welche  in  den  Emliryosack- 
Mutterzellen  der  Angiospermen  stattfinden  (Taf.  III,  Fig. 2). 
Dass  diese  grossen  Zellen,  obwohl  ihre  Zahl  (z.  15.  bei 
Casuarina  subcrosa)  bis  zu  300  beträgt,  in  der  That  den 
Embryosack -Mntterzellen  entsprechen,  folgt  daraus,  dass 
sich  ein  Theil  derselben  (bei  Gas.  suberosa  bis  zu  20j  zu 


und  Scliluss.) 

Emb/yos;ickcn  (3!al:.-c;pcro^>  oiil.vk^d;..  EJ.v  T\n\\  ddi- 
selben,  namentlich  diejenigen,  welche  zur  Befruchtung  be- 
stimmt sind,  verlängern  sich  sclilauchartig(Taf.III,  Fig.  3,m) 
und  wachsen  in  das  an  das  GefässbUndel  des  Funiculns 
grenzende  dünnwandige  Gewebe  der  Chalaza  (Taf.  III, 
Fig.  3,  eh)  hinein. 

Als  besonders  bemerkenswerth  wollen  wir  noch  er- 
wähnen, dass  mit  den  Makrosporen  zugleich  im  sporogenen 
Gewebe  auch  eine  oder  mehrere  Tracheideu  (Taf.  III, 
Fig.  3,  tr)  entstehen,  deren  Auftreten  mitten  im  (•"ruclit- 
knoten  nicht  recht  erklärlich  ist. 

Der  Geschlcchtsapparat  der  zur  Befruchtung  be- 
stimmten (fertilen)  iAlakrosporen  bildet  sieh  in  der  Weise, 
dass  aus  einer  gemeinschaftliehen  Embryosack-Mutterzelle 
mehrere  Schwesterzellcn  entstehen.  Obwohl  nur  eine  der- 
selben sich  zum  Embryosack  entwickelt,  werden  die  an- 
deren nicht  von  dieser  resorbirt  (wie  bei  den  Gymnosper- 
men und  den  übrigen  Angiospermen),  sondern  erfahren  oft 
noch  ein  beschränktes  Waciistluim  und  eine  Zweitheiiung. 
Später  jedoch  verschwinden  die  Seliwesterzellen  auch  hier. 

Der  Eiapparat  besteht  aus  der  Eikngel  (Oosphärc, 
Taf.  III,  Fig.  6,  o)  und  2  Hilfszellen  (Synergiden,  Fig.  G,  s). 
Antipoden  wurden  niemals  beobachtet. 

Gewöhnlich  werden  2  Ovula  gebildet,  selten  3  oder  4, 
von  denen  aber  immer  nur  1  l)efruchtet  wird.  Die  Makro- 
sporen dieses  Ovulums  erzengen  säninitlich  an  ihrem 
Scheitel  einen  Eiapparat;  jedoch  bildet  nur  einer  der- 
selben einen  befruchtimgsfähigen  Embiyosack,  die  übrigen 
bleiben  steril.  Die  fertilc  Makrospore  nnterschcitlet  sich 
von  den  übrigen  in  der  Regel  (nicht  immer)  iladiirch,  dass 
die  Zellen  ihres  Eiapparats  schon  vor  der  Befruchtung 
Cellulosemembranen  besitzen,  wäiirend  sie  bei  den  übrigen 
nackt  sind,  wie  ülierbanpt  bei  den  Angiospermen,  wo  die 
Bildung  der  Cellulosewand  sogar  als  ein  Anzeichen  der 
stattgehabten  Befruchtung  augesehen  wird. 


42 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  5. 


Das  Bemerkenswertheste  am  ganzen  Befruelitungs- 
vorgaug  ist  aber  die  Art,  wie  der  Pollenschlancli  zum 
Embryosack  gelangt.  Nachdem  er  die  Narbe  und  das 
Gewebe  des  Grift'elcylinders  durchwachsen  hat,  dringt  er, 
anstatt  sich  der  Mikrojiyle  zuzuwenden,  durch  die  oben 
erwähnte  „Brücke"  in  das  äussere  Integunient  ein,  durch- 
wächst dieses  der  Länge  nach  und  tritt  unmittelbar  ober- 
halb des  Funiculus  in  die  Chalaza  ein,  wo  er  sieh  in  der 
Regel  in  mehrere  Aeste  gabelt.  Einer  der  letzteren  legt 
sicli  an  eine  der  schlauchähnlich  in  die  Chalaza  vorge- 
drungenen Jlakrosporen  und  wächst,  diese  als  Weg  be- 
nützend, bis  zur  tertilcn  Makrospore  weiter.  Naclidem  er 
sich  an  diese  (jedoch  inniier  unterhalb  der  Stelle,  wo 
die  weiblichen  Sexualzellen  angeheftet  sind)  fest  angelegt 
hat,  findet  noch  ein  weiteres  Wachsthum  der  Samenknospe 
statt.  Hierbei  wird  der  im  Nucellus  befindliche  Theil  des 
Pollenschlauches  in  der  Mitte  ausgezogen  und  zerreisst  end- 
lich, so  dass  der  hintere  Theil  desselben  von  der  Befruch- 
tung ausgeschlossen  wird.  Da  Treub  ein  Eindringen  dcsPol- 
lenschlauches  in  denEml^rj^osack  niemals  bcoI)achtct  liat,  so 
vernnithet  er,  dassnur  dermännlicheSexualkern  weder  direct 
noch  mit  Hilfe  einer  der  Synergiden,  sondern  von  unten 
her,  den  Embryosack  passirend,  in  die  Oosphäre  eintritt. 

Das  bisher  bei  keiner  Phanerogameu-Gattung  beob- 
achtete Eindringen  des  Pcdiensehiauches  durch  die 
Chalaza  ist  die  Veranlassung  zu  dem  Namen  Chalazo- 
gamae.  Treub  stellt  diesen  Chalazogamen  als  zweite 
Ünterabtheilung  der  Angiospermen  die  Porogamen  gegen- 
über, wobei  er  besonders  die  Thatsachc  hervorheben  will, 
dass  der  Pollenschlauch  zum  Eindringen  im  Gegensatz  zu 
Casuarina  einen  ihm  gewissermaassen  vorgezeichneten  Weg 
(einen  Porus)  benützt;  Engler*)  bezeichnet  sie  dagegen  als 
Aerogamen,  wobei  er  anscheinend  besonders  betonen  will, 
dass  der  Pollenschlauch  vom  Scheitel  aus  und  nicht  wie 
bei  Casuarina  von  unten  her  in  den  Embryosack  eintritt. 

Engler's  weitere  Theilung  der  Angiospermen  wird 
in  der  nachfolgenden  Uebersicht  in  den  Hauptzügen  ge- 
boten. Die  gesperrt  gedruckten  Namen  bezeichnet  Engler 
als  „Reihen",  die  übrigen  als  „Familien". 

1.  Unterklasse.    Monocotyledoiieae.**) 
Pandanales:    Typhaceae,  Pandanaeeae,  Sparganiaceae. 
Helobiae:    Potamogetonaceae,   Najadaceae,   Apouogeto- 

naceae,    Juucaginaceae,    Alismaceae,    Butduiaceae, 

Hydrocharitaceae  u.  a. 
Glumiflorae:  Gramineae,  Cyperaceae. 
Principes:  Palmae. 
Sj' u an t h a e :  Cyelanthaceae. 
Spathiflorae:  Araceae,  Lemnaeeae. 
Farinosae:    Restiouaeeae,  Erioeaulaceae,   Bromeliaceae, 

Connnelinaceae,  Pontederiaeeae  u.  a. 
Liliiflorae:  Juncaceae,  Liliaceae,  Amaryllidaceae,  Taqca- 

ceae,  Dioscoreaceae,  Iridaceae. 
Scitaniineae:  Musaeeae,  Zingiberaceae,  Cannaceae,  Ma- 

rantaceae. 
Microspermae:  Burmanniaceae,  ürehidaceae. 

2.  Unterklasse     Dicotyledoueae. 

1.  Reihengruppe:    Archichlamydeae. 
Piperales:  Saururaceae,  Piperaceae  u.  a. 
Juglandales:  Juglandaeeae,  Myriaceae. 
Salicales:  Salieaceae. 


*)  In  dem  bereits  1889  erschienenen  betreffenden  Theile  der 
von  Engler  und  Prantl  herausgegebenen  „Natürlichen  Pflanzen- 
familien"  konnte  diese  Neu-Eintheilung  selbstverständlich  noch 
nicht  Anwendung  finden. 

**)  Eine  eingehendere  Motivirung  der  Anordnung  der  Jlono- 
cotyledoneae  bietet  Engler  in  seiner  von  der  Kgl.  Akademie  der 
Wissenschaften  zu  Berlin  1892  herausgegebenen  Abhandlung:  „Die 
systematische  Anordnung    der    nionoeotyledonen    Angiospermen." 


Fagales:  Betulaceae,  Fagaceae. 

Urticales:  Ulmaceae,  Moraceae,  Urticaceae. 

Proteales:  Protcaceae. 

Santalalcs:  Loranthaceae,  Santalaccae,  Balanophoraceae. 

Aristolochiales:  Aristolochiaceae,  Rafflesiaceae,  Hydno- 
raceae. 

Polygonales:  Polygonaceae. 

Ccntrospermae:  ('henopodiaceae,  Aniarantaceae,  Nycta- 
ginaceae,  Phytolaceaceac,  Aizoaceae,  Portulaeaeeae, 
Basellaeeae,  Caryophyllaceae. 

Ranales:  Nymphaeaceae,  Ceratophjllaceae,  Magnoliaceae, 
Anonaeeae,  Myristicaccae,  Ranunculaceae,  Berberi- 
daceae,  Menispermaceae,  Calycantliaceae,  Lauraceae. 

Rhoeadales:  Papaveraeeae,  Cruciferae,  Capparidaceae, 
Resedaceae. 

Sarraceniales:  Sarraceniaceae,  Nei»enthaceae,  Drosera- 
ceae. 

Rosales:  Podostemaceae,  Crassulaceae,  Ccphalotaceae, 
Saxifragaeeae ,  Pittosporaeeae ,  Hamamelidaceae, 
Platanaeeae,  Rosaceae,  Lcguminosae. 

Gcraniales:  Geraniaceae,  Oxalidaeeae,  Tropaeolaceae, 
Linaceae,  Humiriaceae,  Erythroxylaceae,  Zygo- 
phyllaeeae,  Cneoraceae,  Rutaceae,  Simarubaceae, 
Burseraceae,  Meliaeeae ,  ]\Ialpighiaceae,  Trigonia- 
ceae,  Vochysiaceae,  Tremandraceae,  Polygalaceae, 
Chailletiaceae,  Euphorbiaceae,  Callitrichaceae. 

Sapindales:  Buxaceae,  Empctraceae,  Coriariaceae,  Gy- 
rillaceae,  Limnanthaceae,  Anacardiaeeae,  Celastia- 
ceae,  Aquifoliaeeae,  Stackhousiaceae,  Hippocratea- 
ceae.  Icacinaceae,  Aceraeeae,  Sapindaceae,  Me- 
liantiiaceae,  Balsaminaceac. 

Rlianinales:  Rhanmaceae,  Vitaeeae. 

Malvales:  Elaeocarpaceae,  Tiliaceae,  Malvaeeae,  Bom- 
bacaeeae,  Sterculiaceae. 

Parietales:  Dilleniaceae,  Eucrjphiaccae,  Ochnaceae, 
Caryocaraceae,  Maregraviaceae,  Quiinaceae,  Chlae- 
naceae,  Theaecae,  Guttiferae,  Dipterocarpaceae, 
Elatinaeeae,  Tamarieaceae,  Frankeniaeeae,  Cista- 
ceae,  Bixaeeae,  Canellaeeae,  Violaceae,  Flacourtia- 
ceae,  Turneraceae,  Malesherbiaeeae,  Passifioraceae, 
Caricaceae,   Loasaceae,  Begoniaceae,  Datiseaceae. 

Opuntiales:  Cactaceae. 

Thymelaeales:  Penaeaceae,  Thymelaeaceae,  Elaea- 
gnaeeae. 

Myrtifiorae:  Lythraceae,  Biattiaceae,  Punicaeeae,  Lc- 
cythidaceae.  Rhizdjdioraceae,  Myrtaceae,  Combreta- 
ceae,  Melastomaceae,  Oenothcraeeae,  Halorrhagida- 
ccae. 

Umbelliflorae:  Araliaceae,  Umbelliferae,  Cornaceae. 

2.  Reihengruppe:  Sympetalae. 

Ericales:  Clethraceae, Pirolaceae, Lennoaeeae, Ericaceae, 
Epaeridaceae,  Diapensiaceae. 

Primulales:  Myrsinaceae,  Primulaceae.  Plumbaginaceae. 

Ebenales:  Sapotaceae,  Ebenaceae,  Symploeaceae,  Styra- 
caceae. 

Contortae:  Oleaceae,  Salvadoraceae,  Loganiaceae,  Gen- 
tianaceae,  Apocynaceae,  Asclepiadaeeae. 

Tubiflorae:  Couvolvulaceae,  Poknnoniaceae,  Hydro- 
phyllaceac,  Borraginaeeae,  Verbenaceae,  Labiatae, 
Nolanaceae,  Solanaceae,  Serophulariaceae,  Lenti- 
bulariaceae,  Orobauchaceae,  Gesneraceae,  Colu- 
melliaceae,  Bignoniaceae,  Pedaliaeeae,  Globularia- 
ceae,  Acanthaceae,  Myoporaceae. 

P 1  a  n  t  a  g  i  n  a  1  e  s :  Plantaginaceae. 

Rubiales:  Rnbiaceae,  Caprifoliaceae,  Adoxaceae. 

Aggregatae:  Valerianaceae,  Dipsacaceae. 

Campanulatae:  Cucurbitaeeae,  Campanulaceae,  Goode- 
niaeeae,  Candolleaceae,  Calyeeraceae,  Compositae. 


Nr.  f). 


Natnrwissciisphaftliclic  Wochenschrift. 


43 


aiizciisvstciiR'    der    letzten 
;'lcr'sehe  System  durchaus 


So   sehr  nun  auch    die   PI 
Zeiten   und    besonders   das   En 
den  heutigen  Kennt- 
nissen möglichst  ent- 
sprechend   gestaltet 
worden    sind,    Eins 
dürfen  wir  nicht  ver- 
gessen:   das   waln'c 
natürliche  System  ist 
noch     lange     nicht 
erreicht.      So     sehr 
auch    für    die     Sy- 
stematik    vcrwerth- 
bare  Eortschritte  in 
der  Abtheilung  der 
Kryptogamen  in  den 
letzten  Dccennien  ge- 
macht worden  sind, 
die       systematische 
Hanptgiicderung  der 
Plianerogamen      ist 
bei  Engler  die  glei- 
che   geblieben    wie 
früher;      auch     die 
Familiengrnppirnng 
weist  keine  ])rin('ipi- 
ell  bedeutend  ins  Ge- 
wicht  fallende  Ver- 
schiedenheit       auf. 
Mag  das  nun  darin 
seinen  Grund  haben, 
"dass     die    Plianero- 
gamen ja  zweifellos 
besser    und    länger 
erforscht    sind ,    als 
die      Kryptogamen, 
l)ei  denen  ohne  Mi- 
kroskop der  jetzige 
Standpunkt       nicht 
hätte   erreicht    wer- 
den können,  so  nuiss 
man   doch   anderer- 
seits   stutzen ,    dass 
wir    in    Bezug    auf 
die   Gliederung   der 
Phanerogamen      in 
einer       gewissen 
Hinsicht  nicht  über 
Linne    hinaus    sind. 
Denn      verhehlen 
wir    es    uns    nicht: 
so  sehr  auch  in  dem 
Streben,  ein  „natür- 
liches   System"     zu 
schatfen,  darauf  hin- 
gewirkt wird,  nuig- 
lichst  die  Eigenthüm- 
lichkeitcn,      welche 
von      der      ganzen 
Pflanze  geboten  wer- 
den, zu  berücksich- 
tigen, so  steht  doch 
noch  inmier,  wie  l)ei 
dem  rein  künstlichen 
System   von    Linne, 
die  Betrachtung  der 
Geschlechtsorgane,  bei  den  höheren  Pflanzen  also  der 
Blüthen,  im  Vordergrunde,  und  insofern  haftet  auch  den 
heutigen  Systemen  inmier  noch  etwas  Künstliclies  an.      Es 


Tafel  III:    Fig.  1,3,4—7,  Sa,  Sb   Casuarina  suberosa. 

Figur  1  u.  2.    Läiig.ssclinitte  tUin-li  .iiigeiKUicIic  NuooUi. 

In  Figur  I  unterscheiden  .sich  die  durch  Schrat'firung  kenntlich  gem.iehten  Zellen  des 
sporogencn  Gewebes  (si))  schon  durch  ihre  bedeutendere  Grösse  von  den  umgebenden  Zell- 
sehiehten.    (Vergrösserung:  190.) 

Figur  2.  Die  meisten  Zellen  des  sporogenen  Gewebes  Csp)  haben  sich  soeben  durch 
mehrere  Querwände  getheilt.  Diese  Querwände  sehen  gequollen  und  glänzend  aus,  ähnlich  wie 
diejenigen  der  Erabryosack-Mutterzellen  der  übrigen  Angiospermen.    (Vergrösser.:  157.) 

Figur  3.    Axiler  Längsschnitt  durch  einen  Nueellus.    -    em  =  Embryosack-Mutterzelle  mit 

3  Querwänden.  —  tr  =  Tracheide.  —  m  u.  m,  =  Makrosporen,  von  denen  die  letztere  bereits 
in  die  Ohalaza  (ch)  hiiieingowachen  ist-  (Vergröss. :  190.)  —  Die  in  der  Mitte  des  Nueellus  beüuil- 
liclieu  Zellsehichten  sind  in  der  Zeichnung  weggelassen. 

Figur  4.  Längsschnitt  durch  den  untern  Theil  einer  etwas  älteren  Samenknospe.  Der 
Pollensehhiuch  (ps)  sendet  vor  seinem  Eintritt  in  die  Chulaza  (ch)  einen  Gabelast  nacii  unten, 
welcher  last  bis  zur  Epidermis  vorgedrungen  ist.  Der  nach  oben  gerichtete  Gabelast  ist  bereits 
in  den  Nueellus  eingedrungen.  Die  (jefä.sse  (g)  setzen  sich  nach  rechts  in  den  Fiuiiculus  fort, 
dessen  Gewebe  nicht  mitgezeichnet  ist.    (Vergrösser.:  80.) 

Figur  5.  3  Makrosi)oren  (m,  »ii,  m;)  nebst  den  angrenzenden  Zellen,  m-i  ist  der  zur  Be- 
fruchtung bestimmte  Enibryosack.  Die  im  oberen  Theil  desselben  befindlichen  beiden  Zellen 
bilden  den  Eiajiparat.    (Vergrösser.:  2üu.) 

Figur  6.    Eiapparat  eines  Embryosackes.  —  s  =  Synergiden,   o  =  Gosphäre.    (Vergr.:  190.) 

Figur  7.  Skizze  eines  medianen  Längsschnitt  durch  das  Centrum  einer  jungen  9  ISliitlie. 
—  n  =  Nueellus.  —  ü  =  inneres  Integument.  —  ui  =  äusseres  Iiitegument.  —  br  =  Brücke,  welche 
die  Samenknospe  an  der  Fruchtknotenwand  festhält,  und  durch  welche  sjiäter  der  Pollenschlauch 
eintritt.  —  f  =  Funiculus. 

Figur  Sa.     Junger    Embryosack,    dessen    protoplasmatischcr    Inhalt    contrahirt    ist    und 

4  Zellkerne  k  enthält.  Die  Gosphäre  (o)  hat,  wie  bei  Casuarina  häufig,  eine  gekrümmte  Gestalt. 
Die  neben  ihr  liegende  Zelle  (a)  zeigt  einen  homogenen  stark  liclitbrechendcn  Inhalt,  wie  man 
Um  oft  bei  den  Kanalzellen  der  Areliegonien  der  höheren  Kryptogamen  findet.    (Vergrösser.;  260.) 

Vig.  SÄ.  Skizze  der  Eückseite  desselben  Embryosacks,  welche  deutlich  das  Ende  des  an 
ihr  haftenden  l'oUenschlauches  (p«)  zeigt. 


scheint  sieh  allerdings  gerade  in  der  Aehnliciikeit  und  Un- 
ähnlichkeit  des  Baues  der  Blüthen  die  Verwandtschaft  der 

Pflanzen  am  mei- 
sten auszusprechen 
und  möglicher  Wei- 
se stellt  sieh  daher 
immer  mehr  iieraus, 
dass  sich  durch 
die  fast  ausschliess- 
liche Berücksichti- 
gung der  genannten 
Organe  wirklich  ein 
wahrhaft  natürliches 
System  aimähernd 
erreichen  lässt.  Si- 
cher ist  das  aber 
nicht:  um  dies  be- 
stimmt behaupten  zu 
kiinnen ,  (hizu  rei- 
chen unsere  Kennt- 
nisse nicht  aus. 

Aber  auch  wenn 
wir  die  Annahme 
der  heutigen  Syste- 
matiker acceptiren, 
dass  sich  also  im 
Bau  (h'rGeschlechts- 
organe  und  in  den 
Fortpflanzungsver- 
hältnisseil in  der 
That  das  natürliche 
System  ausspriciit, 
so  ist  doch  zu  be- 
achten, dass,  soweit 
wir  aucii  hier  in  der 
Erkenntniss  vorge- 
schritten sind,  doch 
noch  Vieles  zu  tiiun 
bleibt.  So  macht  C. 
Fritsch  am  Schlüsse 
seiner  Besprechung 
über  die  Treuli'schc 
Casuarina  -  Untersu- 
chung*), speeiell  be- 
züglich der  Monoco- 
tyledonen,  die  fol- 
gende Bemerkung. 
In  allen  älteren 
Systemen ,  so  na- 
mentlich in  dem  lan- 
ge Zeit  gangbaren 
von  Endlicher,  stan- 
den die  Gymnosper- 
men, da  ihre  Fort- 
pflanznngsverhält- 
nisse  nicht  genau 
genug  bekannt  wa- 
ren, am  Anfange 
der  Dicotyledonen. 
Später  wurden  sie 
auf  Grund  der 
epochalen  Untersu- 
chungen Hofmei- 
ster's  an  die  Pteri- 
dophyten  angereiht, 
so  dass  die  Mo- 
nocotyledonen     zwischen    Gymnospermen     und    Dicotyle- 

*)  In   den   Vcrhaiullungen    der   k.    k.   zoolog;isch -botani.schen 
Gesellschaft  zu  Wien  1892,  Sitzungsbericht  S.  52. 


Fig.  3    Casuarina    glauca. 


44 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  5. 


donen  zu  stehen  kamen,  obschon  die  Gymnospermen  die 
mannigfachsten  Bezieliungen  zu  den  Dicotyledonen,  liaum 
al)er  solche  zu  den  Monocotyledoneu  aufweisen.  Nun 
•werden  heute  die  Casuariuaceen  von  den  Dicotylen  los- 
g'erissen  und  an  die  Gymnospermen  angereiht.  Andere 
Forseher  (Caruel)  weisen  den  Loranthaecen  eine  selbst- 
ständige Stellung  an;  und  wer  weiss,  ob  nicht  auch  für 
die  liabituell  so  sehr  an  Coniferen  erinnernden  rroteaceen, 
die  zudem  häufig  mein-  als  zwei  Cotyiedonen  besitzen, 
noch  eigenartige  Fortpflanzungsverhältnisse  nachgewiesen 
werden!  Alle  diese  Familien  gehören  aber  den  sogenannten 


„apetalen  Dicotyledonen"  an,  während  die  tief  stehenden 
Gruppen  der  IMonocotylcdoncn  nicht  die  geringsten  Ana- 
logien mit  Gymnospermen  aufweisen.  Alles  das  Angeführte 
spricht  seiir  für  Drude,  der  die  Monocotyledouen  an  das 
Ende  des  Systems  stellt  und  die  Dicotyledonen  direct  an 
die  Gymnospermen  anreiht.  Dass  die  höchst  entwickelten 
Formen  unter  den  gamopetalen  Dicotylen  eine  höhere  Ent- 
wicklungsstufe erreicht  haljcn,  als  etwa  die  Orchideen, 
ist  allerdings  kaum  zu  leugnen,  aber  allen  Anforderungen 
kann  ein  lineares  System  selbstverständlich  niemals  gleich- 
zeitig Rechnung  tragen. 


Ist  die  unmittelbare  Gedankenübertragung  oder  mentale  Suggestion  erklärbar? 


Von  Dr.  Karl  Fr.  Jordan' 


Es  ist  eine  geheime  oder  ofi'en  ausgesprochene  An- 
sicht vieler  Naturforscher,  dass  die  Thatsächlichkeit  einer 
Naturerscheinung  bestritten  werden  müsse,  welche  sich 
nicht  erklären  lässt  und  in  ihrem  Wesen  von  der  Mehr- 
zahl der  bekannten  Naturerscheinungen  abweicht.  Diese 
Ansicht  ist  durchaus  verkehrt;  denn  es  giebt  in  der  uns 
umgebenden  Welt  wie  im  Erfahrungsgebiete  in  uns  eine 
Menge  von  Thatsachen,  die  zu  leugnen  Niemandem  ein- 
fallen wird,  und  die  doch  nicht  —  sei  es  mit  Hilfe  unserer 
gegenwärtigen    Kenntnisse,     sei    es    auf    Grund    der 


Forschungsergebnisse    irgend  welcher 


fernliegenden  Zu- 


kunft —  des  Räthselhaften  und  Unbegreiflichen,  das  sie 
uns  bieten,  entkleidet  werden  können').  Ich  will  nur  auf 
drei  hierher  gehörige  Beispiele  \erweisen. 

Welcher  Chemiker  verm<ichte  es,  aus  Gras  und  andern 
Pflanzenstoften  die  organisirten  Bestandtheile  des  thie- 
rischen  Körpers:  Blut,  Nervengewebe,  Muskeln  und 
Knochen  u.  a.  m.  zu  bereiten  ?  Oder  wer  könnte  auch  nur 
die  Bedingungen  nennen,  unter  denen  solche  Umwandlung 
vor  sich  geht,  oder  die  einzelnen  Stadien  des  wunder- 
baren I'roccsses  bis  ins  Kleinste  enthüllen?  —  Und  doch 
geschieht  das  Unverstandene  und  Unerklärbare  tag- 
täglich in  jedem  Wiederkäuerleibe! 

Ein  anderes  Beispiel,  das  uns  noch  näher  liegt!  Fort- 
während macheu  wir  die  Erfahrung,  dass  eine  innige 
Wechselwirkung  zwischen  Geist  und  Materie  stattfindet^). 
Schallbewegungen,  Aethersehwingungen  n.  dergl.  m.,  kurz 
Vorgänge,  die  sich  im  todten  Stoff  al)spielen,  kommen 
uns  als  Töne,  Farben  oder  sonstige  Empfindungen  zum 
Bewusstsein^);  oder  wir  fassen  den  Entschluss,  diesen 
Stein  zu  heben,  oder  treffen  die  Willens-Fcstsetzung,  unsere 
Beine  nach  jenem  schönen  Aussichtspunkte  hin  in  Be- 
wegung zu  setzen  —  und  die  Handlungen,  die  wir  im 
Geiste  entworfen  haben,  vollziehen  sich  in  der  mate- 
riellen Wirklichkeit^).  Wer  aber  erklärt  uns  alles  dies?  — 
Freilich,  die  „Materialisten"  meinen,  es  erklären  zu 
können;  aber  was  sie  vorbringen,  können  nur  solche 
Gläubige  hinnehmen,  die  das  zu  erklärende  Problem 
überhaupt  garnicht  wahrhaft  erfassen"). 

Und  noch  ein  weiteres  Beispiel  fuhrt  uns  sogar  einem 
Widerspruch  entgegen,  der  solange  unlösliar  sein  wird, 
wie  die  Art  unseres  Denkens  dieselbe  bleibt  wie  heute. 
Es  ist  der  bekannte  Beweis,    den   der  griechische  Eleat 


*)  Di(,'  Redaction  hat  sich  entschlossen,  da  dor  Hr.  Verfasser 
ein  alter  Mitarbeiter  ist,  den  obigen  Aufsatz  zu  bringen,  obwohl 
die  entwickelten  Anschauungen  ganz  denjenigen  der  Red.  und, 
soweit  diese  orientirt  ist,  auch  denjenigen  des  Leserkreises  wider- 
sprechen. Zum  Ausgleich  hat  der  IJnterzeiclinete  nun  Hei-rn 
Dr.  Maximilian  Klein,  der  in  Zukunft  freundlichst  die  Philosoijhie 
in  der  Naturw.  Wochenschr.  vertreten  will,  gebeten,  den  obigen 
Artikel  mit  Anmerkungen  zu  versehen.  P. 


Z  e  n  0  für  die  Unmöglichkeit  der  Bewegung  erbracht  hat, 
d.  h.  für  eine  Unmöglichkeit,  die  in  unserem  Denken 
besteht,  während  wir  uns  in  AVirklichkeit  jeden  Augen- 
blick von  dem  Dasein  von  Bewegungen  überzeugen  können. 
In  der  That  ist  es  unerklärbar,  wie  ein  sich  bewegender 
Körper  ein  bestimmtes  Ziel  erreichen  kann,  wenn  man 
annimmt,  wie  man  es  doch  muss,  dass  er  erst  die  Hälfte 
des  Weges,  dann  die  Hälfte  der  übrigbleibenden  Hälfte 
dnrcldäuft  und  so  fort  bis  ins  Unendliche''i;  oder  wie  er 
ülierhaupt  vom  Flecke  konnnen  kann,  wenn  man  umge- 
kehrt bedenkt,  dass  er  doch,  ehe  er  den  ganzen  Weg 
zurücklegt,  erst  die  Hälfte  desselben  durchlaufen  muss, 
von  dieser  aber  vorher  auch  erst  die  Hälfte  und  so  fort 
bis  ins  Unendliche');  oder  endlich,  wie  er  seine  Bewegung 
ausführen  kann,  da  er  doch  andererseits  in  jedem  Zeit- 
punkte seines  Laufes  ruhen  muss'^),  womit,  wie  Zeno 
richtig  bemerkt,  die  Bewegung  aus  Ruhe,  d.  h.  ihrem 
Gegentheil  resultiren  würde.  Mit  dem  AVorte  „Continuität 
der  Bewegung",  mit  dem  man  die  Zeno'sche  Beweis- 
führung zu  entkräften  sucht,  ist  gar  nichts  gethan;  es  ist 
elien  nur  ein  Wort,  das  die  eigentliche  Schwierigkeit 
umgebt.   — 

Wenn  die  Materialisten  gegenüber  allen  drei  ange- 
führten Beispielen  sagen  wollten:  Wir  können  zwar  jetzt 
noch  nicht  das  Räthsel  lösen,  das  uns  in  ihnen  entgegen- 
tritt, werden  al)er  später  dazu  im  Stande  sein,  wenn 
unsere  Erfahrungen  oder  gar  unsere  Denkfähigkeit  andere 
geworden  sein  werden,  so  bemerke  icii  dagegen:  das 
kann  man  jeder  wunderbaren  Erscheinung  gegenüber 
erklären,  und  folglich  hat  man  kein  Recht,  allein  des 
Wunderbaren  wegen,  das  eine  Erscheinung  an  sich 
hat,  ihre  Thatsächlichkeit  zu  bestreiten''j.  — 

Eine  der  räthselhaftesten  und  am  meisten  angezwei- 
felten Naturerscheiiumgen  nun  ist  die  „mentale  Sug- 
gestion" oder  „unnnttelbare  Gedankenübcitragung", 
d.  h.  eine  ohne  Vermittlung  der  Sinne  (und  körperlicher 
( >rgane)  stattfindende  Uebertragung  geistiger  Vorgänge  von 
einer  Person  auf  eine  andere.  Nicht  nur,  wenn  die  zweite 
Person  sich  in  Hypnose  oder  im  Schlafzustande,  von 
Träumen  nmfangen,  befindet,  sondern  aucli,  wenn  sie 
v(>llig  wach  ist,  soll  in  ihr  entweder  auf  Grund  einer  Vor- 
stellung, welche  die  erste  Person  hat,  die  gleiche  Vor- 
stellung oder  gar  ein  ihr  entspreehemles  Bild  (eine  Hal- 
lucination)  entstellen,  oder  sie  soll  durch  einen  blossen 
Willensaet  der  ersten  Person  zu  irgend  einer  Handlung 
veranlasst  werden.  Ich  sage:  sie  soll,  weil  ich,  obgleich 
ich  die  mentale  Suggestion  für  möglich  und  sogar  für 
wahrscheinlich  halte,  doch  noch  nicht  unzweifelhafte 
Gewissheit  von  ihrem  Dasein  besitze.  Es  regt  sich  in 
dieser  Beziehung  der  nüchterne  Sinn  des  Naturforschers 
in    mir,    der    sich    hütet,    neue  Erscheinungen    ohne   vor- 


Nr. 


Naturwisscnscliaf'tliclie  Wochenschrift. 


4n 


sichtige  Kritik  und  bloss  dem  unklaren  Aufschwünge  der 
Phantasie  folgend  anzuerkennen.  Innnerhin  will  icli  gern 
eingestehen,  dass  ich  bereits  mehrere  Traumerlebnisse 
sowie  Vorfalle  des  wachen  Lebens  zu  verzeichnen  habe, 
die  sieh  im  Sinne  der  unmittelbaren  Gedankenübertragung 
deuten  lassen'"). 

Es  entsteht  uuu  auf  Grund  der  vorhergehenden  Er- 
örterungen die  Frage  in  uns,  ob  sich  für  die  Thatsachen 
der  mentalen  Suggestion  eine  Erklärung  finden  lasse. 
Giebt  es  eine  solche,  so  werden  die  genannten  That- 
sachen das  Frt'indartige,  das  sie  sonst  für  uns  an  sich 
haben,  verlieren  und  uns  vertraut  werden;  al)er  wenn  es 
auch  nicht  gelingen  sollte,  sie  begreiflich  zu  machen, 
würde  nach  dem  oben  Auseinaudergesetztcn  ihr  that- 
siichlichcr  Werth  deswegen  doch  noch  nicht  aufgehoben 
werden"). 

In  der  That  sehe  ich  nun  aber  eine  IMöglichkeit,  wie 
man  sich  das  Zustandekommen  einer  mentalen  Suggestion 
denken  kann.  Berücksichtigen  wir  nändich,  dass  alles 
Geistige  seiner  Natur  nach  unriiumlich  ist,  so  können  wir 
die  vVnnalnne  machen,  dass  es  in  Gestalt  des  menschlichen 
Geistes  keineswegs  unbedingt  an  den  raumerfüllenden 
Körper  gebunden  ist,  sondern  über  die  Grenzen  desselben 
hinaus  wirksam  sein  kann.  Die  Hauptsehwierigkeit  liegt 
in  Wahrheit  nicht  in  der  Erklärung  der  Einwirkung  des 
Geistes  auf  einen  fi'cmden  Körper,  sondern  auf  einen 
Körper  überhaupt,  mag  es  auch  der  eigene  sein'-). 

Diesem  Problem  der  Beeinflussung  des  menschlichen 
Oiganisnnis  durch  den  in  ihm  wohnenden  (ieist  wolk'U 
wir  uns  daher  zunächst  zuwenden.  Fassen  wir  es  genauer, 
so  handelt  es  sich  dabei  um  einen  auf  die  motorischen 
Nerven  und  die  Drüsennerven  ausgeübten  Eiiifluss,  der 
von  bewussten  Vorstellungen  (Vorstellungen  des  Ich)  her- 
rührt. Es  giebt  zwei  Arten  dieser  als  Innervation  (im 
engeren  Sinne)  bezeichneten  Beeinflussung:  eine  gewollte 
und  eine  nicht  gewollte.  Die  erstere  findet  z.  B.  statt, 
wenn  ich  etwas  heben  oder  einen  Schiitt  tliun  will,  die 
letztere  zeigt  sieh  in  dem  Erröthen  bei  Schani,  dem  Er- 
bleichen bei  Schreck,  dem  vermehrten  Spcichelfluss  beim 
Gedanken  an  Saures  u.  dergl.,  ferner  in  der  Accomodation 
des  Auges  und  in  der  Athmung,  die  freilich  zum  Theil 
auch  in  bewusster  Absicht  erfolgen  kann'''). 

Wir  haben  es  hier  nur  mit  der  (bewusst)  gewollten 
Innervation  zu  thun'^).  Obgleich  nun  bei  dem  Zustande- 
konnnen  derselben  der  Anlass  vom  Ich  gegeben  wird,  ist 
sich  dasselbe  doch  seiner  Einwirkung  auf  die  zuvor  ge- 
nannten Nerven  nicht  l)ewusst,  und  \i>r  allem  weiss  und 
verspürt  es  nicht,  inwiefern  es  dicsell)en  beeinflusst. 
Es  nniss  denniaeh  diese  Beeinflussung  unmittelbar  nicht 
vom  (wach-bewussten)  Ich,  sondern  von  (relativ)  uube- 
wussten  geistigen  Factoren  ausgehen,  die  wir  dem 
sogenannten  Uuterbewusstsein  zurechnen.  Den  Nachweis, 
dass  dies  so  ist,  hat  Dr.  Eug.  Dreher  in  seintT  Schrift 
„Drei  psychophysiologische  Studien"  geführt.  Damit  ist 
das    Räthsel    der    Wechselwirkung    zwischen    Geist    und 


Materie,  das  seit  Descartes  die  Köpfe  der  Denker  be- 
schäftigt und  beunruhigt  hat,  wenn  auch  nicht  gelöst,  so 
doch  der  L(isung  um  einen  Schritt  cntgegenführt  und 
jedenfalls  in  gewissem  Sinne  fasslicher  gestaltet  worden. 
Descartes  hatte  das  Ich  mit  dem  ganzen  Geiste  (bezw. 
der  ganzen  Seele)  identiiicirt.     Für  ihn   nmsstc   die  Ein- 


wirkung des  Geistes 


was  also  nach  seiner  Anschauung 


zugleich  die  Einwirkung  des  Ich  hiess  —  auf  gewisse 
Nerven  völlig  nnfassbar  sein,  da  doch  das  Ich,  wie  er- 
wähnt, nichts  davon  weiss  noch  verspürt.  Nehmen  wir 
nun  aber  ausser  dem  Ich  (mit  seinem  wachen  Ichbewusst- 
sein)  noch  andere  Kräfte  des  Geistes  an,  deren  Gesannnt- 
heit  wir  als  Unterbewusstsein  bezeichnen,  durch  welche 
die  vielfachen  (relativ)  unbcwussten  geistigen  Vorgänge 
vollzogen  werden,  so  können  wir  letzteren  die  Inner- 
vation au  <lie  Seite  stellen'"). 

Ebenso  wie  der  Wille  nicht  immittelbar,  sondern  auf 
dem  Umwege  durch  das  Unterbewusstsein  das  Nerven- 
system beeinflusst,  geschieht  es  auch  seitens  der  blossen 
Vorstellung.  Es  geht  zunächst  eine  Nachricht  an  das 
Unterbewusstsein.  Hier  angelangt,  schwindet  sie  dem 
Ich  aus  dem  Gesichtskreis  nnd  wird  von  den  (relativ) 
unbcwussten  geistigen  Factoren  weiter  verarbeitet,  und 
das  Nervensystem  erhält  von  hier  aus,  ohne  dass  das  Ich 
dies  weiss,  noch  Kenntniss  davon  hat,  wie  es  geschieht, 
Anstösse  zu  bestimmten  Thätigkeiten. 

Wenn  dies  nun  der  Fall  ist,  so  darf  es  nicht  als 
ausgeschlossen  erachtet  werden,  dass  der  Einfluss  einer 
Vorstellung  sieh  vom  Fnterbewusstsein  aus  auch  auf  ein 
fremdes  Nervensystem  erstreckt,  das  dem  eigenen  sym- 
pathisch ist.  Auf  die  räundiche  Trennung  dieses  frem- 
den Nervensystems  von  dem  Sitze  des  wirksamen  Unter- 
bewusstseins  kommt  es  dabei  nicht  an,  wie  schon  erwähnt"'). 
Wohl  aber  könnte  der  Einwand  geltend  gemacht  werden, 
dass  zur  Einwirkung  des  Unterbewnsstseins  auf  ein  iVem- 
des  Nervensystem  doch  eine  innigere  materielle  Verbin- 
dung desselben  mit  dem  eigenen  von  Nothen  ist.  Diesem 
Einwände  begegnet  die  Gustav  Jäger'sche  Theorie,  nach 
welcher  ein  materieller  Wechselverkehr  zwischen  zwei 
verschiedenen  Nervensystemen  durcii  die  von  dem  einen 
ausgehenden  Lebensstoffe  stattflndet,  infolge  dessen  das 
andere  von  jenem  beeinflusst  wird.  Es  ist  zwar  eine 
gegenseitige  Beeinflussung  \orhauden,  aber  das  eine 
Nervensystem,  der  eine  Organismus  überhaupt  spielt  doch 
eine  gewisse  Herrscherrolle.  —  Man  ki'nmte  übrigens  auch 
ohne  die  Annahme  einer  materiellen  Vermittlung  aus- 
konmien,  indem  man  der  Ansicht  Raum  gäbe,  dass  eine 
wahrhaftige  geistige  Fernwirkung  stattzuflnden  vermag, 
infolge  deren  ein  fremdes  symi)athisches  Nervensystem 
oder  wahrscheinlicher  zunächst  das  der  gleichen  Person 
angehörende  Unterbewusstsein  in  Mitleidenschaft  ge- 
zogen wird  —  ähnlich  wie  bei  dem  bekannten  Phänomen 
des  Mittönens  ein  angeschlagener  musikalischer  Ton 
einer  Saite  eine  gleichgestinnnte  Saite  zum  Mitschwingen 
l)rini;-t. 


Anmerkungen  zu  dem  vorstehenden  Aufsatz  des  Herrn  Dr.  Jordan. 


Von  Dr.  M.  Klein. 


')  Woher  weiss  Herr  Dr.  J.  dies?  Eine  Erscheinung 
erklären,  heisst  dieselbe  auf  andere  uns  bekannte,  von 
uns  „begriffene'-  Thatsachen  zurückfuhren,  sie  unter  be- 
kannte (iesetze,  bezw.  Begritt'e  subsumiren.  Und  wes- 
halb sollte  dies  Subsumiren,  dies  Zurückfuhren,  dies 
„Begreifen"  nicht  einst  auch  bei  IMiatsachen  UKiglich  sein, 
die  heute  manchem,  vielen  oder  allen  als  „unbegreiflich" 
erscheinen?  —  Dr.  J.  verfällt  in  dassellje  Dogma,  wie 
Du  Bois-Reymond  mit    seinem    bekannten   „Ignorabimus", 


das  aus  nicht  ganz  klaren  Vorstellungen  über  das  Wesen 
unseres  Begreif'ens  und  Erkcnnens  und  die  demscllien  ent- 
sprechende .\ufgabe  der  Wissenschaft  hervorgegangen  ist. 
Letztere  hat  unseres  Erachtens  nicht  im  mintlesten  den 
Zweck,  uns  eine  sog.  absolute  Wahrheit  und  Erkenntniss 
zu  verschaffen,  wie  die  speculativen  Forscher  wollen, 
sondern  soll  im  Interesse  unseres  Erhaltungskampfes,  also 
aus  durchaus  i)raktischem  Gesichtspuiditc,  die  Thatsachen 
möglichst  vollständig    mit    dem   gering.sten   Gedaukenauf- 


46 


Naturwissenschaftliche  Woclienschritt. 


Nr.  5. 


wände  und  in  einer  unserem  Erhaltuugsstreben  möglichst 
nützlichen,  für  uns  im  Leben  uKiglichst  branchbaren  und 
fruclitbaren  und  darum  auch  haltl)aren  Weise  darstellen. 
(Vergl.  hierzu  die  Schriften  von  Richard  Avenarius  „Kritik 
der  reinen  Erfahrung-"  und  „l>er  menschliche  AVcltbegrifl'-, 
Ernst  Mach,  „Analyse  der  Emptindungen'-  und  „Die 
Mechanik  in  ihrer  Entwicklung",  ferner  den  Aufsatz  „lieber 
die  Entstehung  der  Denkfrirmeu"  von  Dr.  H.  Potonie  in 
dieser  Zeitschrift  1891,  Nr.  15,  und  meine  binnen  Kurzem 
im  Verlage  von  Ferd.  Dümmler  erscheinenden  „Grundzüge 
der  Psychologie".) 

-)  Wer  macht  diese  Erfahrung  (nicht  etwa,  wie  man 
meinen  sollte,  von  einem  innigen  Zusanmicnhangc,  son- 
dern) von  einer  „innigen  Wechselwirkung  "  zwischen 
Materie  und  Geist?  Doch  wohl  nur  Theologen,  Meta- 
physikcr  und  Mystiker,  die  ja  auch  manchmal  „Natur- 
forscher" sein  mögen.  Im  übrigen  ist  die  freie  Erfahrungs- 
Wissenschaft  und  Forschung,  unbekünmiert  um  Sonder- 
wttnsclie,  in  Verfolgung  des  Hauptzieles  aller  Wissenschaft 
auf  der  Bahn  der  Vereinfachung  ihres  Welt-Denkens  ülicr 
den  Dualismus  hinweggeschritten  und  bekennt  sich  zu 
jener  Hypothese,  die  die  in  Anm.  1  bezeichneten  Aufgaben 
der  Wissenschaft  am  besten  erfüllt,  nämlich  zu  der  An- 
sicht, dass  geistige  und  körperliche  Vorgänge  nur  zwei 
iSeiten  eines  und  desselben  Processes  sind,  dass  also  gc- 
wisscrmaasscu  ein  Parallelismns  zwischen  beiden  Arten 
von  Vorgängen  statt  hat.  Xon  einer  ja  in  der  That  völlig 
unbegreiflichen  und  die  Sache  nur  verwickelnden  und 
verdunkelnden  Wechselwirkung  kann  bei  Annahme  dieser 
Ansicht  natürlich  nicht  die  Rede  sein,  sondern  nur  von 
einer  Functionalbeziehung  zwischen  beiden  (im  mathe- 
matischen Sinne  des  Worts):  mit  dem  Sicliändcrn  des 
Geliirnprocesses  treten  gleichzeitig  (nicht  etwa  darauf, 
also  etwa  verursacht)  auch  Aenderungcn  der  eventuell 
vorhandenen  seelischen  Thatsachen  ein,  und  umgekehrt. 
Diese  Ansicht  stinmit  mit  allen  Erfahrungsthatsachen  über- 
cin,  insbesondere  auch  mit  dem  Gesetze  von  der  Erhal- 
tung der  Energie  (das  durch  Annalnne  der  Wechselwirkung- 
aufgehoben  wird),  und  erklärt  am  besten  die  S(nist  (bei 
dualistischen,  spiritualistischen  und  materialistischen  An- 
sichten) vorhandenen  Dunkelheiten  (z.  B.  bzgl.  der  Zeu- 
gung, des  „Instinctes",  der  Abnormitäten,  mancher  Vor- 
gänge in  Kranklicitszuständen  u.  s.  w.).  Sie  ist  an  Ein- 
i'achlieit  und  Brauchbarkeit  —  und  darauf  kommt  es  ja 
an!  —  insbesondere  der  dualistischen  Weclist'lwirkungs- 
Hypothese,  die  aus  den  Schwierigkeiten  und  Dunkelheiten 
nicht  herauskonnnt  und  im  fundamentalen  Gegensatze 
zum  Gesetze  von  der  Erhaltung  der  Energie  steht  (da 
zwisclicn  materielle  Vorgänge  etwas  „Geistiges"  einge- 
schoben wird)  weitaus  überlegen.  -—  Jedenfalls  ist  es  aber 
keine  fortwährend  gemachte  Erfahrung,  dass  eine„A\'echsel- 
wirkung"  zwischen  körperlichen  und  geistigen  Vorgängen 
statt  hat,  sondern  wir  wissen  nur  von  einem  sehr  innigen 
Zusammenhange,  einem  sehr  innigen  In-Bezichung-stehen 
beider  Vorgangs -Reihen,  das  eben  am  besten  durch  die 
Parallelismus -Hypothese  erklärt  wird. 

ä)  Der  Vorgang  ist  vielmehr  der,  dass  von  den  Reizen 
der  „Aussenwelt"  Veränderungen  in  den  peri})herischcn 
Nervenorganen  hervorgerufen  werden,  die  sich  durch  die 
sensiblen  Nerven  hindurch  zum  Gehirn  fortpHanzen  und 
hier  —  vorausgesetzt,  dass  die  Reize  genügend  stark 
und  difterent  waren  —  von  Wahrnehmungen  oder 
„Bewusstseinsvorgängen"  („Abhebungen"  würde  ich  nnt 
Richard  Avenarius  lieber  sagen!)  begleitet  sind.  —  Die 
Witrter  „Empfindungen"  und  „Bewusstsein"  rufen  den 
Schein  hervor,  als  ob  die  erfolgten  Wahrnehmungen  etwas 
subjektives,  also  ..in  meinem  Kopfe"  seien,  während  die 
wahigenonnnenen    Sachen    „draussen"    wären.      Das    ist 


aber  vom  Standpunkte  des  Erfahrungsphilosophen  aus 
unbedingt  zu  bestreiten.  Die  „Wahrnehmungen"  sind  von 
den  „wahrgenommenen  Sachen"  keineswegs  verschieden, 
■\ielmchr  decken  sich  beide  Ausdrücke.  Die  Wahrneh- 
nningen  sind  nicht  in  meinem  Kopfe,  sondern  theilen 
mit  demselben  nur  dasselbe  räumliche  Feld:  sie  sind 
eben  die  Sachen  da  „draussen",  die  als  „Reize"  aufge- 
treten sind. 

*)  „Entschluss"  und  „Willcns-Fcstsetzungcn"  (ein 
etwas  sonderbarer  Ausdruck!)  sind  ebenfalls  Begleiter- 
scheinungen von  Hirnvorgängen,  welche  Hirn  Vorgänge  so 
beschaffen  sind,  dass  sie  Veränderungen  in  den  motorischen 
Nerven  nach  sich  ziehen. 

°)  Nicht  nur  die  Materialisten ,  sondern  auch  die 
Monisten,  Positivisten  und  die  empiriokritisehe  Richtung 
(Richard  Avenarius,  Ernst  Mach  u.  s.  w.)  meinen  mit  der 
„Parallelismus-Hypnthese"  den  Zusammenhang  von  Leib 
und  „Seele"  ganz  leidlich  erklärt  zu  haben.  Die  mate- 
rialistische Ansicht,  nach  der  die  seelischen  Vor- 
gänge ein  Erzeugniss  von  Nervenvorgängen  sind,  ist  aller- 
dings wegen  der  Uukörperlichkeit  jener  zu  verwerfen. 
Verhielten  sich  die  Gedanken  wirklich  zum  Gehirn  so, 
wie  der  Urin  zu  den  Nieren,  d.  li.  wären  jene  ein  körper- 
liches Absonderungserzeugniss  des  Gehirns,  dann  in  der 
That  böte  der  Materialismus  die  einfachste  Erklärung 
der  bezgl.  Vorgänge.  Wegen  der  tiefgehenden  Ver- 
schiedenheit körperlicher  und  seelischer  Vorgänge,  welche 
letzteren  sich  docli  niclit  in  den  allgemeinen  Kausalzu- 
sammenhang der  materiellen  Welt  einreihen  lassen,  ist 
die  materialistische  Hypothese  abzulehnen  und  die  Paral- 
Iclismus-Hyiiotiiese  vorzuziehen.  Letztere  leistet  alles, 
was  man  billiger  Weise  verlangen  kann.  Allerdings  muss 
das  in  Rede  stellende  „Problem"  auch  richtig,  d.  h.  klar 
und  den  Erfahrungsthatsachen  entsprechend  gefasst  sein, 
und  nicht  so,  wie  es  dem  Geschmacke  mancher  „Gläu- 
bigen" (allerdings  nicht  dem  der  im  Texte  erwähnten) 
entspricht. 

'')  Dass  die  Zenonischen  Beweise  der  AVirklich- 
keit  der  Bewegung  nichts  anhaben  können,  erkennt  ja 
Dr.  J.  an.  In  der  That:  mittelst  einer  Denkoperation 
etwas  tliatsächlich  Vorhandenes  zu  einem  Niclitvor- 
handenen  zu  maciien,  ist  noch  Niemandem  gelungen. 
Die  Bewegung  ist  eine  Erfahrnngs-Thatsache  und  —  das 
genügt!  Keine  Denkoperation  kann  eine  Thatsache  aus 
der  Welt  schaffen.  Wenn  uns  nun  die  Zenonischen  Be- 
weise auch  nicht  zu  beunruhigen  vermögen,  weil  wir  uns 
von  vornherein  sagen,  dass  schon  irgendwo  in  den  Beweisen 
ein  gut  Stück  Spitzfindigkeit  stecken  wird,  so  ist  es  doch 
anderseits  sicher  nicht  ohne  Interesse,  diese  Spitzfindig- 
keit aufzudecken.  Der  täuschende  Schein  wird  in  dem 
von  Dr.  J.  zunächst  angeführten  Beweise  „Achilles  und 
die  Schildkröte"  dadurch  hervorgerufen,  dass  der 
Schein  erweckt  wird,  als  ob  die  Sunnnc  der  Weg-Theile 
eine  unendliche  Grösse  ergebe,  während  doch  tliatsächlich 
nur  die  Zahl  der  Theile  eine  unendbche,  ihre  Grösse  da- 
gegen eine  durchaus  begrenzte,  endliche  ist.  Der  Versuch 
diese  unendliche  Zahl  von  Abschnitten  einzeln  sinnlich 
darzustellen  und  zwar  jeden  durch  ein  endliches  Stück, 
ergiebt  das  Resultat,  dass  diese  Stücke  zuletzt  alle  nahezu 
oder  vielmehr  ganz  gleich  werden,  weil  sich  die  weitere 
„Theiluug"  sonst  nicht  mehr  sinnlich  darstellen  Hesse.  AVenn 
eine  solche  sinnliche  Darstellung  richtig  wäre,  dann  aller- 
dings wäre  schwer  begreifiich,  wie  die  Summe  aller  jener 
Raumabsehnitte,  die  ja  nun  eine  unendliche  Grösse  bilden 
würden,  durchlaufen  werden  könnte.  Jene  sinnliche  Dar- 
stellung ist  aber  eben  falsch,  weil  sieh  eine  solche  über- 
haupt nur  bis  zu  einem  gewissen  Punkte  geben  lässt. 
Eine    endliche    Raumgrösse  aber,    möge  die  Zahl  ihrer 


Nr.  5. 


Naturwissenspbaftlielic  Woclicnscbrift. 


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Tlieile  auch  cJ"  sein,  wird  —  unser  Denken  wird  es  be- 
stätigen —  stets  durcbschritteu  werden  können.  Zeno  be- 
weist überdies  zu  wenig,  wie  das  Ueberweg  in  seiner  Logik 
(4.  Aufl.  S.  419 f)  so  klar  (Lirgelegt  bat.  Wenn  die 
beiden  Gescinvindigkoiten  sieh  wie  ii :  1  verhalten,  wird 
i\iiieriialb  der  folgeiKk'n  Reibe  von  Zeit-  um!  Weg-Tlieilen 
kein   Kiidiiden  stattfinden: 


1 


IH 1--.5+-. 


1 


in  infin. 


1 

n      n-      rr      u* 

Hierbei  ist  der  urspriingiielie  Abstand  als  Längen- 
einiieit  und  die  Zeit,  in  der  der  sebneUere  Körper  dieselbe 
durchniis.st,  als  Zeiteiniieit  angeseiien.  Innerhalb  dieser 
Reibe  wird  in  der  That  der  schnellere  Körper  den  lang 
saraen  nicht  einholen  (erreicht  doch  in  der  That  die  Reilie 
nie  den  von  uns  leicht  zu  berechnenden  Einli(dungsort!) 
und  die  Weglassung  des  Vorbehaltes  „iinierbalb  dieser 
Reihe"  ist  der  Trug,  der  in  diesem  Zenoniscbcn  Beweise 
steckt. 

■")  Weshalb  ein  K('irpcr,  wie  der  zweite  von  Dr.  J. 
angeführte  Zenoniscbe  Beweis  behauptet,  nicht  vom 
Flecken  ki mimen  soll,  weil  der  zu  durebschreiteiule  Kaum 
in  Gedanken  unendlich  oft  getheilt  werden  kann  (eben  in 
Gedanken  und  zwar  nur  in  Gedanken!),  ist  uns  unerfind- 
lich! Wie  oft  der  bezügliche  Raum  in  Wirklichkeit  auch 
getheilt  werden  mag,  seine  Tbeile  Jtleiben  hier  doch  end- 
liche Theile  und  jeder  endliche  Raumtbeil  ist  auch  dem 
Urtheil  unseres  Denkens  gemäss  durchsehreitljar.  Es  wird 
hier  wiederum  der  Schein  hervorzurufen  gesucht,  als  ob 
der  endliche  Raum  dadurch,  dass  er  in  Gedanken  un- 
endlich oft  getheilt  werden  kann,  in  Wirklichkeit  etwas 
Unendliches,  und  zwar  in  diesem  Falle  ein  unendlich  oft 
vorhandenes  unendlich  Kleines,  würde.  Das  ist  aber  nicht 
der  Fall.  Unser  endlicher  Raum  bleibt  endlich,  mag  man 
ihn  in  Gedanken  zerlegen,  so  oft  man  will.  Der  Unendlich- 
keitsljegrift  ist  wie  alle  Begriffe  ein  Erzeugniss  des  Men- 
sehen, bestimmt,  ihm  (dem  Menschen)  praktisch  zu  dienen, 
ihm  im  Daseinskampfe  zu  nützen.  Thut  er  das  nicht,  so 
muss  er  —  in  seiner  unklaren  Fassung  —  verworfen  werden. 
Der  Unendlicbkeitsbegritf  bildet  keine  Thatsachc  in  Ge- 
danken nach,  sondern  sein  klargedaehter  Inhalt  ist  nur 
ein  rein  negativer:  die  Verneinung  eines  Thatsächlicben, 
nämlich  der  Endlichkeit,  der  Begrenztheit,  der  Schranken. 
In  Wirklichkeit  giebt  es  nirgendwo  einen  unendlichen 
Iiaum  (sei  es  einen  unendlich  grossen  oder  unendlich 
kleinen),  wie  es  auch  keine  unendliche  Zeit  giebt.  Unsere 
Erfahrung,  d.  b.  unsere  Wahrnelnnungen  zeigen  uns  stets 
nur  begrenzte  Räume  und  Zeiten!  Wie  wir  selber  „be- 
grenzt", „endlich"  sind,  so  ist  auch  alles,  was  wir  wahr- 
nehmen, „endlich",  „begrenzt".  Der  Raum  der  Wirklich- 
keit, der  Raum  unserer  Wahrnehmung  lässt  sich  nicht  in 
ausdehnuugslose  Punkte  zerlegen,  wie  es  der  obige 
Zenoniscbe  Beweis  will.  Für  den,  der  diesen  Funkt  fest- 
hält und  sich  dannt  von  den  unklaren  Unendlichkeits- 
Vorstellungen  fern  hält,  bietet  der  Zenoniscbe  „Beweis" 
keine  Schwierigkeit. 

8)  Dem  dritten  Zenoniscbcn  Beweise  („Der 
fliegende  Pfeil  ruht")  liegt  der  Gedanke  zu  Grunde,  dass 
eine  Bewegung  in  einem  ausdebnungslosen  Punkte  der 
Flugbahn  nicht  zu  denken  ist.  Ganz  recht!  Wenn  man 
den  ausgedehnten  Raum  in  ausdehnungslose  Punkte  zer- 
legt, d.  b.  den  Raum  zu  einem  Unraum  macht,  dann  kann 
man  auch  alles  Mögliche  folgern.  Es  ist  dersellie  Fehler, 
wie  früher,  dass  aller  Wirklichkeit  (die  uns  stets  nur 
einen  ausgedehnten  Raum,  aber  nie  einen  unausgedehnten, 
d.  b.  unräumlichen  Raum  zeigt)  zum  Trotz  die  Zerlegung 
des  Raumes  in  unausgedehnte  Puids.te  vorgenonnnen  wird. 
Wer    sich    strenj;-    an    die  Erfahrung,    d.  h.    an  das   Ge- 


gebene, die  Wirklichkeit  hält,  wird  vor  solchen  fehler- 
haften Spekulationen  bewahrt  bleiben. 

'•)  Warum  Herr  Dr.  .1.  nur  die  Materialisten  für 
Gegner  seiner  Anschauungen  hältV  Oder  soll  der  .\us- 
druQk  etwa  ein  Sammelname  für  alle  seir.e  Gegner 
sein?  —  Auf  die  Zukunft  brauchen  wir  bezgl.  der  Zenoui- 
s(;ben  Beweise,  wie  ich  oben  bewiesen  zu  haben  hoffe, 
nicht  im  mindesten  zu  vertrösten.  —  Was  die  Bemerkung 
anbetrirt't,  dass  man  eine  ..wunderl)are  Ers(,dieinung"  doch 
nicht  deshalb  bestreiten  dürfe,  weil  sie  „wunderbar" 
sei,  so  ist  das  ohne  Weiteres  zuzugehen,  wofern  damit 
nichts  anderes  gesagt  sein  soll,  als  dass  eine  Tbatsaehe, 
die  wir  augenblicklich  noch  nicht  begreifen,  d.  b.  nogh 
ni(;bt  auf  Bekanntes  zurückführen  und  unter  Bekanntes 
subsumiren  können,  doch  aber  eine  Thatsachc  ist  und  als 
solche  anerkannt  werden  muss.  Sicher!  Alier  wir 
möchten  doch  bitten,  den  P.egriff  des  Tbatsäcblicben  nicht 
soweit  auszudehnen,  dass  man  auch  die  ganz  individuellen 
„Erfahrungen",  die  von  den  meisten  Nel)euraenschen  nicht 
gemacht  und  von  Vielen  —  und  nicht  den  Ungebildetsten 

—  als  in  Widerspruch  mit  fundamentalen  Naturgesetzen 
stehend  erachtet  werden,  als  Thatsacben  anerkannt  sehen 
wilL  Für  jene  Einzelnen  möigen  es  „Thatsacben"  sein,  das 
soll  ihnen  unbenommen  bleiben:  aber  uns  andern  gestatte 
man,  jene  „Thatsacben"  zu  bestreiten,  solange  sie  für  uns 
keine  Erfahrung  geworden  sind  und  unsere  Naturanscbau- 
ung  diesell)e  geblielten  ist. 

1")  Wir  treffen  in  der  Natur  geistige  Vorgänge 
stets  an  materielle  Vorgänge  gebunden.  Ohne  körperliche 
Begleitvorgänge  sind  die  geistigen  Vorgänge  noch  nie 
von  Seiten  der  Erfahrungs-Wissenschaft  (der  Glaube  geht 
uns  hier  nichts  an!)  beoljacbtet  W(u-den,  Eine  „unndttel- 
bare"  Gedankenübertragung,  d.  h.  eine  solche  ohne 
körperliche  Begleitvorgänge,  widerspricht  dieser  Funda- 
mentalthatsache  aufs  Schroffste  und  muss  deshalb  den 
schärfsten  Widerspruch  jedes  „nUcbternen"  Naturforschers 
hervorrufen!  Soll  eine  „geistige  Einwirkung",  eine  Ge- 
dankenübertragung eines  Älenschen  auf  einen  andern  er- 
folgen, so  ist  eine  solche  nur  denkbar,  wenn  der 
andere  die  betreffenden  Gedanken,  d.  h.  also  die  die- 
selben ausdrückenden  Bewegungen  (Worte,  Mienen,  Blicke 
u.  s.  w.)  wahrnimmt.  Ohne  Wabrnehnumg  des  Andern 
können  unsere  Gedanken  auch  nicht  demselben  eingeflösst 
werden.  Bezgl.  Bewegungen  unsrerseits,  die  unsere  Ge- 
danken ausdrücken  oder  wenigstens  doch  „verrathen", 
und  Wahrnehmung  der  bezgl.  Bewegungen  seitens  des 
Andern  siud  die  Grundbedingungen  der  Gedankenüber- 
tragung! —  Dass  die  Traumerlebnisse  u.  s.  w.  des  Herrn 
Dr.  J.,  die  „sich  im  Sinne  der  unmittelbaren  Gedanken- 
übertragung deuten  lassen",  kein  genügender  Beweis  für 
letztere  sind,  brauche  ich  wohl  kaum  noch  ausdrücklich 
zu  bemerken. 

1')  Im  vorhergehenden  Absätze  war  die  mentale 
Suggestion  nur  als  wahrscheinlich  bezeichnet.  In  diesem 
wird    sie    schon   als   Thatsachc    behandelt  und    soll    nun 

—  obwohl  ihre  Tbatsächlirbkeit  noch  nicht  bewiesen 
ist  —  begreiflich  gemaclit  werden  und  wird  ihr  auch  bei 
etwaiger  Uubegreiflicbkeit  ein  „thatsäcblicher  Wert"  zu- 
gesehrieben ! 

1-)  Wie  daraus,  dass  das  Geistige  unräumlich  ist, 
folgen  soll,  dass  es  auch  ohne  Körper  vorkonmien 
könne,  sehe  ich  meinerseits  nicht  ein.  Die  geistigen  Vor- 
gänge sind  unbedingt  an  Ner\  envorgänge  gebunden. 
Nirgendwo  treten  uns  in  den  Erfahrungen  jene  ohne 
letztere  entgegen!  Die  Annahme  des  Dr.  Jordan  ist  durch- 
aus unberechtigt!  —  Dass  der  „Geist"  über  die  Grenzen 
„seines"  Kiirpers  hinaus  wirksam  sein  kann,  braucht  nicht 
bewiesen    zu   werden,    denn  das  ist  —  körperlicbe   Ver- 


48 


Naturwissenscliaftliclie  Wochenschrift. 


Nr.  .5. 


mittehing-  vorausgesetzt 


Thatsache.  Genau  so  gut,  wie 
unser  Körper  auf  die  Anssenwelt  einwirken  kann,  kann 
es  der  „Geist" :  nämlich  gleichzeitig.  Wir  Menschen  zer- 
fallen nicht  in  zwei  verschiedene  Wesen:  ein  geistiges 
und  ein  körperliches,  sondern  wir  sind  eine  untrennhare 
Einheit,  ein  geistig -kör})erliches  System.  Die  geistigen 
und  die  körperlichen  Vorgänge  sind  nur  (wie  in  Anm.  2 
von  mir  bereits  ausgeführt  wurde)  zwei  Seiten  eines  und 
desselben  Vorganges.  Und  damit  fällt  auch  die  „Haupt- 
schwierigkeit", die  von  Dr.  .Jordan  angenommene  Ein- 
wirkung des  Geistigen  auf  Körperliches,  fort.  Solche 
Einwirkung  gibt  es  für  uns  gar  nicht,  weil  unsere  einfache 
Hj'piithese  vom  „Parallelisnius"  der  geistigen  und  körper- 
lichen Vorgänge  die  verwickelte,  widerspruchsvolle  und 
mit  der  Wirklichkeit  unvereinbare  dualistische  Hypothese, 
wie  sie  Dr.  .Jordan  vertritt,  und  damit  auch  die  Ansieht 
von  der  in  der  That  ganz  unmöglichen  Wechselwirkung 
zwischen  Körperlichem  und  Geistigem,  beseitigt.  Das 
Einfachste  und  Brauchbarste  ist  das  Wahrste! 


^^)  Die  als  „gewollte"  und 


,niehtgewollte"  be- 


zeichneten zwei  Arten  von  „  Jjecinflussungen"  sind  fiu- 
uns  die  durch  l'rocesse  im  t'entralNervensystem  veran- 
lassten Vorgänge  in  den  motorischen  und  sekretorischen 
Nerven,  die  das  eine  Mal  mit  .Jlewusstscin",  das  andere 
Mal  ohne  solches  verlaufen.  Von  einem  „Willen",  als 
besonderem  „Vermögen",  können  wir  von  unserem  Stand- 
punkte aus  natürlich  nicht  reden. 

^*)  Giebt  es  denn  auch  noch  eine  unbewusst  gewollte 
Innervation'?  Wir  dächten,  dass  da,  wo  „Wille"  vorhanden 
ist,  auch  immer  Bewusstsein  vorhanden  sei! 

'")  Das  „Ich"  ist  nach  unserer  Ansicht  ein  Komplex 
von  Gedanken,  Gefühlen  und  (wahrgenonnnenen)  Sachen 
(Rumpf,  Gliedmassen,  Sprache,  Jjewegungen  u.  s.  w.),  also 
nicht  etwa  eine  geistige  „Wesenheit",  für  die  sich  nicht 
der  mindeste  Nachweis  bringen  lässt.  —  Dass  bei  jenen 
von  Bewusstsein  begleiteten  Nervervorgängen .  die  man 
als  Willensrcgungen  bezeichnet,  nicht  sänuntliehc  Abschnitte 
der  bzgl.  Hirnvorgänge  von  Bewusstsein  begleitet  sind, 
stimmt.  Das,  was  Dr.  J.  als  „Unterbewusstsein"  be- 
zeichnet, besteht  eben  iu  Hirnvorgängen,  die  ohne  oder  fast 


ohne  Bewusstsein  verlaufen.  Die  von  Dr.  J.  entwickelte  Idee 
eines  geistigen  Unbewusstseins  ist  völlig  mystisch  und  den 
wirklichen  Sachverhalt  nur  verdunkelnd  und  wahrhaftig 
nicht  eiufach  und  erst  recht  nicht  brauchbar,  auch  nicht 
zu  dem  Zwecke,  zu  dem  sie  Dr.  J.  verwenden  will,  zur 
Erklärung  der  von  ihm  angenonnnenen  Einwirkung  des 
Geistigen  auf  Körperliches.  Denn  „(Jeist"  bleibt  „Geist", 
auch  wenn  er  „geistiges  Unterbewusstsein"  genannt  wird. 
Die  alte  „Hauptschwierigkeit"  des  Dr.  J.  und  aller  Dua- 
listen  bleibt  also  nach  wie  vor  bestehen.  —  Hazu  kommt 
noch,  dass  von  „relativ  unbcwussten  geistigen  Vorgängen" 
reden,  genau  so  klingt,  wie  wenn  Jemand  von  „relativ 
hölzernem  Eisen"  sprechen  würde.  Die  gemeinten  \'orgänge 
sind  die  vorher  bezeichneten  Hirnprocesse,  die  theils  von 
keinem,  theils  von  äusserst  geringem  Bewusstsein  begleitet 
sind.  —  Die  Verwickeltheit  und  Dunkelheit  der  ganzen 
Hypothese  spricht  übrigens  selber  deutlich  genug  gegen 
dieselbe. 

^''')  Sicher  kommt  es  darauf  an,  ob,  naclnlcm  vorher 
schon  genügend  unwahrscheinliche  Annahmen  gemacht 
sind,  nun  noch  eine  zehnfach  unwahrscheinlichere 
hinzugefügt  wird.  Die  Spur  eines  Beweises  für  die  neue 
Annahme  haben  wir  leider  nicht  zu  entdecken  vermocht. 
Auf  die  noch  folgenden  Bemerkungen  Dr.  J.'s  brauchen 
wir  wohl  nicht  nälier  einzugehen.  Dr.  J.  schwächt  zu- 
nächst seine  eben  erwähnte  Annahme  ab,  indem  er  mit 
Hilfe  der  (übrigens  durchaus  nicht  genügend  geklärten 
und  wissenschaftlich  begründeten)  Ideen  Jäger's  zwischen 
den  beiden  Nervensystemen  eine  materielle  Brücke  zu 
bauen  sucht,  um  dann  aber,  zu  seinem  obigen  Gedanken- 
gange zurückkehrend,  zu  behaupten,  dass  man  „übrigens 
auch  (dnie  die  Annahme  einer  materiellen  Vermittelung 
auskonnnen  krmnte",  wobei  er  dann  noch  einen  falschen 
Vi'rgleieh  mit  dem  l'hänomen  des  Mittöuens  macht.  — 
Dieser  Vergleich  erinnert  uns  übrigens  in  seiner  ver- 
unglückten Erläuterung  geistiger  Vorgänge  durch  ganz 
anderartige  kr)rperliehe  \  orgänge  an  den  eben  so  falschen 
Vergleich  des  Materialisten  Karl  Vogt,  in  dem  er  die  Ge- 
danken als  „Absonderiuigen"  des  Gehirnes  mit  Urin  und 
Galle  als  Absonderungen  von  Nieren  und  Leber  verglich. 


Der  Komet  Holmes  soll  nach  einer  neueren  Berech- 
nung des  Herrn  V.  CeruUi  in  Rom  eine  Undaufszeit  von 
nur  6  .Jahren  IOV2  Monaten  haben.  Obgleich  dies  Er- 
gebniss  der  Rechnung  nur  wenig  von  der  Wirklichkeit 
sieh  entfernen  dürfte,  so  scheint  doch  nur  wenig  Wahr- 
schi'inlichkeit  vorhanden,  dass  der  Komet  je  wieder  ge- 
sehen wird.  Denn  nach  einer  Photographie,  die  Herr 
Deslandres  am  21.  Novemljer  mit  einer  Expositionszeit 
von  40  Minuten  von  diesem  Kometen  erhalten  hat,  zeigte 
derselbe  schon  damals  deutlich  eine  beginnende  Theilung. 
Das  Auftreten  der  letzteren  fällt  übrigens  zusammen  mit 
der  um  jene  Zeit  ul)erall  constatirtcn  Helligkeitsabnahme 
des  Kometen.  Von  demselben  Himmelskörper  legte  Herr 
Ti  SS  er  and,  Director  der  Pariser  Sternwarte,  eine  acht 
Tage  früher  aufgenommene  Photographie  vor,  welche  die 
Brüder  Henry  hergestellt  haben.  Auf  dieser  Platte  zeigt 
die  Coma  einen  scharf  begrenzten,  nahezu  kreisförmigen 
Unn-iss.  Der  Kern  war  hell,  exeentriseh  orientirt  und 
etwas  elliptisch.  Die  Helligkeit  desselben  hinderte  in- 
dessen nicht,  einige  hinter  dem  Kern  stehende  Sterne  zu 
sehen.  An  einer  Stelle  dehnt  sieh  der  Kern  bis  zur 
Grenze  der  Coma  aus;  ein  Sehweif  ist  indessen  nicht 
wahrzunehmen. 


Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben. 

Es  wurden  ernannt:  Die  Botaniker  Oberlehrer  Dr.  F.  Kraenz- 
lin  und  Dr.  P.  Sorauer,  Leiter  der  pftanzenphvsiolosischi'n 
Versuelisstation  in  Proskau  zu  Pi-ofessoren.  —  Dr.  Andreas 
Fioni  zum  Assistenten  am  König!,  botanisehen  Garten  zu  Padua. 
—  Prof.  Antonio  Borzi  zum  ordentlichen  Professor  der  Botanik 
und  Director  des  Botanischen  Gartens  zu  Palermo.  —  Prof.  Dr. 
Fausto  Mori  zum  ausserordentlichen  Professor  der  Botanik  an 
dir  Universität  Catania.  —  Prof.  J.  ß.  Farmer  zum  Professor 
der  Botanik  an  das  University-College  in  London.  —  Der  Bota- 
niker Prof.  Dr.  D.  H.  Scott  von  dem  University-College  in 
London  ist  an  die  botanischen  Anstalten  nach  Kew  versetzt  worden. 


TJeber  die  Feier  zu  Pasteur's  siebzigstem  Gebuitstag  in 
Paris  am  27.  December  1892  lierichten  Prof.  Metschnikoff 
und  Dr.  Loe  av  inli  org  in  Paris  in  der  „Berl.  Klin.  Wochi'uschr." 

Die  grosse  Bedeutung  Pasteur's  zeigt  .sich  auf  das  Schlagendste 
schon  in  seinen  ersten  Arbeiten,  deren  ausserordentliche  Trag- 
weite zu  erkennen  erst  späteren  Jahren  vorbehalten  war.  Dies 
war  der  Fall  mit  seinen  ersten  Untersuchungen  über  die  optischen 
Eigenschaften  der  weinsauren  Doppelsalze.  Er  fand .  dass  die 
wässrigen  Lösungen  derselben  den  polarisirten  Lichtstrahl  ver- 
schieden brechen,  und  dass  die  optisch  wirksamen  Salze  in  solche 
getrennt  werden  köinien,  von  denen  die  einen  rechts-,  die  anderi'u 
linksbrechend  sind.  Diese  Entdeckung  führte  Pasteur  zur  Auf- 
stellung seiner  Theorie  der  moleculären  Dissymetrie,  au  deren 
weiterem  Ausbau  er  nur  dadurch  gehindert  wurde ,  dass  er  sich 
der  Bearbeitung  anderer  Probleme  widmen  musste.  Allein  die 
gute  Saat    blieb    nicht    unfruchtbar.       Dreissig    Jahre    später    er- 


Nr.  fj. 


Natnrwissensehaftlichc  Wochensclirift. 


40 


biiuteu  auf  den  Entdeckunficn  l'iistcm-'s  L('-Bel  und  Vant'llof 
ihre  Lehvn  vom  asymmotriscluni  Kolilenstott'  und  von  der  moli'Cu- 
lären  Asvuinieti'io.  Bekanntlicli  bildet  dietio  Theorie  heute,  nach 
hiugon  Kiun]ifi'u,  die  Grundlehro  der  modernen  chomisehen 
Structurlehrc. 

Drs  Weiteren  ist  an  die  epochomachendeu  Arbeiten  Pasteur's 
über  Giilirung,  Generatin  aequivoca  etc.  zu  erinnern.  Es  sei  nur 
hcrvorgidiobeu,  wi'lelie  immense  Tragwciti'  der  selion  1857  gi>- 
muchtcn  Entdeckung  Pasteur's  über  die  Verursacduing  der  Milch- 
siUiregährung  durch  niedere  Organismen  innewohnte.  Sie  enthüllte 
einerseits  dii'  bedeutungsvolle  Thatsaehe,  dass  Gährungen  stets 
durch  Organismen  hervorgerufen  werden,  und  andererseits,  dass 
es  ausser  den  Hefppilzen  noch  ganz  anders  geartete  Lebewesen 
giebt,  welche  chemische  Zersetzungen  hervorrufen. 

Noch  greifbarer  trat  die  Wirksamkeit  dieser  Organismen  zu 
Tage,  als  Pasteur  im  Jahre  1861  als  Urheber  der  Buttersiiure- 
gährung  ein  viel  voluminöseres  und  in  der  Form  schon  viel  all- 
gemeiner bekanntes  Wesen,  —  ein  Stäbchen  entileckte.  Damit 
war  es  zum  ersten  Male  festgestellt,  dass  derartige  Organismen  im 
Stande  sind,  wichtige  und  ganz  speciell  chemische  Umsetzungen 
hervorzurufen.  Diese  Entdeckung  fidirte  unter  Anderem  zu  der 
Ei-kenntniss  von  der  ätiologischen  Bedeutung  ganz  ähnlicher 
Stäbchen,  wie  sie  andere  ausgezeichnete  Forscher  schon  früher 
im  Milzbrandblnte  gesehen  hatten,  ohne  jedoch  ihre  Tragweite  zu 
erkennen. 

Diese  und  andere  Forschungen  auf  dem  Gebic't(.'  d<>r  Gährungs- 
lehre,  sowie  der  damit  eng  verknüpfte  experimentelle  Nachweis 
von  der  Unhaltbarkeit  der  althergebrachten  Annahme  einer 
Generatio  spontanea,  bilden  die  Grundsteine  des  Baues,  auf  dem 
ein  grosser  Theil  der  reinen  und  angewandten  Biologie  (inel.  der 
Medicin)  ruht.  Die  Erkenntniss  der  allgemeinen  Verbreitung  der 
mit  blossem  Auge  unsichtbaren  K(Hme,  fidirte  Pasteur  zu  den 
scharfsinnigsten  Methoden,  sich  ihrer  zu  erwi-hren  und  bildete 
somit  die  Grundlage  der  modernen  Antise])sis  und  Asepsis  in  der 
Chirurgie  und  Medicin,  die  durch  geniale  Nachfolger,  vor  Allem 
durch  Sir  Joseph  Lister,    bis  ins  Detail  ausgearbeitet  worden  ist. 

Die  Methode  der  künstlichen  Züchtung  vieler  Mikroorganis- 
men, die  Entdeckung  der  so  bedeutsamen  Fähigkeit,  ohne  atmo- 
sphärischen Sauerstoff  zu  leben  etc.,  bildeten  die  weiteren  Grund- 
steine der  modernen  Mikrobiologie. 

Die  allgemein  bekannten  Entdeckungen  Pasteur's  über  die 
Krankheiten  der  Seidenraupe  (Prebrine  und  Flacherie)  und  das 
durch  Bacterien  erzeugte  Verderben  des  Weines  und  des  Bieres 
führten  Pasteur  zur  Aufstellung  ])raktisch  so  höchst  wichtiger 
Methoden,  die  für  den  Wohlstand  der  Völker  so  bedeutungsvollen 
Industrieen  zu  schützen.  Sie  bildeten  gleichzeitig  eine  wissen- 
schaftliche Grundlage  für  seine  s])äteren  Untersuchungen  betreifs 
der  Krankheiten  der  höheren  Thiere  und  des  Menschen.  So  die 
bekannten  Arbeiten  über  die  Bacterien,  die  Alischwächung  ihrer 
Virulenz  und  die  Möglichkeit,  dadurch  künstliche  Immunität  einer 
ganzen  Reihe  von  Infectionskrankheiten  gegenüber  zu  verleihen 
(Hühnercliolera.  Milzbrand,  Schweinerothlauf  etc.).  Diese  Studien 
haben  der  wissenschaftlichen  Forschung  und  deren  praktischer 
Verwerthuug  ein  Feld  eröffnet,  dessen  Ausdehnung  noch  nicht  ab- 
zusehen ist. 

Nur  nach  einer  solchen  grossartigen  Vergangenheit  und  ge- 
tragen von  dem  Bewusstsein,  die  Biologie  und  die  Medicin  umge- 
staltet zu  haben,  konnte  ein  Forscher  den  Muth  fas.sen,  einer  der 
entsetzlichsten  Geissein  der  Menschheit,  der  Hundswuth,  activ 
entgeg<'nzutreten.  Die  Schwierigkeiten  der  Aufgabe  waren  um 
so  bedeutender,  als  es  gerade  hier  nicht  gelang,  ein  zu  Grunde 
liegeudrs  Microbion  zu  entdecken.  Hier  nuissten  andere  Wege 
der  Forschung  eingeschlagen  werden  als  die,  die  bisher  so  gross- 
artige R(>sultate  geliefert  hatten. 

Fassen  wir  nun  alle  diese  grossartigon  Leistungen  zusammen 
und  fragen  wir  uns,  wie  es  einem  Menschen  vergönnt  war,  so 
viele  und  so  grosse  Probleme  zu  lösen,  so  liegt  die  Erklärung 
dafür  ausser  in  dem  ungewöhnlichen  Genie  dieses  grossen  Mannes 
in  seinen  hervorragenden  Charaktereigenschaften.  Eine  ausser- 
ordentliche Arbeitskraft,  gepaart  mit  dem  nimmer  rastenden 
Drange,  die  Wahrheit  ans  Licht  zu  bringen;  ein  fleckenloser 
Charakter  und  die  Energie,  mit  welcher  er  Decennien  lang  den 
hartnäckigsten  Widerstand  gegenüber  seineu  Entdeckungi'ii  ver- 
theidigti.',  haben  es  ihm  ermöglicht,  noch  bis  ins  späte  Alter  so 
Grosses  zu  leisten.  Dabei  darf  nicht  vergessen  werden,  dass 
Pasteur  es  verstanden  hat,  bedeuti-nde  Männer  zu  seinen  Schülern 
zu  machen  vnid  gemeinsam  mit  ihnen  dem  grossen  Ziele  nachzu- 
streben. Nennen  wir  unter  diesen  vor  Allem  den  unvergesslichen, 
zu  früh  verstorbenen  Thuillier,  sowie  von  den  Lebenden  Duelaux, 
Gayon,  Eaulin,  Joubert  und  von  jüngeren,  noch  jetzt  neben  ihm 
wirkenden  Roux  und  Chauiberland. 

Die  Feier  des  Pasteur'schen  Jubiläums  war  der  Bedeutung 
des  Gelehrten  und  der  VortrefTlichkeit  seines  Charakters  würdig. 
Die  höchsten  Würdenträger  des  Staates  waren  zugegen ,  inmitten 
der  Estrade  der  Präsident  der  Republik.  Neben  ihm  sasson  die 
Herren  d'Abbaxlie,  Präsident  der  Akademie  der  Wissenschaft,  Le 


Royer,  Präsident  des  Senats,  il^r  Ministeriiräsident  Ribot  und  die 
Mitglieder  des  diploiiiati.schen  Corps.  Links  von  Herrn  Carnot 
nahmen  Platz  die  Herren:  .foseph  Bertrand,  Secretairo  perpetuel 
der  Akademie  der  Wissenschaft,  Flo(|uot,  Präsident  der  Deputirten- 
kammer,  Charles  Dupuy,  Unterrichtsminister,  und  sämmtliclie 
übrigen  Minister.  Hinter  dic'sen  hohen  \\'ürdenträgern  sassen  die 
Delegirten  der  fünf  Klassen  des  „Institut  ile  France"  (Academic 
franQaise  etc.),  der  Academie  de  me<licine  und  mehrerer  aus- 
ländischer gelehrter  Gesellschafton,  Greard,  Vicerector  d<'r  Aca- 
demie de  Paris,  die  Decanc  der  Facultäten,  die'  Präsidenten  des 
obersten  Gerichtshofs  etc.  etc. 

Das  prachtvolle  grosse  Amphitheater  der  neuen  Sorbonne, 
in  dem  die  Feier  stattfand  und  welches  über  2000  Personen  fasst, 
war  vollkommen  besetzt. 

Als  Herr  Carnot,  Pasteur  am  Arme  führend,  den  Saal  be- 
trat, erscholl  brausender,  nicht  endenwcdlender  Beifall.  Beide 
sind  im  Frack  und  tragen  das  rothe  Band  vom  Grosskreuz  der 
Ehrenlegion. 

Zuerst  ergrift'  das  Wort  der  Unterrichtsminister  Cli.  Dupuy 
und  pries  in  schwungvoller  Rede  ilie  Verdien.ste  des  Jubilars.  Ihm 
folgte  Herr  d'Abbadie,  Präsident  der  Akademie  der  Wissenschaften, 
der  Pasteur  die  aus  internationalen  Beiträgen  angeschaffte  grosse 
goldene  Medaille  überreichte.  Joseph  Bertrand  beglückwünschte 
nun  den  Jubilar  im  NanuMi  der  Akademie  der  Wissenschaften  und 
des  Instituts  Pasteur.  Daubree,  gleichfalls  Akademiker,  erinnert 
im  Namen  der  raineralogischen  Section  der  Akademie  der  Wissen- 
schaften daran,  dass  Pasteur  seine  erst(Mi  Entdeckungen  in  der 
Mineralogie  gemacht  hat  und  dieser  Wissenschaft  seinen  Eintritt 
in  das  Institut  de  Fran<'.e  verdankt.  Nun  erhebt  sich,  von  jubeln- 
dem Beifallszuruf  begrüsst,  Sir  Joseph  Lister  und  übergiebt 
Pasteur  eine  Zuschrift  der  Royal  Society.  Seine  Entdeckungen  und 
ihre  Verwerthung  für  Medicin  und  "Chirurgie  kurz  beridirend, 
dankt  er  im  Namen  dieser  Wissenschaften  und  wendet  auf  (h'U 
Jubilar  das  alte  Dichterwort  an: 

„Felix  qui  potuit  rerum  cognoscere  causas!" 

Nach  ihm  beglückwünscht  der  bekannte  greise  Pädiater 
Bergeron  Pasteur  im  Namen  der  Academie  de  Medecine.  Saufen, 
Präsident  des  Pariser  Municipalraths,  übergiebt  im  Auftrage  des 
letzteren  eine  Gratulationsadresse.  Nun  verliest  Herr  Bertrand 
die  lange  Liste  der  französischen  und  ausländischen  gelehrten 
Gesellschaften,  die  Gratulationsscliriften  eingesandt  haben,  in 
alphabetischer  Ordnung.  Die  Delegirten  der  Gesellschaften  über- 
geben die  Adressen  in  dieser  Reihenfolge  Pasteur,  der  sie  auf 
dem  Tische  vor  sich  niederlegt,  wo  sie  schliesslich  eine  imposante 
Masse  bilden.  Die  Namen  Berlin,  Köln  und  Posen  u.  a.  werden 
lebhaft  beklatscht.  Unter  den  Adressen  befindet  sich  auch  eine 
vom  Pariser  medicinischen  Professoren-Collegium,  überreicht  vom 
Dekan  Prof.  Brouardel.  Darauf  folgt  eine  rührende  Ansprache 
des  Bürgermeisters  von  Dole,  der  Geburtsstadt  Pasteur's.  Wenige 
Augen  blieben  trocken,  als  der  Redner  mit  Worten  von  zu  Herzen 
dringender  Wärme  dem  Jubilar  die  Photographien  seines  Geburts- 
scheines und  seines  bescheideneu  elterlichen  Hauses  überreicht. 
Den  Schluss  der  Ansprachen  bildet  die  Verlesung  einer  Gratulation 
der  Pariser  studentischen  Vereinigung. 

Nun  erhebt  sich  der  Jubilar,  spricht  mit  gebrochener  Stimme 
einige  Worte  des  Dankes  und  überträgt  die  Verlesung  seiner 
Antwortsrede  seinem  Sohne  Jean  -  Baptiste.  iNIit  wehmüthiger 
Rührung  gedenkt  Pasteur  in  derselben  seines  grossen  vom  Ge- 
schicke minder  begünstigten  Freundes  Claude  Bernard,  der  nicht 
wie  der  Jubilar  in  luxuriösen  Räumen  arbeiten  konnte,  sondern 
seine  grossartigen  Experimente  und  Entdeckungen  in  einem 
feuchten,  kellerartigen  engen  Lokale  machte!  Darauf  bespricht 
er  kurz  die  verschiedenen  Stadien  seiner  Laufbahn  und  setzt 
hinzu:  „Die  Abgesandten  der  fremden  Nationen,  so  weit  her- 
gereist, um  Frankreich  ihre  Sympathie  zu  bezeugen,  machen  mir 
die  tiefinnigste  Freude,  die  ein  Mensch  empfinden  kann,  der  un- 
erschütterlich glaubt,  dass  Wissenscliaft  und  Friede  über  Un- 
wissenheit und  Krieg  siegen  werden ,  <lass  sich  die  Völker  ver- 
ständigen müssen,  nicht  um  zu  zerstören,  sondern  um  aufzubauen, 
und  dass  die  Zukunft  denen  angehört,  die  das  Meiste  für  die 
leidende  Menschheit  thun  werden,  .lunge  Männer,  vertraut  auf 
die  sicheren  und  wirksanu-n  Methoden  der  Arbeit,  flieht  unfrucht- 
baren Skepticismus  und  lasst  Kuch  nicht  entmuthigen,  wenn  Euer 
Vaterland  trübe  Stunden  durchzumachen  hat.  Fragt  Euch  zu(>rst: 
Was  habe  ich  für  meine  Belehrung  gethanV  Und  dann,  je  meiir 
ihr  voranschreitet:  Was  habe  ich  für  mein  Vaterland  gethanV  So 
bis  zu  dem  Momente,  wo  Ihr  vielleicht  so  unendlich  glücklich 
sein  werdet.  Euch  zu  sagen,  dass  Ihr  etwas  zum  Fortsehritte  und 
zum  Wohlsein  der  Menschheit  beigetragen  habt.  Mögen  diese 
Bestrebungen  mehr  oder  weniger  glücklich  ausfallen,  —  Jeder 
muss  sich,  wenn  die  letzte  Stunde  naht,  sagen  können :  Ich  habe 
gethan,  was  ich  konnte." 

„Meine  Herren,  ich  spreche  Ihnen  meine  tiefe  Rührung  und 
meine    herzliche  Dankbarkeit    aus.     Wie    auf   dem  Revers   tlieser 


50 


Naturwissenscliaftliclic  Wot'liensehrift. 


Nr. 


Medaille  der  .arosse  Künstli.T  Roty  daw  Datum,  das  so  sl-Ii«  er  auf 
meinem  Leben  lastet,  unter  Kosen  versteckt  hat,  so  haben  Sie, 
theiire  CoUegen,  meinem  Alter  dasjenige  Schauspiel  vorführen 
wollen,  das  am  Geeignetsten  war,  es  zu  erfreuen,  nämlich  das 
dieser  liebe-  und  lebensvollen  Jugend." 


Vom  22.-26.  Mai  1893  feiert  die  American  Philosophi- 
cal  Society  zu  Philadelphia  das  150.  Fest  ihrer  Gründung  durch 
eine  Reihe   wissenschaftlicher  Sitzungen. 


L  i  1 1  e  r  a  t  u  r. 

H.  P^incare,  Ijecons  sur  la  theorie  de  l'elasticite.  Georges 
Carre.     Paris  lSy2. 

Es  ist  an  dieser  Stelle  bereits  wiederholt  und  auf  das  Nach- 
drücklichste auf  die  Vorlesungen  aufmerksam  gemacht  worden, 
welclie  Herr  Poincare  an  der  „Faculte  des  Sciences  de  Paris"  ge- 
halten hat,  und  welche  durch  seine  Schüler  in  sorgfidtiger  Bear- 
beitung weiteren  Kreisen  zugänglich  gemacht  worden  sind.  Den 
Vorlesungen  über  die  mathematisolie  Theorie  des  Lichtes  (vergl. 
„Naturw.  Wochenschr."  Bd.  IV.  S.  272),  über  Elektricität  und 
Optik  („Naturw.  Wochenschr."  Bd.  VI,  91,  VII  150)  und  über 
Thermodynamik  („Naturw.  Wochenschr."  VII,  325)  stellen  sich 
in  dem  vorliegenden  Werke  die  Vorlesungen  über  p^lasticität  an 
die  Seite.  Dieselben  sind  von  den  Herren  Bosel  und  Drach  für 
den  Druck  ausgearbeitet  worden. 

Indem  wir  auf  die  a.  a.  0.  ausgeführten  Darlegungen  betreffs 
der  Bedeutung  der  Poincare'schen  Vorlesungen  verweisen  und  um 
das  Gesagte  nicht  wiederholen  zu  mü.ssen,  mag  es  gestattet  sein, 
bei  der  Besprechung  des  vorliegenden  Bandes  im  "Wesentlichen 
eine  Uebersicht  über  den  Inlialt  desselben  zu  geben. 

In  dem  ersten  Kapitel  werden  die  Deformationen  der  Körper 
vom  rein  kinematischen  Gesichtspunkt  betrachtet,  also  ganz  ab- 
gesehen von  den  Ursachen,  welche  die  Deformationen  erzeugen. 
Das  Studium  der  elastischen  Kräfte  wird  im  zweiten  Kapitel  in 
Angriff  genommen.  Die  Theorien  der  Elasticität  werden  dabei 
in  der  naturgemässen  Weise  unterschieden,  dass  die  eine  Art 
sich  auf  moleculare  Hypothesen  gründen,  w'ährend  die  anderen 
Theorien  keine  Voraussetzungen  über  die  innere  Constitution  der 
Materie  machen  und  sich  daher  im  Allgemeinen  auf  die  Thermo- 
dynamik stützen.  Es  wird  in  diesem  Kapitel  auch  der  Nachweis 
geführt,  dass  es  keine  Verallgemeinerung  der  Voraussetzungen 
in  sieh  schliesst,  wenn  man  Verbindungen  und  Verbindnugskräfte 
zwischen  den  Moleciden  einführt;  man  kann  zu  ebenso  allgemeinen 
Resultaten  kommen,  wenn  man  nur  gewöhnliche  Kräfte  einführt, 
vorausgesetzt,  dass  man  die  Natur  der  Kräfte  nicht  näher  präci- 
sirt.  Mit  Hilfe  des  Princips  der  virtuellen  Geschwindigkeiten 
werden  alsdann  im  dritten  Kapitel  die  Gleichgewichtsbedingungen 
ermittelt;  in  demselben  Tlieile  werden  auch  die  Drucke  näher 
stndirt.  Einige  Specialfälle  des  Gleichgewichts  bilden  den  Gegen- 
stand des  nächsten  Abschnittes,  wiihrend  die  kleinen  Bewegungen 
eines  elastischen  Körpers  in  Kapitel  \  zur  Untersuchung  gelangen. 
Die  Ausbreitung  der  ebenen  Wellen,  die  Reflexion  und  einige 
Beispiele  für  Schwingungen  elastischer  Körper  machen  den  Inhalt 
des  sechsten  Kapitels  aus.  Die  beiden  letzten  Kapitel  sind  bezw. 
dem  Problem  von  Saint-Venant  und  dem  Problem  der  elastischen 
Linie  gewidmet.  Einige  Schlussbemerkungen  beziehen  sich  auf 
das  Rotationsjjrobh'm  eines  schweren  Körpers. 

Die  Ausstattung  des  Werkes  ist  von  der  Trefflichkeit,  die 
wir  an  den  Werken   des   oben   genannten  Verlages  gi'wöhnt  sind. 

A.  G. 


Berich.te  der  Deutschen  Botanischen  Gesellschaft.  Berlin 
1892.  Heft  9.  — Das  Heft  enthält  den  Bericht  über  die  Nov<'mber- 
Sitzung  und  di-ei  Mittheilungen,  von  denen  wir  nur  die  eine  er- 
wähnen: B.  Frank:  Die  Ernährung  der  Kiefer  durch  ihre  Myko- 
rhiza-Pilze.  Die  Versuche  haben,  wie  früher  für  die  Rothbuche,  jetzt 
für  die  Kiefer  den  Beweis  geliefert,  dass  sie  der  Mykorhiza-Pilze 
zu  ihrer  Ernährung  unbedingt  bedarf.  Welche  speciellen  Nähr- 
stoffe der  Pflanze  durch  den  Pilz  zugeführt  werden,  ist  noch  un- 
entschieden. F.  K. 


Jahrbuch  der  Kai  erlich-Köuiglichen  Geologischen  Reicis 
anstalt._  Jahrgang  1S92;  XLII.  Band,  2.  Heft.  Wien  i>i'J'^.  — 
Das  Heft  ist  1(31  Seiten  stark  und  mit  5  Tafeln  ausgestattet.  An 
Aufsätzen  enthält  dasselbe  die  folgenden:  H.  B.v.  Foul  Ion,  Ueber 
einige  Nickelerzvorkommen;  H.  Höfer,  Das  Miocän  bei  Mühl- 
dorf in  Kärnten.  Zu  jeder  dieser  Abhandlungen  gehört  eine 
Tafel.  R.Trampl  er,  Die  Loukasteine  —  (eigenthi  mliche  Kalkcon- 
cretionen  aus  der  Gegend  von  Ruditz,  nördlich  Brunn)  —  mit  2 
Tafeln;  Julius  Dreger,  Ueber  einige  Versteinerungen  der 
Kreide-  und  Tertiärformation  von  Korcha  in  Albanien  (1  Tafel); 
K.  V.  John,  Ueber  die  chemische  Zusammensetzung  verschie- 
dener Salze  aus  den  k.  k.  Salzbergwerken  von  Kaluss  und  Aussen 
(1  Tafel);"  J.  J.  Jahn,  Zur  Frage  über  die  Bildung  dos  Erdöls; 
W.  Waagen,  Vorläufige  Mittheiluugen  über  die  Ablagerungen 
der  Trias  in  der  Salt-range  (Punjab).  F.  K. 


Verhandlungen    der    Gesellschaft    für    Erdkunde.      Berlin 

1892.  Mit  9  u.  10  schliesst  der  19.  Band.  Ausser  den  Berichten 
über  Sitzungen  enthält  das  Heft  von  Vorträgen  und  Aufsätzen: 
1)  Prof.  Hellmann,  Bericht  über  die  Columbus-Feieidichkeiten 
in  Genua,  Huelva  und  Madrid  (aus  dem  wir  in  der  „Naturwissen- 
schaft]. Wochenschr."  einen  Auszug  zu  bieten  gedenken).  2)  Dr. 
Stuhlmann,  Ueber  seine  Reise  mit  Dr.  Emin  Pascha,  welche, 
Ende  April  1890  angetreten,  nach  dem  Westufer  des  Victoria- 
Nyansa  ging,  wo  die  Station  Bukoba  gegründet  wurde,  und 
weiter  nach  Norden  und  Nordwest  führte  bis  zu  jenem  Urwalde, 
der  von  Stanley  durchzogen  worden  war.  Mangel  an  Lebens- 
mitteln, Pocken  und  andere  Widerwärtigkeiten  setzten  dem  wei- 
teren Vordringen  ein  Ziel.  Am  10.  Dez.  1891  wurde  Dr.  St.  mit 
den  noch  gesunden  Mannschaften  vorausgesandt,  gelangte  am 
13.  Febr.  1892  nach  Bukoba,  von  wo  er  nach  EintrofJFen  des  Ab- 
lösungskommandos zur  Küste  aufbrach,  die  er  am  12.  Juli  in 
Bagainoyo  erreichte.  Dr.  Emin  Pascha  dürfte  erst  am  9.  März 
vor  J.  seinen  Rückmarsch  angetreten  haben  und  veranlasst  worden 
sein,  sich  nach  Kibonge  am  oberen  Congo  zu  wenden.  Einge- 
flochten sind  kurze  Aufschlüsse  über  das  Land,  seine  Bewohner 
u.  s.  w.  Hierzu  eine  Kartenskizze.  3)  Dr.  Marcuse,  Die 
Erdmessungs  -  Expedition  nach  den  Hawaiischen  Inseln.  Unter- 
nommen zur  Erforschung  des  Gesetzes  über  die  Veränderung  der 
geographischen  Breiten,  vom  Berichterstatter  geleitet.  Kurze 
Schilderung  der  Reise,  der  Inselgruppe  und  der  Arbeiten  der 
Expedition.  4)  Dr.  Th.  Wolf,  Ueber  das  westliche  Tiefland 
Ecuadors.  Erweiterung  des  geographischen  Bildes,  welches  der 
Verfasser  friüier  über  die  Hochlande  Ecuadors  gegeben  hat.  — 
5)  H.  Wagner,  Arthur  Breusing.  Biographische  Skizze  des  am 
28.  Sept.  v.  J.  in  Bremen  Verstorbenen,  —  Das  Heft  bringt  ferner 
einen  Brief  des  Grafen  Joachim  Pfeil,  datirt  Ukamas,  Gr.-Nama- 
land,  10.  Aug.  1892,  worin  derselbe  über  die  bisher  durchreisten 
Landstreckeu  kurz  berichtet  und  die  Fortsetzung  seiner  Tour 
nach  Norden  anzeigt.  —  Eine  Uebersicht  über  Vorgänge  auf  geo- 
graphischem Gebiet  (darunter  die  vorläufigen  Mittheilungen  über 
die  Gesam  m  terge  bnisse  der  Expedition  Emin  Paschas 
in  den  Jahren  1890 — 1892),  litterarische  Besprechungen  und  Be- 
richte von  anderen  geographischen  Gesellschaften  in  Deutschland 
bilden  den  weiteren  Inhalt  des  Heftes.  F.  K. 


Fuchs.  E.,  Lehrbuch  der  Augenheilkunde.     3.  Aufl.    Wien.    14  M. 
Gegenbaur,  C,   Lehrbuch  der  Anatomie    des  Menschen.     5.  Aufl. 

Leipzig.     24  M. 
Gerber,    G.,     Das    Ich    als    Grundlage    unserer    Weltanschauung. 

Berlin.     8  M. 
Görtz,   A.,   Ueber  spectrophotometrische   Affinitätsbestimmungen. 

Tübingen.     1  M. 
Graf,  J.  H..  Das  Lelien  und  Wirken  des  Physikers  und  Astronomen 

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Haas.    A.,    Lehrbuch   der   Dift'erentialrechnung.     Stuttgart.     8  M. 
Haller,    B.,    Die    Anatomie    von    Siphonaria    gigas,    Less.,    einer 

o|)istlio)iranchen  Gasteropoden.     Wien.     11,20  M. 
Halliburton,  W.  D.,    Lehrbuch   der   chemischen  Physiologie   und 

Pathologie.     Heidelberg.     4  M. 


Berichtigung. 


Auf  Seite  15  Spalte  2  Zeile  15  von  unten  muss  es  anstatt 
„und  erst  nach  ungefähr  30  Jahren"  „und  erst  vor  ungefähr 
30  Jahren"  heissen. 


Inhalt:  H.  Potonie:  Das  natürliche  Pflanzensystem  A.  Engler's  und  M.  Treub's  Untersuchungen  zur  systematischen  Stellung  von 
Casuarina.  (Fortsetzung  und  Schluss.)  (Mit  Abb.)  —  Dr.  Karl  Fr.  Jordan:  Ist  die  unmittelbare  Gedankenübertragung  oder 
mentale  Suggestion  erklärbar'?  —  Dr.  M.  Klein:  Anmerkungen  zu  dem  vorstehenden  Aufsatz  des  Herrn  Dr.  Jordan.  —  Der 
Komet  Holmes.  —  Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben.  —  LItteratur:  H.  Poincare:  Le(,ons  sur  la  theorie  de  l'elasticite.  — 
Berichte  der  Deutschen  Botanisehen  Gesellschaft.  —  Jahrbuch  der  Kaiserlich-Königlichen  Geologischen  Reichsanstalt.  —  Ver- 
handlungen der   Gesellschaft  für   Erdkunde.  —  Liste.  —  Berichtigung. 

Verantwortlicher  Redakteur:  Dr.  Henry  Potonie,  Berlin  N.  4.,   Invalidonstr.  40/41,  für  den  Inseratenthoil:  Hugo  Bernstein  in  Berlin.  — 
Verlag:  Ford.  Dümnders  Verlagsbucliliaiidlung.  Beilin  SW.   12.  —  Druck:  G.  Bernstein.  Berlin  SW.   12 


Nr. 


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IX 


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^cv  fciiifinniiic  9?cobnd)tcr  bcv  ?icitiiv,  fdjilbert  iiiici  in  bicicm  ^.'viiditrtievtc 
mit  l)cr,;ijcniiiiiu'iibi;v  äyävmc,  mit  cdit  bic6tcvijcf)cr  i^ciiciftcriiiui  bio  Sdiön-- 
lu'itcii  uiifevcv  .V^cinuit.  ilidnc«  fiinibcvt  oov.yijilidicr  Jtliiftratioiicii  ber 
[)cvliovvagcnbftctt  Scinbfci)aiteii  ,iievcn  bcvJ  S'oerf,  biic-  bic  i'icbo  ,iur  .§cimat 
,511  l'flt'a«"  bcnifcn  ift  ntib  bariim  in  feinem  beutfc^cn  S:>mi\c  fcljlcn  feilte. 

„••Habeiitirfilinib  in  ÜV^oit  uiib  SBilb"  umfalit  3  Sünbc.  3cbcr 
iScinb  ift  einzeln  fäuflid). 

Söaub  II  unb  111  ericf;etneit  im  Saufe  beä  3at)re§  1893. 
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Bergreferendar. 

Mit  wisseuschaftlichen  Beiträgen  von  Prof.  Dr.  Holzapfel, 

Dr,  Karl  MüUer-Hallensis,  Dr,  F.  Fax,  Dr.  H.  Potonie 

und  Prof.  Dr.  W.  Zopf. 

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80  Seiten  gr.  8».    Preis  1,20  Mark. 

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tieograplieii,  kartliograplicii.  iXatiirlVM'seher.  Meteorologen  etc. 

sind  die 

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der 

Gesellschaft  für  Erdkunde  zu  Berlin. 

Zeitschrift.     Band  27.     1892.     6  Hefte.     Preis  M.  12.—. 
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der  Jetzt-  und  Vorzeit 

mit  besonderer  Berücksichtigung  ihrer  Fauna. 

Von 

Dr.  Alfred  Nehring, 

Professor  der  Zoologie   und  Vorstelier   der   zoologischen  Sammlungen  .au  der 
Königlichen  landwirthschaftlichen  Hochschule  zu  Berlin. 

Mit  I  Abbildung  im  Text  und  i  Karte  der  Fundorte. 

S66  8.  gr.  8".    Preis   3  Mark. 


Redaktion:  f         Dr.  H.  Potonie. 

Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung:,  Berlin  SW.  12,  Zimmerstr.  94. 


VIII.  Band.                Sonntag,  den  5.  Februar  1893. 

Nr.  0. 

Abonnement:  Man  aboniiirt  bei  allen  Buchhandlungen  und  Post-             v             Inserate:  Die  viergeapaltene  Petitzeile  40  ^.    Grössere  Aufträge  ent- 
anstalten,  wie  bei  der  Expedition.    Der  Vierteljahrspreis  ist  M  3.—            dp            sprechenden  Rabatt.  Beilagen  nach  Uehereinkunft.  Inseratenannahme 
Bringegeld  bei  der  Post  15  -j  extra.                                          jL                             bei  allen  Annocenbureaux,  wie  bei  der  Expedition. 

Abdrnck  ist  nnr  mit  Tollständigei-  (^iioileiiangabe  gestattet. 

In  der  Heimath  des  Cacao. 

Von  Barou  H.  Eggers. 


Der  Cacaobaum,  dessen  köstliches  Product  mclir  iiud 
raelir  von  einem  Luxusartikel  zu  einer  Volksnabrung-  über- 
g-ebt,  und  dessen  Bedeutunj;-  au.s  diesem  Grunde  in  kurzer 
Zeit  ohne  Zweifel  die  aller  anderen  tropischen  Cultur- 
pflanzen  überwiegen  wird,  stammt  bekanntlich  ans  dem 
tro})ischen  Amerika,  wo  derselbe  bereits  vor  der  Ent- 
deckung der  neuen  Welt  liesonders  im  südlichen  Mexico 
(Soconuscoi,  Jlittelamcrika,  Westindien  und  dem  nörd- 
lichen Südamerika  angebaut  wurde,  und  von  wo  aus  der- 
selbe in  neuerer  Zeit  aucli  nach  den  Tropenländern  der 
alten  AVeit,  wie  z.  B.  Centralafrika  und  Cejdon,  verpflanzt 
wurde. 

Unter  den  genannten  Ländern  scheint  das  Tiefland 
von  Ecuador  vorzugsweise  die  eigentliche  Heimatli  des 
Cacaotiamnes  zu  sein,  indem  derselbe  hier  nicht  nur  all- 
gemein wildwachsend  vorkommt,  sondern  auch  eine  anders- 
wo ungeahnte  Entwickelung  erreicht,  wie  ich  während 
eines  sechsmonatlicheu  Aufenthaltes  auf  einer  Cacao- 
hacienda  daselbst  zu  beobachten  Gelegenheit  hatte. 

In  der  reichen  Alluvialebene,  die  sich  zwischen  dem 
grossen  Flusse  Guayas  mit  dessen  zwei  Quellflüssen,  dem 
Rio  Drule  und  dem  Rio  Babalioyo  einerseits  und  der 
Riesenkette  der  Anden  andererseits  in  einer  Breite  von 
20 — 30  Kilometer  und  einer  Länge  von  über  2i>()  Kilo- 
meter von  Norden  nach  Süden  erstreckt,  fast  überall  noch 
bedeckt  von  unermesslicben  Urwäldern,  die  nnr  hie  und 
da,  hauptsächlicli  längs  den  zahlreichen  kleinen  Küsten- 
flüssen, von  Ansiedlungeu  unterbrochen  sind,  findet  man 
das  Geschlecht  der  Theobroma  verbreitet,  nicht  nur  den 
bekannten  cultivirten  Cacaobaum  (Th.  Cacao),  sondern 
auch  noch  andere,  nahe  verwandte  Arten,  wie  den  Cacao 
blaneo  (Th.  bicolor)  und  den  Cacao  de  monte  (Th.  Mariae), 
deren  Samen  denen  des  erstgenannten  sehr  ähnlich  sind 
und  gewiss  mit  der  Zeit  auch  öconomische  Bedeutung 
erlangen  werden.  Die  Verbreitung  des  Cacaobaumes,  dessen 
Früclite    und    Samen    keine    specielle   Anpassungen    zum 


Wandern  besitzen,  dagegen  eine  Lieblingsnahrung  ver- 
schiedener Thiere  sind  und  somit  weit  umher  verschleppt 
werden,  ist  an  den  meisten  Orten  eine  so  bedeutende, 
dass  man  häufig  im  Walde  grosse  Bestände  desselben 
in  allen  Stadien  der  Entwickelung  vorfindet. 

Die  Cacaogärten  oder  Huertas  in  Ecuador  sind  des- 
halb auch  zweierlei  Art,  theils  selbstgesäete,  die  soge- 
nannten Almasigales,  theils  von  Menschenhand  in  Rodungen 
gepflanzte,  Huertas  sembradas. 

Die  erstgenannten  entstehen  in  der  Weise,  dass  der 
Pflanzer,  wo  er  im  Walde  eine  grössere  Anzahl  von  Cacao- 
bäumen  antrifft,  diesen  durch  Umhauen  der  übrigen  klei- 
neren Bäume,  die,  ohne  Schaden  anzurichten,  entfernt 
werden  können,  mehr  Raum  zum  Wachsen  verschafft, 
während  die  Riesen  des  Waldes,  unter  denen  auch  viele 
Palmen  vorkommen,  stehen  bleil)en,  theils  des  nöthigen 
Schatten  wegen,  theils  um  nicht  durch  das  Fällen  der- 
selben die  Caeaobäume  zu  zerstören. 

Die  letzteren  sind  in  diesen  Almasigales  selbstver- 
ständlich von  jedem  Alter  und  stehen  ohne  jegliche  Ord- 
nung zerstreut,  oft  so  dicht,  dass  man  des  Raumes  halber 
viele  derselben  beseitigen  muss,  andererseits  aber  auch 
oft  mit  grossen  Zwischenräumen,  die  man  alsdann  durch 
Verpflanzen  von  jungen  Bäumen  auszufüllen  sucht. 

Immerhin  macht  diese  Art  von  Huertas  indess  einen 
sehr  ungeordneten  Eindruck  und  leidet  an  versebiedenen 
Uebelständen,  unter  denen  besonders  die  zu  starke  Be- 
schattung, das  Umfallen  der  stehen  gebliebenen  Wald- 
bäume und  die  sehr  ungleiche  Entwickelung  des  Bestandes 
die  wesentlichsten  sind. 

Dagegen  bieten  dieselben  den  Vortheil  der  geringen 
Muhe  der  Anlage,  was  in  einem  Lande,  wo  grosser  ^Mangel 
an  tauglichen  Feldarbeitern  herrscht,  von  ungemeiner  Be- 
deutung ist  und  die  Möglichkeit  bietet,  selbst  bei  be- 
schränkten Mitteln  eine  recht  umfassende  Cacaogewinnung 
zn  betreiben. 


52 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  ß. 


Im  Gegensatz  zu  diesen  Naturplantagen  stehen  die 
Huertas  sembradas,  für  welche  man  zuerst  den  Wald  voll- 
ständig tallt  und  abbrennt,  indessen  die  Stümpfe  stehen 
bleiben,  hierauf  Bananen  in  regelmässigen  Reihen  pflanzt, 
und  wenn  diese  eine  passende  Höhe  erreicht  haben,  die 
jungen  Cacaobäume  entweder  aus  dem  Saatbeete  ver- 
pflanzt oder  auch  den  Cacaosamen  gleich  an  Ort  und 
Stelle  niederlegt. 

Die  Anpflanzung  von  Bananen,  die  jedes  Jahr  eine 
werthvolie  Ernte  der  bekannten,  ein  allgemeines  Nah- 
rungsmittel darstellenden  Fracht  liefern,  ist  unumgänglich 
notiiwendig  des  Schattens  wegen,  da  die  Cacaopflanze, 
besonders  im  jungen  Alter,  das  directe  Sonnenlicht  durch- 
aus nicht  verträgt. 

Die  Entfernung  zwischen  den  einzelnen  gepflanzten 
Cacaobäumen  ist  in  Ecuador  gewöhnlich  nur  drei  Meter, 
was  bei  dem  reichen  Boden  und  der  hieraus  folgenden 
üppigen  Entwickelung  des  Baumes  viel  zu  gering  ist,  in- 
dem die  Bäume  alle  zu  sehr  in  die  Höhe  schiessen  und 
dünne,  zweiglose  Stämme  ausbilden,  anstatt  sich  genügend 
mit  ihren  Zweigen  nach  den  Seiten  hin  auszubreiten,  wo- 
durch ihnen  nothwendigerweise  die  Möglichkeit  einer 
kräftigen  Ernährung  und  daraus  entspringenden  reich- 
lichen Fruchtbildung  benommen  wird. 

Eine  Entfernung  von  fünf  bis  sechs  Meter  ist  den 
Verhältnissen  weit  mehr  angemessen  und  sichert  einen 
bedeutend  höheren  Ertrag  des  gleichen  Areals,  weshalb 
dieselbe  auch  in  neuester  Zeit  von  mehreren  Pflanzern 
eingeführt  wurde. 

Gleichzeitig  mit  dem  Aussetzen  der  jungen  Cacao- 
bäume werden  auch  die  permanenten  Sehattenbäume  ge- 
pflanzt, indem  die  Bananen  nur  während  der  ersten  zwei 
bis  drei  Jahre  den  jungen  Pflanzen  Schatten  spenden 
können,  später  von  diesen  aber  überflügelt  nnd  alsdann 
ausgerodet  werden,  um  den  erwähnten  höhereu  Bäumen 
Platz  zu  machen. 

Der  gewöhnlichste  Schattenbaum  hier  ist,  wie  auch 
in  Trinidad  und  Venezuela,  die  Erythrina,  in  Ecuador 
Palo  prieto  genannt,  eine  Leguminose  mit  grossen,  drei- 
theiligeu  Blättern  und  rothcn  BlUthen,  die  sehr  rasch 
wächst,  sich  leicht  durch  Stecklinge  vermehrt  und  deren 
Laub  einen  Schatten  von  passender  Helligkeit  verbreitet, 
wie  derselbe  dem  Cacao  am  förderlichsten  scheint. 

Ausser  diesem  Baume  werden  noch  einige  andere, 
besonders  Arten  von  Inga,  als  Schattenbäume  benutzt;  da 
dieselben  jedoch  den  Nachtheil  haben,  langsamer  zu 
wachsen  und  ein  spröderes  Holz  zu  besitzen,  so  dass  oft 
grosse  Zweige  abbrechen  und  die  Cacaopflanzen  be- 
schädigen, hat  man  jetzt  fast  überall  der  Erythrina  den 
Vorzug  gegeben. 

Unter  diesem  Schatten  gedeiht  die  Theobroma  schnell, 
besonders  wenn  das  rasch  emporschiessende  Unkraut 
fleissig  mit  der  Machete  niedergehalten  wird,  und  trägt 
bereits  im  vierten  Jahre  eine  Anzahl  der  bekannten  schönen, 
goldgelben  oder  rothen,  quittenförmigen  Fruchte,  deren 
Zahl  sich  mit  jedem  Jahre  rasch  vermehrt. 

Der  grösste  Feind  der  jungen  Pflanze  ist,  wie  bereits 
angedeutet,  das  Unkraut,  der  Monte,  eine  Mannigfaltig- 
keit von  Strauch-  oder  krautartigen  Gewächsen,  darunter 
viele  mit  grossen  Blättern  und  saftigen  Stengeln,  die 
häufig  in  wenigen  Monaten  eine  Höhe  von  zwei  bis  drei 
Meter  erlangen. 

Unter  diesen  sind  besonders  auffallend  der  Vijao*) 
(Calathea  discolor),  eine  bis  vier  Meter  hohe  Scitaminee 
mit  riesigen,  eiförmigen,  sehr  zähen  Blättern,  die  vielfache 
Verwendung,  besonders  zum  Dachdecken  finden.  Ferner 
mehrere  Arten   von  Piper,    Aroideen,    Heliconia,    Costus, 


*)  j  überall  im  Spanischen  wie  ch,  ch  wie  tsch. 


Urticaceen  und  Farne,  die  zusammen  ein  buntes  und 
dichtes  Gestrüpp  bilden,  das  bald  den  jungen  Cacao- 
bäumen verderblich  wird,  wenn  dasselbe  nicht,  wie  an- 
gedeutet, von  Zeit  zu  Zeit  mit  dem  säbelartigen  Wald- 
messer, der  Machete,  dicht  am  Boden  abgemäht  wird. 

Dieses  Reinhalten  der  Huertas,  bei  welchem  zugleich 
die  Wurzeltriebe  der  Cacaobäume  beseitigt  und  andere 
ähnliche  Arbeiten  vorgenommen  werden,  bildet  unter  dem 
Namen  Roza  die  Hauptarbeit  der  Leute  und  erfordert  eine 
bedeutende  Ausdauer  und  grosse  üebung  im  Gebrauche 
des  sowohl  als  Watte  wie  auch  als  Werkzeug  gleich 
nützlichen  Universalgeräthes  des  tropischen  Landmannes, 
der  Machete,  die  neben  der  zum  Fällen  der  Bäume  un- 
entbehrlichen Axt  das  einzige  Ackergeräth  in  diesen  Län- 
dern darstellt. 

Während  die  oben  erwähnten  Pflanzen  alle  nur  den 
Boden  einnehmen  und,  sobald  der  junge  Cacaobaum  eine 
gewisse  Höhe  erreicht  hat,  denselben  nur  noch  indirect 
schädigen,  sind  dagegen  die  Lianen  und  die  E])ipliyten, 
ob  parasitische  oder  nicht,  zwei  Pflanzenfornien,  die  auch 
noch  in  späteren  Jahren  den  Bäumen  der  Pflanzung  nach- 
theilig sind  und  die  man  deshalb  ebenfalls  zu  beseitigen 
strebt,  was  freilich  bei  dem  leichten  Verbreitungsvermögen 
und  der  grossen  Menge  derselben  eine  schwierige  Auf- 
gabe bleibt. 

Wie  bekannt,  sind  die  tropischen  Schlingpflanzen 
nicht  nur  sehr  zahlreich,  sowohl  an  Arten,  als  auch  an 
Individuen,  sondern  gewöhnlich  auch  holzartig  und  aus- 
dauernd, weshalb  dieselben  eine  bedeutende  Rolle,  als 
sogenannte  Lianen,  im  Walde  der  heissen  Länder  spielen. 
Der  gemeinsame  Name  in  allen  spanisch -amerikani- 
schen Ländern  für  diese  Pflanzenform  ist  Vejuco,  worunter 
man  jede  Art  \on  Schlingpflanze,  von  der  kleinen  kraut- 
artigen Batate  bis  zu  der,  einer  Riesenschlange  ähnlichen, 
holzartigen  Entada  oder  Chamissan  begreift. 

Es  gehören  zu  diesen  Vejucos  Vertreter  der  ver- 
scliiedensten  Pflanzenfamilien,  besonders  doch  der  Legu- 
minosen, Ampelidecn,  Cucurbitaceen,  Convolvulaceen, 
Amarantaccen  und  Aroideen,  die  alle  meistens  eine  be- 
deutende Länge  erreichen  und  mit  iin-eu  weitverzweigten 
Gliedern  oft  grosse  Theile  der  Cacaopflanzung  überdecken. 
Während  im  Allgemeinen  das  Durchhauen  des  Haupt- 
stammes  die  Liane  zum  Aussterben  bringt  und  die  wel- 
kenden Zweige  bald  ihre  Blätter  verlieren  und  stücken- 
weise herunterfallen,  giebt  es  einige,  die  eine  ganz  be- 
wundernswerthe  Lebensdauer  besitzen  und  fast  nicht  aus- 
gerottet werden  können. 

Es  sind  dies  besonders  die  Cissus-Arten  (C.  sicyoides 
und  andere),  aus  einem  der  Rebe  nahestehenden  Ge- 
schlecht, welche  einen  ziemlich  weichen,  nur  hall)  ver- 
holzten, mit  sehr  weiten  Gelassen  versehenen  Stengel  besitzen 
und  sowohl  im  Walde  wie  in  den  Cacaopflanzungeu  häufig 
vorkommen. 

Wenn  man  den  Stamm  eines  solchen  Cissus  durch- 
schneidet, stirbt  der  ol»ere  Theil  nicht,  wie  bei  anderen 
Gewächsen,  ab,  sondern  es  entsprossen  demselben  in 
kurzer  Zeit  eine  ganze  Anzahl  dünner,  glatter  Luftwurzeln, 
die,  nach  unten  wachsend,  l)ald  den  Boden  erreichen,  hier 
sich  einbohren  und  verzweigen  und  somit  bald  eine  er- 
neuerte Verbindung  mit  der  Nahrungsquelle  herstellen, 
welche  der  Liane  das  fernere  Wachsthum  ermöglicht. 
Diese  Zähigkeit  des  Lebens  ist  so  gross,  dass  mau  häufig 
Lianen  der  genannten  Gattung  tritt't,  die  nicht  nur  iiu'en 
Stamm,  sondern  auch  die  darauf  gebildeten  Luftwurzeln 
zwei  oder  mehrere  Mal  durchschnitten  bekonnnen  haben, 
die  aber  jedesmal  wieder  am  oberen  Theil  neue  Luft- 
wurzeln gebildet  und  mit  Hülfe  derselben  eine  fortgesetzte 
Verbindung  mit  dem  Erdboden  bewerkstelligt  haben. 

Angesichts  dieser  Unverwüstliehkeit,  die  in  demselben 


Nr.  6. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


53 


Maasse  auch  nocli  von  einii;en  Cucurliitaecen  getheilt  wird, 
bleil)t  dem  Pflanzer  nichts  anderes  übrig,  als  die  Lianen 
mit  den  Händen  von  den  Caeaobilumen  lösen  und  her- 
unterziehen zu  lassen,  was  immer  mit  Mühe  und  Zeitver- 
lust wie  auch  Beschädig-ung'  der  Bäume  verbunden  ist. 

Neben  den  Lianen  nehmen  bekanntlicii  die  Epipliytcn 
einen  bedeutenden  Platz  in  der  tropischen  Pflanzenwelt 
ein  und  sind  in  den  Cacaopflanzungen  besonders  vertreten 
durch  die  Familien  der  Piperaccen,  Bromeliaceen,  Orchi- 
deen und  Farne,  deren  mannigfache  Formen  höchst 
malerisch,  aber  freilich  nicht  ohne  Nachtheil  für  den  Cacao, 
die  Zweige  und  Stämme  der  Bäume  bekleiden. 

Ausser  den  genannten  Familien  begegnet  man  von 
blüthentragenden  Baumbewohnern  auch  noch  einigen 
Gesneraceen,  Aroideen  und  Cacteen,  und  neben  diesen 
eine  Menge  von  Oryptogamen,  von  denen  besonders  die 
Moose  massenhaft  auftreten  und  oft  die  ganze  Oberseite 
der  Stämme  und  dickeren  Zweige  überziehen. 

Da  die  Blttthen  des  Cacaobaumes,  wie  bekannt,  nicht 
nur  an  den  jüngeren  Sprossen  erscheinen,  sondern  sogar 
vorzugsweise  unmittelbar  aus  der  Rinde  des  Stammes 
hervorbrechen,  liegt  es  auf  der  Hand,  dass  gerade  beim 
Cacao  ein  Ueberzug  von  Moosen  und  grösseren  Epiphyten 
einen  in  vieler  Hinsicht  schädlichen  Einfluss  haben  muss 
und  oft  das  Blühen  des  Baumes  beeinträchtigt  oder  sogar 
verhindert. 

Die  Moose  werden  nebenl)ei  noch  ferner  schädlich, 
weil  deren  weiches  und  immer  feuchtes  Polster  eine 
günstige  Brutstätte  für  die  zahlreichen  herumfliegenden 
Samen  der  anderen,  grösseren  Baumbewohner,  besonders 
für  die  mit  langen  Haaren  versehenen  Bronieliac-Scenamen, 
abgiebt,  weshalb  ein  Aljkratzen  dieser  Decke,  wie  über- 
haupt eine  Beseitigung  der  Epiphyten  im  Allgemeinen, 
zu  den  unvermeidlichen  Arbeiten  einer  sorgfältigen  Pflege 
des  Cacao  gehört. 

Während  die  im  Obigen  besprochenen  Bewohner  des 
Cacaobaumes  alle  nur  einen  Wohnsitz  von  demselben  be- 
anspruchen, ihm  indess  keine  Nahrung  entzielien,  sondern 
von  der  Luft,  dem  Regen  und  dem  durch  das  Vermodern 
abgefallener  Blätter  gebildeten  lluuuis  leben,  giebt  es 
dagegen  auch  noch  eigentliche  Schmarotzer,  die  wahren 
Parasiten,  welche  zum  Thei!  ihre  Nahrung  aus  dem  Wirthe 
ziehen  und  in  vielen  Fällen  denselben  schliesslich  zu 
Grunde  richten. 

Von  diesen  findet  man  in  den  Cacaopflanzungen  in 
Ecuador  indess  nur  wenige  Arten,  die  ausserdem  durch- 
aus nicht  sehr  zahlreich  auftreten,  so  dass  der  Schaden, 
den  dieselben  anrichten,    nur  unbedeutend  zu  nennen  ist. 

Am  bemerkenswerthesten  sind  der  prachtvolle  Lo- 
ranthus  mexieanus  mit  seinen  grossen  gelbrothen  Blüthen 
und  einige,  unserem  Viscum  sehr  ähnliche,  Arten  von 
Phoradendron,  deren  klebrige  Samen  von  Vögeln  herum- 
getragen werden,  die  indess  ohne  Schwierigkeit  von  den 
Bäumen  zu  beseitigen  sind. 

Verderblicher  als  alle  die  im  Obigen  erwähnten 
Pflanzeufeinde  sind  dem  Cacao  die  noch  zu  besprechenden 
Baumwürger,  die  aus  den  meisten  Tropenländern  bekannt 
sind  und  die  liier  in  Ecuador  besonders  durch  einige 
baunuirtige  Urticaeeen,  nämlich  Speeii'S  von  Fieus  (Ili- 
gueron)  und  den  Matapalo*)  (Coussapoa  villosa),  ver- 
treten sind. 

Die  sehr  kleinen  Samen  dieser  Bäume  werden  von 
Vögeln  oder  vielleicht  auch  vom  Winde  auf  andere  Bäume 
getragen,  wo  dieselben  in  der  Mousbekieidung  der  Stämme 
oder  in  dem  in  einer  Zweigklüftung  angesannnciten  Humus 
günstige  Bedingungen  zur  Keimung  vorfinden.  Die  junge 
Pflanze,    welche   sieh   im  Anfange  mit  der  an  ihrem  Ge- 


*)  Baumtödter. 


burtsorte  vorhandenen  Nahrunu-  begnügen  nmss,  sendet  so 
rasch  wie  möglich  eine  oder  mehrere  dünne  Luftwurzeln 
nach  abwärts,  die,  dicht  an  den  Stamm  des  Wirtlies  an- 
gedrückt, sich  bis  zum  Erdl)oden  verlängern,  hier  ein- 
dringen und,  sich  reichlich  verzweigend,  dem  angehenden 
Baumwürger  eine  neue  und  unerschöpfliche  Nahrungs- 
(luclle  eröifnen. 

Weder  die  Fieus  noch  der  naheverwandte  ^Matapalo 
sind  demnach  eigentliche  Parasiten,  sondern  höchstens 
Epiphyten,  und  auch  dies  nur  im  Anfange,  indem  die- 
selben sehr  bald  ihre  Nahrung  ausscliliesslich  aus  dem 
Boden  beziehen  und  insofern  ein  ganz  normales  Dasein 
zu  führen  scheinen.  Erst  wenn  man  die  fernere  Ent- 
wiekelung  dieser  Bäume  l>etrachtct,  begreift  man,  wie 
verderblich  dieselbe  der  armen  Wirthpflanze  werden  muss, 
indem  diese  von  den  rasch  zu  holzigen  Körpern  sich  ent- 
wickelnden Luftwurzeln  des  ungebetenen  Gastes  einge- 
seldossen  und  erdrückt  wird  und  bimien  Kurzem  völlig 
abstirbt  und  vermodert. 

Höchst  interessant  ist  es  hierbei  zu  beobachten,  wie 
der  Baumwürger  seine  Glieder  einer  plastischen  Masse 
gleich  um  sein  Opfer  rings  herum  anschmiegt,  wodui'ch 
oft  die  seltsamsten  Formen  und  Verschmelzungen  der 
scheinbar  ungefügigen  Holzmasse  entstehen. 

Die  von  dem  Stamme  entsendeten  Luftwurzeln  ent- 
wickeln sich  zu  einem  diesem  ähnliclien  Kör})cr,  treiben 
blättertragende  Sprosse  und  bilden  allmälig  einen  Pseudo- 
stanmi,  der  mit  dem  eigentlichen  Stamme  vollständig  ver- 
selnnilzt  und  bald  dem  Würger  das  Aussehen  eines  selbst- 
ständig entwickelten,  normalen  Baumes  giebt,  in  dessen 
Mitte  man  nur  noch  einige  Zeit  die  Reste  des  erwürgten 
( tpfers  wahrnimmt,  dessen  frühere  Gegenwart  sich  indess 
in  den  meisten  Fällen  durch  das  Hohlsein  des  Jlatapalo 
oder  Fieus  nachweisen  lässt. 

Die  Nemesis  ereilt  indess  auch  den  oft  zu  kolossalen 
Verhältnissen  anwachsenden  Baumwürger,  der  gewöhnlich 
mit  der  Zeit  einen  riesigen  Umfang  erreicht  und  durch 
seine  zahlreiclic  Seitenstämme  in  Verbindung  mit  dem 
grossblättrigen,  dichten  Laube  ganz  das  Ansehen  eines 
kleinen  Waldes  im  Walde  anninnnt.  Indem  diese  mächtige 
Holzmasse  nämlich  im  Inneren  hohl  ist,  wird  diesell)e 
durch  ferneres  AVaehstlmm  leicht  in  ihrem  Gleichgewicht 
gestört,  wovon  häufiges  Abbrechen  grösserer  Theile  oder 
sogar  das  Umstürzen  des  ganzen  Baumes  bei  etwas  starkem 
Winde  die  Folgen  sind,  wodurch  nicht  selten  Gefahr  für 
die  in  der  Pflanzung  beschäftigten  Arbeiter  entsteht.  Ein 
Durchhauen  der  Baumwürger  im  jugendlichen  Alter  tödtet 
dieselben  und  rettet  somit  den  von  ihnen  ergriftenen  Baum, 
weshalb  das  Uebel  in  diesem  Stadium  unschwer  zu  be- 
seitigen ist,  ebenso  wie  mau  durch  Naehsuchcn  auf  den 
Cacaopflanzen  die  ganz  jungen  Keindinge  dieser  Feinde 
leicht  entdeckt  und  entferni'n  kann. 

Wo  dagegen  der  Matapalo  oder  Fieus  liereits  einen 
grösseren  Umfang  erreicht  hat,  was  leider  an  vielen  Orten 
der  Fall  ist,  besonders  weil  man  irrthümlieher  Weise  ge- 
glaubt hatte,  der  Baum  sei  dem  Cacao  durch  seinen 
Schatten  von  Nutzen,  lässt  sich  derselbe  niciit  mehr  ohne 
erln'blichere  Schädigung  der  Cultiupflanzen  beseitigen  und 
naiss  stehen  gelassen  und  geduldet  werden. 

Die  Bekämpfung  alier  dieser  Feinde  aus  dem  Pflanzen- 
reiche giebt  den  Arbeitern  selbstverständlich  viel  zu 
Schäften,  dieselbe  Uep])igkeit  des  Bodens  und  dasselbe 
günstige  Klima,  die  im  Verein  den  Cacao  zu  (»iner  nirgends 
sonst  gekannten  Entwiekelung  gelangen  lassen,  befördert 
auch  andererseits  die  grossartige  Entfaltung  der  übrigen 
Vegetation. 

Das  Land  ist  vollständig  flach  und  gänzlich  steinlos, 
von  einem  Alluvium  gebildet,  das  hauptsäcldich  aus  einer 
oft  Meter   dicken  Seliicht  von   lehmiger   Erde    auf  einem 


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Naturwissenschaftliche  Woclienschrift. 


Nr.  6. 


Untergiunde  von  feinem,  j)3M'ithalti,i;'em  Saude,  ein  auch 
in  physikalischer  Hinsicht  bekanntlich  günstiger  Boden, 
besteht. 

Das  Klima  ist  ein  mn-  sehr  geringen  Schwankungen 
'  nnterworfeues,  gleiehmässig  heisses;  die  Regenmenge  eine 
sehr  bedeutende  und  selbst  in  den  troekneren  Monaten 
nie  ganz  unterbrochene,  Factoren,  die  dem  Gedeihen  des 
Cacao  möglichst  günstig  sind,  weshalb  die  Huertas  auch 
hier  das  ganze  Jahr  hindurch  mit  Früchten  in  allen  Stadien 
der  Entwickelung  prangen  und  somit  die  Ernte  eigentlich 
nie  aufhört,  wenngleich  zu  gewissen  Jahreszeiten,  be- 
sonders vom  Juli  bis  zum  Septenilier,  die  grösste  Menge 
an  reifen  Früchten  vorbanden  ist. 

Aber  auch  die  Frucht  des  Cacaobaumes  hat  eine 
Menge  von  Feinden,  die  dem  Pflanzer  die  Ernte  streitig 
machen  und  ihm  nicht  selten  beträchtlichen  Schaden  zu- 
fügen. Hierzu  gehören  besonders  mehrere  Arten  von 
Papageien,  die  Morgens  ganz  früh  in  die  Huertas  fliegen, 
hier  den  Tag  über  an  den  reifi'u  Früchten  sich  gütlich 
thun,  um  Abends  gegen  Sonnenuntergang  wieder  schreiend 
und  lärmend  in  kleinen  Haufen  nach  den  Mangrove- 
waldungen  an  der  Küste  zurückzukehren,  wo  sie  zu  nisten 
scheinen. 

Da  der  Schaden,  den  diese  in  grosser  Menge  auf- 
tretenden Vögel  sehr  beträchtlich  und  deren  Fleisch  neben- 
bei recht  wohlschmeckend  ist,  wird  ilnien  durch  dazu 
angestellte  Jäger  fortwährend  nachgestellt  und  trotz  ihrer 
Schönheit  eine  Menge  erlegt.  Dasselbe  geschieht  mit  den 
verschiedenen  Säugethieren,  die  sich  zum  Theil  vom  Cacao 
nähren,  und  von  denen  ich  besonders  einige  Aflenarten, 
eine  Beutelratte  und  ein  kleines  Eichhörnchen  wie  noch 
einige  andere  Nager  erwähne. 

Im  Ganzen  genommen  sind  die  Zerstörungen  dieser 
Tbiere  doch  nur  massig,  und  da  auch  die  Verluste  durch 
Krankheiten,  unter  denen  besonders  die  durch  Schmarotzer- 
pilze verursachten,  keine  bedeutende  sind,  bleibt  dem 
Hacendado  in  der  Regel  ein  reichlicher  Ertrag  übrig. 
Durch  eintretende  Dürre  krmnen  an  einzelnen  Orten  zu- 
weilen die  ganz  jungen  Früchte  einschrumpfen  und  ver- 
dorren, an  anderen  verfaulen  die  Früchte  zuweilen,  be- 
sonders wo  die  Bäume  zu  dicht  gepflanzt  sind;  trotz  alle- 
dem hört  man  nie  von  einer  Missernte,  wenn  gleich  der 
Gesamnitertrag  der  einzelnen  Jahre  verschieden  sein  kann, 
so  dass  man  im  Allgemeinen  die  Cacaoeultur  als  eine  sehr 
lohnende  bezeichnen  darf,  die  bei  der  über  hundert  Jahre 
anhaltenden  Tragfähigkeit  des  Baumes  die  Grundlage 
eines  dauernden  Wohlstandes  abgiebt. 

Der  durchschnittliche  Ertrag  einer  Caeaopflanze  ist 
in  Ecuador  gewöhnlich  \  o  Kilo,  was  die  trockenen  Samen 
von  8 — 10  Früchten  (mazorcas)  darstellt.  Wo  die  Bäume 
freien  Platz  zum  Ausbreiten  der  Zweige  haben,  sieht  man 
indess  sehr  oft  30 — 40  oder  noch  mehr  Früchte  an  einem 
Baume,  an  einzelnen  alten  Bäumen  zählte  ich  sogar  nicht 
selten  über  400  Früchte,  was  einer  Ernte  von  25  Kilo 
im  Werthe  von  über  30  Mark  pro  Baum  gleielikommt. 

Der  geringe  Durchschuittsertrag  der  Pflanzungen  rührt 
hauptsäcldich  von  zu  dichtem  Pflanzen  her,  ein  Fehler, 
den  man  erst  in  neuester  Zeit  durch  Lichten  der  Huertas 
und  grössere  Entfernung  bei  der  Anlage  neuer  Gärten  zu 
berichtigen  sucht. 

Bei  dem  grossen  umfange  der  meisten  Haciendas, 
von  denen  viele  eine  halbe  bis  eine  ganze  Million  Bäume 
(matas)  haben,  ist  die  Gesammternte,  selbst  bei  einem 
Durchschnitt  von  nur  500  Kilo  pr.  1000  Pflanzen,  dennoch 
immerhin  von  bedeutendem  Wertli  und  beansprucht  die 
ganze  Aufmerksamkeit  des  Besitzers  oder  seines  Verwal- 
ters wie  auch  eine  erhebliche  Arbeitskraft  an  Menschen 
und  Tbieren. 

Durch  die  verschiedenen  Huertas  vertheilt  gehen  Ab- 


theilungen von  10 — 12  Mann  mit  einem  Mayordomo  als 
Aufseher,  die  eine  Hälfte,  die  Tumbadores*),  mit  einem 
langen  dünnen  Rohr  versehen,  das  an  der  Spitze  ein 
scharfes,  haUnnondförmiges  Eisen  trägt,  womit  die  reife 
Frucht,  die  nicht  von  selbst  herunterfällt,  geschickt  am 
Stiel  durchschnitten  wird,  was  mit  einem  nach  oben  ge- 
führten Stosse  geschieht,  um  alsdann  von  der  anderen 
Hälfte  der  Leute,  den  Recogedores,  aufgesammelt  und  in 
grosse  Haufen  aufgeschichtet  zu  werden. 

Zu  diesen  Haufen  begiebt  sich  dann,  gewöhnlich  am 
nächsten  Tage,  ein  ^lann,  der  Sacador,  welcher  mit  einem 
kurzen,  breiten  Eisen  die  dicke  Schale  der  Früchte  der 
Quere  nach  durchschneidet  und  dieselben  hinter  sich  wirft, 
wo  alsdann  ein  Knabe  mittels  eines  Rippenknochens,  der 
als  eine  Art  schmalen  Lotfels  dient,  die  Frucht  ihres  In- 
halts entleert. 

Das  Innere  der  Cacaofrucht  besteht,  wie  bekannt,  aus 
einer  Menge  von  dicken,  scheibenförmigen  Samen,  die  in 
fünf  Reihen  geordnet  und  von  einer  weissen,  säuerlichen 
Pulpe  umgeben,  in  einer  Anzahl  von  40 — 50  den  Hohl- 
raum erfüllen.  Dieser  schleimige,  rohe  Cacao  wird  als- 
dann in  grosse  starke  Säcke  gefüllt,  die  auf  Jeder  Seite 
des  Packsattels  auf  einem  kräftigen  Maultliii're  herab- 
hängen und  in  dieser  Weise  auf  den  gewrdmlich  boden- 
losen Pfaden  nach  der  Hacienda  zur  weiteren  Behandlung 
gebracht. 

Sowohl  die  Tumbadores  als  auch  die  anderen  Ar- 
beiter der  Plantage  tragen  bei  der  Arbeit  in  den  Huertas 
die  Füssc  und  Beine  sorgfältig  eingehüllt,  um  sich  gegen 
die  vielen  Giftschlangen,  die  eine  wahre  Landplage  des 
ecuadorianisehen  Tieflandes  sind,  zu  schützen.  Die  Füsse 
sichert  ein  oftVner  Schnürschuh  aus  dickem  Leder,  die 
Corba,  nachdem  der  Fuss  an  Statt  des  Strumpfes  mit  den 
weichen,  welken  Blättern  der  Banane  umwunden  ist,  wäh- 
rend die  Beine  mit  einer  dichten  Umhüllung  von  den 
Blättern  des  oben  erwähnten  Vijao  bekleidet  werden,  die 
mit  Baststreifen  des  Cacao,  der  wie  alle  Büttneriaceen 
ein  dem  Lindi-nbast  ähnliches  Material  liefert,  festgebunden 
werden.  Trotz  aller  Vorsicht  kommen  dennoch  Schlangen- 
bisse nicht  selten  vor,  besonders  sind  die  Recogedores 
densellten  beim  Aufsammeln  der  Früchte  vom  Boden  in 
dem  oft  sehr  dichten  ßlattgewirr  des  Unkrautes  ausgesetzt. 
Die  gefürchtetste  aller  Sehlangen  ist  die  E()uis,  so  ge- 
nannt von  den  dunklen  Zeichnungen  auf  dem  Rücken,  die 
dem  Buchstaben  x  ähnlich  sehen,  welcher  im  Spanischen 
Equis  (spr.  Ekkis)  heisst.  Diese  Natter  wird  bis  1 V-3  Meter 
lang  und  kommt  nicht  nur  im  Walde  und  in  den  Huertas, 
sondern  auch  in  d(>r  Nähe  von  Wohnungen  oder  in  diesen 
selbst  vor  und  Itesitzt  eins  der  am  heftigsten  wirkenden 
Gifte,  das  bereits  nach  wenigen  Stunden  den  T(h1  herbei- 
führt. Ein  grosser  Hund,  der  ganz  nahe  l)ei  einem  Wohn- 
hause von  einer  dieser  Schlangen  in's  Ohr  gebissen  ward, 
verendete  vor  meinen  Augen  im  Verlaufe  einer  Viertel- 
stunde. 

Als  Mittel  gegen  das  Schlangengift  wird  häufig  eine 
braune  Flüssigkeit,  Curarine  genannt  und  von  einem 
Amerikaner  fabricirt,  nicht  ohne  Erfolg  angewandt,  ausser- 
dem Alkohol,  Chinin,  Ferrum  sesquiehlorat  und  verschiedene 
einheimische  Kräuter,  durch  welche  auch  zuweilen  Patienten 
gerettet  werden.  Immerhin  bleiben  die  Giftschlangen  eine 
Art  ^litbewohner  dieser  Gegenden,  an  welclie  man  sieh 
nur  sehr  schwer  gewöhnt  und  die  den  Genuss  der  pracht- 
vollen Natur  hier  erheblich  beeinträchtigt. 

Nachdem  iu  der  oben  erwähnten  Art  der  rohe  Cacao 
nach  der  Hacienda  gebracht  ist,  wird  derselbe  sogleich 
auf  grossen  offenen  Plätzen,  Tendales,  die  mit  gespaltenem 
Bambusrohr  belegt  sind,  zum  Trocknen  ausgebreitet.   Das 


*)  Tumbür  füllen,   recogei'  aufsammeln,   sacar  horausuehmen. 


Nr.  6. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


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in  Westindien  i;cl»räu('hliche  Fcrnientiren  in  (lurclil(ichertcii 
Behältern,  wodurch  in  wenii;en  Tagen  die  l'ulpe  verfliesst 
und  der  Cacao  eine  passende  Reife  mid  Farbe  erhält,  ist 
in  E^cuador  gänzlich  unbekannt,  wird  indess  zum  Theil 
dadurch  ersetzt,  dass  bei  Kegenwetter  und  über  Nacht 
die  Samen  in  längliehe  Haufen  zusannncngcscliiclitct  und 
mit  Blättern  des  Vijan  oder  gel)ogenen  Zinki)latten  über- 
deckt werden,  wodurch  in  der  feuchten  Masse  jedes  Mal 
eine  Gähruug  entsteht,  die  freilich  am  nächsten  Morgen 
durch  das  Ausbreiten  in  der  Sonne  auf  dem  Tendal  wieder 
unterbrochen  wird. 

Die  Qualität  des  Cacao  scheint  indess  auch  bei  diesem 
\'erfalireii  den  wünschenswerthcn  Grad  von  Güte  zu  er- 
reicln'n,  indem  der  Cacao  von  Ecuador,  gewrdnilich  nach 
dem  Hafenorte  Guaya(iuil,  von  wo  aus  derselbe  verschifft 
wird,  benannt,  wie  bekannt  zu  dem  besten  der  Welt  ge- 
h(irt.  Der  bedeutende  Unterschied  zwischen  den  beiden 
llauptklassen  des  ecuatorischen  Cacao,  dem  aus  den  oberen 
Flussgebieten  (Cacao  de  arriba)  und  dem  aus  den  süd- 
licheren Gegenden  (Cacao  de  Balao  und  de  Machala),  ist 
nicht  auf  eine  verschiedene  Behandlung  der  Frucht  zurück- 
zuführen, sondern  scheint  hauptsächlich  von  verschiedenen 
Bodenverhältnissen  herzurühren,  indem  die  oberen  Gegen- 
den bereits  mehr  hügelig  und  steinig  werden,  je  näher 
man  dem  Gebirge  kommt. 

Der  Cacao  de  arriba  ist  bedeutend  bitterer  als  der 
andere  und  erlaubt  deshalb  dem  Fabrikanten  in  Europa 
durch  Zugabe  einer  gr(isseren  Menge  von  Zucker  ein  be- 
deutend grösseres  Quantum  Chocolade  aus  derselben  Menge 
von  Cacao  zu  erzielen,  was  diesem  also  einen  höheren 
Werth  zu  Fabrikationszwecken  verleiiit  und  den  besseren 
Preis  desselben  auf  dem  Weltmarkte  bedingt. 

Wenn  der  nasse  Cacao  in  der  oben  angegebenen 
Weise  vollkonnnen  getrocknet  ist,  wird  derselbe  von  allen 
schwarzen  und  schlechten  Bohnen  mit  der  Hand  befreit, 
durch     Sieben    von     ünrath    gereinigt    und    alsdann    in 


Säcke  verpackt  auf  kleinen  Segelschiffen  nacii  Guay- 
aquil  zum  weiteren  Export  mittels  Dampfer  nach  Europa 
gebracht. 

Die  jährliche  Ausfuhr  von  Ecuador  an  Cacao  beträgt 
gegenwärtig  14 — 15  Millionen  Kilo  oder  fast  ein  \'iertel 
der  Gesannntproduction  der  Welt,  die  c.  GO  Millionen  Kilo 
beträgt.  Da  der  Consum  im  Lande  sell)st  merkwürdiger- 
weise ein  sehr  geringer  ist  und  für  die  ganze  nur  etwas 
über  eine  Million  betragende  Bevölkerung  wohl  kaum 
1  Millitm  Kilo  erreicht,  ist  die  ganze  Ernte  dieses  Heimath- 
landes des  Cacao  auf  15^16  Millionen  Kilo  im  Jahre  zu 
setzen,  was  zwar  ein  bedeutendes  Quantum  ist,  jedoch 
immer  nur  einen  kleinen  Theil  von  dem  darstellt,  was 
dieses  reiche  Land  bei  rationellerer  Beiiandiung  der  Plan- 
tagen und  ausgedehnterer  Ueberwachung  hervorzubringen 
im  Stande  wäre. 

Wenn  man  erwägt,  dass  die  kleine  westindische  Insel 
Grenada  mit  nur  55  ÜOO  Einwohnern  l)innen  kurzer  Zeit 
ihre  Ausfuhr  von  Cacao  bereits  auf  über  2  ^lillionen  Kilo 
gebracht  hat,  und  dass  Trinidad  nicht  weniger  als  6  bis 
7  Millionen  Kilo  jtroducirt,  so  erscheint  die  Krnte  von  Ecua- 
dor, dessen  hauptsächlicher,  ja  fast  einziger  Ausfuhrartikel 
von  Bedeutung  der  Cacao  ist,  als  verhältnissmässig  gering 
und  bei  ^Veitem  nicht  den  günstigen  Xaturverhältnissen 
entsprechend. 

Wie  in  den  anderen  spanisch-amerikanischen  Ländern 
tragen  auch  hier  die,  trotz  des  im  Allgemeinen  fried- 
lichen und  arbeitsamen  Charakters  der  Bewohner,  noch 
ziemlich  unsicheren  politischen  und  socialen  Verhältnisse 
die  Hauptschuld  daran,  dass  eine  schnellere  Entwickelung 
im  Anljau  des  Cacao,  der  mehr  wie  irgend  ein  anderes 
tropisches  Erzeugniss  eine  glänzende  Zukunft  zu  haben 
scheint,  eine  Entwickelung,  von  der  hier  zugleich  der 
materielle  wie  auch  der  daraus  entspringende  intellectuelle 
Fortschritt  des  Landes  bedingt  wird,  bis  jetzt  noch  innncr 
auf  sich  hat  warten  lassen. 


Kurze  Darstellung  einer  Hypothese  über  Sonnenflecken.*) 


\'un  HealscluiUclirur 
Die  gewaltigen  Dimensionen  der  Sonne,  ihre  ausser- 
ordentlich hohe  Temperatur,  entschuldigen  oder  rechtferti- 
gen vielmehr  die  Aufstellung  von  Vermuthungen,  die  nach 
unsern  irdischen  Verhältnissen  gemessen  allerdings  unhalt- 
bar  waren. 

Die  Sonne  ist  ein  grosser,  gluthflüssigcr,  wenig  difteren- 
zirter  Feuerball  mit  einer  schweren  und  weit  ausgedehnten 
Gashülle,  mit  einem  Kern,  der  aus  Gasen  im  sogen,  über- 
kritischen Zustande  gebildet  wird.  Dieser  Kern  oder 
seine  weitere  Umgebung  reagirt  nach  der  Oberfläche  hin 
und  diese  Reactionen,  welche  sich  in  Flecken  und  Pro- 
tuberanzen (vielleicht  auch  Fackeln)  aussen  kenntlich 
machen,  zeigen  eine  Periode,  die  sich  für  alle  oben  er- 
wähnten Erscheinungen  deckt.  Nehmen  wir,  ohne  nach 
dem  AVoher  zu  fragen,  an,  diese  Periodicität  werde  durch 
allmälige  Steigerung  der  Sonnenwärme  in  bestimmten 
Regionen  hervorgerufen,  so  drängt  sich  uns  die  Analogie 
mit  den  Geysirs  auf.  Die  Sonnenperiode  ist  eltjährig. 
Flecken  und  Protuberanzen  haben  zu  gleicher  Zeit  einmal 
ein  Alaximum  uiul  ein  Mininuun  in  jeder  Periode.  Dazu 
sind  ihre  Bewegungen  auf  der  Sonnenoberfläche  ganz 
analoge,  während  dagegen  Unterschiede  in  der  Vcrtheilung 

*)  Indem  wir  uachstehenden  Aufsatz  in  unseren  Spalten  ver- 
öifcntlichen,  erinnern  wir  an  unseren  stets  nach  Möglichkeit  be- 
folgten Grundsatz,  auch  solchen  Anschauungen  in  der  „Naturw. 
Wochenschr."  Raum  zu  geben,  welche  von  den  herrschenden  An- 
sichten abweichen.  Können  wir  also  zwar  die  Ueberzeugungs- 
gewissheit  des  Verfassers  nicht  ohne  Weiteres  theilen,  so  ist  es 
itoch  nicht  ausgeschlossen,  dass  die  vorgetragene  Hypothese  ern- 
sterer Beachtung  werth  ist.  "  Ked. 


K .  F  r  i  e  d  r  i  v  h  s. 

auftreten.  Protuberanzen  treten  allenthalben  auf,  wo 
sich  Sonnenflecke  zeigen,  Iteschränken  sich  aber  nicht  auf 
die  gefleckten  Stellen  der  Sonne.  Da  wir  uns  den  Sonneu- 
körper  nur  wenig  differenzürt  denken  dürfen,  von  lokalen 
Unterschieden  gar  nicht  reden  dürfen,  so  steht  zu  ver- 
nmthen,  dass  die  Reactionen  ursprünglich  gleichartig 
waren,  durch  hinzutretende  einwirkende  Factoren  aber  in 
verschiedene  Erscheinungsformen  hinübergeführt  wurden. 
Als  solche  modifleirenden  Factoren  habe  ich  die  Kugel- 
gestalt der  Sonne  und  ihre  Rotation  im  Auge.  —  Das 
weiter  verbreitete  von  l)eiden  Sonnenjihänomcnen  sind 
jedenfalls  die  Protuberanzen;  sie  treten  überall  am  Sonnen- 
körper auf,  und  über  ihre  Natur  ist  man  sich  soweit 
klar,  dass  man  sie  für  Gasausströmungen  aus  dem  Sonneu- 
innern  hält  und  halten  muss.  Dagegen  würde  man  die 
Sonnenflecke  bei  erster  und  flüchtigi'r  Ueberlegung  für 
feste  Körper  halten,  da  sie  dunkel  erscheinen.  lU'i  ein- 
gehender Ueberlegung  jedoch  wird  man  diese  Vermuthung 
fallen  lassen.  Ein  Sonnenkörper,  der  nach  allen  P>eob- 
aehtungen  und  besonders  nach  den  spcktralanalytischen 
einen  Gluthfluss  darstellt,  bei  dessen  ungeheurer  Tempera- 
tur die  Elemente  grösstentheils  im  Dissociationszustande 
zu  sein  scheinen,  kann  unmöglich  feste,  nur  schwach 
glühende  Stellen  für  längere  Zeit  aufweisen.  So  sehen 
wir  uns  denn  veranlasst,  die  Dunkelheit  durch  Comi)ina- 
tion  flüssiger  oder  gasförmiger  Massen  mit  dem  Sonnen- 
körper nach  optischen  Gesetzen  zu  erklären.  Von  diesen 
beiden  Condiinatiouen  fällt  die  erste  als  höchst  unwahr- 
scheinlich und  unerklärlicii  ohne  Schwertstreich,  während 


56 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  6. 


die  zweite  uns  g'cuug  Wahrscheiniichlceit  bietet,  wenn 
wir  uns  nur  der  optischen  Erscheinungen,  die  unter  dem 
Namen  der  fttrahlenabsorption  und  der  totalen  Reflexion 
bekannt  sind,  erinnern  wollen.  Von  zwei  verschiedenen 
Ausgangspunkten  machte  ich  also  die  gasförmige  Natur 
der  Sonuenflecke  wahrscheinlich.  —  Wir  wollen  sehen, 
welche  Harmonie  zwischen  dieser  These  und  den  statt- 
gefundenen Beobachtungen  sich  erzielen  lässt,  ohne  den 
ganzen  Hypothesenbau  zu  verkünstcln  und  zu  verschnörkeln. 

rrotuberanzen  sowohl  wie  Sonuenflecke  kommen  aus 
dem  Innern,  beides  sind  Gase,  die  eine  Erscheinung  bietet 
Helligkeit,  die  andere  nicht.  Wir  stehen  vor  einem  Räthsel, 
wenn  wir  nicht  den  Umstand  berücksiclitigen,  dass  die 
Protuberanzen  sich  von  der  SonnenoberHäche  erheben, 
während  die  Sonnenflecke  haften  Ideiben.  Jetzt  fällt  es  uns 
wie  Schuppen  von  den  Augen.  Die  Sonnen  flecke  sind 
Blasen,  ungeheure  Blasen  für  irdische  Begriffe,  dagegen 
gar  nicht  so  abnorm  für  Sonneuverliältnisse.  Die  Gas- 
massen toben  unter  einer  gewaltigen  durchsichtigen  Glocke, 
die  aus  glühender  Sönnenmasse  gebildet  wird,  nach  innen 
gestützt  durch  die  Spannkraft  der  eingeschlossenen  Gase, 
vor  dem  Zersprengtwerden  durcli  ihre  eigene  Cohäsion 
und  den  solaren  Atmosphärcudruck  geschützt. 

Nach  der  von  Pickering  erforschten  Thatsaehe,  dass 
die  Sonnenmitte  dreimal  heller  als  der  Sonnenrand  sei, 
muss  ich  den  Körper  der  Sonne  bis  zu  einem  gewissen 
Grade  für  durchsichtig  halten,  wenn  ich  auch  weiss,  dass 
dieser  Unterschied  an  Helligkeit  meistens  der  Strahlen- 
absorption in  der  Sonnenatmosphäre  ganz  allein  in  die 
Schuhe  geschoben  wird.  Die  aus  dem  Sonneniunern 
kommenden  Strahlen  erleiden  schon  bei  normalen  Ver- 
hältnissen theilweise  eine  Reflexion  in  das  Innere  zurück, 
wenn  sie  iu  die  Atmosphäre  eindringen  wollen.  Wie 
viel  mehr  sollte  dies  nicht  den  Strahlen  geschehen, 
welche  aus  dem  gluthflüssigen  Blasengrunde  in  die  durch 
Hitze  stark  verdünnten  (iase  des  sogenannten  Sonnen- 
fleckens  eintreten  wollen.  Diese  stark  erhitzten  Gase  ab- 
sorbiren  ausserdem  von  den  eingedrungenen  Lichtstrahlen 
wiederum  einen  ganz  beträchtlichen  Tlieil,  und  dem  Rest 
ist  auch  noch  nicht  gestattet,  unbehindert  in  die  Sonnen- 
atmosphäre zu  dringen,  falls  die  Strahlen  nicht  unter 
günstigem  Winkel  durch  die  Blasenwantl  sich  bewegen 
und  so  der  totalen  Reflexion  entgehen.  —  Kein 
Wunder,  dass  nach  diesem  dreimaligen  Licht- 
. Verlust  der  Oontrast  mit  der  strahlenden  Sonnen- 
oberfläehe  die  Blase  dunkel   erscheinen  lässt. 

Die  Flecke  kommen  in  den  l'olarzonen  gar  nicht  vor, 
in  der  Nähe  des  Ae([uators  selten,  am  häufigsten  jedoch 
in  den  Breiten  von  10° — 30°.  Südliche  und  nördliche 
Hemisphäre  verhalten  sich  ganz  gleich  in  Bezug  auf 
Fleckenvertheilung,  wenn  wir  von  temporären  Unterschieden 
absehen,  —  ein  Grund  mehr,  nur  die  allgemeinsten 
Eigenschaften  der  Sonne  bei  unsern  nächsten  Ausführungen 
zu  benutzen.  —  Die  Sonne  drelit  sich  von  West  nach 
Ost,  wie  unser  ganzes  Planetensystem.  Die  Geschwindig- 
keiten der  einzelnen  Punkte  ihrer  Gberfläche  verhalten 
sich  wie  die  Radien  der  Breitengrade,  auf  denen  sie  sich 
befinden.  Vom  Pol  bis  zum  Aequator  nimmt  diese  durch 
die  Rotation  hervorgerufene  Bewegung  zu  und  zwar  nicht 
gleichmässig,  sondern  die  Zunahme  wird  nach  dem 
Aequator  hin  immer  grrisser.  In  derselben  Weise  zeigen 
Punkte  im  Innern  der  Sonne  eine  im  Sinne  der  Rotations- 
richfung  fortschreitende  scdinellere  Bewegung,  wenn  sie 
weiter  von  der  Drehungsachse  entfernt  sind.  Aufsteigende 
Gasblasen  gerathen  also  in  Gegenden  von  schneller  fort- 
schreitender Bewegung.  Sie  bleiben  naturgemäss  zurück, 
so  dass  sie  schliesslich  westlich  von  dem  ursprünglich 
senkrecht  über  ihnen  liegenden  f)berflächenpunkt  und 
nahezu  in  derselben  Breite  unter  spitzem  Winkel  zur  Ro- 


tationsrichtuug  auftauchen.  Diese  Translation  ist  in  höhe- 
ren Breiten  bedeutend  geringer  als  in  niedrigen,  wie  ein 
Vergleich  der  3  Linien  p,  -/  und  r  in  untenstehender 
Figur  sofort  lehrt.  Die  Gasblasen  werden  daher  iu 
höheren  Breiten  mehr  senkrecht  zur  Oberfläche  empor- 
tauchen. In  niederen  Breiten  haben  wir  dagegen  einen 
viel  schrägem  Auftrieb,  so  dass  hier  ein  Haftenbleiben 
der  Blasen  eher  möglich  erscheint,  als  bei  den  nahezu 
vertikal  nach  oben  schnellenden  Blasen  der  Polarzone, 
deren  Fleckenlosigkeit  damit  erklärt  wäre;  denn  hier 
bleiben  die  Blasen  nicht  haften,  sondern  schnellen  empor, 
krepiren  und  bieten  die  Erscheinung  der  Protuberanzen. 
Und  nun  kommt  noch  hinzu,  dass  bei  schrägcrem  Auf- 
trieb ein  längerer  Weg  im  Sonneninnern  durchlaufen  wird, 
bei  dessen  Durcheilen  die  Blasen,  welche  doch  in  Ge- 
genden immer  geringeren  Druckes  gelangen,   durch  Aus- 


dehnung einen  Theil  ihrer  hohen  Spannung  verlieren 
können,  was  bei  den  vertikal  auftreibenden  Blasen  niclit 
in  dem  Maassstabe  der  Fall  ist,  so  dass  sie  auch  schon 
infolge  der  ihnen  innewohnenden  grösseren  Energie 
leichter  zerplatzen.  Da  der  Auftrieb  in  der  Aequatorial- 
zone  jedenfalls  am  schrägsten  ist,  so  müssten  wir  hier 
den  grössten  Fleckenreichthum  vcrmutlien,  womit  wir  je- 
doch der  Beobachtung  direct  widersprechen.  Wir  haben 
aber  auch  einen  Umstand  ganz  ausser  Betracht  gelassen. 
Wir  müssen  nämlich  bei  der  Grösse  derBlascn  (häufig  doppelte 
Erdgrösse)  annehmen,  dass  die  dem  Aequator  zugewandte 
Seite  im  stärkeren  Fortschreiten  begriffen  ist,  als  die  ab- 
gewandte Blasenseite.  So  treten  Zerrungen  und  Span- 
nungen auf,  denen  die  Blase  nach  ihrem  Bau  so  gut  wie 
möglieh  nachgiebt,  so  dass  die  beobachtete  Längsdehnung 
an  der  ursprünglich  rundlichen  Blase  und  ihr  allmäliges 
Herabsinken  in  niedere  Breiten  hierdurch  bedingt  er- 
scheinen muss.  Die  Zerrungen  nehmen  nach  dem  Aequa- 
tor hin  unverhältnissmässig  stark  zu  und  ^crursachen  so 
das  Zersprengen  mancher  Blase,  die  sieh  einer  weniger 
guten  Bauart  zu  erfreuen  hatte.  Nur  einige  dieser  Sonnen- 
kinder, deren  Bau  fester  gegründet  und  gefügt  ist,  sinken 
allmälig  auf  spiraliger  Bahn  bis  auf  den  Aequator  und 
enden  hier  schliesslich,  ich  möchte  sagen,  an  Alters- 
schwäche. Von  den  in  niederen  Breiten  erzeugten 
Flecken  enden  viele  frühzeitig  in  den  Känq)fen  des  Da- 
seins, einige  wenige  erreichen  ein  hohes  Alter,  aber  auch 
ihr  Dasein  ist  Mühe  und  Arbeit  gewesen.  In  den  Polar- 
gegenden finden  sich  aber  nur  Todtgeburten.  Eine  Pro- 
tuberanz  bezeichnet  jedesmal  das  Ende  eines  Fleckens. 
Der  Körper  sinkt  theilweise  in  die  Sonne  zurück,  ein 
anderer  Theil  wird  durch  die  hervorbrechenden  Gase  in 
feinste,  glühende  Partikelchen  zerschellt  und  emp(U-geführt 
in  die  leuchtende  Region  der  Korona.  Den  grössten 
Fleckenreichthum  vermuthen  wir  also  in  der 
Sonnengegend,  wo  der  günstige  Factor  des 
schrägen  Auftriebs  nicht  zu  sehr  beeinträchtigt 
wird  durch  den  ungünstig  für  das  Bestehen  der 
Blase  wirkenden.  Diese  Combination  des  schrä- 
gen   Auftriebs     mit    verhältnissmässig     geringen 


Nr.  6. 


Naturwissenschaftliehe  Wochenschrift. 


.57 


Zerrungen  finden  wir  in  der  Breitenlage  von 
30°— 10°  auf  beiden  Hemisphären. 

Am  Schluss  einer  Periode  werden  die  Flecken  in 
einer  ungefähren  Sonnenbreite  von  10°  grösstentheils  ver- 
schwinden. Dagegen  werden  zu  Anfang  einer  Periode  die 
ersten  Flecken  in  denjenigen  Sonnenregionen  wieder  auf- 
tauchen, wo  die  die  Periodicität  hervorrufenden  Factoren 
am  ungestörtesten  liahen  wirken  können;  dies  werden  die 
schon  längere  Zeit  im  fleckenlosen  und  ruhenden  Zustande 
befindliclien  höheren  Breiten  von  etwa  30°  sein. 

Siiörer  hat  beobachtet,  dass  nach  einem  grossen  Fleck 
sieh  gewöhnlich  noch  kleinere  Flecken  auf  demselben 
Parallelgrade  bilden,  die  aber  hinter  dem  grossen  etwas 
zuriickbleiben,  im  Uebrigen  jedoch  das  Bikl  einer  von  West 
nach  Ost  ausgedelniten  (iruppe  liieten.  Das  Voraneilen 
des  grossen  Flecks,  welches  auf  den  ersten  Blick  merk- 
würdig ist,  erklärt  sich  naturgemäss  daraus,  dass  er  eine 
viel  grössere  Ausdehnung  über  die  Sonnenbreite  als  die 
kleinen  Flecke  besitzt,  deswegen  grösseren  Zerrungen 
unterworfen  wird,  die  sich  in  der  Blase  in  der  Form  aus- 
zugleichen suchen,  dass  der  voraneilende  etwas  südöstlich 
gerichtete  Theil  den  langsameren  an  sich  heranzuziehen 
bestrebt  ist.  Ausserdem  nehme  ich  einen  Wellenschlag 
auf  der  Sonne  an,  der  durch  den  schrägen  Auftrieb  der 
Blasen  hervorgerufen  wird,  dessen  Richtung  natürlich  der 
Rotationsrichtung  entgegengesetzt  ist,  so  dass  diese  Wellen 
gegen  die  flottirenden  Blasen  prallen.  Sind  diese  Wellen 
als  Wirkungen  der  Blasen  auch  viel  kleiner  als  letztere, 
so  kann  man  ihnen  doch  wohl  Bergesgrössc  zuschrcilien. 
Unter  allen  Umständen  beeinträchtigen  sie  die  Bewegung- 
kleiner  Blasen  mehr  als  die  grosser.  Dass  eine  grosse, 
im  Sonneninnern  aufsteigende  Blase  bahnbrechend  für 
mehrere  kleinere  wirken  kann,  liegt  auf  der  Hand  und 
so  wären  auch  die  Spörerschen  Beobachtungen 
meiner  Hypothese  angegliedert. 

Der  vorerwähnte  Wellenschlag  scheint  sich  unsern 
Blicken  in  der  sogen.  Weidenblattzeichnung  der  Sonnen- 
oberfläche kenntlich  zu  machen.  Das  Veränderliche  der 
Erscheinung  spricht  mit  für  diese  Vernuithung,  und  wenn 
ich  den  Wellenkänmicn  relative  Helligkeit,  den  Thälern 
und  Hängen  dieser  Wellen  dagegen  eine  geringere  Licht- 
stärke zuschreibe,  so  habe  ich  hiermit  eine  Hypothese 
aufgestellt,  die  mit  der  ersteren  so  locker  verbunden  ist, 
dass  ihre  Verwerfung  noch  keineswegs  die  Blasenhypothese 
zum  Wanken  bringt. 

Aehnlich  wie  das  V(n'aneilen  grosser  Blasen  vor  kleinen 
erklärt  wurde,  haben  wir  uns  die  schnellere  Rotationslte- 
wegung  gleich  grosser  Blasen  in  verschiedenen  Breiten  zu 
denken.  In  niederen  Breiten  sind  die  Zerrungen  und 
Spannungen  in  der  Blasenwand  aus  dem  schon  mehrfach 
erwähnten  Grunde  lebhafter.  Die  Unterschiede  in  den  Ge- 
schwindigkeiten der  beiden  Blasenseiten  nehmen  nach  dem 
Aequator  hin  immer  mehr  zu,  desgleichen  die  Zerrungen 
und  Spannungen,  dadurch  werden  aber  gewaltsamere  Aus- 
gleiche bedingt,  die  wiederum  eine  grössere  Geschwindig- 
keit für  die  ganze  Blase  hervorrufen.  Mit  dieser  Er- 
klärung, die  si(;h  unmittelbar  aus  meiner  Hy- 
pothese ergiebt,  fällt  zugleich  das  Merkwürdige 
an  der  verschiedenen  Rotationszeit  der  Sonnen- 
fleeke  in  verschiedenen  Sonnenbreiten. 

Da  die  Protuberanzen  als  Folgeerscheinungen  der 
Sonnenblasen  auch  ihre  Endgeschwindigkeiten  angenommen 
haben  müssen,  so  fordern  wir  für  sie  eine  ähnliche  Be- 
schleunigung in  äquatcn-ialen  Breiten,  vermuthen  jedoch, 
dass  sie  gegenüber  den  Sonnenflecken  etwas  zurück- 
bleiben aus  dem  Grunde,  aus  welchem  die  im  Sonneninnern 
aufsteigenden  Blasen  ein  Zurückbleiben  in  westlicher 
Richtung  aufweisen.  Zudem  haben  diese  Phänomene  eine 
zu  kurze  Dauer,    als  dass  Ausgleiche  wie   bei  den  lang- 


lebigen SonnenHeckcn  stafttimlen  können.  Diese  rein 
theoretische  Folgerung  findet  in  astroni  mischen  Beobach- 
tungen ihre  Bestätigung  und  dadurch  wird  wiederum  un- 
sere Vermuthung  von  dem  organischen  Zusanmienhang 
zwischen  Sonnentleckcn  und  Protuberanzen  bedeutend  ge- 
kräftigt und  gestützt.  Fassen  wir  alles  Bisherige 
zusammen,  so  machten  wir  die  Blascnnatur  der 
Flecke  zunächst  nach  logischen  Grundsätzen 
wahrscheinlich,  dann  zogen  wir  Folgerungen  in 
Bezug  auf  Bewegung  und  Vertheilung  der 
Blasen,  schlössen  dann  nebenbei  weiter  auf 
Vertheilung  und  Bewegung  des  Protuberanzen, 
und  alles  bisher  Wunderbare  in  den  Beobach- 
tungen scheint  sich  sehr  gut  mit  diesen  Folge- 
rungen zu  vertragen.  Dass  damit  unsere  Hypothese 
zu  einem  hohen  Grade  von  Wnhrseheinlichkeit  gelangt, 
brauche   ich  kaum  noch  zu  erwähnen. 

Viele  Beobachtungen,  denen  ich  eine  geringere  Be- 
deutung zusehreiben  möchte,  können  doch  nicht  ganz 
umgangen  werden.  Sie  mögen  mir  als  Reservetruppen 
zum  Befestigen  meiner  Stellung  dienen.  Ich  denke  liier 
an  die  Erscheinungsformen  kleiner  Blasen  mit  ihrem  un- 
deutlichen Rande,  an  ihr  Verschmelzen  zu  gr(isseren,  an 
die  Brücke,  welche  ich  als  senkrechte  Blasenscheidewand 
auffasse,  und  die  als  solche  auch  wohl  besonders  schöne 
Liehteffecte  darbieten  könnte,  lauter  Beobachtungen,  zu 
denen  sich  leicht  Analoga  bei  Blasen  auffinden  lassen. 
Die  Penumbra  mit  ihrer  radialen  Struetur  wird  vernuith- 
lich  durch  kranzförmige  Anlagerung  kleiner  Blasen  an 
eine  grosse  hervorgerufen. 

Ich  begebe  mich  jetzt  auf  etwas  unsicheres  Gebiet, 
wenn  ich  auch  die  Fackeln  in  den  Kreis  unserer  Betrach- 
tungen ziehe.  Könnten  diese  nicht  Reflexe  der  Gluth- 
masse  an  der  äusseren,  jedenfalls  spiegelnden  Blasenwand 
sein?  Das  Veränderliche  in  ihrer  Erscheinungsform,  ihr 
besonders  schönes  Auttreten  am  Sonnenrande,  ihre  häufit 


sternförmig  zackige  Ausbildung 


ihr  allmäligcs  Verkürzen 


am  vorderen  Fleckenrande  und  dazu  im  Gegensatz  ihr 
Waehsthum  am  hinteren  Fleekenrande,  sowie  zuletzt  ihre 
Lage  über  den  Flecken,  spricht  zu  Gunsten  meiner  An- 
nahme. Dagegen  ist  das  Vorkommen  von  Fackeln  in 
fieckcnlosen  Regi<inen  ein  Umstand,  der  zur  Vorsicht 
mahnt.  Da  die  Fackeln  meistens  am  Sonnenrande  schön 
auftreten  und  hier  vorzugsweise  beobachtet  werden,  so 
wäre  es  nicht  unnniglich,  dass  hier  eine  aufstrebende  Blase, 
die  aber  im  nächsten  Augenblick  platzen  wird,  Veran- 
lassung zur  Faekelbildung  böte.  Dann  müsste  aber  so- 
gleich eine  Protubcranz  sichtbar  werden,  die  wegen  ihres 
Zurückbleibens  in  der  INitationsrichtung  noch  soeben  zur 
Beobachtung  kommen  konnte.  Vielleicht  lohnt  es  sich, 
in  dieser  Richtung  einmal  Forschungen  anzustellen.  Uebri- 
gens  gilt  von  dieser  Fackelhypothese  dasselbe,  was  ich 
auch  von  der  in  den  Text  cingeHoehtenen  Hypothese  über 
Sonnenwellen  gesagt  habe.  Ihr  Fallen  erschüttert  die 
Blasenhypothese  nicht  sehr.  —  Gefährlicher  könnte  für 
letztere  die  Beobachtung  werden,  dass  die  Sonnentlceke 
eine  tiefe  Lage  zu  haben  scheinen;  wenn  ich  mich  aber 
durch  diesen  Umstand  zunächst  wenig  beunruhigt  fühle, 
so  kommt  das  v(m  der  Hoffnung,  hier  nnige  eine  optisrhc 
Täuschung,  wie  sie  bei  der  Blasennatur  der  Flecke 
leicht  unterlaufen  kann,  im  Spiele  sein. 

Zum  Schluss  mache  ich  nochmals  auf  die  ungeheuer- 
lichen, jeder  irdischen  Vorstellung  spottenden  Verliältnisse 
unseres  Sonnenkörpers  aufmerksam.  Führt  mau  sich  die- 
selben so  recht  vor  das  geistige  Auge,  so  wird  meine 
Hypothese  viel  von  ihrer  Unwahrseheinlichkeit  verlieren 
und  die  Einfachheit  der  Erklärung  sowie  die  Harmonie 
der  Folgernngi'n  mit  den  Thatsachen  müssen  solche  Vor- 
stellungssehwierigkeiten  siegreich  überwinden. 


58 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  6. 


lieber  freilebende  Papageien  in  der  Mark  Bran- 
denburg Ijcrichtet  der  Ornitliolo,i;e  Dr.  Karl  Kiiss  in  der 
„Geiicderten  Welt".  Freilebende  Papageien  wurden  auf 
der  Kgl.  Domäne  Karlshof  bei  Waltersdorf  beobachtet. 
Am  23.  November  des  vorigen  Jahres  suchte  R.  die  Stelle 
auf.  Die  ganze  Bewobnscliaft  des  Gutes  spähte  nach  den 
Vögeln  aus.  Aber  es  war  nicht  leicht,  die  scheuen  Fremd- 
linge aufzufinden  und  mit  Müsse  zu  schauen. 

Inzwischen  erzählte  der  Dberamtmann  Schmidt,  dass 
sich  die  Papageien  im  Juni  v.  J.  ganz  von  selber  einge- 
funden hätten;  es  seien  ihrer  drei  Köpfe.  x\us  seinen  An- 
gaben, vor  allem  aber  aus  der  Thatsaciie,  dass  die  Vögel 
ein  grosses,  rundes,  übcrvviUbtes  Nest  aus  Strauch  hoch 
oben  im  Wipfel  einer  italienischen  oder  Pyramiden-Pappel 
hergerichtet  hatten,  licss  sich  mit  Bestimmtheit  annehmen, 
dass  es  Mönchssittiche  aus  Südamerika  seien,  die  offen- 
bar einem  Vogelhäudler  oder  Liebhaber  fortgeflogen  waren. 
Gerade  diese  Art  ist  aber  in  mehrfacher  Hinsicht  merk- 
würdig, und  als  Gast  hier  in  unseren  Fluren  muss  sie  für 
jeden  Naturfreund  von  vornherein  als  überaus  interessant 
erscheinen. 

Während  alle  Papageien  fast  ohne  Ausnahme  Höhlen- 
brüter sind,  in  der  Freiheit  in  Astlöchern  oder  irgend 
welchen  anderen  ßaumliöidungen  und  in  unseren  Käfigen 
und  Vogelstuben  in  Nistkasten  brüten,  so  baut  dieser 
Sittich  ein  freistehendes  Nest  in  der  Form  einer  Kugel 
oder  eines  Cylinders.  Der  zu  den  Dickschnabelsittichen, 
einer  in  Amerika  lebenden  Gattung  der  Papageien,  ge- 
hörende Mönchssittich,  auch  Mäusesittich  oder  Quäker 
genannt,  ist  ein  hübscher  Vogel  von  Turteltaubengrösse, 
grün,  jedoch  an  Vorderkopf,  Gesicht,  Kehle  und  ül)cr- 
brust  perlgrau,  mit  blauen  Flügclspitzcn,  und  so  zierlich 
und  aumuthig,  dass  der  amerikanische  Naturforscher 
Azara  ihm  die  Bezeichnung  ,,junge  Wittwe"  beigelegt  hat. 
Im  Käfig  zeigt  C:  sich  als  einer  der  ärgsten  Nager  und 
Schreier,  weshalb  er  wenig  beliebt  ist.  Hier  in  der  Frei- 
heit tritt  er  uns  aber  ganz  anders  entgegen. 

Zwei  von  den  Sittichen  wurden  dann  von  Russ 
imd  Direktor  Dr.  Heck  am  Boden  umherlaufend  und 
nahrungsuchend  beobachtet.  Sie  Hessen  sich  bis  auf  etwa 
zwanzig  Schritt  ankonnnen;  dann  wurden  sie  flüchtig  und 
flogen  ziemlich  weit  davon  in  die  hohen  Bäume. 

Alle  Sittiche  sind  l)essere  Flieger  als  die  kurzflügeligen 
und  kurzschwänzigen  Papageien.  Der  Wellensittich  fliegt 
wie  andere  Sittiche  unglaublich  gewandt,  schnell  und  an- 
muthig.  Daher  glaubte  R.  voraussetzen  zu  dürfen,  dass 
auch  die  Mönchssittiche  hier  im  Freien  als  ebenso  vor- 
treffliche Flieger  sich  zeigen  würden  —  aber  er  hatte 
nicht  an  ihre  weit  kürzeren  Flügel  gedacht  und  war 
überrascht,  als  er  sie  nun  im  schwankendem  Fluge  dahin- 
segeln  sah. 

Glücklicherweise  sind  sie  indessen  trotzdem,  und  auch 
obwohl  ihr  Nest  hoch  oben  im  Wipfel  einer  der  Pappeln 
hängt,  dennoch  keineswegs  der  Gefahr,  durch  Raubvögel 
geschlagen  zu  werden,  zu  sehr  ausgesetzt. 

Die  nächste  Frage,  ob  die  Papageien  wohl  den  harten 
und  rauhen  Winter  unseres  Klimas  überdauern  könnten, 
muss  inanbetracht  dessen,  dass  die  Heimath  des  Mönchs- 
sittichs den  heissen  Tropen  angehört,  verneint  werden; 
aber  wir  sehen,  dass  zahlreiche  Vögel  und  andere  Haus- 
thiere,  die  uns  umgeben,  aus  heissen  Ländern  herstammen, 
so  vor  allem  der  Pfau,  urs])rünglich  auch  das  Haushuhn, 
der  Fasan  in  verschiedenen  Arten  u.  a.  m.  Da  der  Mönchs- 
sittich in  seiner  Heimath  in  Gebirgsstrichen  l)is  zu  1000 
Metern  Höhe  vorkommt,  so  ist  au  seiner  Fähigkeit,  bei 
uns  auszudauern,  keineswegs  zu  zweifeln.  Uebrigeus  ist 
er  bereits  mehrfach  in  den  zoologischen  Gärten,  auch  im 
Berliner,  im  Freien  überwintert  worden. 

Unsere  Liebhaber  und  ebenso  die  zoologischen  Gärten 


haben  den  Möncbssittich  auch  schon  mehrfach  gezüchtet, 
und  zwar  meistentheils  gleichfalls  in  Käfigen,  die  im 
Freien  standen. 

Auf  dem  Gute  Karlshof  ist  in  vorsorglicher  Weise 
zwischen  zwei  Bäumen  auf  dem  Wirthschaftshof  eine 
schwebende  Futterstelle  für  die  Sittiche  angebracht,  weil 
sonst  das  Federvieh  ihnen  die  Nahrung  innner  fortfressen 
würde.  Von  hier  aus  kamen  sie  schliesslich  zur  Pumpe 
herab  und  trippelten  trotz  des  recht  kalten  Wetters  ganz 
nuuiter  auf  dem  Eise  umher,  um  aus  der  Wasserrinne  zu 
trinken. 

In  seiner  Heimath  zeigt  sich  der  Mönchssittich  au 
nuuichcrlei  Nutzgewächsen,  insbesondere  am  Mais  und  an 
allerlei  (ietreide  überaus  schädlich,  so  dass  er  viel  ver- 
folgt und  getödtet  wird. 

Es  ist  nicht  allein  die  ^Möglichkeit  gegeben,  dass  die 
Mönchssittiche  sich  hier  erhalten,  sondern  es  eignen  sich 
dazu  auch  zweifellos  eine  beträchtliche  Anzahl  verschie- 
dener Arten,  wie  vor  allen  der  A\'ellensitticli,  sodann  Sing- 
sittich, Bunt-,  Pennantsittich,  sännntlich  von  Australien, 
sowie  ebendaher  auch  der  Nymphensittich  oder  richtiger 
Nymphenkakadu,  dann  der  Karolinasittich  von  Nordamerika 
und  noch  manche  andere.  Sie  alle  würden  hübsche  und 
abs(nulerliche  Schmuckvögel  bilden  und  nicht  leicht  schäd- 
lich, wohl  aber  in  mehrfacher  Hinsicht  nutzbar  werden 
können. 

Nachschrift:  Trotz  der  starken  Kälte  hatten  sich 
die  Sittiche  bis  zu  den  ersten  Tagen  des  Januar  vortreft'lich 
erhalten.  Dann  aber  ei'lagen  sie,  nicht  den  Witterungs- 
beschwerden, sondi'rn  den  Krähen,  welche  sich  zahlreich 
eingefunden  hatten  und  trotz  alier  Bemühungen  des  Ober- 
anitinanns  und  seiner  Leute  die  Papageien  Itestäudig  ver- 
iblgten,  in  ihrem  Nest  förmlich  belagerten  und  zum  Unter- 
gang brachten.  Ein  Sittich  wurde,  von  einer  Krähe  am 
Hinterkopf  gestossen,  todt  aufgefunden.  Der  zweite  war 
matt  gejagt,  wurde  eingefangen  und  in  einen  Käfig  ge- 
steckt und  der  dritte  ist  verschwunden.  Dr.  K.  R. 


FoUiculites  eine  fossile  Anacardiaceen-Gattung.  — 

Endlich  lüftet  sich  der  Schleier  über  die  .systematische 
Zugehiirigkeit  der  Gattung  FoUiculites  Zenker*),  welche 
die  Pflanzenpalaeontologen  und  Botaniker  seit  Anfang 
dieses  Jahrhunderts  von  Zeit  zu  Zeit  immer  wieder  ver- 
geblich unterzubringen  versucht  haben. 

Herr  Prof.  P.  Aschcrson  war  so  gütig,  mir  Früchte 
der  Anacardiaceen-Gattung  Pistacia  zur  Untersuchung  zu 
übersenden  mit  der  Bemerkung:  „Beifolgende  Früchte  und 
Samen  von  Pistacia  vera  waren  das  übject,  das  ich  in 
Bezug  auf  FoUiculites  im  Auge  hatte.  Meine  Hoffnung 
wurde  aber  sehr  herabgestimmt,  da  sich  keine  Carunkel 
findet,  dafür  aber  ein  mächtiger  Funiculus.  Die  Grösse 
würde  wohl  aber  nicht  hindern,  da  die  wilde  Pistacia 
sicher  viel  kleinere  Früchte  hat.  Merkwürdig,  dass  sich 
diese  Form  der  Frucht  bei  keiner  andern  Art  findet; 
diese  haben  alle  kugelige,  viel  kleinere  Drupae." 

Der  .,mäclitige  Funiculus"  ist  nun  aber  nach  meiner 
Untersuchung  nichts  anderes  als  die  von  nur  ni  der  De- 
cember  Sitzung  der  Gesellschaft  naturforschender  Freunde 
zu  Berlin  beschriebene  (vergl.  Sitzungsberichte  genannter 
Gesellsch.  1892)  „Caruncula"  **)  bei  der  Gattimg  FoUicu- 
lites, und  auch  in  allen  übrigen  Punkten  stimmt  FoUicu- 
lites mit  den  Pistacien-Frücliten  derartig  überraschend 
überein,  dass  ich  die  Gattung  FoUiculites  —  wenn  auch 
aus  einem  bestimmten  Grunde  nicht  zu  Pistacia  selbst  — 


*)  Vergl.   „Xaturw.  Wochenschr."  Bd.  VII    S.  519—520. 
**)  Vou  Herrn  Prof.  Nehring  in  der  „Naturw.  Wochenschr." 
Bd.  VII  S.  4.56    in    Ermangelung    einer    Deutung    dieses    Organcs 
naeli  seiner  Form  einfach  als  ,.ilütciien"  angegeben. 


Nr.  .6 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


DU 


so  doch  zu  den  Anaeardiaceen  stellen  niuss.  Eine  aus- 
führliche Beg-rUndung-,  werde  ich  im  Neuen  Jahrbuch  für 
Mineralogie,  Geologie  und  Palaeontologie  bringen  und 
auch  in  der  „Natunv.  Wochcnschr.'-  ausführlicheres  mit- 
thcilen  uud  zwar  bei  Gelegenheit  der  Besprechung  der 
neueren  Veröffentlichungen  der  Herreu  Credner,  Keilliack, 
Nehriug,  Schröder  uud  Wahnschaffe  über  die  geologische 
Stellung  der  diluvialen  ..Kiinger  Schichten",  die  nun 
schon  so  viel  Stauli  aufgewirbelt  hat.  Der  freundliche 
Leser,  der  die  in  IJand  \ll  der  ,,Naturw.  Woehenschr." 
veröffentlichten  Original-Mittheiluugen  des  Herrn  l'rof. 
Nchring  über  das  Torflager  der  erwähnten  Schichten  und 
über  die  Flora  derselben  verfolgt  hat,  weiss,  dass  Folli- 
culites  (^=  Paradoxocarpus  Nchring)  in  diesem  Torflager 
das  merkwürdigste  Fossil  ist.  Nur  soviel  will  ich  schon 
hier  bemerken:  Ich  bin  in  der  Lage  gewesen,  von  dem 
Bau  der  Folliculites  (iucl.  Paradoxocarpus)  genannten 
Früchte  für  fossile  Objecte  verhältnissmässig  viel  heraus- 
l)ringen  zu  können.  Alle  Daten  passen  mit  deujenigcn, 
die  wir  au  recenten  Anacardiaceen-Früchten  finden,  zu- 
sammen: kein  einziger  Punkt  bietet  einen  Wider- 
spruch.    H.  Potouie. 

Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben. 

Es  wurden  ernannt  rosp.  berufen:  Der  Stabsarzt  Dr.  Beh- 
ring, Bataillons  -  Arzt  im  Infanterie  -  Regiment  Graf  Werder 
(-1.  Rlieinisehes)  No.  30,  connnandirt  als  wissenschaftlicher  Assistent 
zum  Institut  für  Infectiouskrankheiten   zu  Berlin,   zum  Professor. 

—  Der  ausserordentliche  Professor  der  Botanik  Dr.  ültmanns 
in  Rostock  zum  ordentlichen  Professor  der  Botanik  und  Pliarma- 
kognosie  in  Frcibur";  i.  B.  —  Stabsarzt  Dr.  Brieger  vom  Institut 
für  Infectionskrankheiten  in  Berlin  zum  Professor.  —  Privat- 
docent  Dr.  Julius  Ge  p  pert  in  Bonn,  früher  Assistent  an  der 
Leyden'schen  Klinik  in  Berlin,  zum  ausserordentlichen  Professor 
für  Arzneimittellelire.  --  Dr.  K.  Bachmann  zum  ordentlichen 
Professor  der  Pharmacie  an  der  Universität  Erlangen.  —  Dr. 
Ludwig  Becker  zum  Professor  der  Astronomie  an  der  Universität 
Glasgow.  —  Privatdocent  an  der  Universität  Leipzig  Dr.  P.  H. 
Fraisse  zum  ausserordentlichen  Professor  der  Zoologie.—  Der 
Privatdocent  der  Anatomie  Dr.  L.  0.  Dark  sehe  witsch  zum 
ausserordentlichen  Professor  an  der  Universität  Moskau.  —  Dr.  med. 
B.  F.  Merigo  zum  Docenten  der  Physiologie  an  der  Militär- 
Medicin.-Akademie  zu  St.  Petersburg.  —  Bei  dem  Kaiserlichen 
Patentamt  zum  technischen  Hilfsarbeiter  der  Chemiker  Dr.  Hegel. 

—  Privatdocent  Dr.  Götz  Martins  in  Bonn  zum  ausserordent- 
lichen Professor  der  Pliilosujihie. 

Es  haben  sich  habilitirt:  Dr.  E.  Bloch  als  Privatdocent  für 
Ohrenkrankheiten  an  der  Universität  zu  Freiburg  i.  B.  —  Dr. 
M.  Siegfried  als  Privatdocent  für  Chemie  in  Leipzig. 

Es  sind  gestorben:  Der  friUiere  Präsident  des  Torrey  Botani- 
cal  Club  zu  New-York  Dr.  John  Streng  Newberry  in  New- 
Haven  (Connecticut).  —  Landgerichtspräsident  a.  D.  F.  Peck  in 
(Görlitz,  der  als  Florist  den  Botanikern  bekannt  geworden  ist.  — 
Paul  Heinrich  Zech,  vormals  Professor  der  Physik,  Meteo- 
rologie und  Astronomie  an  dem  Polvtechnicum  zu  Stuttgart.  — 
Der  Psvchiater  Dr.  August  Eickhiilt,  Director  der  rheinischen 
Provinzial-Irren-Anstalt  in  Grafenberg.  —  Der  Kliniker  Professor 
Otto  Kahler  in  Wien.  —  Der  ehemalige  Professor  und  General- 
directordesMedicinalwesens,  Staatsratli  Felix  v.  Willebrand  in 
Helsingfors.  —  Der  ehemalige  Kliniker  Professor  Hardy  in  Paris. 

—  Der  Professor  der  Chirurgie  Axel  Iversen  in  Kopenliagen.  — 
Der  Anthropolog  Geh.  Rath  Professor  H.  Scha  af  fhausen  von 
der  Universität  Bonn.  

L  1 1 1  e  r  a  t  u  r. 

Regel,  F..  Thüringen.  Ein  geographisches  Handbuch  Erster 
Theil:  Das  Land.  1.  Grenzen.  2.  Bodengestalt  und  Gewässer. 
3.  Schichtenaufbau  u.  Entstehungsgeschichte.  4.  Klima.  —  Mit 
einer  geologischen  Karte  (Tafel  I),  drei  grösseren  geologischen 
Profilen  (Tafel  II)  und  40  Textabbildungen.  Jena,  Verlag  von 
Gustav  Fischer  1892.     8°.  —  Preis  8  Mk. 

Aus  der  im  Titel  gemachten  Inhaltsangabe  des  ersten  Theds 
und  aus  der  Ankündigung  des  Vorwortes,  dass  der  zweite  Theil 
die  Pflanzen-  und  Thierverbreitung,  sowie  die  Anthropogeographie 
bringen  solle,  geht  liervor,  dass  wir  es  hier  mit  einer  natur- 
geschichtlichcn  Behandlung  der  Geographie  Thüringens 
zu  thun  haben,  und  zwar  des  gesammten  Thüringens.  Das  Buch 
will  die  speciellen  Heimathskunden,  die  von  einzelnen  thüringischen 


Staaten  bestehen,  keineswegs  überflüssig  machen,  sondern  will 
sie  erweitern,  ihnen  einen  allgemeineren  Hintergrund  geben 
und  ein  tieferes  Verständniss  für  den  inneren  Zu.sammenhang 
der  einzelnen  dort  verzeichneten  Thatsachen  erwecken.  Und  es 
dürfte  dieses  vorgesteckte  Ziel  wohl  erreichen  und  wird  darum 
im  weiteren  Kreise  der  Gebildeten,  besonders  der  Lehrer,  und 
nicht  bloss  in  Thüringen,  sondern  bei  allen,  die  Interesse  für 
dieses  schöne  Land  haben,  willkommen  geheissen  werden.  Aber 
nicht  minder  wird  es  sich  unter  den  Spezialforschern  dankbare 
Freunde  erwerben;  denn,  wenn  der  Verfasser  auch  nur  wenige 
eigene  Beobachtungen  bringt,  so  liat  er  doch,  das  kann  wohl  be- 
hauptet werden,  alles  Einschlägige,  was  jemals  über  Thüringen 
geschrieben  worden  ist,  mit  grossem  Fleisse  zusannnengetragen 
und  im  vorliegenden  Buche  wohlgesichtet  verarbeitet  und  dabei 
gewissenhaft  in  grosser  Vollständigkeit  seine  Quellen,  die  für 
Viide  z.  Th.  schwer  zugänglich  oder  wenig  bekannt  waren,  jedes- 
mal in  den  Anmerkungen  'namhaft  gemacht,  ohne  dass  übrigens 
der  Text,  unter  dem  Drucke  derselben  leidet.  Die  Fülle  des  zu 
verarbeitenden  Materiales  hat  es  allerdings,  besonders  im  geolo- 
gischen Abschnitte,  mehrfach  mit  sich  gebracht,  dass  gewisse 
Gegenstände,  die  für  den  Si)ezialisteu  von  grossem  Interesse  und 
darum  in  der  Litteratur  ausfidu-lich  behandelt  sind,  doch  in  einer 
für  ein  Geographiebuch  vielleicht  zu  breiten  Weise  wiedergegeben 
wurden,  während  einige  allgemeinere  Gesichtspunkte,  über  die 
nur  erst  spärliche  Litteratur  vorlag,  verhältnissmässig  zu  kurz 
weggekommen  sind.  —  Uclier  den  Inhalt  mögen  folgende  Angaben 
kurz  Orientiren.  Die  ersten  Kapitel  behandeln  die  Grenzen 
Tlüiringens  im  Verlauf  der  Geschichte  und  begründen  die  im 
Buche  angenommene  Begrenzung  (danach  sind  von  zweifelhaften 
Grenzgebieten  berücksichtigt  das  Eichsfeld  bis  zur  Göttmger 
Senke,  der  bavrische  Frankenwald  bis  zum  Münchljerger  Gneiss- 
gebiet, und  „Östthüringcn"  im  Sinne  Liebes,  ausgescldossen  sind 
aber  Rhön,  gewisse  südliche  Theile  von  Coburg  und  Memingen 
und  die  Mansfelder  Generalmulde,  ohne  jedoch  ganz  vernach- 
lä.ssint  zu  werden).  Alsdann  folgt  eine  orographische  Uebersicht 
mit  einer  Gliederung  des  Gebiete.s  in  den  gebirgigen  Kern,  be- 
stellend aus  Thüringer-  und  Franken wald,  Fichtelgebirgsvorbergen 
und  Vogtländischem  Bergland,  in  das  südwestliche  oder  fränkische 
und  in  das  nördliche  oder  thüringische  Vorland,  letzteres  gegliedert 
in  die  thüringische  Hochebene  mit  den  Erhebungen  in  ihrem  In- 
nern, in  die  randlichen  Vorstufen  dieser  Hochebene  und  in  den 
Antheil  Thüringens  an  der  sächsisch-thüringischen  Tieflandsbucht; 
den  Schluss  bildet  ein  zusammenhängender  Ueberblick  der  Ge- 
wässer im  thüringischen  Hügelland. 

Der  dritte  Hauptabschnitt,  der  geologische,  ist  der  umfang- 
reichste; er  umfasst  die  Seiten  88-31'2,  und  ist  nach  H.  Credners 
vor  fast  40  Jahren  verfassten  Schriften  über  Thüringen  die  erste 
auf  die  neuen  Spezialforsehungen  gegründete  Gesammtdarstellung 
dieses  Landes.  (Leider  sind  gerade  die  Resultate  der  erst  jetzt 
im  Gesammtüberbliek  abgeschlossenen  Spezialaufnahmen  des 
Thüringer  Waldes  noch  nicht  publicirt  uud  konnten  darum  vom 
Verfasser  nicht  mit  verarbeitet  werden,  doch  hat  er  versprochen, 
sie  wenn  möglich  als  Anhang  zum  2.  Theile  seines  Buches  im 
nächsten  Jahre  zu  liring.'n).  Nach  einer  geschichtlichen  Ueber- 
sicht über  die  geologische  Erforschung  Thüringens  werden  zunächst 
die  einzelnen  Formationen  nach  Verbreitung,  Zusammensetzung, 
Gliederung,  Versteinerungsführung  und  technischer  Bedeutung  be- 
sprochen und  daran  die  Beschreibung  und  Angalie  der  Verbreitung 
der  Eruptivgesteine  und  der  Gänge  und  Lager  technisch  wichtiger 
Erze  und  Mineralien  geknüpft.  Die  sehr  eingehende  Behandlung 
und  Reichhaltigkeit  des  folgenden  Abschnittes  „Entstehungsge- 
schichte und  Gebirgsbau"  mögen  die  Kapitelülierschriften  an- 
deuten. Kap.  13:  Ablagerungszeit  der  archäischen  und  altpaläo- 
zoischen Schichten;  Kap.  14:  Entstehung  der  „mitteldeutschen 
Alpen";  15:  Abtragung  der  mitteldeutschen  Alpen;  Bildung  des 
Kuppengebirges  in  "der  Rothliogendzeit;  lü:  Die  Abhigerungszeit 
vorwiegend  mariner  Schichten  vom  Zechstein  bis  zur  jüngeren 
mesozoischen  Epoche;  17  bis  20  die  neuere  Festlandsperiode; 
Ueberblick.  Gebirgsbau  des  Thüringer-  und  Frankenwaldes  und 
Vogtländischen  Berglandes,  —  des  südlichen  fränkisclien  Senkungs- 
feldes, —  des  nördlichen,  thüringischen  Senkungsfeldes  und  der 
einzelnen  Störungszonen  in  beiden  Feldern;  21:  die  jüngere  Ter- 
tiärzeit und  die  Quartärperiode;  22:  die  Ausgestaltung  der  heu- 
tigen Flussläufe;  23:  die  Fortdauer  der  gebirgsl)ildenden  Kräfte. 
—  Der  4.  Hauptabsclinitt  (S.  313—396)  ist  dein  Klima  gewidmet 
und  enthält  die  Kapitel  24:  Temperaturverhältnisse;  i5:  Hydro- 
nieteore;  26:  Luftdruck  und  Winde;  27:  Phänolofjische  Beobach- 
tungen. ~  Dem  Text,  besonders  im  geologischen  Theile,  sind  eine 
Reihe  von  Profilen  und  Landschafts'bildern  in  Zinkätzungen  bei- 
gefügt, der  klimatische  Theil  ist  durch  viele,  vom  Verfasser  ein- 
heitlich umgerechnete  Tabellen  unterstützt.  Einen  besonderen 
Werth  aber  erhält  für  sehr  Viele  das  Buch  (hulurch,  dass  ihm 
eine  aus  den  neuesten  jiublicirten  Karten  sorgfältig  zusammen- 
gestellte geologische  Karte,  seit  langer  Zeit  wieder  die  erste  des 
Gesamnitgebietes  (im  Maassstab  1  :  41,i000'i  beigegeben  ist,  welche 
obwohl  nicht  bunt,  sond.'rn  als  Photolithograjdiie  in  Schwarzdruck 


60 


Naturwissciiscliaftlielie  Wochenschrift. 


Nr.  6. 


hergestellt,  nicht  weniger  als  36  verschiedene  Formationsglieder 
und  Eruptivgesteinsarten  in  einer  doch  unerwartet  deutlichen  und 
übersichtlichen  Weise  zur  Anschauung  bringt.  Drei  grössere 
Profile  (eines  quer  über  den  ThüringerwaUl  von  der  oberen 
Werra  bis  zum  Mansfelder  Hügelland,  ein  zweites  entlang  dem 
Kamm  des  Thüringerwaldes  von  der  unteren  Werra  bis  zur 
Saalequelle  im  Fichtelgebirge,  endlich  ein  drittes  von  Duderstadt 
im  Eichsfeld  mitten  durch  das  Thüringer  Becken  bis  nach  Greiz 
an  der  Elster)  geben,  obwohl  ebenfalls  in  Schwarzdruck  ausge- 
führt, doch  ein  ebenfalls  deutliches,  gewiss  erwünschtes  lieber- 
sichtsbild  über  den  inneren  Bau  des  Landes. 

Trotz  kleiner  Fehler  können  wir  demnach  das  Buch  als  eine 
fleissige  und  übersichtliche  Zusammenfassung  unserer  gegenwär- 
tigen Kenntnisse  über  Thüringen  und  wegen  seiner  reichhaltigen 
Quellenangaben  allen  Interessenten  nur  empfehlen. 

Dr.  E.  Zimmermann. 


F.  V.  Tavel,  Vergleichende  Morphologie  der  Pilze.  Mit  90  Holz- 
schnitten.    -20^  S.  8".     .lena,  U.  Fischer.   1892.  —  Preis  6  Mk. 

Schon  wiederholt  war  in  der  „Naturw.  Wochens."  (Bd.  IV,  97, 
VII,  369)  von  den  Brefeld'schen  Untersuchungen  die  Rede  und  es 
wurden  die  für  die  Mycologie  und  gesammte  übrige  Botanik  so 
wichtigen  Resultate  eingehend  dargestellt.  Das  vorliegende  Buch 
giebt  nun  einen  Auszug  aus  den  10  Heften  der  Brefeld'schen 
,,Unter.suchungen  aus  dem  Gesammtgebiet  der  Mycologie"  unter 
Berücksichtigung  aller  übrigen  morphologischen  Arbeiten. 

Es  ist  ein  grosses  Verdienst,  das  sich  Verfasser  dadurch  er- 
worben hat,  dass  er  die  schwer  zugänglichen  Schriften  Brefeld's 
auch  dem  minder  als  Mycologen  ausgcbildi'ten  Botaniker  er- 
schlossen hat.  Das  vor  2  Jahren  erschienene  Lehrbuch  von  Zopf 
sucht  noch  zwischen  dem  alten  De  Bary'schen  Standpunkt  und 
dem  neuen  von  Brefeld  zu  vermitteln,  sehr  zu  Ungunsten  des 
Buches,  während  das  vorliegende  mit  den  älteren  Anschauungen 
völlig  bricht  und  otfen  die  neue  Lehre  bekennt.  Für  die  Fort- 
entwicklung der  Mycologie  wird  das  Buch  von  grossem  Segen  sein. 

Ein  näheres  Eingehen  auf  den  Inhalt  verbietet  sich  von 
selbst,  und  es  sei  deshalb  auf  die  erwähnten  .Aufsätze  in  dieser 
Zeitschrift  verwiesen.  Ganz  besonders  will  ich  nur  auf  die  Ein- 
leitung, welche  die  Verwandtschaft  der  Pilze  mit  den  Algen  und 
auf  die  letzten  Capitel,  welche  das  natürliche  System  der  Faden- 
jjilze  behandeln,  hinweisen.  Die  Figuren,  welche  dem  Buche  bei 
gegeben  sind,  scheinen  mir  sämmtlich  gut  gewählt  und  sind  von 
hervorragend   guter  Ausführung.  Lindau. 


G.  Pizzighelli,  Handbuch  der  Photographie.    2.  Aufl.  Halle  a.  S. 

Verlag  von  Willi.  Knapp,  1892.  —  Band  11.    Die  photographischen 

Prozesse.      Mit    207    Abbildungen.      Preis  8  Mk.    —    Band   III. 

Die   Anwendungen    der    Photographie.     Mit    284    Abbildungen. 

Preis  8  Mk. 

Mit  den  vorliegenden  beiden  umfangreichen  Bänden  findet 
das  grosse,  vornehmlich  für  Amateure  und  Touristen  bestimmte 
Werk  des  bekannten  Photochemikers  Pizzighelli  seinen  Abschluss. 
In  Band  II  werden  mit  grosser  Ausführlichkeit  nach  einander  der 
Negativprozess,  der  Positivprozess,  die  photographische  Retouche 
und  die  Mittel  zur  Bestimmung  der  Belichtungsdauer  dargestellt. 
Bei  den  verschiedenen  chemischen  Prozessen  werden  nicht  nur 
die  Rezepte  zur  Bereitung  aller  der  zahlreichen,  gebräuchlichen 
Bäder,  Platten,  Papiere  u.  s.  w.  gegeben,  sondern  es  ist  auch 
jedem  Abschnitt  eine  Zusammenstellung  der  bei  dem  betr.  Ver- 
fahren möglichen  Fehler  nebst  Angaben  zu  ihrer  Abhilfe,  sowie 
eine  Belehrung  über  die  beste  Verwerthung  der  vielfach  durchaus 
noch  brauchbaren  Abfälle  angefügt.  Zur  Erleichterung  der  |Be- 
Stimmung  der  günstigsten  Expositionsdauer  sind  eine  Anzahl  von 
Zahlentabellen  gegeben,  deren  Nützlichkeit  zu  prüfen  eine  längere 
Erfahrung  erfordern  würde.  Doch  darf  man  wohl  gerade  hierin 
den  Lehren  des  Autors,  die  off'enbar  den  Niederschlag  aus  einer 
umfangreichen  Praxis  darstellen,  festes  Vertrauen  entgegenbringen. 
Der  Inhalt  des  reich  illustrirten  dritten  Bandes  ist  ein 
ausserordeutlich  reicher.  Auf  die  Besprechung  der  Aufnahmen 
von  Landschaften,  Architekturen,  Interieurs,  Personen,  Kunst- 
werken folgt  eine  Darstellung  der  mannigfachen  wissenschaftlichen 
Anwendungen  der  Photographie  in  ihren  wichtigsten  Ergebnissen. 
Der  Leser  gewinnt  einen  Einblick  in  die  sog.  Photogrammetrie 
oder  Bildmesskunst,  die  für  Geographen  von  hoher  Bedeutung  ist. 
er  erfährt  von  dem  grossen  Nutzen,  welchen  die  Photographie 
der  Rechtspflege    gewährt;    die   Anwendungen    der  Photographie 


in  Phvsik,  Astronomie  und  Meteorologie,  Aeronautik  und  Natur- 
beschreibung werden  in  knapper  Form,  aber  doch  mit  erfreulicher 
Vollständigkeit  vorgeführt.  Dieser  abwechslungsreiche  Inhalt 
wird  sicherlich  jedem  Leser  eine  hochinteressante  Lektüre  bieten 
•und  eine  richtige  Würdigung  der  Bedeutung  der  Photographie 
für  die  heutige  Civilisation  ermöglichen.  Kbr. 


Ornithologische  Monatsberichte  betitelt  sich  eine  neue,  von 
Dr.  Ant.  Reich  enow  herausgegebene  Zeitschrift,  deren  erste 
Nummer  im  Januar  erschienen  ist.  Der  Preis  des  Jahrgangs  be- 
trägt 6  Mk.  Den  Verlag  hat  R.  Friedländer  &  Sohn  in  Berlin 
übernommen.  Die  neue  Zeitschrift  will  über  alle  Vorgänge  auf 
dem  Gebiete  der  Vogelkunde,  insbesondere  ausführlich  und  schnell 
über  die  neu  erscheinende  Litteratur  berichten,  eine  schnelle 
Veröfi'entlichung  neuer  Beobachtungen  und  Untersuchungen  in 
Form  kurzer  Artikel  ermöglichen  und  den  Verkehr  unter  den 
Ornithologen  vermitteln,  somit  die  bestehenden,  in  längeren 
Zwischenräumen  erscheinenden  ornithologischen  Zeitschrifteu  er- 
gänzen. 

Die  incl.  einiger  Inserate  20  S.  in  Octav  umfassende  No.  1 
enthält:  W.  Hartwig,  Der  Girlitz  (Serinus  hortulanus  Koch), 
seine  gegenwärtige  Verbreitung  in  Mittel-  und  Norddeutschland 
und  sein  allmäliges  Vordringen  polwärts;  A.  v.  Homeyer,  Neu- 
Vorpommern  und  Rügen  vor  50  Jahren  und  jetzt;  Ad.  Walter, 
Sonderbarer  Nistplatz  einer  Amsel;  H.  v.  Berlepsch,  Diagnosen 
neuer  südamerikanischer  Vogelarten;  A.  B.  Meyer  und  L.  W. 
Wiglesworth,  Leucotreron  Fischeri  meridionalis  nov.  subsp. 
Ferner  Notizen,  Litteratur,  Nachrichten  und  einen  „Verkehr" 
überschriebenen  Abschnitt,  der  dazu  bestimmt  ist,  den  persön- 
lichen Verkehr  unter  den  Ornithologen  zu  vermitteln. 


Heerwagen,  F.,  Ueber  eine  neue  Methode  zur  Messung  der  Die- 
lectricitätsconstanten  von  Flüssigkeiten.     Dorpat.     1  M. 

Hertwig,  O.,  Aeltere  und  neuere  Entwickelungs-Theorien.  Rede. 
Berlin.     1  M. 

— .  — ,  Iiie  Zelle  und.  die  Gewebe.     Jena.     8  M. 

Hoffmann,  F.  A.,  Lehrbuch  der  Constitutionskrankbeiten.  Stutt- 
gart.    10  M. 

Hofmann,  E.  R.  v.,  Lehrbuch  der  gerichtlichen  Medecin.  Wien 
10  M. 

Kafka,  J.,  Untersuchungen  über  die  Fauna  der  Gewässer  Böhmens. 
II.    Die  Fauna  der  böhmischen  Teiche.     Prag.     2,40  M. 

Karte  geologische,  von  Preussen  und  den  Thüringischen  Staaten. 
1  :  25,1  iOO.    Grad-Abth.  70,  Nr.  IT.  Stadt  lim.  —   18  Stadt  Remda. 

—  23.  Königsee.  —  24,  Schwai-zbui-g.  —  29.  Gross-Breitenbach. 

—  30.  Gräfenthal.     Berlin,    ä  2  M. 

Kayser,  H.,  u.  C.  Runge,  Ueber  die  Spectren  der  Elemente. 
Berlin.     2  M. 

Knorre,  V.,  Ueber  ein  neues  mikrometrisches  Beobachtungsver- 
fahren.    Berlin. 

— . — ,  Doppelstern-Beobachtungen.     Ebd. 

Kohl,  F.  F.,  Neue  Hymenopterenformen.     Wien.     4  M. 

Kolbe,  B.,   Einführung  in   die  Elektricitätslehre.     Berlin.     3,20  M. 

Koebel,  K.,  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Crustaceen  der  Canarischen 
Inseln.     Wien.     1,60  .AI. 

— . — .  Ein  neuer  ostasiatischer  Flusskrebs.     Leipzig.     0,50  M. 

Koenen,  A.  von.  Das  norddeutsche  Unter-Oligocän  und  seine 
AIoUuskeu-Fauna.     Berlin. 

Koepert,  O.,  Der  Star  (Sturnus  vulgaris  L.)  in  volkswirthschaft- 
liclier  und  biologischer  Beziehung.     Altenburg.     1,80  M. 

Kraepelin,  K.,  Die  deutschen  Süsswasser-Polypen.  Hamburg. 
9  AI. 

Landois,  L.,  Lehrbuch  der  Physiologie  des  Menschen  einschlie.sslich 
der   Histologie   und   mikroskopischen   Anatomie.     Wien.     10  M. 

Lindau,  Vorstudien  zu  einer  Pilzflora  Westfalens.  Münster.    1,.')0M. 

Lohrmann,  W.  G.,  Mondkarte  in  25  Sectionen  und  2  Erläuterungs- 
tafeln.    Leipzig.     25  M. 

Messtischblätter  des  Preussischen  Staates.  1  :  25,000.  Nr.  923. 
Langwarden.  —  967.  Labes.  —  1019.  Eckwarden.  —  1410.  Dölitz. 

—  1412.  Selluow.  —  1491.  Grauow.  —  1493.  Bernsee.  —  1845. 
Sonnenburg.  —  2193.  Unruhstadt.  —  2268.  Storchnest.  Berlin. 
k  1   M. 

Meynert,   Th.,    Neue    Studien    über    die    Associationsbündel    des 

Hirnmantels.     Leipzig.     1,40  M. 
Mohn,    H.,    u.    F.   Nansen,    AA'issenschaftliche    Ergebnisse    von 

F.  Nansen's  Durchquerung  von  Grönland.     Gotha. 


Inhalt:  Baron  H.  Eggers:  In  der  Heinuith  des  Cacao.  —  Realschullehrer  K.  Friedrichs:  Kurze  Darstellung  einer  Hypothese 
über  Sonuenflecken.  (Mit  Abbild.)  —  Ueber  freilebende  Papageien  in  der  Alark  Brandenburg.  —  Folliculites  eine  fossile 
Anacardiaceen-Gattung.  —  Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben.  —  Litferafur:  Regel,  Dr.  F.:  Thüringen.  Ein  geographisches 
Handbuch.  —  F.  v.  Tafel:  A'ergleichende  Alorphologie  der  Pilze.  —  G.  Pizzighelli:  Handbuch  der  Photographie.  —  Orni- 
thologische Monatsberichte.  —  Liste. 

Verantwortlicher  Redakteur:  Dr.  Henry  Potoni^,  Berlin  N.  4.,  Invalidenstr.  40/41,  für  den  InseratentheU:  Hugo  Bernstein  in  Berlin.  — 
Verlag:  Ford.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12.  —  Druck:  G.  Bernstein,  Berlin  SW.  12. 


Nv.  fi. 


Nalni-\vissciiscliaf'tlic'lie  Wocliciiselirift. 


XI 


♦  Dr.  Robert  Muencke  | 

♦  Luisi'iistr.  58.       BERLIN  NW.       Liiiseiistr.  58.      ♦ 

♦  ♦ 

♦  Tecliiiisches    Institut    für    Aufertigaiio;   wisseiiscliaftliclier    Appara:e*j 
J     und  fieräthschaften  im  Gesamintgebiete  der  Naturwissenschattcii.      * 
«♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦«♦♦♦ 


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Geflügel-Fleisch- 1~ 

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Heft  1. 

9 

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r,        3. 

„     4. 

r         Ö. 

,.     8. 
„     9. 


Ueber   den   sogenannten  vierdimensionalen   Raum 

von  Dr.  V.  Schlegel. 

Das  Rechnen  an  den  Fingern  und  Maschinen  von 

Prol.   Dr.   A.  .Seliuljert. 

Die  Bedeutung  der  naturhistorischen,  insonderheit 

der  zoologischen  Museen  von  Professor  Dr.  Karl 

Kraepelin. 

Anleitung    zu    blütenbiologischen    Beobachtungen 

von  Prof.  Dr.  E.  Loew. 

Das  „glaziale"  Dwykakonglomerat  Südafrikas  von 

Dr.  F.  M.  Stapft". 

Die  Bakterien  und  die  Art  ihrer  Untersuchung  von 

Dr.  Kob.  Mittmann.     Mit  8  Holzschnitten. 

Die  systematische  Zugehörigkeit  der  versteinerten 

Hölzer  (vom  Typus  Araucarioxylon)  in  den  palaeo- 

litischen  Formationen  von  Dr.  11.  Potouie.     Mit 

1  Tafel. 

Ueber  die  wichtigen  Funktionen  der  Wanderzellen 

im    thierischen    Körper    von    Dr.    E.    Korscheit. 

Mit  10  Holzschnitten. 

Ueber  die  Meeresprovinzen  der  Vorzeit  von  Dr. 

F.  Frech.     Mit  Abbildungen  und  Karten. 


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Heft  10.    Ueber  Laubfärbungen  von  L.  Kny.    Mit  7  Holz- 
schnitten. 

„  11.  Ueber  das  Causalitätsprincip  der  Naturerschei- 
nungen mit  Bezugnahme  auf  du  Bois-Reymonds 
Rede:  „Die  sieben  Welträthsel"  von  Dr.  Eugen 
Dreher. 

„  12.  Das  Räthsel  des  Hypnotismus  von  Dr.  Karl  Friedr. 
Jordan. 

„  13.  Die  pflanzengeographische  Anlage  im  Kgl.  bota- 
nischen Garten  zu  Berlin  von  Dr.  11.  Potonie. 
Mit  -2  Tafeln. 

„     14.    Untersuchungen  über  das  Ranzigwerden  der  Fette 

von  Dr.  Ed.  liitsert. 

„  15.  Die  Urvierfüssler  (Eotetrapoda)  des  sächsischen 
Rothliegenden  von  Prof.  Dr.  Hermann  Credner 
in  Eeipzig,     Mit  vielen  Abbildungen. 

„     IG.    Das  Sturmwarnungswesen  an  den  Deutschen  Küsten 

von  Prof.  Dr.  W.  J.  van  Bebber.    Mit    i  Tafel 
und  5  Holzschnitten. 


Preis:    Heft  1-4  ä  50  Pf..  Heft  5—16  a  1  M. 


V**>-  vi^^"^"^^     Redaktion:  f         Dr.  H.  Potonie. 

Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12,  Zimmerstr.  94. 


VIII.  Band.               Sonntag,  den 

12. 

Februar  1893. 

Nr.  7. 

Abonnement:  Man  abonnirt  bei  allen  BuclihandluDgen  und  Po3t- 

austalten,  wie  bei  der  Expedition.    Der  Vierteljahrspreis  ist  Jt  3.— 

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sprechenden Rabatt.  Beilagen  nach  Uebereinkunft.  Inseratenannahme 
bei  allen  Annocenbureaux,  wie  bei  der  Expedition. 

Abdrnck  ist  nur  mit  vollstäiidi 

ger  <^nellenanj>;abc  gestattet. 

Die  Geologie,  eine  Lehrmeisterin  des  19.  Jahriiunderts. 


Von  Dr.  Georg  Meyer, 


Geognosie  und  Geologie*)  wurden  geboren  im  .Jahre 
1780,  in  welclicm  der  berühmte  Werner  an  der  Bergakade- 
mie zu  Freiberg  in  Sachsen  zum  ersten  Male  Vorträge 
über  „Geoguosie"  oder  Gebirgskunde  hielt,  während  diese 
bis  dahin  zusammen  mit  der  Mineralogie  vorgetragen 
wurde.  Werner  war  der  erste,  welcher  erkannte,  dass 
die  Erdfeste  aus  übcrcinanderlageniden  Schichten  zu- 
sammengesetzt sei,  von  denen  jede  einem  besonderen 
Zeitabschnitt  in  der  Erdgeschichte  entspräche,  indem  die 
untersten  die  ältesten,  die  obersten  die  letztgebildeten  seien. 
Indem  er  nun  von  der  irrthümlichen  Ansicht  ausging,  dass 
alle  diese  Gesteine  und  Erdschichten  aus  Wasser  abge- 
lagert sein,  wurde  er  Begründer  der  sogenannten  „nep- 
tunischen Schule",  welche  sofort  eifrig  von  der  soge- 
nannten „plutonischen"  liekämpft  wurde.  Diese  hatte  in 
dem  Schotten  Hutton  ihren  llauptvertreter  und  gab  für 
einen  Theil  der  Gesteine  eine  Entstehung  aus  Wasser  zu; 
nahm  jedoch  für  eine  grosse  Menge  von  Gesteinen,  be- 
sonders für  Basalte  und  Trachyte,  eine  Erstarrung  aus 
gluthflüssigem  Schmelzfluss,  also  eine  plutoniseiie  und  \v\- 
canische  Entstehung  an.  Dieser  Kampf  beider  Schulen 
ist  jetzt  vollständig  erloschen.  Während  es  noch  vor  eini- 
gen Jahrzehnten  einzelne  Anhänger  des  Neptunismus  gab, 
dürfte  jetzt  kein  ernster  Geologe  mehr  an  der  iilutonischen 
oder  vulcanischeu  Entstehung  der  meisten  krystalliniselien 
Massengesteine  wie  .'"lycnit,  l'orphj-r,  Basalt  und  Tracliyt 
zweifeln. 

Einen  grossen  Fortschritt  machte  die  Geologie  als 
Cuvier  und  Lamarck  am  Anfang  dieses  Jahrhunderts  er- 
kannten, dass  die  Versteinerungen  von  wirklich  ausge- 
storbenen Thieren  herstammten,  und  als  Schlotheim  in 
Deutschland  zum  ersten  Mal  darauf  hinwies,  dass  die 
Versteinerungen  für  gleichaltrige  Schichten  im  Allgemeinen 


*)  Geognosie  begreift  die  Wissenschaft  von  der  Erdfeste, 
Geologie  im  engeren  Sinne  die  Geschichte  des  ganzen 
Erdballes. 


dieselben,  für  verschiedenartige  indessen  verschieden  seien, 
und  dass  man  also  mit  ihrer  Hilfe  die  älteren  Ablage- 
rungen von  den  jüngeren  '  Unterscheiden  und  die  zu- 
sammengehörenden erkennen  könne.  Dadurch  erhielten 
die  Versteinerungen  für  die  Geologie  einen  hervorragenden 
Werth,  während  sie  in  den  vergangenen  Jahrhunderten 
von  den  meisten  Forschern,  mit  wenigen  das  Richtige 
ahnenden  Ausnahmen,  entweder  für  Naturspiele  gehalten 
wurden,  oder  sogar  für  nicht  zu  vollständiger  Entwicklung 
gelaugten  Samen  noch  in  den  Tiefen  des  Oceans  lebender 
Thiere,  welcher  durch  das  die  Erdfestc  durchtränkende 
Meerwasser  in  die  Erdschichten  hineingelangt  sein  sollte ! 

Charles  Lyell  bezeichnet  dann  den  nächsten  grossen 
Fortschritt  in  unserer  Wissenschaft,  indem  er  darthat, 
dass  die  Veränderungen  der  Erde  nicht  auf  verschiedene, 
den  ganzen  Erdkörper  in  Mitleidenschaft  ziehende  grosse 
^  Katastrophen,  Ueberschwemmungen,  Sintfluthen  etc.  zu- 
rückzuführen seien,  sondern  dass  das  allmälige  Wirken  der 
noch  jetzt  in  Luft,  Wasser  und  Erdfeste  thätigen  Kräfte 
im  Lauf  von  unermesslichen  Zeiträumen  diese  Umge- 
staltungen hervorgerufen  habe,  und  dass  besonders  die 
Veränderung'  in  dem  Eiuschluss'  von  Versteinerungen 
auf  einen  ganz  allmäligen  Artenwechsel  zurückzuführen 
sei.  Durch  die  Lehre  Darwins  von  der  natürlichen  Züch- 
tung der  Thier-  und  PHanzeuarten  in  dem  Wettkampf  um 
das  Dasein  wurde  für  diesen  vtui  Lyell  erkannten,  all- 
mäligen Artenwechsel  eine  naturgemässe  Erklärung  ge- 
liefert. 

Durch  das  Licht  dieser  Erkenntniss  war  aber  am 
Baume  der  Geologie  ein  Same,  ein  ,,rollenstaub",  zur 
Reife  gebracht,  welcher  den  erstercn  verliess  und  sich 
befruchtend  auf  zwei  anderen  Bäumen  niederliess,  auf 
denen  der  Zoologie  und  Botanik.  Die  Paläontologie  oder 
Versteinerungskuude  wurde  von  nun  an  um  ihrer  selbst 
willen  ge|)flegt,  als  ein  selbstständiger  Zweig  der  Thier- 
und   Pflanzenkunde,    als    die  Entwicklungsgeschichte    des 


62 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  7. 


Thier-  und  Pflanzenreichs,  den  Gesiclitslireis  und  die  An- 
schauungsweise dieser  Forschungsgebiete  in  grossartiger 
Weise  erweiternd  und  vertiefend,  während  sie  bisher  nur 
als  Hilfsmittel  der  Geologie  zur  Bestimmung  des  Alters- 
unterschiedes oder  der  Zusammengehörigkeit  der  Gebirgs- 
scliichten  betrachtet  wurde.  Und  während  die  Thier-  und 
l'flanzenkunde,  nebst  Anatomie,  Zootomie  etc.  bisher  nur 
in  verständnissloser  Weise  die  lebende  Schöpfung  in  ihrem 
Forschungskreis  berücksichtigten,  senkte  sich  jetzt  ihr 
Blick  in  die  uuermesslichen  Tiefen  der  Vergangenheit. 
Das  grossartige  zeitliche  Denken,  welches  bisher  nur  der 
Geologie  eigen  war,  wurde  übertragen  auf  die  Thier-  und 
Pflanzenkunde.  Alle  die  Stützeu,  welche  die  ver- 
gleichende Anatomie  und  Emluyologie  der  Darwinschen 
Theorie  für  die  allmälige  Umänderung  der  niederen 
Thiere  und  Pflanzen  zu  höheren  bieten,  würden  in  Nichts 
zusammenfallen,  wenn  die  paläontologisehen  Erfahrungen 
den  geringsten  Wider.sprueh  erhöben.  Die  Paläontologie 
des  Thierreichs  zeigt  aber  in  der  That,  dass  in  den  äl- 
testen versteinerungsführenden  Scliichten  nur  niedere  Thiere, 
wie  Muscheln  und  Krebse  vorkonnnen,  in  den  nächst 
jüngeren  erscheinen  Itereits  niedrigstehende  Fische,  zum 
Theil  unsern  Haifischen  ähnlieh,  zum  Theil  von  ganz 
abenteuerlicher  Gestalt.  Es  folgen  dann  die  ersten  Am- 
phibien, dann  Reptilien  und  auch  die  ersten  unvollkommen 
organisirten  Beutelthiere  als  Vertreter  der  Säugethiere, 
auch  Vögel  stellen  sieh  ein,  und  die  Fische  sind  den  jetzt 
lebenden  schon  sehr  ähnlich  geworden.  Erst  in  verhält- 
nissmässig  neuerer  Zeit  treten  die  höheren  Säugethiere 
auf,  und  zum  Schluss,  da  die  Erde  schon  dem  heutigen 
Zustand  nahe  ist,  erseheint  der  Mensch. 

In  ein  gewisses  Dunkel  ist  noch  die  Geschichte  des 
Pflanzenreichs  gehüllt.  Ihre  Entwicklung  beginnt  eben- 
falls mit  ganz  einfachen  Formen,  Zellenpflanzen;  es  finden 
sich  Seetange  in  den  ältesten  Erdschichten.  In  den 
näehstjüugern  treten  dann  die  höher  stehenden  Gefäss- 
cryptogamen,  z.  B.  riesige  Schachtelhalme,  Farrenbäume, 
Bärlappflanzen,  z.  B.  Sigillarien,  auf,  um  in  der  folgenden, 
der  Steinkohlenperiode,  das  Material  zu  den  mächtigen  Ver- 
kohlungsproducten  zu  liefern,  welche  heute  unsere  Zimmer 
und  Maschinen  heizen.  Bald  treten  die  ersten  Nadel- 
hölzer auf  und  Cycadeeu  oder  Sagopalmen,  welche  den 
Uebergang  zu  den  höher  stehenden  Pflanzen  bilden. 
Phitzlich  tritt  ohne  jede  Vermittelung  der  Formkreis  der 
höheren  Blüthenpflanzen  auf  dem  Schauplatz  des  orga- 
nischen Lebens  auf.  Wo  kamen  sie  her,  wo  hal)en  sich 
die  einfachen  Palmen  u.  s.  w.  zu  dieser  Vollkommenheit 
umgewandelt?  Diese  der  Darwinschen  Theorie  scheinbar 
widersprechende,  für  die  Annahme  eines  plötzlichen 
Schöpfuugsaktes  dagegen  günstigen  Unkenntniss  kann  nur 
durch  geologische  Forschungen  beseitigt  werden. 

Wodurch  finden  ferner  die  an  sich  oft  ganz  unver- 
ständlichen Erscheinungen  der  Thier-  und  Pflanzengeogra- 
pliic  ihre  Erklärung,  wenn  nicht  durch  Zuhilfenahme  einer 
geologischen  Betrachtungsweise?  Die  Thatsache,  dass 
Grossbritannien  dasselbe  Thierleben  besitzt,  wie  das  euro- 
päische Festland,  trotz  des  trennenden  Canals,  kann  nur 
erklärt  werden  durch  die  Annahme  einer  noch  in  der 
geologischen  Gegenwart,  als  die  heutige  Thier-  und 
Pflanzenwelt  bereits  bestand,  vorhandenen  Landverbiu- 
dung  beider.  Und  in  der  That  lehren  die  Untersuchungen, 
dass  die  gegenüberliegenden  englischen  und  französischen 
Küsten  geognostisch  ganz  gleichartig  gebildet  sind  und 
dass  durch  ein  Sinken  des  Meeresspiegels  von  nur  50  Meter 
eine  solche  Verbindung  hergestellt  werden  würde. 

Die  Erscheinung,  dass  die  Thierformen  von  Südafrika, 
Madagaskar,  Ceylon  und  Vorderindien  einander  sehr  ähn- 
lich, besonders  clurch  das  Vorkommen  von  Halbaffen  oder 
Lemureu    sind,    wird    leicht   erklärt  durch   die  Annahme 


eines  ehemaligen  Festlandes,  welches  sich  von  Südafrika 
bis  Indien  durch  den  indischen  Ocean  erstreckt  hal)c,  und 
jetzt  zum  grössten  Theil  in  die  Tiefe  gesunken  wäre,  und 
diese  Annahme  wird  durch  die  Beobachtungen  an  älteren 
Gebirgsschichten  bestätigt.  Nach  der,  allerdings  nicht 
genügend  begründeten  Ansicht  einiger  Forseher,  soll  auf 
diesem  versunkenen  Festland,  welchem  man  den  Namen 
Lemurien  gab,  die  Wiege  des  Menschengeschlechts,  das 
Paradies,  gestanden  haben. 

Der  Aufschwung,  den  die  Kemitniss  der  Gesteine 
durch  die  Anwendung  des  Mikroskops  um  die  Mitte  dieses 
Jahrinmderts  nahm,  war  nicht  nur  für  die  Geognosie,  die 
Wissenschaft  von  den  fels-  und  gebirgsbildenden  Gesteinen, 
sondern  auch  für  die  nahe  verwandte  Mineralogie,  die 
Wissenschaft  von  den  einzelnen  Mineralien,  von  grosser 
Tragweite.  Viele  Jlineralien,  welche  bisher  als  sehr  selten 
angesehen  wurden,  wurden  als  mikroskopischer  Gestcins- 
gemengtheil  in  grosser  Verbreitung  entdeckt.  So  schien 
der  Leueit,  ein  weisser,  im  quadratischen  System  mit  24 
trapezförmigen  gleichen  Flächen  schön  krystallisirendes 
Mineral,  lange  nur  auf  den  Vesuv  und  den  Laacher  See 
in  der  Eifel  l)eschränkt  zu  sein.  Neuere  mikroskopische 
Gesteinsuntersuehungen  haben  nun  ergeben,  dass  er  ein 
sehr  verbreiteter  mikroskopischer  Bestandtheil  vieler  vul- 
canischer  Gesteine  ist,  die  man  Leucitgesteine  genannt 
hat.  A(dmliches  gilt  von  dem  Ulivin,'  Nephelin  I!util 
und  andere. 

Ueher  die  Entstebungsart  vieler  Mineralien  ist  die  Geo- 
gnosie ebenfalls  in  der  Lage,  der  Mineralogie  Aufsehluss 
zu  ertheilen,  so  unter  Anderem  durch  das  Studium  der 
sogenannten  Kontacterscheinungen.  Die  gluthflüssigen,  aus 
dem  Erdinnern  hervorgedrungenen  Lavamassen  haben  sehr 
oft  die  Gesteine,  welche  die  Ausliruchstelle  umgeben,  oder 
sonst  mit  ihnen  in  Berührung  kamen,  in  bedeutendem 
Grade  durch  Hitze  oder  durch  die  alles  durchdringenden 
heissen  Dämpfe  und  Gase  verändert,  und  besonders  in 
Kalksteinen  zur  Bildung  von  vielen  seltenen  und  schönen 
Mineralien  Veranlassung  gegeben.  So  ist  das  berühmte  Vor- 
kommen seltener  Mineralien  in  den  losen  krystallinischen 
Kalksteinblöcken  des  vuleanischen  Kaiserstuhlgebirges  am 
Rhein  in  Baden  auf  eine  solche  Wirkung  glühender  Lava- 
massen zurückzuführen;  bei  Predazzo  und  am  Monzoui  in 
Südtyrol  haben  Syenite  ähnliche  Erscheinungen  hervor- 
gerufen :  Granate,  Epidote,  Spinelle,  Flussspath  und  Glinnner 
sind  auf  diese  Weise  entstanden.  — 

Die  Ciicmic  hat  die  Aufgabe,  die  eheinsichen  (iesetze 
zu  ergründen,  ohne  die  natürlichen  Erscheinungen  speciell 
zu  berücksichtigen.  In  deu  Tiegeln  und  Retorten  der 
Chemiker  werden  die  Elemente  gemischt  und  erhitzt  in 
Verhältnissen,  in  welchen  sie  in  der  Natur  oft  niemals 
vorkommen.  —  Andererseits  stehen  der  Natur  in  ihrem 
Laboratorium,  welches  wir  Welt  nennen,  ganz  andere 
Mittel  zu  chemischen  Arbeiten  zur  Verfügung  als  dem 
Menschen  in  seinem  armseligen  Laboratorium.  Vor  allem 
ist  es  die  Zeitdauer,  welche  bei  allen  menschlichen  Ver- 
suchen nur  in  ganz  geringem  Grade  in  Wirkung  treten 
kann.  Die  Natur  dagegen  arbeitet  mit  Hunderten,  Tau- 
senden, Millionen  von  Jahrtausenden.  So  ruft  sie  denn 
mit  Hilfe  der  dem  Chemiker  so  harmlos  erscheinenden 
Kohlensäure  Erscheinungen  hervor,  wie  jener  sie  in  ähn- 
licher Weise  nur  mit  Hilfe  der  stärksten  Säuren  erzielen 
kann.  Mit  Kohlensäure  beladene  Gewässer  durchsickern 
die  Gebirge  und  Berge,  die  Tiefen  der  Thäler^  und  den 
Untergrund  der  Gewässer  auf  Spalten  und  Klüften,  oder 
durchdringen  als  Bergfeuehtigkeit  das  ganze  poröise  Ge- 
stein und  zerstören  im  Laufe  der  Zeit  selbst  die  im  La- 
boratorium durch  Kohlensäure  kaum  lösliehen  Verbindungen 
von  Kieselsäure  mit  Kalk,  Kali,  Natron,  Eisen  und  Mangan, 
also  die  verschiedenen  Feldspathe,  Augit,  Hornblende  und 


Nr.  7. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


63 


Olivin.  Der  gemeine  Kalifeldspath,  ein  Geniengtheil  vieler 
verbreiteter  Gesteine,  welcher  aus  Kali,  Thonerde,  etwas 
Natron,  Kalk,  Eisen  und  Kieselsäure  besteht,  wird  auf 
diese  Weise  in  Kaolin,  die  bekannte  Porzellanerde,  um- 
gewandelt, indem  Kali  und  die  geringen  Mengen  von  Na- 
tron, Kalk  und  Eisen  durch  die  kohlcnsäurehaltigen  Ge- 
wässer in  kohlensaures  Kali  —  Natron  —  Kalk  und  Eisen- 
oxydul verwandelt,  aufgelöst  und  mit  einem  Theil  der 
Kieselsäure  weggeführt  werden,  sodass  nur  eine  Thonerde- 
Kieselsänreverbindung  mit  etwas  Wassergehalt  iilnig 
bleibt,  und  diese  ist  der  schneewcisse  zur  Porzellanl)erci- 
tung  gel>rauehte  Thon  oder  Kaolin.  Die  fortgeführte, 
schwer  lösliche  Kieselsäure  wird  dann  meist  in  nicht  zu 
grosser  Entfermnig  wieder  von  den  Gewässern  abgesetzt, 
und  so  entstehen  in  diesen  Kaolinlagern  oder  in  ihrer 
nächsten  Umgebung  Kliunpcn  und  Gänge  von  Quarz, 
Chalcedon,  (»pal  und  Karneol,  Mineralien,  die  alle  aus 
reiner  Kieselsäure  bestehen.  — 

Wenn  uns  die  Geologie  lehrt,  dass  die  schwache 
Kohlensäure  im  Stande  ist,  unzerstörbar  erscheinende,  aus- 
gedehnte Gesteinsmassen  von  Granit,  Porphyr,  8j'enit, 
Trachyt,  Phonolitii,  Gnciss,  Diabas,  Melaphyr,  Basalt  zu 
zerstören  und  in  ebenso  mäclitige  j\Iassen  weichen  oder 
stellenweise  weichen  Materials  im  Lauf  von  langen  Zeit- 
räumen umzuwandeln,  so  wird  der  Chemiker  die  Kohlen- 
säure   mit    ganz    anderen    Augen    betrachten,    als    nach 


den  Erfahrungen,  welche  er  in  seinem  Laboratorium  ge- 
macht hat. 

Die  merkwürdige  Erscheinung  der  Pseudomorphosen 
dürfte  gleichfalls  für  die  Chemie  von  grossem  Interesse 
sein,  denn  diese  ist  oftmals  nicht  in  der  Lage,  ähidiche 
Verhältnisse  in  ihrem  Laboratorium  hervorzurufen  und  zu 
Studiren. 

Unter  einer  Pseudomorphose  versteht  man  die  Er- 
scheinung, dass  eine  jMineralsubstanz  nicht  in  der  ihr  zu- 
konnnenden  äusseren  Krystallform,  sondern  in  einer  frenulen 
auftritt.  Wenn  also  (juarz,  der  gewöhnlich  als  eine  sechs- 
seitige Säule  mit  aufgesetzter  sechsseitiger  Pyramide  er- 
scheint, in  der  Form  des  Kalkspath,  als  Riiomboeder,  auf- 
tritt, so  nennt  man  dieses  eine  l'seudomorjjhose  von  Quarz 
nach  Kalkspath.  Der  kohlensaure  Kalk  (Kalkspath)  ist 
in  diesem  Fall  durch  die  Gewässer  vollständig  fortgeführt, 
und  Kieselsäure  (Quarz)  in  die  noch  bestehen  gebliebene 
äussere  Form  al)gesetzt  worden;  da  letztere  oft  noch  ganz 
vorzüglich  erhalten  ist,  muss  man  für  diese  allmälige  Um- 
wandlung eine  sehr  lange  Zeitdauer  annehmen.  Derartige 
Erscheinungen  sind  nicht  selten,  aber  in  ihrer  Entwickehmg 
oft  schwer  zu  verfolgen,  und  der  Chemiker  wird  staunend 
anerkennen,  dass  die  Natur  mit  einfachen  Mitteln  in  grossen 
Zeiträumen  Ergebnisse  hervorbringen  kann,  zu  denen  die 
Kräfte  des  experimentirenden  Menschen  mit  allen  seinen 
künstlichen  Hilfsmitteln  nicht  ausreichen.       (Forts,  folgt.) 


Die  Umrisse  von  Asien. 

Aus  Prof.  Dr.  Wilhelm  Sievers:    Asien.     Eine  ;illgenii;ine  Landeskunde.*) 


Ol) wohl  Asien  etwas  Wuchtiges,  Massiges  in  seiner 
Gestalt  hat,  finden  wir  doch  an  seinen  Umrissen  eine 
nicht  unbedeutende  Gliederung.  Was  bei  einer  flüchtigen 
Betraciitnng  Asiens  auf  der  Karte  zuerst  auffällt,  sind  die 
drei  grossen  südlichen  Halbinseln  Arabien,  Vorderindien, 
Hinterindien,  ferner  der  Kranz  v<ni  Inselgruppen  an  der 
Ostküste,  dem  sich  die  Halbinseln  Kamtschatka  und  Korea 
zugesellen,  und  endlich  das  aus  dem  Rumpfe  des  Con- 
tinents  heraustretende  Kleinasien.  Sieht  man  aber  von 
diesen  Ausläufern  ab,  so  bleibt  ein  festgeschlossener  Kern 
von  gewaltigem  Umfange  übrig,  dessen  Grösse  es  mit 
sich  bringt,  dass  die  Gliederung  des  Gesannntcontinents 
nicht  besonders  ins  Gewicht  fällt,  zumal  da  auch  die 
Nordküste  durch  die  Samojeden-  und  Taimyrhalbiaseln 
nur  wenig  gegliedert  ist. 

Den  Rumpf  des  Continents  begrenzt  H.  Wagner  durch 
folgi'ude  vier  Linien:  Im  Westen  von  der  Jugorscheu 
Strasse  zwischen  der  Insel  Waigatsch  und  dem  Ural  bis 
zur  Nordwestspitze  des  Persischen  JMeerbusens,  4450  km; 
im  Norden  von  der  Jugorschen  Strasse  bis  zum  Anadyr- 
busen  südlich  des  Ostcaps,  4900  km;  im  Osten  von  der 
eben  genannten  Bucht  bis  Kanton,  6.300  km;  im  Süden 
von  Kanton  bis  zur  Nm-dwestspitze  des  Persischen  Busens, 
wiederum  6300  km.  Auf  diese  AVeise  bleiben  für  den 
Rumjtf  Asiens  etwa  33  257  800  qkni  übrig,  während  die 
Halbinseln  8  135  000  qkm  einnehmen,  sich  also  zum  Stamme 
wie  1  :  4  verhalten ;  die  Inseln  mit  Einschluss  der  ganzen 
malayischen  Gruppe  bedecken  2  697  320  qkm,  die  Halb- 
inseln und  Inseln  zusammen  10  832  320  ([km,  so  dass  das 
Verhältniss  aller  Glieder  zum  Stamme  wie  1  :  3  ist.  Asien 
hat  daher  eine  weit  bessere  Gliederung  als  Südamerika, 
Afrika,  Australien,  bei  welchen  diese  Verhältnisszahlen 
1:77,  1:47  und  1:36  lauten;  auch  gegenüber  Nord- 
amerika ist  es   noch   günstig   gestaltet,    da   letzteres  ein 


*)  Bibliographisches  Institut  in  Leipzig  und  Wien  18!t2.    Preis 
15  Mk.  —  Vergl.  Bespreehung  des  Werkes  in  Bd.  VII  S.  ii'öi 


Gliedcrungsverhältniss  von  1:8  hat,  aber  gegen  Europa 
mit  1:2  bleibt  es  weit  zurück. 

Die  Küstenentwickehuig  Asiens  ist  am  schwächsten 
an  der  Nordküste.  Hier  liegen  im  äussersten  Westen  drei 
Inseln:  Waigatsch  und  die  Doppelinsel  Nowaja  Semlja. 
Ersteres  wird  vom  Festlaude  durch  die  Jugorsche  Strasse, 
letzteres  von  Waigatsch  durch  die  Karische  Meerenge  ge- 
schieden und  selbst  durch  den  Matotschkin  Scharr  in 
zwei  ungleiche  Hälften  getheilt.  Zwischen  Nowaja  Semlja 
und  dem  Festlande  dehnt  sich  das  Karische  !\Ieer  oder 
die  Kara-See  aus,  ein  wegen  seiner  Eisbedeckung  ge- 
fürchtetes  Wasserbecken,  dessen  Befahrung  jedoch  nicht 
unmöglich  ist,  wie  die  Fahrten  der  Schweden,  Norweger 
und  Russen  nach  dem  Ob  und  Jenissei  gezeigt  haben. 
Im  Südosten  wird  die  Karische  See  durch  die  Halbinsel 
der  Samojeden  oder  Jalmal  abgeschlossen,  und  hinter 
dieser  öffnet  sich  der  meerbusenartige,  weite  Mündungs- 
trichter des  (»b.  Nur  wenig  östlich  vom  letzteren  öffnet 
sich  eine  zweite  trichterförmige  Strommündung,  die  des 
Jenissei,  und  durch  Ob  und  Jenissei  wird  eine  zweite 
Halbinsel  gebildet,  welche  eines  Namens  entbehrt.  Sie 
wird  als  eine  Abzweigung  der  östlich  folgenden  Taimyr- 
halbinsel  betrachtet,  die  in  der  gewaltigen  Breite  von 
800  km  als  nördlichster  Theil  Asiens  weit  ins  Eismeer 
vorspringt.  Der  äusserste  Punkt  der  Taimyrhalbinsel  und 
somit  Asiens  ist  das  Cap  Tscheljuskin,  dessen  Um- 
fahrung zu  aller  Zeit  die  grössten  Schwierigkeiten  ge- 
macht hat. 

Von  dort  an  hat  die  flache,  eisumgürtete,  nnt  Moosen 
und  Flechten  bedeckte,  zum  Theil  der  mesozoischen  Zeit 
entstanmiendc  Küste  eine  durch  nur  wenige  Vorsin-ünge 
und  Buchten  unterbrochene  Erstreckung  gegen  Osten.  Das 
Lenadelta  springt  ins  Meer  vor,  ebenso  zwischen  Jana 
und  Indigirka  die  Küste  von  Swjatoi  Noss,  vor  der  die 
Neusibirischen  Inseln  liegen.  Im  weiteren  Verlaufe  sind 
nur  die  Tschaunbucht  mit  den  Ajon- Inseln,  die  kleinen 
Bäreninseln  und  das  Wrangel-Land  bemerkenswert!!,  das 


64 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  7. 


im  Norden  zwei  tiefe  Ein- 
uncl  der  von  der  letzteren 
8ildlicli  von  ihnen  springt 


durch  die  de  Long-Strasse  vom  Fcstlande  getrennt  wird, 
und  den  ganzen  weiteren  Nordosten  Asiens  nimmt  die 
Tschukschenhalhinsel  ein,  die  im  Ostcap  nach  Amerika 
hinülier  deutet.  Die  ganze  asiatische  Nordküstc  ist  für 
die  Schiffahrt  von  sehr  geringer  Bedeutung,  nur  im  Westen 
zeitweise  eisfrei,  im  Osten  fast  stets  mit  Eis  l)elagert  und 
daher  nur  ein  einziges  Mal,  von  Nor(lenskjr)ld  1878/79, 
umfahren  worden. 

Die  Ostküste  Asiens  hat 
schnitte  in  der  Anadyrlmcht 
ausgehenden  Heiligenkreuzbai 

die  stark  vulkanische  Halbinsel  Kamtschatka  bis  51°  nach 
Süden  vor  und  schliesst  das  <istliche  Beringmeer  von  dem 
westlichen   Ochotskischeu  Meere    ab,    dessen  Küsten    bis 
weit     in    den 
Frühling    hin-  ^^ 

ein  mit  Eis  be-  K» 
deckt  und  von 
kalten  Mee- 
resströmungen 
begleitet  wer- 
den, die  sich 
am    südlichen  .^  _ 

Ausgange  mit  ""-- 

den  listlicli 
von  Kamt- 
schatka nach 
Süden  lau- 
fenden kal- 
ten Meeresströ- 
mungen ver- 
einigen. Die 
OstküsteKamt- 
schatkas  ist 
Steilküste,  die 
westliehe  da- 
gegen Flach- 
küste ,  wie 
theilweise  das 
Nordufer  des 
Ochotskischeu 
Meeres,  wäh- 
rend die  West- 
küste des  letz- 
teren wieder 
Steilküste  ist, 
da  das  Stano- 

woigel)irge  hier  an  die  Küste  herantritt.  An  der  Westseite 
des  Meeres  von  ()chotsk  liegt  Sachalin,  eine  durch  den 
Tatarensuud  vom  Festlande  abgetrennte,  wenig  bekannte 
Insel,  und  diese  führt  uns  zur  nördlichsten  grossen  japa 
nischen  Insel  Jesso  oder  Hokkaido  hinüber, 
vulkanischen  Zuge  der  Kiu'ilen  das  Meer 
im  Süden  absperrt. 

Die  nun  beginnenden  363 149  qkm  umfassenden 
Japanischen  Inseln,  vier  grosse  und  zahlreiche  kleinere, 
begleiten  in  einem  ostwärts  gesclnvungenen  Bogen  das 
Festland  und  schliesseu  mit  Korea,  der  zweiten  grossen 
Halbinsel  Ostasiens,  das  Japanische  Meer  ab.  Dieses  bis 
zu  3000  m  tiefe  Seel)ecken  hat  im  Westen,  wo  das 
Sichota-alin-Gebirge  die  Küste  erreicht,  steile,  hohe  Ufer 
von  geringer  Gliederung,  an  der  japanischen  Seite  aber 
meistens  Schwemmlaudküsten.  Die  La  Perouse- Strasse 
führt  zwischen  Jesso  und  Saelialin  aus  dem  Japanischen 
Meere  in  den  offenen  Ocean,  dessen  Tiefen  hier  am  Rande 
der  Kvu'ilen  und  Jessos  die  grössten  aller  bekannten  Meeres- 
tiefen sind.  Die  OstkUsten  der  Japanischen  Inseln  sind 
in  Süd-  und  Nordnippon  wild  zerrissene,  vom  Meere  be- 
nagte Steilküsten,  in  Jesso,  Kiushiu,  Shikoku  und  Mittel- 


nippon  meist  Flachküsten.  Zwischen  Jajian,  Korea,  China, 
Formosa  und  den  Liukiu-Inseln  dehnt  sich  das  Cliinesiehe 
Meer  oder  die  Chinasee  aus,  im  allgemeinen  eine  Flach- 
see von  kaum  200  m  Tiefe,  im  nördlichen  Theile  als 
Gelbes  Meer  bekannt,  da  die  gelben  Schhunnmiassen  des 
Hoanghostromes  das  Wasser  weithin  gell)  färlien.  Nur 
am  Rande  der  Liukiu-Inseln  senkt  sich  das  Meer  zu  etwas 
grösseren  Tiefen,  aus  denen  die  in  hohem  Grade  vulkani- 
schen 3983  qkm  grossen  Liukiu  schroff  emporsteigen. 

Den  grc'issten  Theil  der  Westküste  Koreas  und  der 
Ostküste  Chinas  rechnet  man  zu  den  fjordartigen  Rias- 
küsten nach  nordwestsjtanischem  Typus,  doch  konnnen 
auch  Strecken   mit   Flachküsten   vor,    Ijesonders    nördlich 


und  südlich  von 


Schantung 


^-^' 


Das  Kap  Tscheljuskin.     (Nach  Nor  denskj  öld.) 
(Aus  Sievers'  Asien.    Bibliographisches  Institut,  Leipzig  &  Wien.) 


die 
von 


mit  dem 
Ochotsk 


und  an  den  Mündungen  des 
Jangtsekiang 
und  Hoang- 
ho  sowie  in 
j  den  Golfen 
vim  Petschili 
und  Liautung, 
den  nördlich 
f-  sten  Einbuch- 

tungen des 
Gelben  Mee- 
res. Das  wal- 
dige Formosa 
oder  Taiwan 
mit  34550  qkm 
Areal,  hat  im 
Westen  flache, 
im  Osten  hohe, 
steile  Küsten, 
und  zwischen 
Formosa  und 
dem  Festlan- 
de liindurch 
fülirtdie  flache 
Fokienstrasse 
nach  dem  tie- 
feren Südchi- 
nesischen Mee- 
re, einem  ge- 
gen die  Mitte 
tiefer  ^verden- 
deu  Becken, 
das  zwischen 
dem  Festlan- 
de, Malakka,  Borneo,  den  Philippinen  und  Formosa  einge- 
senkt ist ;  seine  grösste  Tiefe  (4298  m)  liegt  aber  doch  nahe 
der  Insel  Luzon.  Die  südchinesische  Küste  trägt  fortlaufend 
den  Riastypus,  aber  in  dem  grössten  Theile  von  Hinter- 
iiidien,  Tongking,  der  dem  Golfe  von  Tongking  \orliegen- 
den,  34  100  qkm  umfassenden  grossen  Insel  Hainan  sowie 
auch  auf  Borneo  herrscht  die  Flachküste  vor.  Nach  Süden 
geht  das  Südchinesische  Meer  in  die  Flachsee  über,  die 
Hinterindien  von  Borneo,  Sumatra,  Java  trennt  und  in 
ihrem  südliehen  Theile  Javasee  genannt  wird.  In  diese 
schiebt  sieh  das  gewaltige  Delta  des  JMekong  immer  weiter 
vor  und  lässt  die  Busenfoi'm  des  Golfes  von  Slam  immer 
schärfer  hervortreten. 

Die  Ostasiatisehe  oder  Malayische  Inselwelt,  die  den 
Grossen  Ocean  Aon  dem  Indischen  trennt,  umschlicsst  die 
Philippinen,  die  Grossen  imd  Kleinen  Sunda -Inseln,  die 
Molukken  und  die  Sulu-Inseln,  im  Ganzen  ein  Areal  von 
1  995  933  qkm.  Als  Reste  eines  zerstückelten  Festlandes 
erheben  sie  sieh  zum  Theil  noch  auf  einem  Sockel,  wie 
z.  B.  Borneo,  Sumatra,  Java,  Bali,  Palawan  und  die  Phi- 
lippinen. Tiefere  Meeresstrassen  durchziehen  die  Insel- 
welt erst  östlich  von  Borneo,  aber  nur  drei  tiefe  Meeres- 


Nr.  7. 


Naturwissenschaftliche  Wochensciirift. 


ßo 


beckeu  sind  zwischen  den  Malayischen  Inseln  gelegen: 
die  Bandasee  zwischen  Ceram,  Buni  und  Wetter  mit  7315  m 
MaxiniaUiefe  westlich  von  den  Ivieincii  ISanda- Inseln,  die 
(üelehessee  mit  5013  ni  Tiefe  zwischen  (Jelebes  und  Min- 
danao,  der  südlichsten  der  Philippinen,  und  die  Suhisee 
zwischen  Hornco,  Falawan,  den  Philippinen  und  den  8ulu- 
Inseln  mit  4Gü3  m  Tiefe;  eine  sehr  viel  geringere,  aber 
immer  noch  beträchtliche  Tiefe  hat  die  Floressee,  nfird- 
licli  Min  Florcs,  mit  3090  m.  Die  Sundasee  ist  der  siid- 
westiiclie  Ausläufer  der  Paudasee.  Eine  andere  tiefe 
Meeresstrasse  zieht  von  der  (lelebessee  siidlicii  als  IMang- 
kassarstrasse  zwischen  Cclebes  und  Borneo  iiindureh  und 
setzt    sich   in  der   Lombokstrasse  zwischen  Lombok   und 


Malayischen  Inseln  hinaus  in  den  Indischen  Ocean:  die 
berühmte  Sundastrasse  mit  der  \'nlkaninsel  Krakatau 
zwischen  Java  und  Sumatra  und  die  ebenso  bekannte 
Strasse  von  Malakka  mit  der  englischen  Insel  Singapur 
zwischen  Sumatra  und  der  Halbinsel  Malakka. 

Die  Halbinsel  Malakka  oder  die  Malayische  Halb- 
insel, 236  770  ([km  gross,  ist  der  südlichste  Ausläufer  der 
grossen  Halbinsel  Hinterindien,  die  von  den  aus  dem 
breiten  Rumpfe  Asiens  heraustretenden  Gebirgen  gebildet 
wird  und  2  12(3  450  (|kin  gross  ist.  Da  die  einzelnen  Ge- 
birgsketten fäclierf('irmig  auslaufen,  so  bilden  sieh  mehrere 
Buchten  an  der  Küste,  unter  denen  wir  die  von  Tong- 
king   und  die  von   Slam    bereits   kennen   gelernt  haben. 


Bali  fort,  der  von  Wallace  angenommenen  Grenze  zwischen  I  Dazu  tritt  au  der  Westseite  noch  der  Busen  von  Peg-u, 


den  asiatischen 
und  australi- 
schen Thier- 
formen.  Eine 
dritte  tiefe 
Strasse  schei- 
det die  Mo- 
lukken  von  Ce- 
ram und  Buru, 
eine  vierte 
trennt  Timor 
von  Flores. 

Die  südliche 
Reihe  der  Ma 
layischen  In- 
seln wird  von 
Sumatra ,  Ja- 
va, Bali,  Lom- 
bok, Sumba- 
wa,  Floresund 
kleineren  ge- 
bildet und  ist 
bis  gegen  Ce- 
ram zu  verfol- 
gen. Sie  alle 
sind  von  terti- 
ären Scliicliten 
und  Vulkanen 
erfüllt  und 
schliessen  sich 
im  Süden  au 
Sumba,  das 
isolirte  Timor, 


ä 


Die  Sundastrasse  mit  der  Insel  Krakatau.     (Nach  Verbeek.) 
(Aus  Sievers'  Asien.    Bibliof;Taphisclies  Institut,  Leipzig  tfc  Wien.) 


im  Grunde  ge- 
nommen eben- 
sogut ein  Meer 
wie  tlas  Gel- 
be Meer,  und 
über  2000  m 
tief,  welcher 
im  Westen 
durch  die  nur 
schwach  vul- 
kanische Rei- 
he der  Anda- 
manen  und  Ni- 
koljai'en  abge- 
schlossenwird, 
die  wohl  auf 
dem  vei'sunke- 
nen  Ausläufer 
des  Gebirges 
von  Arakan 
stehen. 

Die   Küsten 
Hinterindiens 
sind         meist 
Schwemm- 
landsgebilde 
wie  auch  ihre 
westliche  Fort- 
setzung ,      die 
Ostküste    von 
Vorderindien. 
Diese  berühm- 
teste    Halbin- 


die    Tenimber-  (Timorlaut-)   Inseln    und    die    Kei-Gnippe  |  sei  Asiens  hat  ungefähr  dieselbe  Grösse  wie  Hinterindien, 


an.  Nördlich  von  diesen  Zügen  erlieben  sich  die  aus 
älteren  Gesteinen,  tertiären  Anlagerungen  und  Küsten- 
sehwemmiand  gebildeten  grossen  Inseln  Borneo  und  Gelebes 
sowie  Buru,  Ceram  und  Amboina.  Von  Borneo,  der  zweit- 
grössten  Insel  der  Erde,  führen  zwei  Landbrücken,  im 
Norden  die  lauge  Insel  Palawan,  im  Süden  die  Sulu- 
Inseln,  nach  den  Piiilippinen  hinüber,  deren  Grup))e,  sehr 
vulkanisch  und  ungemein  zerrissen,  aus  den  grossen  Inseln 
Luzon  im  Norden,  Miudanao  im  Süden,  Mindoro,  Panay, 
Negro,  Zebu,  Bohol,  Leyte,  Samar  n.  a.  in  der  Mitte  be- 
steht. Von  den  Piiilippinen  leiten  die  Sangirinsein  nach 
Celebes,  die  Talaut-Inseln  zu  den  gewürzreiclien  iMoinkken, 
deren  wichtigste  die  kleinen  westlichen,  Ternate,  Tidor, 
Bat  Jan,  die  Heimath  der  Gewürznelken,  sind.  Die  grösste 
Molnkkcninsei,  Halmahera,  ist  aber  dadurch  sehr  be- 
merkenswerth,  dass  sie  in  ihrer  Gestalt  die  sonderbaren 
Formen  von  Celebes  wiederholt.  Sumatra  wird  au  der 
Südwestküste  von  einer  Reihe  kleiner  Eilande,  im  Nord- 
osten von  den  Zinninseln  Banka  und  Biliiton,  Java  im 
Nordosten  von  Madura  begleitet,  und  in  diesen  westliehen 
Meerestheilen  führen  zwei  Ausgänge  aus  dem  Gewirre  der 


ist  aber  viel  weniger  gegliedert.  In  Gestalt  eines  Dreiecks 
springt  sie  mit  der  Spitze  nach  Süden  bis  8°  nrirdl.  Breite 
vor  und  schliesst  mit  Hinterindien  den  nördlichsten  Tlieil 
des  Indischen  Oceans  ab,  der,  nur  wenig  über  1000  m  tief, 
hier  den  Namen  Meerbusen  von  Bengalen  führt.  In  ihn 
tragen  der  Ganges  und  Brahmaputra  in  ihrem  vereinigten 
Delta  ihre  Schlannnmassen,  während  längs  der  Haeiien, 
sandigen  Koromaudelküste  die  Brandung,  Surf,  aufs  hef- 
tigste wüthet.  Vor  der  Südspitze  Vorderindiens  ist  die 
65  693  qkm  grosse  Insel  Ce3'lon  gelagert,  deren  Verbindung 
mit  dem  Festlande,  wie  es  scheint,  mehrfach  zerstört 
und  wiederhergestellt  worden  ist  und  jetzt  mittels  zahl- 
reiclier  unter  dem  Namen  der  .Vdamshrücke  bekannter 
Sandbänke  nach  Vorderindien  fuhrt.  Die  Malabar  ge- 
nannte Südwestküste  Vorderindiens  ist  im  Gegensatz  zur 
Ostküste  steil,  hoch  unil  daher  hafenreieh,  da  die 
Cardamum-,  Nilgiri-  und  Westghatsgebirge  hier  dicht  an 
die  Küste  heranreichen,  während  das  Tafelland  auf  der 
Ostseite  weit  von  ihr  entfernt  endet,  ^'on  Goa  an  nord- 
wärts behält  die  nunmehr  Konkan  genannte  Küste  den- 
selben  Charakter   bei.     Von   dem  zwischen  der  llalbinse 


66 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  7. 


flutscherat  und  der  Gegend  von  Daman  einsjirin£;euden 
(Jolf  von  Kambay  an  beginnt  aber  eine  sumpfige  Flach- 
küste, und  besonders  der  grosse  Erdfall  des  Run  of 
Katch  hat  einen  gewaltigen  Sumpf  erzeugt,  vor  dem  die 
zur  Insel  gewordene  cliemalige  Katchhalbinscl  liegt.  Das 
Delta  des  Indus  hat  natürlich  auch  viel  Sumpfland,  aber 
gut  ist  der  folgende,  am  Ende  des  Grenzgebirges  zwi- 
schen Indien  und  Belutschistan  gelegene  Hafen  Karatschi. 
Vor  der  Malabarküste  liegen  im  Südwesten  die  Lakka- 
diven  und  Malediven,  niedrige  Koralleninseln,  die  ihre 
südliche  Fortsetzung  im  Tschagosarchipel  besitzen  und 
damit  nach  Madagaskar  hinüberdeuten,  wohin  vielleicht 
in  früher  Zeit  eine  Laudbrücke  reichte. 

Wir  nähern  uns  nun  den  durch  die  Geschichte  des 
Alterthums  früh  berühmt  gewordenen  Kästen  Vorderasiens 
und  betreten  zunächst  die  flache  Strandebene,  die  sich 
am  Fusse  des  Iranischen  Hochlandes  zwischen  diesem  und 
dem  Meere  ausbreitet.  Germesir,  das  heisse  Land,  ist  sie 
genannt  und  rechtfertigt  diesen  Namen  vollkommen;  ihre 
wenigen  Häfen  haben  geringe  Bedeutung,  da  das  Hinter- 
land schwer  zugänglich  ist.  Die  Küste,  an  der  entlang 
Alexanders  des  Grossen  Flotte  nach  Indien  fuhr,  bildet 
die  Nordgrenze  des  Meerbusens  von  Arabien,  welcher  sich 
zwischen  dieser  llalliinsel  und  Indien  ausdehnt.  Das  2000 
bis  4600  m  tiefe  arabische  Meer  entsendet  zwei  Ausläufer 
nach  Nordwesten,  deren  östlicher,  als  Persischer  Golf  be- 
kannt, an  der  Grenze  der  grossen  Faltungsgebirge  Per- 
siens  gegen  die  flachen  Hochländer  Arabiens  liegt,  während 
der  westliche,  das  Rothc  Meer,  in  die  grosse  afrikanisch- 
arabische Wüstentafel  eingebrochen  ist.  Beide  haben  be- 
sondere Vormecre,  ersterer  den  Golf  von  Oman,  letzterer 
den  von  Aden,  von  denen  die  Hauptmeere  durch  vor- 
springende Ausläufer  Arabiens  bis  auf  schmale  Strassen 
abgesperrt  werden.  Zwischen  dem  Persischen  Golfe  und 
dem  Golfe  von  (»mau  liegt  die  Strasse  von  Ormus  mit 
den  Inseln  Tawilah  und  Ormus,  zwischen  dem  Rothen 
Meere  und  dem  Golfe  von  Aden  die  Strasse  von  Bab  el- 
Mandeb,  das  Thränenthor,  mit  der  Insel  Perim.  Ent- 
sprechend der  verschiedenartigen  Entstehung  der  beiden 
Meere  verhalten  sich  auch  die  Tiefen  abweichend,  denn 
der  Boden  des  Persischen  Golfes  steigt  vom  Ausgang  zur 
Nordwestecke  an  und  sinkt  nicht  unter  200  m  herab;  das 
Rothe  Meer  dagegen  ist  ein  tiefer,  trogartiger  Kessel  mit 
2270  m  Maximaltiefe  in  der  Mitte. 

Die  Nordostküste  des  Persischen  Golfes  ist  abwechselnd 
Steil-  mid  Flachküste.  Im  nordwestlichen  Winkel  münden 
die  Zwillingsstrrime  Euphrat  und  Tigris  in  gemeinsamer 
Mündung  als  Schaft  el-Arab.  Zwischen  dem  Persischen 
Golfe  und  dem  Rothen  ]\Ieere  erhebt  sieh  steil  aus  dem 
Meere  die  Halbinsel  Araltien,  2  730  000  (ikm  gross,  die 
grösste  der  drei  südlichen  ^'orsprünge  Asiens.  Ihre  Steil- 
küsten sind  am  ausgedehntesten  im  Osten  an  der  Küste 
von  Oman  und  El-Hasa,  und  im  Südosten  auf  der  ganzen 
Linie  von  Maskat  bis  Aden,  wogegen  Schwemmland  be- 
sonders im  Süden  des  Persischen  Busens  zwischen  der 
Insel  Bahrein  und  dem  Cap  Mesandum  sich  findet.  Auch 
die  Westküste  ist  im  Norden  Steilküste,  im  Süden  flache 
Korallenküste. 

Zwei  kleine  zipfelartige  Busen  beenden  das  Rothe 
Meer  im  Norden:  der  \()n  Akalia,  welcher  in  seiner  Fort- 
setzung die  Jordanthalspalte  enthält,  und  der  Golf  von 
Sues;  zwischen  beiden  liegt  die  2836  m  hohe,  59  000  iikm 
grosse  Sinaihalbinsel.  Vom  Golfe  von  Sues  führt  der 
1869  vollendete  Suescanal  nach  dem  Mittelmeere,    indem 


er  die  alten  Bitterseen,  den  Timsahsee,  den  Ballahsee 
und  den  am  Nildelta  liegenden  Mensalehsee  benutzt  und 
bei  Port  Said  ins  Mittelmeer  tritt.  Er  darf  jetzt  als 
Grenze  zwischen  Asien  und  Afrika  betraciitet  werden. 

Die  asiatische  Mittelmeerküste  ist  in  iin-en  verschie- 
denen Theilen  sehr  verschieden  gebildet.  In  Syrien  ist 
sie  flach  und  sandig,  vom  Cap  Carmel  an  aber  klippig 
und  steil.  Sie,  die  im  Alterthum  auch  hafenreich  war, 
ist  jetzt  durch  die  nordwärts  laufende  Kttstenströmung 
verschlammt  l)is  auf  den  einzigen  brauchbaren  Hafen  Beirut. 
Auch  die  alte  Insel  Tyrus  ist  in  der  Gegenwart  laudfest 
geworden.  Zwischen  Kleinasien  und  Syrien  sitringt  der 
Busen  von  Iskanderun  nach  Nordosten  ein,  und  an  Klein- 
asiens Südküste  selbst  findet  sich  nur  an  den  Mündungen 
des  Seihan-Dschihan  und  in  der  Bucht  von  Adalia  Schwemm- 
land; im  übrigen  ist  siel  steil,  felsig,  hafenreich.  Achn- 
licli  ist  die  vorliegende  9600  qkm  grosse  Insel  Cyi)ern 
gestaltet,  denn  auch  sie  besitzt  Flachküste  nur  an  den 
Flussmüudungen,  besonders  im  Osten.  Einen  äusserst 
zerrisseneu  Charakter  trägt  ferner  die  Westküste  Klein- 
asiens. Zahlreiche  Golfe,  der  von  Ko  oder  Djowa,  von 
Mendelia,  Sealanova,  von  Smyrna,  Tschandarlyk,  Edremid, 
wölben  sich  ins  Land  hinein,  getrennt  durch  lange,  ge- 
zackte Halbinseln,  aber  mehrere  dieser  Golfe  werden  all- 
niälig  von  den  Küstenflüssen  verschlammt,  so  der  Golf 
von  Smyrna  durch  das  Delta  des  Gedis  oder  Sarabat, 
des  alten  Hermus.  Die  vor  der  Küste  liegende  Inselwelt, 
bekannte  Stätten  der  Geschichte  des  Alterthums,  wie 
Rhodos,  Kos,  Samos,  Chios,  Lesbos,  Tenedos  und  viele 
kleinere,  muss  als  Fortsetzung  der  Küstengebirge  aufge- 
fasst  werden,  die  jetzt  zerbrochen  und  zerstört,  früher  in 
geschlossener  Kette  nach  Griechenland  hinüberreichten. 
Meist  sind  sie  durch  hohe  Sockel  unter  seichtem  Meere 
mit  dem  Festlande  verbunden. 

In  der  Landschaft  Troas  liegt  das  westlichste  Cap 
Asiens,  Baba  genannt,  dann  öft'net  sich  der  Hellespont, 
die  Dardanellenstrasse,  und  wir  gelangen  in  das  auffallend 
(1300  m)  tiefe  Marmarameer,  die  alte  Propontis,  mit 
mehreren  Inseln  und  Halbinseln  imd  dem  Golfe  von  Ismid, 
endlich  in  den  Bosporus,  die  Strasse  von  Konstantinopel, 
die  zum  Schwarzen  Meere  führt.  Das  nicht  sehr  salzige 
und  nicht  sehr  tiefe  (2600  m)  Schwarze  Meer  bespült  die 
Nordküste  Kleinasiens.  Au  ihr  finden  wir  meist  Steil- 
küsten, die,  obwohl  wenig  gegliedert,  dennoch  gute  Häfen 
haben,  wie  Sinope  und  Trapezunt;  die  Vorgebirge  von 
Sinope  und  die  Deltas  des  Kisil  Irniak  (Halys)  und  Jeschil 
Irraak  (Iris)  sind  fast  die  einzigen  in  die  Augen  fallenden 
\orspringenden  Punkte  an  der  Küste.  Die  Halbinsel  Klein- 
asien hat  in  Form  eines  Rechtecks  506  600  qkm  Areal. 

Verfolgen  wir  die  Küste  Asiens  noch  bis  zum  Asow- 
schen  Meere,  so  bemerken  wir,  dass,  während  die  zum 
Theil  ausgezeichneten  Häfen  Syriens  und  Kleinasiens  durch 
die  Schuld  der  türkischen  Regierung  verschlammt  und  un- 
brauchl)ar  geworden  sind,  die  Russen  an  der  Ostküste 
des  Schwarzen  Meeres  erfolgreiche  Anstrengungen  zur  An- 
legung guter  Häfen  an  ungünstigen  Stellen  gemacht  haben. 
So  ist  Poti,  der  Endimnkt  der  Eisenbahn  von  Tiflis  und 
Baku,  im  Flachlande  der  Rionmündung  angelegt  worden, 
und  die  Festen  Batum  und  Suchumkale  verdanken  als 
aufblühende  Hafenorte  ihre  Bedeutung  erst  den  Russen. 
Namentlich  Basum  ist  ausserordentlich  im  Aufschwünge 
begriften.  Wo  aber  das  Kaukasusgebirge  an  der  Küste 
hinstreicht,  ist  die  letztere  steil,  unwirthlich  und  wegen 
unzugänglicher  Hinterländer  wenig  werthvoll. 


Nr.  7. 


Naturwissenschaftliehe  Wochenschrift. 


07 


Das  Ende  der  Caimstatt-Rasse.  —  Trotzdem  es 
für  die  meisten  deutschen  Antliropulogen  scliou  längst 
als  ausgemachte  Sache  gilt,  dass  der  Schädel  von  Cann- 
statt  nicht  diluvialen  Alters  ist,  sowie  dass  der  Neander- 
thalschädcl  —  abgesehen  davon,  dass  sein  hohes  Alter  gleich- 
falls unerwiesen  dasteht  —  eine  pathologische  Erscheinung 
ist,  macht  sich  das  J'hantasiegebilde  einer  Cannstattrassc 
noch  vielfach  in  der  anthropologischen  Litteratur  geltend. 
Bei  Gelegenheit  der  letzten  (XXIII.)  allgemeinen  Ver- 
sammlung der  deutschen  anthropologischen  (xcsellschaft 
zu  Ulm  wurde  diese  Frage,  da  sie  iur  die  Vorgeschiciite 
Württembergs  ein  speciciles  Interesse  besitzt,  noch  ein- 
mal vor  das  Forum  der  wissenschaftlichen  Welt  gebracht 
und  die  C'annstatt-Kasse  von  diesem  aus,  hoffentlich  end- 
gültig, zu  (irabe  getragen. 

Die  Wichtigkeit  der  Sache  veranlasst  uns,  unsere  Leser 
mit  den  hierbei  maassgebend  gewesenen  Gründen  ein- 
gebender vertraut  zu  maclien  als  <las  in  dem  Bericht  über  den 
genannten  Oongrcss  in  der  ..Naturw.  VVochenschr.'-  Bd.  All 
S.  387  geschehen  ist.  —  Bekanntlich  haben  der  der  For- 
schung erst  kürzlich  entrissene  bedeutende  Pariser  Anthro- 
pologe Quatrefages  und  sein  Landsmann  Hamy  in  ihrem 
Werke  ,,(!rania  ethnica"  (1872 — 1882)  drei  europäische  Ur- 
rassen  unterscheiden  zu  müssen  geglaubt:  die  von  Cannstatt, 
(mit  langem,  niederen  Schädel,  niittelgross,  eskimo-  oder 
australncgerartig),  die  von  Cro-Magnon  (langköpfig,  hoch- 
gewachsen, den  Guanchen  und  Kabylen  ähnlich  )"und  die 
von  Furfooz  (mittelköpfig  oder  kurzköpfig  klein,  den  Lappen 
ähnlich).  Gegen  diese  Eintheilung  sind  mancherlei  Be- 
denken geltend  gemacht  worden,  die  zu  dem  Satze  be- 
rechtigen, dass  dieselbe  heutzutage  ein  ül)erwundener 
Standpunkt  ist. 

Quatrefages  basirte  seine  Behauptung  von  der  Exi- 
stenz der  Canstattrasse  vorzüglich  auf  zwei  Schädelreste, 
die  diluvialen  Alters  sein  sollten,  die  Schüdeldecken  von 
Cannstatt  (bei  Stuttgart  in  Württemberg)  und  von  Neander- 
thal  (zwischen  Elberfeld  und  Düsseldorf).  Sehen  wir  zu, 
was  es  mit  diesen  für  eine  Bewandtniss  hat. 

Im  Jahre  1700  wurde  im  Nordosten  von  Canstatt, 
gegenüber  der  Uft'kirche,  unter  einem  Tuffsteinfelsen,  auf 
dem  sich  noch  eine  sechseckige  Ummauerung  befand, 
in  dem  Thon,  auf  dem  der  Tufi'  ruht,  ein  Mamnmthzahn 
gefunden,  der  weitere  Nachgral)ungen  an  dieser  Stelle 
zur  Folge  hatte.  Dieselben  förderten  eine  ganze  Reihe 
von  Thierknochen  zu  Tage,  die  mit  Recht  dem  Zeitalter 
des  Mammuth  angehören,  aber  keine  menschlichen  Knochen- 
reste, wie  ausdrücklich  bemerkt  wird,  trotzdem  man 
eifrig  bemüht  war,  solche  zu  finden.  In  der  Nähe  dieser 
Mauer  stiess  man  später  dann  auf  römische  Thonscherben, 
sowie  auf  ein  grosses  Gräberfeld  aus  der  Frankenzeit, 
wobei  man  überdies  die  Thatsache  feststellte,  dass  diese 
Reihengräber  unterhalb  der  Mammuthschicht,  wenngleich 
ganz  in  ihrer  Nähe  lagen.  —  Ueber  die  Provenienz  des 
fraglichen  Schädelstückes  nun,  auf  das  sich  Quatrefages 
beruft,  ist  nichts  Näheres  bekannt  geworden.  Dasselbe 
lag  seinerzeit  in  den  Sammlungen  des  Naturaliencabinets 
zu  Stuttgart  in  einer  Schachtel  verwahrt,  zusammen  mit 
(Jefässen  von  ausgesprochen  römischer  Arbeit  und  der 
kurzen  Bemerkung,  die  (iefässe  seien  am  6.  October  1700 
bei  Cannstatt  ausgegraben  worden.  Da  nun  dieser  Zeit- 
punkt mit  der  Ausgrabung  der  Mannnuthfunde  bei  der 
Uft'kirche  zusammenfällt,  so  mag  es  gekonnnen  sein,  dass 
Professor  Gustav  Jäger  in  Stuttgart  denselben  ohne 
weitere  Kritik  einfach  zu  dem  diluvialen  Funde  stellte 
und  als  einen  solchen  beschrieb.  Durch  diese  Notiz 
Jägers  wurde  Quatrefages  auf  dieses  Schädelstück  auf- 
merksam gemacht.  Eine  weitere  Folge  war  die,  dass  er 
dasselbe  als  charakteristisch  für  die  Beschaffenheit  des 
Menschen  zur  Mammuthzeit  hinstellte.  —  Die  Geschichte 


des  Schädelrestes  von  Cannstatt,  wie  wir  sie  soeben  wieder- 
gegeben haben,  beweist  indessen  zur  Genüge,  dass  sein 
diluviales  Alter  in  das  Reich  der  Fabel  zu  verweisen  ist. 

Aehnlich  verhält  es  sich  mit  der  Hirnschale  des 
Neandertlialers,  die  zu  wiederholten  Malen  Veranlassung 
zu  Iel)hatten  wissenschaftlichen  Discussionen  gegeben  hat. 
Wie  bekannt,  knüpft  sich  an  dieses  Schädelstück  noch 
ein  besonderes  Interesse  insofern,  als  man  in  ihm 
resp.  seinem  Repräsentanten  das  Bindeglied  zwischen 
Menschen  und  Anthropoiden  gefunden  zu  haben  glaubte. 
Diese  Hypothese  wird  aber  durch  den  höchst  zweifel- 
haften Ursi)rHng  dieses  Neanderthalschädcls  illusorisch 
gemacht.  Es  ist  njUnlieh  über  ihn  nichts  Näheres 
bekannt  geworden,  ob  er  sannnt  den  dazugehörigen  Ge- 
beinen dem  diluvialen  Lehme,  der  sich  zur  Zeit  der 
grossen  Säugethiere  gebildet  hat,  entstamme  oder  nicht. 
Die  erstere  Annahme  findet  in  verschiedenen  Lehrbüchern 
der  Anthropologie  noch  ihre  Vertreter.  Soviel  steht  in- 
dessen fest,  dass  Schädel  und  Gebeine  in  einer  Schlucht 
aufgefunden  wurden,  die  sich  zunächst  an  einem  Bergabhange 
durch  herabgekommenes  Wasser  gebildet  hat.  Wo  die 
einzelnen  Stücke,  die  verrauthlich  von  dem  Wasser  her- 
beigespült worden  sind,  vordem  gelegen  hatten,  weiss 
Niemand  anzugeben.  Quatrefages  und  seine  Anhänger 
haben  trotzdem  diesen  Schädel,  der  durch  seine  eigen- 
artige ISildung  sich  dem  der  Anthropoiden  nähert,  als 
Typus  der  Canstattrasse  hingestellt.  Beiläutig  sei  hier 
bemerkt,  dass  diese  angeblich  für  ihn  allein  charakteristi- 
schen ^lerkmale  sich  vereint  gleichfalls  auch  an  Schädeln 
der  Neuzeit  vorfinden.  Virchow,  S])rengel  und  Andere  haben 
nachgewiesen,  dass  die  allgemeine  Form  des  Schädels 
in  der  Fundgegend  desselben  sowohl,  als  besonders  in 
dem  alten  Friesland  weit  verbreitet  war  und  noch  heute 
ist;  Pruner-Bey  hat  dieselbe  Schädelbildung  an  zwei 
Zeitgenossen  beobachtet,  an  dem  Sohne  eines  franzö- 
sischen Marsehalls  und  an  einem  berühmten  italienischen 
Arzte;  Hamy  selber  erklärte  auf  dem  anthropologischen 
Congresse  zu  Brüssel,  dass  er  auf  den  Strassen  der  Stadt 
Leute  mit  ähnlicher  Schädelbildung,  wie  die  des  Neander- 
thales  gesehen  habe.  —  Uebrigens  erscheint  es  von  vorn- 
herein gewagt,  an  eine  blosse  Schädeldecke,  wie  die  des 
Neanderthales  es  ist,  weitere  Folgerungen  über  die  Ge- 
sammtbeschaft'euheit  des  Schädels  zu  knüpfen:  man  hat 
sogar  seine  Capacität  berechnet,  den  Unterschädel  recon- 
struirt  u.  a.  m.  Wie  Virchow  hierzu  richtig  bemerkt,  ist  eine 
kühne  Phantasie  im  Stande,  sich  aus  einer  Schädeldecke 
jedwede  Gesammtform  aufzubauen,  je  nachdem  dieselbe 
mehr  oder  weniger  horizontal  gehalten  wird.  Da  die 
Herkunft  des  uns  interessirenden  Schädels  eine  zweifel- 
hafte ist,  so  erscheint  es  überflüssig,  noch  weitere  Argu- 
mente gegen  die  Berechtigung,  in  ihm  den  Typus  einer 
Diluvialrasse  zu  erblicken,  ins  Feld  zu  führen. 

Um  indessen  das  Thema  zu  erledigen,  wollen  wir 
noch  die  Thatsache  hervorheben,  dass  der  Neanderthal- 
schädel  ein  pathologisches  Erzeugniss  ist.  Virchow 
hat  nämlich  den  Nachweiss  gebracht ,  dass  Schädel 
und  Gebeine  Spuren  von  allerlei  Krankhcitsvorgängen 
aufweisen,  die  ziemlich  weit  bis  in  die  Jugendzeit  zu- 
rückzureichen scheinen.  Es  ist  dies  die  Rhachitis  (eng- 
lische Krankheit),  ein  Krankheitszustand,  der  das  prädis- 
ponirende  Moment  für  eine  weitere  Krankheit  abgab, 
welche  den  Neanderthaler  in  späterer  Lebenszeit  be- 
troffen hat,  die  Gicht  (Arthritis  defunnaus).  Dieselbe 
besteht  in  einem  zumeist  schmerzlos  einhergehenden  ent- 
zündlichen Process  an  den  Gelenken,  der  Verdickungen 
in  denselben  und  Auswüchse  der  Knochen  zur  Folge  hat. 
Virchow  hat  in  zahlreichen  Knochen  des  Höhlenbären 
diese  Affection,  die  er  deshalb  als  Höhlengicht  bezeichnet, 
in    evidenter    Weise    nachweisen    können,    und    als    Ent- 


r>8 


Naturwissenscbaftlicbe  Wochensclivift. 


Nr.  7. 


stehungsursache  die  feuchte  Kälte  der  Höhlen  augeschuldigt. 
Ausserdem  zeigt  die  Neandcrthalschädeldecke  die  Spuren 
einer  mcclianischen  Verletzung,  die  sie  von  aussen  her  ge- 
troiifen  liat  und  nicht  ohne  Einfluss  auf  den  Ernährungs- 
vorgang der  Kuocheuniasse  geblieben  ist.  —  Ks  leuchtet 
ein,  dass  der  Schädel  eines  in  solchem  Grade  durch 
Krankheit  heimgesuchten  Individuums  nimmermehr  den 
Typus  für  eine  Rasse  abgeben  kann.  Das  Gebäude, 
welches  Quatrefages  und  seine  Anhänger  durch  Aufstellen 
der  sogenannten  Cannstattrasse  so  kunstvoll  errichtet  haben, 
fällt  somit  in  sicli  selbst  zusammen. 

Es  sei  erlaubt,  zum  Schlüsse  die  Bedenken  Virchow's 
auzufUhren,  die  derselbe  auf  dem  am  Eingänge  erwähnten 
Cougresse  ans  klimatischen  Gründen  gegen  die  Coexistenz 
des  Mammutli  und  Mensehen  erhoben  hat.  Virchow  giebt 
zu  bedenken,  dass  alle  Artefaete  ans  dieser  Zeit  auch 
aus  fossilen  Zäimen  und  Knoclien  herzustellen  sind.  Er 
ist  vielmehr  der  Ansieht,  dass  wir  über  die  Rennthier- 
fuude  noch  nicht  hinaus  sind,  und-  dass  diese  immer  noch 
die  ältesten  bleiben,  bei  denen  wir  die  Coexistenz  des 
Menschen  sicher  constatiren  können.  G.  15uschan. 


Beiträge    zur    Kenntiiiss    der    Couifereu  ■  Läuse, 

deren  Biologie  bekanntlich  äusserst  schwierig  zn  erforschen 
und  daher  noch  vielfach  dunkel  ist,  und  zwar  insbesondere 
zur  Kenntniss  der  Gattung  Lachnus  Jll.  giebt  N.  Cho- 
lodkovsky  im  „Zool.  Anz."  1892  S.  66  u.  73.  Bisher 
sind  oft'enbar  Formen  und  Geschlechter  einer  und  der- 
selben Art  als  verschiedene  Arten  beschrieben  worden, 
und  die  Frage,  ob  bei  allen  Lachnusarten  geflügelte 
Jlännehen  vorkommen,  ist  noch  keineswegs  gelöst.  Auch 
Zahl  und  Zeit  der  Generationen  sowie  Vorkommen  oder 
Fehlen  von  AVanderungen  keimt  man  noch  nicht  sicher. 
Verf.  behandelt  nun  genauer  drei  auf  der  Kiefer  und  der 
Fichte  lebende  Arten:  Lachnus  pini  L.  auf  der  Kiefer, 
imd  eine  Abart  auf  der  Arve,  L.  pineti  Fb.  auf  der 
Kiefer,  und  L.  farinosus  auf  der  lichte.  Bei  Allen 
kommen  geflügelte  Männchen  vor,  die  kleiner  als  die 
Weibchen  mit  und  ohne  Flügel  sind  und  längere  Fühler 
als  diese  haben. 

L.  i)ini  L.  lebt  auf  der  Rinde  der  Kiefer.  Nach  den 
in  der  Petersburger  Umgegend  angestellten  Beol)achtungen 
Cholodkovsky's  schlüpfen  die  Jungen  aus  den  schwarzen 
an  Kiefernadeln  angeklebten  Eiern  Anfangs  Mai  aus.  Sie 
bedecken  sich  bald  mit  weissem  Puderstaub  und  ähneln 
der  Rinde  ausserordentlich.  Im  Juni  waren  bereits  die 
jungen  Triebe  befallen;  um  ein  dickes  ungetiügeltes 
Weibchen  sassen  zahlreiche  kleinere  kahle  Thiere  herum. 
Bald  fanden  sich  unter  ihnen  Nymphen  und  kurz  darauf 
auch  geflügelte  Individuen.  Ausser  den  genannten  Weib- 
chen beflügeln  sich  allmählich  alle  Thiere  einer  Colonie 
und  fliegen  fort.  Sie  befallen  benachbarte  Kiefern,  sam- 
meln sieh  am  Grunde  des  obersten  Quirls  und  gebären 
hier  flügellose  Individuen,  die  sich  später  abwärts  am 
Baum  zerstreuen.  Später  fanden  sieh  einzelne  Exemplare 
mit  und  ohne  Flügel,  deren  Herkunft  nicht  genau  zu  be- 
stimmen war.  Von  Ende  August  ab  bis  in  den  Oetober 
hinein  fand  die  Ablage  der  Wintereier  statt,  die  anfangs 
gelb,  später  glänzend-schwarz  sind.  Hierbei  fanden  sich 
einzelne  geflügelte  Männehen  und  zahlreiche  grosse  Weib- 
chen. —  Die  Abart  (_var.  cembrae)  auf  der  Arve  ist  in 
einigen  Punkten  verschieden. 

L.  pineti  Fb.  lebt,  dicht  von  weissgrauer  Wolle  be- 
deckt, auf  den  Kiefernadeln.  Auch  hier  beginnt  die  Ei- 
ablage Ende  August,  die  Eier  sind  wie  bei  L.  pini  ge- 
färbt, und  die  Jungen  beginnen  Ende  April  auszusehlüjifen. 
Die  lebendiggebärenden  geflügelten  Weibchen  erseheinen 
Ende  Juni,   die  Männchen  um  den  1.  September. 


L.  farinosus,  eine  neue  Art,  lebt  auf  der  Rinde 
der  vorjährigen  Fichteuzweige,  und  zwar  auf  deren  Unter- 
seite. Ihre  reichlieh  entwickelte  Wolle  sammt  den  ab- 
geworfenen Häuten  bepudert  oft  die  Zweige  wie  nüt 
weissem  lAlehle.  Auch  hier  treten  im  Herbst  geflügelte 
JMännehen,  im  Frühjalu-  nngeflügelte  und  später  geflügelte 
vivipare  Weibehen  auf  C.  M. 


Ueber  den  schädlichen  Einfluss  von  wässerigen, 
im  Boden  beflndliclien  Lysollösungen  auf  die  Vege- 
tation, und  über  die  Wirksamkeit  der  Lysollösungen 
als  Mittel  gegen  parasitäre  rflanzenkranklieiten  liat 
unser  Mitarbeiter,  Dr.  R.  Otto,  im  pflauzenphysiologisehen 
Institut  der  Kgl.  Landwirthschaftlichen  Hochschule  Unter- 
suchungen (vergl.  Zeitsehr.  für  Pflanzenkrankheiten  Bd.  II 
S.  72 — SO)  angestellt.  —  Es  kam  bei  denselben  darauf 
an,  das  Verhalten  mehrerer  Pflanzen  gegen  verschiedene 
concentrirte,  wässerige  Lysollösungen  kennen  zu  lernen 
und  zwar: 

1.  den  Einfluss  von  wässerigen  Lysollösungen 
auf  Pflanzen  zu  erforschen,  wenn  diese  Lö- 
sungen vor  Beginn  der  Cultur  dem  Boden  ein- 
verleibt waren. 

2.  Die  Wirksamkeit  von  verschiedenen  coucen- 
trirten,  wässerigen  Lysollösungen  als  Mittel  gegen 
parasitäre  Pflanzen  -  Krankheiten  und  -Schäd- 
linge zu  erproben,  wenn  die  betreffenden  be- 
fallenen Pflanzen  mit  diesen  Lösungen  bestäubt 
wurden. 

3.  Den  Einfluss  der  verschiedenen  couceutrirten 
wässerigen  Lysollösungen  auf  Pflanzen  in  un- 
gleichen Entwicklungsstadien  zu  erforschen, 
wenn  sich  die  Pflanzen  nach  Art  der  so- 
genannten Wasserculturen  in  den  Lysollösungen 
entwickelten,  wobei  natürlich  neben  dem  Lysol 
auch  alle  anderen  für  ein  normales  Waehsthum 
nöthigen  Bedingungen  gegeben  waren.  — 

Im  Nachfolgenden  seien  die  Ergebnisse  der  Fragen 
1  und  2  kurz  mitgetheilt. 

Um  den  Einfluss  einer  wässerigen  Lysollösung  auf 
Pflanzen  kennen  zu  lernen,  wenn  die  Lösung  vor  P.eginn 
der  Cultur  dem  Erdboden  einverleibt  ist,  erschien  es 
zweckmässig,  zunächst  näher  zu  untersuchen,  wie  sich  eine 
öproeentige  wässerige  Lysollösung  hinsichtlich  desPflanzen- 
wachsthums  verhält,  wenn  diese  Lösung  einmal  direct  dem 
Boden  einverleibt  wird,  das  andere  Mal  aber  indirect  ein- 
wirkt, indem  nicht  der  Boden,  sondern  der  in  demselben 
zur  Verwendung  gekommene  Dünger  mit  einer  solchen 
Lysollösung  desinticirt  ist;  ob  in  allen  diesen  Fällen 
nicht  eine  Schädigung  des  Pflanzen  wachsthunis  auf  solchem 
Boden  herbeigeführt  wird. 

Die  Versuche  wurden  aus  besonderen  Gründen  in 
grossen  runden  Glasschalen  ohne  Bodenöftnung  mit  einem 
Innern  Durchmesser  von  38,5  ccm  und  einer  Höhe  von 
14  ccm  angestellt. 

In  die  Schale  A  wurde  zunächst  eine  5  cm  hohe 
Schicht  gewöhnlichen  Pferdedungs  gegeben  und  derselbe 
sodann  mit  4  Ltr.  einer  5  procentigen,  wässerigen  Lysol- 
lösung, entsprechend  2UU  ccm  conc.  Lysol,  gleichmässig 
durchtränkt.  Ueber  diese  Schicht  wurde  dann  eine  6  cm 
hohe  Lage  (=  8  1  Boden)  von  gröberen  Bestandtheilen 
wie  Holz ,  Steinen  etc.  vorher  befreiten  Gartenhumus 
gebracht. 

Die  zweite  Schale  B  war  hinsichtlich  des  Dunges 
und  Bodens  genau  in  derselben  Weise  wie  A.  vorbereitet, 
nur  fehlte  hier  die  vorgenannte  Lysollösung. 

Um  zu  erfahren,  wie  sieh  ein  Boden  ohne  Dung,  di- 
rect mit  Lysollösung  durchtränkt,  bezüglich  des  Gedeihens 


Nr.  7. 


Natiirwissciiscliaftliclic   Wonliensclirift. 


ßU 


der  Pflanzen  im  Vergieieh  mit  einem  gewöbnliclieii  nicht 
gedüngten  und  durclitriinktcn,  mit  Pflanzen  bestandenem 
Boden  verhält,  wurde  in  einer  dritten  Sehale  C  eine  9  cm 
hohe  gleichmässige,  abgesiebte  Iluniusscliicht  (ca.  8  1 
Boden)  gebracht,  und  der  Boden  sodann  mit  2  1  einer 
.0  procentigen  wässerigen  Lysollüsnng  (^=  100  ccm  conc. 
L3S0I)  durchtränkt.  Daneben  wurde  eine  andere  Schale 
D  nur  mit  dem  (iartenhumus,  ohne  Lysolliisung,  sonst 
genau   wie  C  beschickt. 

Diese  vier  Schalen  blieben  zunächst  zwei  Tage  lang 
im  Freien  stehen,  damit  sieli  der  in  denselben  betindliche 
Boden  erst  etwas  mit  den  Lysollösungen  resjj.  bei  den 
lysolt'reienSehalen  mit  dem  diesen  vorher  zugesetzten  Wasser 
dnrehtränken  sollte.  Dann  wurde  am  1.  Juni  der  Boden 
sämmtlicher  vier  Schalen  quadrantenweis  genau  überein- 
stimmend mit  Bohnen,  Jlais,  Hafer  und  Weizen  besäet, 
indem  stets  dafür  Sorge  getragen  wurde,  dass  es  den  sich 
entwickelnden  .jungen  Pflanzen  weder  an  Feuchtigkeit, 
noch  an  Licht  und  Wärme  und  sonstigen  Lebensbedin- 
gungen gebrach.  Die  Culturen  standen  während  der 
ganzen  ^'ersuchsdauer  im  Freien,  nur  einige  Male  nuissten 
dieselben  in  das  Kalthaus  gebracht  werden,  um  vor  allzu 
starkem  Regen  geschützt  zu  werden,  da  ja  aus  den 
Schalen  kein  Abfluss  des  übermässigen  Regenwassers 
möglich  war.  Sonst  waren  die  Entwieklungsbedingungen 
der  Pflanzen  die  gleichen  wie  im  freien  Lande. 

Auf  die  im  Original  (Zeitschr.  für  Pflanzenkrank- 
heiteu  Bd.  II  S.  74  u.  flg.)  näher  mitgetheilten  einzelnen 
Beobachtungen  während  der  Versuehsdauer,  kann  hier 
nicht  ausführlich  eingegangen  werden,  es  sei  zu  diesem 
Zweck  auf  das  Original  verwiesen,  hervorgehoben  sei  nur, 
dass  in  der  Sehale  C,  wo  alsct  der  Boden  direct  mit  der 
Lysollösung  durchtränkt  war,  selbst  nach  23  Tagen  noch 
keine  Pflanze  aufgegangen  war,  während  bei  den  übrigen 
Schalen  nach  S — 14  Tagen  sich  sännntliehe  Pflanzen  mehr 
oder  weniger  gut  entwickelt  hatten. 

Im  Allgemeinen  zeigten  die  \'ersuchc,  dass  das  Lysol, 
wenigstens  bei  dieser  Menge  und  Concentration,  ein 
starkes  Oift  für  den  Boden  und  somit  auch  für 
die  Vegetation  ist,  welche  direct  oder  indirect 
mit   solchen  Lösungen  in   Berührung  kommt. 

Der  Boden,  welcher  direct  mit  einer  öproceutigcn 
wässrigen  Lysollösung  inticirt  war,  vermochte  absolut 
keine  Pflanzen  hervorzubringen;  es  war  hier  meist  noch 
nicht  einmal  Keinunig  eingetreten,  sondern  die  Samen  in 
diesem  Boden  verfaiüt.  Lysol  ist  also  für  das 
Pflanzen  wachsthum  in  hohem  Grade  schädlich, 
wenn  es  direct  dem  Boden  einverleibt  wird. 

Die  Pflanzen  in  der  Schale  A,  wo  der  Dünger  mit 
der  Lysollösung  desinflcirt  war,  blieben  in  den  ersten 
drei  Wochen  vorübergehend  gegen  die  anderen  zurück, 
sie  erholten  sich  dann,  so  dass  in  der  dritten  bis  sechsten 
Woche  kaum  ein  merklicher  Unterschied  gegenüber  den 
anderen  Culturen  zu  constatiren  war.  Von  dann  ab  aber 
machte  sich  ein  ganz  auffallendes  Zurückbleiben  der 
Pflanzen  in  A  Ijemerkar,  welches  immer  mehr  zunahm, 
bis  schliesslich  die  Pflanzen  ganz  eingingen,  während  die 
übrigen  Culturen  sich  ganz  normal  weiter  entwickelten 
und  gute  Früchte  hervorbrachten. 

Also  auch  in  diesem  Falle,  wenn  das  Lysol 
nicht  zunächst  direct  mit  den  Samen  und  den 
jungen  Keimpflanzen  in  Berührung  ist,  wird 
mit  der  Zeit  durch  dasselbe  eine  Schädigung 
der  Vegetation  herbeigeführt  und  niuss  deshalb 
auch  hier  das  Lysol  als  ein  Gift,  wenn  auch 
nicht  so  stark  wirkend,  wie  im  ersteren  Falle, 
angesehen  werden.  — 

Um  die  Wirksamkeit  verschieden  eoneen- 
trirter  wässrig-er  Lysollösungen  als  Mitteigegen 


parasitäre  Pflanzenkrankheiten  und  -Schädlinge 
wenn  die  betreffenden  Pflanzen  mit  diesen  Lö- 
sungen bestäubt  werden,  zu  erproben,  diente  zu- 
nächst eine  0,25procentige  Lysollösung  (0,25  gr  conc. 
Lysol  auf  100  ccm  dest.  Wasser).  Dieseli)c  wurde  mittelst 
eines  sogenannten  Zerstäubers  als  ganz  feiner  Sprühregen 
Pflanzen  (Dracaena  ruba,  Vicia  Faba),  welche  von  para- 
sitären Thieren  stark  befallen  waren,  aufgespritzt. 

Die  Ergebnisse  dieser  Versuche  waren  im  Wesent- 
lichen negativ  d.  h.  während  die  Parasiten  (weisse, 
wachsausscheidende  Läuse  und  schwarze  Läuse  (Aphis 
viciae  Kalt.j  meist  gar  nicht  von  dieser  Lösung  behelligt 
wurden,  machten  sieh  allniälilich  an  den  Pflanzen  (Dra- 
caena rubra)  besonders  bi'i  Anwendung  einer  0,5proeen- 
tigen  Lösung,  bedenkliche  Krankeitserscheinungen  bemerk- 
bar, so  dass  es  geboten  erschien,  diese  Bespritzungen 
nach  einiger  Zelt  einzustellen.  —  Bei  Anwendung  einer 
2  procentigen  Lösung  zu  dem  genannten  Zwecke  waren 
bei  Vicia  Faba  naeii  24  Stunden  zwar  die  meisten  Para- 
siten todt,  doch  waren  gleichzeitig  die  Pflanzen  sehr  stark 
von  der  Lysollösung  angegriffen.  Die  Blätter,  welche 
von  der  Lysollüsung  g-etroffen  waren,  erschienen 
nach  24  Stunden  an  den  Rändern  sehr  stark  zu- 
sammengetrocknet und  geschwärzt,  gleichsam 
als  ol)  sie  verbrannt  wären.  Auch  die  Neben- 
blätter an  den  Blattstielen  hatten  das  gleiche 
Aussehen,  ebenso  sahen  die  Blüthen  ganz  schwarz 
und  versengt  aus.  Die  Pflanzen  waren  nach 
dieser  Behandlung  überhaupt  nicht  mehr  lebens- 
fähig. 

Es  ist  also  auch  in  diesem  Falle  eine  2pro- 
centige  wässerige  Lysollosuug  ein  sehr  starkes 
Gift  für  die  i'flanzen,  (wenigstens  für  Vicia 
Faba),  welches  dieselben  schon  in  24  Stunden 
zu  Grunde  zu  richten  vermag,  ohne  dass  der 
erwartete  Erfolg,  sich  der  Parasiten  zu  er- 
ledigen, zur  Zufriedenheit  erreicht  wird.  x. 


Plötzliche  Aeiiderniig  im  Aussehen  des  Kometen 
Holmes.  —  In  der  am  17.  .Januar  abgeschlossenen  Xummer 
3145  der  „Astronomischen  Nachrichten"  Ijerichtet  Prof. 
Krüger   Folgendes: 

.,Die  Centralstelle  iKiel)  erhielt  am  16.  d.  M.  Abends 
9  Uhr  nachstehendes  Telegramm  aus  Wien:  , Komet 
Holmes  soeben  7  Uhr  gleicht  Fixstern  achter  Grösse  mit 
Nebelhülle  von  20  Bogenseeundeu  Durchmesser.  Palisa.' 
Diese  merkwürdige  Beobachtung  wurde  seitens  der  Gesell- 
schaft sofort  durch  Telegramm  weiter  gegeben.  (Ueicli 
danach  klärte  sich  hier  der  Himmel  für  kurze  Zeit  auf  und 
Professor  Lanip  konnte  die  Beobachtung  von  Dr.  Palisa 
bestätigen,  ohne  dass  indessen  eine  Positionsbestinnnung 
erlangt  werden  koinite."   — 

Der  Komet  ist  übrigens  auch  am  5.  und  6.  .lanuar 
von  Dr.  Kobold  am  ISzöll.  Refractor  der  Kaiserl.  Uni-. 
versitäts-Sternwarte  in  Strassburg  beobachtet  worden.  Er 
erschien  danuris  als  blasser  Lichtfleck  von  zwei  Bogen- 
minuten  Ausdehnung,  der  nur  schwach  zu  erkennen  war. 
Die  Beobachtung  am  G.  war  ausserdem  noch  durch  einen 
Stern  15.  Grösse,  der  dem  Kometen  nur  um  dreissig 
Bogenseeunden  vorausging,  gestört.  (irs. 


Ueher  das  Spectrnm  des  Kometen  Holmes  macht 
der  Direetor  des  Potsdamer  Observatoriums,  Professor 
H.  C.  Vogel,  in  den  ..Astronom.  Nachrichten''  (No.  3142), 
vom  5.  Januar  d.  J.,  folgende  Mittheilung. 

Der  Komet  war  am  13.  November  1892  heller  als  der 
Andromedanebel,  und  trotzdem  war  es  nicht  möglich,  mit 
einem  grösseren,  am  llzöU.  Refractor  angebrachten  Spec- 


;o 


Naturwisscuschaftliclie  Wocbcnscbrift. 


Nr. 


tralapparat  mit  einfachem  Flintiilasprisma  vou  60° 
brechendem  Winkel  aucli  nur  die  g-eringste  Spur  eines 
Spectrums  zu  erkennen.  Später  Avurde  an  demselben  Tage 
der  Komet  pbotograpbirt,  und  es  gelang  Herrn  Vogel, 
mit  einem  an  dem  9zöll.  Leitfernrohr  des  jthotographischen 
Refractors  angebrachten  Ocularspectroscope  mit  sehr 
schwacher  Zerstreuung  das  Vorhandensein  eines  schwachen 
vollkommen  continuiriicben  Spectrums  nachzuweisen.  In 
diesem  war  indessen  keine  Andeutung  der  sonst  für  die 
Kometenspectra  charakteristischen  Bänder  wahrzunehmen, 
Das  Spectruni  hatte  eine  Ausdehnung  etwa  von  D  bis  /<', 
d.  i.  etwa  über  rund  das  zweite  Viertel  des  sichtbaren  Spec- 
trunis;  sein  Intensitätsmaximum  lag  im  Gelbgrüneu.  An  den 
folgenden  Tagen  war  keine  Veränderung  des  Spectrums  zu 
bemerken.  Dasselbe  bildet  somit  eine  Abweichung  von 
allen  l)isher  beobachteten  Kometenspectren,  in  denen  stets 
wenigstens  das  heilste,  im  Grün  gelegene  Band  des  Kohlen- 
wasserstoffspectrums, meist  aber  zwei  bis  drei  Bänder 
dieses  Spectrums  sichtbar  waren,  welche  das  continuirliche 
Spectrum  an  Intensität  beträchtlich  übertrafen.  Professor 
Vogel  ist  der  Ansicht,  dass  die  einfachste  Erklärung  für 
dieses  abweichende  Verhalten  des  Spectrums  von  Komet 
Holmes  in  der  grossen  Periheldistanz  des  letzteren  zu  suclien 
sein  dürfte.  Grs. 

Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben. 

Es  wurden  ernannt:  Der  Diroctor  des  Museums  für  Völker- 
kunde an  der  Univei-sität  zu  Kiel,  Oberlehier  Dr.  Scheppig 
zum  Professor.  —  Der  ausserordentliche  Professor  in  der  raedi- 
cinischen  Fakultät  der  Universität  Berlin  Dr.  Gustav  Fritsch 
zum  Geheimen  Medieinal-Rath. 

Die  Mittheiluno-  der  Ernennung  des  Dr.  Brieger  zum  Pro- 
fessor ist  irrthümlieh. 

Es  ist  gestorben:  In  Bamberg  der  Ethnologe  und  vormalige 
Lyzeal-Professor  Andreas  Haupt. 


L  i  1 1  e  r  a  t  u  r. 

Adalbert  Breuer.   Die  Logaritlimen  complexer  Zahlen  in  geo- 
metrischer Darstellung      Preis  O.r.O  M 

._,    Die    goniometrischen    Functionen     complexer    Winkel. 

Preis  1   M. 
— . — ,  Imaginäre  Kegelschnitte.     Preis  1   M. 
— .  — ,    Die    einfachste  Lösung    des  Apollinischen  Tactionspro- 

blemes.  l'n-is  l,.')ii  M. 
— . — ,  Ueber  Conographie.  l^reis  1  M.  —  Verlag  von  Bodo  Bac- 
meister.  Erfurt  1892. 
In  den  oben  genannten  Scdirifteu  beschäftigt  sich  der  Ver- 
fasser mit  der  geometrischen  Darstellung  der  complexen  Zahlen 
und  mit  der  Bedeutung  der  Imaginären  in  der  Geometrie.  Ohne 
hier  näher  auf  den  Inhalt  der  einzelnen  Schriftchen,  denen  Figuren- 
tafeln beigegeben  sind,  einzugehen,  erwähnen  wir  nur  besonders  aus 
dem  an  letzter  Stelle  genannten  Hefte  die  Beschreibung  eines 
Universalconographen,  d.  h.  eines  Instrumentes,  mit  dessen  Hilfe 
sich  alle  Kegelschnitte  zeichnen  lassen,  und  zwar  in  der  Art, 
dass  der  Kegelschnittzirkel  sich  in  Curven  bestimmter  Gestalt 
und  von  vorgeschriebener  Grösse  einstellen  lässt.  Daran  schliesst 
sich  noch  die  Beschreibung  specieller  ("'onographeu,  die  für  die 
besonderen  Kegelschnitte  (Ellipse,  Hyperbel,  Parabel  angepasst 
sind.  Inwieweit  die  Entwürfe  zu  diesen  Instrumenten  sowie  die 
in  den  übrigen  Heften  enthaltenen  Ergebnisse  neu  oder  von  Werth 
sind,  mag  au  dieser  Stelle  unentschieden  bleiben.  A.  G. 


Comptes  Rendus  Hebdomadaires  des  Seances  de  l'acad. 
des  Sciences.  Band  IIG,  \o.  1.  Paris  1893.  —  Der  Iiilialt  weist 
eine  ßeihe  von  Mittheiluugen  auf,  von  denen  folgende  genannt 
seien:  G.  Le  Cadet:  Beobachtungen  über  den  Brook'schen  Ko- 
meten (19.  Nov.  1892)  auf  dem  Observatorium  zu  Lyon.  E.  Ja- 
blonski:  Ueber  eine  neue  Methode  der  Nährungswerthe. 
E.  M erradier:  Ueber  das  allgemeine  Gesetz  der  Schwingungs- 
bewegung in  einem  isotropen  Medium.  Henry  Bagard:  Ueber 
die  thermo-elektrischen  Erscheinungen  zwischen  zwei  Elektrolyten. 
Wallerant:  Ueber  das  Alter  der  frühesten  Aetna-Eruptionen. 
In  welcher  Periode  die  ersten  Ausbrüche  des  Aetna  erfolgt  sind, 
ist  unbestimmt.  Die  ältesten  bekannten  vulcanischen  Producte 
des  Berges  sind  die  Basalte,  welche  rings  um  seinen  Fuss  unter 
Strömen  echter  Lava,  z.  B.  bei  Palermo,  la  Motta,  Aci  Castello 
und  Ileall  vorkommen.  Aus  dem  Verhalten  dieser  alten  Basalte 
zu  gewissen  Thonen,  z.  B.  auf  den  Cycloden-Eilanden,  lässt  sich 
der  Schluss  ziehen,  dass  der  Aetna  während  des  Plaisanciens,  un- 
teren Pliocaens.  bereits  Schauplatz  heftiger  vulcanischer  Thätig- 
keit  war.  F.  K. 

Jahresbericht  der  geographischen  Gesellschaft  in  München 

für  18'JO  und  1891  (14.  Heftj.  Herausgegeben  von  Dr.  Eugen  Ober- 
hummer. Theodor  Ackermann  in  München  1892.  —  Das  Heft  bringt 
b  Abbandlungen:  Siegmund  Günther,  Die  Entwicklung  der 
Lehre  vom  gasförmigen  Zustand  des  I']rdinneru;  Ernst  Liuhardt, 
Ueber  unterseeische  Flussrinneu  (mit  2  Tafeln);  Friedl  Martin, 
Reise  nach  den  Battakländern  und  an  den  Tobasee;  Eugen  Ober- 
hummer, Zwei  handschriftliche  Karten  des  Glareanus  in  der 
Münchener  Universitätsbibliothek;  Karl  Dühinig,  DerBergAthos 


Mittheilungen    des   Vereins   für  Erdkunde    zu  Halle  a.  S. 

Zugleich  *  Irgan  des  Thüringisch-Sächsischen  Ge.sammt-^'ereins  für 
Erdkunde  1892.  Verlag  von  Tauseh  u.  Söhne.  Halle  a.  S.  1892. 
—  Pi'eis  5  Mk.  —  Das  vorliegende  Heft  bringt  die  folgenden  Ab- 
handlungen: Anglist  Mertens,  Die  südliche  Altmark.  —  Albert 
Danckwortt,  Die  Temperaturverhältnisse  Magdeburgs.  —  Otto 
Lange,  Die  Temperaturverhältnisse  Gardelegons.  —  Wilhelm 
Schulte,  Ibrahim  ibn  .Ja'qübs  Reiseiinie  durch  die  heutige  Pro- 
vinz Sachsen  nach  Böhmen.  —  Hermann  Grössler,  Führer 
durch  das  Unstrutthal  von  Artern  bis  Naumburg,  I.  Theil  (nebst 
einer  Karte  und  einer  Tafel  mit  Grundrissen).  —  Johann  Kl  oos, 
Die  Höhleu  des  Harzes  und  ihre  Ausfüllungen.  —  Karl  Picard, 
Die  Einwirkung  der  in  Nord-Thüringen  anstehenden  Gesteine  auf 
die  Bodengestalt iing.  —  Hermann  Töpfer,  Phänologische  Beob- 
achtungen in  Thüringen  1891  (11.  Jahr).  —  Otto  Koepert, 
Phänologische  Beobachtungen  aus  dem  Ostkreise  des  Herzogthums 
Sachsen-Altenburg  1891  (2,  ßeobachtungsjahr).  —  Otto  Koepert, 
Die  Forstwirthsehaft  im  Herzogthum  Sachsen-Altenburg.  —  Willi 
Ule,  Die  Mansfelder  Seen.  Bei'icht  über  die  gegenwärtigen  Ver- 
änderungen. 

Molien,  Th.,  Ueber  Svsteme  höherer  complexer  Zahlen.     Dorpat. 

2  M. 
Philippi,  F.,  u,  R.  A.  Philippi,  Botanische  Abhandlungen.  Leipzig. 

4  M. 
PhilipiJi,  E..  A.,    Be:uerkungen    über    die  Flora    bei    den    Bädern 

von  t'hillan,     Berlin.     1  M. 
— .  — .  Der  Guenuil  der  Chilenen.     Leipzig,     2,.j0  M. 
Fictet,  A.,  et  H.  de  Saussure,  Iconographie   de  quelques  Saute- 

relles  vertes.     Basel,     -t  M. 
Pöhlmann,  R.,  Mineralogische  Mittheilungen.     Berlin.     0,G0  M. 
Prym,    F.,    Ueber    orthogonale,    involutorische    und    orthogonal- 

iiivnlutorische  Substitutionen.     Göttingen.     2,60  M, 
Rebel,  H.,    Beitrag    zur  Microlepidopterenfauna    des   canarischen 

Archipels.     Wien.     3  M. 
Rehberg,   H.,    Neue    und   wenig   bekannte   Korallen.     Hamburg. 

li.  .M. 
Reiche,  C,  Ueb.  habituelle  Aehnlichkeiten  generisch  verschiedener 

I'Hanzen.     Berlin.     0,60  M. 
Reichenbach  til.,  H.  G.,  Xenia  orchidacea.     Leipzig.     8  M. 
Richter's,  V.  v,,   Lehrbuch   der   anorganischen   Chemie.      7,  Anfl, 

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Inhalt:  Georg  Meyer:  Die  Geologie,  eine  Lehrmeisterin  des  19.  Jahrhunderts.  —  Prof.  Dr.  Wilhelm  Sievers:  Die  Umrisse  von 
Asien.  (Mit  Abbild.)  —  Das  Ende  der  Cannstatt-Rasse.  —  Beiträge  „zur  Kenntniss  der  Coniferen-Läuse".  —  Ueber  den  schäd- 
lichen Eiutluss  von  wässerigen,  im  Boden  befindlichen  Lysollösungen  auf  die  Vegetation,  und  über  die  Wirksamkeit  der  Lysol- 
lösungen als  Mitlei  gegen  parasitäre  Pflanzenkraukheiten.  —  Plötzliche  Aenderung  im  Aussehen  des  Kometen  Holmes.  —  Ueber 
das  Spectrum  des  Kometen  Holmes.  —  Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben.  —  Litteratur:  Adalbert  Breuer:  Die  Logarithmen 
complexer  Zahlen  in  geometrischer  Darstellung.  —  Derselbe:  Die  goniometrischen  Functionen  complexer  Winkel.  —  Derselbe: 
Imaginäre  Kegelschnitte.  —  Derselbe:  Die  einfachste  Lösung  des  Ajjollinischen  Tactionsproblemes.  —  Derselbe:  Ueber  Cono- 
graphie, —  Comptes  Rendus  Hebdomadaires  des  Seances  deT'acad.  des  Sciences.  —  Jahresbericht  der  geographischen  Gesell- 
schaft in  München.  —  Mittheilungen  des  Vereins  für  Erdkunde  in  Halle  a.  S.  —  Liste. 

Verantwortlicher  Redakteur:  Dr.  Henry  Potoniö,  Berlin  N.  4.,  Invalidenstr.  40/41,  für  den  Inseratentheil:  Hugo  Bernstein  in  Berlin.  — 
Vorlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12.  —  Druck:  G.  Bernstein.  Berlin  SW.  12. 


Nr. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


XIII 


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XIV 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr  7. 


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Professor  der  Zoologie   und  Vorsteher   der   zoologischen  Sammlungen  an  der 
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V*"^-^.^?*^       Redaktion:         7         Dr.  H.  Potonie. 
Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12,  Zimmerstr.  94. 


VIII.  Band. 


Sonntag,  den  19.  Februar  1803. 


Nr.  8. 


Abonnement:  Man  abonnirt  bei  allen  Bucbhandhiiigen  und  Post- 

anstaltcn,  wie  bei  der  Expedition.    Der  Vierteljahrspreis  ist  M  3.— 

Bringegeld  bei  der  Post  15  -J  extra. 


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Inserate :  Die  viergespaltene  Petitzeile  40  -Ä.    Grössere  Aufträge  ent- 
sprechenden Rabatt.  Beilagen  nach  üebereinljunft.  Inseratenannahme 
bei  allen  Annocenbureaux,  wie  bei  der  Expedition. 


Abdrnck  ist  nur  mit  vollsiitändiger  <^nellenang;abe  gestattet. 


Die  Geologie,  eine  Lehrmeisterin  des  19.  Jahrhunderts. 


Durch  die  Spectralaiialysc,  mit  deren  genialer  Er- 
findung in  der  Mitte  dieses  Jaln'liunderts  Kirclilioif  und 
Bungen  unser  Erkenntnissvermögen  in  grossartiger  Weise 
vergrösscrte,  konnte  die  Astronomie  iiacliwciscn,  dass  die 
ebeinisclien  Grundstoffe,  aus  welclicn  die  leuchtenden 
Weltkörpcr,  Sonne  und  Fixsterne  zusammengesetzt  sind, 
im  Allgemeinen  dieselben  sind,  welche  die  Erde  und  ihre 
Bewohner  zusammensetzen.  Von  den  ungefiihr  70  irdi- 
schen chemiseheu  Grundstoffen  sind  z.  B.  41  in  der 
glühenden  Sonnenatmosphiire  nachgewiesen  worden.  Einige 
auf  der  Erde  noch  unbekannte  Elemente  scheinen  indessen 
in  der  Sonne  vorhanden  zu  sein. 

Bei  dieser  Forschung  nach  der  Zusammensetzung  der 
Weltkör]n'r  k(mimt  nun  die  Geognosie  der  Astronomie  zu 
Hülfe.  Die  ans  dem  Weltraum  zur  Erde  herniederfallenden 
Meteoriten  oder  Aerolithen,  die  theils  aus  reinem  ge- 
diegenem Eisen,  theils  aus  Gesteinsmasse  bestehen,  sind 
allem  Anscheine  nach  Reste  zersprengter  Kometen,  welche 
angezogen  von  der  Erde  bei  dem  Eintritt  in  ihre  Atmo- 
spliäre  durch  die  zusaminengei)resste  Luft  glühend  werden 
nnd  daher  als  U'uchtende  Sternschnuppen  und  i\Ietcorcn 
erscheinen,  um  schnell  zu  den  bekannten  Meteorsteinen 
zu  erkalten.  Durch  ihre  wissenschaftliche  Untersuchung, 
welcher  sich  die  Geognosten  mit  Eifer  unterzogen,  ist  es 
also  möglieh,  in  die  Natur  fremder  Weltkörper  einen  Ein- 
blick zu  gewinnen.  Man  hat  in  ihnen  fast  ein  Drittheil 
der  auf  der  Erde  bekannten  Elemente  nachgewiesen,  und 
kein  einziges  bei  uns  unliekanntes  gefunden.  Eisen  ist 
das  verbreitetste  Element  in  den  Meteoriten,  Gold,  Silber, 
Platin  dagegen  fehlen  bisher  ganz,  Nickel  aber  ist  weit 
verbreiteter  als  auf  der  Erde.  —  Auch  die  Art  und  Weise, 
in  welcher  diese  Grundstoffe  in  den  Meteoriten  zu  Mine- 
ralien, nnd  diese  zu  Gesteinen  verbunden  sind,  entspricht 
im  Allgemeinen  den  Verhältnissen  auf  der  Erde:  Wir 
finden  in  den  ersteren  u.  a.  Augit,  Glivin,  Fcldsjjath, 
Quarz,   Magneteisen,    Graphit;    einzelne    Mineralien    sind 


Von  Dr.  Georg  Meyer. 
(Fortsetzung  und   Schluss.) 

auf   der    Erde    noch    unbekannt,    so    der    Asmanit,    eine 


leichtere  und  rhombisch  krystallisirende  Abart  des  (Quarzes, 
und  Nickeleisen.  Die  Gesteine,  zu  welchen  diese  Mine- 
ralien in  den  Meteoriten  vereinigt  sind,  entsprechen  zum 
Theil  unseren  vulkanischen  Olivingesteinen. 

Trotz  einiger  kleiner  Unterschiede  kommen  wir  also 
auch  hier  wie  bei  der  spectralanalj'tischen  Untersuchung 
zu  dem  Ergebniss,  dass  alle  Weltkörper  von  einer  ein- 
heitlichen Zusammensetzung  sind,  daher  ein  einheitliches 
Ganzes  bilden  und  eine  einiieitliclie  Entstehungsweise 
haben  müssen,  wie  es  bei  rein  speculativer  Forschung 
bereits  Kaut  behauptet  hatte. 

Von  ganz  bcsonilerer  und  geradezu  epochemachender 
Bedeutung  sind  die  Ergebnisse  der  Geologie  und  Geognosie 
für  das  geworden,  was  man  gewöhnlich  physische  Geo- 
graphie nennt.  Die  l'.cdeutung,  welche  die  geologische 
Betrachtung  für  die  sogenannte  Geographie  des  Thier- 
und  Pflanzenreichs  hat,  ist  bereits  vorher  angedeutet 
worden.  Für  die  physische  Geographie  des  festen  Erd- 
körpers, der  Erdfeste,  ist  die  Geognosie  aber  von  solcher 
Bedeutung,  dass  das  ganze  Gebiet  der  ersteren  erst  durch 
sie  zu  dem  Rang  einer  Wissenschaft  erhol)en  ist  uiid  ihr 
vollständig  einverleibt  werden  muss.  Denn  die  orographi- 
schcn  Erscheinungen,  die  Geliirge,  Berge,  Tliäler,  lloch- 
und  Tiefebenen  können  ohne  die  Kcnntniss  ihres  inneren 
gcognostischen  Baues,  ohne  die  Kcnntniss  der  Beschaffen- 
heit und  Lagernng  der  sie  zusammensetzenden  Gesteine 
in  ihrer  Gestalt  und  .\iisdclmung  gar  nicht  verstanden 
werden. 

Das  weite  russische  Flachland  steht  in  enger  ur- 
sächlicher Verbindung  mit  den  fast  überall  horizontal 
liegenden  Erdschichten  dieses  Gebietes;  das  aus  vielen 
parallelen  Ketten  zusammengesetzte Schweizer-Jura-Gebirgc 
findet  dagegen  eine  F^iklärung  in  der  Thatsaehe,  dass  die 
ursprünglich  horizontal  lagernden  .Sciiielitcn  der  .lura- 
formation,   welche  dieses  Gebirge  zusammensetzen,  durch 


72 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  S. 


einen   von    Südosten   her  wirkenden    Druck   in    viele  pa- 
rallele Falten  zusanniiengedriiekt  wurden. 

Schwarzwald  und  Voije^en,  zwei  parallele  Gebirge 
mit  steilem  Absturz  nach  der  Innenseite,  dem  Kheinthale, 
mit  sanfterem  Abfall  nach  den  Aussenseiten,  Wiirtemberg 
und  Lothringen,  erscheinen  bei  geologischer  Betrachtung 
als  eine  ehemals  zusammenliängende  Bodenanschwellung, 
welche  in  ihrer  Längsseite,  dem  jetzigen  Rheintlial  von 
Basel  bis  Heidelberg,  einen  Bruch  erlitt,  in  Folge  dessen 
das  ganze  Gebiet  an  dieser  Stelle  in  die  Tiefe  versank 
und  zur  Bildung  des  jetzigen  Rheinthaies  die  Veranlassung 
gab;  andere,  der  Hauptversenkung  parallele,  Brüche  ent- 
standen an  den  Aussenseiten  der  Bodenansehwellung,  an 
ihnen  sanken  die  Gesteiusmassen  in  geringere  Tiefe  hinab, 
im  Osten  zu  der  Würtembergischen,  im  Westen  zu  der 
Lothringischen  Tafel,  sodass  der  Schwarzwald  und  die 
Vogescn  als  isolirte  Gebirge  stehen  blieben.  Sie  bilden 
also  geologisch,  geognostiseh  oder,  was  daselbe  ist,  geo- 
graphisch ein  zusammengehörendes  Ganzes,  wie  sie  ja 
seit  20  Jahren  nun  auch  politisch  in  gewissem  Grade  ver- 
einigt sind. 

Aus  diesen  Bemerkungen  folgt  aber,  dass  eine  Land- 
"karte,  welche  nur  die  äusseren  Bodenformen,  die  oro- 
graphisehen  Verhältnisse  zur  Darstellung  bringt,  für 
wissenschaftliche  Zwecke  nicht  genügt,  erst  das  geognosti- 
sche  Farltenbild  kann  dem  Beschauer  eine  Erklärung  für 
die  Erscheinungen  der  Erdoberfläche  geben.  Daher  finden 
auch  in  fast  allen  civilisirten  Staaten  geognostische  Karten- 
aufnahmen statt.  Dass  diese  nicht  nur  einen  wissen- 
schaftlichen Werth  haben,  sondern  auch  für  die  Zwecke 
des  praktischen  Lebens,  wie  für  den  Bergbau,  die  Land- 
wirthsehaft.  Hoch-  und  Wegebau,  Eisenbahn-  und  Kanal- 
bau und  für  die  verschiedensten  Zweige  der  Volkswirth- 
schaft  von  Werth  sind,  beweist  unter  anderem  der  Umstand, 
dass  die  Vereinigten  Staateu  von  Nordamerika,  dieses 
überaus  praktische  Volk,  allen  anderen  Staaten  in  dem 
Aufwand  von  Mitteln  für  diese  Zwegke  voraus  sind. 

So  kommen  wir  auf  den  Einfluss,  welchen  die  Geo- 
logie auf  das  Menschenleben  und  die  Wissenschaft  an  ihm 
ausübt.  Li  Bezug  auf  Volkswirthschaft  und  Technik  ist 
dieser  soeben  angedeutet  worden.  Li  der  sogenannten 
politischen  Geographie  und  der  Geschichte  dürfte  ein 
solcher  wohl  auch  nachgewiesen  sein.  Es  ist  schon  oft 
hervorgehoben  worden,  dass  die  politische  Zerstückelung 
Deutsehlands,  sich  in  dem  bunten  geognostischen  Bau 
dieses  Landes  wiederspiegele;  das  schon  lange  politisch 
geeinigte  und  vollständig  eentralisirte  Frankreich  ist 
geognostiseh  verhältnissmässig  sehr  einfach  zusammenge- 
setzt, indem  es  hauptsächlich  in  zwei  grosse  Gebiete,  das 
Pariser  Becken  neptunischer  Schichten,  und  das  krystal- 
linische  Centralplateau  plutonischer  Gesteine  zerfällt. 

Für  die  Annahme  einer  Einwirkung  des  geognostischen 
Baues  des  Landes  auf  die  politisclie  Entwickelung  seiner 
Bewohner  lassen  sich  noch  andere  Tbatsachen  anführen. 
Wir  verweisen  indessen  diejenigen,  welche  sich  für  diese 
Frage  näher  interessiren,  auf  Bernhard  von  Cotta's  Werk 
über  „Deutschlands  Boden".  Es  genügt  hier  darauf  hin- 
gewiesen zu  haben,  dass  eine  geognostische  und  geolo- 
gische Betrachtungsweise  für  manche  Erscheinungen  des 
gegenwärtigen  und  vergangenen  Volkerlebeus,  für  manche 
Fragen  der  Ethnographie  und  Geschichte  Erklärung  uud 
Antwort  geben  könne.  Auf  die  sogenannte  Willensfreiheit 
des  .Menschen  werfen  diese  Beziehungen  ein  ganz  beson- 
deres Licht. 

Die  Weltgeschichte  stand  staunend  vor  der  von  ge- 
lehrten Aegyptologen  erkannten  Thatsache,  dass  die  Kultur 
Aegyptens  bis  zum  Jahr  6000  vor  Christus  zurückreicht.  — 
Nachdem    die   Geologie    der  Frage    nacli   dem  Alter  des 


Menschengeschlechts  und  seiner  Cultur  nahe  getreten  ist, 
erscheinen  diese  Resultate  der  humanistischen  Forschung 
in  keiner  Weise  auffallend. 

Im  Jahre  1854  wurden  im  Zürieiier  See  die  ersten 
Pfahlbauten  entdeckt:  in  den  Seeboden  eingerammte  Pfähle, 
auf  denen  sich  ehemals  menschliche  W(dinungen  befunden 
haben.  Heute  kennt  man  derartige  Ueberreste  alter  Cul- 
turen  nicht  nur  in  vielen  Schweizer  Seen,  sondern  auch 
in  Nord-  und  Süddeutschland,  in  Italien.  In  England  und 
Irland  waren  sie  schon  früher  bekannt.  In  einem  Fall 
konnte  das  Alter  dieser  Bauten  aus  der  Höhe  des  sie  be- 
deckenden Schlammes  zu  etwa  4000  Jahren  berechnet 
werden.  Aehuliche  von  Flusssehlamm  bedeckte  Cultur- 
reste  wurden  am  Genfer  See  gefunden  und  besitzen  nach 
geologischen  Berechnungen  ein  Alter  von  etwa  6000 
Jahren.  Im  Nildelta  hat  man  in  einer  Tiefe  von  60  Fuss 
menschliche  Reste  gefunden;  zur  Ablagerung  dieser 
Sehlammmasse  hat  aber  der  Nil  nach  geologischen  Be- 
rechnungen etwa  12  000  Jahre  nöthig  gehabt,  und  es  ist 
durchaus  denkbar,  dass  in  noch  grösserer  Tiefe  weitere 
Culturreste  vorhanden  seien.  Bei  New-Orleans  wurde  aus 
ähnlichen  Thatsachen  für  einige  Mensehenschädel  ein  Alter 
von  50  OOO  Jahren  berechnet. 

Andere  Funde,  besonders  in  Höhlen  gemachte,  haben 
zu  der  Ueberzeugung  geführt,  dass  der  Mensch  bereits 
Zeuge  jener  grossen  Vergletseherung  Mittel-Europas  ge- 
wesen ist,  welche  im  .Süden  von  den  Alpen,  im  Norden 
von  Skandinavien  her  stattgefunden  hat;  in -einer  Zeit  als 
noch  das  JMamniufh,  ein  riesiger  mit  Wollpelz  und  einer 
Mähne  versehener  Elephant,  der  Höhlenbär  und  der 
Riesenhirseh  unsere  Gegenden  belebten.  Nach  einigen 
Berechnungen  sollen  100  000  Jahre  etwa  seit  dieser  Zeit 
verflossen  sein.  In  Amerika  ist  der  Mensch  ebenfalls  zu- 
sammen mit  den  ausgestorbenen  diluvialen  Tiiieren,  dem 
Mastodon,  einem  Elephanten,  und  den  Riesenfaulthieren 
gefunden  worden. 


Wenn  die  angeführten  Zahlenangaben  auch  mit 
grosser  Vorsicht  aufgenommen  werden  müssen  und  in  keiner 
Weise  auf  Genauigkeit  Anspruch  machen  können,  so  steht 
doch  fest,  dass  das  Menschengeschlecht  bereits  seit  vielen, 
vielen  Jahrtausenden  auf  der  Erde  besteht.  Wenn  dieser 
Zeitraum  auch  nur  ein  Augenblick  genannt  werden  muss 
im  Vergleich  mit  der  unermesslich  langen  Dauer  pflanz- 
liehen und  thierischen  Lebens  auf  der  Erde,  so  erscheint 
er  doch  als  unvergleichlich  gross  zu  den  wenigen  Jahrtau- 
senden der  humanistischen  Geschichtsforschung.  Diese 
wird,  wenn  sie  auf  Wissenschaftliehkeit  Anspruch  erhebt, 
auch  die  prähistorische  Zeit  in  ihre  Betrachtung  ziehen 
müssen.  —  Wie  die  Sprachforschung  erst  zu  einer  Wissen- 
schaft erhoben  wurde,  seitdem  man  nach  Wilhelm  von 
Humboldt's  Vorgang  die  vergleichende,  naturwissenschaft- 
liche Forschungsweise  eingeführt  hat;  wie  die  von  Darwin's 
Geist  beseelte  Paläontologie  der  Thier-  und  Pflanzen- 
kunde erst  zu  voller  AVisseuschaftlichkeit  erhoben  hat,  und 
wie  Volks-  und  Staatswirthsehaftslehre  in  der  Statistik 
schon  lange  eine  naturwissenschaftliehe  Methode  besitzen 
—  so  können  Geschichte  und  Ethnographie,  welche  bis 
jetzt  in  der  Regel  nur  als  Sammlung  und  ursächliche 
Aneinanderreihung  der  einzelnen  Ereignisse  und  in  einer 
Wiederspiegelung  der  Einzelheiten  des  bestehenden 
Völkerlebens  bestehen,  zu  einer  Wissenschaft  erst  dann 
erhoben  werden,  wenn  sie  nach  Erkenntniss  von  allge- 
meinen, alles  beherrschenden  und  durchdringenden  natür- 
lichen Entwickelungsgesetzen  streben,  Thomas  Buckle, 
Friedrich  Ratzel,  Ludwig  Büchner,  u.  a.  haben  aus  ver- 
schiedenen Gesichtspunkten  mehr  oder  weniger  erfolgreiche 
Versuche  gemacht,  als  Pioniere  einer  solchen  neuen  Rich- 
tung zu  wirken. 


Nr.  8. 


Naturwisscnscliaftliehe  Wochensclirift. 


73 


Süsswasser- Aquarien. 

Von  Hermann  Lachinann. 


In  No.  23,  Band  III,  habe  ich  bereits  Einiges  über 
die  Seewasscr- Aquarien  im  Zimmer  gesagt,  da  es  aber 
iianicntHch  für  den  Hinneniands-Bewoliner  mit  manclierlci 
Umständen  verbunden  ist,  derartige  Anlagen  herzustellen 
und  zu  erhalten,  so  will  ieh  in  Nachstehendem  Aquarien 
behandeln,  deren  Herstellung,  Besetzung  und  Pflege  jedem, 
der  einiges  Interesse  für  die  Sache  hat,  leichter  ist. 

Zu  einem  Süsswasser-Aquarium  eignet  sich  jeder 
einigermaassen  geräumige,  durchsichtige  Behälter,  sobald 
er  den  Lebensbedürfnissen  der  zu  haltenden  Thicre  ent- 
sprechend eingerichtet  wird.  Schon  in  den  frühesten 
Zeiten  hielt  man  Fische,  Reptilien,  Amphibien  u.  a.  in 
mehr  oder  weniger  primitiven  Behältern  gefangen,  um 
selbige  zu  beobachten.  Nach  und  nach  wurden  diese 
Bebälter  immer  mehr  den  Lebensbedingungen  der  Tbiere 
angepasst  und  es  entstanden  so  unsere  Aquarien  und  Ter- 
rarien, in  welchen  wir  die  verschiedensten  Thierc  jahre- 
lang erhalten  und  beobachten  können. 

Da  nun  das  Wohlbetindeu  der  von  uns  gefangen  zu 
haltenden  Thierc  von  mancherlei  Umständen  abhängig 
ist,  so  muss  auf  die  Einrichtung  der  Behälter  besonders 
Rücksicht  gcnonnnen  werden;  wir  müssen  liestrebt  sein, 
die  Natur  soviel  als  möglich  nachzuahmen,  um  den  Existenz- 
bedingungen und  Lebensgewohnheiten  der  aufzunehmenden 
Thiere  und  PHanzen  gerecht  zu  werden.  Dies  erfordert 
zwar  einige  Mühe  und  Aufmerksamkeit,  lässt  sich  al)er 
sehr  wohl  durch  Anwendung  der  uns  zu  Gebote  stehenden 
Hilfsmittel  erreichen. 

Mit  der  Herstellung  von  Aquarien  i)eschäftigen  sich  be- 
reits mehrere  Fal)riken  und  es  sind  wohl  in  allen  grösseren 
Orten  Aquarien  in  verschiedener  Form,  Grösse  und  Aus- 
stattung zu  haben.  —  Die  einfachste,  aber  am  wenigsten 
zu  empfehlende  Form  ist  die  Kelch-  oder  Glockenform. 
Solche  Kelch  aquari  en  sind  in  jeder  grösseren  Glas- 
waarenhandlung  erhältlich,  auch  Käseglocken  grösster 
Nununer  lassen  sich  verwenden.  Kann  man  einen  sog. 
Schwefclsäureballon  aus  möglichst  hellem  (weissem)  Glas 
erhalten,  so  lassen  sich  aus  solchem  leicht  zwei  Aquarien 
herstellen,  indem  man  den  Ballon  theilen  lässt.  Da  aber 
diese  Ballons  sehr  dünnwandig  sind,  zerspringen  sie  sehr 
leicht,  was  ihrer  Anwendung  als  Aquarium  hindernd  im 
Wege  steht. 

Die  praktischsten  und  daher  empfehlenswerthesten 
Aquarien  sind  die  Kastenaquarien.  Da  hier  keine  ge- 
bogenen Wände  vorhanden,  so  zeigen  sich  die  aufge- 
nommenen Thiere  und  Ptianzen  in  ihrer  natürlichen  Ge- 
stalt. Diese  Kastenaquarien  werden  von  vier-,  sechs-  und 
achteckiger  Form  angefertigt.  Am  meisten  empfiehlt  sich 
die  länglich -viereckige  Form,  da  diese  am  leichtesten 
iierzustellen  ist,  die  wenigsten  Kitt-  und  Löthstellen  auf- 
weist und  daher  am  besten  wasserdicht  zu  erhalten  ist. 
Als  (irundprincip  gilt  im  allgemeinen  auch  hier,  dass  das 
Aquarium  I)reiter  als  hoch  ist,  um  eine  möglichst  grosse 
Wasserfläche  zu  erzielen,  auf  welche  die  Luft  gut  ein- 
wirken kann. 

Geeignete  Grössenverhältnisse  sind  folgende: 


Höhe  des 

ossc 

Länge 

Breite 

Höhe 

Wasserstandes 
etwa 

1 

100  cm 

80  cm 

80  cm 

70  cm 

y-^       rf 

2 

70   „ 

55   „ 

55    „ 

47    „ 

jä^-o  to  z 

3 

55   „ 

36   „ 

36   „ 

30   „ 

M  S  n  S  S 

4 
5 

40    „ 
32   „ 

30   „ 
25   „ 

30   „ 
25   „ 

25   „ 

20   „ 

c^  o)  c  «  53 

^3  ^ 

Kleinere  Behälter  als  Grösse  4  für  ein  gevvfihnliches 
Schauaquarium  zu  wälden,  ist  nicht  rathsam,  da  der  Raum 
dann  doch  zu  gering  wäre,  um  einige  Fische  und  i'flanzcn 
halten  zu  können.  Grösse  5  eignet  sich  als  Zuchtaquarinm 
für  ein  Pärchen  Paradiesfiscbe  (Macropodus  venustusi  oder 
für  ein  Pärchen  Sehleierschwanz-  oder  Teleskop -Gold- 
fische. Grössere  Behälter  als  (!r(")ssc  1  zu  wählen,  ist 
auch  nicht  zu  rathen,  da  je  grösser  der  Behälter,  je 
stärker  die  Scheiben  sein  müssen,  und  es  würden  sich  die- 
selben dann  sehr  thcuer  stellen.  Betreffs  der  Breite  gehe 
man  nicht  über  80  cm  hinaus,  da  man  andernfalls  in 
^'erlegenheit  kommen  könnte,  das  Aquarium  weder  zur 
Zimmerthür  hinein-  noch  hinausbringen  zu  können. 


Figur  I. 


Zum  Gestell  (Abb.  1)  der  Grössen  1,  2,  3  verwendet 
man  Winkeleisen  von  2 — 2V2  t'in  Breite,  für  die  Grösse  3 
kann  auch  starkes  (I4cr)  Zink  verwendet  werden,  für  die 
Grössen  4,  5  empfiehlt  sich  14er  und  12er  Zink  mehr  als 
Eisen.  Blech  (Weissbleeh)  oder  sonst  irgend  ein  anderes 
Material,  mit  Ausnahme  von  Schiefer,  ist  nicht  verwend- 
bar. Zum  Boden  {B,  Abb.  2)  muss  starkes  Zinkblech 
verwendet  werden,  dieses  wird  an  den  Seiten  bei  ff  recht- 
winklig nach  oben  umgebogen,  und  es  müssen  die  um- 
zubiegenden Seitcntheile  h  so  breit  sein,  als  man  die  lliihe 
der  Bodenfüllung  (Flusssand)  halten  will.  Es  cmjifehlcn 
sich  folgende  Höhen  der  Bodenfüllung,  Grösse  I:  15  cm, 
2:  12  cm,  3:  10  cm,  4:  8  cm,  5:  6  cm.  In  der  ent- 
sprechenden Höhe   lässt  man  rund  herum  um  das  Gestell, 

bei  a  Abb.  1 ,  ein 
Flacheisen-  res]),  bei 
kleineren  ein  Zink- 
band von  2 — 1'  .,  cm 
Breite  geben,  mit 
welchem  die  Ränder 
\o\\  Ji,  Abb.  2,  ver- 
löthet  werden.  Beim 
Umbiegen  des  star- 
ken Zinkbleches  B 
ist  darauf  zu  achten, 
dass  es  nicht  zu 
scharfkantig  ge- 
bogen wird,  damit 
Das  ganze  Aquarium  ruht  der 
Holzboden  von  1 — 2  cm 
werden  zwei,    bei 


l   ^ 


a- 

b 


Figur  2 


es  keine  Brüche  bekonnnt 
Haltbarkeit  wegen  auf  euiem 
Stärke.  Unterhalb  dieses  Holzbodens: 
sehr  grossen  langen  Behältern  auch  drei  Querleisten, 
ca.  5  cm  breit,  2V2  cm  stark,  hochkantig  eingescho- 
ben, nicht  blos  untergeschraubt  oder  genagelt.  Diese 
Leisten  \  crhindei'n  dass  sich  das  Bodcnbrett  verzieht,  und 
bilden,  indem  sie  vorn  und  hinten  ausgekehlt  werden, 
gleichzeitig  die  Füsse  des  A(piariuius.  Sie  lassen  ge- 
nügend Zwischenraum  zwischen  Acpiariumboden  und  Tisch- 


74 


Naturwissenschaftliclic  Wochenschrift. 


Nr.  8. 


platte,  nm  die  Verbiiulungsschläuclie  zum  Zuflussrolir 
eiues  etwa  anzAibringeiulcn  Spriugbrnnnens  und  dem  dazu 
gehörigen  Wasserstandsrohr  anbringen  zu  k('innen. 

Zum  Einkitten  der  Scheiben  liat  sich  nacli  meiner 
langjährigen  Erfahrung  Mennige-Kitt  am  besten  bewährt. 
Derselbe  wird  aus  gut  geklopfter  rother  Mennige,  Firniss 
und  Siccativ  zusammengesetzt.  Der  Kitt  darf  nicht  zu 
fest  (steif)  gemacht  werden,  sondern  muss  Faden  ziehen, 
au  den  Fingern  kleben  bleiben.  Von  mehreren  Seiten 
werden  zum  Einkitten  der  Scheiben  sehr  complicirte  Ecken 
im  Gestell  empfohlen,  welche  ich  aber  aus  eigener  viel- 
seitiger Erfahrung  als  sehr  unpraktiscli  verwerfen  muss, 
denn  wenn  eine  solche  Ecke  erst  einmal  leck  wii'd,  so 
hat  die  Freude  ein  Ende,  man  hat  seine  liebe  Xoth,  diese 
wieder  dicht  zu  bekommen,  und  gewöhnlich  zerbrechen 
bei  diesen  Versuchen  einige  Sclieiben.  Da  haben  sich 
meine  gewöhnliehen  Winkelecken  denn  doch  besser  be- 
währt; das  Einkitten  der  Scheiben  geht  bei  diesen  sehr 
leicht;  sehr  selten  oder  fast  niemals  kommen  lecke  Stellen 
vor.  Sollte  dieser  Fall  nach  Jahren  doch  einmal  ein- 
treten, wenn  z.  B.  das  Aquarium  längere  Zeit  leer  ge- 
standen, so  ist  es  sehr  leicht,  schadhafte  Stelleu  auszu- 
bessern. Ich  lasse  die  Winkelecken  (1 — 4,  Abb.  1)  im 
Gestell,  wie  sie  sind,  und  bringe  keine  übergreifenden 
Falze  etc.  au,  belege  nur  die  in  die  Ecke  gedrückte  Kitt- 
wulst, gegen  welche  die  Scheiben  anliegen,  in  allen  Ecken, 
auch  am  Boden  entlang,  mit  entsprechend  breiten  Streifen 
gewöhnlichen  Fensterglases.  Hierdurch  erziele  ich  gleich- 
zeitig den  wohl  zu  beachtenden  Vortheil,  dass  sehr  wenig 
Kitt  mit  dem  Wasser  in  Berührung  kounnt.  Aus  der  im 
Grundriss  (Abb.  3)  beigegebenen  Zeichnung  wird  die  Her- 
stellung der  Ecken  klar  werden.  Vor  dem  Einkitten  der 
Scheiben  wird  das  Gestell  zweimal  mit  Oelfarbe  ge- 
strichen, die  Kanten  der  Scheiben,  welche  mit  dem  Kitt 
in  Berührung  kommen,  sowie  die  Glasstreifen  c  von  einer 
Seite  ebenfalls,  erst  nachdem  der  jedesmalige  Anstrich 
völlig 

Die  Winkel  werden  mit 
einer  ca.  3 — 5mm  starken 
Schicht  Kitt  belegt,  in 
die  Ecken  noch  eine  ent- 
sprechend starke  Kitt- 
wulst gedrückt,  dann  die 
Scheiben  senkrecht  ein- 
gesetzt und  gleichmässig 
angedrückt.  Der  hervor- 
quellende Kitt  wird  ab- 
gestrichen, glatt  gemacht, 
von  aussen  abgeschrägt. 
Hierauf  füllt  man  das 
Aquarium  ganz  voll  Was- 
ser, naclidem  man  es  vor- 
her auf  einen  gut  ge- 
rade stehenden  Tisch  etc. 


trocken,    können    die  Scheiben  eingesetzt  werden. 


Eigur  3.    Grundriss  der  Ecken, 
o  =   Winkel    des   iJesteUes.   —   b   = 
Scheiben.  —  K=  Kitt.  —  c  =  der  über- 
tretende Grlasstreifen. 


gesetzt  hat. 


Das  Gewicht  des  Wassers  bewirkt  ein  völlig 


gleichmässiges  Andrücken  der  Scheiben.  Nun  wird  das 
Wasser  mittelst  eines  Schlauches  (Saugheber)  abge- 
lassen, der  etwa  noch  hervorgequollene  Kitt  nochmals 
glattgestrichen,  worauf  man  das  Aquarium  3 — 4  Wochen 
an  einem  luftigen,  trockenen  Grt  stehen  last,  damit  der 
Kitt  erhärtet.  Während  dieser  Zeit  des  Trocknens, 
nach  etwa  14  Tagen,  kann  man  dem  Aquarium  den 
äusseren  Anstrich  geben.  Hierzu  empfiehlt  sich  ein  hübsches 
Frischgrüu,  die  Ecken  und  Kanten  kann  man  mit  Gold- 
oder Silberbronce  absetzen.  Nachdem  der  Kitt  erhärtet, 
überstreiche  man  alle  Stelleu,  wo  der  Kitt  freiliegt,  d.  h. 
mit  dem  Wasser  in  Berührung  kommen  wiu'de,  was  jedoch 
nur  ganz  schmale  Streifen  sind,  mit  in  Spiritus  aufge- 
löstem Schellack.    Die  Schellacklösung  darf  nicht  zu  dünn- 


flüssig sein,  sie  widersteht  dem  Eiufluss  des  Wassers, 
auch  des  Seewassers,  und  verhindert  nun,  dass  der  Kitt 
mit  dem  Wasser  in  Berührung  kommt.  Auch  den  Zink- 
boden kann  man  mehrmals  mit  Schellack  üljcrziehen.  Bei 
einer  e\ent.  gründlichen  licinigung  des  A(piariums  er- 
neuere man  den  Sehellackül)erzug.  Die  Stärke  der  zu 
verwendenden  Scheiben  wähle  man  nicht  zu  schwach; 
für  Grösse  1  ist  15  mm,  2  10  nun  Spiegelglas,  3  7  mm 
Schaufensterglas,  4  4  mm,  5  Doppelglas  anzuwenden. 
Kauft  man  die  Behälter  fertig,  so  sehe  man  ja  darauf, 
dass  das  Glas  die  der  Grösse  des  Behälters  entsprechende 
Stärke  hat  und  dass  der  verwendete  Kitt  der  angegebene 
ist,  andernfalls  wird  man  mit  der  meist  billigen  Arbeit 
traurige  Erfahrungen  machen,  wodurch  uns  leider  nur 
zu  oft  die  ganze  Sache  verleidet  wird.  Am  besten 
ist  es,  man  lässt  sich  den  Behälter  unter  eigener  Auf- 
sicht anfertigen,  wenn  mau  es,  wie  ich  es  thue,  nicht 
vorzieht,  alles  selbst  zu  maclien.  Nur  die  Eisengestelle 
lasse  icli  niir  beim  Schlosser  herstellen,  die  Zinkgestelle, 
das  Einsetzen  der  Scheiben  etc.  etc.  mache  ich  lieber 
allein,  ich  bin  dann  sicher,  dass  es  gut  wird.  Nachdem 
der  Schellacküberzug  erhärtet  ist,  füllt  man  das  Aquarium 
voll  Wasser  und  lässt  es  damit  etwa  <S  Tage  stehen,  da- 
mit es  gehörig  auslaugt,  besser  noch  ist  es,  das  AVasscr 
nach  etwa  3  Tagen  zu  entfernen,  das  Aquarium  dann 
gehörig  auszuwischen  und  nochmals  3 — 4  Tage  mit  Wasser 
stehen  zu  lassen.  Nach  dieser  Zeit  wird  das  Wasser  ent- 
fernt und  mit  der  iimeren  Einrichtung  begonnen. 

Zur  Bodenfüllnng  kann  ich  nur  reinen  Flusssand  em- 
l)fehlen,  alles  andere,  als  etwa  eine  Scliiclit  Moor-  oder 
Schlammerde,  darüber  Kies,  Torfplatten  darüber  Kies,  oder 
Flusssand  mit  Erde  gemischt,  muss  ich  verwerfen,  da  bei 
solcher  Bodenfüllung  das  Wasser  nicht  klar  erhalten 
werden  kann,  indem  die  Thiere  den  Boden  aufwühlen; 
abgest(>rl)cne  Pflanzen  lassen  sich  nur  mit  Ti'übung  des 
Wassers  entfernen,  oder  garnicht,  da  sie  mit  dem  Boden- 
grund verwachsen,  namentlich  bei  Anwendung  von  Torf- 
platten. Die  meisten  Wasserpflanzen  wachsen  willig  in 
reinem  Flusssand;  solche,  welche  durchaus  einer  be- 
stimmten Erdart  bedürfen,  können  wir,  wenn  wir  auf 
solche  Pflanzen  nicht  lieber  verzichten  wollen,  in  kleine 
Blumentöpfe  oder  in  sog.  Gefässe  für  Wasserpflanzen  ein- 
setzen und  diese  Töpfe  in  die  Flusssandschicht  versenken, 
wo  sie  sich  jederzeit  leicht  entfernen  lassen,  ohne  dass 
damit  eine  dauernde  Trübung  des  Wassers  verbunden 
wäre.  Der  Flusssand  muss  10 — 12  mal  (einige  Male  mit 
heissem  Wasser)  gewaschen  werden,  so  lange  bis  er 
völlig  klar  ist,  d.  h.  das  Wasser  nicht  mehr  trübt.  Mu- 
scheln, Schneckengehäuse,  bunte  Steine  etc.,  mit  welchen 
man  den  Boden  etwa  noch  belegen  will,  müssen  vorher 
ebenso  behandelt  werden.  Das  Aquarium  erhält  seinen 
Platz  am  besten  dicht  an  einem  nach  Ost  oder  Süd-Ost 
gelegenem  Fen.ster.  Frühsonne  ist  dem  Gedeihen  der 
Pflanzen  und  Thiere  zuträglich,  gegen  die  Strahlen  der 
Mittagssonne  müssen  wir  jedoch  das  Aquarium  schützen, 
indem  wir  vor  der  dem  Fenster  zugekehrten  Aquariumscheibe 
einen  grünen  Kattun- Vorhang  anbringen,  jedoch  am  Aqua- 
rium selbst,  nicht  am  Fenster,  damit  dem  Aquai-ium 
nicht  das  Oberlicht  entzogen  wird,  denn  Oberlicht  soviel 
als  möglich  muss  jedem  Sttsswasser-Aquarium  zugänglich 
sein,  wie  es  denn  überhaupt  sehr  hell  stellen  muss,  da 
andernfalls  Thiere  und  Pflanzen  l)ald  verkünnneru.  Für 
die  Aufstellung  grösserer  Aquarien  eignet  sich  am  besten 
ein  fester  schmiedeeiserner  Tisch  oder  ein  paar  fest  gear- 
beitete Böcke.  Eine  möglichst  gleichmässige  Temperatur 
von  +  12—14°  R.  für  unsere  einheimischen  Fische  muss 
innegehalten  werden.  Einige,  wie  Oesen,  Elritzen  etc., 
überhaupt  alle  ans  schnellfliessenden  Gebirgsgewässern 
oder  aus  grosser  Tiefe    stammenden   Fische    sind    gegen 


Nr. 


Naturwisscnscliaftlichc  Wocliensclirii't. 


75 


liöhore  Tcnipcratur  cmptiudlicli.  Wir  werden  daher  in 
heisseu  Sonimeni  bisweilen  genötliigt  sein,  unsere  Zu- 
flucht zu  den  beim  Heewasser-Aquariuni  (Bd.  III,  Nr.  23) 
erwähnten  Kiiltcniiseiiungen  zu  nehmen.  Goldfisehe,  ver- 
scliiedene  andere  Karpfenarten  ertragen  eine  höliere 
Temperatur,  tVemdländische  Zierfisehe  gleichfalls,  ja  einige, 
z.  B.  japanische  (ioldtische,  Schleierschwanz-  und  Teles- 
kop-Goldfische, Makropoden,  Gouraniis  u.  a.  verlangen 
eine  höhere  Temperatur,  wenn  wir  Zuchtcrfolge  sehen 
wollen.  Bei  letzteren  darf  die  Temperatur  im  ^\'inter 
nicht  unter  +  10°  R.  sinken,  die  übrigen  ertragen  noch 
-t-  5°  K.  und  weniger,  docii  niemals  darf  das  Wasser  im 
Acpiariuni  zufrieren,  es  würden  in  diesem  Falle  die  Thiere 
an  Luftniangel  sterben,  auch  würden  die  A(|uariumschciben 
|)latzen.  Es  ist  deshalb  ein  Thermometer  im  Aquarium 
fast  unentbehrlich.  Letzteres  soll  senkrecht  schwinnncn 
und  so  tief  eintauchen,  dass  die  Quccksilbcrkngel  sich  in 
der  Mitte  des  Wassers  befindet,  damit  das  Thermometer 
die  mittlere  Temi)eratur  anzeigt;  dassellie  soll  ganz  aus 
Glas  hergestellt  sein.  Von  ihrer  llolziiiUic  befreite  sog. 
Uadethermometer  eignen  sich  vorzüglich;  taucht  solches 
nicht  tief  genug  ein,  so  legen  wir  oberiialb  der  Kugel 
einen  Blei  ring  herum. 

Ein  Tutfsteinfclsen  reicht,  für  gr(issere  Aquarien 
namentlich,  sehr  gut  aus;  hält  man  Lurche,  so  können  wir 
solchen  kaum  entbehren,  wir_müssten  dann  unsere  Zutinclit 
zu  einer  kleinen  schwimmenden  Korkinsel  nehmen  wollen. 
Jedenfalls  ist  für  grössere  Aquarien  ein  Tuifsteinfelscn 
vorzuziehen.  Diese  Felsen  erhält  man  fertig  in  allen 
A(iuarienhandlungen.  Wir  krmncn  uns  jedoch  einen  solchen 
nach  eigenem  Geschmack  leicht  selbst  herstellen,  indem 
wir  die  uns  passend  erscheinenden  Tuffsteinstüekc  mittels 
nicht  zu  dünnen  Zementbreies  {3  Tlieilc  Zement,  1  Theil 
Sand)  verbinden.  Die  Steinstücke  müssen  vor  dem  Ge- 
brauch angefeuchtet  werden.  In  dem  über  dem  Wasser- 
spiegel l)etindlichcn  Theil  des  Felsen  bringen  wir  Ver- 
tiefungen aus  oder  bauen  kleine  IMumentöpfe  ein,  welche, 
mit  Moorerdc  gefüllt,  zur  Aufnahme  von  Sumpfpflanzen, 
Farrn  etc.  dienen.  Auf  einen  etwa  anzulegenden  Spring- 
brunnen nuiss  gleichfalls  beim  Bau  des  Felsens  Rücksicht 
genommen  werden.  Der  Felsen  wird  natürlich  ausserhalb 
des  Aquariums  gel)aut  und  muss  nachdem  er  trocken,  gut 
ausgewässert  werden. 

Nachdem  das  Aquarium  mit  der  nrithigen  Bodenschicht 
(Flusssand)  versehen,  der  Felsen  aufgestellt  ist,  geht  es  an 
das  Bepflanzen.  Die  Pflanzen  werden  wir  haniitsächlich 
an  den  dem  Lichte  voll  ausgesetzten  Stellen  anl)ringeu, 
indem  wir  die  Wurzeln  entsprechend  tief  in  den  Flusssand 
betten  und  die  Pflanzen  vorläufig  mittels  dünner  Holz- 
stäbchen stützen.  Einige  Pflanzen,  z.  B.  Hornkraut, 
Wasserpest  u.  a.  können  wir  auch  ohne  A\'urzeln  in  den 
Flusssand  einsetzen,  sie  kommen  so  auch  ohne  AVurzeln 
gut  fort.  Nachdem  der  Boden  mit  Pflanzen  besetzt  ist 
füllen  wir  den  Raum  um  die  Pflanzen  herum  mit  grobem 
Flusskies,  darüber  kleine  Steinchen,  Muscheln  etc.  aus; 
alles  jedoch  vorher  klar  gewaschen.  Nun  geht  es  an  das 
Einfüllen  des  Wassers;  dieses  lassen  wir  durch  eine  Brause, 
Sieb  etc.  gegen  den  Felsen  laufen,  recht  langsam,  damit 
der  B(»den  nicht  aufgewühlt  wird.  Wir  können  auch  ein 
Stück  steifes  Papier  auf  eine  von  Pflanzen  freie  Stelle 
des  Bodens  legen  und  das  Wasser  langsam  darauf  laufen 
lassen.  Das  Iteste  Wasser  ist  Quellwasser,  welches  san- 
digem Boden  entquillt,  in  Ermangelung  desselben  müssen 
wir  uns  mit  nicht  zu  hartem  Brunnenwasser,  Wasser- 
leitungs-  oder  geklärtem  (filtrirtem)  Bach-  oder  Flusswasser 
behelfen.  Niemals  darf  das  Wasser  kalkhaltig  sein  oder 
sonstige  Beimischungen  enthalten.  Nachdem  das  Wasser 
eingefüllt  und  etwaige  Unreinigkeiten  von  dessen  Ober- 
fläche abgeschöpft  sind,  bleibt  das  Aquarium  8— 14  Tage 


ruhig  stehen,  damit  die  Pflanzen  anwachsen  kihnien. 
Findet  man  nach  dieser  Zeit  kränkliche  oder  abgestorbene 
Pflanzen,  so  sind  diese  vorsichtig  zu  entfernen.  Ist  das 
Aquarium  mit  Springbrunnen  versehen,  so  lässt  man  den- 
selben auch  wäineiid  dieser  Zeit  in  Tliätigkeit  treten,  er 
verhindert  die  Bildung  einer  Staub-  und  Algcnschicht  auf 
der  t  )bcrflächc  ilcs  Wassers.  Kleinere  A(iuarien  ohne 
Springbrunnen,  werden  mittels  einer  Glasscheibe,  an 
welcher  eine  kleine  Ecke  fehlt,  zugedeckt.  Es  können 
auch,  noch  besser,  an  Stelle  der  fehlenden  Ecke  zuei 
ganz  dünne  Ilolzstäbclien  unter  die  Glasscheil)e  auf  den 
Aqnariumrand  gcK'gt  werden,  die  Luft  kann  so  gleichfalls 
hinein. 

Die  sich  nacii  einiger  Zeit  an  den  Seheiben  an- 
setzenden grünen  Algen,  welche,  ol)wohl  sie  von  der 
guten  Bcschaftenheit  des  Wassers  zeugen,  doch  insofern 
lästig  sind,  als  sie  die  Scheil)en  mehr  oder  weniger  un- 
durchsiclitig  iiiachen,  entfernt  man  zwei  bis  dreimal 
wöchentlicii  mittels  einer  scharfen,  an  einen  langen  Stiel 
befestigten  Bürste  (Zahnbürste),  indem  man  mit  dcrscUien 
senkrecht  an  den  Scheiben  hinabfährt.  Der  braune  Nieder- 
schlag, welcher  sieh,  namentlich  ))ei  kalkhaltigem  Wasser 
an  den  Scheiben  setzt,  weicht,  obwohl  schwerer,  auch 
dieser  Behandlung.  Es  i.st  jed(»ch  zu  empfehlen,  bei  einer 
etwa  jährlich  einmal  oder  nach  Erforderniss  öfters  vorzu- 
nehmenden gründliciien  Reinigung  des  Aquariums,  wol)ei 
es  völlig  entleert  wird,  die  Scheiben  mittels  gestossencr 
Eierschalen,  welche  man  auf  einen  nassen  wollenen  Lajjpen 
nimmt,  abzureiben,  hierdurch  wird  der  braune  Ansatz 
sicher  entfernt.  Den  sich  nach  und  nach  auf  dem  Boden 
ansammelnden  Sclnnutz,  Schlamm  etc.  entfernt  man  mittels 
eines  Stech-  oder  Saughebers  etwa  jede  Woche  einmal. 
Futterreste,  d.  h.  alles  was  vom  Futter  eine  Stunde  nach 
geschehener  Fütterung  niclit  verzehrt  ist,  sowie  abge- 
storbene Pflanzentheile,  Thierleiclicn  etc.  müssen  sofort 
entfernt  werden.  Kranke  Thiere  sind  zu  entfernen  und 
behufs  Behandlung  isolirt  zu  halten,  damit  sie  die  ge- 
sunden nicht  anstecken.  Ein  reichlich  mit  Pflanzen  be- 
setztes, nicht  ül)cr\ölkcrtes  A(iuarium  hält  sich  bei  auf- 
merksamer Behandlung  vorzüglich,  das  Wasser  braucht 
nicht,  oder  doch  nur  jährlich  ein  bis  zweimal  erneuert  zu 
werden;  man  hat  nur  n(ithig  das  nach  und  nach  ver- 
dunstete AVasser  zu  ergänzen.  Ist  die  Bevölkerung  nicht 
zu  stark,  so  dass  der  von  den  Pflanzen  erzeugte  Sauer- 
stoff ihrem  Athnuuigsbedürfniss  genügt,  so  braucht  ein 
solches  Aquarium  weder  Springljrunnen  noch  Dureh- 
lüftungs-Apparat.  Es  sind  dann  schon  alle  Bedingungen 
für  das  Leben  der  Thiere  erfüllt,  soliald  das  Gleichgewicht 
zwischen  Thier  und  Pflanze  hergestellt  ist.  Ein  solches 
Aquarium  brauchte  nie  geleert  zu  werden,  wenn  wir  nicht 
von  Zeit  zu  Zeit  den  Pflanzenbestand  erneuern  niüssten. 
Dass  ist  aber  nicht  zu  umgehen,  da  die  den  Pflanzen  im 
Aquarium  gebotenen  Lebensbedingungen  denn  doch  nicht 
die  sind,  welche  ihnen  in  der  freien  Natur  zu  Gebote 
stehen. 

Halten  wir  in  kleineren  Acjuarien  eine  grössere  An- 
zahl Fische  (auf  einen  ca.  5  cm  langen  Fisch  rechnet 
man  1  1,  auf  grössere  je  2  1  AVasser)  als  die  Pflanzen 
mit  Sauerstoff  versorgen  können,  so  müssen  wir  das 
Aquarium  durchlüften.  Hierzu  eignet  sich  mein  in  Bd.  HI, 
Nr.  25  beschriebener  Durehluftungs-Ai)parat  vorzüglich, 
da  mit  demselben  mehrere  A(|narien  zugleich  durchlüftet 
werden  können  und  derselbe  überall  aufgestellt  werden 
kann.  Einen  andei'en  Apparat,  welcher  als  Durchlüftcr 
oder  als  Springbrunnen-Apparat  verwendet  werden  kann. 
werde  ich  später  beschreiben  und  aiibilden. 

Nachdem  die  Pflanzen  sich  gut  entwickeln,  das  Wasser 
klar  ist,  können  wir  die  Fische,  Würmer,  Insekten  etc. 
einsetzen,  und  zwar  nur  Arten,  welche  sich  unter  einander 


7ß 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr. 


vertragen,  weshalb  wir  Goldtischen  etc.  keine  grösseren 
Hechte ,  Barsche ,  Welze  u.  a.  beigesellen  dürfen.  Auch 
der  Stichling  ist  ein  Raufbold,  welcher  sich  mit  anderen 
Fischen  schlecht  verträgt;  einige  rürchen  aber  sind,  allein 
gehalten,  ihies  Nestbaues  wegen,  höclist  interessante  Be- 
obachtungsobjekte. 

Bei  der  Fütterung  der  Thiere  sei  man  recht  vor- 
sichtig, niemals  gebe  man  mehr  als  die  Thiere  alsbald 
verzehren,  was  nach  einer  Stunde  etwa  noch  vorhanden 
ist  wird  entfernt.  J^enier  füttere  man  stets  an  einer  be- 
stimmten Stelle,  z.  B.  immer  in  einer  Aquarienecke,  welche 
nicht  mit  Pflanzen  am  Boden  besetzt  ist  und  halte  eine 
regelmässige  Fütterungszeit  inne.  Die  Thiere  gewöhnen 
sich  sehr  bald  daran  und  es  wird  einem  Vergeuden  von 
Futter  so  wirksam  vorgebeugt.  Für  karpfenartige  u.  a. 
Fische  sind  Ameisenpuppen,  ., Ameiseneier",  ein  gutes 
Futter;  diese  werden  sorgfältig  ausgesucht,  von  allem 
Schmutz  befreit  au  der  bestimmten  Stelle  in  das  Wasser 
geworfen.  Für  ganz  kleine  Fische  muss  ein  Theil  des 
Futters  zwischen  den  Händen  zerrieben  Averden,  oder 
man  verwendet  reines  Ameisenpuppenmehl,  Garnelen- 
schrot oder  Fleischmehl.  Auch  getrocknete  Eintags- 
fliegen (Weisswurm)  sind  ein  gutes  Futter.  Bei  der 
Fütterung  mit  diesem  trockenen  geriebenen  Futter  oder 
mit  Futtermehl  kann  man  sehen  ob  das  Wasser  gut  ist. 
In  gutes  Wasser  gebracht  vertheilt  sich  das  Futtermehl 
sogleich  ganz  fein  nach  allen  Richtungen  hin,  während 
es  in  schlechtem,  verdorbenem  Wasser,  in  Klumpen  zu- 
sammengeballt liegen  bleibt,  oder  sich  nur  langsam  und 
unregelmässig  vertheilt.  Hin  und  wieder,  etwa  einmal  in 
der  Woche  kann  man  auch  etwas  fein  geschabtes  Rind- 
fleisch reichen,  oder  gehackte,  vorher  ausgedrückte  Regen- 
würmer, doch  stets  nur  sehr  weuig.  Das  beste  Futter  ist 
das  lebende,  d.  h.  die  kleinen  Wasserinsekten,  kleine 
Krebsthierchen,  Daphnien,  Gyclops  etc.,  welche  man  in 
fast  allen  Tümpeln,  Gräben  u.  a. ,  in  unglaublichen 
Mengen  mittels  eines  feinen  Gazekätschers  fängt.  Sem- 
mel oder  Oblaten  füttere  man  niemals,  auch  das 
sogenannte  künstliche  Fischfutter  ist  nur  mit  Vorsicht  zu 
verwenden,  da  man  nie  bestimmt  weiss,  aus  welchen  Be- 
standtlieileu  es  zusannnengcsetzt  ist.  Im  Sommer  kann 
man  täglich  füttern,  im  Winter  jedoch  lässt  die  Fresslust 
der  Thiere  nach  und  man  füttert  dann  nach  Bedarf, 
wöchentlich  einmal  oder  zweimal,  je  nach  der  sich  zeigen- 
den Fresslust. 

Die  Auswahl  unter  den  für  Süsswasser-Zimmer-Aqua- 
rien  geeigneten  Wasser-,  Sumpfpflanzen,  Farren  etc.  ist 
eine  so  reichhaltige ,  dass  ich  mich  hier  auf  die  nament- 
liche Aufführung  der  geeignetsten  beschränken  muss. 
Jeder  Graben,  Tümpel,  Teich  etc.  bietet  uns  einige  Arten 
unserer  iieimischen  Wasserpflanzen,  die  wir  so  kosten- 
und  fast  mühelos  erlangen  können.  Sehr  hübsch  aus- 
sehende Wasserpflanzen  sind:  Tausendltlatt  (Myriophyllum 
spicatum),  untergetauchtes  Hornblatt  (Ceratophyllum  de- 
mersum,  Wasseraloe  (Stratiotes  alo'üles),  Wasserpest 
(Elodea  canadensis),  Braehsenkraut  (Isoetes  lacustris), 
schwimmendes  Laichkraut  (Potamogeton  nataus),  kraus- 
blättriges Laichkraut  (Potamogeton  crispus),  und  an- 
dere Laichkräuter,  Tannenwedel  (Hippuris  vulgaris), 
Sumpf-llottonie  (Hottonia  palustris).  Gemeiner  Wasserstern 
(Caliitriclie  verna),  Froschbiss  (Hydroeharis  morsus  ranae), 
schwimmende  Salvinie  (Salvinia  natans),  verschiedene 
Wasserlinsen  (Lemna);  im  seichten  Wasser:  Pfeilkraut 
(Sagittaria  sagittifolia) ,  Froschlöffel  (Alisma  plantago), 
Wasserminze  (Mentha  aquatica),  verschiedene  Calla-,  Iris- 
und  Carex-Arten;  für  die  Grotte:  Straussfarn  (Struthiop- 
teris  germanica),  Rippenfarn  (Blechnum  spieant),  braun- 
stieliger  Streifenfarn  (Asplenium  trichomanes),  Mauerraute 
(Aspleuium    ruta  muraria)  u.  a.  Asplenium-Arten;   Hirsch- 


zunge (Scolopendrium  vulgare),  Vergissmeinnicht  (Myo- 
sotis  palustris),  Blut- Weiderich  (Lythrum  salicaria),  Moos- 
beere (Oxycoccus  palustris),  Kanadischer  Haarfarn  (Adian- 
tum  pedatum)  gem.  Tüpelfarn  (Polypodium  vulgare), 
Frauenhaar  (Isolepis  gracilis),  verschiedene  Cyperus- Arten 
und  viele  andere.  Auch  unter  den  in  neuerer  Zeit  ein- 
geführten Wasserpflanzen  sind  einige  gut  verwendbare; 
ich  cultivire  mit  Vorliebe  deutsche  Arten  und  fahre  sehr 
gut  dabei,  da  diese  meist  anspruchloser  sind,  und  es  mich 
besonders  interessirt,  dieselben  ihrem  Standort  entnehmen 
zu  können. 

Von  allen  Fischen  sind  die  verschiedenen  Karpfen- 
arten am  ausdauerndsten,  von  welchen  einige  eine  ziem- 
lich hohe  Temperatur  vertragen  können.  Obenan  steht 
wohl  der  Goldfisch  (Carassins  auratus  Linne)  und  seine 
Spielarten.  Für  Aquarien,  wo  sie  in  Gesellschaft  anderer 
Fische  gehalten  werden  sollen,  eignen  sich  am  besten  die 
sogenannten  Zwerggoldfische.  Zwischen  den  mehr 
oder  weniger  rothen,  gefleckten,  ungefleckten  Goldfischen 
nehmen  sich  solche,  welche  sieh  nicht  verfärben,  sondern 
ihr  Jugendkleid  beibehalten,  d.  h.  mehr  oder  weniger 
schwarz  sind,  oder  silberfarben  werden  (Silberfische) 
sowie  einige  milchweisse  Albinos  (Perlfische),  oder 
solche  mit  ^\-formigen  Doppelschwänzen,  welche  auch 
in  allen  Farben  vorkommen,  sehr  hübsch  aus.  Die 
wunderbarsten  Formen  finden  sich  unter  den  japane- 
sischen Goldfischen,  unter  welchen  der  Teleskop- 
fisch, Schleierschwanz  und  Fächerschwanz  nebst 
deren  Mischlingen  besonders  hervorgehoben  zu  werden 
verdienen.  Durch  bisweilen  überraschende  Farbenpracht 
zeichnen  sich  besonders  die  chinesischen  Goldfische 
aus,  von  welchen  folgende  Spielarten  vorkommen :  der 
buntgescheckte  Goldfisch,  der  prächtige  Gold- 
fisch, der  kleine  blaue  Goldfisch,  der  schwarze 
Goldfisch,  der  braunscheckige  Goldfisch,  der 
Bubien,  die  Rothflosse,  der  Tümmler,  der  zier- 
liche Goldfisch.  Ein  mit  einigen  Exemplaren  von  diesen 
Spielarten  besetztes,  reich  mit  Pflanzen  ausgestattetes 
Aquarium  gewährt  einen  prächtigen  Anblick.  Diese  chine- 
sischen und  japanesischen  Arten  und  Varietäten  sind  etwas 
weichlicher  als  die  deutschen  und  italienischen  Züchtungen, 
die  Temperatur  des  Wassers  darf  im  Winter  für  diese 
nicht  unter  +  12°  R.  sinken.  In  Gesellschaft  mit  den 
Goldfischen  können  gehalten  werden:  der  gem.  Karpfen 
(Cyprinus  carpio  Linne)  mit  den  Varietäten  Spiegel- 
karpfen (C.  rex  ciprinorum),  Lederkarpfen  (C.  nodus), 
die  Karpf-Karausehe  (Carpio  kollars  Heck),  die  Ka- 
rausche (Carassius  vulgaris  Nils.),  der  Bitterling 
(Rhodeus  amorus  Bloch),  der  Blei  oder  Brachsen  (Abra- 
mis braraa  Linne)  nebst  Varietäten,  die  Teichschleiche 
(Tinea  vulgaris  Cuv.),  die  Goldschleiche  (Tinea  aurata 
Cuv.).  Karausche  und  Bitterling  sind  gegen  hohe  Tem- 
peraturen etwas  empfindlich,  -|-  12°  R.  sagt  ihnen  am 
besten  zu.  Bei  -+-  12°  R.  und  weniger  fühlen  sie  sich 
am  wohlsten,  namentlich  wenn  das  Wasser  gut  durchlüftet 
ist.  Der  Gründling  (Gabio  fluviatilis  Cuv.),  die  Elritze 
oder  Pfrillc  (Phoxinus  laevis  Agass.),  die  Plötze  oder 
das  Rothauge  (Leuciscus  rutilis  Linne),  die  Rothfeder 
(Seardinius  erythropthalmus  Linne),  die  Laube  oder  der 
Uckelei  (Alburnus  lucidus  Heck),  die  Jungen  desselben 
lassen  sicli  vurzügiich  als  Futterfische  für  kleine,  isolirt 
zu  haltende  Welse,  Hechte,  Barsche,  Quappen, 
Schwarz  barsche.  Silberbarsche,  Steinbarsche, 
Hundsfische  u.  a.  verwenden;  ferner  halten  sich  noch 
gut  der  Schlammbeisser  (Cobitis  fossilis  Linne),  die 
Schmerle  (C.  barbulata  Linne),  der  Steinbeisser 
(C.  taenica  Linne),  ganz  junge  Aale  (Anguilla  vulgaris 
Flem.),  etwas  empfindlicher  ist  die  prächtige  Goldorfe 
(Idus  melauotus    var.  auratus),    sie    verlangt   gut    durch- 


Nr.  S. 


Niitiirwisscnscliaf'tliclic  Woclicnsclirift. 


1 1 


lüftetcs  Wasser.  Es  können  nocli  viele  andere  Fische  g-e- 
halten  werden,  überliaujit  jeder  Süsswasserfisch,  soweit  es 
seine  Grösse  zulässt  und  ilini  die  ihm  zusagenden  Lebens- 
bedingungen geboten  werden.  Neben  Fischen,  resp.  mit 
diesen  zusammen,  werden  hin  und  wieder  auch  Lurche 
gehalten,  docli  kann  icli  liierzu  ebensowenig  ratlien,  als 
wie  zur  Haltung  von  kleinen  Sumpfschildkröten  (Testudo 
lutaria  Gesn.)  mit  Fischen  zusammen.  Die  Schildkröten 
würden  Fische  und  Lurche  veistiinnneln,  die  Fische  die 
Lurche  und  umgekehrt;  mau  wird  daher  an  dem  Zu- 
sammenhalten dieser  verschiedenartigen  1'liiere  in  einem 
Behälter  nie  Freude  haben. 

Ein  Fisch,  welcher  lierufen  zu  sein  scheint,  die  Lieb- 
haberei für  (ioldfische  nach  und  nach  zu  verdrängen, 
ist  der  gezähmte  Makropode,  Gropflosser  oder 
Paradiesfisch  (Polyacanthus  viridi-auratus  Laccpede), 
welcher  um  so  beachtenswerther  ist,  als  er  sieh  selbst  in 
kleinen  A(iuarieu,  ja  selbst  in  grossen,  als  Aquarium  ein- 
gerichteten Einmachegläsern,  fortpflanzt,  sowie  er  sieh 
auch  durch  Farbenpracht  auszeichnet.  Zur  Paarungszeit 
prangt  namentlich  das  Männchen  in  allen  Farben  des 
ßegenbogens,  und  wenn  er  um  sein  Weibehen  herum- 
spielend sein  herrliches  Flossenwerk  ausl)reitet,  so  gewährt 
er  einen  überrascliend  herrlichen  Anblick.  Hinter  dieser 
Pracht  müssen  sieh  die  schönsten  Teleskopfisclic  und 
Schleierschwänze  verstecken,  denn  beim  Paradiesfisch  ist 
alles  natürlich,  er  entfaltet  bei  allen  Bewegungen  eine  uns 


in  Erstaunen  setzende  Grazie,  welche  Schleierschwänzen 
und  Teleskopfischen  völlig  abgeht,  da  alles  was  wir  an 
diesen  Fischen  bewundern,  nur  krankliaftc  Ausartungen, 
welclic  künstlich  weiter  gezüchtet  werden,  sind.  Die  Be- 
wegungen dieser  bisweilen  sehr  unfiirndiehen  Geschöpi'e 
sind  daiier  aucii  sehr  uulicholt'eu  langsam.  In  einem 
kleinen  mit  l'tiauzcu  aller  Art  l)esetzten  A(|uariuni  (No.  5), 
welches  im  warnu-n  Zimmer  hell  und  sehr  sonnig  stobt, 
hält  sieh  der  Makropode  vorzüglich.  Das  AVasser  seines 
A(|uarinms  wird  n  i  e  gewechselt,  nur  das  verdunstete 
nachgegossen.  Nimmt  das  Wasser  eine  Temperatur  von 
-I-  20°  R.  und  darunter  an,  so  sehreitet  er  zum  Nestl)au  und 
zur  Fortiitlanzung.  Das  Männchen  pflegt  und  bemuttert 
die  nach  einigen  Tagen  auskommenden  Jungen,  bis  sie 
sich  selbst  weiterhelfen  können.  Sobald  die  Jungen  das 
Sehaumnest  endgiltig  verlassen,  entfernt  man  die  Alten, 
welche  in  einem  andern  gleiehso  eingericiiteten  A((narinm 
alsbald  wieder  zur  Paarung  sehreiten,  und  so  fort  drei 
bis  viermal,  auch  noch  (itter  im  Jahre.  Die  Jungen 
werden  mit  Da])huien,  Oyclops  u.  (h'rgl.  grossgezogen, 
bis  sie  das  Ersatzfutter  verzehren  können.  Die  älteren 
und  alten  Fische  füttert  man  mit  allem  womit  man  Gold- 
fische füttert.  In  geheizten  A(inarien  halten  sie  sich  weit 
besser,  die  Jungen  wachsen  schneller,  die  Farben  werden 
prächtiger;  eine  beständige  Temperatur  von  +  22  bis 
25°  R.  beliagt  ihnen  am  besten,  nie  darf  die  Temperatur 
unter  -+-  10°  R.  sinken,  bei  -t-  5  bis  3°  R.  sterben  sie. 


Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben. 

'■^  Es  wnrilen  enianiit:  Privatdocent  Dr.  Hayduek  vcm  dci- 
Bfi'liner  Universitilt  zum  Professor  ilor  Chemie.  —  Dr.  Hans 
-Waldor  ans  Hambreclikoii  zum  Professor  der  organisc-lion  Chemie 
am  Pol3'tec.hiucum  zu  Ziiricli.  —  An  der  Universität  Heidell)erg 
Privatdocent  Dr.  Max  Wolf  zum  ausserordentlic-lien  Professor  der 
neuerrichteten  Professur  für  Astronomie,  mathematische  und  physi- 
kalische Geographie. 

Es  Jiat  sich  habilitirt:  Der  Assistent  an  der  Jenenser  Stern- 
warte Dr.  Knopf  in  Jena  für  Astronomie. 

Dr.  Friedrich  Plehn  ist  nach  Kamerun  gegangen,  um  dort 
im  Auftrage  des  Deutsehen  Ueiches  ein  bacteriologisches  Labora- 
torium zur  Erforschung  der  Malaria  einzurichten. 

Es  sind  gestorben:  In  Cambridge  bei  Boston,  Massachusetts, 
Professor  Eben  Norton  Horsford,  ein  Kämpfer  für  Anerken- 
nung des  ersten  Entdeckers  Amerikas,  des  New  -  Yorker  Leif 
Crikson,  der  ums  Jahr  1000  im  neuen  Welttheil  landete.  —  In 
Wiesbaden  der  Geheime  Sanitätsrath  Dr.  Wilhelm  Valentiner. 
der  sich  eingehend  mit  der  deutschen  Bäderkunde  beschäftigt  hat. 
—  In  Batischtchewo  im  Gouvernement  Smolensk  der  frühere  Pro- 
fessor im  Eorstcorps  -  Institut  Alexander  N  i  k  olaj  e  witsch 
Engel  bar  dt.  —  Der  Zoologe  und  Iledacteur  dos  „Zoologischen 
<  iartens"  Professor  Dr.  F.  C.  Noll  zu  Frankfurt  aiu  Main. 


L  i  1 1  e  r  a  t  u  r. 

OstM-ald*!«  Kla>iisikei*  der  exaetenl'Vi»i)«eiiiiieliaf'toii. 

Verlag   von  Wilhelm   Eugelmann   in  Leipzig.     181)2. 

Nr.  2G.  Justus  Liebig,  Lieber  die  Constitution  der  or- 
ganischen Säuren.  1838.  Herausgegeben  von  Hermann 
Kopp.  —  Preis  1,40  Mk. 

Die  dualistische  Theorie  von  Borzelius,  nach  welcher  die 
Salze  aus  sogen,  wasserfreier  Säure  und  Baäis  bestehen,  die 
Säuren  selbst  aus  dieser  wasserfreien  Säure  und  Wasser,  welch 
letzteres  danach  fertig  gebildet  darin  anzunehmen  war,  hatte 
ferner  d.azu  geführt,  diejenige  (Quantität  Säure,  welche  sicli  mit 
einem  Atom*)  Basis  vereinigt,  als  das  (lewicht  von  einem  Atom 
Säure  zu  betrachten.  Durch  eingehende  Untersuchung  einer 
grossen  Anzahl  organischer  Säuren  führt  Liebig  den  Beweis,  dass 
diese  Annahme  entschieden  irrig  ist  für  neun  derselben,  ebenso 
wie  für  Phosphorsäure  und  Arsensäure.     Er  constatirt  die  Fähig- 

*)  Die  Bezeichnung  des  Origin.als  ist  hier  und  weiterhin  bei- 
behalten.    Heute  würden  wir  natürlich  Molecül  sagen  müssen. 


keit  derselben,  sich  mit  mehr  als  einem  Atom  Basis  zu  verbinden 
und,  dass  in  allen  beobachteten  Fällen  mit  .Silberoxyd  stets  nur 
ein  Salz  entsteht  und  zwar  dasjenige  mit  den  meistmöglichen 
Atomen  der  Basis.  Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  die  Einzelheiten 
der  Untersuchung,  die  als  solche  für  alle  Zeiten  mustergiltig  ist, 
zu  besprechen,  um  so  weniger  als  die  alte  Nomenclatur  und  Formu- 
lirung  dem  Nichteingeweihten  einige  Schwierigkeiten  bereiten 
würden.  Die  Zusammenfassung  der  erhaltenen  Resultate  schliesst 
mit  der  Eintheilung  in  einbasische,  zweibasischo  und  dreibasische 
Säuren.  Dann  begründet  Liebig  eine  Hypothese,  welche  der  dua- 
listischen Ansicht  direct  zuwiderläuft.  Wie  oben  erwähnt,  muss 
nach  derselben  sogenanntes  basisches  Wasser  als  fertig  gebildet 
in  der  Säure  angenommen  werden.  Gründe  zur  Rechtfertigung 
dieser  Voraussetzung  sind  aber  nicht  zu  finden.  Durch  die  Ab- 
scheidung desselben  nimmt  die  Sättigungskapacität  einer  grossen 
Anzahl  von  Säuren  ab  und  wird  beim  Zusammenbringen  tler  so 
modificirten  Säure  mit  Wasser  nicht  wieder  hergestellt.  Das 
Silbero.xyd,  eine  ausserordentlich  schwache  Base,  de2)lacirt  das 
basische  Wasser  aus  vielen  Säuren,  während  es  durch  ilie  starken 
Basen  Kali  und  Natron  nicht  oder  nur  schwierig  ersetzt  werden 
kann.  Dui'ch  die  oben  erwidniten  Anschauungen  lässt  sich  dies 
nicht  erklären,  wohl  aber  durch  die  Theorie,  welche  Davy  für 
die  Chlor-  und  Jodsäure  aufgestellt  hat,  und  welche  diese  Sauer- 
stoff'säuren  in  Analogie  zu  den  Wasserstottsäuren  stellt.  Wird 
diese  Theorie  verallgemeinert,  so  sind  auch  die  Sauerstoft'säuren 
Wasserstoffsäuren,  in  denen  nur  statt  des  Halogens  oder  Schwefels 
ein  sauerstoffhaltiges  Radikal,  z.  B.  SO^  enthalten  ist.  Die  Salze 
würden  alsdann  durch  Ersetzung  des  Wasserstoffs  durch  Metall 
entstehen,  ebenso  wie  die  ihnen  in  allen  Eigenschaften  ganz  ana- 
logen Haloidsalze.  Nur  die  (iewohnheit,  unbewusst  tue  Eigen- 
scdiaften  eines  Körpers  in  die  Verbindung,  die  er  eingegangen  ist, 
zu  übertragen,  kann  einer  solchen  Annahme  hindernd  entgegen- 
stehen. Die  geringe  Berechtigung  dieser  Gewohnheit  beweist 
Liebig  schlagend  durch  das  Beispiel  des  Schwefelcyankaliums, 
das  man  als  analog  den  Haloidsalzen  zusammengesetzt  an- 
nehmen muss,  und  den  Uebergang  von  diesem  in  das  eyansaure 
Kalium,  das  sich  nur  dadurch  von  ersterera  unterscheidet,  dass 
au  Stelle  von  Schwefel  Sauerstoff  steht,  welchen  Ersatz  man  in 
beiderlei  Richtung  beliebig  vornehmen  kann.  Und  hierbei  soll 
nun  widernatürlich  sein,  was  bei  der  ersten  Verbindung  zum 
mindesten  nicht  unwahrscheinlich  erschien?  Dazu  kommt,  dass 
man  nach  der  geltenilcn  Ansicht  einen  grundlegenden  Unter- 
schied zwischen  Wasserstoff-  und  Sauerstoffsäuren  trotz  des  ganz 
analogen  Verhaltens  ihrer  A'erbindungou  annehmen  raüsste,  dass 
in  letzteren  Wasser  in  dreierlei  Formen,  nämlich  als  Krystall- 
wasser,  Ilalliydratwasser  und  basisches  Wasser  anzunehmen  wäre. 
Alles  dies  fällt  weg  und  die  sonst  unerklärliclien  Vorgänge,  die 
im  ,,Thatsächlichen"  besprochen  waren,  fügen  sich  harmonisch  in 
das  Ganze  ein,  wenn  man  alle  Säuren  als  Verbindung  von  Radikal 


78 


Naturwissenscliaftliclie  Woclicnsclirift. 


Nr.  8. 


mit  Wasserstoff  ansieht;  als  Wasserstoffverbindungen,  in  denen 
der  Wasserstoff  ersetzt  werden  kann  durcli  Metalle.  Von  dem 
Gehalt  an  diesem  (extraradikalen)  Wasserstoff  hängt  die  Sätti- 
gungskapaeität  der  Säure  ab,  während  die  Zusammensetzung  des 
Kadikais  keinen  Einfluss  darauf  besitzt. 

In  der  bescheidensten  Weise  urtheilt  Liebig  über  den  Werth 
chemischer  Theorien  und  besonders  der  hier  erwähnten.  Seine 
Ueberzeuguug,  ,dass  dieser  Weg  einen  jeden,  der  ihn  betritt,  zu 
wichtigen  und  umfassenden  Kntileckuugen  fiihren  wird",  hat  sich 
im  vollsten  Maasso  bewahrheitet  und  wir  halten  seine  Theorie,  auf 
Grund  deren  wir  die  complicirtesten  Verbindungen  nach  einem 
einfachen  und  einheitlichen  Schema  zu  betrachten  im  Stande  sind, 
heute  noch  in  allen  wesentliclien  Theilen  für  richtig. 


Nr.  27.      Robert*)    Bunsen,     Untersuchungen    über     die 
Kakodvlroihe.     (1837—184:1)    Herausgegeben  von  Adolf  von 
Baeyer.'—  Preis  1,80  Mk. 
Diese  Arbeit  oder  vielmehr  diese  Reihe  von  Arbeiten  ist  vor 
allem  klassisch  als  ein  selten  erreichtes  Muster  einer  E.\periniental- 
üntersuchung.       Mit      zäher     Beharrlichkeit     sind     die     grössten 
Schwierigkeiten  überwunden  worden,   um   zu  den  erwarteten  Re- 
sultaten zu  gelangen.     Theoretisch   bietet   die   Untersuchung  her- 
vorragendes Interesse  durch  den  Nachweis,  dass  Kakodyl,  |ein  zu- 
sammengesetztes organisches  Radikal,    von   der  Formel  (CH^)  As, 

sich  durchaus  ebenso  verhält  wie  unorganische  Elemente,  dass  es 
„ein  wahres  organisches  Element"  ist.  Dieser  Nachweis  isj;  bis  in 
die  geringsten  Einzelheiten  verfolgt  und  schliesslich  die  Existenz 
des  Radikals  durch  seine  Isolirung  erwiesen,  wobei  es  sich,  ganz 
analogder  Mehrzahl  der  unorganischen  Elemente,  zu  eineniDoppel- 
molecül    ["(CjH.,)  As"|     zusammenlegt.     Ein  Eingehen  in  die  Natur 

des  Radikals  lehnt  Bunsen  noch  ab;  die  Aufklärung  derselben 
blieb  der  späteren  Zeit  vorbehalten. 

Nr.  28.  L.  Pasteur,  Ueber  die  Asymmetrie  bei  natürlich 
vorkommenden  organischen  Verbindungen.  (1860.) 
2  Vorträge  gehalten  am  20.  Januar  und  3.  Februar  ISGO  in 
der  Societe  chirurique  zu  Paris.  Uebersetzt  und  herausgegeben 
von  M.  und  A.  Ladenburg.  —  Preis  0,60  Mk. 

Um  die  weittragende  Bedeutung  dieser  uns  von  Neuem  zu- 
gänglich gemachten  Publikation  zu  übersehen,  ist  es  nützlich, 
sich  auf  den  Standpunkt  zurückzuversetzen,  den  die  Wissenschaft 
vor  derselben  einnahm.  Drehung  der  Ebene  des  polarisirten 
Lichtstrahls  war  lieim  Quarz  im  krystallisirten  Zustande  sowohl 
wie  bei  einer  grösseren  Zahl  organischer  Substanzen  beobachtet 
worden.  Beim  t^uarz  war  ferner  beobachtet  worden,  dass  die  Ab- 
lenkung bald  nach  rechts,  bald  nach  links  erfolge.  Andererseits 
war  beim  Quarz  wie  bei  einigen  anderen  Krystallen  das  Auftreten 
der  sog.  Hemiedrie  constatirt  worden,  es  hatte  sich  das  Auftreten 
einer  besonderen,  dem  Symmetriegesetz  nicht  unterworfenen  Fläche 
gezeigt  und  herausgestellt,  dass  diese  bei  einer  gewissen  (Jrien- 
tirung  bald  nach  rechts,  bald  nach  links  geneigt  sei.  Zwischen 
diesen  beiden  P.eol)achtungen  hatte  dann  Herschell  den  Zusammen- 
hang vermuthet  und  experimentell  nachgewiesen,  dass  von  der 
Richtung  dieser  Neigung  auch  die  Ablenkungsrichtung  für  den 
polarisirten  Lichtstrahl  abhängig  sei. 

Derartige  Vorstellungen  liessen  sich  nun  nicht  ohne  Weiteres 
auf  drehende  organische  Substanzen  übertragen.  Beim  Quarz 
geht  das  Drehungsvermögen  aus  der  Art,  in  welcher  die  Mole- 
cüle  im  Krystall  angeordnet  sind,  liervor,  es  verschwindet,  sobald 
das  Krystallgefüge  vernichtet  ist,  d.  h.  im  gelösten  oder  amorphen 
Zustande.  Bei  den  organischen  Substanzen  tritt  das  Drehungs- 
vermögen gerade  in  der  Lösung  hervor,  erscheint  also  als  Folge 
der  Anordnung  der  Atome  im  Molecül.  Immerhin  konnte  man 
nach  Mitscherlich's  Untersuchungen  über  den  Isomoriihismus  auch 
den  Gedanken,  dass  die  Constitution  des  Molecüls  die  Krystall- 
form  beeinflusse,  nicht  mehr  fremdartig  finden. 

So  begann  denn  Pasteur  seine  Arl)eiten  auf  diesem  Gebiete 
mit  eingeiienden  krystallographischen  Untersuchungen  zunächst 
der  Weinsäure  und  ihrer  Salze.  Er  fand  in  allen  Hemiedrie  und 
zwar  bei  allen  Salzen  im  gleichen  Sinne.  Einen  Schritt  weiter 
gehend,  prüfte  er  zahlreiche  andere  optisch  active  organische 
Substanzen,  so  weit  sie  krystallisirbar  waren,  und  fand  seiner 
Vernuithung  entsprechend  auch  hier  stets  Hemiedrie,  die  aller- 
dings oft  schwer  za  beobachten  und  daher  früheren  Forschern 
entgangen  war.  Im  Gegensatz  dazu  erforschte  er  dann  die  Krystall- 
formen  der  Trauliensäure  und  ihrer  Salze,  einer  Säure,  die  mit 
Weinsäure  chemisch  vollkommen  identisch  erscheint  und  sich  nur 
durch  den  Mangel  des  Drehungsvermögens  von  ihr  unterscheidet. 
Er  fand  die  Formen  stets  gleicii  denen  des  entsprechenden  wein- 


*)  Nach  einem  Zusatz  Ostwalds  sind  die  oft  in  seinen  Ab- 
handlungen vorkommenden  falschen  Vornamen  Bunsen's  Folge 
von  Druckfehlern.  Der  richtige  Name  lautet  Robert  Wilhelm 
(Eberhard). 


sauren  Salzes,  aber  ohne  die  bei  letzteren  vorhandene  Hemiedrie. 
Der  Zusammenhang  zwischen  dieser  und  dem  Drehungsvermögen 
schien  also  bewiesen,  ganz  analog  dem  von  Herschell  für  Quarz 
erbrachten  Beweis.  Doch  sollte  diese  Analogie  noch  in  vollkom- 
menerer Weise  sich  herausstellen. 

Schliesslich  gelang  es  nämlich  Pastour,  bei  einem  Salze  der 
Trauliensäure,  dem  Natrium-Ammonium-Salz,  hemiedrische  Kry- 
stalle  zu  erzielen,  aber  stets  in  zwei  Formen,  die  sich  verhielten 
wie  Bild  und  Spiegelbild,  da  die  hemiedrischen  Flächen  sich  als 
entgegengesetzt  geneigt  erwiesen.  Wurden  diese  beiden  Krystall- 
arten  gesondert  und  jede  für  sich  durch  Säure  zersetzt,  so  erhielt 
man  in  beiden  Fällen  optisch  aktive  Lösungen,  von  gleich  starkem, 
aber  entgegengesetztem  Drehungsvermögen.  Die  eine  enthielt 
die  gewöhnliche  Weinsäure,  die  andere  eine  neue,  seither  als 
Linksweiusäure  unterschiedene.  Beim  Vermischen  beider  Lö- 
sungen, Aequivalent  zu  Aequivalent,  entsteht  dann  unter  Wärme- 
entwicklung wieder  dieselbe  inaktive  Traubeusäure,  durch  deren 
Spaltung  beide  erhalten  waren. 

So  war  nachgewiesen  der  Zusammenhang  zwischen  Hemiedrie 
und  optischem  Drehungsvermögen  und  es  war  ferner  constatirt 
und  erklärt  das  Bestehen  einer  Art  von  Isomerie,  welche  nur 
bedingt  ist  durch  die  Lagerung  von  Atomen  resp.  Atomgruppen 
innerhalb  des  Molecids  zu  eiuander.  Die  Grundzüge  jener  Theorie 
„von  der  Lagerung  der  Atome  im  Räume'',  die  heute  von  so 
maassgebender  Bedeutung  geworden,  waren  gegeben.  Was  später 
das  Le  Bei — van't  Hoff'sche  Gesetz  durch  weiteres  Eindringen  in 
die  Ursachen  der  Asymmetrie  präciser  formulirte,  klingt  in  seinen 
Grundzügen  schon  aus  den  Pasteur'schen  Folgerungen: 

1.  Wenn  die  Elementaratome  organischer  Producte  asymme- 
trisch gruppirt  sind,  zeigt  die  Krystallform  der  Körper  jene  mole- 
culare  Asymmetrie  durch  eine  sich  nicht  deckende  Hemiedrie. 

2.  DieExistenz  dieser  Molecular-Asymmetrie  zeigt  sich  ferner 
durch  ein  optisches  Drehungsvermögen. 

3.  Wenn  die  sich  nicht  deckende  Molecular-Asymmetrie  in 
zwei  einander  entgegengesetzten  Formen  auftritt,  wie  dies  bei  den 
Rechts-  und  Links-Weinsäuren  und  allen  ihren  Derivaten  der 
Fall  ist,  so  sind  die  chemischen  Eigeuschaften  dieser  identischen, 
aber  optisch  entgegengesetzten  Körper  genau  dieselben,  woraus 
folgt,  dass  diese  Art  der  Gegenüberstellung  und  Aehnlichkeit  das 
gewöhnliche  Spiel  der  chemischen  Affinitäten  nicht  stört,  wobei 
indessen  der  letzte  Satz    eine  Einschränkung  erfährt. 

Bis  hierher  ist  Pasteur  auf  dem  Boden  des  wirklich  Beob- 
achteten geblieben  und  so  zeigt  er  denn  hier  auch  seine  ganze  Be- 
deutung im  scharfsinnig  durchdachten  Experimentiren  und  in 
seiner  glänzenden  Beobachtungsgabe.  Aber  auch  seine  schwache 
Seite  tritt  nun  hervor.  Leicht  giebt  er  sich  einer  Hypothese  hin, 
die  alsbald  die  volle  Stärke  eines  Vorurtheils  erlangt  und  die 
Schärfe  seines  kritischen  Urtheils  beeinträchtigt.  Die  alte  An- 
sicht von  der  Verschiedenheit  der  in  der  anorganischen  und  der 
organischen  Natur  wirkenden  Kräfte,  von  der  besonderen  in 
letzterer  thätigen  Lebenskraft,  die  durch  Wöhlers  Harnstoff- 
synthese 32  Jahre  zuvor  den  Todesstoss  erhalten  zu  haben  schien, 
sie  erweckt  Pasteur  zu  einem  neuen  kurzen  Scheindasein.  Frei- 
lich giebt  er  jetzt  dafür  eine  bestinnutere  Definition.  Statt  bei  der 
Thatsache  stehen  zu  bleiben,  dass  es  bis  dahin  nicht  gelungen 
sei,  künstlich  Körper  von  molecularem  Drehungsvermögen  zu  er- 
zeugen, geht  er  sofort  zu  der  Behauptung  über,  dass  dies  id^er- 
hau])t  nur  durch  eine  gewisse  richtende  Kraft  der  Organismen 
möglich,  dann  aber  auch  gewissermaassen  nothwendig  sei.  Be- 
fangen in  seinem  Vorurtheil  weist  er  auf  die  Möglichkeit  hin, 
dass  viele  durch  den  Organisnuis  erzeugte  inaktive  Körper  die 
Traubensäureform  vorstellen  könnten,  während  er  die  mindestens 
ebenso  wahrscheinliche  Annahme,  dass  diese  Form  bei  künstlichen 
Bildungsprocessen  entstehe,  nicht  gelten  lassen  will. 

Aber  auch  die  Irrlhümer  bedeutender  Menschen  sind  zuweilen 
nützlich.  Aus  der  eben  erwähnten  Ansicht  gingen  die  schönen 
und  von  bestem  Erfolge  gekrönten  Versuche  hervor,  ojitisch 
aktive  Säuren  aus  der  inaktiven  Traubensäuremodifikatiou  zu 
isoliren,  durch  Verbindung  mit  asymmetrischen  Basen  wie  Chinicin 
und  Cinchoniciu  oder  durch  Einwirkung  asymmetrischer  Kräfte 
in  Gestalt  von  Gährungspilzen.  Gerade  durch  Anwendung  dieser 
Methoden  ist  es  dann,  nachdem  durch  vau't  Hoff'  dii'  Ursache 
der  moleeularen  Asynunetrie  erkannt  war,  gelungen,  fast  nach  Be- 
lieben im  Laboratorium  optisch  aktive  Körper  zu  erzeugen  und 
so  die  Theorie  der  Lebenskraft,  hoffentlich  für  immer,  zu  begraben. 

Nr.  29.      Ludwig   Wilhelmy,     Lieber    das    Gesetz,    nach 
welchem  die  Entwicklung  der  Säuren  auf  den  Rohr- 
zucker stattfindet.    (1850.)    Herausgegeben  von  W.  0.stwald. 
—  Preis  0,80  iMk. 
Diese  Arbeit   stellt    den   ersten  gelungenen  Versuch  dar,    die 
Gesetze  zu  erforschen,  nach  denen  iler  Verlauf  chemischer  Reac- 
tionen    in    der  Zeit    erfolgt.     Der   Verfasser    wählte  als   Beispiel 
die  Inversion  des  Rohrzuckers,   weil  hier  der  Polarisationsapparat 
jederzeit  den  Punkt,    l)is   zu  welchem  die  Reaction   gediehen  ist, 
mit    Leichtigkeit    festzustellen    gestattet,    wie    denn    auch    dieses 


Nr.  8. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


79 


Boisijiel  für  die  spätere  Entwicklung  dieses  Zweiges  der  tlioore- 
tischen  Chemie  miiassgebend  geblieben  ist.  Er  zeigt  hieran  die 
strenge  zahlenmilssige  Gültigkeit  seiner  aus  allgemeinen  Betrach- 
tungen theoretisch  abgeleiteten  Formel.  Merkwürdigerweise  ist 
diese  Arbeit,  die  der  fruchtbarsten  Anregungen  voll  ist,  von  den 
Fachgenossen  so  wenig  beachtet  worden,  dass  spatere  Forschor 
auf  diesem  Gebiete,  ohne  das  hier  gebotene  Material  zu  ver- 
werthen,  erst  durch  solbstständige  Arbeiten  zum  selben  Schlüsse 
gelangten.  Erst  der  Herausgeber  hat  dann  (Journ.  f.  prakt. 
Chem.  (2)  XXIX  385,  1884)  die  Aufmerksamkeit  auf  das  ver- 
gessene Urbild  dieser  Arbeiten  gelenkt  und  dasselbe  jetzt  in 
pietätvoller  Weise  durch  die  Aufnahme  in  seine  Sammlung  auch 
weiteren  Kreisen  zugänglich  gemacht.  Durch  die  Beifügung  des 
Lebenslaufs  sowie  eines  Verzeichnisses  seiner  wissenschaftlichen 
Arbeiten  wird  der  fast  unbekannte  Verfasser  auch  menschlich 
dem  Leser  näher  gerückt. 

Nr.  30.  Prof.  S.  Cannizzaro,  Abriss  eines  Lehrgangs 
der  theoretischen  Chemie  vorgetragen  an  der  l'ni- 
versität  Genua.  (1858.)  Uebersetzt  von  Dr.  Arthur  Miolati 
aus  Mantua,  herau.sgegeben  von  Lothar  Meyer.  —  Preis  1  Mk. 
In  Form  eines  Briefes  an  seinen  Freund,  Prof.  S.  de  Luca, 
seliihlort  C.  in  gedrängter  und  doch  durchaus  klarer  Kürze,  wie 
er  in  seinen  akademischen  Vorlesungen  vor  den  Jüngern  der 
Chemie  das  theoretifche  Gebäude  iln-er  Wissenschaft  aufbaut. 
Von  erfreulichster  Wirkung  ist  die  Einheitlichkeit,  welche  er  in 
einer  Zeit,  da  noch  die  widersprechendsten  Meinungen  Unklarheit 
in  die  wichtigsten  Grundlagen  der  cliemischen  Theorien  trugen, 
in  seinen  Lehrstoft'  bringt.  Vor  Allem  ist  es  das  damals  noch 
vielumstrittene  Avogadro'sche  Gesetz,  dem  er  zur  vollen  Herrschaft 
verhilft.  Für  weitere  Kreise  von  Bedeutung  waren  hierfür  na- 
mentlich die  Veröffentlichungen ,  zu  welchen  ihn  die  Unter- 
suchungen von  M.  H.  Sainte-Claire  Deville  „über  die  Dissociation 
oder  die  Zersetzung  der  Körper  unter  dem  Einfluss  der  Wärme" 
(die  wir  hoffentlich  auch  bald  in  der  OstwaUrsclien  Sanniilung  be- 
grüssen  dürfen)  anregten.  In  dankenswerther  Weise  sind  z\yei 
derselben  dem  obigen  „Abriss"  beigefügt.  Wer  das  kleine 
Sehriftclien  liest,  wird  ihm  freudig  den  Platz  unter  den  klassi- 
schen Schriften  als  verdient  zuerkennen,  insbesondere,  wenn  er 
aus  der  Anmerkung  dos  Heransgebers  sich  wieder  den  Wirrwarr 
in  der  theoretischen  Chemie  beim  Erscheinen  derselben  klar  macht. 

Dr.  Spiegel. 


Ii.  Boltzmann,  Vorlesungen  über  Maxwells  Theorie  der  Elek- 
tricität  und  des  Lichtes.  I.  Theil.  Ableitung  der  Grund- 
gh-ichungen  für  ruhende,  homogene,  isotrope  Körper.  Leipzig. 
Joiiann  Andirosins  Barth,     1893.  —  Preis  5  M. 

Der  Herr  Verfasser  dieses  Werkes  hat  seit  langen  Jahren 
schon  in  so  hoch  bedeutsamer  Weise  mitgewirkt  auf  dem  Gebiete, 
das  er  hier  darstellt,  dass  wir  sein  Buch  schon  von  vornherein 
mit  dem  grössten  Interesse  begrüsst  haben.  Dies  Literesse  war 
bei  dem  Unterzeichneten  umso  lebhafter,  als  neuerdings  die  Mei- 
nung geäussert  worden  war,  dass  die  Maxweirsche  Darstellung 
(im  Treatise  of  Electricty)  unklar  und  schwierig  sei.  Ich  konnte 
das  nie  finden,  will  aber  zugeben,  dass  die  Leetüre  Maxwell'scher 
Arbeiten  ein  grösseres  Maass  von  Ausdauer  und  intensiver  Hingabe 
verlangt,  als  dies  sonst,  namentlich  in  französischen  Werken,  ver- 
langt wird. 

Herr  Boltzmann  hat  nun  allerdings  in  vollstem  Maasse  erreicht, 
was  er  angestrebt  hat:  Klarheit,  Kürze,  Anschaulichkeit.  Es  ist 
ein  grosses  Verdienst,  dass  hier  die  letzte  mathematische  Grund- 
lage der  ganzen  Theorie,  die  Holmholz'sche  Theorie  der  cj'klisclien 
Bewegungen  scharf  und  reinlich  herausgestellt  wird.  Mit  Anwen- 
dung der  Lagrange'schen  Gleichungen  ergeben  sich  aus  dieser 
Grundlage  dann  die  Gleichungen  der  Elektricitätslehro  in  so  ein- 
facher und  klarer  Weise,  dass  der  Leser  sich  ohne  Mühe  in  die 
ihm  anfangs  noch  fremde,  der  gewöhnlichen  so  ganz  gegen- 
überstehende, Maxwell'sche  Anschauung  hineinfindet.  Die  Ver- 
anschaulichung  elektrischer  Vorgänge  durch  mechanische  Modelle 
ist  eine  in  hohem  Maasse  gelungene,  die  mathematis<-he  Durch- 
führung überall  eine  strenge.  Dabei  wird  aber  niemals  die  Be- 
ziehung zum  Experimente  —  ohne  welche  Bücher  über  mathema- 
tische Physik  für  mich  nur  problematischen  Wertb  haben  —  ver- 
nachlässigt. Das  Werk  des  Herrn  Boltzmann,  auf  dessen  reichen 
Inhalt  ich  au  anderer  Stelle  eingehe,  ist  ein  grosser  Schatz  für 
unseri'  wissenschaftliche  Littoratur  und  es  sollte  kein  Studirender 
und  kein  Lehrer  versäumen,  sich  mit  dem  Inhalte  dieser  Vorle- 
sungen bekannt  zu  machen.  Grs. 


L.  Fletcher.  The  optical  indicatrix  and  the  transmission  of 
Ught  in  criptals.     Henry  Trowile,  LouiIdu  bSil'i. 

Das  vorliefiende  Work  scdirint  uns  dii'  Aufmerksamkeit  so- 
wohl der  Physik(>r  und  Mathemathiker  als  auch  der  Mineralogen, 
soweit  sie  an  der  mathematischen  Behandlung  der  krj-stallogra- 
phischen  Optik  Interesse  nehmen,  zu  verdienen.  Angeregt  durch 
seinen  Lehrer  Maskelyne  macht  der  Verfasser  den  Versuch,  einen 
möglichst  einfachen  Eingang  in  die  Theorie  der  Ref'raction  des 
Lichtes  in  Crj'stallen  zu  geben,  der  soviel  als  möglich  jede  Unter- 
suchung über  die  Eigenschaften  des  Aethers  vermeidet.  Einen 
erheblichen  EinHuss  hat  unseres  Erachtens  die  Bemerkung  von 
Sir  William  Thomson  (Lord  Kelvin)  auf  das  Werk  ausgeübt,  dass 
nämlich  die  seit  Fresnel  für  die  Stabilität  des  Aethers  als  unum- 
gänglich nothwendig  betrachtete  Imcompressibilität  des  Aethers 
thatsäehlich  hierfür  nicht  nöthig  ist.  Der  elastische  Lichtäther 
wird  hiernach  also  compressibel  betrachtet.  Wir  müssen  es  uns 
versagen,  auf  eine  nähere  Analysirung  des  Inhalts  des  sehr  intiM-- 
essanten  Versuchs  zu  einer  neuen  Darstellung  der  krystallogra- 
phischen  Optik  einzugelien.  Unser  Referat  aber  schliessen  wir 
mit  dem  Wunsche,  dass  dem  vorliegenden  Werke  die  gebührende 
Beaclitung  zu   Theil  werde. 

Die  Ausstattung  des  Buches  ist  in  jeder  Beziehung  als  vor- 
trefflich zu  bezeichnen. 


Annuaire  pour  l'an  1893,  public  par  le  Bureau  des  Longitudcs. 
Avec  des  Notices  seientihques.  Gauthier-Villars  et  Fils,  Paris 
1893.  —  Preis  1  Fr.  50  C. 

Das  vom  Bureau  des  Longitudes  für  das  Jahr  1893  heraus- 
gegebene Jahrbuch  enthält  ausser  den  üblichen  Tabellen  über 
Astronomie,  Maasse  und  Gewichte,  Münzen,  Statistik,  Geographie, 
Mineralogie,  Physik  und  Chemie  diesmal  eine  Reihe  interessanter 
wissenschaftlicher  Aufsätze  aus  berühmten  Federn.  Wir  führen 
von  den  letzteren  besonders  an:  über  das  Observatorium  auf  dem 
Mont-Blanc  von  J.  Janssen;  über  die  Beziehung  zwischen  den  Er- 
scheinungen der  statischen  und  dynamischen  Elektricität  und  die 
Definition  der  elektrischen  Einheiten  von  A.  Cornu;  ferner  eine 
Rede  von  J.  Janssen  über  die  Aeronautik.  Schliesslich  sind  zu 
erwähnen  die  Reden  über  Ossian  Bonne t,  über  den  Admiral  Mou- 
ehez  und  den  General  Perrier. 

Es  ist  überflüssig,  dem  bekannten  werthvoUen  Werke,  welches 
sich  mit  Recht  eines  ausgezeichneten  wissenschaftlichen  Rufes  er- 
freut, eine  Empfehlung  auf  den  Weg  mitzugeben.  Der  ausser- 
ordentlich geringe  Preis  ist  nur  bei  einem  so  stark  verbreiteten 
Werke  möglich,  wie  es  das  vorliegende  Jahrbuch  ist.         A.  G. 


Alldeutschland  in  Wort  vmd  Bild.  Eine  malerische  Schilderung 
der  deutschen  Heimath  von  August  Trinius.  Ferd.  Dümmlers 
Verlag  in  Berlin.     1893.  —  ä  Lief.  0,30  M. 

Seit  unserer  letzten  Notiz  über  das  genannte  hübsche  Werk 
sind  nicht  weniger  als  10  Lieferungen,  die  Lief.  7 — 16,  erschienen. 
D.as  liebliche  Thüringen  findet  sich  bei  S.  272  erledigt  und  der 
nächste  Abschnitt  ist  „Die  schwäbische  Alb"  überschrieben,  dann 
folgt  der  Abschnitt  „Am  Rhein",  der  begreiflicherweise  mit  Lief. 
16  noch  nicht  abgeschlossen  ist.  Die  zahlreichen  Skizzen  nach 
Federzeichnungei],  sowie  Abbildungen  nach  Photographien  sind 
stets  charakteristisch  und  treffend  gewählt;  der  Zeichner  der 
ersteren,  F.  Holbein,  versteht  es  mit  wahrer  Künstlerschaft  seinen 
Bildern  immer  wieder  neue,  anniuthige  Umrahmungen  zu  geben. 
Der  Te.xt  ist  dem  grossen  Publikum  sehr  geschickt  angepasst: 
jedermann  muss  seinen  Gefallen  an  dem  Werke  haben. 


Sitzungsberichte  der  Kgl.  Preuss.  Akademie  der  Wissen- 
schaften. 1892.  Hefte  54  und  55.  —  L.  Fuchs:  l'eber  die  Re- 
lationen, welche  die  zwischen  je  zwei  singuläreu  Punkten 
erstreckten  Integrale  der  drei  Lösungen  linearer  Dift'erential- 
gleichungen  mit  den  Coefficienten  der  Fundamentalsubstitutioneu 
der  Grupe  derselben  verbinden.  —  G.  du  Bois  und  Rubens: 
Uebcr  Polarisation  ultrarother  Strahlen  beim  Durchgang  durcli 
Metalldrahtgitter.  —  Wilhelm  von  Bezold:  Der  Wärmeaus- 
tausch an  der  F]rdoberfläclie  und  in  der  Atmosphäre.  Der  vorlie- 
genden Abhandlung  sollen  noch  weitere  über  nach  der  angegebenen 
Richtung  hin  angestellten  Untersuchungen  folgen.  Diese  erstrecken 
sich  auf  die  Vorgänge,  welche  die  von  der  Sonne  gelieferten 
Wärmemengen  von  ihrem  Eintritt  in  die  Atmosphäre  bis  zu  ihrem 
Wiederaustritt  nach  dem  Weltraum  zu  durchlaufen  haben. 
(Welcher  Bruchtheil  der  in  bestimmter  Zeit  an  irgend  einem  Ort 
zum  Austausch  gelangenden  Wärme  wird  durch  directe  Einstrah- 
lung geliefert  und  durch  directe  Ausstrahlung  entzogen;  wie  viel 
wird  durch  einfache  und  zusammengesetzte  Convection  gebratdit 
oder  weggeführt;  wie  viel  dii>nt  zum  V^erdunsten  des  Wassers  oder 
zum  Schmelzen  dos  EiHe,'< ;  wie  viel  wird  im  Erdboden  für  spätere 
Abgabe  aufgespeichert,  etcV)     Wir  worden  auf  diese  Arbeit  noch 


80 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  8. 


au  anderer  Stelle  der  „N.  W."  zurückkommen.  —  Curtius:  Die 
Deichbauten  der  Minyer.  Der  heute  berüchtigte  Kopais-See  war 
vor  der  bis  jetzt  bekannten  griechischen  Geschichte  kein  Fieber- 
Sumpf,  sondern  lag  in  wohl  angebauter,  blühender  Gegend.  Er- 
möglicht wurde  dies  durch  die  bedeutenden  und  praktischen 
Kanal-  und  Deichbauten  des  bis  vor  kurzer  Zeit  noch  in  die 
Mythe  verwiesenen  Stammes  der  Minyer.  Eine  Tafel.  —  Ernst 
Leumann:  .Tinabhadra's  Jitakalpa,  mit  Auszügen  aus  Siddhasena's 
Cürni.  (Eine  in  Verse  gebrachte  Bussenliste  der  Jaina-Möncho  ) 
Heft  1  des  neuen  Jahrgangs:  Philipp  Lenard:  ITeber  Kathoden- 
strahleu  in  Gasen  von  atmosphärischem  Druck  und  im  äussersten 
Vacuum.  F.  K. 


Sitzungsberichte  der  Eaiserl.  Akademie  der  W  issenschaften 
zu  Wien.  Mathematisch-Naturwissenschaftliche  Classe.  Band 
101,  Heft  8.  —  1.  E.  Mach:  Ergänzungen  zu  den  Mittheilungen 
über  Prqjectile.  Es  werden  neue  Beweise  mitgetheilt  für  die 
Existenz  der  sogenannten  Kopfwelle,  welche  von  Körpern  mit 
grosser  Bewegungsgeschwindigkeit  erzeugt  wird  und  einen  Knall 
verursacht  (z.  B.  beim  Fallen  von  Meteoriten).  —  2.  Leopold 
Gegenbauer:  Ueber  die  aus  den  vierten  Einheitswurzeln  ge- 
bildeten primären  ganzen  complexen  Zahlen.  —  3.  Hermann 
Fritz:  Die  gegenseitigen  Beziehungen  der  physikalischen  und 
ehemischen  Eigenschaften  der  chemischen  Elemente  und  Verbin- 
dungen. —  4.  Jos.  Finger:  Ueber  die  gegenseitigen  Beziehungen 
gewisser  in  der  Mechanik  mit  Vortheil  anwendbaren  Flächen 
zweiter  Ordnung  nebst  Anwendungen  auf  Probleme  der  Astastik. 
(Ergänzungen  und  Erweiterungen  zu  den  Daroux'schen  geome- 
trischen Resultaten  astastischer  Probleme;  gleichzeitig  Einleitung 
zu  einer  Reihe  von  Abhandlungen  über  den  Kräftepol  eines  be- 
liebigen auf  ein  starres  Punktsystem  einwirkenden  Kräftesystems. 1 
—  5.  Leopold  Gegenbauer:  Ueber  den  grössten  gemeinsamen 
Theiler.  —  6.  G.  v.  Eschcrich:  Ueber  die  Multiplikatoren  eines 
Systems  linearer,  homogener  Differentialgleichungen.  —  7.  Josef 
Tesar:  Ueber  ein  Paar  unicursaler  Degenerirungscurven  dritter 
Ordnung  des  Normalenproblems  und  das  Normalenproblem  einer 
confocalen  Kegelschnittschaar.  1  Tafel.  —  8.  E.  Weiss:  Unter- 
suchung der  systematischen  Differenzen  einiger  südlicher  Stern- 
kataloge. (Um  die  Eigenbewegung  einer  grösseren  Anzahl  von 
Sternen  südlich  des  Wendekreises  des  Steinbocks  genauer  be- 
stimmen zu  können,  hat  der  Verf.  die  systematischen  Unterschiede 
zwischen  mehreren  Sternkatalogen  entwickelt  und  theilt  seine  Re- 
sultate ausführlich  mit.  Er  hat  folgende  Kataloge  mit  einander 
verglichen:  a)  Gill's  CapKatalog  für  18500  mit  Argelander;  b)  Gill's 
C.-K.  etc.  mit  dem  Katalog  von  Gillis  aus  Beobachtungen  in 
Santiago;  c)  Jacob's  Subsidiary-Catalogue  mit  Gill's  C.-K.  etc.; 
d)  Hagen-Holden's  Katalog  von  Tacchinis  südlichen  Sternen  mit 
Gould's  Zonen-Katalog;  e)  Ta3dor's  General-Catalogue  mit  süd- 
lichen Sternen  des  Kataloges  von  Piazzi;  f)  B.  A.  Gould's  General- 
Katalog  mit  J.  E.  Stone's  Cap-Katalog  von  18800.)  F.  K. 


Berichte  über  die  Verhandlungen  der  Kgl.  sächsischen 
Gesellschaft  der  Wissenschaften  zu  Leipzig.  Mathem.-phys. 
Classe.  1892.  N.  —  Ausser  dem  bereits  in  der  „Naturw.  Wocheu- 
schr."  erwähnten  Artikel  H.  Credner's:  „Ueber  die  Geologische 
Stellung  der  Kliuger  Schichten",  auf  den  wir  —  wie  damals  ge- 
sagt —  noch  ausführlich  eingehen  werden,  bringen  F.  Stohmann 
und  H.  Langbein  die  achtundzwanzigste  ihrer  Abhandlungen, 
in  denen  der  orstere  die  von  ihm  im  Verein  mit  anderen  ange- 
stellten „Calorimetrischen  Untersuchungen"  beschreibt.  In  vor- 
liegender Arbeit  handelt  es  sich  um  die  Untersuchung  der  isomeren 
Allyl-  nnd  Propenylverbindungen.  G.  F.  Lipps  hat  einen  Artikel 
über  „Thetareihen  und  ihren  Zusammenhang  mit  den  Doppel- 
integralen"  gebracht. 


Rickert,  H.,  Der  Gegenstand  der  Erkenntniss.     Freib.    2,20  M. 

Biecke,  E.,  Molekulartheorie  der  piezoelektrischen  Erscheinungen. 
Göttingen,     h  M. 

Rosenbusch,    H.,    Mikroskopische    Physiographie   der   Mineralien 

und  Gesteine.     Stuttgart.     24  M. 
Rost,  G.,  Untersuchungen  über  die  allgemeine  lineare  Substitution, 

deren  Potenzen   eine  endlose  Gruppe  bilden.     Leipzig.     1,20  M. 
Rüefli,  J.,    Anhang  zu   den   kleinen  Lehrbüchern   der  Geometrie. 

Bern.     0.40  M. 
Saalschatz,    L..    Vorlesungen    über    die    BernouUischen    Zahlen, 

ihren   Zusammenhang   mit   den   Secanten-Coefficienten   und   ihre 

wichtigeren  Anwendungen.     Berlin.     5  M. 

Scheffler,  H.,  Die  quadratische  Zerfällung  der  Primzahlen. 
Leipzig.     3  M. 

Scheiner,  J.,  Der  grosse  Sternhaufen  im  Hercules,  Messier  13, 
nach  Aufnahmen  am  Potsdamer  photographischen  Refractor. 
Berlin.     3,.j0  M. 

Schulze,  E.,  Fauna  piscium  Germaniae.  2.  Aufl.  Königsberg. 
3  M. 

Schulze,  F.  E.,  Ueber  die  innereren  Kiemen  der  Batrachierlarvcn. 
Berlin,     6  M. 

Schwalbe,  J.,  Grundriss  der  spcciellcn  Pathologie  und  Therapie. 
Stuttgart.     14  M. 

See,  T.  J.  J.,  Do]ipelstern-Beobachtungen.     Berlin. 
SeeUg,   E.,    t)rganische    Reaktionen    und    Reagentien.      Stuttgart. 
15  M. 

Siebenrock,  F.,  Zur  Kenntniss  des  Kopfskelettes  der  Scincoiden, 

Anguiden  und   Gerrhosauriden.     Wien.     4  M. 
Sievers,  W.,  Asien.     Leipzig.     15  M. 
Sommer,  R.,  Grundzüge  einer  Geschichte  der  deutschen  Psyclio- 

logie    und    Aesthetik    von  Wolflf-Baumgarten    bis   Kant-Schiller. 

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Steffen,  W.,  Lehrbuch  der  reinen  und  technischen  Chemie.  An- 
organische Experimental-Chemie.     Stuttgart.     10  M. 

Steindachner,  F.,  Ueber  die  tyidschen  Exemplare  von  Lacerta 
niosorensis.     Wien.     1,40  M. 

Stizenberger,  E.,  Die  Alectorienarten  und  ihre  geographische 
A'erlireitung.     Wien.     0.80  M. 

Stockt,  A.,    Lehrbuch   der   Philosoi)hie.      7.  Aufl.     Mainz.     15  M. 

Strahl,  H.,  Untersuchungen  über  den  Bau  der  Planceta.  Wies- 
b.aden.     3,60  M. 

Stricker,  S.,  Ueber  strömende  Elektricität.     Wien.    2,.50  M. 

Strümpel,  A.,  Lehrbuch  der  speciellen  Pathologie  und  Ther-apie 
der  inneren  Krankheiten.     7.  Aufl.     Leipzig.     10  M. 

Tavel,  F.  v.,    Vergleichende  Morphologie  der  Pilze.    Jena.     6  M. 

VioUe,  J.,  Lehrbuch  der  Physik.     Berlin.     11,20. 

Voigt,  W.,  Bestimmung  der  Constanten  der  Elasticität  und  Unter- 
suchung der  inneren  Reibung  für  einige  Metalle.  Göttingen. 
6,50    M 

Volhard,  J.,  Ueber  die  Synthese  der  Vulpinsäure  und  die  Consti- 
tution der  y-Ketonsäuren.     Halle.     1,20  M. 

Voll,  A.,  Compendium  der  normalen  Anatomie.     Berlin.     8  M. 

Weismann,  A.,  Aufsätze  über  Vererbung  und  verwandte  bio- 
logische Fragen.     Jena.     12  M. 

— , — ,  Das  Keimplasma.     Ebd.  12  M. 

Wiesner,  J.,  Untersuchungen  über  den  Einfluss  der  Ijage  auf  die 
Gestalt  der  Pflanzenorgane.    Leipzig.    0,'JO  M. 


Inhalt:  Dr.  Georg  Meyer:  Die  Geologie,  eine  Lehrmeisterin  des  19.  Jahrhunderts.  (Fortsetzung  und  Schluss.)  —  Hermann 
Lachmann:  Süsswasser- Aquarien.  (Mit  Abbild.)  —  Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben.  —  LItteratur:  Ostwald's  Ivlassiker  der 
exacten  Wissenschaften.  —  L.  Boltzmann:  Vorlesungen  über  Maxwells  Theorie  der  Elektricität  und  des  Lichtes.  —  L.  Fletcher: 
The  optical  indicatrix  and  the  transmission  of  light  in  criptals.  —  Annuaire  pour  l'an  1893.  —  Alldeutschland  in  Wort  und 
Bild.  —  Sitzungsberichte  der  Kgl.  Preuss.  Akademie  der  Wissenschaften.  —  Sitzungsberichte  der  Kaiserl.  Akademie  der  Wissen- 
schaften zu  Wien.  Mathematisch- Naturwissenschaftliche  Classe  —  Berichte  über  die  Verhandlungen  der  Kgl.  sächsischen 
Gesellschaft  der  Wissenschaften  zu  Leipzig.  —  Liste. 

Verantwortlicher  Redakteur:  Dr.  Henry  Potonie,  Berlin  N.  4.,  Invalidenstr.  40/41,  für  den   Inserathentheil:  Hugo  Bernstein  in  Berlin. — 
Yerlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12.  —  Druck;  G.  Bernstein,  Berlin  SW.  12. 


Nr.  S. 


NaturM'issciischaftliclie  Wochenschrift. 


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VIII.  Band. 


Sonntag,  den  26.  Februar  1893. 


Nr.  9. 


Abonnement:  Man  abonniit  bei  allen  Buclihandluiigon  und  Post - 

anstaltcii,  wie  bei  der  Expedition.    Der  Vierteljahrspreis  ist  JL  3.— 

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Inserate:  Die  vieigespaltene  Petitzeile  40  -A.   Grössere  AufträKe  ent- 
sprechenden Rabatt.  Beilagen  nach  Uebereinkunft.  luseratenannahme 
bei  allen  Annocenbureaux,  wie  bei  der  Expedition. 


Abdravk  ist  nur  luit  voUstäiidigci'  <^nencnaii{>;nbe  gestattet. 


Die  Algenflora  des  Müggelsees. 


Von  P.  Hennings,    Ciistos  am   Kgl.  botanischen  Museum  in  Berlin 

Obwohl  Alexander  Bi-auii.  einer  dei"  iirö.ssten  Algen- 
kennei'  .seiner  Zeit,  über  ein  Vierteljalirhundert  hinaus  der 
Erforschung'  der  niärkisclien  Alg-entlora  seine  besondere 
Aufmerksamkeit  zugewendet  hatte,  ist  bisher  sehr  wenig 
über  dieselbe  bekannt  geworden.  Und  doch  sind  die  Ge- 
wässer der  Jlark  so  reich  an  eigenthündiehen  und  seltenen 


Algen.  Ich  erinnere  hier  nur  an  die  zahlreich  vertretenen 
Arten  der  Characeeu,  Oedogonieen,  sowie  an  l'leuroeladia 
lacustris  A.  Br.  Diese  iuteressaute  Süsswasser  -  Phaeo- 
phycee  wurde  von  A.  Braun,  Mai  1855  zuerst  im  Tegeler 
See  entdeckt  und  findet  sich  höchstwahrscheinlich  auch 
heute  noch  dort.  Dieselbe  wurde  von  mir  am  12.  Mai  1882 
in  einem  Teiche  bei  Mariendort',  südwestlich  von  Berlin, 
in  Menge  autget'unden.*) 

Seit  12  Jahren  mit  der  Ert'oi-schung  der  märkischen 
Algenflora  gelegentlich  beschäftigt,  hatte  ich  diesen  Sommer 
mein  besondei'cs  Augenmerk  auf  die  des  Müggelsees  ge- 
richtet. Alexander  Braun  ist  meines  Wissens  nicht  oft  nach 
diesem  See  gekomnieu  und  sammelte  am  Süilende  desselben 
nur  die  im  Sommci'  ül)erall  häutige  Anabaeiia  flosaquae. 
Sein  Sohn  Herrmann  fand  im  August  1853  hier  eine  im 
Herbar  Braun  als  Physactis  vel  Limnactis  sp.  bezeichnete 
Phycochromacee  sowie  Chaetophora  radians  Kg.  Weitere 
Algen  waren  mir  aus  diesem  Gewässer  nicht  bekannt. 

Durch  die  Erbauung  der  grossartigen  Wasserwerke 
ist  der  gewaltige  Müggelsee,  dessen  Flächeninhalt  über 
50  qkm  beträgt,  in  den  Bannkreis  Berlins  gezogen  worden, 
und  er  ist  berufen,  dasselbe  fortan  mit  einem  unversieg- 
baren Strom  des  flüssigen  Elementes  zu  versorgen. 


*)  In  No.  43  der  „Naturw.  Wochenschrift"  findet  sieh  die 
interessante  Mittheilung;,  dass  diese  Alge  von  Dr.  O.  Zacharias 
im  Gr.  Plöner  See  aufgefunden  worden  ist.  Ich  vermuthe,  die- 
selbe bereits  1880  im  Tröndelsee  bei  Kiel  gesammelt  zu  haben, 
erkannte  dieselbe  d.  Z.  aber  nicht  und  wurde  beim  Auffinden 
derselben  im  Muriendorfer  Teiche  1882  lebhaft  an  die  Eigenthiim- 
lichkoit  der  liül.--teinischen  Alge,  die  mir  verloren  gegangen  war, 
erinnert. 


Aus  diesem  Grunde  schien  es  mir  sowohl  von  wissen- 
schaftlichem Interesse,  wie  auch  von  hoher  praktischer 
Bedeutuflg-  zu  sein,  die  Algenflora  dieses  Sees  nach 
Kräften  zu  erforschen,  doch  vermochte  ich  meine  Beob- 
achtungen vorläufig  nur  auf  einen  recht  beschränkten 
Theil  desselben  auszudehnen. 

Aber  die  Mühe  ward  ülicrreich  belohnt.  Es  dürfte 
sieh  in  ganz  Nord-  und  Mitteldeutschland  kaum  ein  Land- 
see finden,  welcher  durch  eine  so  eigenartige  und  reiche 
Algenflora  ausgezeichnet  ist,  als  der  Müggelsee. 

Am  19.  April  unternahm  ich  in  Begleitung  der  Herren 
Prof.  Schumann  und  Dr.  Taubert  die  erste  Excursion  und 
begingen  wir  das  linke  Seeufer  von  Friedrichshagen  bis  zur 
Rahnsdorfer  Wassermühle.  Die  aus  den  flachen  Stellen 
des  Ufers  überall  heraustretenden  Wurzelfasern  sowie  über- 
spülte kleinere  Kieselsteine  waren  mit  den  lebhaft  grünen, 
zarten  Raschen  von  Ulothrix  zouata  Kg.  dicht  überzogen. 
Hin  und  wieder  machten  sich  ti-eibende  braune  Flocken 
sowie  grosse  ausgeworfene  Massen,  aus  den  verschieden- 
artigsten Diatomeen  bestehend,  bemerkbar.  In  einer  Quelle, 
die  zwischen  den  Wasserwerken  und  dem  Rahnsdorfer 
Forsthaus  zum  Müggelsee  hineinfliesst,  waren  einzelne 
Steine  mit  dunkelgrünen  Raschen  von  Stigeoclonium  tenue 
Ag.,  sowie  modernde  Zweige  spärlich  mit  Draparnaldia 
glomerata  Ag.  bewachsen.  Dies  war  die  ganze,  nicht 
besonders  reiche  Ausbeute. 

Eine  zweite  Excursion  wurde  auf  gleicher  Strecke 
am  29.  Mai  unternommen.  Ulothrix  zonata  war  fast  gänz- 
lich verschwunden  und  seine  Stelle  von  einem  sehr  kurz- 
rasigeu  dunkelgrünen  Stigeoclonium,  welches  A.  Braun  in 
seinem  Herbar  als  St.  rei)ens  A.  Br.  bezeichnet  hat,  ein- 
genommen. In  einem  Sumpf  jenseits  der  Wasserwerke 
machte  sich  Nostoc  earneum  Kg.  in  schwimmenden, 
dünnen,  zaj-ten,  fleischrothgefärbteu  Häuten  bemerkbar, 
ebenso  fanden  sich  in  diesen  Sümpfen  Ciadophora  glome- 
rata Kg.  reich  mit  Diatomeen  besetzt,  ein  steriles  Oe<lo- 


82 


Nntur-wisseiiselial't liehe  Woelioiisclirift. 


Nr.  9. 


gonium  sowie  Spirogyra  crassa  Kg.  und  Zygnema 
criiciatum  Kg.,  sämmtlich  steril.  Am  20.  Juni  traf 
ich  am  Seeufer  untei'lialb  des  Forstliauses  Nostoc  edule 
Kg.  in  wallnussgrossen,  Itlasigen,  oliventarbigen  Kugeln. 
in  grosser  Menge  ausgeworfen,  an.  Die  üljerHutheteii 
Wurzeln  und  Steine  daselbst  bis  zu  den  A\'asser- 
werken,  waren  mit  dieliten  Rasen  von  Cladopliora  glomc- 
rata  Kg.  var.  subsimplex,  sowie  mit  Conferva  stagnoruni 
(Kg.)  Wille  bewachsen.  In  den  Sümpfen  am  Rande  des 
Sees  hatte  sieh  Nostoc  carueum  Kg.  überall  gewaltig 
ausgebreitet  und  erfüllte  diese  mit  i^allertigen  kugeligen 
oder  lajjpigeu,  dunkelblutrothen  Massen,  in  der  Form 
rufeseens  (Kg.).  Mitte  Juli  sannnelte  ich  an  den  über- 
flutheten  Steinen  und  Wurzeln  des  seichten  Seeufers  auf 
gleicher  Strecke  Cliaetophora  cornu  damae  A'g.  in  der 
schmallappigcn  sowie  in  der  inerustirten  Form  in  grösserer 
Menge. 

Nostoc  edule  war  gänzlich  verschwunden,  s-fatt  dessen 
war  das  ganze  Seeufer  mit  haselnuss-  bis  wallnussgrossen, 
dunkelgrünen,  harten  Kugeln  von  Rivularia  Pisum  Kg. 
form,  saccata,  sowie  mit  Nostoc  rufeseens  Kg.  bedeckt. 
An  dem  überall  an  den  flachen  Ufern  unterhalb  des 
Wasserspiegels  wachsenden  Potaniogeton  ])ectinatus  fand 
sich  Rivularia  Pisum  Kg.  in  crliscngrossen  Kügelchen. 
Diese  fallen  später  ab,  wachsen  zu  voriger  Form  aus  und 
werden  dann  ans  Ufer  geworfen.  Eine  weitere  Excursion 
wurde  Mitte  August  ausgeführt.  In  Sümpfen  am  See- 
rande jenseits  der  Wasserwerke  machten  sieh  bis  über 
walluussgrosse,  olivenfarbige,  blasige  Kugeln  von  Gloeo- 
triehia  natans  Rab.  in  grosser  Menge  bemerkbar.  Eine 
dieser  Kugeln,  die  stark  faltig  und  im  Innern  hohl  war, 
hatte  die  Grösse  eines  Mensclienkopfes.  Dieselben  entstehen 
in  unregelmässigen,  später  oft  mit  einander  verwachsenden 
häutigen  Lapiien  an  Elodea  eanadcusis,  Ohara  fragilis  und 
Gh.  foetida.  In  der  Quelle  an  gleichem  Orte  sowie  am 
Ausflüsse  derselben  in  den  See  fand  sieh  Chaetojjhora 
cornu  damae  Ag.  var.  valde  elongata  Rbh.  in  bis  40  cm 
langen  dunkelgrünen,  dicksträngigen,  reich  verzweigten 
Rasen.  Exeni])lare  Aon  solchen  Dimensionen,  von  solcher 
Schönheit  dürften  wohl  kaum  je  benbachtet  \\orden  sein. 
Es  ist  wunderbar,  zu  welcher  Vielgestaltigkeit  sicli  unter 
liesondcrs  günstigen  Umständen  eine  verhältuissmässig 
kleine,  unscheinbare  Alge  zu  entwickeln  vermag.  Höchst 
wahrscheinlich  findet  dieses  üppige  Wachsthum  in  der 
abnorm  trockenen,  heisscn  Witterung  des  Sonnners,  sowie 
in  dem  eigenartigen  Standorte,  der  an  dieser  Stelle  rasch 
fliessenden,  stets  frischen,  wasserreichen  Quelle,  seine 
Ursache. 

Am  Seeufer  fanden  sich  zusammengerollte  Watten 
einer  langfädigen  Confervacee,  auf  die  ich  später  znrück- 
konnnen  werde,  ausgeworfen;  ebenso  wurden  am  sumpfigen 
Strande  Oonferva  bombyeina  (Kg.)  Wille,  sowie  denselben 
blaugrün  umsäumend,  Anabaena  flos  aquae  Kg.  mit  Poly- 
cystis  aeruginosa  Kg.  beobachtet. 

Von  den  an  Fadenalgen  sowie  in  ausgeworfenen  oder 
treibenden  braunen  Flocken  sich  findenden  zahlreichen 
Diatomaceen  will  ich  hier  nur  die  häufigeren  Arten  nam- 
haft machen.  Melosira  varians  Ag.,  Epithemia  turgida 
(Ehrb.j  W.  Sm.,  Himantidium  pectinalc  (Dillw.)  Kg.,  En- 
cyonema  paradoxum  Kg.,  Cocconeis  Pedieulus  Ehrbg., 
Fragilaria  virescens  Ralfs,  Diatoma  vulgare  Bory,  Navi- 
eula  viridula  Kg.,  Pinnularia  major  Rbh.,  Stauroncis  Phoe- 
nicentrou  Ehrbg.,  Synedra  Ulna  Ehrbg.,  Gomphonema 
curvatum  Kg.,  Sphenella  parvula  Kg. 

Am  21.  September  unternahm  ich  eine  Excursion  von 
Friedrichshageu  nach  dem  jenseitigen  Ufer  bis  zu  den 
Müggclbergen  hin.  Am  sumpfigen  Seeufer  bei  der  Bade- 
anstalt machte  sieh  überall  Polycystis  aeruginosa  bemerk- 
bar   und    fand    sieh    Nostoc  jiruniformc   in   bis   wallnu.ss- 


grossen,  hohlen,  dicklederigen,  schwärzlichen  Kugeln  in 
ungeheurer  ilenge  ausgeworfen.  Tetraspora  gelatinosa 
l)edcckte  mit  gallertigen,  bleiehgrünen  Massen  die  Ufei'. 
Die  Sümpfe  waren  dicht  mit  kleinen,  dunkelgrünen  Netzen 
von  Hydrodictj'on  reticnlatum  angefüllt,  deren  einzelne 
grössere  sich  frei  selnvinnnend  im  See  fanden;  ebenso 
war  Sirogonium  sticticum  mit  S])oren  häufig.  An  aus- 
geworfenen Schilflialmen  beobachtete  ich  Calothrix  Brannii 
Born.,  Golcoehaete  seutata  Brcb.,  Tolypotlnix  tcnnis  Kg., 
sowie  im  See  treibend  Toly])othrix  Aegagropila  Kg.'  Die 
in  den  Sümpfen  häufige  Fontinalis  anlipyretica  war  dicht 
mit  Rivularia  minutila  Born.  u.  Flali.  bedeckt  und  ein- 
zelne Halme  mit  Ghaetoplu^ra  pisiformis.     (Kotli)  Ag. 

Glcgen  Ende  September  fand  ich  das  Seeufer  von 
den' Wasserwerken  bis  zum  Rahnsdorfer  Forsthause  mit 
grossen  Watten  einer  bereits  früher  beobachteten  Cpn- 
fervaee,  welche  ganz  das  Aussehen  der  in  der  Ostsee  so 
häufigen  Chaetomorpha  Linum  Ag.  hatte,  bede.ekt.  Die 
starren,  unverzweigten  Fäden  zeigten  grösste  Aehnlichkeit 
mit  dieser  Art,  doch  war  es  mir  unfassbar,  dass  sich  ein 
Vertreter  der,  meines  Wissens  nur  dem  Meere  angehörigeu 
Gattung  im  Müggelsee  finden  sollte.  —  Herr  Dr.  P.  Richter 
in  Leipzig,  der  beste  Keuner  heimischer  Süsswasseralgen, 
erkannte  darin  jedoch  eine  neue  Süsswasser-Art  der  meer- 
ijewohncnden  Ohaetomorpha,  die  er  Cli.  Henningsii  be- 
nannt hat.  —  Am  5.  (Jctober  fand  Heir  Dr.  A.  Krause 
an  Pfählen  vor  der  Schiffbrücke  beim  Seebade  Friedrichs- 
liagen  Tlnrea  ramosissima  Bor}',  eine  Floi'idec,  die  bisher 
aus  dem  Rhein  bei  Worms  und  Strassburg,  ans  der  Loire 
bei  Angers,  aus  der  Donau  l)ei  Belgrad  bekaimt  war. 
Am  9.  October  unternahm  ich  nüt  Ih'rin  Dr.  Krause 
und  am  16.  October  in  Begleitung  der  Herreu  Prof. 
Dr.  Engler,  Prof.  Hieronymus  u.  A.  eine  Excursion  nach 
dieser  Stelle,  wo  die  Alge  mehrfach  in  sehöncn  Rasen 
gesammelt  wurde.  Später,  bis  zum  Decend)er  hinein, 
wurde  mir  dieselbe  noch  in  mehreren  Exemplaren  durch 
Herrn  Dr.  Krause  sowie  durch  Herrn  Stanke  in  Friedrichs- 
hagen übersandt.  —  Bei  einer  in  Begleitung  des  Herrn 
Dr.  Krause  am  5.  November  uutcrnonnnenen  Excursion 
wurde  wiederuui  das  Seeufer  von  den  Wasserwerken  bis 
nacli  Rahnsdorf  zu  begangen.  Nostoc  rufeseens,  Cliaeto- 
phora cornu  damae  var.  valde  elongata,  Chaetomorpha 
Henningsii  Rieht,  fanden  sich  an  den  genannten  Orten  in 
grosser  Menge.  Am  Seeufer,  auf  Steinen  wachsend,  wurde 
Stigcoclonium  tcrnue  var.  uniforme  Ag.,  daselbst  ausge- 
worfen Rivularia  sj).  in  erl)sengrossen,  harten  Kugeln 
(gleich  den  \dn  H.  Braun  gesammelten  Physactis  sp.)  ge- 
sammelt, feruer  verschiedene,  bereits  früher  beobachtete 
Desmidiaceen,  wie  Cosmarium  Cucumis  Corda,  C.  niar- 
garitifeium  Bge.,  Closterium  Lunula  Ag.,  Xanthidium 
aculeatum  Ehrbg.,  ferner  Pediastrum  Boryanum  Menegh., 
Raphitlium  faseiculatum  Kg.,  Senedesmus  (|nadiieaudaBreb, 
beobachtet.  In  todten  Lachen  am  Rande  des  Sees  machte 
sich  besonders  Beggiatoa  alba  bemerkbar,  ebenso  Clathro- 
cystis  roseo-persicinus  Colin  und  Lcptothrix  ochraeca  Kg. 
Auf  Conferra  ward  im  See  und  im  Sumpfe  unterhalb  der 
Försterei  Cylindrospernunn  macrospermum  Kg.  angetroffen, 
sowie  an  letzterer  Stelle  Hydrodictyon  reticnlatum. 

Von  Dr.  A.  Krause  ist  ferner  die  in  den  Seen  bei 
Erkner  häufige,  von  dort  schon  früher  bekannte  Entero- 
morpha  intestinalis  (L.)  Lk.  auch  im  Müggelsee  beobachtet 
worden.  Im  Sticuitzsee  bei  Rüdersdorf  fand  A.  ßraita 
Juli  1859  riesige  Kugeln,  von  über  1  dm  Durehmesser,  der 
Aegagropila  Sauteri  Kg.,  welclie  bis  dahin  nur  aus  dem 
Zellersee  bekannt  war,  in  ungeheurer  Menge  ausgeworfen. 

Mögen  diese  wenigen  Angaben  genügen,  um  das 
Interesse  der  Algenforscher  auf  die  überreiche  Algenflor 
der  märkischen  Landscen  zu  lenken.  Voraussiehtlieli  wird 
die  Errichtung  der  bereits  geplanten    biologischen  Station 


Nr.  9-. 


Natiiivvissciistbaftliclic  Wucliciisclnift. 


83 


in  Vciliiiuluiii;'  mit  den  WasscrwerUcn  am  Miig.:;olsce  recht 
bald  ins  Leben  treten  und  dieselbe  wird  liutlentlicli  aueli 
die  alfi;-eolouisehe.  Ertüvscliung'  des  Sees  eingehender  zur 
Ausführung-  bringen.  Schliesslich  bemerke  ich  noch,  dass 
ich    das    bisher    von    mir     angesammelte,    sehr     unit'ang- 


rciehe  Algen -Material,  das  sieh  durch  Reichhaltigkeit 
und  besonders  durch  Schönheit  der  Exemplare  aus- 
zeichnet, zu  einer  Exsicaten-Sanmilung  in  Buchform  zu- 
sammengestellt iiabc  und  diese  als  „l'hykotheka  niarehica" 
herausgebe. 


Ueber  die  Nonne  (Liparis  monacha). 

Von  01)4Tf(ir.-tei'  K.  Rittinoyrr. 


Am  3.  und  4.  März  1802  ward  in  Wien  ein  (ister- 
reichiseher  Forstcongrcss  abgehalten,  welcher  einzig  über 
die  Nonne,  Liparis  monacha  L.,  das  bezüglicli  ihrer 
Lebensphasen  und  Lebensweise  und  bezüglich  ihrer  Be- 
kämpfung im  Studirzinmier  wie  im  Walde  Beobachtete  zu 
berathen  hatte. 

Dass  diese  Verhandlungen  hier  eingehender  mitge- 
thcilt  werden,  kann  nieht  erwartet  werden*),  diejenigen 
Tunkte  jedoch  hier  wiederzugeben,  welclie\on  speciell  natur- 
wissenschaftlichem Interesse  sind,  besonders  aber,  welche 
noch  als  ungelöste  Fragen  bestehen  blieben,  das  dürfte 
für  die  Sache  selbst  wie  auch  für  die  Leser  der  „Naturw. 
Woeiiensch)'."  von  Werth  sein;  und  wenn  ich  liier  den 
A])ell  an  die  „Naturforscher  von  Fach"  wiederiiole  (Vergl. 
No.  12  von  Bd.  VII),  diesem  als  volkswirthschaftlich 
zur  Zeit  bedeutendsten  Naturereignisse  ihre  For- 
schungen zuzuwenden,  so  bitte  ich  dies  keineswegs  als 
Redensart  auflassen  zu  wollen.  Millionen  des  National- 
vermögens sind,  wie  in  den  öOer  Jahren,  vernichtet,  und 
wir  Forstleute  stehen  bezüglich  der  IMittel  zur  Bekänii)fung 
dieses  Schädlings  fast  noch  auf  dem  gleichen  Standpunkte 
wie  damals. 

Es  seien  hier  nur  die  Zahlen  aus  Bayern  angeführt, 
welche  der  kgl.  bayerische  Finanzminister,  Dr.  Freiherr 
von  Riedel,  in  der  Sitzung  der  bayerischen  Kammer  der 
Abgeordneten  vom  IL  März  1892  mitgetheilt  hat:  Der 
Aufwand  zur  Bekämpfung  der  Nonne  betrug  über  zwei 
Millionen  Mark,  Holz  ward  eingeschlagen  für  mein-  als  zwölf 
Millionen  Mark.  Auf  seinen  Antrag  wird  die  infolge  des 
Nonnenfrasses  für  Holzhauerlöhne  ausgeworfene  Summe 
um  485  000  Mk.,  die  Etatsposten  für  Vertilgung  von  Forst- 
insekten um  980  000  Mark  und  die  zu  Raupenleim  und 
Leinningeu  um  (100 000  Mk.  erhöht.  Aus  dem  (man  umss 
leider  sagen:  früherem  Ebersberger  Wildparke  bei 
München  wurden  auf  einen  Schlag  1  200  OUO  cbm  Holz 
verkauft. 

Von  dem  Ei  der  N<inne  wird  die  ungemein  grosse 
Lebenszähigkeit  hervorgehoben;  Forstmeister  Kopsch  hat 
eine  grössere  Zahl  in  einem  Gefässe  mit  Wasser  durch 
drei  .ihmate  dem  Froste  ausgesetzt,  ohne  dass  auch  nur 
einige  abgestorben  wären,  im  Fiülrjalire  kamen  die  Raupen 
recht  gesund  zum  Vorschein.  —  Von  Parasiten  ist  das- 
selbe nach  den  Untersuchungen  des  Forstmeisters  Fritz 
A.  Waehtl  (Entomologe  der  k.  k.  Versuchsanstalt  in  Maria- 
brunn) vollständig  frei:  wenn  Dr.  Pauly  (Privatdocent  der 
Zoologie  in  München)  unter  vielen  untersuchten  Eiern 
zwei  mit  Parasiten  befallene  gefunden  hätte,  so  sei  ihm 
—  meint  Waehtl  —  diesbezüglich  der  Irrthum  unterlaufen, 
dass  er  Eier  der  Orgyia  anti([ua  für  Nonneneier  gehalten 
habe,  erstere  seien  nicht  frei  von  Parasiten.  —  Dass  die 
Raupen  schon  bald  (4  Wochen)  nach  der  Ablage  der  Eier 
in    denselben    völlig-    entwickelt    sind,    hat    selion     1798 


-*)  Wer  sich  füi-  diesellipii  iiitrrcssirt.  fiiidrt  sie  im  Mailiefte 
der  „Forstlichen  Blätter"  (Miinclieii)  und  im  Jlilizhet'tc  des  ..Central- 
bhttt  ftir  das  gesammte  Forstwesen"  (Wien).  Ausserdem  sind  jetzt 
auch  die  „Verhandlungen  des  Oesterreiehischen  Forstcongrcss  1892" 
erschienen. 


Dr.  J.  H.  Jördens  („ricschichte  der  kleinen  Fichtenraupe") 
erkannt  und  dies  ist  auch  neuerlich  vim  allen  Seiten  bestä- 
tigt worden.  —  Nieht  so  einig  ist  man  über  die  Frage,  ob 
diese  in  den  Eischalen  vollkonmien  entwickelt  ruhenden 
Raupen  bei  entsprechend  warmem  Wetter,  wie  wir  es 
z.  B.  im  Herbste  1891  gehabt  haben,  zum  mehr  oder  we- 
niger grossen  Theile  schon  im  Herbste  auskriechen,  um 
dann  der  Winterwittjcrung  zum  Opfer  zu  fallen.  Forst- 
rath  Gustav  Henscdiel  (Professor  der  Zoologie  an  der  Hoch- 
schule für  Bodenkultur  in  Wien)  ist  dieser  Ansicht  und 
will  im  Herbste  1891  bereits  ausgekrochene  Räupchen 
gefunden  haben.  Nach  Waehtl  und  Dr.  Nitsche  (Professor 
der  Zoologie  an  der  Forstakademie  in  Tharand),  wie 
auch  nach  den  Jlittlu'ilungen  der  meisten  Herren  aus  der 
Pi-axis  k(unnit  ein  derartiges  verfrühtes  Auskriechen  der 
Raupen  mir  als  sehr  seltene  Ausnahme  vor.  Den  dies- 
bezüglichen Angaben  von  Waldhütern  und  Holzhauern  etc. 
ist  nicht  ohne  Weiteres  Glauben  beizumessen,  da  diese 
nur  zu  leicht  andere,  im  Herbste  erscheinende  Räupchen, 
wie  der  (Tuophria  rubricoUis  L.  nach  Waehtl,  der  Lithosia 
quadra  L.  nach  Nitsche  für  Nonnenräupchen  halten. 
Auch  über  die  Frage,  ob  Nonnenräupchen  durch  Zimmer- 
wärme zum  verfrühten  Auskriechen  gebracht  werden 
können,  sind  die  Ansichten  verschieden,  während  manche 
derartige  Versuche  gelangen,  hatten  andere  keinen  Erfolg. 
Auf  der  Seite  der  ersteren  stehen  ihren  Veröft'entlichungen 
nach  Dr.  Nitsche  und  Dr.  Pauly,  auf  der  der  letzteren  Waehtl. 
Ueber  diese  Punkte,  wie  namentlich  auch  über  den  Zu- 
sammenhang von  Temperatur  und  Zeitpunkt  des  Aus- 
schlüiifens  der  Raupen  liegen  genauere  Beobachtungen 
noch  nicht  vor.  Ob  die  schon  etwa  4  Wochen  nach  der 
Eiablage  vollkommen  entwickelte,  im  Ei  ruhende  Raupe 
an  eine  bestimmte  Zeit  der  Ruhe  in  der  Eischale  ge- 
bunden ist,  bevor  sie  dieselbe  lebensfähig  verlassen  kann, 
oder  ob  sie  durch  eine  liestimmte  Wärniemenge,  vertheilt 
auf  mehr  oder  weniger  lange  Zeit  zum  Verlassen  des  Eies 
veranlasst  wird,  welche  Wärmegrade  den  Zeitpunkt  des 
Ausschlüpfeus  beeinflussen?  Das  Alles  sind  noch  zu  lö- 
sende Fragen;  ebenso  wie  diejenigen,  ob  bei  den  Eiern 
Krankheiten  vorkommen  und  unter  welchen  \'erliältnisseu 
und  in  welchem  Prozentsätze  unbefruchtete  Eier  abge- 
legt werden. 

Dass  eine  gewisse  AVärmemenge  nötliig  ist,  um  die 
Räupchen  zum  Verlassen  der  sie  so  ungemein  schützenden 
Eischalen  zu  veranlassen,  dürfte  nicht  zu  bezweifeln  sein, 
man  beobachtete  wenigstens,  dass  an  den  Süd-  und  Ost- 
seiten sowie  in  den  höheren  Partien  der  Stämme  die 
Räupchen  um  etliche  Tage  eher  auskriechen  als  an  den 
Nord-  und  Westseiten  und  den  unteren  Partien  der 
Stämme,  erstere  wurden  von  der  Sonne  schon  stärker  er- 
wärmt. Im  Allgemeinen  liegt  zwischen  dem  .Auskriechen 
der  ersten  und  der  letzten  Raupe  ein  Zeitraum  von  3 — -4 
Wochen  je  nach  der  Witterung.  Einige  Tage  vor  dem 
Auskriechen  der  Raui)eii  verfärben  sieh  die  Eier,  sie  ver- 
tauschen ihre  duiikelgraubraune  Farbe  gegen  eine  niilch- 
wcissc  und  nehmen  ausserdem   Perlinuttcrglanz  an. 

Die  wichtigsten,  theils  neuen,   theils  noch   nicht  end- 


84 


Naturwissenscliaftliclie  Wochensclivift. 


Nr.  9 


gültig 


geklärten 


Punkte 


Wenn  allgemein  angenommen  und  geleln-t  wird 


betreffen  das  Ranpenleben. 
dass  die 
Räupcben  nach  dem  Verlassen  des  Eies  zunächst  einige, 
2  bis  6  Tage  im  Spiegel  beisannnensitzen  und  erst  dann 
ihre  Wanderung  nacli  der  Baumkrone  antreten,  so  be- 
richtete Forstmeister  Heyrowsky 
über  einen  Fall,  wo  die  Räup- 
cheu  nach  dem  Auskriechen  nur 
6  Stunden  im  Spiegel  beisammen 
gesessen  und  dann  alle  stamm- 
aufwärts  gekrochen  seien.  Auch 
Forstinspector  Handloss  beob- 
achtete, dass  die  Räupchen  kaum 
einen  Tag  in  den  Spiegeln  blie- 
ben. Es  scheint  dieses  von  der 
Witterung  abzuhängen;  bei  küh- 
lem Wetter  bleiben  die  Spiegel- 
räupchen  wohl  4,  5  und  6  Tage 
in  den  Spiegeln  beisammen,  wäh- 
rend sie  bei  warmem  Frühliugs- 
wetter  schneller  lebendig  werden, 
und  dem  Futter  in  der  Krone  zu- 
streben. Nach  Forstdirector  Bau- 
disch's  Versuchen  können  die 
jungen  Spiegelräupchen  8  bis  10 
Tage  ohne  jede  Nahrung  bleiben. 
Eine  auffallende  und  naturwis- 
senschaftlich noch  nicht  aufge- 
klärte Beobachtung  machte  Forst- 
inspector Handloss,  die  Räupclien 
spannen  sich  einige  Stunden  nach 
dem  Verlassen  der  schützenden 
Eihülle  „vielfach  stammabwärts, 
ohne  erst  in  die  Krone  zu  steigen, 
indem  sie  Fäden  spannen,  bei- 
läufig eine  Haudspanne  lang  sich 
dann  an  der  Rinde  fingen,  um 
sich  sogleich  wieder  an  einem 
neuen  kleineu  Faden  fortzuschnel- 
len,  so  dass  sie  in  kurzer  Zeit 
unter  den  Leinu'ing  gelangten, 
welchen  sie  stets  in  grossen 
Bogen  überschnellten"  und  wel- 
cher ihnen  dami  den  Rückweg 
zum  Futterplatz  in  der  Krone 
abschnitt.  Eine  vielumstrittene 
Frage  war  die,  ob  jede  Raupe 
in  ihrem  Leben  wenigstens  ein- 
mal zu  Boden  kommt.  Ist  dieses 
der  Fall,  so  hätten  wir  ein  wenn 
auch  kostspieliges,  so  doch  durch- 
schlagendes Bekämpfungsmittel 
gegen  den  Schädling  darin,  dass 
wir  —  wie  gegen  Gastropacha 
pini  L.  z.  B.  —  um  jeden  Stamm 
einen  Raupenlcimring  legen,  wel- 
cher die  zu  Boden  gelangten 
Raupen  abhält,  die  Baumkrone 
wieder  zu  erreichen.  Leider 
sprechen  fast  alle  Beobachtungen 
gegen  diese  anfänglich  von 
vielen  und  massgebenden  Seiten 
vertretene    und    erklärlicherweise 

von  Jedem  nur  zu  freudig  aufgenonmiene  Ansicht. 
Viele,  ja  sehr  viele  Raupen,  707o  ^3.c\\  den  Beobach- 
tungen in  Bayern,  gelangen  einmal  zu  Boden,  aber  und 
besonders  in  Fichtenbeständeu  nicht  alle;  eine  zur  Ver- 
nichtung des  Bestandes  imd  zur  Verbreitung  der  Calami- 
tät  vollständig  genügende  Zahl  bleibt  in  den  Baumkronen 


Figur  1. 

.Nonneiischleier"  an  zwei  hocligeleimteu  Fii'lifcii  nach  ])hotosr. 

Aiilnalime  aus  dem  Reviere  der  Doniäne  Pirrnitz  (Mahren).  (Aus 

Fritz  A.  Wacht],  Die  Nonne,  im  AiiftraRe  und  lieransgegeljen  vom 

K.  K.  Ackerbau-Ministerium  in  Wien.) 


zurück.  Sollen  die  Leimringe  nun  dennoch  gelegt  werden, 
um  die  sein-  grosse  Zahl  der  zu  Boden  gelangenden 
Rau])en  dem  Hungertode  zuzuführen  und  die  Masse  der 
fressenden  Schädlinge  nach  Möglichkeit  zu  dezimiren, 
oder  soll  man  die  bedeutenden  Summen  für  den  Leim  und 

das  Leimen  lieber  sparen"?' 

das  ist  wiederum  eine  noch  nicht 
einheitlich  beantwortete  Frage ; 
die  Einen  wollen  mit  dem  Leim- 
ringe die  Raupenzahl  nach  Mög- 
lichkeit vermindern,  um  wenig- 
stens den  Kahlfrass  zu  verhüten 
und  so  den  Bestand  doch  am 
Leben  zu  erhalten,  die  Anderen 
wollen  die  Raupenzahl  nicht  ver- 
mindern, örtlich  sogar  möglichst 
steigern,  um  das  Verhältniss  dei-- 
selben  zu  der  vorhandenen  Fut- 
termenge so  zu  gestalten,  dass 
die  Raupen  noch  vor  der  letzen 
Häutung  den  Bestand  allerdings 
kahl  gefressen  haben,  seli)st  alier 
auch  aus  Mangel  an  Futter  zu 
Grunde  gehen  müssen. 

Das  Verweht  werden  der 
jungen,  sich  häufig  altspinnenden 
Raupen  dürfte  aus  Pfeil's  „Kri- 
tischen Blättern"  (XXXV.  I.  S.  98) 
schon  bekannt  sein,  es  ist  dieses 
eine  die  Bekäm])fung  des  Schäd- 
lings und  Loealisirung  des  Scha- 
dens ungemein  erschwerende  Le- 
benserscheinung. Ebenso  charak- 
teristisch sind  die  Nonnen- 
schleier, die  Gespinnstbrük- 
ken  und  die  Zelte.  Die  Nonnen- 
schleier (siehe  die  Figuren  1  u.  2) 
entstehen  dadurch,  dass  die  aus 
irgend  einer  Veranlassung  zu 
Boden  gelangten  jungen  Raupen 
beim  Wiederbesteigen  der  Bäume 
unterhalb  des  Leinn'inges  oder 
eines  anderen  nicht  zu  überwin- 
denden Hindernisses,  unter  wel- 
chem sie  sich  in  verbältnissmäs- 
sig  kurzer  Zeit  zu  ziemlich  be- 
deutenden Massen  ansammeln, 
bis  zum  Eintritte  des  Hungertodes 
unausgesetzt  spinnen,  sodass  der 
unterhallt  des  Leimi'inges  liegende 
Stammtheil  bald  in  ein  schleier- 
artiges, aus  mehreren  überein- 
'  ander  lagernden  Schichten  be- 
stehendes Gespinnst  eingehüllt 
wird,  welches  sich  zwischen  nahe 
beisanmien  stehenden  Stämmen 
gardinenartig  ausbreitet.  Da  nun 
das  Abspinnen  der  Raupen  sich 
auf  die  ganze  Zeit  des  Spinnver- 
mögens bis  zur  wlangten  Halb- 
wüchsigkeit ^'ertheilt,  so  gelangen 
immer  neue  Raupenmengen  unter 
die  Leimringe.  Im  gleichen  Maasse 
sich  damit  die  Gespinnstlagen  der  Schleier, 
somit  eine  erhebliche  Dicke  und  Festigkeit  er- 
reichen und  durch  einen  eigcntbümliehen  matten  Seiden- 


häufen 
welche 


ihre    lichtgraue 


Färbung 


weithin 


glänz,    sowie    durch 
sichtbar    sind. 

Die  Gespinnstbrücken    sind    ebenso  auffallende,   zum 


Nr.  9. 


Naturwisscnsoliaftliche  Wocheusplirift. 


So 


Theilc  aber  wenij;-er  angenchnic  Ersclieinuiig-cn,  es  sind 
dieses  Gespiiinstfadeii  bezw.  Gewebe,  vvelebe  die  Spitze 
eines  Äststumniels  nach  ol)en  und  unten  in  s'cradcr  Linie 
mit  dem  Stamme  verbinden  und  iuif  diese  Weise  liäufi;;' 
den  Leiun'ing  iilierbriieken.  Alle-  Aststuuniiel  sind  somit 
in  der  Nälie  des  Leimringes  zu  entfernen.  In  gleicher 
Weise  findet  man  in  Culturen  oft  die  Wipfel  der  ein- 
zelnen Pflanzen  mit  Ge- 
spinnstgewebeu  zeltar- 
tig überdeckt. 

In  der  späteren  Zeit 
ihres  nicht  gern  ge- 
sehenen Daseins,  in  wel- 
chem sie  nicht  mehr 
spimien,  haben  die 
Nonnenraupen  dennoch 
von  ihrer  Beweglichkeit 
nichts  eingebüsst.  Von 
vielen  Seiten  ward  das 
freiwillige  Verlassen  von 
Häumen,  welche  noch 
ausreichend  Nahrung 
boten,  beobachtet,  doch 
ist  der  Grund  hit'rfür 
noch  nicht  festgestellt. 
Die  Einen  glauben,  die- 
ses Wandern  der 
Raupen  dem  Triebe 
derselben  zusehreiben 
zu  sollen,  bei  ungün 
stiger  Witterung  zum 
Theile  auch  zum  Häu- 
ten oder  Verpuppen, 
nach  Nitsehe  auch  ge- 
genüber den  Tachinen 
am  unteren  Stammtlieile 

des  Baumes  oder  in  der  Bodenstreu  Schutz  zu  suchen; 
als  Raupe  eines  Naehtschmetterlinges  strebt  sie  sieh  der 
Hitze  und  dem  grellen  Sonnenscheine  in  den  gelichteten 
Baumkronen  zu  entziehen  (Dr.  Altum),  während  iin-  kalte, 
regnerische  Witterung  wohl  ebenso  unangenehm  ist. 
Andere  wollen  diese  Erscheinung  einem  gewissen,  zu  den 
Lebensgewohnheiten  des  Tliieres  gehörenden  „Wander- 
triebe" zuschreiben.  Forstrath  Professor  Henschel 
leugnet  beides,  die  Raupe  verlasse  die  Krone  eines  Bau- 
mes, welche  noch  ausreichend  Futter  biete,  nur  dann, 
wenn    sie    krank    sei,    und   sieht  in   dem  Stammabwärts- 


Schleiei" 
Wiederaiifstiej 


wandern  die  erste  Aeusserung  einer  Krankheit  der  Raupe. 
Nach  der  Ansicht  der  meisten  arktischen  Forstwirthe, 
welche  zur  Zeit  wohl  ausreichende  Gelegenheit  hatten, 
dieses  Insekt  zu  l)eobachten,  und  fast  aller  übrigen  For- 
seher, wandern  auch  zweifellos  gesunde  Raujjen  stamni- 
abwärts.  Nach  Forstmeistctr  Wachtl  wandern  ilie  von 
Parasiten  (Ichneumonen-  und  Taehinen-Larven)  bewtdniten 

(also  kranken)  Raupen 
stamrnabwärts,  ebenso 
aber  auch  gesunde,  wäh- 
rend die  pilzkranken 
Raui)en  im  Gegensatze 
zu  Heuschers  Annahme 
nie  stannuabwärts,  son- 
dern stets  und  nur  stannn- 
aufwärts  kröchen. 

Ol)  ein  „Wander- 
trieb" wirklich  zu 
den  Lcbensersciieinnn- 
gen  der  Nonnenraupe 
zählt  und  was  es  für 
eine  Bewandtniss  mit 
demselben  hat,  —  das 
ist  eine  weitere,  noch 
ungeliiste  Frage. 

Wanderungen  \dn 
Raupenmassen  aus  ge- 
leimten oder  kahlge- 
fressenen Theilen  in  an- 
dere sind  nicht  beob- 
achtet worden,  vielmehr 
kriecht  die  Raupe,  wenn 
sie  an  einem  Stamme 
unter  dem  Leimringe 
Kehrt  gemacht  hat,  auf 
dem  Boden  nur  so 
bis  sie  aul"  einen  andern  Stamm  stösst,  an 
riecht  sie  hinauf;  trifft  sie  auch  hier  den  Leim- 
ring, so  kriecht  sie  wieder  hinab,  am  r>oden  weiter  bis 
zum  nächsten  Sranniu'  und  so  fort,  bis  sie  verhungert. 
Es  fehlt  der  Raupe  jeder  Impuls,  nach  Nahrung  zu  suchen, 
wenn  solche  nicht  ganz  in  der  Nähe  ist.  Die  ilillionen 
von  Raupen,  von  welchen  die  Kahlschlüge  wiunnelten, 
machten  keinerlei  Anstalt,  in  die  noch  grünen  Bestände, 
selbst  wenn  sie  nur  durch  einen  Weg  von  den  kahlge- 
fressenen Flächen  getrennt  waren,  auszuwandern. 

(Fortsetzung  folgt.) 


Figur  2. 

Brücken   und  ZcHe,   gesponnen  von  Nonneniänpcheu,  die   dnrch  Leimringe  vom 


durcli    die    Banme    verhindert   wurden.    —    (Aus   Prof.    Dr.  Kitsche    .Die 
Noimen,  Wien,  Ed.  Hölzel,  1892.) 


lange    fort, 
diesem 


Zur  Biologie  des  (Uiolei-abacillus  finden  sieh  inter-  [ 
essante  Daten  in  No.  7  der  „Bcrl.  klin,  Wochenschr." 

Pi-of.  Dr.  J.  Uffelmann  hat  den  Einfliiss  der  Kälte 
auf  die  Lebensfähigkeit  des  Cholerabacillus  untcisucht. 
Es  ergiebt  sich  aus  seihen  Untersuchungen  das  Folgende. 

Die  Cholerabacillen  besitzen  auch  gegen  Kälte  eine 
erhebliche  Widerstandsfähigkeit.  Sie  ertragen  sicher  eine 
Temperatur  von  '24,8°  C.  unter  Null,  auch  in  dem  der 
kalten  Luft  frei  ausgesetzten  Eise  und  P.odenmaterial. 
Sie  erliegen  der  Kälte  ei'st  nach  einer  gewissen  Zeit.  Die 
Dauer  derselben  scheint  abhängig  von  der  Intensität  der 
Kälte  zu  sein.  Ein  wesentlicher  Unterschied  in  diesem 
Verhalten  gegen  Kälte  scheint  z\vischen  Cholerabacillen 
ganz  frischer  und  älterer  Gnlturen  nicht  zu  bestehen. 

Aus  diesem  Ergebniss  folgt  für  die  Praxis,  dass  die 
Cholerabacillen  an  geschützten  Orten,  unter  Schnee  u.  s.  w. 
von  der  winterlichen  Kälte  nicht  so  leicht  vernichtet 
werden,  wie  man  vielfach  annimmt,  und  dass  sie  im  Eise, 
wenigstens  im  jungen,  sehr  wohl  lebend  vorhanden  sein 
können. 


Der  Cholerabacillus  ist  nicht  eigentlich  ein  Parasit, 
sondern  ein  Saprophyt,  ein  Fänlnissbewohner. 

Die  Infcction,  .sagt  Prof.  Ferd.  Huepi)e  in  einem 
Artikel  über  die  Gl:olei-a-Epidemie  in  llambui-g  IS92,  erfor- 
dert, dass  die  ausserhalb,  event.  also  in  Bodenheerden  ge- 
bildeten Kommabacillen  in  den  Körper  gelangen.  Diesen 
Ti-ansport  vermittelt  die  Luft  wohl  nicht,  eher  Nahrungs- 
mittel und  sieher  in  vielen  Fällen  das  mit  den  llecrden 
in  Verbindung  getretene  Wasser. 

Die  Cholera  asiatica  ist  eine  wescnthch  miasmatische 
Krankheit  und  iln-e  epidemiologisch  als  gesetziiiässig  nach- 
gewiesene Abhängigkeit  von  örtlichen  und  zeitlichen  \'er- 
hältnissen  findet  ihre  natürliche  Erklärung  in  dem  Sapro- 
phytismus  der  Kommabacillen,  die  zur  Erhaltung  der  Art 
auf  diese  Lebensweise  angewiesen  sind,  und  deren  Para- 
sitismus nur  ein  facultativer  ist.  Nur  bei  der  saprophyti- 
schen  Lebensweise  bilden  die  Konnnabacillen  Formen, 
welche  genügend  widerstandsfähig  sind,  um  mit  einiger 
Sicheidieit  die  natürlichen  Widerstände  des  menschlichen 
Organismus  in  einer  grossen  Anzahl  von  Fällen  zu  Über- 


86 


Naturwissenschaftliclie  Wochensclirift. 


Nr.  9. 


winden.  Die  den  Körper  des  Krauken  verlassenden 
Formen  sind  in  Folge  der  vorausgeg'angeneu  Anaerobiose 
im  Dann  so  wcnii;'  widerstandsfähig',  dass  sie  zur  unmittel- 
baren lufection  wenig  geeignet  sind.  Die  directc  Con- 
tagiou  wird  aus  diesem  natürlichen  Grunde  zur  Ausnahme. 
Besonders  gefährdet  sind  in  dieser  Hinsicht  die  Wäsche- 
rinnen, weil  sie  bei  ihren  Gewohnheiten  am  unmittelbarsten 
mit  grösseren  Mengen  virulenten,  durch  mitübertragenes 
Gift  unterstützten  Kommabacillen  in  Bei'ührung  kommen, 
die  ansserdem  noch  vielfach  in  der  Wäsche  eine  sapro- 
phytische  Vermehrung  erfahren  haben. 

Die  plötzlichen  Ausbrüche  der  Cholera  finden  ihre 
Erklärung  ungezwungen  darin,  dass  ausserhalb  unvermerkt 
grosse  Mengen  Keime  saprophytisch  herangewachsen  oder 
anderweitig  nach  aussen  gelangt  sind,  die  in  ein  allge- 
meines Vehikel,  z.  B.  in  eine  Wasserleitung  gelangten. 
Das  langsame  Ansteigen  anderer  Epidemien  erklärt  sich 
einfach  daraus,  dass  die  längere  Zeit  vorher  saprophytisch 
gewesenen  Kommabacillen  der  ersten  sporadischen  Fälle 
noch  wenig-  virulent  sind,  während  mit  Zunahme  der 
Zahl  von  in  Folge  der  parasitisclien  Lebensweise  viruleuter 
gewordenen  Mikrobien  auch  die  Zahl  und  Bösartigkeit  der 
Fälle  bis  zu  einem  Maximum  wächst,  was  man  früher 
Contagiöswerdeu  miasmatischer  Krankheiten  nannte. 


Die  Entdeckuiig:  Amerikas,  ein  Wendepunkt  in  dem 
Verkehr  der  Völker  der  Erde,  betitelt  sicii  ein  Aufsatz 
G.  Neumayer's  in  den  Annalen  der  Hydrogra])hie  und 
Maritimen  Meteorologie  (Bd.  20,  Heft  T2,rzur  4ÜUjährigen 
Säcnlarfeier  der  Entdeckung  Amerikas  im  Jahre  1892, 
welchem  wir  einige  der  hauptsächlichsten  Gedanken  ent- 
nehmen. 

Zur  Beleuchtung  des  immensen  Fortschrittes,  welchen 
die  Erschliessung  der  Neuen  Welt  und  die  Auffindung  des 
Seeweges  um  das  Cap  dei'  Guten  Hoffnung  nach  Indien 
und  damit  weiter  nach  Osten,  nach  China  hin,  bedingte, 
weist  der  Verf.  zunächst  kurz  hin  auf  die  Anbahnung 
eines  regelmässigen  üeberland  Verkehrs  vom  Westen  Europas 
nach  Ciiina  zu :  die  grossen  Quantitäten  von  Seide,  welche 
aus  Serika,  dem  im  Dunkel  schwebenden  Lande  jenseits 
Iniaus,  nach  Europa  gelangten,  wurden  in  den  ersten 
Decennieu  des  13.  Jahrhunderts  durch  einen  von  Hand 
zu  Hand  gehenden  Handel  hefördert.  Erst  nach  dem 
Rückzuge  der  Mongolen  in  ihre  Heimath  entwickelte 
sieh  nach  und  nach  eine  Ueberlandverbindung.  Die 
Reisen  von  Rashid  f^ddiu,  Abulfeda,  Ibn  Batuta 
haben  dem  Unternehmungsgeist  der  durch  einen  Continent 
getrennten  Viilkerschaften  einen  mächtigen  Impuls  gegeben 
und  die  grossen,  an  diese  anknüpfenden  oder  fast  gleich- 
zeitig mit  denselben  erfolgenden  Reisen  des  Venetianers 
Marco  Polo  in  den  Jahren  1280 — ^1297  sind  nicht  nur 
für  die  Entwickelung  des  Handels  mit  dem  fernen  Osten, 
sondern  auch  auf  die  den  ganzen  Weltverkehr  umge- 
staltende Entdeckung  Amerikas  von  der  grössten  Bedeu- 
tung. Hatte  er  doch  als  Grosswürdenträger  des  mächtigen 
Mongolenkhans  Kubilai  die  beste  Gelegenheit,  unbe- 
schränkt Forschungsreisen  in  dessen  Ländergebieten  aus- 
zuführen und  selbst  über  das  Land  Zipangu  Erkundigungen 
einzuziehen.  Marco  Polo's  Schilderungen  sind  die  Haupt- 
triebfeder für  das  Unternehmen  des  Kolumbus.  Durch 
das  Werk  Pegalotti's  erfahren  wir  um  1340  Näheres 
über  die  Routen,  welche  man  nach  Marco  Polo's  Rück- 
kehr von  Italien  aus  nach  Innerasien  verfolgte;  Pegalotti, 
ein  Florentiner,  reiste  für  das  Haus  Bardi  und  gab  eine 
genaue  Schilderung  des  zu  verfolgenden  Weges  vom 
Schwarzen  Meere  bis  China.  Von  Tana  aus  wurde  in 
25  Tagen  auf  einem  Ochsenwagen  Astrachan  erreicht; 
von    dort   nach    der   Hauptstadt    des  Reiches  Kiptochak, 


•Serai  an  der  Wolga,  brauchte  man  einen  Tag  ('?),  8  Tage 
bis  Saracanco  am  Uralfluss,  um  mit  Kamelen  von  hier  in 
20  Tagen  nach  Organci  (Urgendsch)  zu  gelangen.  Weitere 
3ö  bis  40  Tage  mit  Kamelwagen  brachten  die  Reisenden 
nach  Oltrawe  in  der  Nähe  der  heutigen  Stadt  Turkcstan; 
dann  ging  es  mit  Eseln  in  45  Tagen  nach  Amales,  d.  i, 
Amalik  i  Ili),  und  dann  in  70  Tagen  nach  Carnexu  (Khou- 
Tchou-FuV,  nach  weiteren  45  Tagen  zu  Pferde  erreichte 
man  Carsai  oder  Quinsay,  in  30  Tagen  dann  die  Reichs- 
hauptstadt des  grossen  Khan.  Die  Landreise  vom  Schwar- 
zen Meer  bis  dahin  dauerte  unter  den  günstigsten  Um- 
ständen in  der  IMitte  des  14.  Jahrhunderts  275  Tage. 
(Vergl.  F.  v.  Riehthofen,  China  I,  G12  ff.)  Späterhin  wurde 
der  Landverkehr  mehr  und  mehr  geregelt,  blieb  al)er 
innnerhin  von  mancherlei  Umständen  abhängig  und  mit 
vielen  Schwierigkeiten  verknüpft.  Von  allen  sonstigen 
Handelsrouten  um  jene  Zeit  ist  die  soeben  beschriebene 
jedenfalls  die  interessanteste.  (Ein  reiches  Material  ent- 
hält die  Berliner  Festschrift  von  Kretschmer,  Die  Ent- 
deckung Amerikas  in  ihrer  Bedeutung  für  die  Bedeutung 
des  \\'eltbildes,  über  die  Handelsbeziehungen  Europas  in 
vorkolumbischcr  Zeit.) 

Nach  Humboldts  Untersuchungen  hatte  Kolumbus  die 
Werke  Marco  Polo's  zwar  nicht  selbst  an  Bord  der  „Santa 
Maria",  aber  die  Mittheilungen  des  Toscanelli  über  die 
Schilderungen  des  Reichthumes  Kathais  und  Zipangus 
gaben  dem  kühnen  Unternehmen,  diese  Länder  nach 
Westen  segelnd  aufzusuchen,  eine  materielle  Grundlage. 
Unzertrennlich  von  dem  Glaul)en  an  die  Wahrheit  dieser 
Schilderungen  stand  die  Wahrheit  der  Lehre  von  der 
Kugelgestalt  der  Erde  im  Geiste  des  Kolumbus  fest,  wenn 
er  sieh  auch  über  die  Grössenvcrhältnisse  unseres  Planeten 
bis  zu  seinem  Tode  argen  Täuschungen  hingab:  Kolumbus 
und  Martin  Behaim  starben  bekanntlich  beide  in  dem 
Glauben,  dass  die  Inseln  Westindiens  in  das  Bereich  Ost- 
asiens gehörten. 

Das  16.  und  17.  Jahrhundert  zeigen  schlagend, 
wie  sich  nach  der  Entdeckung  Amerikas  und  der  Auf- 
findung des  Seeweges  nach  Ostindien  um  das  Cap  der 
culturgesehichtliehc  Horizont  der  Menschheit  mit  einem 
Male  erweiterte.  An  die  Stelle  mühsamer  Karawanenzüge 
durch  unwegsame  (Tcbirgsländcr  oder  Steppen  und  wasser- 
lose Wüsten  trat  nun  ein  neu  auflebender  Seeverkehr. 
Durch  die  zähen  Kämpfe  der  Portugiesen  in  ihrem  ost- 
asiatiscben  Handelsgeldet,  welche  zur  Verdrängung  der 
Araber  aus  dem  Indiselien  Occan  führten,  erfuhren  die 
nautischen  Wissenschaften  einen  kräftigen  Aufschwung. 
Die  Spanier  machten  bald  dem  Dunkel,  welches  über 
der  Neuen  Welt  schwebte,  durch  rasche  Entschleierung 
der  Küstenstriche  ein  Ende:  Baiboa  entdeckte  die  Südsee, 
Magalhaes  traf  auf  seiner  Weltumsegelung  mit  den  von 
Westen  kommenden  Portugiesen  zusanmien,  sein  Pilot 
Sebastiano  del  Cano  kehrte  1522  von  Osten  her  nach 
Spanien  zurück  und  gab  durch'  die  Verschiebung  des 
Datums  einen  unwiderleglichen  Beweis  für  die  Kugel- 
gestalt und  die  Umdrehung  der  Erde.  Nunmehr  entfaltete 
sich  die  Schiffahrt  in  ungeahnter  Weise,  die  Darstellung 
der  Erdoberfläche  und  damit  die  Gestaltung  des  Welt- 
bildes machte  riesige  Fortschritte.  Die  „Suma  de  Geo- 
grafia'"  des  Martin  Fernandez  Enciso  vom  Jahre  1530 
kann  als  das  erste  Handbuch  der  praktischen  Navigation 
für  Seeleute  angesehen  werden.  Eine  grosse  Bedeutung 
gewann  das  1563  in  Sevilla  erschienene  Werk  des  Pedro 
de  Medina  über  die  Grundregeln  der  Navigation,  welches 
ins  Holländische  übersetzt  wurde  und  auch  verschiedene 
erweiternde  Comnientare  erhielt.  In  England  bildet  das 
Werk  von  Martin  Cortes  den  Ausgangspunkt  für  die 
Pflege  der  Navigation,  allerdings  stand  England  damals 
in   nautischen   Dingen  weit    hinter  Portugal   und  Spanien 


Nr.  9. 


Naturwissci 


aftliclio  Wof'lieusclii'irt. 


S7 


zurück;  Cortes  wurde  1561,  Mcdina  1581  ins  Eng-lisclic 
iU)crtraj;en;  soitdeiu  nahm  die  cn,i;lischc  Thätig'keit  in  diM- 
l'tk'i;-o  der  naiitiselien  Wissenschaften  rasch  zu  mit  dem 
Aufscliwunj;-  der  maritimen  Unternehmungen  in  der  Zeit 
der  Elisabeth.  Zuerst  hegeg-nen  wir  W.  Hawkins,  der 
]5(j7  und  1568  mit  dem  „Jesus  von  Lübeck^  und  anderen 
Sciiift'en  Tlicilc  von  Guinea  und  Westindien  aufsucht,  um 
Handelsverbindungen  anzuknüpfen  und  die  Navigirunü'  zu 
vervdiikonnnnen.  An  Bord  eines  seiner  Schiffe  befand 
sieh  au(di  Francis  Drake,  dessen  Reise  von  loBO — 1587 
alientiiallien  den  Spaniern  den  Weir  zu  verleg-en  und  der 
en,i;lisehen  Flaj;'i;e  zur  Uerrsciiaft  über  alle  Meere  zu  ver- 
helfen trachteten.  Th.  Ca vendish  umsegelte  1586  bis 
1588  zuerst  die  Erde  von  Westen  nach  Osten,  W.  Ra- 
leigh  verhalf  der  britischen  Maciit  in  Guayana  zu  einer 
festen  Stellung-,  am  meisten  aber  that  John  Davis,  der 
nicht  nur  als  Entdecker  in  beiden  Hemisphären  Grosses 
ausführte,  sondern  auch  eine  für  die  Verbesserung  der 
Navigation  hochwichtige  schriftstellerische  Thätigkeit  ent- 
faltete in  dem  Werke:  „The  Seamens  Sea  seerets"  (1607). 
Melfach  verwendet  er  den  Jakobsstab,  berechnet  und  be- 
nutzt neue  astronomische  Tafeln,  vervollkonnnnet  die 
Kartographie  und  widmet  vor  allem  der  Bestinnnung  der 
geographischen  Länge  die  gnisste  Sorgfalt.  Fast  gleich- 
zeitig beginnen  die  holländischen  Unternehmungen 
in  Ostindien  eine  grosse  Rolle  zu  spielen,  die  Cohnnsation 
Javas  wird  durch  A.  van  Diemen  in  Angriff  genommen, 
welcher  den  grossen  Abel  Tal  man  zur  Entschleierung 
Neuhollands  au.ssaudte. 

Nun  wurde  durch  letzteren  Van  Diemens- Land  ent- 
deckt (1642)  und  Neuseeland  als  eine  vom  Continent  ge- 
trennt liegende  Küste  erkannt.  Beinahe  die  ganze  Strecke 
um  Australien  wurde  untersucht,  wenn  auch  die  Con- 
turen  dieses  Continents  erst  viel,  später  genauer  bekannt 
geworden  sind. 

Ende  des  17.  Jahrhunderts  fallen  die  fih-  die  Ent- 
faltung der  Nautik  epochemachenden  Rei.sen  von  AVilliam 
Dampier  ( 1(11)9 — 1700),  ausgezeichnet  durch  zahlreiche 
lieobaclitungen  auf  dem  (Jebiete  der  jMeteorologie  und  des 
Magnetismus.  Das  Reisewerk  ist  von  Edm.  Halley  mit 
einer  Vorrede  verscheu,  der  selbst  wieder  durch  seine 
unsterblichen  Arbeiten  zur  Förderung  der  Nautik  Grund- 
legendes geleistet  hat.  Man  erinnere  sich  nur  seiner  treff- 
lichen Jsogonenkarte  vom  Jahre  1700.  Weiterhin  be- 
zeichnete die  Einfuhrung  von  Hadley's  Spiegelsextant 
einen  ausserordentlichen  Fortschritt  in  der  Bestinnnung  der 
Scliitfspositiou  zur  See  und  damit  der  Erleichterung  des 
Verkehrs  (die  erste  Beschreibung  wurde  1731  vorgelegt). 
Nun  war  mit  einem  ]\[ale  die  Mrigliehkeit  gegeben,  wirk- 
lich genaue  Beobachtungen  von  grösseren  Winkehvi'rthen 
in  irgend  einer  Lage  zum  Horizont  zu  messen;  ein  Vor- 
läufer war  der  Quadrant  von  Davis.  Im  18.  Jahrhundert 
kam  der  Sextant  zu  allgemeinerem  Gebrauch;  von  grosser 
Bedeutung  sind  namentlich  die  Längenbestimmungen  durch 
Mondaltstände  von  der  Sonne  oder  den  Sternen,  welche 
Metlidde  T.  Mayer  erörtert  und  Werner  in  Nürnlierg 
zur  Einführung  emjjfohlen  hatte. 

Die  Früchte  dieser  Erweiterungen  in  der  instrumen- 
tellen  Ausstattung  in  Verbindung  mit  den  mehr  und  mehr 
vervollkomnnieten  nautischen  Ephemeriden  erkennt  man 
aus  den  trefflichen  Arbeiten  von  James  Cook  und  Mat- 
thew Flinders.  Dem  Weltverkehr  waren  nun  kaum 
Schranken  gesetzt,  sofern  bereits  die  erforderlichen  Karten 
zur  Küstenbefahrung  vorhanden  waren. 

Dieser  kurze  Ueberblick  beleuchtet  den  Umschwung 
des  Seeverkehrs,  ja  des  gesammten  Verkehrs  auf  der 
Erde  von  den  Zeiten  der  grossen  Entdeckungen  bis  zum 
Beginn  unseres  Jahrhunderts  Aber  auch  noch  in  anderer 
Hinsicht    kommt    den  Reisen  des    Kohunbus    eine    j-rosse 


Bedeutung  zu:  dieselben  waren  auch  für  die  Beobachtung 
der  physikalischen  Verhältnisse  unserer  Erde 
wichtig.  So  be(d)achtete  Kolumbus  die  Abweichung  der 
.Magnetnadel,  eimstatirte  die  agonischc  Linie,  schenkte 
dem  Verlauf  der  Meeresströmungen,  der  .\usdehnung  des 
Sargassomeeres  Beachtung  u.  a.  m.  .Man  sieht  hier  die 
Keime  für  die  moderne  physikalische  Geographie,  welche 
Dampier's  und  Cook's  Reisen  weiter  entwickelten,  wenn 
schon  die  volle  Ausgestaltung  und  A'erwerthung  für  die 
Seefahrt  erst  dem    19.  Jahrhundert  ang(diört. 

]\Iit  der  4l)0jährigen  Feier  der  luitdcekung  der  Neuen 
\Velt  haben  wir  somit  auch  die  Zeit  des  Wendepunktes 
in  dem  Verkehrsleben  der  Völker  der  Erde  zu  feiern. 
Nunmehr  erst  wurde  der  Verkehr  zur  See  im  modernen 
Sinne  eröffnet:  „Nun  trennen  die  Meere  die  Völker  nicht, 
sie  bringen  sie  zusammen."  Prof.  Fr.  Regel. 


Ueber  einen  mesozoischen  Fisch,  Lepidotus 
altuicns,  vom  Altai  berichtet  Dr.  J.  Victor  Roho.n  im 
Bull,  de  la  Soe.  Imper.  des  Naturalistes  de  Moscou  1892, 
Heft  I,  S.  76  ff.  Lei)idotus  altaicus  nov.  spec.  entstammt 
einem  Gebiete,  aus  dem  bislang  noch  kein  fossiler  Fisch 
bekannt  war.  Es  ist  dieses  das  nahe  der  chinesischen 
(Jrenze  am  Flusse  Kenderlyk  sich  erstreckende  Maikant- 
schatschai-Gebirgc  (Semipalatinskisches  Gebiet,  Saissans- 
kischer  Kreis). 

Das  einzige  bisher  gefundene  Exemplar,  welches  im 
Museum  der  Universität  Moskau  aufbewahrt  wird,  kam  in 
einem  bräunlich  grauen,  schwach  san<ligen  Thonschiefer 
vor  und  ist  Bö  cm  lang  und  12  cm  hoch;  sein  Erhaltungs- 
zustand ist  theilweise  mangelhaft.  Der  Kopf  ist  zer- 
trümmert, die  Schwanzflosse  fehlt  beinahe  ganz,  Brust- 
und  Bauehflossen  gänzlich,   Schuppen  meist  gut  erhalten. 

Die  Körperform  ist  karpfenartig;  der  Kopf  ist  kiu'z, 
im  Verhältniss  zum  Körper  elier  etwas  klein.  Da  der 
Kopf  zertrümmert,  sind  sännntliehe  dazu  geluirigen  Theile 
aus  ihrer  Lage  gebracht.  Die  wenigen  erhaltenen  Haut- 
platten sind  innen  meist  glatt,  selten  gestreift,  verschieden- 
artig ausgehöhlt,  selten  flach;  aussen  zierlich  skulpturirt: 
gewundene  zierliche  Rippchen,  isolirte,  unrcgelmässige 
Plättchen  oder  Höekcrchen.  Unter  dem  Mikroskop  lassen 
die  im  Verhältniss  zum  Körper  ziemlich  dicken  Haut- 
])latten  zwei  Schichten  erkennen:  innen  eine  ausgebreitete 
Knoehensubstanz,  welche  die  Hauptmasse  bildet  und 
Knochenzellen  und  Havcr'sche  Canäle  erkennen  lässt; 
aussen  eine  dünne  Emailschicht.  Von  den  (Mbita  und  den 
Orbitalplatten  ist  nichts  erhalten:  der  Opereularapparat 
ist  ziendich  mächtig;  Branehialplatten  und  Clavieula  sin<l 
vorhanden.     Zähne  fehlen  leider  gänzlich. 

Rücken-  und  Afterflosse  sind  dreieckig,  am  Vorder- 
rand mit  Fulcra  versehen,  ndt  nach  der  S|)itze  kleiner 
werdenden  Schuppen  bedeckt  und  bestelu'u  aus  einer 
grossen  Anzahl  Strahlen,  welche  zahlreiche  kurze  Glieder 
zeigen.  Die  Rückenflosse  steht  distal,  die  Afterflosse  ist 
dicht  an  der  Schwanzflosse  gelegen  in  einer  Ebene  hinter 
dem  Hinterrande  der  ersteren.  Die  Schwanzflosse  zeigt 
sich,  soweit  sie  erhalten  ist,  mit  rhnndiisclien  Schupiten 
bedeckt  und  war  anscheinend  henaheterocerk. 

Von  der  AVirbelsäule  und  überhaupt  dem  Axenskelett 
ist  nichts  erhalten.  Eine  vorhandene  Längsrinne  deutet 
vielleicht  den  Abdruck  Jener  an. 

Die  Sehu])pen  sind  ziemlich  dick,  ungleich  gross.  In 
der  vordiren  Köri)erhälfte,  wo  ihr  Erhaltungszustand  auch 
am  besten  ist,  sind  sie  regelmässig  rhondtoiilisch.  höher 
als  breit,  grösser,  haben  einen  mit  Rippchen  verzierten 
freien  Aussenrand  und  tragen  oben  einen  kräftigen  Fort- 
satz, welcher  zum  Einlenken  in  die  nächste  höherliegende 
dient.     Nach    dem    Schwänze    zu   werden    die    Schuppen 


88 


Naturwisseuscbaftliclic  Wochenschrift. 


Nv.  9. 


kleiner  nud  zeigen  rhombische  Gestalt.  Unter  dem  Mi- 
kroskop lassen  auch  sie  zwei  Schichten  erkennen :  an  der 
Oberfläche  ein  dünnes  Email,  darunter  eine  ziemlich  dicke 
Knochenscidcht,  deren  Substanz  parallel  geschiciitet  ist 
und  zahlreiche,  regellos  vertheiltc  Knochenzelleu  sowie 
eine  verhältuissmässig  grosse  Menge  Havers'sche  Canäle 
erkennen  lässt.  Die  Vertheilung  der  letzteren  erinnert 
an  diejenige  beim  reccnten  Polypterus  bichir. 

Die  Schichten,  welchen  das  Fossil  entstammt,  dürften 
höchstwahrscheinlich  jurassisch  sein  und  eventuell  ein 
Aequivalent  der  Deccau-Schichten  bilden,  wenn  sie  nicht 
vielleicht  die  directe  Fortsetzung  derselben  darstellen. 
Der  Lepidotus  altaieus  sebliesst  sich  enge  den  Lepido- 
steideu  Ost- Indiens  an,  mit  denen  Ost -Sibiriens  zeigt  er 
keine  Aehulichkeit.  Dr.  F.  Kaunbowen. 


Zur   Keuntniss    einiger    Solanaceenalkaloirte.    — 

0.  Hesse  hat  (Ann.  Chem.  riiarm.  271,100),  hauptsäch- 
licli  in  Berücksichtigung  des  Umstandes,  dass  käufliche 
SolauaeeenalkaloTde  trotz  scheinbarer  Reinheit  Eigen- 
schaften zeigen,  welche  mit  den  in  der  Litteratur  ange- 
gebenen nicht  ganz  übereinstimmen,  eine  nochmalige 
Untersuchung  derselben  vorgenommen,  aus  der  Folgendes 
hervorgehoben  sei: 

1.  Atropin  (jiauptsächlich  aus  Atropa  Belladonna), 
schmilzt  bei  ll:i,5°,  zeigt  [«][)  = -^0.4°  (in  Alkohol i;  das 
Sulfat  (Ci;H.j3N03).2H2SÖ4  -+-  HoO  zeigt  in  wässeriger  Lö- 
sung, wasserfrei  gedacht,  [«]d== — 8-8°.  Das  Platinsalz 
schmilzt  bei  197-200°,  das  Goldsalz  bei  138°,  das  Oxa- 
lat bei  176°. 

2.  Hyoseyamin  (aus  Hyosc.  niger),  schmilzt  bei  108,5°, 
hat  in  alkoholischer  Lösung  [«Jd^ — 20,3°.  Das  Sulfat 
(C„H.2;,N03)2H,SOi  -I-  2H,30  schmilzt  bei  20P,  hat  (ent- 
wässert) [«]d  =  — 28,6°.  Es  schmelzen  das  Platinsalz  bei 
206°,  Goldsalz  bei  159°,  Oxalat  bei  176°. 

3.  Atropiuum  naturale,  d.  i.  das  käufliche,  unmittel- 
bar aus  der  Belladonnawurzel  gewonnene,  Alkaloid,  ist 
ein  Gemisch  von  Atropin  und  Hyoseyamin. 

4.  Hyoscin  (aus  Hyoseyamus  niger)  hat  nicht  die 
von  Merck  angegebene  Formel  Ci-;Ho:iN03,  sondern 
Ci7H.,,N04;  es  bildet  einen  durchsichtigen  Firniss, 
schmilzt  gegen  55°,  besitzt  [«]d= — 13,7°  in  alkoho- 
lischer Lösung.  Das  Goldsalz  schmilzt  aber  bei  198° 
unter  Zersetzung;  das  Hydrobromid  hat  die  Formel 
R.HBr  +  3HoO  und  besitzt  in  alkoholischer  Lösung  das 
Drehungsvernuigen  [«]d^ — 22.5°.  Ferner  existireu  ein 
Hydrojodid  und  ein  Pikrat.  Bei  der  Spaltung  zerfällt 
das  Hyoscin  unter  Bildung  einer  flüchtigen  Base,  welche 
nicht  die  Formel  C3H15NO  (Pseudotropiu  nach  Laden- 
burg) oder  C8Hif,N0.2  (Oxytropin  nach  Ladenburg  und 
Roth),  sondern  CgHigKOo  besitzt  und  von  Hesse  Oscin  ge- 
nannt wird.  Letzteres  scinnilzt  bei  104.5°,  siedet  bei  242°, 
reagirt  in  wässeriger  Lösung  stark  alkalisch,  giebt  ein 
Platinsalz,  das  mit  1  Mol.  Wasser  krystallisirt  und  wasser- 
frei bei  200 — 202°  unter  Zersetzung  schmilzt,  ein  Jod- 
methylat,  aus  welchem  ein  Platinsalz  vom  Schmelzpunkt 
228°  entsteht,  und  ein  Benzoylderivat  vom  Schmp.  59°. 

5.  Scopolamin.  Das  käufliche  Hyoscyamiuhydrobromid 
soll  nach  Schmidt  fast  ausschliesslich  aus  Scopolaminhydro- 
bromid  bestehen,  dessen  Goldsalz  bei  210 — 212°  (Schmidt) 
oder  208°  (Schütte)  schmilzt.  Nach  Hesse  ist  es  hingegen 
echtes  Hyoscinsalz  und  liefert  dementsprechend  ein  Gold- 
salz vom  Schmp.  198°. 

6.  Atropamin  liefert  ein  Platinsalz  vom  Schmelzpunkt 
203—204°  (unter  Zersetzung);  die  durch  Spaltung  daraus 
erhältliehe  Base  ist  verschieden  von  Tropin,  Pseudotropiu 
und  Oscin;  Hesse  bezeichnet  dieselbe  als  /i-Tropin;  sie 
ist  flüchtiger    als   Tropin,    bildet    hygroskopische  Nadeln 


vom  Schmelzpunkt  60 — 61°  und  liefert  ein  Platinsalz,  das 
bei  186°   unter  Zersetzung  schmilzt. 

7.  Belladonuiu  kann  aus  Atropamin  durch  Einwir- 
kung von  Baryt  oder  Salzsäure  erhalten  werden. 

8.  Apoatropin  (Ladenburg's  Atropylatropein)  entsteht 
u.  A.  bei  der  Einwirkung  von  Salpetersäure  auf  Atropin 
und  zerfällt  durch  Barytwasser  schnell  in  Atropasäure 
und  Tropin,  wodurch  es  sich  vom  Belladonuiu  bezw. 
Atropamin  unterscheidet.  Es  krystallisirt  in  Nadeln  vom 
Schmelzpunkt  60 — 62°;  das  Chlorhydrat  schmilzt  bei  237 
bis  239°,  das  Platiusalz  bei  212-214°,  das  in  Nadeln 
krystallisirende  Goldsalz  bei  110 — 111°.  Im  Uebrigen  ist 
es  nach  Merck  dem  Atropamin  in  seinen  Eigenschaften 
sehr  ähnlich.  Sp. 

Ueber  die  plötzliche  Aenderiiiig  im  Aussehen  des 
Kometen  Holmes  enthält  No.  3146  der  Astron.  Nachr. 
vom  23.  Januar  d.  J.  noch  weitere  Mittiieilungen  (vergl. 
„Naturw.  Wochenschr.'-  VIII  No.  7).  So  ist  nach  einer 
Meldung  von  Dr.   Kobold  in   Strassburg  der  Komet  am 

16.  Januar  8  Uhr  Abends  daselbst  mit  freiem  Auge  zu 
erkennen  gewesen.  Der  Kern  erschien  von  8,4ter  Grösse 
mit  heller  Nebelhülle  von  40  Bogensecunden  Durchmesser. 
Den  gleichen  Eindruck  hatte  Dr.  J.  Palisa  in  Wien;  er 
beschreibt  das  Aussehen  des  Kometen  als  das  eines 
gelben  Fixsterns  mit  einer  NcbelhüUe,  deren  Durchmesser 
er  auf  20  Bogensecunden  angiebt.  Ebenso  meldet  Pro- 
fessor Schur  aus  Göttingen  vom  19.  Januar,  dass  dort 
eine  sternartige  Verdichtung  (nur  wenig  heller  als  10. 
Grösse)  und  eine  deutliche  Nebelhnlle  wahrgenommen 
worden,    Dr.    Schorr    in  Hamburg,    dass    der  Kern    am 

17.  Januar  scheibenförmig  (Grösse  7,o)  erschienen  sei;  die 
Nebelhülle  war  klein,  etwa  5"  Durchmesser.  Am  Tage 
darauf  aber  war  dieselbe  ganz  ausserordentlich  ange- 
wachsen, auf  einen  Durchmesser  von  87".  Die  Mit- 
theilungen endlich,  welche  Professor  Lamp  in  Kiel,  über 
seine  Beobachtungen,  eljenfalls  vom  17.  und  18.  Januar, 
macht,  geben  ganz  die  gleichen  Resultate.  Grs. 


Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben. 

Es  wurden  ernannt:  Der  Physiker  Professor  A.  Kundt  von 
der  Universität  Berlin  zum  Geheimen  Regierungsriith.  —  Professor 
E.  du  Bo  is- Rey  moiid  bei  Gelegenheit  seines  öOiahrigen  Doctor- 
Jubiläums  zum  Geheimen  Ober-Medicinalrath.  —  Dr.  H.  J.  John- 
ston-Lavis  zum  Professor  der  Vuleanologie  an  der  Universität 
zu  Neapel.  —  Der  ausserordentliche  Professor  der  Chemie  Dr. 
Eugen  Bamberger  zum  Nachfolger  des  uaoli  Würzburg  be- 
rufenen Professors  Dr.  Hantzsch  in  Zürich.  —  Dr.  Edm. 
Mojsisovics  von  iNIojsvar  zum  Unter-Director  der  geologi- 
schen Reichsanstalt  in  Wien.  —  Docent  der  Markscheide-  und 
Messkunde  an  der  technischen  Hochschule  in  Aachen  P.  Fenner 
zum  Professor.  —  Professor  der  Philosophie  A.  Elter  zum 
ordentlichen  Professor  an  der  Universität  Bonn.  —  Professor  der 
Geographie  H.  Wagner  von  der  Universität  Göttingen  zum  Ge- 
heimen Regierungsrath.  —  Professor  W.  Marme,  Pharmacolog 
an  der  Universität  Göttingen,  zum  Geheimen  Medieinalrath.  — 
Professor  der  Psychiatrie  E.  Hitzig  zum  Ordinarius  der  l'sycliiatrie 
an  der  Universität  Wien.  —  Der  Physiologe  Professor  K.  v.  Voit 
in  München  zum  K.  Geh.  Rath.  —  Der  Professor  der  Psychiatrie 
H.  Grashey  in  München  zum  K.  Ober-Medicinalrath.  —  Privat- 
docent  Dr.  W.  Niemilowicz  zum  ausserordentlichen  Professor 
der  Pharmacognosie  an  der  Universität  Lemberg. 

Es  haben  sich  habilitirt:  In  der  philosophischen  Facultät  der 
Universität  Freiburg  Dr.  Fromm  für  Chemie.  —  Di\  R.  Flatt 
für  Mathematik  an  der  Universität  Basel.  —  Edwin  Bailey 
EUiott  zum  Professor  der  Mathematik  am  Magdalenen- College 
in  Oxford.  —  Professor  Tillaux  zum  Leiter  der  chirurgischen 
Klinik  der  medicinischen  Facultät  zu  Paris. 

Der  Zoologe  Professor  Semper  in  Würzburg  beabsichtigt 
wegen  Kränklichkeit  in  den  Ruhestand  zu  treten. 

Es  sind  gestorben:  Der  Privatdocent  für  Neuropathologie  und 
Elektrotherapie  an  der  militärmedicinischen  Akademie  zu  Peters- 
burg Peter  Iwanowitsch  Uspenski.    —    Der  Erforscher    der 


Nr.  9. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


89 


britisclien  Hcpaficae  Dr.  Benjamin  Carriugton  in  Brighton. — 
Die  Lepitioptei-ologen  Dr.  Adolf  Speyer  in  Rliotlen  bei  Arolscn, 
Freilierr  V  Tiircklieim  auf  Schloss  Mahlsbev  in  Baden  und  H.  T! 
Stainton  in  London.  —  Der  Mineralog  Genoral  A.  \V.  Gadolin, 
Mitglied  der  Akademie  der  Wissenschaften  zu  Petersburg.  —  Der 
Geologe  Simpson  in  London.  —  Dbr  Astronom  Amedee  Guil- 
lemin  in  Pierre  in  Frankreich  (Dcp.  Saöne  et  Loire). 


L  i  1 1  e  r  a  t  u  r. 

Alfr.  Binet,    Das    Seelenleben    der  kleinsten  Lebewesen.     Aus 

dem  Französisehen  übersetzt  von  Dr.  \V.  Medicus.  Jlil  19  Te.xt- 
Abbildungen.  G.  Sehwetschke'scher  Verlag.  Halle  a.  S.  1892. 
—  Preis  1,80  M. 

Das  Werkchen  ist  eine  leider  verfehlte  Uebersetzung  der 
2.  Aufl.  von  Binet's  Buch  ,,La  vie  psychique  des  microorganismes". 
Es  behandelt  einerseits  die  Einwirkung  der  Aussenwelt,  welche 
der  Organismus  emiifindet,  oder  die  Sensibilität,  andererseits  die 
Reaktion  des  Organismus  auf  die  Aussenwelt,  die  Bewegung,  also 
die  Irritabilität  oder  Reizbarkeit  der  Mikroorgauismen.  Ausser 
den  aus  der  Irritabilität  hervorgegangenen  Aeusserungen  sieht 
Binet  aber  auch  solche,  die  er  als  durch  Intelligenz  veranlasst 
unterscheiden  zu  müssen  glaubt.  So  sagt  er:  das  Streben  des 
Zoosperms,  sich  dem  Ei  zu  nähern,  welches  oft  weit  von  dem 
Standorte  des  männliclien  Elementes  entfernt  ist,  die  Länge  des 
zu  durchlaufenden  Weges,  die  zu  überwindenden  Hindernisse,  all 
diese  Umstände  setzen  bei  den  Samenfäden  Fähigkeiten  voraus, 
welche  man  durch  blosse  Irritabilität  nicht  erklären  könnte. 
Referent  meint,  dass  es  doch  wohl  näher  liegt,  in  allen  Fallen,  wo 
es  sich  um  ein  „Aufsuchen"  des  Ei's  durch  die  Spermatozoideu 
handelt,  die  Bewegungsrichtung  bis  auf  Weiteres  aus  einer  che- 
mischen Beeinflussung  der  Spermatozoideu  durch  das  Ei  oder  den 
Eibehälter  zu  erklären,  die  ja  —  und  das  schildert  Binet  ein- 
gehend —  in  vielen  Fällen  thatsächlich  erwiesen  ist. 


Otto  Taschenberg,  Zoologie.    Mit  177  Text-Abbildungen.     Verlag 
von   l'reuss  u.  Jünger.     Breslau   1891.  —    Preis  5  M. 

Das  Buch  zeichnet  sich  durcli  vorzügliche  Holzschnitte  aus, 
die  allermeist  (Verf.  konnte  auch  nichts  besseres  thun)  aus  dem 
Lehrbuch  von  Claus  entlehnt  sind.  Dem  Studirenden,  der  das 
Buch  als  Repetitorium  benutzt,  wird  es  gute  Dienste  leisten,  denn 
es  gehört  nicht  zu  jenen  flüchtig  und  schnell  erledigten  elemen- 
taren Arbeiten,  wie  sie  vor  einigen  Jahrzehnten  auf  gleichem 
Gebiete  von  sonst  berufenen  Forschern  leider  mehrfach  der 
(,)eft"entlichkeit  übergeben  wurden.  Ueberhaupt  ist  zu  const,atiren, 
dass  glücklicherweise  die  in  den  letzten  Jahren  erschienenen  ele- 
mentar-naturwissenschaftlichen Lehrbücher  im  Ganzen  weit  sorg- 
fältiger gearbeitet  sind  als  im  allgemeinen  die  älteren  Werke. 


Berg'haus.  Physikalischer  Atlas.    Gotha,  J.  Perthes  1892. 

\  or  Kurzem  ibt  ilieses  AA'erk  abgeschlossen  worden  und  es 
möge  mit  wenigen  Worten  auf  seine  Bedeutung  hingewiesen 
werden.  Der  (erd-)  physikalische  Atlas,  durch  den  Oheim 
des  Herausgebers  der  neuen  Auflage,  Heinr.  Berghaus,  be- 
gründet, und  IS36,  gerade  50  Jahre  vor  Beginn  des  Erscheinens 
der  gegenwärtigen  Ausgabe  veröffentlicht,  dann  16  Jahre  später, 
mit  Humboldt's  Namen  geziert,  zum  zweiten  Mal  aufgelegt,  ist 
das  wichtigste  Standard  Work  der  physikalischen  Erdkunde.  Bei 
der  jetzigen  3.  Auflage  ist  naturgemäss  statt  eines  Verfassers  ein 
Herausgeber  vorhanden,  denn  es  ist  heute  für  den  Einzelnen 
durchaus  unmöglich,  auch  nur  wenige  der  verschiedenen  Zweige 
der  Geophysik  und  der  übrigen  Zweige  der  wissenschaftlichen  Erd- 
kunde so  zu  durchdringen,  dass  er  ein  in  allen  Theilen  gleicli- 
werthiges  Werk  zu  schatten  vermöchte.  Die  Abtheiluugen  der 
Meteorologie  (12  Karten),  des  Erdmagnetismus  (.j),  der  Pflanzen- 
verbreitung (8),  der  Thierverbreitung  (9),  der  Völkerkunde  (15) 
haben  Hann  (Wien),  Nenmayer  (Hamburg),  Drude  (Dresden), 
Marshall  (Leipzig),  Gerland  (Strassburg)  bearbeitet.  Die 
Abtheilungen  Geologie  (14  bezw.  15  Karten)  und  Hydrographie 
hatte  der  verdienstvolle  Herausgeber,  Herm.  Berghaus,  selbst 
übernommen;  bei  der  ersteren  hat  ihm  Zittel  (München)  liera- 
thend  zur  Seite  gestanden,  und  in  beiden  haben  weitere  Mitar- 
beiter, der  geograjihischen  Anstalt  angehörend,  das  von  Berg- 
liaus,  der  die  Vollendung  des  Werks  nicht  erleben  durfte  (f  1.  Dec. 
1890),  Begonnene  zu  Ende  geführt.  —  Der  Atlas  ist  der  wich- 
tigste graphische  Ausdruck  unseres  Wissens  auf  den  weiten  Ge- 
bieten der  physischen  Erdkunde;  die  Fortschritte  eines  halben 
Jahrhunderts  in  diesen  Wissenszweigen  sind  hier  gesichtet  und 
kritisch  verarbeitet  zusammen  getragen.  Kein  Kenner  wird,  wie 
die  Vcrlagshandluug  mit  Recht  sagt,  dem  Herausgeber  die  „auf- 
richtige Bewunderung  seiner  Leistung  versagen."  —  Es  ist  hier 
weder  der  Ort,  noch  gestattet  der  Raum,  in  Einzelheiten  einzu- 
gehen oder  Wünsche  vorzubringen,  die,  bei  der  Zahl  von  514  ein- 


zelnen Darstellungen  auf  den  74  (75)  Blättern  sclbstv  erständlich, 
sich  dem  Benutzer  des  Werks  aufdrängen.  —  Das  Interesse,  das 
heute  weite  Kreise  der  physischen  Erdkunde  entgegenbringen 
lässt  hoffen,  dass  nicht  wieder  40  Jahre  verfliessen,  bis  eine  aber- 
malige Erneuerung  des  Werks  zu  Stande  kommen  wird;  in 
manchen  Zweigen  sind  ja  die  Fortschritte  in  den  letzten  beiden 
Jahrzehnten  geradezu  stürmisch  gewesen,  man  denke  nur  an  die 
Kenntniss  der  Oberflächenverbreitung  der  geologischen  Forma- 
tionen, die  r)ceanograplüe.  Pflanzen-  und  Thiergeographie.  —  Der 
ganze  Atlas  ist  in  Kupferstich  und  Kupferdruck  ausgeführt,  dem 
werthvollsten  Vervielfältigungsverfahren,  an  dem  danktnswerther 
Weise  die  Perthes'sche  Geographische  Anstalt  für  alle  ihre  grossen 
Kartenwerke  durchaus  festhält.  Möge  dieser  vortrefl'lichen  An- 
stalt, der  nicht  nur  jeder  Geograph  von  Fach,  sondern  gatiz 
Deutschland  Dank  schuldet,  Anerkennung  und  Unterstützung  ihrer 
Bestrebungen  nie  fehlen!  H. 


Kleyers  Eneyclopaedie    der  gesammten  Naturwissenschaften. 

Stuttgart,  Julius  Maier  1892. 
Klimjjert,   Lehrbuch   der   Bewegung    flüssiger   Kör))er. 

Erster  Band.  Preis  8  M. 
Hovestadt,  Lehrbuch  der  absoluten  Maasse  und  Di- 
mensionen der  physikalischen  Grössen.  Preis  6  M. 
Mit  derselben  Aüsfülirlichkeit  und  Gründlichkeit,  welche  in 
des  Verfassers  bereits  erschienener  Mechanik  fester  Körper,  sowie 
der  Hydrostatik  zu  Tage  getreten  ist,  werden  in  dem  Bande  aus 
der  Feder  Klimpert's  die  Bewegungserscheinungen  von  Flüssig- 
keiten, welche  aus  deu  Boden-  und  Seitenwänden  von  Gefässen, 
sowie  durch  Röhren  und  Röhrenleitungen  fliessen,  eingehend  be- 
handelt. Der  von  mehr  als  300  guten  Illustrationen  begleitete 
Text  gliedert  sich  in  Erklärungen,  Fragen,  Antworten  und  zahl- 
reiche gelöste  sowie  ungelöste  Aufgaben.  Wenn  auch  diese 
Katechismus-Form  der  Darstellung  vielfach  etwas  erzwungen  er- 
scheinen mag,  so  lässt  sich  doch  nicht  leugnen,  dass  sie  für  den 
Lernenden  viele  Vortheile  bietet  und  vor  Allem  der  beim  Studium 
eines  umfangreichen  Wissensmaterials  leicht  eintretenden  Begrifts- 
verwirrung  erfolgreich  steuert.  Am  Schlüsse  des  Werkes  ist  ein 
ausführliches  Formelverzeichniss  beigegeben,  welches  besonders 
dem  praktischen  Hydrauliker  bei  der  Lösung  der  an  ihn  heran- 
tretenden Aufgaben  sich  als  sehr  dienlich  erweisen  dürfte. 

Auch  das  Werk  von  Dr.  Hovestadt  wird  voi-nehmlich  dem 
praktischen  Faehmanne  bei  der  Einübung  der  mancherlei  Unter- 
suchungen physikalischer  Maassbestimmungen  gute  Dienste  leisten. 
Den  wesentlichen  Inhalt  des  Buches  bildet  die  Darstellung  der 
Durchführung  des  Länge-Maasse-Zeitsystems  in  der  Physik,  sowie  der 
Anwendungen  der  entsprechenden  Dimensionen  zur  Prüfung  phy- 
sikalischer Gleichungen  und  zur  Herleitung  physikalischer  Gesetze. 
Anhangsweise  werden  dann  auch  behandelt  das  Länge-Gewicht-Zeit- 
System,  das  Länge-Kraft-Zeit-System,  ferner  Systeme,  die  auf 
Grund  des  Gravitationsgesetzes  hergeleitet  sind,  und  endlich 
solche,  mit  nur  einer  unabhängig  Veränderlichen.  —  Die  ausser- 
ordentlich grosse  Zahl  von  Uebungsaufgaben,  deren  Lösung  ent- 
weder in  ersterer,  oder  im  Resultat  angegeben  wird,  dürfte  Jedem 
bei  stufenweise  fortschreitender  Durcharbeitung  des  Buches  das 
volle  Verständnis«  des  schwierigen  und  unleugbar  trockenen,  aber 
doch  so  wichtigen  Gegenstandes  ermöglichen.  Kbr. 


Das  künstlerische  Berlin.     Zusammengestellt    von    S.    Lassar. 
\'erlag  von  Carl  Dancker.     Berlin  1893. 

Wie  der  Untertitel  der  gewiss  Vielen  gelegen  kommenden 
Schrift  besagt,  bietet  dieselbe  eine  Uebersicht  über  die  öflFcnt- 
lichen  Samuilungen,  Vereine  u.  s.  w.  auf  den  Gebieten  der  bil- 
denden Künste  und  des  Kunstgewerbes.  Einige  Stichproben  haben 
uns  von  der  Gewissenhaftigkeit  und  Vollständigkeit  der  Zusammen- 
stellung überzeugt.  Ausführlicheres  können  wir  bei  dem  Charakter 
der  Schrift  an  dieser  Stelle   nicht  bringen. 


Aus  Rom  erfahren  wir,  dass  die  Acadeniia  dei  Liiu'ci  in  einer 
ihrer  letzen  Sitzungen  die  Herausgabe  einer  Sammlung  der 
zahlreichen  in  einer  grossen  Reihe  mathematischer  Journale 
enthaltenen  Arbeiten  ihres  verstorbenen  Mitglieiles  Enrico 
Bet  ti,  einer  der  ersten  .Mathematiker  des  neuen  Italiens  beschlossen 
hat.  Die  Akademie  darf  auf  die  dankbare  Zustimmung  der  Ma- 
thematiker zu  diesem  Plane  rechnen,  umsomehr,  als  einige  der 
werthvollsten  Betti'scheu  Abhandlungen  in  den  letzten  Jahren 
leider  ganz  aus  dem  Buchhandel  verschwunden  und  auch  sonst 
nur  äusserst  schwer  zugänglich  waren. 


90 


Naturwissenscliaftliche  Woclicnsclirift. 


Nr.  9. 


Tsch.ermak's  mineralogische  und  petrographische  Mitthei- 
lungen. 13.  Band,  Heft  1  und  2;  Wien  1893.  —  Wir  nennen  die 
folgenden  Ablandlungen:  Hans  Lechleitner:  Neue  Beiträge 
zur  Kenntniss  der  dioritisclien  Gesteine  Tyrols.  Makroskopische 
und  mikroskopische  Untersuchungen  dreier  neuer  Gesteinsvor- 
kommen  (eins  von  Valsugana,  zwei  von  Vahrn  am  Eisak).  — 
H.  P.  Cuching  und  E.  Weinschenk:  Zur  genauen  Kenntniss 
der  Phonolithe  des  Hegaus.  —  F.  Grosser:  Die  Trachyte  und 
Andasite  des  Siebengebirges.  Vornehmlich  Untersuchungen  über 
das  Vorkommen  und  die  Lagerungsverh<ältnisse,  dann  aber  auch 
über  den  petrographischen  Charakter  der  genannten  Gesteine. 
Eine  Kartenskizze  und  5  Tafeln.  —  Heinrich  Otto  Lang- 
Beitr.äge  zur  Systematik  der  Eruptivgesteine.  Studien  über  die 
Classihkation  der  Eruptivgesteine  auf  mineral-chemischer  Grund- 
lage. Der  Verfasser  wird  über  denselben  Gegenstand  noch  eine 
Reihe  von  Mittheilungen  folgen  lassen. 


Botanische  Zeitung.  51.  Jahrgang.  No.  1.  Leipzig  1893.  — 
Brand  is  bespricht  ausführlich  die  beiden  jüngsten  Bände  des 
gi-ossen  im  Erscheinen  begritfenen  Werkes  The  Silva  of  North 
America;  Band  3:  Anacardiaceae  und  Leguminosae,  Band  4:  Ro- 
saceae  und  Saxifragaceae. 

Anlässlich  des  Eintritts  in  das  einundfünfzigste  Jahr  des  Be- 
stehens der  Botanischen  Zeitung  bringt  die  Nummer  einen  „Ge- 
schichtlichen Rückblick"  vom  Grafen  zu  S  olms-Laubach, 
auf  den  wir  näher  eingehen.  Fünfzig  Jahre  waren  Anfang  Januar 
seit  dem  Erscheinen  der  ersten  Nummer  der  botanischen  Zeitung 
verflossen.  Der  Begründer  der  Botanischen  Zeitung  ist  Dr.  Fhi- 
lipp  Phoebus,  seiner  Zeit  Prosector  an  der  Charite  zu  Berlin, 
1832  Frivatdocent  und  seit  1842  Inhaber  der  B.  G.  H.  Schmidt'- 
sehen  Buchhandlung  in  Nordhausen.  Obwohl  Fhoebus  selbst 
sich  mit  dem  Gedanken,  eine  gut  redigirte.  wöchentlich  er- 
scheinende, alles  Wichtige  („nicht  bloss  Originalaufsätze  sondern 
auch  Auszüge,  Relata  und  anderes  Compilatorische")  enthaltende 
botanische  Zeitschrift  zu  begründen,  trug,  und  dieserhalb  mit 
Schlechtendal,  Mohl  und  Kützing  Unterbandlungen  angeknüpft 
hatte,  so  hätte  die  Verwirklichung  doch  vielleicht  noch  länger 
auf  sich  warten  lassen,  wenn  nicht  der  noch  jetzt  lebende 
Dr.  Carl  Müller,  damals  junger  Fharmazeut  in  Blankenburg 
am  Harz,  sich  so  eifrig  darum  bemüht  hätte.  Was  die  Botanische 
Zeitung  bringen  sollte,  haben  wir  bereits  oben  gesagt;  ilir  Inhalt 
sollte  einer  „grossen  Zahl  von  Botanikern  und  Liebhabern  der 
Botanik  interessant  und  jährlich  einige  Thaler  werth  sein" ; 
ausgeschlossen  waren  daher  solche  Aufsätze,  die  nur  Specialisten 
interossiren  konnten,  z.  B.  „Beschreibungen  seltener  exotischer 
Pflanzen"  u.  dergl.  Was  Schlechtendars  gelehrte  „Linnaea" 
diesem  letzteren  Kreise  war,  sollte  die  Bot.  Ztg.  der  grossen 
Zahl  von  Liebhabern  der  Botanik  werden  und  hierdurch  mit 
der  Regensburger  „Flora",  deren  Redaction  Phoebus  nicht  ge- 
nügte, in  Concurrenz  treten,  sie  vielleicht  ganz  aus  dem  Felde 
schlagen.  Diese  kühnen  Hofi^nungen  haben  sich  allerdings  nicht 
erfüllt,  die  Flora  ist  geblieben  und  hat  ihrerseits  sogar  der  B.  Z. 
die  Existenz  zuweilen  recht  schwer  gemacht:  immerhin  hat  letztere 
sich  aber  durch  ihre  bewährten  Redacteure,  von  denen  die  meisten 
Namen    von    bestem    Klange    in    der    Wissenschaft    haben,    einen 

fanz  hervorragenden  Platz  in  der  botanischen  Litteratur  errungen, 
ie  ist  von  Beginn  an  ein  vornehmes,  inhaltreiches  Blatt  gewesen, 
das  eine  Menge  werthvoUer  Arbeiten  gebracht  hat.  —  Nach  dem 
Erscheinen  der  ersten  Nummer  ging  die  B.  Z.  in  den  Verlag  von 
Föratner  (Berlin)  über,  da  Phoebus  wegen  Uebernahme  einer  Pro- 
fessur in  Unterhandlungen  stand  und  sich  deshalb  seiner  Verlags- 
geschäfte allmälig  entledigen  wollte.  Nach  Förstner's  Tode  ver- 
kauften dessen  Erben  1851  den  Verlag  an  Paul  Jearenaud  und, 
nachdem  auch  dieser  gestorben,  übernahm  1858  Hermann  Arthur 
Felix  in  Leipzig  denselben.  —  Mohl  und  Schlechtendal  waren  die 
beiden  ersten  Redacteure  und  führten  die  B.  Z.  durch  alle  Stürme, 
besonders  des  ersten  Decenniums  mit  Geschick  und  aufopfernder 
Thätigkeit  glücklich  hindurch;  zumal  letzterer,  welcher  die  ge- 
sammten  eigentlichen  Redactionsgeschäfte  besorgte,  hat  eine  nicht 
hoch  genug  zu  schätzende  Hingebung  gezeigt.  Nach  seinem  im 
August  186G  erfolgten  Tode  trat  de  Bary  an  seine  Stelle  und 
führte  mit  nur  kurzen  Unterbrechungen  die  Redactionsgeschäfte 
zuerst    mit    Mohl    (starb    1872),    später    mit    Wortmanu    bis    1888 


fort.  Dieser  verband  sich ,  als  de  Bary  im  letzteren  Jahre 
starb,  mit  dem  Grafen  Solms  -  Laubach,  und  unter  ihrer  Lei- 
tung hat  die  B.  Z.  soeben  das  erste  halbe  Säculum  ihres  Be- 
stehens vollendet.  —  In  ihrer  äusseren  Erscheinung  ist  die  B.  Z 
sich  gleich  gehlieben;  das  aussergewöhnliche  Format,  welches 
„gerade  nur  so  gross  ist,  dass  noch  acht  solche  Columnen  auf 
einer  grossen  Handpresse  auf  einmal  gedruckt  werden  können", 
wird  auch  in  Zukunft  beibehalten;  die  Schrift  soll  dagegen  grösser 
werden.  —  Der  Inhalt  hat  im  Laufe  der  Jahre  manchen  Weclisel 
erfahren.  Die  Generalreferate  über  die  gesammte  Botanik,  welche 
auf  Phoebus'  Veranlassung  eingeführt  worden  waren,  kamen  nicht 
über  den  Versuch  hinaus:  Von  de  Bary 's  Algen,  Nördlinger's  Forst- 
botanik, Cesati's  italienische  Litteratur,  Mohl's  und  Caspary's 
Anatomie  und  Physiologie  erschienen  nur  des  ersteren  Algen  und 
Gottsche's  Hepaticae  einmal.  Da  die  Origin.al- Artikel  immer 
spärlicher  fliessen ,  ist  mit  dem  Beginn  des  51.  Bandes  dahin 
eine  Aenderung  getroffen,  dass  die  Littei-aturberichte  in  alle  14 
Tage  erscheinenden  Nummern,  die  Originalartikel  dagegen  in 
einigen  Heften  zusammenhängend  gebi-acht  werden  sollen.  — 
Floreat!  ist  der  Wunsch,  welchen  wir  der  Botanischen  Zeitung 
für  ihr  zweites  Semisäculum  auf  den  Weg  mitgeben!  F.  K. 


Amalizky,  'W.,  Ueber  die  Anthracosien  der  Permformation  Russ- 
lands.    Stuttgart.     15  M. 

Bauschinger,  J.,  Untersuchungen  über  den  periodischen  Kometen 
1889  V.  (Brooks.)     München.     5  M. 

Behrends,  G.,  Ueber  Hornzähne.     Leipzig.     5  M. 

Bunsen,  R..,  u.  H.  E  Roscoe,  Photochemische  Untersuchungen. 
Leipzig.     1,60  M. 

Claus,  C.,  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Süsswasser-Ostracoden. 
Wien.     27  M. 

Dammer,  O.,  u.  F.  Bung,  Chemisches  Hand\\Orterbuch.  2.  Aufl. 
Stuttgart.     12  M. 

Dathe,  E.,  Geologische  Beschreibung  der  Umgebung  von  Salz- 
brunn.    Berlin.     G  M. 

Dachen,  H.  v.,  Geologische  Karte  der  Rheinprovinz  und  der 
Provinz  Westfalen.     1  :  80,000.     Berlin.     3,50  M. 

Eck,  H.,  Geognostische  Beschreibung  der  Gegend  von  Baden- 
Baden,  Rothenfels  etc.     Berlin.     20  M. 

Finger,  J.,  Ueber  die  gegenseitigen  Beziehungen  gewisser  in  der 
Mechanik  mit  Vorthell  andwendbaren  Flächen  2.  Ordnung  nebst 
Anwendung  auf  Probleme  der  Astatik.     Leipzig.     0,80  M. 

Fischer,  E.,  Anleitung  zur  Darstellung  organischer  Präparate. 
4.  Aufl.     Würzburg.     1,80  M. 

Fischer,  K.,  Geschichte  der  neuern  Phisosophie.  Heidelberg. 
10  M. 


Berichtigung. 


In  dem  Reiseberichte  v 
Exeursion    durch    die    P:i 
Fehler  zu  berichtigen: 
Seite     4  rechts  Zeile  39  v.  u. 
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Paen  stets  Peon;  statt 

u  Dr.  Otto  Kuntze:  Botanische 
impas    bitte    folgende    sinnstorende 

streiche  das  Wort:  daran 

hinzu   nach   Gewächsen:    abgesehen 

lies  BHgp  (=  Bentham  et  Hooker) 

genei-a  plantarum) 
streiche  den  —  nach  Bitter, 
anstatt  7  lies  -/a 

„        Licoden  lies  Cicaden 

„         Grisb.  lies  BHgp. 

„         durch     „     infolge 

„         und  lies  vor. 

„         Hambo  lies  Gaucho. 

„         verbraunt  lies  verbraunt, 

„         Sidcachas  lies  Viscachas, 

„         Grünfeldt     „     Güssfeldt, 

„         -passe  lies  -flüsse 
hinzu  nach  nöthigen :  leichten 
lies  Guanacos 
„     12  800  engl.  Fuss 
streiche  Zolos 

statt  Kraterboden  lies  Krater 
Maipu  oder  Mairo  stets  Maipo. 


Inhalt:  P.  Hennings:  Die  Algenflora  des  Müggelsees.  —  <)l)erförster  R.  Rittmeyer:  Ueber  die  Nonne  (Liparis  monacha.)  (Mit 
Abbild.)  —  Zur  Biologie  des  Cholerabacillus.  —  Die  Entdeckung  Amerikas,  ein  Wendepunkt  in  dem  Verkehr  der  Völker  der 
Erde.  —  Ueber  einen  mesozoischen  Fisch,  Lepidotus  altaicus,  vom  Altai.  —  Zur  Kenntniss  einiger  Solanaceenalkaloi'de.  — 
Ueber  die  plötzliche  Aenderung  im  Aussehen  des  Kometen  Holmes.  —  Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben.  —  Litteratur:  Alfred 
Binet:  Das  Seelenleben  der  kleinsten  Lebewesen.  —  Otto  Taschenberg:  Zoologie.  —  Berghaus:  Physikalischer  Atlas.  — 
Kleyers  Encyclopaedie  der  gesammten  Naturwissenschaften.  —  Das  künstliche  Berlin.  —  Herausgabe  einer  Samndung  der  zahl- 
reichen in  einer  grossen  Reihe  matliematischer  Journale  enthaltenen  Arbeiten  Betti's.  —  Tschermak's  mineralogische  und  petro- 
graphische Mittheilungen.  —  Botanische  Zeitung.  —  Liste.  —  Berichtigung. 

Verantwortlicher  Redakteur:  Dr.  Henry  Potouie,  Bi>rlin  N.  4.,  Invalidenstr.  40/41,  für  den   Inseratentheil:  Hugo  Bernstein  in  Berlin. — 
Verlag:  Ferd.  Dünimlers  Verlagsbuchliandlung,  Berlin  SW.   12.  —  Druck:  G.  Bernstein,  Berlin  SW.  12. 


Nr.  9. 


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XVIII 


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Englisli,  as  it  is  spoken.  Zum  Rück- 
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Von  Alex.  Junghänel  und  ,T.  G 
Scherz.  Sechste  Auflage.  Bearb. 
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Elementar-Grammatik  der  Fran- 
zösischen .Sprache.  Vierte  Auflage 
des  1.  Theils  von  Beumelburg's  Lehr- 
gang. Umgearbeitet  und  bedeutend 
erweitert  von  Dr.  J.  Baumgar  ten. 
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Erziehungs-  und  Unterrichtslehre 
für  Gymnasien  und  Realschulen. 
Von  D.  Dr.  Wilhelm  Schrader. 
Geheimer  Ober-Regierungsrath  und 
Kurator  der  Universität  Halle. 
Zweite  mit  einem  Anhange  über  die 
neuen  Lehrpläne  versehene  Aus- 
gabe der  &.  Auflage.     lu,5ü  M. 

Die  Verfassung  der  höheren 
.Schulen.  Pädagogische  Bedenken 
von  D.  Dr.  Wilhelm  Schrader. 
Geheimer  Ober-Regierungsrath  und 
Kurator  der  Universität  Halle. 
Dritte,  sorgfältig  ergänzte  Auflage, 
6  M. 

Karl  Gustav  von  Gossler,   Kanzler 

des  Konigreiclis  Preussen.  Ein 
Lebensbild  von  D.  Dr.  Wilhelm 
Schrader.    2,40  M. 


Leitfaden    beim    geographischen 

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sichten  entworfen  von  F.  Voigt, 
Professor  an  dem  Kgl.  Realgym- 
nasium zu  Berlin.  Zweiunddreissig- 
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Professor  an  der  Kgl.  Realschule 
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Voigt.     Siebente  Auflage.     Sii  Pf. 

Grundriss    der    alten    Geschichte. 

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der   Originale   lateinisch    übersetzt. 


Torstehende  Werke  können  auf  Verlangen  durch  jede  Buclihanillunsr  zur  Ansicht  Torg:elegt  werden. 


vi^  Redaktion: 

Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12,  Zimmerstr.  94. 


VIII.  Band. 


Sonntag,  den  5.  März  1893. 


Nr.  10. 


Abonnement :  Man  abonnirt  bei  allen  Biiebhandlungen  und  Post- 
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sprechenden Rabatt.  Beilagen  nach  üebereinkiinft.  Inseratenannahnie 
bei  allen  Annocenbureaux,  wie  bei  der  Expedition. 


Abdruck  ist  nur  mit  vollständiger  4{aellenangabe  gestattet. 


Ueber  die  Tundren-,  Steppen-  und  Waldfauna  aus  der  Grotte  „zum 

Schweizerbild"  bei  Schaffhausen. 


Von  Prof.  Dr.  A.  Ne bring. 


Die  „Naturwissenschaftliche  Wochenschrift"  hat  seit 
Herbst  1891  mehrere  Berichte  über  die  interessanten  Re| 
sultate  (leijenigen  Ausgrabungen  geliefert,  welche  durch 
Herrn  Dr.  Niiesch.  in  der  Grotte  „zuui  Sehweizerbild" 
189J  und  1892  veranstaltet  worden  sind.*)  Bei  dieser 
Gelegenheit  wurden  auch  die  von  mir  ausgeführten  Bct 
stiininungen  der  kleineren  Wirbelthier-Reste  kurz  erwähnt^ 
wobei  es  sich  hauptsächlich  nni  Nagethier-Reste  han- 
delte. Ich  hatte  in  meinem  Berichte  über  die  1891  gej 
wonnenen  und  mir  übersandten  Nagethier-Reste  die  Veri 
mutliung  ausgesprochen,  dass  in  der  vertiealen  Vertheilung 
derselben  resp.  der  betr.  Arten  wohl  noch  gewisse  Niveau] 
Unterschiede  erkennbar  sein  dürften,  untl  dass  es  wün^ 
schenswerth  sei,  Ijei  den  1892  zu  veranstalteiulon  neueii 
Au.sgrabungen  hierauf  genauer  zu  achten;  diese  mein4 
Vermuthuug  ist  nunmehr  vollständig  bestätigt  worden,  und 
es  hat  sich  eine  klare, Aufeinanderfolge  einer  Tun» 
•dren-,  Steppen-  und  Waldfauna  von  unten  nach 
oben  ergeben.    .  '       "  i 

Herr  Dr.  Nüesch  schrieb  .mir  unter  Uebersendung 
der  neu  gewonnenen  Reste  kleinerer  Wirbelthiere  am 
14.  November  1892  Folgendes^  ! 

„Es  freut  mich  ausserordentlich,  nun  nach  Beendigung 
der  diesjährigen  Ausgrabungen  Ihnen  berichten  zu  kOnnenj 
dass  entsprechend   Ihrer  Voraussage  ......   sich   beim 

„Schweizerbild"  wirklich  Niveau -Unterschiede  im 
Vorkommen  d(^r  Nager  gezeigt  haben.  Bei  den  Aus- 
grabimgen  konnte  ich  dieses  Jahr  eine,  grössere  Fläche 
ebenfalls  (wie  voriges  Jahr)  schichtenweise  abheben  und 
dabei  bin  ich  von  oben  nach  unten  auf  folgende  Schichten 
gestossen : 

1.  die  Humusschicht; 


*)  Siehe  BJ.  Vll',  S.  289;  394,  495.  Vergl.  meine  Mitthei- 
lungen in  den  Verhandlungen  der  Berl.  .mthropol.  Gesellschaft  vom 
16.  Januar  1892,  S.  82.  ...'.,;  ^  i 


2.  die  graue  Culturschicht,  untermischt  mit  iin- 
glasirten,  rohen  Topfscherlien,  geschlifteneu  und  geschla- 
genen Steinwerkzeugen,  Knochen  vom  Edelhirsch,  Wild- 
schwein, gemeinem  Bär,  Pferd  u.  a. ;  '     . 

3.  die  obere  Breccienschicht,  welche  an  einzelnen 
Stellen  bis  80  cm  mächtig  ist  und  aus  lauter  eckigen, 
vom  idjerhängenden  Felsen  heruntergewitterten  Kalk- 
steinchen besteht;  diese  Schicht  ist  in  der  Nähe  des 
Felsens  natürlich  am  dicksten,  weiter  vom  Felsen  weg 
nimmt  sie  immer  mehr  ab,  bis  sie  endlich  nach  aussen 
hin  ganz  verschwindet; 

\  4.  die  gelblich  -  röthliciic  Culturschicht.  die 
eigentliche  palaeolithische  Culturschicht,  mit  Knochen  vom 
Renn,  Pferd,  \'ielfrass,  Schneehasen,  Höhleubäi-,  Schnee- 
huhn etc. ; 

5.  die  ivntere  Breccienschicht  oder  Haupt- 
Nagethierschicht;  und  schliesslich 

6.  das  Diluvinm,  d.  h.  ein  Lehm  mit  einer  grossen 
Zahl  von  abgerundeten  (nicht  eckigen)  Kalksteinen  ver- 
schiedener Grösse." 

„Die  im  Jahre  1891  aufgestellte  „Ascheu-  und  ilirscli- 
schicht"  sind  nur  Moditicationen  der  grauen,  neolitiiisehcn 
Schicht,  sowie  die  „schwarze  Culturschicht"  der  nach 
aussen  verlaufende  Tlieil  der  gelben  Culturschicht  ist." 

„Inder  oberen  Breccienschicht,  die  also  zwischen 
der, grauen  und  der  gelben  Culturschicht  liegt,  finden  sich 
keine  oder  nur  äusserst  spärliche  Ueberreste  menschlicher 
Thätigkeit;  dagegen  zeigt  sich  in  der  Mitte  derselben  ein 
etwas  dunkler  gefärbter,  10 — 15  cm  mächtiger  Streifen 
mit  Knöchelchen  und  Zähncheu  von  Nagern;  es 
ist  dieses  die  obere  Nagethiersehicht,  weiche  also 
über  der  gelben  Culturschicht  liegt,  während  die  untere 
Nagethiersehicht  sich  unter  dieser  vorfindet.  Ich  iiabc 
die   Knöehelehen    aus  jener  oberen  Nagethiersehicht  ge- 


92 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  10. 


trennt  aufgehoben  und  erlaube  mir  Ihnen  beifolgend  .  .  . 
eine  grössere  Anzahl  derselben  zur  gefälligen  Bestimmung 
zu  übersenden,  indem  ich  zugleich  auch  noch  einige  Proben 
aus  den  anderen  .Schichten,  namentlich  aus  der  unteren 
Nagetiiierschicht  beifüge." 

„Es  hat  mich  diese  Bestätigung  Ihrer  Voraussage 
durch  die  neuen  Grabungen  ausserordentlich  frappirt,  und 
ich  habe  nicht  ermangelt,  die  Besucher  des  Schweizer- 
bildes d.  J.  auf  diese  von  der  Wissenschaft  vorausgesehene 
Thatsache  als  einen  Triumph  .  .  .  aufmerksam  zu  machen. 
Ich  denke,  dass  Herr  Prof.  Dr.  Virchow,  der  sich  bei 
seinem  kiirzlichen  Besuche  darüber  sehr  freute,  Ihnen 
bereits  schon  mündlich  die  überraschende  Thatsache  in 
einer  der  Sitzungen  der  Berliner  anthropologischen  Gesell- 
schaft mitgetheilt  haben  wird.  Auch  sind  bereits  mehrere 
französische  Gelehrte,  wie  Prof.  Boule  aus  Paris,  der  im 
Auftrage  der  französischen  Regierung  4  Tage  liier  weilte, 
ferner  die  Professoren  Deperet  und  Zain  aus  Lyon  bei 
mir  gewesen  und  haben  sich  angelegentlich  nach  der 
couche  des  rongeurs  determines  par  Mr.  Nehring  ä  Berlin 
erkundigt."  .... 

„Noch  eine  andere  Voraussage  Ihrerseits  hat  sich 
diesen  Sommer  vollständig  bestätigt,  nämlich  die,  dass 
die  kleinen  Nagethierknochen  aus  den  Gewöllen 
grösserer  Raubvögel  herrühren;  es  lagen  nämlich 
an  verschiedenen  Stellen  ganze  Häufchen  von  Knöchel- 
chen, Kieferchen  und  Zähnchen  beisammen.  Oben  in  der 
Felswand  der  Grotte  finden  sich  tiefe,  dunkle  Löcher 
und  Gruben,  in  denen  noch  heutzutage  Eulen  sich  auf- 
halten." .... 

„Entgegen  der  vorjährigen  Ansicht,  dass  zur  Zeit 
der  Bildung  der  (unteren)  Nagcthierschicht  der  Mensch 
das  Feuer  noch  nicht  kannte,  hal)e  ich  dieses  Jahr  (181(2) 
im  oberen  Theile  jener  Schicht  eine  Feuerstelle  gefunden; 
allerdings  war  die  Grotte  in  der  betreffenden  Epoche  nicht 
dauernd,  sondern  nur  vorübergehend  bewohnt,  was  aus 
der  geringen  Menge  von  Feuerstein -Werkzeugen  und  zer- 
schlagenen Knochen  in  der  50  cm  dicken,  unteren  Nagc- 
thierschicht hervorgeht.  .  .  .  Die  Ausgrabungen  dauerten 
vom  24.  Juli  bis  28.  Octobcr  d.  J.  und  sind  noch  nicht 
beendet;  es  fehlen  noch  Vs  (ier  Fundstätte,  welche  im 
Frühjahr  1893  ausgegraben  werden  sollen." 

Im  Anschluss  an  obige  biiefliche  Mittheilungen  des 
Herrn  Dr.  Nüesch  erlaube  ich  mir,  im  Nachfolgenden 
ganz  kurz  die  Resultate  meiner  Bestimmungen  der  mir 
vorliegenden  Wirbelthier- Reste,  welche  von  den  Aus- 
grabungen des  Jahres  1892  herrühren,  mitzutheilen  und 
sie  mit  den  zugehörigen  Bestimmungen  des  Herrn  Prof. 
Dr.  Studer  in  Bern,  dem  die  grösseren  Thierreste  über- 
sandt  win-den,  zu  combiniren,  soweit  letztere  Bestimmungen 
mir  bekannt  geworden  sind.*) 

Aus  der  Humusschicht  hat  mir  nichts  vorgelegen; 
dagegen  konnte  ich  aus  der  grauen  Culturschicht 
feststellen:  Eichhörnchen  (Sciurus  vulgaris),  Baum- 
marder (Mustela  martes),  Fuchs  (Canis  vulpes),  Scher- 
maus (Arvicola  amphibius),  Maulwurf  (Talpa  europaea). 
Studer  bestimmte  aus  derselben  Schicht:  Edelhirsch,  Reh, 
Wildschwein,  Pferd,  braunen  Bär,  Dachs,  Marder,  Maul- 
wurf, Schneehase,  Sehneehuhn,  einige  wenige  Knochen 
und  Zähne  vom  Rennthier.  Es  handelt  sich  hier  offenbar 
in  der  Hauptsache  um  eine  charakteristische  Wald- 
fauna; nach  den  menschlichen  Werkzeugen  etc.  gehört 
die  graue  Culturschicht  der  neolithischen  Zeit  an. 

Aus  der  oberen  Nagcthierschicht,  welche  einen 
Theil  der  oberen  Breceienschicht  bildet,    konnte  ich  fest- 


*)  Vergl.  die  Mittheilungen  des  Herrn  Dr.  Nüeacli  im  Cor- 
respundenzblatte  der  deutschen  anthropologischen  Gesellchaft  1892, 
Nr.  10,  S.  110  f. 


stellen:  Gartenschläfer  (Eliomys  sp.),  eine  kleine  Mäuse- 
Species  (Mus  agrarius'?),  Maulwurf,  mehrere  Spitzmaus- 
Arten,  die  Schermaus  (Arv.  amphibius),  mehrere  andere 
Wühlmaus-Arten,  darunter  Arv.  ratticeps,  eine  H.asen- 
Art  (Lepus  sp.),  den  Zwerg-Pfeifhasen  (Lagomys  pu- 
sillus),  Hermelin,  kleines  Wiesel,  Rennthier,  mehrere 
Vogelarten,  eine  Sehlange,  eine  Kröte.  —  Studer  be- 
stimmte aus  der  oberen  Breceienschicht  einige  wenige 
Species,  welche  eine  Mischung  von  Wald-  und  Steppen- 
thieren  anzudeuten  scheinen. 

Aus  der  gelben  Culturschicht  konnte  ich  fest- 
stellen: Arvicola  amphibius,  mehrere  kleinere  Wühlmaus- 
Arten,  den  gemeinen  Hamster  (Cricetus  frumentarius), 
Maulwurf,  eine  mittelgrosse  Ziesel- Art  (Spcrmophilus  Evers- 
manni*),  Zwerg- Pfeifhase,  mehrere  Vogel- Arten.  Studer 
bestimmte  aus  dieser  Schicht:  sehr  zahlreiche  Reste  des 
Rennthiers  und  des  Sehneehasen,  sowie  einige  Reste  vom 
Diluvialpferd,  Viclfrass,  Höhlenbär,  Eisfuchs,  AVolf,  ür, 
Steinbock,  Birkhuhn.  Diese  Schicht  gehört  der  sogen, 
paläolithi sehen  Epoche  an;  sie  hat  sehr  zahlreiche  und 
sehr  beachtenswerthe    menschliche   Artefaete   geliefert.**) 

Aus  der  unteren  Breccien-  oder  Nagcthier- 
schicht stellte  ich  fest:  Mehrere  Reste  des  Zwerg-Pfeif- 
hasen (Lagomys  pusillus),  mehrere  Kiefer  einer  kleinen 
Hamster-Art  von  der  Grösse  des  heutigen  Cricetus  phaeus, 
zahlreiche  Wühlmaus-Reste,  darunter  solche  von  Arv.  gre- 
galis  und  Arv.  nivalis,  einige  Reste  von  Lepus,  Sorex  und 
Talpa,  zahlreiche  Reste  von  Schneehühnern,  endlich  zahl- 
reiche Reste  des  interessanten  Halsband-Lem- 
mings  (Myodes  torquatus),  welche  letzteren  meistens  etwas 
mehr  „fossil"  aussehen,  als  die  erstgenannten  Reste. 
Studer  bestimmte  aus  dieser  Schiebt:  Rennthier,  Schnee- 
hase (sehr  zahlreich),  eine  kleine  Pfeifhasen-Art  (1  Unter- 
kiefer), Eisfuchs,  Schneehühner  etc. 

Nehme  ich  hierzu  die  Resultate  meiner  Bestimmungen 
aus  dem  Jahre  1891,  welche  sich  fast  ausschliesslich  auf 
diese  Schicht  bezogen,  so  ergiebt  sich,  dass  in  der 
unteren  Breccien-  oder  Nagcthierschicht  einer- 
seits eine  arktische,  andererseits  eine  subarktische 
Steppenfauna  angedeutet  ist.  Ein  charakteristischer 
Vertreter  der  arktischen  Steppenfauna,  welche  wir  auch 
als  Fauna  der  trockneren  Tundren  -  Gebiete  bezeichnen 
können,  ist  der  Halsband- Lemming.  Seine  Reste  sind 
„am  Schweizerbild",  soweit  mein  Material  erkennen  lässt, 
ganz  und  gar  auf  die  untere  Nagcthierschicht  beschränkt, 
und  dieses  erscheint  mir  als  ein  wichtiger  Umstand;  es 
wird  hierdurch  dasjenige  bestätigt,  was  ich  an  mehreren 
bemerkenswerthen  Fundorten  Deutschlands,  namentlich 
bei  Thiede,  beobachtet  habe,  nämlich  dass  die  Reste 
des  Halsband- Lemmings  (sowie  auch  die  des  Ob- 
Lemmings,  Myodes  obensis)  in  den  diluvialen  Ablagerungen 
jener  Fundorte  regelmässig  tiefer  liegen,  als  die 
Reste  der  subarktischen  oder  eigentlichen 
Steppen -Nager  (Cricetus  phaeus,  Lagomys  pusillus, 
Spcrmophilus  Eversmanni  etc.). 

Natürlich  existirt  keine  scharfe  Grenze  zwischen  den 
Lemmings-Resten  und  den  Resten  der  eigentlichen  Steppen- 
Nager,  wie  ja  auch  heute  die  Fauna  der  ostrussischen 
und  westsibirischen  Steppen  gewisse  Beziehungen  zu  der 
Fauna  der  nordostrussischen  und  nordsibirischen  Tun- 
dren erkennen  lässt***);  aber  die  Lemmings -Reste  ver- 
schwinden allmälig  nach  oben  zu,  und  die  Reste  der 
eigentlichen  Steppen -Nager  gewinnen  für  eine  Zeit  lang 


*)  Diese  Ziesel -Reste   (2  rechte  Unterkiefer)   stammen   nach 
der   bestimmten    Angabe    Nüesch's    aus    dem    oberen    Theile    der 
gelben  Culturschicht;  sie  wurden  scliou  1891  gefunden. 
**)  Sielie  Nüesch,  a.  a.  O.,  S.  1  IG. 
***)   Siehe  mein    Buch    über   „Tundren   und   Steppen",    Berlin, 
Ferd.  DUmmlers  Verlagsbuchhandlung,    S.  5  ii".,  54  f. 


Nr.  10. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


93 


die  Vorherrsdiaft,    bis    sie    weiter  nacii   oben    durch   die 
der  Waldfauna  verdrängt  werden. 

Diese  Aufeinanderfolge  einer  Tundren-,  Steppen-  und 
Waldfauna,  welche  ich  in  den  lössartigen  Ablagerungen 
von  Tliiede  bei  Braunschweig  und  an  nianclicn  anderen 
Fundorten  Mitteleuropas  wiederholt  beoiiaclitet  und  trotz 
zahlreicher  Einwendungen  bis  heute  vcrtlieidigt  habe*),  ist 
durch  die  sehr  sorgsamen,  schichtweise  ausgeführten  Ab- 
grabungen  am  Schweizerbild  bei  Schaff  hausen  von  Neuem 
so  klar   bestätigt  worden,    dass    ein  vorurtheilsloser. 


un- 


befangener Beobachter 


sich    kaum   noch  liegen  eine  An- 


erkennung derselben  wird  sträuben  können. 

Die  untere  Breccienschicht  „am  Scliwei/.erbild"  ge- 
hört grösstentheils  der  Lemmingszeit  an;  doch  treten  schon 
neben  den  Lemmingeu  und  sonstigen  arktischen  Species 
die  Vertreter  der  subarktischen  Steppenfauna  (Cricetus 
pliacus,  Lagomys  pusillus,  Arvicola  grcgalis)  auf.  In  der 
gelben  Culturschicht  sind  die  Lemminge  verschwunden; 
dagegen  behaupten  sich  die  Steppen -Nager,  zu  denen 
noch  eine  Spermophilus-Art  kommt,  durch  diese  Schicht 
hinauf  bis  zur  oberen  Nagethierscliicht.    In  der  nach  oben 


*)  Siohe  ebenda  S.  157  ff.,  225  ff. 


folgenden  grauen  Culturschiclit  sind  die  Steppen -Nager 
verschwunden;  wir  iiaben  hier  eine  charakteristische  Wald- 
fauna,  wie  sie  noch  jetzt  in  unseren  Wäldern  haust. 

In  welchem  Verhältnisse  diese  faunistische  Aufein- 
anderfolge zu  der  Annahme  zweier  Eiszeiten  und  einer 
sie  trennenden  Intergiacialzeit  steht,  nniss  noch  genauer 
untei'sucht    werden;    vorläutig    möchte    ich    mein    Urtlieil 


hierüber  zurückhalten.     Die 


sonstigen 


wissenschaftlichen 


Resultate,  welclie  die  Ausgrabungen  am  „Sehwcizerijild" 
geliefert  haben,  sind  schon  bedeutend  genug,  und  Herr 
Dr.  Nüesch  hat  sicii  ein  grosses  Verdienst  durch  dieselben 
erworben.  In  faunistischer  Hinsicht  erscheint  es  besonders 
wichtig,  dass  das  eliemalige  Verbreitungsgel)iet  einerseits 
des  Halsband- Leunnings,  andererseits  des  Zwcrg-I'feif- 
hasen,  des  kleinen  Steppenliamsters,  des  Eversnmnn'schen 
Ziesels,  gewisser  Arvicola-Artcn  zeitweise  bis  zu  der 
Gegend  von  Schaffliauscn  ausgedehnt  war. 

In  urgeschiehtliclier  Bezieliung  erscheint  mir  bcsdu- 
ders  der  Umstand  interessant,  dass  die  gelbe  Culturscliiclit 
mit  ihren  zahlreichen  iialaeolitliisehen  Instrumenten  in  die 
Zeit  der  Steppenfauna  hineinreicht,  während  die  graue, 
Culturschicht  mit  ihren  neolithischen  Instrumenten  der  Zeit 
der  vorgeschichtlichen  Waklfauna  zusammenfällt. 


Ueber  die  Nonne  (Liparis  monacha). 

Von  Obf'it'örster  K.  llittmeypr, 
(Fortsetzung.) 


Bezüglich  der  Frass weise  hebt  Forstmeister  Fritz 
A.  Wachtl  hervor,  dass  die  jungen  Nonnenräupchen  auf 
der  Fichte  zunäch.st  die  weichen  zarten  Nadeln  der  Mai- 
triebe verzehren,  allfällig  nach  dem  Durchnagen  der 
sie  bedeckenden  zarten,  trocknen  Schuppen,  während  sie 
auf  den  später  treibenden  Kiefern  sogleich  die  alten 
Nadeln  in  ihren  unteren  weicheren  Theilen  befressen. 

Dr.  Altum  ist  bezüglich  der  Fichtenknospen  der  ent- 
gegengesetzten Ansicht,  dass  die  jungen  Räupehcn  die 
Knospenschuppeu  zu  (lurchnagen  nicht  im  Stande  seien, 
in  Fichtenbeständen  vielmehr  recht  wohl  dem  Hungertode 
verfallen  würden,  wenn  sie  ihre  Eihüllen  eher  verlassen, 
als  die  Knospen  der  Fichte  aufbrechen.  Dieses  kann 
nun  aber  sehr  wohl  der  Fall  sein,  da  die  jungen  Ränp- 
chen  ihre  Hüllen  allein  in  Folge  des  Einflusses  der  Luft- 
wärme verlassen,  während  die  Fichtenknospen  zu  ihrer 
Entfaltung  auch  der  Zufuhr  von  Säften  bedürfen,  sodass 
bei  der  oft  rasch  wechselnden  Frtthjahrstemperatur  diese 
Erscheinung  sehr  wohl  eintreten  kann  und  im  Frühjahre 
1892  —  ebenso  wie  bei  dem  Nonnenfrasse  der  r)Uer  Jahre 
—  thatsächlich  auch  eingetreten  ist. 

Später  werden  die  Nadeln  der  Fichte  und  Tanne 
vollständig  verzehrt,  von  denen  der  Kiefer  jedocii  nur  die 
untere  Hälfte,  die  obere  der  in  der  Mitte  durchgebissenen 
Nadeln  fällt  zu  Boden. 

Dass  der  Frass  im  Zwinger  und  im  Freien  verschie- 
den sei,  stellte  Fritz  A.  Wachtl  fest;  im  Zwinger  fressen 
die  Nonnenraupen  sowohl  die  Fichten-  als  auch  die 
Kiefernnadeln  ganz  auf,  zumeist  deshalb,  weil  sie  leichter 
zu  ihnen  gelangen  können,  im  Freien  lassen  sie  die  halbe 
Kiefernnadel  zu  Boden  fallen,  weil  sie,  sieh  mit  dem 
zweiten  oder  dritten  hinteren  Fusspaare  am  Zweige  fest- 
iialtend,  nur  die  halbe  Länge  der  Nadel  erreichen  können. 

An  den  Laubhölzern  werden  von  den  jungen  Raupen 
zunächst  die  Knospen  verzehrt,  dann  die  Blattfläelien  benagt 
und  kantige  Löcher  in  dieselben  eingefressen.  Fig.  3. 
Diesen  Löcherfrass  setzen  sie  bis  zur  zweiten  Häutung 
fort  (A.).  „Später  fressen  sie  die  kurzgestielten  Blätter, 
namentlich  an  Buche  und  Eiche,  jederseits  von  der  Mittel- 


rippe, an  der  noch  Theile  der  Blatttläche  übrig  bleiben, 
lappig  ein,  so  dass  der  Rest  wie  ein  Anker  aussieht. 
Man  könnte  dies  .,Ankerfrass"  nennen  (B.).  Sehr  häufig 
wird  schliesslich  die  Mittelrippe  oben  durchgebissen,  am 
Zweige  bleibt  nur  der  untere  Theil  derselben  mit  seit- 
lichen, spitzen  Blattlappen,  der  Endtheil  der  Blattspreite 
fällt  dagegen  ungenutzt  zu  Buden.  Diese  Endthcile  sehen 
bei  Buchen  sehr  häutig  so  aus,  als  hätte  man  künstlich 
an  ihnen  die  Figur  eines  Eichenbiattes  herausgeschnitten 
(15.  CD.).  An  langgestielten  Blättern  wird  höchstens  die 
Ansatzstelle  der  Blattfläche  an  ilen  Stiel  etwas  benagt, 
meist  aber  der  Stiel  gleich  vollständig  durchgefressen,  so 
dass  die  ganzen  Blätter  völlig  ungenutzt  herabfallen, 
z.  B.  an  Birken.''*) 

In  den  Baumkronen  des  ( »berholzes  schreitet  der 
Frass  gewöhnlieh  von  unten  nach  aufwärts  und  von 
innen  nach  auswärts  fort,  am  Unterholze  erfolgt  der  Frass 
zumeist  in  umgekehrter  Richtung.  Als  ganz  sicher  vor 
diesem  polyphagen  Schädlinge  erwiesen  sieh  die  Ellern 
und  Eschen,  die  Rosska.stanie,  Flieder,  Weissdorn, 
Spindelbaum,  Rainweide,  Himbeere,  Brombeere,  Farn- 
kraut, Flechten  und  JMoose. 

Aus  dem  Leben  der  Falter  würden  die  Falter- 
scli wärme  und  die  Ei- Ablage  hervorzuheben  sein.  Nach 
Forstmeister  Wachtl  flndet  bei  eingetretener  Massen- 
vermebrung  ein  Auswandern  der  Schmetterlinge  statt, 
diese  Falterzüge  können  weite  Strecken  zurücklegen,  so 
ist  in  Galizien  ein  Schwärm  beobachtet  worden,  welelier 
aus  Preussen  konnnend  eine  Strecke  von  60  km  durch- 
flogen hatte.  Dass  dieser  Verl)rcitungsart  der  Calaniität 
eine  grosse  wirthschaftliche  Bedeutung  beigemessen  wer- 
den muss,  ist  erklärlich,  denn  alK'  die  Vorbeugungsmittel, 
welche  das  Entstehen  einer  Nonnen-Calamität  ^  iclleielit  liint- 
anhalten  können,  verlieren  derartigen  Nonnen-Invasionen 
gegenüber  ihren  Wertli. 

Professor  Dr.  Altum  hält  solche  Wanderzüge  für  eine 


*)  Professor  Dr.  H.  Nitsclie:  ,.Die  Nonne".  Sonderubdruck 
aus  dem  „Lehrbuch  der  Rlitteleuropiiischen  Forstinsektenkiuule." 
Wien  1832.     Ed.  Hölz.il's  Vorhig.     70  Pf. 


94 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  10. 


„abnorm  seltene  Erscheinung"  („Zeitschr.  f.  Forst-  u. 
Jagdw."  1890,  S.  580),  doch  ist  diese  Anschauung  nach 
dem  Urtheile  der  übrigen  Fachentomologen  und  den  Ver- 
lautbarungen der  meisten  Forstleute  eine  irrige.  „Der 
AVandertrieb  des  Nonnent'alters ,  die  Tendenz  dieser 
.Species  bei  erreichtem  Maximum  der  Vermehrung  in 
Schwärmen  aus  ihrem  Entstchungsgebietc  auszufallen  und 
neue,  oft  äusserst  entlegene  Frassgebiete  aufzusuchen  imd 
zu  inficiren,  gehört  als  regelmässige  Erscheinung  in  das 
Lebensbild  der  Nonne,  und  zwar  als  eines  der  alier- 
wichtigsten  Momente  in  demselben"  (Ür.  Pauly,  „Allgem. 
Forst-  u.  Jagdztg."). 
Vielleicht  vom  Winde 
fortgetragen ,  wahr- 

scheinlich aber  mittelst 
der  eignen  Flugkraft 
(Henschers  Ansicht)  le- 
gen diese  .Schwärme, 
wie  schon  oben  ange- 
führt ,  weite  Strecken 
zurück,  und  oft  lässt 
sie  der  starke  Wander- 
trieb von  einem  Orte, 
wo  sie  sich  schon  nie- 
dergelassen   und    voll- 


Nonne  als  regelmässig  gehörige  Erscheinung"  (Dr.  Pauly) 
sind  zu  wenige  Masscnschwärme  beobachtet  worden. 

BezügUch  der  Ei -Ab  läge  soll  der  Nonnenfaltcr 
windgeschtttzte  und  dunklere  Bestandestheilc  vorziehen 
und  luftige,  lichte  Orte  meiden,  sodass  nach  Dr.  Altum 
„die  Nonne  nicht  in  zwei  unmittelliar  aufeinanderfolgenden 
Jahren  in  demselben  Bestände  sehr  stark  frisst"  (Zeitschr. 
für  Forst-  und  Jagdw.  1890  X),  sondern  zur  Eiablage  aus 
dem  befressenen  Theile  in  die  noch  verschonte,  dunkel 
benadelte  Umgebung  übersiedelt.  Für  Kiefernbestände, 
in  welchen  der  Frass  wie  auch  die  Bedeutung  desselben 

eine  ganz  andere  ist, 
triift  dieses  vielleicht  zu, 
für  Fichtenbestände,  auf 
welche  sich  das  hier 
Gegebene  durchweg  be- 
zieht, aber  nicht,  denn 
es  ist  in  Bayern,  Würt- 
temberg und  Mähren 
beobaciitet  worden,  dass 


kommen  gute 


Gelegen- 


heit zur  Ablage  der  Eier 
gefunden,  nach  kurzem 
Aufenthalte  wieder  ab- 
ziehen, sie  verschwinden 
dann  eben  so  jäh,  wie 
sie  gekommen. 

Was  es  mit  diesen 
ja  schon  seit  den  fünf- 
ziger Jahren  bekannten 
Faltcrmassentiügeu  für 
eine  Bewandtnis  hat, 
—  darüber  haben  die 
Zoologen  uns  noch  nicht 
ausreichend  belehrt.  Es 
ist  unzweifelhaft  er- 
wiesen, „dass  die  Falter 
von  der  Natur  nicht 
angewiesen  sind ,  sich 
bei  zu  grosser  Ver- 
mehrung so  weit  zu  ver- 
breiten, dass  der  Nah- 
rungsstand der  Nach- 
kommen gesichert  wäre, 
im  Gegentheile ,  sie 
nehmen  gar  keine  Kück- 


getres- 


sicht  hierauf  und  legen 
ihre  Eier  auch  in  völlig 
kahlgefressenen  Beständen    ab, 
der  Hungertod  im  Voraus  sicher 
in    den   noch  grünen  Beständen 
Massen   ab,    dass  eine 


Figur  3. 

A  =  Löcherfrass  der  jungen  Nunnenraupeii  an  Iluolie.  B  =  Tyiiischer  Aukertrass  der 
alteren  Nonnenraupen  an  Buche.  C  =  Vom  Boden  aufeenonimenes,  befressenos  Huchenblatt, 
bei  dem  die  .Mittclrippe  oben  durchgebissen  wurde.  D  =  Huchenzweig,  au  dem  die  Bhxtt- 
rippen  mit  seil  lieben  Blattlappen  stehen  geblieben  sind,  nachdem  die  Blatttiächen  in  der 
bei  C  gezeichnolen  Weise  abgefressen;  bei  x  neu  austreibende  Knospen.  E  =  Ankerl'rass 
an  Eiche.  Origiiialzeichnung  nach  im  August  ls91  im  Ebersberger  Parke  ge.sammeltem 
Materiale  von  Prof.  Dr.  Nitsche-Tharand. 


regelrechte 


wo  den  jungen  Raupen 
ist;  sie  legen  aber  auch 
die  Eier  in  so  grossen 
Eniährunii-  der  iunaen 


die  schon  liciit 
senen  Bestandestheilc 
stärker  belegt  waren, 
als  die  anstossendeu, 
noch  verschont  geblie- 
benen. 

Dass  die  Massen- 
vermehrung  des  Schäd- 
lings in  geschützten 
Theilen  des  Waldes  ihre 
Wiege  hat,  mag  zuge- 
geben werden,  um  aber 
dem  Falter  für  die  Eiab- 
lage eine  Vorliebe  für 
dichtere ,  dunklere  ge- 
schütztere Waldorte  zu- 
zusprechen, dazu  gehen 
die  iiierüber  gemaeliten 
Beobachtungen  zu  sehr 
auseinander ,  und  da- 
gegen dürfte  auch  der 
Umstand  sprechen,  dass 
die  Falterschwärme  sich 
stets  an  den  Wald- 
rändern und  nicht 
(soviel  man  weiss)  ini' 
Inneren  des  Waldes 
oder  doch  eine  ge- 
wisse Strecke  vom  lich- 
ten, luftigen  Waldrande 
entfernt  zur  Ablage 
der  Eier  niederzulassen 
pflegen, 
über    den   ga 


Brut  uuniöglich  wird."  (Kgl.  württeml)erg.  Forstdirektor 
von  Dorrer:  „Die  Nonne  (Liparis  monacha)  im  ober- 
schwäbischen  Fiehtengebiete  in  den  letzten  fünfzig  Jahren." 
Stuttgart  1891.     Julius  Ibiffmann's  Verlag.) 

Wenn  die  Ursache  dieser  Masscnschwärme  in  dem 
Triebe,  den  Nachkommen  die  Nahrung  zu  sichern,  gesehen 
werden  soll,  so  müssten  weit  mehr  derartige  Schwärme 
stattgefunden  halien,  und  es  durften  nicht  in  schon  kahl 
gefressenen  Bestandestheilen  noch  Massen  von  Eiern  ge- 
funden werden,  wie  es  thatsächlich  fast  überall  der  Fall 
gewesen  ist.  Für  eine  „abnorm  st'ltene  Erscheinung" 
(Dr.  Altum)  sind  zu  viele,  ,,für  eine  in  das  Lebensbild  der 


Dass    die  Nonne    ihre  Eier    über    den   ganzen  Baum 
hin  ahlei;t,  ist  nach  Fritz  A.  Wachtl  eine  Eigentiiümlich-^ 
keit,  welche  man  hei  keinem  anderen  Insekt  findet,  auch 
liinter   den   Schu})pen   alter  Zapfen,   wie   auch   tief  unter 
dem  Haidekrante  fand  man  Nonnen-Eierspiegel. 

An  210  gefällten  Probe-Fichten  von  1(5  bis  20  m  Höhe 
wurden  am  Wurzelstoeke  und  den  Wurzelrücken  8.86  "/„ 
der  am  ganzen  Baum  al>gelegten  Eier  gezählt,  dann  an 
den  je  2  m  langen  Abschnitten  des  Stammes  von  der  Wurzel 
nach  der  Spitze  zu  numerirt:  I:  18.27  "/u;  D:  9:43  7ii, 
III:  9.22%,  IV:  8.22  <%.  V:  6.0.ö«/o,  VI:  3.96  «/o, 
1.20  o/o'  in  (1er  Krone  (Gipfel   und  Aeste)   34.79  o/«; 

das    unterste  Drittel    des  Baumes    kämen   somit  von 


VII: 

auf 
den 


Eiern  45.78  «/o,  auf  das  mittlere  18.23  7,,  und  auf  das 

des  Baumes  54  7o 
Probe-Kiefern   von 


/o 
obere  35.99%;  auf  die  untere  Hälfte 
und    auf   die    obere   46%.     An    100 


Nr.  10. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


<.}5 


1 


18  bis  20  m  Höhe  fanden  sich  am  WnrzelstocI<c  und  den 
Wnrzclrüciien  4.97%,  dann  1:  15.41%,  II:  18.99  »/o, 
III:  1!').73%,  IV:  13.78  7o,  V:  9.51  7o,  VI:  3.62%  und 
in  der  Krone  (Gipfel  und  Aeste)  17.99  "/ü?  niithiii  im 
untersten  Drittel  öö.lO%,  im  mittleren  20.91  "/o  ui'tl  'm 
obersten  17.99%;  oder  in  der  unteren  Hälfte  78.93  7o 
und  in  der  oberen  21.61  7o-  Andere  Untersuchungen*) 
ergaben  bis  2  m  Schafthöhe  15  7o  fler  abgelegten  Eier, 
von  2  m  bis  4  m  20  7o ,  von  4  m  bis  6  m  24  7o ,  von 
6  ni  bis  8  m  21  7o  und  über  8  m  noch  20  7o-  In  einem 
anderen  Frassgebiete  fand  man  an  1004  gefällten  Probe- 
bäumen im  Durchschnitte  bis  5  m  Höhe  15  7oj  von  5  m 
bis  10  m  23  7o,  von  10  m  bis  15  m  28  7o.  von  15  m  bis 
20  m  30  7o  "1"^  ül^er  30  m  Baundiöhe  noch  4  7o- 

Als  grösste  Zahl  der  an  einem  Haum  abgelegten 
Eier  giebt  Altum  aus  dem  bayrischen  Frassgebiete 
200  000  .Stück  an,  Dr.  Eckstein  bis  400  000  Stück. 

Audi  über  die  Frage  der  Eierzahl  in  einem  .Spiegel 
sind  Untersuchungen  ausgeführt.  An  1004  l'robebäumcn 
fand  man  durchschnittlich: 

in  31  7o  der  Eiablagen     1—10  Stück  Eier, 

-  35  -      -  -  11—20      - 

-  12  -      -  -  21-30      - 

-  9  -  -  -  31—40  - 

-  4  -  -  -  41—50  - 

-  3  -  -  -  51—60  - 

-  3  -  -  -  61—70  - 

-  1  -  -  -  71-80  - 

-  1  -  -  -  81—90  - 
1  -  -  -  91  u.  mehr  - 

Die  grösste  Ablage  Hess  109  Eier  zälden;  dabei  zeigten 
die  in  grösserer  Höhe  abgelegten  Eicrhäui'chen;  die 
grössere  Zahl  Eier;  die  Ablage  von  109  .Stück  war  in 
23  m  Höhe  gei'unden.  Aus  einem  anderen  Frassheerde 
wird  von  einer  Eiablage  berichtet,  welche  272  »Stück 
enthielt. 

Ein  Liter  Nonneneier  enthält  etwa  700  000  Stück 
und  wiegt  400  bis.  450  g. 

Ein  lebhafter  Streit  entspann  sich  über  die  in  die 
Botanik  einschlagende  Frage,  ob  die  von  der  Nonnen- 
raupe kahlgefressenen  Nadelhölzer  und  insbesondere 
Ficliten  sieh  wieder  begrünen  oder  nicht?  Die  württem- 
bergischen Forstleute  vertraten,  auf  die  in  Akten  über 
früheren  Nonnenfrass  in  Fichtenbeständen  niedergelegten 
lieriehte  gestützt  (Siehe  von  Dorrer  „Die  Nonne"),  die 
Ansicht,  „dass  ph3'siologische  Gründe  nicht  vorliegen, 
welche  das  Wiedergrünen  der  Fichten  ausscidiessen,  dass 
sogar  die  Wahrscheinlichkeit  des  Wiedergrüncns  vorliegt" 
(Forstrath  Speidel  in  „Allgem.  Forst-  uiul  Jagdzeitung" 
1891,  I),  die  bayrischen  Forstleute  gaben  sieh  dieser 
Hoffnung  nicht  hin.  Es  entwickeln  sich  an  den  zeitig  im 
Jahre  kaiil  gefressenen  Fichten  allerdings  sehr  häutig 
vom  August  ab  kleine  grüne  Büscheltriebc  von  1  bis  2  cm 
Länge,  docli  bleiben  diese  austreibenden  I'rä\'entivknospen 
niclit  auf  die  Dauer  erhalten,  sondern  gehen  bereits  im 
IK'rbste  dui'ch  Vertrocknen  zu  Grunde;  sie  retten  den 
I5aum  nicht,  sondern  erschöpfen  noch  die  letzte  Kraft 
d('sselben.  An  Fichten,  welche  erst  spät  im  Jahre  durch 
überwandernde  erwachsene  Raupen  kahl  gefressen  wei'den, 
können  auch  dii'  zur  Entfaltung  im  nächsten  Jahre  be- 
stimmten normalen'  Knospen  schon  im  Herliste  des  Frass- 
jahres  ausschlagen,  aber  auch  diese  Bildungen  gehen  im 
Hcrl)ste  meist  zu  Grunde  und  können  den  Baum  nicht 
retten. 


'  *)  Foi-.stincister  Hcrmami  Reiis.s:  „AutTürdoruiij;  und  Au- 
loituiif;  zur  Brkilinpfung  der  Noniic  aus  reiu  praktischen  Gesichts- 
punkten".    mi2, -Wien "bei  Moritz  Porlos, ■  •       '  ■■ 


Der  Grund  i'ür  die  Tödtlichkeit  des  Nonnenkahl frasscs 
für  die  Nadelhölzer  liegt  in  dem  Zeitpunkte  der  Ent- 
nadelung.  Die  liäume  werden  zu  Ende  des  Juni  ihrer 
Nadeln  beraubt,  nntten  in  der  Vegetationsperiode .  zu 
welcher  Zeit  der  Jahrring  aus  den  Assiniilationsproduktcn 
der  Nadeln  gel)ildet  wird.  Ist  nun  mit  den  Nadeln  die 
normale  Bezugsquelle  fortgefallen,  so  werden  die  beim 
Nadelholze  ja  geringen  Mengen  der  im  Holz-  und  Kindeu- 
kiirper  aufgespeicherten  Ifeservestofte  zur  Weiterentwicke- 
lung der  in  voller  Thätigkeit  begritt'enen  Iloizzeilen  auf- 
gebraucht, sodass  —  wenn  die  Bäume  im  nächsten 
Frühjahre  noch  unversehrte  Knospen  haben  —  doch  das 
Jlaterial  zu  ihrer  Entwickelung  fehlt.  Ferner  hört  mit 
dem  Fortfall  der  Nadeln  die  Verdunstung  des  aus  dem 
Boden  durch  die  Wurzeln  aufgesogenen  und  in  die  Kr(me 
aufsteigenden  Wassers  auf,  damit  sehr  bald  der  auf- 
steigende Wasserstrom  selbst  und  mit  diesem  auch  die 
Abkühlung  der  Cand)ium-  und  äusseren  .Splintschichten, 
sodass  diese  besonders  auf  der  .Sonnenseite  der  Bäume 
bis  über  die  Grenze  der  Lebensfähigkeit  der  Zellen 
oder  doch  so  weit  erhitzt  werden,  dass  im  folgenden 
Jahre  das  gänzlich  nahrungslose  Cambium  abstirbt,  lloheii 
Hartig  fand  die  Cand)ial-Tempcratur  einer  entnadelten 
Fichte  im  Sommer  um  8^0.  höher  als  die  einer  bcnadel- 
ten  unter  gleichen  Verhältnissen.  In  kahl  gefressenen 
Fichtenbeständen  steigerte  sich  bei  directer  Besounung 
die  Temperatur  des  Candjiums  bei  26°  C.  Lufttemperatur 
bis  auf  44°  C.  Nach  OberlVirstcr  Dr.  Jäger-Tübingen  ist 
dagegen  im  Jahre  1892  die  Möglichkeit  des  Wieder- 
begrünens  kahl  gefressener  Fichten  unter  günstigen 
Wittcrungs-  und  .Standortseinflüssen  unwiderleglich  er- 
wiesen. Ganz  kahl  gefressene  Bäume  (und  Bestände), 
welche  also  keine  einzige  grüne  Nadel  mehr  aufwiesen, 
gebe  es  in  Wirklichkeit  auch  nach  dem  verderblichsten 
Eaupenfrassc  niemals,  Bestände,  welche  jedoch  „im  landes- 
üblichen terminus  technicus  als  total  kahlgefressen"  be- 
zeichnet seien,  hätten  sich  im  Weingartner  (Württemberg) 
Frassgebiete  1892  zweifellos  wieder  begrünt.  Dass  die 
in  1890  kahl  gefressenen  Bestände  im  folgenden  Früh- 
jahre nicht  mehr  ergrUnt  seien,  erkläre  sieh  aus  der  ab- 
norm ungünstigen  Witterung  des  Winters  1890/91.  Auch 
aus  Bayern  kam  plötzlich  die  Nachricht,  dass  die  Fichten- 
bestände von  Kirchseeon  gegen  München  und  ebenso  im 
Ebersberger  Parke,  noch  Mitte  Mai  1892  total  abgefressen, 
gelb  und  scheinbar  ganz  abgestorben  dastehend,  wieder 
grünen,  welche  Nachrieht  „aus  dem  bayerischen  Finanz- 
ministerium" in  der  „Augsburger  Abendzeitung"  die  Ent- 
gegnung fand:  „Eine  Wiederbegrünung  der  durch  die 
Nonne  kahlgefressenen  Fichtenwaldungen  ist  weder  im 
Laufe  der  gegenwärtigen  Nonnencalaniität,  noch  in  einer 
der  früheren  (Jalamitäten  jemals  und  irgendwo  eingetreten, 
alle  gegentheiligen  Behauj)tungen  und  Hofluungen  haben 
sich  ausnahmslos  irrig  erwiesen.  Selbst  der  weitaus 
grösste  Theil  der  zwar  sehr  stark  befressenen,  aber  nach 
Ablauf  der  Frassperiode  thcilweise  noch  innner  grün  ge- 
bliebenen Fichten,  deren  Erhaltung  also  wenigstens  erhoft't 
werden  konnte,  hat  wie  im  Winter  1890,91,  so  auch  in 
gleicher  Zeit    1891,92    allmählich    den  Rest    der    grünen 


Benadelung  verloren  und  ist  abgestorben 


Wenn  zur 


Zeit  im  Ebersberger  Parke  in  höchst  erfreulicher  Weise 
die  Fichten  mit  den  jungen  lu'ilgrünen  Maitrieben  reich- 
lich besetzt  sind,  so  sind  dieses  ausschliesslicji  solche 
Bäume,  welche  nicnmls  kahl  waren  ..." 

Von  den  übrigen  Waldbäunien  sollen  auch  die  ganz 
kahlgefressenen  Tannen  und  Kiefern  absterben,  die  Lärche 
begrünt  sich  wie  die  Laubhölzer  noch  in  dem  gleichen 
Jahre  wieder.  Die  Kiefer  M'ird  jedoch  nur  sehr  selten 
kahl  gefressen;  hatte  sie  nur  Lichtfrass  zu  erleiden,  so 
;  erholt  sie  sich  wieder,  während  die  Fichte  auch  licht  ge- 


96 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  10. 


fressen  schon  abstirbt.  Welcher  Prozentsatz  der  Benacle- 
lung-  die  Fichte  (Tanne  und  Kiefer)  am  Leben  zu  erhalten 
vermag-,  ob  diesbezüglich  und  wie  die  Standorts-  und  be- 
sonders Bodenverhältnisse,  ob  das  Alter  des  Baumes  u.  a.  m. 
von  E^influss  sind?  —  Das  sind  weitere  noch  ungelöste 
Fragen.  In  einem  Reviere  Mährens  sollen  alle  bis  über 
50 '^',0  der  Krone  beraubten  Fichten  a))gestorben  sein;  nach 
den  Beobachtungen  des  Forstmeister  Schulz  stirbt  ein 
Baum    schon    im    folgenden  Winter  oder  doch  im  darauf 


folgenden  Frühjahre  ab,  wenn  ihm  über  Vä  t^er  vorhanden 
gewesenen  Benadclung  fehlt;  nach  Oberforstmeister  Marron 
lebten  alle  Fichten,  denen  noch  10%  der  Beuadelung 
blieb,  nach  zwei  Jahren  noch.  Die  Beantwortung  dieser 
Frage  ist  keineswegs  nur  von  naturwissenschaftlichen 
Interesse,  sondern  auch  von  bedeutendem  praktischen 
Werthe,  da  sie  ja  für  das  Niederhauen  oder  Stehenissen 
des  betroftenen  Bestandes  Ausschlag  gebend  ist. 

(Schluss  folgt.) 


Als  Heilmittel  der  Malaria  (Wechselfieber)  wird 
neuerdings  das  Methylenblau,  ein  Alininfarbstoft",  leb- 
haft empfohlen.  Den  Gedanken  zur  therapeutischen  An- 
wendung des  Methylenblau  der  Malaria  gegenüber  gab 
eine  Erfahrung  der  mikroskopischen  Technik:  die  ausser- 
ordentlich gute  Färbbarkeit  der  Malariaplasmodien  im 
getrockneten  Blutstropfen.  Das  Methylenblau  färbt  die 
kleinen,  sonst  schwer  sichtbar  und  namentlich  in  den 
Einzelheiten  ihrer  Formen  schwer  erkennbaren  Gebilde, 
die  übrigens  nicht  zu  den  Bakterien,  sondern  zur  Gruppe 
der  Protozoen  gehören,  ausserordentlich  leicht  und  in- 
tensiv. Im  Herbst  1891  haben  Dr.  P.  Guttmann,  Director 
des  städtischen  Krankenhauses  Moabit,  und  Professor 
Dr.  Paul  Ehrlich  die  ersten  günstigen  Erfahrungen  über 
die  Behandlung  der  Malaria  mit  Methylenblau  veröffent- 
licht, denen  der  erstere  jüngst  weitere  ähnliche  Mittheilungen 
hat  folgen  lassen.  Das  Methylenblau  wird  in  Formen  von 
Gelatinekapseln  in  5  bis  10  täglichen  Dosen  von  je  0,1 
Gramm  verabreicht  und  passirt  äusserst  schnell  den  Or- 
ganisnms,  dabei  alle  Se-  und  Excrete  intensiv  blau  färbend. 
Nur  chemisch  reines  Methylenblau  hat  die  volle  Wirkung. 
Schädliche  Nebenwirkung  besitzt  das  Methylenblau  kaum. 
Das  Methylenblau  hält  meist  schon  den  nächsten  Fieber- 
anfall auf  und  führt  in  kurzer  Zeit  zur  Genesung.  Frei- 
lich hat  mau  Rückfälle  eintreten  sehen,  die  dadurch  zu 
verhüten  sein  sollen,  dass  man  sich  nicht  begnügt,  das 
Aufhören  des  Fiebers  erreicht  zu  haben,  sondern  das 
Mittel  Wochen  hindurch  in  täglichen  Dosen  von  0,3  bis 
0,5  Gr.  giebt.  Die  günstigen  Erfahrungen  aus  Berlin, 
die  auch  in  einigen  schweren  Fällen  sich  bestätigt  haben, 
sind  unlängst  auch  von  einigen  ausländischen  Forschern, 
z.  B.  der  italienischen  Malaria  gegenüber  berichtet  worden. 
Von  anderer  Seite  werden  dagegen  sowohl  der  ja  immerhin 
seltenen  einheimischen  Malaria  gegenüber,  wie  namentlich 
der  tropischen  Malaria,  Misserfolge  der  Methylenblau- 
behandlungeu  gemeldet.  Indess  besteht  namentlich  in 
Hinsiclit  auf  tropische  Malaria  noch  kein  klares  Urtheil, 
das  freilich  gerade  in  nächster  Zeit  aus  unseren  west- 
und  südwestafrikanischen  Kolonien  zu  erwarten  ist.  Die 
Unterschiede  der  tropischen  Malaria  von  der  ehdieimischeu 
—  erstere  ist  weit  schwerer  und  bösartiger  —  sind  noch 
nicht  genügend  bekannt ;  es  scheint,  als  ob  sie  in  Formen- 
Verschiedenheiten  der  Malariaplasmodien  nicht  begründet 
seien.  Sollte  aber  auch  das  [Methylenblau  der  tropischen 
Malaria  gegenüber  im  Stich  lassen,  so  tritt  es  dadurch 
noch  nicht  gegen  das  Chinin  zurück,  das  in  solchen  Fällen 
auch  häutig  wirkungslos  ist.  Gerade  deshalb  strebt  die 
medicinische  Forschung  so  eifrig  nach  einem  Ersatz  des 
bisher  souveränen  Malariamittels.  Ist  auch  vielleicht  in 
Methylenblau  nicht  das  ideale  Heilmittel  der  Malaria  ge- 
funden, so  erfährt  die  Behandlung  dieser  Krankheit  durch 
dieses  Mittel  doch  eine  schätzenswerthe  Bereicherung.*) 
Dr.  A. 

*)  Vergl.  mit  Obigem  die  Mittheilung  in  Bd.  V  S.  277  „Anilin- 
Farbstoffe  als  Antisejjtica".  Red. 


Untersucliuiigeii  über  den  EinUnss  des  Nervus 
trigenümis  auf  die  Hornhaut  des  Auges  veröffentlicht 
Just  US  Gaule  im  Centralblatt  für  Physiologie. 

Wenn  man  den  Nervus  trigeminus  in  der  Schädel- 
höhle durchschneidet,  so  ist  das  Verhalten  der  von  diesem 
Nerven  innervirten  Hornhaut  des  Auges  ein  sehr  wechseln- 
des; dies  hängt  in  erster  Linie  ab  von  dem  Ort,  wo 
man  den  Nerven  durchschneidet,  ob  zwischen  dem  Gehirn 
und  dem  in  den  Nerv  eingelagerten  Ganglion  Gasseri,  ob 
im  Ganglion  selbst  oder  zwischen  ihm  und  dem  Auge:  im 
Ramus  ophthalniicus.  Nur  dann,  wenn  die  Durchschneidung 
im  Ganglion  selbst  oder  im  Ramus  ophthalniicus  statt- 
findet, lassen  sich  Ernährungsstörungen  in  der  Hornhaut 
nachweisen,  und  zwar  stets  durch  das  Mikroskop,  unter 
günstigen  Umständen  aber,  nämlich  bei  älteren  Thieren, 
auch  mit  blossem  Auge.  Die  makroskopisch  sichtbaren 
Zeichen  sind:  1.  das  Auftreten  eines  irisirenden  Häut- 
chens, welches  sich  über  die  ganze  Hornhaut  ausbreitet; 
2.  es  erscheinen  kleine  rundliche,  flache  Vertiefungen  an 
verschiedenen  Stellen  der  Hornhaut.  Dieselben  liegen  dicht 
beisammen,  fiiessen  bald  zusammen  und  rücken  nach  dem 
Centrum  der  Hornhaut  hin  vor,  dort  bilden  sie  dann  eine 
Delle  mit  trockenem  glänzenden  Grund. 

Hat  man  das  Ganglion  recht  in  der  Mitte  durch- 
schnitten, dann  erscheinen  diese  Zeichen  augenblicklich, 
hat  man  dagegen  den  Nerven  zwischen  Gehirn  und  Gan- 
glion getroffen,  so  wartet  man  vergeblich  auf  sie. 

Unter  dem  Mikroskop  zeigt  die  Hornhaut  unmittelbar 
nach  dem  Schnitt  einen  Wechsel  von  normal  gebliebenen 
Epithel-Partien  mit  veränderten  Partien,  die  entweder  als 
Vertiefungen  oder  Verdickungen  auftreten.  Die  vertieften 
Stellen  sind  es,  welche  die  mit  blossem  Auge  sichtbaren 
Dellen  darstellen;  sie  sind  dadurch  vertieft,  dass  das 
Epithel  in  ihnen  zusammengeschrumpft  ist,  oft  bis  zur 
Hälfte  der  ursprünglichen  Höhe.  Die  Zusammentrocknung 
findet  besonders  in  der  oberen  Zellschicht  der  Hornhaut 
statt,  während  die  Zellen  ihrer  unteren  Schicht  nekrotisch 
werden,  d.  h.  ihre  Kerne  haben  die  Färbbarkeit  verloren 
und   erscheinen   leer,   das  Zeil-Protoplasma  ist  verringert. 

In  der  Grundsubstanz  der  Hornhaut,  welche  unter 
diesen  abgestorbeneu  Stellen  liegt,  sind  die  Hornhaut- 
körperchen  zusammengeschrumpft,  klein  und  füllen  die 
Spalte  niclit  völlig  aus.  Das  Endothel  der  Descemetischen 
Membran  ist  verdickt  und  zeigt  2  bis  20  Zelllagen  über- 
einander. In  dem  unter  diesen  Zellen  liegenden  Humor 
aquens  zeigt  sich  ein  Niederschlag  von  geronnenem  Ei- 
weiss,  der  in  der  normalen  Hornhaut  und  auch  an  den 
übrigen  Stellen  fehlt. 

An  den  verdickten  Hornhautpartien  findet  man  eine 
Abstossung  der  obersten  Epithelschichten  in  Plattenform. 
In  den  tieferen  Schichten  finden  sich  vor  allem  als  auf- 
fälligster Bestandtheil  zahlreiche  Kenitheilungsfiguren  und 
das  dichte  Aneinanderdrängen  der  Zellen,  welches  auf  eine 
rasche  Vermehrung  derselben  hinweist.  An  anderen  Stellen 
ist  diese  Zellvermehrung  so  stark,  dass  die  abgestossenen 
Zellen  nicht  mehr  Plattenform    haben  und  die  neu  ent- 


Nr.  10. 


Naturwisseuschaftliche  WochensebritY. 


97 


standenen  Zellen  als  Protoplasmaballen  mit  eingelagerten 
Kernen  auftreten. 

All  diese  Zeichen  beweisen,  dass  das  Zellleben  und 
der  Stoffwechsel  in  der  Hornhaut  vom  Nerven  resp.  Vdu 
seinem  Ganglion  ({asseri  beherrsclit  werden,  und  zwar  ist 
festgestellt  worden,  dass  unter  dem  EiuHuss  des  Nerven, 
und  zwar  s})eciell  der  Ganglienzellen  seines  Ganglion 
Gasseri,  das  Leben  der  Epithelien,  der  Hornhantkörper- 
chen,  der  Descemeti'schen  Membran  und  das  Kammer- 
wasser steht. 

Wie  kann  nun  diese  Wirkung  des  Nerven  gedeutet 
werden  y  Die  Rasehheit,  nut  der  die  \'eriinderungen  ein- 
treten, erinnert  an  die  Art,  wie  Veränderungen  durch 
Nervenreiz  auftreten,  doch  können  in  diesem  Fall  Nerven- 
reize keine  Rolle  spielen.  Beweis:  der  Ort,  wo  der  Nerv 
gereizt  wird,  ist  die  Durehschneidungsstelle.  Die  Ver- 
änderungen, welche  auftreten,  liegen  aber  in  der  Körper- 
überfläche.  Nun  haben  wir  kein  Beispiel,  dass  Nerven- 
fasern von  Sinuesnerveu,  und  dazu  gehört  der  Trigeminus, 
einen  Reiz  nach  der  Körperoberfläehe,  d.  h.  centrifugal 
leiten,  dies  widerspricht  geradezu  unserem  Begriff'  von 
Sinnesnerven  und  ihren  Fasern,  da  diese  den  Reiz  nach 
dem  Rückenmark  und  Gehirn,  d.  h.  centripetal  zu  leiten 
haben.  Die  sensiblen  Fasern  des  Nervus  trigeminus 
könnten  es  also  nicht  sein,  welche  den  Reiz  der  Durch- 
schneidung nach  der  Hornhaut  leiten.  Motorische  Nerven- 
fasei'n,  die  zur  Hornhaut  gehen,  giebt  es  nicht;  vaso- 
motorische Nervenfasern  können  ebenfalls  auf  die  Ver- 
änderungen keinen  Eintluss  haben,  da  diese  Veränderungen 
an  Stellen  entstehen,  wo  gar  keine  Blutgefässe  vorhanden 
sind;  auch  spricht  garnichts  für  die  von  Samuel  aufge- 
stellte Annahme,  dass  im  Nervus  trigeminus  sogenannte 
trophische  Fasern  vorhanden  seien,  welche  den  Reiz  extra 
zu  dem  Zwecke  zur  Hornliaut  leiten,  um  deren  Ernährung 
zu  beherrschen.  Wir  sind  also  zu  dem  Schluss  gezwungen, 
dass  bei  der  Nervendurchschneidung  die  Ernährungs- 
störungen lud  Formen  Veränderungen  in  der  Hornhaut 
direct  durch  die  sensiblen  Fasern  des  Nervus  trigeminus 
erzeugt  werden. 

Dies  geschieht  in  folgender  Weise: 

Alle  neueren  Untersuchungen  weisen  darauf  hin,  dass 
die  Sinnesnerven  von  der  Körperoberfläche  in  das  Innere 
wachsen,  und  die  Degenerationserscheinungen  der  Nerven 
nach  Durchschneidung  zeigen,  dass  auch  die  Ernährung 
oder  wenigstens  die  Zufuhr  eines  hervorragend  wichtigen 
Nährstoffes  der  Nerven  immer  centripetal  in  der  Richtung 
der  Leitung  erfolgt.  Daraus  ergiebt  sich  dann,  dass  das, 
was  man  seither  als  Nervenendigung  im  Epithel  ange- 
sprochen hat,  vielmehr  als  Nervenanfang  anzusehen  ist, 
und  man  muss  schliessen,  dass  das  Epithel  Stoffe  ab- 
sondert, welche  zum  Aufbau  oder  zur  Ernährung  der 
Nerven  dienen.  Man  wird  sich  demnach  vorstellen  müssen, 
dass  ein  beständiger  Strom  eines  solchen  Epithelsecretes 
von  dem  Nerven  aufgenommen  und  in  demselben  von 
Zelle  zu  Zelle  unter  fortwährender  Wiederaufnahme  und 
Wiederausscheidung  weitergeführt  wird.  Hierbei  wirkt 
das  zum  Nerven  gehörige  Ganglion  wie  ein  Reservoir,  in- 
dem seine  Ganglienzellen  die  Stoffe,  welche  der  Nerv  von 
der  Peripherie  zuführt,  aufnehmen,  in  gewisser  Menge 
anhäufen  und  nach  Bedarf  centripetal  weitergeben.  Hier- 
bei kann  man  sich  vorstellen,  dass  ein  Theil  der  Nerven- 
fasern in  den  Zellen  des  Ganglion  endigen  und  haupt- 
sächlich der  Zuleitung  dienen,  während  der  andere  Theil 
der  Nervenfasern  das  Ganglion  durchzieht  und  der  Reiz- 
leitung dient.  Auf  die  Abgabe  der  Nährstoffe  für  die 
Nerven  sind  die  Epithelzellen  eingerichtet,  werden  sie  in 
der  Abgabe  dieser  Stoffe  gehindert,  dann  tritt  in  ihnen 
eine  Ernährungsstörung  ein.     In  diese  Lage   bringen  wir 


die  Epithelien  der  Hornhaut  nach  Durchschneidung  der 
zugehörigen  Nerven. 

Da  l)ei  der  Durchschneidung  des  Nerven  in  den 
Epithclzi'llcu  der  Hornliaut  einmal  Kernsubstanzen  ver- 
schwinden, an  anderen  Stellen  eine  Vermehrung  der  Kern- 
substanzen  in  Form  von  Kerntlieilinigstiguren  nnd  zahl- 
reichen neuen  Kernen  bemerkbar  wird,  so  ist  kein  Zweifel, 
dass  es  Kernsubstanz  ist,  welche  der  Nerv  von  den  Epi- 
thelien erhält,  und  es  ergiebt  sich  fernerhin,  dass  der 
Nerv  nach  der  Durchschneidung  diese  Kernsubstanzen  an 
der  einen  Stelle  nnt  einer  Beschleunigung  fortfuhrt,  dass 
die  betroffenen  Epithelzellcn  sie  gänzlich  verlieren,  an 
anderen  Stellen  der  Hornliaut  wird  dann  aber  gleichzeitig 
ihre  Fortfülirung  so  verlangsamt,  dass  sie  in  den  Zellen 
angestaut  wird  und  zur  Zelltheiiuiig  und -Vermehrung  führt. 

Nun  muss  man  sich  erinnern,  dass  die  Ganglienzellen 
als  Reservoire  defiiiirt  wurden,  in  denen  die  Stoffe,  welche 
die  Nerven  von  der  Peripherie  zuführen,  sieh  ansammeln 
und  deren  Fülluugsgrad  wieder  das  Gefalle  bestimmt, 
das  im  Nerven  stattfindet.  Beim  Durchschneiden  des 
Ganglion    trifft    man    nun    die    als  Reservoire    dienenden 


Ganglienzellen     und 


die    das    Ganglion     durchziehenden 


Nervenfasern.  Durch  das  Durchschneiden  der  Ganglien- 
zellen öffnet  man  die  Reservoire,  und  das  muss  in  allen 
zugehörigen  Fasern  ein  Nachlassen  der  Stauung  bewirken, 
was  ein  ungemein  schnelles  jVbfliessen  der  Kernsubstanzen 
aus  den  Fasern  und  den  zugehörigen  Epithelzellen  zur 
Folge  haben  wird.  Bleibt  in  diesen  Epithelzellen  von 
der  Kernsulistanz  nicht  einmal  so  viel  zurück,  dass  die 
Zellen  daraus  ihre  Ernährung  bestreiten  können,  so  werden 
sie  nekrotisch.  Anders  dagegen,  wenn  die  das  Ganglion 
durchziehenden  Nervenfasern  getroffen  werden,  in  diesen 
Nervenfasern  wandert  die  Kernsubstanz  langsam  von  Zelle 
zu  Zelle  und  durch  den  Schnitt  wird  die  Möglichkeit 
dieser  Weitergabe  unterbrochen,  dies  führt  zu  einer  Stauung 
des  Nährstoff'stromes  in  allen  Zellen  bis  in  die  Epithel- 
zellen, und  hier  wird  die  Stauung  am  stärksten.  Es 
müssen  also  den  durchschnittenen  Nervenfasern  die  Epithel- 
gebiete entsiirechen,  in  denen  eine  Zurückhaltung  der 
Kernsubstanz  und  damit  der  Anlass  zur  Kern-  und  Zell- 
vermehrung gegeben  ist.  Diese  Stauung  der  Nährstoffe 
setzt  sich  fort  durch  das  ganze  Stromgebiet  bis  in  das 
Kammerwasser  und  führt  hier  zu  Zellneubildungen  oder 
wenigstens  Anhäufung  von  Kernsubstanzen. 

Bleibt  nunmehr  noch  zu  untersuchen,  auf  welche  Weise 
nach  dem  Durchschneiden  des  Nervus  trigeminus  die  Aus- 
trocknung gewisser  Zellpartien  au  der  Oberfläche  der 
Hornhaut  zu  Stande  kommt.  Dies  hat  in  folgendem  seinen 
Grund.  An  der  ganzen  der  Luft  ausgesetzten  Oberfläche 
der  Hornhaut  findet  eine  permanente  AVasserverdunstung 
statt,  die  natürlicherweise  am  geringsten  ist,  wenn  die 
Augenlider  geschlossen  sind,  am  stärksten,  wenn  dieser 
Schutz  fehlt.  Nun  tritt  bei  der  Durchschneidung  des 
Nervus  trigeminus  eine  Lähmung  des  Lidsehlages  ein, 
das  Auge  bleibt  permanent  unbedeckt  und  die  Folge  da- 
von ist  eine  so  starke  Verdunstung  an  der  Hornhaut,  dass 
deren  durch  KernstoffVerlust  geschwächte  Zellen  den 
Wasserverlust  nicht  ersetzen  können  und  vertrocknen 
müssen.  Diese  Vertroeknung  kann  jedoch  verhindert 
werden,  wenn  man  vor  der  Nervendurchschneidung  das 
Auge    durch    Vernähen     der    Lider    gegen    A'erduustuns- 


schützt. 


Dr.  Tornier. 


Einen  Bericlit  über  die  1892  stattgehabten  ColiiiiilMis- 
Feierlichkeiten  in  Genna,  Hnelva  und  Madrid  liefert 
Prof.  Dr.  (J.  Hellniann  in  den  \'erhandlungen  der  (!e- 
sellsehaft  für  Erdkunde  zu  Berlin. 

Der  Zeit  nach  der  erste  war  der  Congress  in  Genua, 
welcher  auf  die  Tage  vom  18,  bis  25.  September  fiel. 


98 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift-; 


Nr.  10. 


Die  Societä  CTCogTafica  Italiana  iu  Rom  hatte  die 
Idee,  ihre  Theiinahme  an  den  lang  ausgedehnten  Festen 
in  r4enua  nicht  bloss  durch  eine  retrospective  Feier  zu 
Ehren  von  Columbus  zu  bethätigcn,  sondern  bei  dieser 
Gelegenheit  auch  eine  dauernde  Institution,  einen  italieni- 
schen Geographentag,  wie  wir  solchen  in  Deutschland 
bereits  seit  1881  liesitzen,  ins  Leben  zu  rufen. 

Verbunden  mit  diesem  Frimo  Congrcsso  (ieografico 
Italiano  war  eine  Gedächtnissfeier  für  Columbus,  eine 
Commemorazione  di  Cristoforo  Colombo. 

Von  dem  Inhalt  der  Begrüssungs-  und  anderen  Reden 
erwähnen  wir  nur  Folgendes.  Die  Glückwünsche  der 
Gesellschaft  für  Erdkunde  zu  Berlin  überbrachte  Professor 
Hellmaun.  Er  erinnerte  daran,  wie  sich  die  Italiener 
gerade  in  diesen  Tagen  nicht  bloss  des  Columbus,  als 
ihres  Landsmannes,  rühmen  dürften,  sondern  noch  vieler 
anderer  ausgezeichneter  Männer,  welche  das  A\'crk  des 
Columbus  entweder  vorbereiteten  oder  vervollständigten,' 
vor  allen  jenes  edlen  Florentiners  Toscanelli,  der  durch 
seine  Karten  den  entscheidendsten  Einiluss  auf  die  Fro- 
jecte  des  Columbus  ausgeübt  hat,  und  jenes  anderen 
Florentiners  Amerigo  Vespucci,  dessen  Fahrten  so  viele 
neue  Gebiete  uns  erschlossen  haben,  und  von  dessen  Vor- 
namen einer  imserer  Laudsleute,  Waldseemüller,  zuerst 
deu: Namen  der  neuen  AVeit  herleitete:  Amerika.  Deutsch- 
land sei  damals  freilich  noch  nicht  in  der  Lage  gewesen, 
an  den  maritimen  Entdeckungen  der  Mittelmeervölker 
Theil  zu  nehmen;  aber  es  wäre  ihm  doch  wenigstens  ver- 
gönnt  gewesen,  diese  vorbereiten  zu  helfen  durch  die 
grossen  Fortschritte  in  den  kosmographischen  Wissen- 
schaften, welche  in  Deutschland  damals  gemacht  wurden. 
H.  erinnerte  an  Johann  Jlüller  von  Königsberg  (Regio- 
montanus),  einen  der  Reformaturen  der  Astronomie,  dessen 
Declinationstafeln  Coluudjus  auf  seinen  Fahrten  gebraucht 
hat,  und  an  Martin  Behaim,  welcher  den  portugiesischen 
Seeleuten,  und  somit  indirect  auch  Columbus,  der  damals 
in  Lissabon  lebte,  den  (iebrauch  verschiedener  neuer 
.nautisch -astronomischer  Instrumente  gelehrt  hat.  Aber 
freilich,  diese  Verdienste  seien  doch  nur  klein  im  Ver- 
gleich zu  denen  der  Italiener  in  dieser  Beziehung. 

Der  am  Congress  theilnehmende  Prinz  von  Monaco 

^niachte  Mittheilung  über  die  Ergebnisse  seiner  langjährigen 

oceanographischen  ."Studien  in  der  Atlantik,  welche  er  auf 

seiner  speciell  für  solche  Zwecke  erbauten  Yacht  „Alice" 


ausgeführt  hat. 


Der  Prinz  hat  sich  nämhch  die  Aufgabe 


gestellt,  die  Strömungen  im  Atlantischen  Ocean  zu  er- 
forschen und  bedient  sich  dazu  eigens  construirter  Schwim- 
mer (flottem-s),  von  denen  er  im  Laufe  der  Jahre  viele 
Tausende  in  ganz  systematischer  Weise  ausgeworfen  hat. 
Diese  Schwinnner  werden  von  den  Meeresströnumgen  fort- 
getragen und  nach  oft  sehr  langen  Reisen  schliesslich 
irgendwo  ans  Land  geschwemmt.  Aus  solchen  Funden, 
von  welchen  der  Prinz  Mitthcilüng  bekommt,  ist  er  im 
Staude  gewesen,  eine  neue  Karte  der  Strömungen  zu  ent^ 
werfen,  welche  manche  Neuerungen  und  manche  Ver: 
,  besserungen  unserer  bisherigen  Auffassung  dieser  Verhält- 
nisse enthält. 

In  der  Gedächtnissfeier  für  Columbus  hielt  den  Haupt- 
vortrag  Herr  Professor  Dalla  Vedova,  welcher  die  vor- 
trefflichen Eigenschaften  und  Vorzüge  des  Entdeckers  ins 
rechte  Licht  zu  setzen  wusste,  aber  auch  seine  Schwächen 
nicht  verschwieg. 

Verbunden  mit  dem  Congress  in  Genua  war  eine  um- 
fassende geographische  Fachausstellung,  welche  sehr 
beachtenswerthes  bot  und  auch  ihrerseits  bewies,  welch 
grosse  Fortschritte  die  Geographie  in  Italien  gemacht  hat. 
Der  Vergleich  dieser  Ausstellung  mit  der  gelegentlich  des 
Internationalen  Geographischen  Congresses  zu  Venedig  im 
Jahre  1881  veranstalteten  bewies  dies  aufs  deutlichste. 


Dagegen  war  die  gleichzeitig  stattfindende  Espo- 
sizione  italo-americana  nichts  weiter  als  eine  nord- 
italienische Gewerbe-Ausstellung,  in  der  namentlich  Amerika 
sehr  zurücktrat,  während  die  Specialausstellung  der  ita- 
lienischen katholisciien  Missionen  sehr  viel  Interessantes 
darbot,  nanientlich  in  ethndgraphiselier  Bezicliun.i;'. 

Der  Internationale  Amerikanisten  -  Congress 
in  Huelva  begann  erst  am  7.  October.  Die  nächste  Um- 
gebung dieser  Stadt  ist  für  Amerikanisten  ein  wahrhaft 
klassischer  Boden. 

Wenn  man  im  Hafen  von  Huelva  steht  und  den  Blick 
nach  Süden,  nach  dem  Oceau  richtet,  da  winkt  von  links, 
von  steiler  Uferhöhe  herttl)er  das  einsame  Kloster  Santa 
Maria  de  la  Rabida,  in  dem  Columbus  und  sein  Sohn 
einst  liebevolle  Aufnahme  bei  Franziskauermönchen  fanden, 
und  etwas  weiter  nach  links  erblickt  man  einige  Häuser 
des  Dorfes  Pälos,  vor  40U  Jahren  noch  ein  bedeutender 
Hafen ,  von  dem  aus  Columbus  am  3.  August  1492  seine 
erste  Reise  antrat. 

Bis  vor  Jahresfrist  lag  das  Kloster  halb  verfallen,  die 
ganze,  an  sich  so  reizende  Umgebung  verwildert  da.  Dem 
Ehrenpräsidenten  des  Congresses,  dem  Ministerpräsidenten 
Cänovas  del  Castillo,  verdanken  wir  die  Wiederherstellung 
und  Verschönerung  dieser  ewig  denkwürdigen  Stätte.  Auf 
sein  Geheiss  hat  man  das  Kloster  selbst  restaurirt,  in 
dessen  Umgebung  eine  prachtvolle  Parkanlage  geschaffen, 
bequeme  Wege  und  eine  grosse  Landungsbrücke  gebaut, 
die  Sti-asse  nach  dem  :3  km  flussaufwärts  gelegenen  Pdlos 
verbessert,  und  auf  diese  Weise  aus  diesem  schönen 
Flecken  Erde  ein  wirkliches  Nationalheiligthum  geschaffen. 

Bei  Gelegenheit  der  UebciTcichung  der  Festschrift 
der  Gesellschaft  für  Erdkunde  zu  Berlin  konnte  es,  sagt 
Hellmann,  „nicht  schwerfallen,  einige  Worte  des  Lobes 
und  aufrichtigster  Anerkennung  liinzuzufügeU.  Denn  wenn 
auch  Columbus  von  Geburt  Italiener  war,  so  kann  doch 
Spanien  das  Hauptverdienst  an  der  Entdeckung  Amerikas 
für  sich  in  Anspruch  nehmen.  Hätte  Isabel  La  Catölica  die 
kühnen  Projecte  des  Genuesen  nicht  beaclitet,  hätte  Castilien 
nicht  die  materiellen  Mittel  zur  Ausführung  dieser  Projecte 
liergegeljcn,  hätten  die  Pinzoncs  sowie  die  ganze  Scliift'er- 
bevölkerung  von  Palos  und  Moguer  nicht  so  mutliig  Hilfe 
geleistet,  wer  weiss,  wieviel  später  erst  die  Ideen  .des 
Columbus  verwirklicht  worden  wären.   '     '  ' 

Spanien  hat  aber  noch  einen  anderen  Ruhmestitel 
gerade  mit  Bezug  auf  die  Entdeckung  der  Neuen  Welt 
aufzuweisen.  Mit  der  Eroberun.g  Granadas  am  2.  Januar 
1492,  mit  der  Vertreibung  der  Maureu  aus  Spanien,  hatte 
es  AVesteuropa  für  immer  vom  Joch  des  Islam  befreit. 
Die  dadurch  bewirkte  uud  so  schwer  erkaufte  Einigung 
Spaniens  war  die  nothwendige  Vorbedingung  gewesen 
zur  Inangriffnahme  von  Projecteu,  auf  welche  sich  vor- 
her weder  Castilien  noch  Leon  jemals  hätte  einlassen 
können." 

Von  den  Vorträgen  greifen  wir  auch  hier  nur  weniges 
heraus. 

Neu  und  sehr  interessant  wai'cn  die  Untersuchungen 
von  Dclgado,  Archivdirectors  iu  Sevilla,  über  die  Be- 
mannung und  die  Ausrüstung  der  drei  Caravelen,  mit 
denen  Columbus  die  erste  Reise  anachte. 

Im  Hafen  von  Huelva  lagen  möglichst  getreue  Nach- 
bildungen dieser  drei  Schiffe  vor  Anker.  Sie  werden  auf 
der  Weltausstellung  in  Chicago  paradiren.  Unweit  der 
Caravelen  lag  das  winzig  kleine  Segelboot,  eine  Art  von 
„Seelenverkäufer",  auf  dem  der  Amerikaner  Andrews  die 
tollkühne  Fahrt  von  Nordamerika  nach  Huelva  glücklich 
vollführt  hatte.  ■  Ob  Herr  Andrews  diese  waghalsige  Reise 
atis  blossem  Enthusiasmus  für  Columbus  und  die  Centenar- 
feier  gemacht  hat,  oder  um  die  nordamerikanische  Seife, 


Nr.   10. 


N;itur\vi!ssciis<'li;irtlii'lie   WocliensdinTt. 


<.)'.i 


«elclif  dcusclhen  Namen    trägl    wie    sein  Boot  .Sa|i(iliiiii, 
bekannter  zu  machen? 

llellmann  lieferte  einen  lieitrai;'  zur  Entdeekungs- 
geschichte. 

Columbus  tiilüte  auf  seinen  IJei.sen  ein  Tai;cbueii, 
von  dem  uns  wenigstens  ein  Auszug,  gefertigt  vom  Fray 
Bartolome  de  las  Casas,  erhalten  ist.  In  diesem  Tage- 
bueh  tindet  sich  unter  dem  13.  September  1492  eine  Be- 
obachtung über  das  ^'erhaltcn  des  Compasses  eingetragen, 
welche  für  die  CTemchicIite  der  physischen  Geographie  von 
höchster  Bedeutung  ist.  Bis  dahin  hatte  man  angenommen, 
dass  die  ^lagnetnadel  an  allen  Orten  und  zu  allen  Zeiten 
unverändert  nach  Norden  zeige.  Ccdumhus  beobachtete 
an  jenem  Tage  zuerst  eine  Declination  oder  Variation  der 
Magnetnadel.  Nun  hat  es  nie  an  Gelehrten  gefehlt,  welche 
die  Eciitheit  dieses  Tagebuches  —  ebenso  wie  diejenige 
der  sogenannten  „^'ida  de  Colon",  geschrieben  von  seinem 
Sohne  Ferdinand  —  angezweifelt  haben.  Damit  würde 
Columbus  der  Ruinn  dieser  wichtigen  Entdeckung  streitig 
gemacht  sein.  H.  konnte  aber  einen  Beweis  für  die  Richtig- 
keit der  Beobachtung  des  Columbus  und  damit  für  die 
Echtlicit  seines  Tagebuches  bringen.  Aus  einer  neuen, 
rein  mathematischen  Theorie  des  Erdmagnetismus,  welche 
ein  in  England  lel)ender  Deutscher,  Namens  Wilde,  auf- 
gestellt und  experimentell  gestützt  hat,  Hess  sieh  unter 
gewissen  plausiblen  Annahmen  der  Zustand  der  Isogonen, 
d.  h.  der  Linien  gleicher  Declination,  rückwärts  für  den 
Septendier  des  Jahres  14ü2  berechnen,  und  da  zeigte  sieli, 
dass  die  Null-Isogone,  also  die  Linie  ohne  magnetische 
Declination,  ungefäiir  gerade  da  verlief,  wo  Columbus  sie 
passirt  und  beobaclitet  luxt. 

Am  12.  October,  also  an  dem  Tage,  an  welchem 
Columbus  vor  400  Jahren  zuerst  Land  betrat,  fuhren  die 
Congress- Mitglieder  nach  der  Räbida,  um  im  Beisein  der 
königlichen  Familie,  der  Minister,  Diplomaten,  fremden 
Seeofticiere  u.  s.  w.  der  feierlichen  Enthüllung  des  Denk- 
mals beizuwohnen,  welches  die  spanische  Regierung  zur 
Erinnerung  an  die  Entdeckung  Ameiikas  mit  einem  Kosten- 
aufwand von  300  000  Mark  hat  errichten  lassen.  Das 
Denkmal,  dessen  Entwurf  vom  Architekten  Veläsquez  her- 
rührt, ist  symbolischer  Natur.  Auf  mächtigem  (4ranit- 
sockel  erhebt  sieh  eine  mehr  als  60  m  hohe,  mit  Schitts- 
schnäbeln  (rostra)  verzierte  Säule,  welche  einen  riesigen 
Globus  mit  der  Inschrift  ,,Isabel  La  Catolica  —  Cristobal 
Colon",  und  auf  diesem  ein  Kreuz  trägt.  Weithin  ist 
dieses  Monument  siclitbar,  und  fortan  wird  es  allen  auf 
dem  Ocean  vorbeifahrenden  Schiften  ein  gar  bedeutungs- 
volles Wahrzeichen  sein. 

^VJn  Huelva  gingen  die  meisten  Congressisten  nach 
Madrid,  um  die  beiden  grossen  Ausstellungen  zu  be- 
suchen, welche  eine  wichtige  Ergänzung  zum  Congress 
bildeten.  Dieselben  sollten  den  Culturzustand  Amerikas  und 
Europas  im  Zeitalter  der  Entdeckungen  widerspiegeln. 
Beide  Ausstellungen  waren  ausserordentlich  reich  bescliickt 
und  in  einem  riesigen  und  prachtvollen  Neultau,  welcher 
für  die  Bibliothek  und  die  naturwissenschaftlichen  Jluseen 
bestinnnt  ist,  zweckmässig  untergebracht.  Der  historisch- 
amerikanischen  Ausstellung  ähnelt  naturgemäss  der  ameri- 
kanische Saal  im  Berliner  Museum  für  Völkerkunde, 
während  man  in  der  historisch-europäischen  sich  in  unser 
Kunstgewerbe -Museum  versetzt  zu  sein  glaubte;  nur  war 
der  Umfang  der  Ausstellungen  sehr  viel  grfisser. 

An  geistigen  Anregungen  der  verschiedensten  Art 
und  an  wissenschaftliclien  Erfolgen  hat  es  also  auf  diesen 
Congressen  und  Ausstellungen  nicht  gefehlt. 


Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben. 

Es  wuriliii  riiiiuiiil :  Zciici  I'rof<^ssür  diT  tiipographisclii'ii 
Anatomie  au  der  Univei'sitiit  Strassburg  dor  ausserordentliche 
Professor  Dr.  l'f'itzner  an  Stell."  des  verstorbenen  Prof.  Jocssel. 
—  Der  Custoa  an  der  Königliehon  lTniversitiit.«-f5ibliothek  und 
Privat-Docent  an  der  Üniversitilt  l'r.  Kduard  Alberti  in  Kiel 
zum  Professor.  —  Bei  der  Königliclien  Bibliothek  in  Berlin  der 
bisherige  Assistent  Dr.  med.  Wilhelm  .Jahr  zum  Ililfscustos 
mit  dem  Titel  Custos.  —  Dr.  Wilhelm  D  roxi  er  von  der  Ber- 
liner Universitäts-Bililiothek  zum  Assistenten  bei  der  l'niversitäts- 
Bibliothek  in  Halle.  —  Geh.  Ilofrath  Dr.  Sehmidt  zum  Vorstand 
der  chemisehen  Ahtheihing  an  der  technisehen  Abtheihmg  in 
Dresden.  —  Oberförster.  Dr.  Martin  in  .Jesberg  zum  Dooc'nten  der 
Foi-stwissenschaft  an  der  Universität  Giessen.  —  Der  Scriptor  an 
der  Universitiits-lübliothek  zu  Leniberg  Dr.  Friedrich  Papeo 
zum  Custos.  — I  Dr.  Zdislaus  Hordyiiski  und  Dr.  B.  v.  Män- 
kowski  zu  Scriptoren  an  der  [Iniversitäts-Bihliothok  zu  Leni- 
berg. —  Koloman  Kerpely  zum  Professor  des  Pflauzenhanes 
an  der  Königl.  Ungarischen  latulwirthsehaftlichen  Lehranstalt  in 
Debreczin.  —  Der  ausserordentlichi^  Prof.  .los.  M.  Pornter  zum 
ordentlichen  Professor  der  kosmischen  Physik  an  der  Universität 
Innsbruck.  —  Der  I'rivatdoeent  der  Botanik  an  der  Universität 
Berlin  Dr.  Krabbe  zum  Königl.  Professor. 

Der  Professor  der  pathologischen  Anatomie  an  der  Universi- 
tät Dorpat   Prof.   Thoma   ist  um  seinen  Abschied  eingekouunen. 

Es  hat  sich  habilitirt :  Der  Zoologe  Prof  Otto  H.imann, 
bisher  Privatdoceut  an  der  Universität  Göttingen,  an  der  Uni- 
versität Berlin. 

Es  sind  gestorben:  Der  schon  vor  niehreren.Jahreu  krankheits- 
halber pensionirte  Kgl  Preuss.  Landesgeologe  Dr.  Ernst  Laufer 
in  Eisenach.  —  In  Upsala  der  ausserordentliche  Professor  der 
Pharmakologie  und  medicinischeu  Naturgeschichte  an  der  dortigen 
Universität  Dr.  Robert  Fredrik  Fristedt.  —  In  Rostock  der 
bekannte  Pharmacent  Senator  und  Besitzer  der  Universitäts- 
Apotheke  L'r.  ( Christian  Br  u  nnen  gräber.  —  Der  Astronom 
G.  M.  A\'liipple  vom  Observatorium  zu  Kew.  —  Der  Königl. 
Prenssische  Landesgeologe  Prof.  Dr.  Karl  Lossen  in  Berlin.  — 
Der  ordentliche  Professor  der  Botanik  an  der  Universität  Breslau 
und  Director  des  Königl.  botanischen  Gartens  Dr.  Karl  Prantl. 


Die  15.  öffentliche  Versammlung  der  balneologischen 
Gesellschaft  tagt  in  der  Zeit  vom  10. — 14.  März  in  Berlin.  — 
Vorsitzender:  Geheimrath  Liebreich. 


L  i  1 1  e  r  a  t  u  r. 

Lacroix  -  Danliard,     Le    Poil    des    animaux    et    les    fourrures, 

histoire  naturelle   et  Industrie.     Avec  oO  tigures.     (Bibliotl]e(|iie 
lies  Connaissances  utiles.)  Librairio  ,1.-B.  Bailiiere  et  Fils  a  Paris 
1892.  —  Preis  4  Fr. 
Das  Buch  bildet  ein  Gegenstück  zu  dem  in  dersellien  Bililio- 
thek  erschienenen    und    in   der   „N.  W  "  VII  S.  20    bosprocheuen 
Werk    ebenfalls    von  Lacroix-Danliard,    „La    plume   des  oiseaux." 
Zunächst  wird  der  Bau    und    die  Färbung   der  Th'erhaare   unter- 
sucht   und    dann    i<ine  systematische  P>etraclitung  derselben   nach 
ihrer  Herkunft  und  ihrer  Verwerthuiig  gebracht.     Abgesehen  von 
dieser  den  Praktiker  (also  den  Fabrikanten)  interessirenden  Seite 
„wird  auch  über  die  die   verwerthbaren  Haare  liefernden  Thiere, 
ihre  Lebensweise  uml  Jagd  das  Nöthige  beigebracht.     Der  Händler 
findet    Angaben    über    die    Hauptmärkte,    Preise    n.  s.  w.     Auch 
eine  Besprechung  der  Schädlinge  der  Haare  und  ihrer  Bekämpfung 
sowohl  amRoh])roducte  als  auch  an  den  fertigen  Artikeln  f(ddt  nicht. 


P.  Groth.  tlebersichtstabelle  der  32  Abtheilungeu  der  Krystall- 
formen,  mit  Erläutervingen,  Beispielen  und  graphischer  Dar- 
stellung nach  Gadolin  zusammengestellt.     Leij^zig,    Wilhelm 

Engelmann.     ISÜL'.   —   Preis   1.   M. 

Es  ist  von  Wertli,  in  übersichtlicher  Weise  einmal  die  sämmt- 
liclien  Abtheilungen  nebeneinandergestellt  zu  sehen,  in  denen  natür- 
liche Krystallformen  überhaupt  möglich  sind.  In  der  V(ndiegenden 
Tabelle  ist  eine  solche  Aufstellung  unter  Anführung  der  Symme- 
trie-Elemente, die  ihnen  zu  Grumle  liegen,  gegeben.  Man  ersieht 
daraus  leicht,  wie  sich  jene  32  Abtheihingen  auf  die  sechs  be- 
kannten Krystallsysteme  vertheilen.  Auf  das  trikline  Krvstall- 
system  entfallen  2,  auf  das  monocliue  3,  auf  das  rhombische  3, 
auf  das  tetragonah'  7,  auf  ilas  hexagonale  12,  auf  das  reguläre  5 
Abtlieilungen.  Eine  Miller'sche  Kugelprojection  der  allgemeinsten 
Krystallgcstalt  jeder  Abtheilung  veranscliaulicht  die  Vorliältuisse 
und  zugli'ich  sind  bei  denjeuigmi  Abtheilungen  Beispiele  von  Sub- 
stanzen angeführt,  wo  solche  bis  jetzt  in  entsprechender  kryst.-illo- 
gi-aphischer  Ausbildung  bekannt  geworden  sind.  Bei  ö  Abtliei- 
lungen giebt  die  Tabelle  an,  dasa  zugehörige  Beispiele  noch  nicht 
bekannt  seien.    Ich  füge  hinzu,  dass  inzwischen  für  die  hemimorph- 


100 


Naturmsseiiseliaftliclie  Wocliciischvift. 


Nr.  10. 


liiiiiiiilrische  Abtlieilung  mit  sechszähliger  Hauptaxe  des  hexa- 
gonalen  Systems  im  rechtsweinsauren  Antimonoxyd-Strontium  und 
rechtsweinsaureu  Antimonoxyd-Bloi  und  für  die  hemimorph-heniie- 
drischo  Abtheilung  des  tetragonalen  Systems  im  rechtsweinsauren 
Antimonoxyd-Baryum  Beispiele  aufgefunden  worden  sind  {vgl. 
Traube,  Beilageband  VIII  des  Neuen  Jahrbuches  für  Mineralogie 
u.  s.  w).  Scheibe. 

Bulletin  de  l'Academie  Royale  des  Sciences  et  des  Beaux- 
Arts  de  Belgique  Brüssel  1892.  —  Nummer  11  {62.  Jahrgang). 
E.  Dupont:  lieber  Skelettreste  im  königl.  naturhistorischen  Mu- 
seum (Reconstruction  von  Carcharadon  megalodon;  Erwerbungen 
aus  den  Kreide-Phosphaten  von  Ciply;  Mosasaurier,  Chelonier,  Te- 
leostier  etc.).  F.  Swarts:  Untersuchungen  über  das  Fluochloro- 
form.  A.  van  Gebuchten.  Der  Ursprung  des  Nervus  oculo- 
motorius  communis.  Die  Untersuchungen  erstrecken  sich  beson- 
ders auf  das  Verhältniss  der  Nervenfiiden  zu  den  Ausgangszellen 
und  sind  mit  bestem  Erfolge  an  einem  14  Tage  alten  Kanarien- 
Embryo  angestellt  worden.  E.  Lagrange  et  P.  Poho:  Licht- 
und  Wärmeerscheinuugen,  hervorgerufen  durch  den  elektriischen 
Strom  in  Flüssigkeiten.  Const.  de  Sain  t-H  il  aire:  Ueber  die 
Resorption  beim  Krebse.  Untersuchungen  im  physiologischen  In- 
stitut der  Universität  Lüttich. 


Jahrbücher    für  wissenschaftliche  Botanik,    herausgegeben 
von    N.   Pringsheim,  24.   Band,    Heft  3  und  4,    Berlin  1892.  — 
Heft  o:  Bart  hold  Hansteen:  Studien  zur  Anatomie  und  Phy- 
siologie  der   Fucoideen.     Besprochen  werden  Pelvetia    canalieula, 
{Dcsne)  Thuret,  welche  an  der  Westküste  Norwegens  ausgedehnte 
Algenformationen  an  der  obersten  Flutgrenze  bildet  (hauptsächlich 
die    Gewebesystemo    in     anatomisch-i)hysiologischer    Beziehung); 
in    gleicher    Weise    Sargassum    bacciferum,    I.   Ag.,    und  IFueus 
serratus,    L    (besonders  die  in  den  Zellen  constant   auftretenden, 
lichtbrechenden,  kugeligen  Gebilde,  welche  VerfiFucosan  nennt  und 
für    ein   neues  Kohlenhydrat    der   Gruppe  (CoHioOs)  n  anspricht). 
Hierzu  4  Tafeln.  —  Franz  Buchenau:  Ueber  die  Bestäubungs- 
verhiiltnisse  bei  den  Juncaceen.     Allgemeiner  Ueberblick  über  die 
Vorgänge    während    der    Geschlechtsreife    und     die    Verhältnisse, 
unter    denen    die    Befruchtung    geschieht.     Tabelle    der    bei    den 
Juncaceen    vorkommenden    Bestäubungsverhältnisse.      Anführung 
zahlreicher  Beobachtungen  an  einer  Menge  von  europäischen  und 
fremdländischen  Arten  der  Gattungen  Juncus  und  Luzula,  ferner 
Distichia,  Marsippospermum  etc.    Bau    des  Pistills   und  besonders 
der  Narben    der   Juncaceen.     Farben    der    Narben    einer    Anzahl 
Juncus-  und  Luzula-Arten).     2  Tafeln.  —  Julins  Klein:   Unter- 
suchungen   über    Bildungsabweichungen   an    Blättern.      Verfasser 
tritt  der  Frage  über   die  Entstehung  dieser  Bildungen  näher,    in- 
dem   er    mikroskopische   Untersuchungen    an    Querschnitten    von 
Blattstielen  anstellt,   welche   derartige  Blätter  tragen,  was  bisher 
noch  nicht  geschehen  ist.     Seine  Untersuchungen  erstrecken  sich 
auf  Bildungsabweichungen   an  quirlständigen   {hierunter  auch  die 
üpponirten)  Blättern  (Nerium,  (Meander,  Syringa  vulgaris  etc.  etc.) 
und  an   spiralig  stehenden  (Morus,    Ficus   australis,    Pyrus   amyg- 
daliformis  etc.).    Ferner  hat  er  einzelne  Bildungsabweichungen  an 
Blättern   von  Populus   alba,   Pulmonaria  offioinalis,  Plantago  lan- 
tcolata   u.  a.  m.    untersucht.     Er  kommt  zu    dem  Resultate,    dass 
solche  abweichende  Blätter   an   einem  Blattstiele   entweder  wirk- 
liche Doppelblätter    (dann    zwei  Mittelnerven    und  doppelte  oder 
doch  vermehrte  Zahl  von  Gefässbündeln),   oder  nur  in  zwei  oder 
mehr   Spitzen    endigende  Blätter    sind    (dann   nur    ein  Mittelnerv 
und   die    für   ein   Blatt    erforderliche  Zahl  Gefässbündel).     Hierzu 
(j  Tafeln.   —   Heft  4   ist  Schlusshoft   des  Bandes,   enthält   das  In- 
haltsverzeichnis   und    an    Arbeiten:    1)    J.  H.    Wakker:    Unter- 
suchungen  über   den  Einfluss    parasitischer  Pilze    auf   ihre  Nähr- 
))flanzen    (Versuch  einer  pathologischen  Anatomie    der  Pflanzen). 
Verfasser  hat  die  bisher  wenig  berücksichtigten,  durch  den  Para- 
siten im  Innern  seines  Wirtes  hervorgerufenen  anatomischen  Ver- 
änderungen zum  Gegenstand  eingehender  Untersuchungen  gemacht 
und  führt   eine  Anzahl  Fälle   in    der  Aufeinanderfolge   der  natür- 
lichen Verwandtschaft  der  Pilze  auf.   Hierzu  5  Tafeln.  —  2)  G.  de 
Lagerheim:    Dipodascus     albidus,     eine    neue     geschlechtliche 
Hemiascee.     Die   Art    gehört   zu    den    Zwischenformen    zwischen 
Phycomyceten    und    den  aus   diesen  angebli<-h   hervorgegangenen 


Ascomyceten  und  und  zeigt  noch  die  an  die  ersteren  erinnernde 
Geschl'echtlichkeit,  welche  bei  den  meisten  anderen  Hemiasceen 
nicht  bekannt  ist.  Ausser  der  genauen  Beschreibung  der  (neuen) 
Gattung  und  Art,  stellt  der  Verfasser  möglichst  eingehend  die 
Entwicklungsgeschichte  und  Morphologie  der  Form  dar.  3  Tafeln. 
F.  K. 

Archiv  der  Kathematik  und  Physik  mit  besonderer  Rück- 
sieht auf  die  Bedürfnisse  der  Lehrer  an  höheren  ITnterrichtsan- 
stalten.  Gegründet  von  J.  A.  Grunert,  fortgesetzt  von  R.  Hoppe. 
Zweite  Reihe,  elfter  Theil  (Koch's  Verlagsbuchhandlung;  Leipzig 
1892).  —  An  grosseren  Aufsätzen,  die  in  dem  genannten  Bande 
enthalten  sind,  können  wir  folgende  anführen:  Leib,  neue  Con- 
struction  der  Perspective;  Regel,  die  Nullwerthe  höherer  Ab- 
leitungen gewisser  zusammengesetzter  Functionen;  Regel,  arith- 
metische Entwickelungen;  Hoppe,  das  Tetraeder  bezogen  auf 
seine  Hauptträgheitsaxeu;  Schlegel,  die  allgemeinen  Grund- 
lagen zweier  Probleme  aus  der  Unterhaltungs- Arithmetik;  (Vgl. 
hierzu  auch:  Gutzmer,  Naturw.  Wochenschr.  Bd.  VII  S.  2.51); 
Hoppe,  Curven  von  constanter  Krümmung,  Torsion,  Total- 
krünnnung  und  Krümmungsverhältniss;  Bazala,  neue  Bcleuch- 
tungs-Constructionen  für  Flächen,  deren  zu  einer  Axe  normale 
Schnitte  ähnlieh  und  ähnlich  liegend  sind,  im  Allgemeinen  und 
für  Flächen  II.  Grades  im  besonderen;  (jekinghaus,  zur  Theorie 
der  elliptischen  und  hyperelliptischen  Integrale;  Reich,  zurTheoric 
der  quadratischen  Roste  ;  Hoppe,  Curve  gegebener  Kriimuuing  auf 
gegebener  Fläche;  Reich,  über  Variationen  und  Combinationen 
zu  bestimmten  Suunnen;  Laab,  Lösung  des  Problems  über  den 
Schnitt  von  Curven  zweiter  Ordnung;  Holtze,  einige  Aufgaben 
aus  der  Combinatorik  ;  Hoppe,  die  Willensfreiheit  und  der  |)hy- 
sische  Determinismus;  Hoppe,  Construct.ion  einer  liegeliläche 
aus  gegebener  Strictionslinie;  Kühne,  Beiträge  zur  Lehre  von 
der  n-fachen  Mannigfaltigkeit  (u.  a.  werthvolle  Mittheiluugen  aus 
Kronecker's  Vorlesungen  über  Determinantentheorie  enthaltend); 
Panzerbieter,  Dreitheilung  jedes  Winkels  mittelst  fester 
Kegelschnitte;  Rogel,  über  die  Reihe  der  reciprokeu  Binomial- 
Coefficienten. 


Fischer,  W.,    Uebersicht    der   von    Herrn    Dr.  F.  Stuhlmann   au 

Sansibar    und    an    der    gegenüberliegenden    Festland.sküste    ge 

sammelten  Gephyreen.  Hamburg.  1  M. 
Frech,  F.,  Die  Karnischen  Alpen.  Halle. 
Oerstaecker,   A.,    Bestimmung  der   von    Herrn  Dr.  F.  Stuhlmann 

in  Ostafrika  gesammelten  Hemiptera.     Hamburg.     1   M. 
Qöhre,  R.,  Dottersack  und  Placenta  d.  Kalong  (Pteropus  edulis, 

L.).     Wiesbaden.     2  M. 
Grobben,  C,   Beiträge  zur  Kenntniss  des  Baues   von  Cuspidaria 

(Neaera)  cuspidata  olivi,  nebst  Betrachtungen  über  das  System 

der  Lamellibranchiaten.     Wien.     9  M. 
Halaväts,  I.,   Palaeontologische  Daten   zur  Kenntniss  der  Fauna 

der   südungarischen   Neogen-Ablagerungen.     Budapest.     1,20  M. 
Halliburton,  W.  D.,   Lehrbuch   der  chemischen  Phj'siologie   und 

Pathologie.     Heidelberg  20  M. 
Jäger,  G.,  Ueber   die  Aenderung   der  Capillaritätsconstanten   des 

yuecksilbers  mit  der  Temperatur.     Leipzig.     0,40  M. 
— ,— ,  zur  Theorie  der  Flüssigkeiten.     Ebd.     0,40  M. 
Ihering,  H.  v..    Zur   Kenntniss   der   Saooglossen.     Leipzig.     4  M. 
Katalog  luathematischer  und  mathematisch-physikalischer  Modelle. 

München.     14  M. 
Klein,  H.  J.,  Führer  am  Sternenhimmel  für  Freunde  astronomischer 

Beobachtungen.     Leipzig.     9  M. 
Klemencic,   J.,   u.   P.   Czermak,    Versuche   über    die    Interferenz 

ilektrischer  Wi'llen  in  der  Luft.     Leipzig.     1,10  M. 
Knies,  M.,   Grundriss   der  Augenheilkunde   unter   besonderer  Be- 
rücksichtigung   der  Bedürfnisse    der    Studircnden    und    Aerzte. 

3.  AuH.     Wiesbaden.     6  M. 
Krümmel,  O.,  Reisebeschreibung  der  Plankton-Expedition.    Kiel. 

30  M. 


Berichtigung. 


Auf  S.  85  Spalte  2  Zeile  2  muss  es  praktischen  anstatt  ark- 
tischen heissen. 


llllinit:  Prof.  Dr.  A.  Nehring:  Ueber  die  Tundren-,  Steppen-  und  Waldfauna  aus  der  Grotte  „zum  Schweizerbild''  hei  Schatf- 
hausen.  —  Oberförster  R.  Rittmeyer:  Ueber  die  Nonne  (Liparis  monancha.)  (Fortsetzung.)  (Mit  Abbild.)  —  Heilmittel  der 
Malaria.  —  Untersuchungen  über  den  Einfluss  des  Nervus  trigeminus  auf  die  Hornhaut  des  Auges.  —  Bericht  über  die  1892 
stattgehabten  Columbus- Feierlichkeiten  in  Genua,  Huelva  und  Madrid.  —  Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben.  —  Litteratur: 
Lacroix-Danliard:  Le  poil  des  animaux  et  les  fourrures.  —  P.  Groth:  Uebersichtstabelle  der  o2  Abtheilungon  der  Kry.stall- 
formen,  mit  Erläuterungen,  Beispielen  und  graphischer  Darstellung  nach  Gadolin  zusammengestellt.  —  Bulletin  de  TAcadeuiie 
Rovale  des  Sciences  et  des  Beaux-Arts  de  Belgique.  —  Jahrbücher  für  wissenschaftliche  Botanik.  —  Archiv  der  Mathematik 
unil  Physik.  —  Liste.  —  Berichtigung.  

Verantwortlicher  Redakteur:  Dr.  Henry  Potonie,  Berlin  N.  4.,  Invalidenstr.  40/41,  für  den  Inseratentheil:  Hugo  Bernstein  in  Berlin.  — 
Verlag:  Ferd.  Dünimlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12.  —  Druck:  G.  Bernstein,  Berlin  SW.  12. 


Nr.  10. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


XIX 


♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ 

♦  Dr.  Robert  Muencke  * 


♦  Luiseiistr.  58.       BERLIN  NW.       Luiseustr.  5S.     ♦ 

♦  ♦ 

♦  Technisches  Institut  für  Anfertigung  wissenscliaftlicher  Appaiaie  ♦ 
T  und  Genlthschaften  im  Gesammtgebiete  der  Naturwissenschaften.  J 
♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ 


HuUddCUChCU,    Sönigl.   $reuf;    eilDcnte   ©taatSmcbaifle. 

3entncr  18,50  Wd.  %xohi  5  kg  puftfrct  -.',80  3Jit. 

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die  Zeit  noch  die  Neigung  haben, 
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^--  Redaktion:  7         Dr.  H.  Potonie. 

Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12,  Zimmerstr.  94. 


Vlll.  Band.                  Sonntag,  den  l±  März  18JI3. 

Nr.  11. 

AbonnemGnt:  Man  aboniiirt  bei  allen  Buchhandhingen  und  Post-             v             Inserate:  Die  vici-gespaltene  Petitzeile  40  A.    Giüssere  Aufträge  ent- 
anstalten,  wie  bei  der  ExiH-dilion.    Der  Vierteljahrspreis  ist  „/i  3.—            dp            sprechenden  Rabatt.  Beilagen  nach  Uebereinkunft.  Inseratenannahme 
Bringegeld  bei  der  Post  i.n  -■<  e.\tra.                                          JL                             bei  allen  Annocenbureau.x,  wie  bei  der  Expedition. 

Alxlrufk  ist  nur  mit  voll!iitäii«lij>'or  ^^iielleiiaiiffab»  s^^^t^^tct. 

Christian  Konrad  Sprengel,   der  Begründer  der  modernen  Blumentheorie. 


Villi  l'rof.  Dr.  (_).  Kirclmer. 


Ein  JalirliuiKk'rt  ist  in  (licscii  Tan'cii  verflossen  seit 
dem  Er.sclieiiieii  eines  Werkes,  welches  Darwin  f(  >rclii(i. 
S.  20!))  als  ein  eiii'eiitliiimlielies  Buch  mit  einem  eigen- 
thiiinlichen  Titel  ))ezeichnet,  eines  Werkes  zugleich,  das 
den  Grundstein  eines  in  unserer  Zeit  fröhlich  enipor- 
f;ediehenen  Neubaues  der  botanischen  Wissenschal't  dar- 
stellt, das  den  Ausr-ansspunkt  der  Forschungen  iilier  die 
Hiiilogie  der  l)lütlieii  bildet.  Es  ist  Christian  Konrad 
Spreng-els  liuch :  „Das  entdeckte  Gidieininiss  im  Bau  und 
in  der  Befruchtung  der  Blumen",  welches  zu  Anfang  des 
Jahres  1793  (Berlin,  bei  Friedrieb  Vieweg  dem  älteren) 
erschien,  und  dessen  Vorrede  vom  18.  Decenibcr  1792 
datirt  ist.  Wenn  gleich  unter  den  modernen  Naturtorsciiern 
und  ihren  Jüngern,  die  der  F.rrungenseliaften  der  (iegen- 
wart  sieb  freuen  und  mit  l'länen  für  die  Zukunft  be- 
schäftigt sind,  wenig  Neigung  zu  Httekblicken  in  die  Ver- 
gangenheit ihrer  Wissenschaften  sich  bemerkbar  macht, 
so  ist  es  doch  Sitte,  wenigstens  die  Jubiläen  wichtiger 
wissenschaftlicher  Ereignisse  und  ihrer  Urheber  zu  be- 
geben, und  an  einem  solchen  (Tcdenktage  die  Wirksam- 
keit Oh.  K.  Sprengcls  rückblickend  zu  überschauen  und 
zu  würdigen,  ziemt  uns  um  so  mehr,  als  es  gilt,  früher 
Versäumtes  nachzuholen,  dem  Todten  diejenige  Anerken- 
nung zu  spenden ,  welche  dem  Lebenden  durchaus  ver- 
sagt blieb. 

Ein  „Gebeiinniss"  durfte  Sprengel  für  seine  Zeit  den 
Bau  der  Blüthen  mit  Recht  nennen;  ilenn  wenn  man  auch 
im  allgemeinen  die  Bedeutung  der  Geschleclitsorgane 
kannte,  ja  ihre  Gestalt,  Zahl  und  Anordnung  durch  den 
(ilebrauch  des  Linne'schen  Sexualsystemes  eingehend  zu 
untersuchen  gezwungen  war,  so  fehlte  doch  noch  viel  zu 
einer  richtigen  Vorstellung  nicht  nur  über  die  l)esondereii 
Einrichtungen  derverscbiedenen  Blüthen,  sondern  sogar  über 
den  Vorgang  der  Bestäubung  und  der  darauf  folgenden  Be- 
fruchtung selbst.  Nur  die  Notbwendigkeit  der  Uebertra- 
guug  von  Pollen  auf  das  weibliche  Organ  zum  Zwecke  der 


Samen-  und  Fruchtbildung  war  gegen  das  Ende  des  vorigen 
Jahrhunderts  als  wisseuscbaftlich  festgestellte  Thatsache, 
die  übrigens  später  noch  einmal  wieder  angezweifelt  wurde, 
anzusehen;  in  welcher  Weise  diese  Uebertragung  sich 
vollziehe,  das  war  eine  Frage,  die  man  überhaupt  kaum 
näher  erwog,  weil  man  ihre  Beantwortung  für  ganz  selbst- 
verständlich hielt.  Nur  die  scharfsichtigen  Beobachtungen 
von  Joseph  (iottlieb  Koelreuter*)  liegen  über  diesen  Gegen- 
stand aus  der  Zeit,  bevor  Sprengel  sich  damit  beschäftigte, 
\»r]  dieser  ausgezeichnete  Beobachter  zeigte,  während 
andere  Botaniker  seiner  Zeit  sich  in  müssigen  S})eculatio- 
ncn  ergingen,  dass  bei  mehreren  l'flanzenfamilien  die  Mit- 
hilfe von  Insecten  zum  Eintritt  der  Bestäubung  unbedingt 
notliwendig  ist,  und  dass  in  manchen  Blüthen  das  Statt- 
finden einer  Befruchtung  ohne  fremde  Hilfe  dadurch  un- 
möglich gemacht  ist,  dass  die  beiderlei  Geschlechtsorgane 
einer  Zwitterblütbe  nicht  gleichzeitig  entwickelt  sind.  Dass 
aber  Grösse,  Gestalt  und  Farbe  der  Blüthen,  dass  An- 
ordnung und  gegenseitige  Stellung  der  einzelnen  151üthen- 
organe,  dass  Duft-  und  Nektarabsonderung  eine  bestimmte 
biologische  Bedeutung  hätten  und  im  engsten  Zusanunen- 
hange  mit  dem  Vorgange  der  Pollenübertragung  ständen, 
diesen  Gedanken  hatte  noch  Niemand  gehabt  oder  weni,g- 
stcns  nicht  klar  ausgesprochen. 

Die  Lösung  dieser  Räthsel,  welche  die  Blunienwelt 
bot,  nahm  Sprengel  in  Angriff,  und  eine  glückliche  Ver- 
einigung seltener  Eigenschaften  Hess  ihn  den  richtigen 
Weg  dazu  einschlagen.  Von  Hause  aus  Philologe,  hatte 
er  anfangs  aus  Liebhaberei,  bald  aber  mit  grosser  Gründ- 
lichkeit sich  dem  Studium  der  Botanik,  namentlich  der 
einheimischen  Blüthenpflanzen,  gewidmet;  da  er  aber 
hauptsächlich  auf  sich  allein  angewiesen  war,  so  wurden 
seine    originellen    Ideen    durch    den    Hemmschuh    alther- 


*)  J.  G.  Koeh-eiiter,  Vorläiitigo  Ncacliricht  von  einigen  das 
Goschleeht  der  Pflanzen  betnrtVnden  Virsiichen  und  Bcobiicli- 
tungen.     ITGl. 


102 


Naturwissenscbaftliclie  Wochenschvift. 


Nr.  11. 


gebrachter  Lelircu  nicht  beeinflusst,  seiu  Scliarfblick  und 
.seine  hervorragende  Beobachtungsgabe  durch  keinerlei 
Voreingenommenheit  beeinträchtigt.  Ausgerüstet  mit  den 
besten  Attributen  eines  Naturforschers,  Objeetivität  und 
Scharfsinn,  Combinationsgalje  und  Kritik,  tritt  er  an  seine 
Aufgabe  iieran,  und  stellt  die  Ergebnisse  seiner  Unter- 
suchungen in  einer  Sprache  von  wohlthuender  Klarheit 
und  Folgerichtigkeit  mit  einer  gewissen  behaglichen  Breite 
dar,  einer  Sprache,  die  uns  im  Vergleich  zu  der  noch 
nicht  überwundenen  Schwülstigkeit  und  Gespreiztheit  jener 
Zeit  ganz  modern  anmuthen  würde,  wenn  sie  sich  nicht 
durch  die  Sorgfalt  der  rhetorischen  Durcharbeitung  von 
der  heutzutage  in  wissenschaftlichen  Werken  so  häutigen 
Darstellungsweise  unterschiede,  welche  in  Anbetracht  des 
Werthes  des  Inhaltes  auf  eine  anmuthige  Form  der  Mit- 
theilung Verzicht  leistet. 

Geringfügig  scheinende  Thatsachen,  die  viele  andere 
vor  ihm  bereits  beobachtet  hatten,  regen  Ijei  Sprengel 
weitere  Ucberlegungen  und  Schlussfolgerungen  an,  geben 
ihm  Anlass  zu  neuen  Untersuchungen  und  zur  strengsten 
Prüfung  seiner  eigenen  Ansichten.  Bekannt  und  vielfach 
citirt  ist  ja  namentlich  der  Anfang  der  Einleitung  seines 
Buches,  worin  er  in  der  anziehendsten  Weise  den  Aus- 
gangspunkt seiner  späteren  Theorie,  die  Bergung  des 
Nektars  in  den  Blüthcn  von  Geranium  silvaticum  schildert, 
und  dann  weiter  erzählt,  wie  er  bei  der  Untersuchung 
der  Blüthe  von  Myosotis  palustris  auf  die  Bedeutung  des 
Saftmales  und  der  Färbung  der  Blumen  überhaupt  auf- 
merksam wurde.  Schon  in  den  Sätzen  dieser  Einleitung 
spricht  sich  die  ganze  Methode  des  Mannes  mit  ihrer 
Klarheit,  Einfachheit  und  Fruchtbarkeit  aus.  Diese  seine 
ersten,  folgenreichen  Beobachtungen  wurden  i.  J.  1787 
und  1788  gemacht;  im  Sommer  1789  sieht  er  bei  der 
Untersuchung  einiger  Iris- Arten,  dass  die  Befruchtung  un- 
möglicli  anders,  als  durch  Insecten  vollzogen  werden 
könne.  Er  betrachtet  darauf  hin  zahlreiche  andere  Blüthen 
und  findet,  dass  viele,  ja  vielleicht  alle  Bhmien,  welche 
Saft  (d.  h.  Nektar)  haben,  von  den  Insecten,  welche  sich 
von  diesem  Saft  ernähren,  befruchtet  werden;  dass  also 
der  Saft  ein  Mittel  ist,  um  die  zur  Befruchtung  nöthigen 
Insecten  zum  Besuch  der  Blüthen  anzulocken.  Im  Früh- 
jahr 1790  beschäftigt  ihn  das  Problem  saftloser  Blumen 
(seiner  „Scheinsaftblumen"),  wie  z.  B.  Orcliis- Arten  und 
Aristolochia;  im  Sommer  dessellien  Jahres  entdeckt  er  die 
ungleichzeitige  Entwickelung  der  beiderlei  Geschlechts- 
organe innerhalb  einer  und  derselben  Blüthe  bei  Epi- 
lobium  angustifolium  und  Nigella  arvensis,  eine  Erschei- 
nung, die  er  als  Dichogamie  bezeichnet,  und  die  er  im 
Frühjahr  1791  durch  die  Auffindung  der  „weiblich- männ- 
lichen" ((I.  i.  protogynischen)  Dichogamie  bei  Eupborltia 
Cyparis,sias  vollständiger  erkennt.  Im  Jahre  1792  ist 
seiu  Werk  mit  einer  grossen  Anzahl  von  Abbildungen 
vollendet. 

Das  Ziel,  welches  Sprengel  bei  seinen  Untersuchungen 
die  sich  zunächst  nur  auf  Saftblumcn  und 
Scheiusaftblumen  —  also  auf  solche  Pflanzen,  die  wir 
jetzt  insectenblüthig  nennen  —  bezogen,  bezeichnet  er 
selbst  mit  folgenden  Worten  (S.  21):  Die  Structm-  einer 
Blume  ist  dann  vollständig  erklärt,  wenn  man  gezeigt 
hat,  dass  und  wie  alle  Theile  derselben  zur  Erreichung 
der  Befruchtung  des  Fruchtknotens  durch  Insecten  das 
ihrige  beitragen.  Bei  der  Untersuchung  der  Structm-  jeder 
Blume  müssen  zwei  Punkte  berücksichtigt  werden  (S.  3): 
„1.  Diese  Blume  soll  durch  diese  oder  jene  Art  von  In- 
secten oder  durch  mehrere  Arten  derselben  befruchtet 
werden.  2.  Dieses  soll  also  geschehen,  dass  die  Insecten, 
indem  sie  dem  Safte  der  Blumen  nachgehen,  und  des- 
wegen sich  entweder  auf  den  Blumen  auf  eine  bestimmte 
Art  aufhalten,    oder  auf  eine  bestimmte  Art  entweder  in 


im  Auge  hat 


oft    klebrigten 


dieselben  liiueiiikriechcn,  oder  auf  denselben  im  Kreise 
herumlaufen,  notlnvendig  mit  ihrem  mehrenthcils  haarigten 
Körper,  oder  nur  mit  einem  Theile  desselben,  den  Staub 
der  Antheren  abstreifen  und  denselben  auf  das  Stigma 
bringen,  welches  zu  dem  Ende  entweder  mit  kurzen  und 
feinen  Ilaaren,  oder  mit  einer  gewissen 
Feuchtigkeit  überzogen  ist." 

Nach  diesen  Gesiclitspunktcn  untersucht  Sprengel  die 
ihm  zugänglichen  Gewächse  und  besehreibt  in  seinem 
Werke  die  Blütiieneinrichtungcn  von  461  Arten,  indem  er 
jedesmal,  bald  mehr,  bald  weniger  ausführlich,  Saftdrüse 
und  Safthalter,  Saftdecke  und  Saftniaale  darstellt,  auf 
Gerucii  und  Färbung  der  ganzen  Blütiie,  sowie  auf  die 
gegenseitige  Lage  der  BUithenorgane  achtet,  und  endlich 
das  Benehmen  der  Insecten  beim  Besuche  der  Blüthen 
beobachtet.  Mit  bcwundernswerther  Geduld  und  Ausdauer 
häuft  er  in  dem  Zeiträume  von  etwa  5  Jahren  den  Schatz 
von  Beobachtungen  auf,  welcher  die  Grundlage  seiner 
Theorie  von  der  Befruchtung  der  Blumen  durch  Insecten 
bildet.  Die  Einzelheiten  des  Baues  der  von  ihm  unter- 
suchten Blüthen,  oft  auch  die  besuchenden  Insecten  sind 
auf  den  26  Kupfertafeln  seines  Werkes  in  nicht  weniger 
als  1117  Figuren  dargestellt  —  das  Resultat  eines  stau- 
nenswerthen  Fleisses.  Denn  nur  wer  sich  selbst  an  ähn- 
lichen Arbeiten  versucht  hat,  weiss,  wie  viele  und  oft 
wiederholte  Beobachtungen  auch  jetzt  noch,  wo  zahlreiche 
Vorarbeiten  und  bekannte  Analogien  die  Untersuchung 
erleichtern,  erforderlich  sind,  um  über  die  Bedeutung  und 
Function  einer  Blütheneinrichtung  ins  Klare  zu  kommen. 
Nicht  jedermanns  Saelie  ist  es,  stundenlang  eine  blühende 
Pflanze  zu  überwachen,  um  die  Art  der  besuchenden  In- 
secten und  ihr  Benehmen  auf  der  l)lüthe  kennen  zu  lernen; 
Spreugel  freilieh  scheut  keine  Mühe,  fürchtet  kein  Wetter, 
wenn  es  gilt,  draussen  in  der  freien  Natur  seinen  geliel)ten 
Blumen  ihre  Geheimnisse  abzulauschen.  „Man  niuss", 
sagt  er  (S.  22  f.),  „die  Blumen  an  ihrem  natürlichen  Stand- 
ort untersuchen,  und  besonders  darauf  Acht  geben,  ob 
sie  von  Insecten,  und  von  welchen  Insecten  sie  besucht 
werden,  wie  sich  diese  verhalten,  indem  sie  in  die  Blumen 
hineinkriechen  und  ihren  Saft  verzehren,  ob  sie  die  An- 
theren und  das  Stigma  berühren,  ob  sie  irgend  eine  Ver- 
änderung in  Ansehung  irgend  eines  Theiles  der  Blumen 
hervorbringen  etc.  Kurz,  man  muss  die  Natur  auf  der 
That  zu  ertappen  suchen.  .  .  .  Man  muss  es  sich  nicht 
verdriessen  lassen,  lange  bei  einer  blühenden  Pflanze  sieh 
zu  verweilen  und  Beobachtungen  Einer  Art  von  Blumen 
öfters  zu  wiederholen,  weil  dieselbe  nicht  jederzeit  so- 
gleich das  erste  Mal  gerade  von  demjenigen  Insect  besucht 
wird,  welches  zu  ihrer  Befruchtung  bestimmt  ist.  —  Man 
muss  die  Blumen  in  verschiedenen  Tageszeiten  beobachten 
und  untersuchen,  damit  man  erfahre,  ob  sie  Tages-  oder 
Nachtlilumcn  sind,  und  bei  verschiedener  Witterung,  z.  B. 
während  eines  Regens  und  nach  demselben,  damit  man 
einsehe,  auf  welche  Art  ihr  Saft  gegen  den  Regen  ge- 
sichert ist.  Besonders  aber  sind  die  Mittagsstunden,  wenn 
die  am  unbewölkten  Himmel  stehende  Sonne  warm  oder 
wohl  gar  heiss  scheint,  diejenige  Zeit,  da  man  fleissig 
Beobachtungen  anstellen  nniss.  Denn  die  Tagesblumen 
erscheinen  alsdann  in  ihrer  grössten  Schönheit  und  buhlen 
mit  allen  ihren  Reizen  um  den  Besuch  der  Insecten,  und 
ihre  Befruchtung  kann  alsdann  um  so  viel  leichter  von 
Statten  gehen,  weil  der  Staub  auch  solcher  Antheren, 
welche  an  der  freien  Luft  liegen,  vrdlig  trocken  ist.  Die 
Insecten  aber,  denen  die  grösste  Hitze  gerade  am  liebsten 
ist,  sind  alsdann  in  und  auf  den  Blüthen  in  der  grössten 
Thätigkeit,  um,  ihrer  Absieht  nach,  im  Nektar  derselben 
zu  schwelgen,  nach  der  Absicht  der  Natur  aber,  um  sie 
zugleich  zu  befruchten.  Im  Reich  der  Flora,  deren  Weis- 
heit nicht  minder  bewundernswerth  ist,    als    ihre  Schön- 


Nr.  11. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


103 


iieit,  geschehen  alsdann  Wunderdinge,  von  denen  der 
Stuhcnbotaniker,  welcher  unterdessen  sich  damit  be- 
schäftiget, den  Forderungen  seines  Magens  ein  Geniige 
zu  thun,  nicht  einmal  eine  Alinung  hat." 

Nicht  weniger  achtungswerth  als  Sprengeis  Fleiss, 
nicht  geringer  zu  sehätzen  als  sein  Scharfblick,  ist  die 
Sorgfalt  und  Zuverlässigkeit  seiner  lieobachtungcn,  die 
Wahrhaftigkeit  seiner  Berichte.  Es  ist  selbstverständlich, 
dass  ihm  auch  Irrthümer  gelegentlich  unterlaufen,  im 
Grossen  und  Ganzen  aber  siud  seine  Untersuclningen 
später  wohl  vermehrt  und  vervollständigt ,  von  ihm  fest- 
gestellte Thatsachen  anders  gedeutet  worden,  aber  nur 
selten  war  eine  Berichtigung  erforderlich.  Ein  bemerkens- 
werthes  Beispiel  für  seine  Gründlichkeit  bietet  die  aus- 
fiiiirliche,  fast  spannend  geschriel)ene  Schilderung  des 
Hliithenbaues  uud  der  Bestäubung  von  Aristolochia  Clema- 
titis  (S.  418 — 428),  welche,  wie  vor  Kurzem  festgestellt 
wurde*),  sorgfältiger  und  scharfsichtiger  ist,  als  alle 
späteren  Bescln-eibungen  dieser  merkwürdigen  Blüthen- 
einrichtung.  Von  Sprengeis  Wahrheitsliebe  legen  be- 
sonders solche  Stellen  Zeugniss  ab,  wo  er  sein  Unvermögen, 
aufgefundene  Thatsachen  zu  erklären,  oder  mit  seiner 
Theorie  in  Uebereiustimmung  zu  bringen,  ohne  Weiteres 
zugiebt.  So  stellt  er  bei  Lilium  Martagon,  deren  Be- 
stäubung durch  Insecten  er  nach  dem  ganzen  Bau  der 
Blüthe  vermuthete,  durch  einen  Versuch  fest,  dass  Selbst- 
bestäubung ohne  fremde  Mithülfe  eintritt,  und  sagt  darüber 
(S.  188):  „Dass  diese  Blume  dennoch  auf  mechanische 
Weise  befruchtet  wird,  habe  ich  durch  einen  Versuch  er- 
fahren, welchen  ich  verschweigen  würde,  wenn  es  mir  mehr 
um  die  Durchsetzung  meiner  Theorie,  als  um  die  Erforschung 
der  Wahrheit  zu  thun  wäre."  Grosse  Schwierigkeiten 
macht  ihm  die  Deutung  der  Einrichtung  der  Grasblüthen; 
nacli  allen  sonstigen  IMerkmalen  meint  er,  dass  sie  durch 
den  Wind  bcfruclitet  werden,  allein  er  glaultt  in  ihnen 
Nektar  gesehen  zu  haben,  wobei  er  sieh  wahrscheinlich 
durch  die  zur  Zeit  der  vollen  Blüthe  prall  angeschwollenen 
und  glänzenden  Lodieulae  täuschen  Hess.  Mit  diesem  ver- 
meintlichen Vorhandensein  von  Saft  kann  er  sich  gar 
nicht  auseinandersetzen.  „Wozu  dienet  aber  ihr  Saft?" 
fragt  er  (S.  32) 
zu  beantworten. 

Ein  wahres  Vergnügen  gewährt  es  bei  dem  Studium 
des  Sprengel'schen  Buches,  zu  sehen,  wie  überall  die 
Begeisterung  des  Verfassers  für  seine  Aufgabe,  seine 
naive  Liebe  zur  Natur,  seine  Bewunderung  der  von  ihm 
aufgedeckten  Einrichtungen  der  Blüthen  zum  Ausdrucke 
kommt.  Ueber  eine  neue  Entdeckung  geräth  er  in  helles 
Entzücken,  und  mau  mag  es  wohl  glauben,  dass  über 
seinem  Feuereifer  für  die  Blumen  uud  Insecten  seine 
eigentlichen  Amtsgeschäfte  bisweilen  schlecht  weg- 
gekonnnen  sind.  Bei  der  oben  erwähnten  Beschreibung 
der  Aristolochia-Blüthe  sagt  er:  „Nachdem  ich  dieses  ge- 
schrieben hatte,  erwartete  ich  mit  Verlangen  die  Zeit,  da 
die  Blumen  zu  blühen  anfangen  würden.  Als  icli  im 
folgenden  Mai  die  Pflanzen  in  der  Blüthe  fand,  tiel  ich 
mit  grosser  Hitze  über  die  Blumen  her,  und  gerieth, 
nachdem  ich  dieselben  untersucht  hatte,  in  ein  frohes 
Erstaunen,  da  ich  durch  den  Augenschein  überzeugt 
wurde,  dass,  so  wie  ich  mir  vorgestellt  hatte,  der  grosse 
Urheber  der  Natur  die  kleinen  Fliegen  erst  in  diese 
Blume  einsperrt,  damit  sie  dieselben  befruchten,  hernach 
aber,  wenn  dieser  Endzweck  erreicht  worden  ist,  sie 
wieder  aus  ihrem  Gefängniss  lierauslässt,  folglich  durch 
die  wundervolle  Einrichtung  dieser  Blume  eben  so  sehr 
seine  Gittc  als  seine  Weisheit  an  den  Tag  legt.'" 


„Diese  Frage    bin  ich  nicht  im  Stande 


*)  Vgl.  W    Bürde,  Uebei-  dio   BefnichliiiiE: 
Blütiie.     Bot,  Zeitg.  1892.     S.   121  ti'. 


i'i-  Aristiilochi:i- 


Mit  derselben  Naivetät,  die  aus  diesen  Sätzen  spricht, 
verräth  er  unzählige  Male,  wie  unbedingt  er  die  Weis- 
heit des  Schijpfers,  des  „Blumensehöpfers",  oder  der 
Natur  bewundert ,  und  wie  er  sich  dabei  lieruhigt ,  die 
Zweckmässigkeit  und  Vollendung  der  Werke  dieses 
Schöpfers  kennen  zu  lernen  und  zu  verehren.  Dass  er 
in  der  Vermensehlichung  des  Blumenschöpfers  so  weit 
geht,  diesen  ein  Wohlgefallen  an  einem  „glücklichen  Ein- 
fall" empfinden  und  Insecten  bisweilen  seinen  Einrichtungen 
zuwider  handeln  zu  lassen,  das  ist  bereits  von  H.  Müller*) 
hervorgehoben  worden.  Es  lässt  sieh  auch  nicht  bestreiten, 
dass  dieser  naive  Standpunkt,  mit  den  in  unserer  Zeit 
maassgebenden  Anschauungen  verglichen,  vielfach  einer 
tieferen  Einsicht  Sprengeis  hinderlich  war,  und  ihn  davon 
abhalten  musste,  den  Gründen  und  dem  Zusammenhange 
der  von  iinn  beobachteten  Erscheinungen  weiter  nach- 
zuforschen. Allein  es  scheint  mir  doch  ungerecht,  ihm 
diese  Befangenheit  zu  iioch  anzurechnen,  und  iinn,  wie 
es  H.  Müller  im  Grunde  genonnnen  thut,  daraus  einen 
Vorwurf  zu  machen,  dass  er  nicht  schon  die  Schritte  zu 
weiterer  Erkenntniss  that,  die  erst  über  ein  halbes  Jahr- 
hundert später  gemacht  worden  sind.  Von  der  so  über- 
aus fruchtbaren  Idee  einer  gegenseitigen  Anpassung  von 
Blumen  und  Insecten  an  einander,  sowie  von  der  Rolle, 
welche  die  Insecten  als  unbewusste  Blumeuzücliter  spielen, 
konnte  natürlich  Sprengel  noch  keine  Ahnung  haben. 
Und  ebenso  ist  es  eigentlich  selbstverständlich,  dass  er 
von  dem  Nutzen  der  Kreuzung  im  Pflanzenreiche  nichts 
wissen  konnte;  ihm  deshalb  vorzuwerfen,  der  eigentliche 
Schlüssel  für  das  Verständniss  des  Nutzens  der  Insecten- 
befruchtung  lial)e  ihm  gefehlt,  das  scheint  mir  nicht  grade 
von  historischem  Sinn  und  historischer  Gerechtigkeit  zu 
zeugen.  Es  ist  allerdings  beinahe  aufregend,  zu  sehen, 
wie  nahe  Sprengel  dieser  Entdeckung  vom  Nutzen  der 
Kreuzung  gekommen  ist,  ohne  sie  aber  thatsächlich  zu 
machen.  Seinem  Scharfblick  entging  es  nicht,  dass  die 
Insecten,  welche  die  Blüthen  besuchen,  sehr  häufig  Pollen 
aus  einer  anderen,  früher  besuchten  Blüthe  mitbringen, 
um  ihn  auf  der  Narbe  abzusetzen,  dass  z.  B.  von  den 
diehogamisehen  Blüthen  die  protandrischen  durch  den 
Pollen  einer  jüngeren,  die  protogynischen  durch  solchen 
einer  älteren  Blüthe  befruchtet  werden  müssen,  und  dass 
auch  sonst  in  Folge  des  ganzen  Blüthenbaues  oder  in 
Folge  des  Benehmens  der  Insecten  häufig  keine  andere 
Bestäubung,  als  mittelst  Pollen  aus  einer  anderen  Blüthe 
stattfinden  kann.  Sprengel  begnügt  sich  nun  damit,  diese 
Thatsachen  festzustellen,  und  sagt  nur  (S.  43):  „Da  sehr 
viele  Blumen  getrennten  Geschlechts,  und  wahrscheinlich 
eben  so  viele  Zwitterblumen  Dichogamisten  sind,  so  scheint 
es  die  Natur  nieiit  haben  zu  wollen,  dass  irgend  eine 
Blume  durch  ihren  eigenen  Staub  befruchtet  werden  Sdlle. 
Einen  einzigen  Versuch  kann  ich  anführen,  welcher  diese 
Behauptung  in  Ansehung  der  homogaraischen  Blumen  be- 
stätiget. Es  blühete  uändich  im  letztvergangenen  Sommer 
in  meinem  Garten  eine  Pflanze  der  Hemerocallis  fulva. 
Einige  von  ihren  Blumen  habe  ich  mit  ihrem  eigenen 
Staube  (denn  es  blühete  jedesmal  nur  Eine)  auf  eine 
künstliche  Art  zu  befruchten  gesucht.  Es  hat  aber  keine 
einzige  eine  Samenkapsel  angesetzt."  Wenn  er  nuu  den 
weiteren  Schritt  nicht  timt,  zu  fragen,  ob  oder  welcher 
Nutzen  für  die  Pflanze  mit  dieser  Vermeidung  der  Sell)st- 
bestäubung  verbunden  sei,  so  dürfen  wir  doch  nicht  ver- 
gessen, dass  den  Zeitgenossen  Sprengeis  diese  Art  der 
Fragestellung,  die  uns  heute  so  geläufig  ist,  überhaupt 
fern  lag.  Und  wer  möchte  sieh  erkühnen,  zu  sagen,  wie- 
viel von    den    durch   Darwin  zur  (ieltung   gel>rachten   .\u- 


*)  11.  Miillor.  Die  Bcfniclitiiiij;  der  BIiiiiR'n  iliindi   liificotrn  etc. 
1873,  S.  4  und  25. 


104 


Natui-wisscnschaftliclic  Wochciisclirift. 


Nr.  11. 


I 


schauungeu  über  den  Nutzen  der  Kreuzbefruclitung-,  die 
heute  sclion  mancherlei  Einschränicungen  haben  ül)er  sich 
ergehen  lassen  müssen*),  nach  .,aber  hundert  Jahren" 
noch  als  testhegründete  Lehre  bestehen  wird !  1  )ie  con- 
statirten  TJiatsachen  müssen  ihren  Werth  belialten,  die 
hineingelegten  Deutungen  aber  sind  dem  Wechsel  unter- 
worfen. 

Ich  kann  es  auch  nicht  für  zutreffend  lialten,  wenn 
man  in  dem  angedeuteten  Mangel  der  Grundanschauungen 
Sprengeis  den  Grund  dafür  hat  tinden  wollen,  dass  seinen 
Beobachtungen  und  seiner  ganzen  Theorie  nicht  nur  von 
seinen  Zeitgenossen,  sondern  auch  von  den  Botanikern 
der  Folgezeit  eine  so  geringe  Anerkennung  gezollt  worden 
ist.  Diese  Ansicht  wird  von  H.  Midier  an  mehreren 
Stellen  mit  besonderem  Nachdruck  ausgesprochen ;  nament- 
lich in  folgender  Präcisirung  seines  Urtheils:**)  „Sjjrengcls 
entdecktes  Geheimniss  ist  ein  lehrreiches  Beispiel,  wie 
auch  ein  an  scharfsinnigen  BeoI)achtungen  und  glücklichen 
Deutungen  überaus  reiches  Werk  wirkungslos  bleiben 
kann,  wenn  sein  Grundgedanke  verfehlt  ist."  In  dem- 
selben Sinne  heisst  es  an  einer  anderen  Stelle:***)  „Gleich- 
zeitige und  spätere  Botaniker  fühlten  vor  allem  die 
Schwäche  seiner  Blumentheoric  heraus  und  legten,  mehr 
oder  weniger  sich  bewusst,  dass  sie  in  ihrem  letzten 
Grunde  doch  unhaltbar  sei,  mit  dem  mangelhaften  Grund- 
gedanken Sprengeis  auch  den  reichen  Schatz  seiner  sorg- 
fältigen und  scharfsinnigen  Beobachtungen  und  seine 
weitgreifenden  richtigen  Deutungen  xmbeachtet  bei  Seite." 
Aber  von  derartigen  Motiven  ist  nichts  zu  bemerken,  wenn 
man  die  geringschätzigen  Aeusserungen  sjjäterer  Botaniker 
über  Spreugels  Entdeckungen  durchmustert:!)  Da  wird 
vielmehr  die  Kichtigkeit  seiner  Angaben  schlechtweg  be- 
stritten, das  Stattfinden  von  Dichogamie  einfach  geleugnet, 
von  seiner  Blumentheorie  gesagt,  sie  sei  mehr  auf  meta- 
physische Speculationen,  als  auf  thatsäehlicher  Beobachtung 
begründet  u.  s.  f.  Hätte  nicht  vielmehr  die  Fülle  neuer 
Beobachtungen  und  Anregungen  in  Sprengeis  Werk  Ver- 
anlassung zur  Nachprüfung  seiner  Angaben,  zum  Aus- 
bau seiner  Theorie,  und  zur  Ausfüllung-  der  von  ihm  ge- 
lassenen Lücken  geben  müssen,  wenn  in  jener  Zeit 
überhaupt  Verständniss  für  die  von  ihm  aufgeworfenen 
Proldeme  vorhanden  gewesen  wäre?  Im  .Jahre  1790  stellte 
Andrew  Knight  den  Satz  auf,  dass  keine  l'flanze  eine 
unbegrenzte  Anzahl  von  Generationen  hindurch  sich 
selbst  befruchten  könne;  1837  zeigte  Herbert  und  1S44 
C.  F.  Gärtner,  dass  die  Befruchtung  durch  Pollen  von 
einem  andern  Individuum  der  nämlichen  Art  ein  besseres 
Resultat  ergebe,  als  die  Selbstbefruchtung  —  damit  waren 
die  Grundlagen  zu  einer  Vertiefung  der  Sprengersehen 
Blumentheoric  gegeben,  aber  auch  jetzt  noch  fiel  es  Nie- 
mandem ein,  diese  neuen  Anschauungen  mit  jener  in  Be- 
ziehung und  Verbindung  zu  bringen.  Nicht  die  Mängel, 
nein,  vielmehr  die  Vorzüge  der  Lehre  Sprengeis  waren 
es,  die  eine  Anerkennung  derselben  einer  späteren  Zeit 
vorbehielten;  die  Neuheit  und  Kühnheit  der  von  ihm  vor- 
getragenen Ansicht,  ihre  Fremdartigkeit  im  Vergleich  zu 
Allem,  was  man  damals  als  Aufgaben  der  Botanik  be- 
trachtete, mit  einem  Worte  das  Vorauseilen  vor  seiner 
Zeit,  halte  ich  für  den  Grund  der  Theilnahmelosigkeit, 
ja  Abweisung,  mit  welcher  Sprengeis  P^ntdeckungeu  von 
den  meisten  Botanikern  seiner  und  der  späteren  Zeit  auf- 


*)  Vgl.  F.  Rosen:  Bemerk unaen  über '  die  Bedeutung  der 
Heterogamie  für  die  Bildung  und  Erlialtung  der  Arten.  Bot.  Ztg. 
1891,  S.  201. 

**)  Befruchtung  der  Blumen  ete.  S.  26. 
***)  a.  a.  O.  S.  4. 

t)  Vgl.  die  Zusammenstellung  bei  S.  Axell:  <  'm  anoriining;iru;i 
för  de  fanerogama  växternas  befruktniug.     186'J,  S.  4. 


genommen  wurden.*)  Nur  vereinzelte  Stiunnen  der  An- 
erkennung wurden  dagegen  laut,**)  und  erst  durch  Darwin 
und  F.  Delpino  wurden  Sprengeis  Untersuchungen  wieder 
ans  Licht  gezogen  und  nach  Verdienst  gewürdigt. 

Man  muss  in  der  That  Delpino  Recht  geben,  wenn 
er  in  die  unwilligen  Worte  ausbricht***):  „Es  ist  fürwahr 
ein  schmerzliches  Schauspiel,  diese  Kämpfe  des  Irrthumes 
gegen  die  Wahrheit  mit  anzusehen,  besonders  wenn  der 
Kampf  von  einem  später  Lebenden  begonnen  wird,  der, 
anstatt  sich  die  von  dem  Vorfahren  ihm  enthüllten  Wahr- 
heiten zu  Nutze  zu  machen,  in  thoriehtcr  Weise  sich 
darauf  verlegt,  sie  zu  leugnen.  Das  ist  eine  iiarte  Lection 
für  die  stolze  menschliche  Vernunft". 

Der  Maugel  eines  jeden  äusseren  Erfolges  lälnnte 
die  weitere  Thätigkeit  Sprengeis;  die  beabsichtigte  Heraus- 
gabe eines  zweiten  Theiles  seines  Werkes,  von  dem  der 
Verfasser  beim  Erscheinen  nicht  einmal  ein  Freiexemplar 
erhalten  hatte,  musste  unterbleiben,  und  damit  gingen  die 
Früchte  der  noch  weiter  fortgesetzten  Beobaclitungen 
Sprengeis  zum  grössten  Theile  derNachwelt  verloren.  Nur  in 
einem  kleinen  Aufsatze,  welcher  im  Jahre  1811  von  ihm 
unter  dem  Titel:  Die  Nützlichkeit  der  Bienen  und  die  Noth- 
wendigkeit  der  liiencnzucht,  von  einer  neuen  Seite  dar- 
gestellt, herausgegeben  wurde,  findet  sich  eine  Reiiie  von 
Bemerkungen  über  Blütheneinrichtungcn,  namentlich  auch 
windblüthiger  Pflanzen,  welche  in  dem  Hauptwerke  nicht 
enthalten  sind.  —  Auch  diese  spätere  Abhandlung,  welche 
jetzt  nur  schwer  zugänglich  ist,  und  in  den  Kreisen  der 
Botaniker  fast  ganz  unbekannt  zu  sein  scheint,  zeigt  die 
charakteristischen  Merkmale  der  SprengeFschen  Schreib- 
weise, Klarheit  und  Scharfsinn,  wenn  anch  daneben  aller- 
dings eine  gewisse  Breite  der  Darstellung  noch  mehr  be- 
merklich wird.  Ausgehend  von  der  Beobachtung,  dass 
in  der  nächsten  Umgebung  von  Berlin  der  Buchweizen 
nur  sehr  spärlich  Früchte  ansetzt,  führt  Sprengel  die  Ur- 
sache dieser  geringen  Fruchtbarkeit  darauf  zurück,  dass 
in  dieser  (iegend  zu  wenig  Bienen  vorhanden  sind,  um 
eine  ausreichende  Bestäubung  der  Blüthen  vollziehen  zu 
können.  Zum  Verständniss  des  Baues  der  Buchweizen- 
blüthe  und  der  in  derselben  durch  die  Bienen  vollzogenen 
Befruchtung  giebt  er  (S.  4  —  24")  einen  ganzen  Abriss  seiner 
im  „Entdeckten  Geheimniss"  niedergelegten  Blunicn- 
theorie,  in  welchem  die  für  Windl)estäubung  eingerich- 
teten Pflanzen  mit  derselben  Ausführlichkeit  besprochen 
werden,  wie  die  Insectenblüthler.  Bei  dieser  Gelegenheit 
werden  als  windblüthig  aufgezählt :  die  Gräser,  die  Kiefern, 
Fichten  und  Tannen,  die  Eichen,  Buchen  und  Weiss- 
bnchen,  Elsen  (.\lnus),  Birken,  Walnussbänme,  Kastanien- 
bäume,   Haseln;    ferner    von    zweihäusigen    Pflanzen    die 


*)  So  urtheilt  aueh  Darwin  (Die  Wirkungen  der  Kreuz-  und 
Selbstbefruchtung  im  Pflanzem-eich.  1877,  S.  ü):  „Ev  war  aber 
seiner  Zeit  vorausgeeilt  und  seine  Entdeckungen  wurden  lange 
Zeit  hindurch  vernachlässigt.'' 

**)  Kurt  Sjjrengel  würdigt  in  seiner  Geschiclite  der  Botanik 
(Bd.  II.  1818.  S.  2G6  f.)  die  Verdienste  seines  Oheims,  und  nimmt 
ihn  gegen  den  Angriff,  er  habe  der  Befruchtung  der  Blumen 
durch  Insecten  eine  zu  allgemeine  Geltung  eingeräumt,  in  .Schutz. 
It.  Brown  bestätigte  in  seinem  Aufsatz  über  die  Befruchtung 
bei  Asclepiadeen  und  Orchideen  (Linn.  Soc.  Transactions.  18.33. 
vol.  XVI.  p.  704)  die  Richtigkeit  von  Sprengeis  Angabe,  dass  In- 
sectenbesuch  zur  Best.äubung  dieser  Pflanzen  nothwendig  sei,  und 
sagt  von  Sprengcis  Buch,  dass  nur  Diejenigen  darüber  lachen 
können,  welche  nicht  viel  von  der  Sache  verstehen.  (Citirt  von 
Darwin,  Orchid.  S.  209,  Anm.) 

Der  bekannte  Zoologe  M.  H.  K.  Lichtenstein  (1780—18.57) 
sprach  —  nach  gütiger  brieflicher  Mittheilung  des  Herrn  Forst- 
meisters Sprengel  in  Bonn  stets  mit  hoher  Achtung  von  dem  ,,Ent- 
deckten  Geheimniss"  und  nannte  Christian  Konrad  den  für  die 
Wissenschaft  bedeutendsten  unter  den  Trägern  des  Namens 
Sprengel. 

***)  Suir  oiiera  La  distribuzione  dei  sessi  nelle  plante  del 
prof.  F.  Hildebrand.     Note  critiche.     1SG7.     S.   10. 


Nr.  11. 


Naturwissenschaftliclie  Wochensehiit't. 


105 


rappclii,  Espen,  Eilicn,  Waclilmlder,  lidpt'eii,  Hanf,  Sjunat, 
nnd    von  zwittcrblUtliiffcn:    Küster,    \Vi'i;ebreit,    (länsefiiss 


und  Bete.  Von  ander\veitii;en  ISeobaelitiuii^en,  die  in  dem 
Hauptwerke  keine  Erwiilnuing  tiuden,  sind  die  folgenden 
lienierkenswertli.  Als  Saftliluinen  werden  u.  a.  ani;cfiUirt 
die  rtlaumcn  und  Aprikosen,  Preisseibeere,  spanischer 
Flieder  (dessen  Unfruchtbarkeit  wegen  mangelnden  In- 
sectenbesuches  beobachtet  wurde),  l'astinak,  Mohrrübe, 
Kümmel,  Dill,  retersilie,  Zuckcrwurzel,  Salat,  Cieiiorie, 
Scliwar/.wnrzel,  Alant,  Kamille,  Woldverleih,  Kainfarn, 
Krause    MinzA',    Pfefferminze*),    Majoran,    Luzerne,   Knob- 


*)  Nach  iler  siiätcr  crwäliiitL-n  l)io}2;r!i|iliisL-hon  Mittheiliini; 
iii  der  Flora  Bil.  '^.  1819  (S.  .')47)  hat  S|)roiigvl  auch  die  G^iujdiücic 
der  Meiitha-Arteii  beobachtet. 


lauch,  Schalotte,  Jlelone.  Sell)ststerilität  Itei  Insectenab- 
sehluss  wird  für  die  borstij;e  Robinie,  Johannisbeere, 
Stachcn)eere,  Apfelblütlie,  Rüijsen  und  Veilchen  angei;Tben; 
bei  den  letzteren  lUüthen  war  der  Insectenbesuch  durch 
ein  über  die  Pflanze  gezogenes  „kleines  Zelt  von  Gaze" 
verhindert  worden.  Der  Inhalt  dieses  Werkchens  über 
die  Nützlichkeit  der  Bienen  liefert  demnach  den  Bewei.s, 
dass  Sprengel  fortfuiir,  sich  mit  den  Untersuchungen  zu 
beschäftigen,  von  deren  Werth  er  trotz  des  Ausbleibens 
jeder  Anerkennung  fest  überzeugt  war.  Aber  freilich  rief 
diese  üble  Erfahrung  bei  ihm  eine  leicht  liegrcifliche 
Missstinunung  hervor,  in  der  er  sich  zu  einem  einsamen 
Leben  zurückzog,  nachdem  er  sein  Amt  in  Spandau  auf- 
gegeben liattc. 

(Schluss  folgt.) 


Ueber  die  Nonne  (Liparis  monacha). 

Von  (Jljerförster   U.   K  i  1 1  in  e  y  er. 


(Schhiss.) 


Eine  weitere,  noch  wichtigere  Aufgabe  bietet  sich 
dem  Botaniker  in  der  Erforschung  des  Nonnen-Schlaff- 
sucht-Bacillus  lind  überliaupt  der  Pilzkrankheiten  der 
Nonnenraupe.  So  fand  Kobert  Hartig  eine  durch  nasses 
Futter  verursachte  Pilzkranklieit  der  Raupen,  welche  er 
„Degncration"  nennt.  Diese  Pilze  fänden  sieh  auf  den 
Nadeln  stets  vor;  während  sie  sich  aber  bei  trockenem 
Wetter  im  Ruhezustande  befänden  und  sich  —  mit  den 
Nadeln  aufgenommen  —  in  der  kurzen  Zeit  im  Körper 
der  Raupe  nicht  weiter  veränderten,  .sondern  wieder  mit 
dem  Kothe  abgingen,  entwickelten  sie  bei  nassem  Wetter 
auf  den  Nadeln  Sporen  nnd  fingen  an  zu  wachsen;  konnnen 
sie  nun  in  diesem  Zustande  mit  den  Nadeln  in  den  .Magen 
der  Raupe  hinein,  so  verursachen  sie  Ernährungsstörungen, 
Erkrankung  des  Darmkanals,  Kolik  nnd  den  Tod  der 
Raupe*).  Hartig  fand  in  den  Ranpen  Nosenia  bombycis 
Nag.,  Medicinalrath  Dr.  Hofmann-Regensburg  Botrytis 
Bassiana,  Micrococcus  wahrscheinlich  bombycis,  Stajjhy- 
lococcus  wahrscheinlich  ccreus-albus,  Bacillus  wahrschein- 
lich flu<u'eseens-li(piefaeiens  Flügge,  dann  einen  Bacillus, 
welchen  er  zunächst  ,,B"  nennt,  und  welcher  der  Erzeuger 
der  Schlattsueht  der  Nonnenraupe  sein  soll. 

Diese  Krankheit,  von  Ratzelturg  .,Wipfelkrankhcit" 
genannt,  auch  Flacherie,  besser  wohl  ..Flastpu'rie"**) 
wurde  schon  zu  Ende  des  vorigen  Jalu-hunderts  be(d)achtet 
und  ist  den  Züchtern  der  Seidenraupe  schon  seit  1765 
bekannt.  Dass  sie  durch  einen  Pilz  verursacht  wird,  ist 
wohl  ziemlich  sicher,  durch  welchen  aljcr,  das  ist  noch 
nicht  ganz  zweifellos  entschieden.***)  Die  Krankheit  ver- 
ursacht eine  rasch  verlaufende  Abzehrung  der  Raupe. 
Der  Koth  bleil)t  l)is  zuletzt  trocken  und  gef(n-mt;  höchstens 
kurz  vor  dem  Ende  wird  derselbe  manchmal  weich  und 
schmierig  und  bleibt  am  After  kleben,  aber  keineswegs 
in  allen  Fällen:  erst  wenn  die  Raupe  verendet  ist,  tritt 
ungemein  rasch  stinkende  Fäulniss  ein,  welche  den  Darm- 
inhalt und  schliesslich  den  Leibesinlialt  in  eine  schmutzig- 
braune Jauche  verwandelt,  welche  an  der  geringsten  Ver- 
letzung der  Haut  austliesst.  Vor  ihrem  Ende  sucht  die 
Raupe    gern     die    äussersten    Spitzen    der    Zweige    auf 

*)  R.  Hartig:  „Augsburger  .Abendzeitung"   10.  I.  '.)1. 
**)  Auch    Forstmeister    Fritz   A.  Waelitl  und    Andere    liaben 
auf  meinen  Vorsclilag  im  „Centralblatt  für   das   gesauimte  l'"orst- 
wesen'"   1891   S.  .^32  diesen   Ausdruck    als   richtiger   für   F'hiclierie 
angenommen. 

***)  Siehe  Medicinalrath  Dr.  Hofmaun  „Insectentödtcnde  Pilze 
mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Nonne."  „Ueber  die  Schiati'- 
sucht  der  Nonnenraupe"  etc. 


(„wipfelt")  —  Fig.  4  —  und  liängt  dann,  nur  au  einem  oder 
zwei  Bauchfüssen  oder  den  Nachschiebern  haftend,  häufig 
schlaft"  und  welk  herab.  Die  Widerstandskraft  der  Raupen 
gegen  diese  Spaltjjilzkranklieit  ist  eine  sehr  verschiedene; 
eiiuge  sterben  schon  am  dritten  bis  fünften  Tage,  andere 
erst  am  zehnten,  wieder  andere  werden  zwar  matt  und 
träge  und  fressen  sehr  wenig,  bringen  es  aber  gleichwohl 
noch  zur  Verpui)pung,  sterilen  aber  entweder  noch  vor  dem 
Abstreifen  der  Raupenhaut  oder  während  dieses  Actes,  in 
welchem  Falle  eine  mehr  oder  weniger  vcrkünnnerte  oder 
verkrüppelte  Puppe  zum  Vorschein  kommt.  Erfolgte  die 
Infectiou  erst  kurz  vor  der  Verpuppung,  so  bringen  die 
Raupen  es  noch  zum  Falter,  welcher  dann  aber  meist 
schon  nach  zwei  bis  drei  Tagen  stirbt,  oder  aber,  was 
auch  häufig  beobachtet  ward,  noch  Eier  ablegt,  welche 
dann  im  günstigsten  Falle  auch  noch  junge  Raupen  liefern 
können,  die  allerdings  in  dem  Flasqueriebacillus  schon 
den  Todeskeini  in  sich  haben  und  sich  nicht  mehr  zu  ent- 
wickeln vermögen.  Nach  Dr.  Jäger-Tübingen  ist  die 
Schlatfsueht  hiermit  erblich  von  der  Raupe  auf  die  Puppe, 
von  der  Pupj)e  auf  den  Falter,  von  dem  Falter  auf  das 
Ei  und  von  dem  Ei  wieder  auf  die  Raupe.  Medicinalrath 
Dr.  Hofmann-Regenslnirg  fand  den  Flasqueriebacillus  so- 
wohl in  Eiern  als  auch  in  Spiegeh-äupchen,  welche  noch 
keine  Nahrung  aufgemumnen  hatten.  Aus  einem  Frass- 
gebicte  w'crden  kranke  Nonnenfalter  geschildert,  vielleicht 
ist  die  Schlaffsucht  die  nicht  näher  bekannte  Krankheit: 
„Diese  Falter  waren  durchweg  weit  kleiner,  als  normale, 
der  Hinterleib  auch  der  Weibchen  war  ganz  spindelfVinnig 
dünn,  vielfach  sogar  auch  ganz  verkürzt,  die  Zeichnung 
der  oberen  Flügel  war  grau  anstatt  schwarz,  ganz  matt 
und  verscliwommen,  und  die  Wcibclien  hatten  gleich  nach 
dem  Auskriechen  die  Legeröhre  fortwährend  etwa  1  cm 
lang  vcu'stchen,  olme  sie  einzuziehen.  Der  Eierstock  in 
dem  spindeligen  Leibe  war  eine  ganz  feine,  graue,  gries- 
liche  Masse,  die  sich  mit  unbewattneteni  Auge  nicht  zählen 
Hess,  und  wenn  man  die  Falter  antupfte,  so  fielen  sie,  sich 
spiralfVirmig  in  der  Luft  drehend,  zu  Boden  und  blieben 
meist  auf  dem  Rücken  liegen." 

Dass  die  Schlaffsucht  (aber  nicht  Schlafsucht,  wie 
man  vielfach  findet)  mit  der  Nonne  schnell  und  vollständig 
aufräumt,  steht  nach  den  Mittheilungen  aus  der  Nonnen- 
Periode  in  den  50  er  Jahren,  wie  nach  den  derzeitigen 
überall  gemachten  Beobachtungen  zweifellos  fest.  Ob 
alter  der  vom  Medicinalrath  Dr.  Hofmann-Regensburg  als 
solcher  angenommene  und  von  ihm  zunächst  „B"  benannte 


106 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  11. 


der 


Bacillus    der    Erreger 

bis    heute    noch    nicht    ganz 

ebenso    wie    die    praktisch 

Bacillus  zutreffenden   Falls 

in    das    Feld    gefuhrt    werden 

gültig    entschieden  ist. 

In  den  herzoglich 
Katibor'schen  Forsten 
in  Schlesien  ging  man 
von  dem  Gedanken 
aus,  dass  eine  küust- 
liclie  Infection  der 
Kaupeii  mit  zerstören- 
den Pilzen  möglich  sei, 
und  bezog  aus  Bayern 
Flasqueriepilzc,  mit 
denen  man  gesunde 
Kaupen  impfte,  um  sie 
dann  in  die  befallenen 
Waldtheile  auszusetzen. 
Dann  unterliess  man  das 
Impfen,  züchtete  den 
Pilz  auf  gutem  Nähr- 
boden, namentlich  fri- 
schem l'ferdefleisch, 
und  brachte  dieses  in 
die  Bestände.  Doch 
bewährte  sich  diese  Me- 
thode nur  bei  günstiger 
Witterung ,  denn  bei 
warmem  Wetter  trock- 
nete das  Pferdefleisch 
sehr  rasch  aus  und 
überzog  sich  mit  einer 
harten  Haut. 

Am  21.  Juni  trat 
einzeln,  am 
und     zweit- 


Schlaffsucht   ist, 
zweifellos    fest 
wichtigste    Fra; 


erfolgreich 


kann. 


das    dürfte 
estellt    sein, 
:g,e,    ob    dieser 
gegen    das   Insect 
noch    nicht    end- 


gebracht 


keine 
Ei-fahi 


zunächst 
nächsten 
nächsten 


Tage  überall 


Gipfeln  ein.  Die  Ueber- 
tragung  der  inficirten 
Raupen  und  der  Gipfel, 
an  denen  dieselben  zu 
Tausenden  sassen ,  in 
benachbarte  Reviere 
hatte  sofortiges  Ein- 
treten der  Flasquerie 
zur  Folge,  sodass  die 
Vernichtung  der  Raupe 
mit  dem  Flasqueriepilze 
in  den  herzoglich  Rati- 
bor'schen  Forsten  ge- 
glückt ist;  ebenso  in 
den  Forsten  des  Her- 
zogs von  üjest  bei 
Slaventzitz  und  ebenso 
in  denen  des  Freiherrn 
von  Reibnitz  in  Dzier- 
gowitz. 

Die  Annahme,  dass 
in  diesen  Forsten  viel- 
leicht auch  ohne  die 
Einbringung  von  Pilzmaterial  die  Krankheit 
sei,  widerlegt  sieh  durch  Folgendes:  In  einer  vom  Frass 
gebiete  etwa  25  km  entfernten  Parzelle,  in  welcher 
während  der  vorhergehenden  Jahre  keine  Nonnenraupen 
gefunden  waren,  entwickelte  sich  in  1892  ein  bedeuten- 
der Frass  ganz "  gesunder  Raupen.  Nachdem  in  diese 
Parzelle  einige  AVipfel  mit  tlasqueriekranken  Raupen  ein- 


Figur 4 

Wipfelnde  Nounenrauiieii  (iipfclspitzc  einer  a.ijähri^'en  Fiehtenstange. 
von  A.  Wachtl. 


ausgebrochen 


waren,    verbreitete    sich    die  Krankheit  in  we- 
Tagen  über  die  ganze  Parzelle,   in  welcher  vorher 
kranke    Raupe    gefunden  worden  war.     Aehnliche 
ungen  wurden  in  den  fürstlich  Hohenlohe'schen  Re- 
vieren Jakobswald  und  liicbschau  gemacht. 

Aus  dem  Reviere 
Ratibor  wurden  nun 
am  8.  und  9.  Juli  1892 
Flas([ueriepilze  in  die 
Oberförsterei  Pfeils- 
walde (Reg.-Bez.  Gum- 
binnen)  versandt,  ge- 
sunde Raupen  wurden 
geimpft  und  kranke 
Raupen  nebst  deren 
Koth  in  den  von  dem 
Schädlinge  befallenen 
Waldthcilen  verbreitet; 
schon  am  11.  Juli  er- 
wies sigh  nach  der  Mit- 
theilung des  Regierungs- 
und Forstrath  Brink- 
mann die  grösste  Zahl 
der  untersuchten  Rau- 
pen als  krank,  am 
15.  Juli  wurden  von 
80  Raupen  nur  noch 
drei  anscheinend  ge- 
sund befunden,  am  10. 
Tage  wurile  im  engeren 
und  weiteren  Impfbe- 
zirke der  etwa  10(  )0  ha 
umfassenden  Frassbc- 
stände  keine  zweifellos 
gesunde  Nonnenraupe 
mehr  vorgefunden.  „Die 
Impfung  erfolgte  vor- 
wiegend ausserhalb  der 
Leimbestände  auf  einer 
Fläche  von  etwa  300  ha 
derart,  dass  auf  60  bis 
70  etwa  20  m  im  Durch- 
messer haltenden  Plät- 
zen die  in  erreichbarer 
Höhe  am  Stanune  auf- 
gefundenen Raujten  n)it 
der  Impfnadel  ober- 
halb des  Afters  durch- 
stochen wurden.  Das 
Impfen  wurde  etwa  an 
5000  Raupen  ausge- 
führt. Als  Inipfflüssig- 
keit  wurde  theilweise 
der  aus  den  schlesischen 
Raupen  entnommene 
jaucheartige  Leibesin- 
halt, theilweise  eine  aus 
solchem  Leil)esinhalte 
(Aus  „Die  Nonne"  in  Koch'sciier  Gclatiue 
Aufl.  is:r2  Wien.)  gezüchtete,  verflüssigtc 

gemischte  Pilzcultur 
verwendet.  Als  Impf- 
nadeln wurden  gewöhnliehe  Stahlnadeln  gebraucht,  welche 
vor  jedem  Impfstich  in  die  pilziialtige  Flüssigkeit  mit  der 
Spitze  eingetaucht  wurden."  („Aus  dem  A\'alde'-  23.  X.  92.) 
Ausser  durch  Impfen  kann  die  Flasquerie  noch 
verbreitet  werden,  indem  man  Raupen  mit  Bakterien- 
Bouillon  bestreicht,  gesunde  Thiere  mit  kranken  zu- 
sammenbringt, das  Futter  mit  Pilzlösung  bespritzt,  kranke 


Nr.  11. 


Natiirwisseiispliaftliclie  Woehenscln-ift. 


107 


Raiipcu,  die  „Wipfel",  den  Kotli  derselben,  die  Eier,  die 
l'uppen  aus  Flasquerie- Beständen  in  andere  Waldtheile 
bringt  u.  A.  ni. 

Diese  in  Deutschland  mit  dem  Bacillus  „B  Hofm." 
gemacliten  Erfaliruniicn  s]»reelicn  dal'ür,  dass  er  der  Er- 
reger der  Schlafsucht  ist,  und  dass  die  Raupe  sehr  wohl 
mit  ihm  bekämpft  werden  kann;  die  hei  uns  hier  in 
Oesterreich  ausgeführten  Versuche  mit  dem  vom  Dr.  Hof- 
mann  selbst  bezogenen  Bacillus  ., H  Hofm.",  welche  im 
Auftrage  des  Ackerbau-Ministeriums  von  dem  Bakteriologen 
Dr.  Kornauth  im  Verein  mit  dem  Entomologen  der  k.  k. 
Versuchsanstalt,  Forstmeister  Fritz  A.  Wachtl  ausgeführt 
werden,  haben  keine  befriedigende  Ergebnisse  geliefert. 
Auch  Forstmeister  Keuss  in  Dobri.s  (Böhmen)  Hess  sich  zu 
Versuchen  im  Walde  wie  im  Studirzinmier  zwei  grosse 
Ballen  von  an  SchlafCsucht  verendeten  Raupen  und  Rein- 
culturen  des  Bacillus  ,,B  Hofm."  aus  Bayern  konmien, 
hatte  aber  ebenfalls  keine  positiven  Ergebnisse. 

Dass  diese  Frage  für  die  Praxis  und  das  W<dd  des 
allbeliebten  prächtigen  Fichtenhaines  von  ungemein  grosser 
Wichtigkeit  ist,  dürfte  auch  für  den  Nicht-Forstmann 
leicht  verständlich  sein;  sie  zu  studiren  und  womöglich 
recht  bald  zu  lösen,  darf  der  Forstmann  deshall)  sehr  wohl 
den  Naturforscher  bitten. 

Üb  noch  andere  Krankheiten  das  Inseet  und  nament- 
lich als  Raupe  hinzuraffen  vermögen,  und  was  zutretfenden 
Falles  diese  für  Krankheiten  sind,  darüber  hal)en  uns  die 
Herren  Entomologen,  Mycologen  etc.  noch  nicht  belehrt. 
Tn  der  Sitzung  der  bayrischen  A))geordneten  am  11.  März 
1892  sagte  Finanzminister  Dr.  Frhr.  von  Riedel:  .,Nach 
unseren  Erfahrungen  im  heurigen  Jahre  sind  die  Krank- 
heiten zu  sehr  verschiedenen  Zeitperioden  aufgetreten  und 
auch  in  ganz  verschiedener  Form,  und  es  ist  heute  noch 
nicht  festgestellt,  welche  Natur  diese  Krankheiten  haben. 
In  einzelnen  Bezirken  traten  die  Krankheiten  lasch  auf, 
wirkten    auch  ziemlich  rasch,    in  anderen  kamen  sie  erst 

Ende    Juni "      Zum    Beis])iele    wurden    vielfach 

Raupeneada\er  gel'unden,  welche,  wie  Forstrath  Professor 
Henschel    in   einem    im  Club    der  Land-  und  Forstwirthe 


zu  Wien  gehaltenen  Vortrage  ausführte,  von  rilzmyccl 
straff  ausgefüllt  waren;  ob  dieser  Pilz  nun  als  Parasit 
den  Tod  des  'riiieres  verursacht  oder  erst  nachher  als 
Sa])roi)hyt  Fuss  gefasst  hat,  kurz,  was  es  mit  ihm  für  eine 
Bewandniss  hat,  —  das  wissen  wir  nicht. 

Die  letzte  Frage,  welche  ich  hier  als  auch  von  all- 
gemeinem naturwissenschaftlichem  Interesse  kurz  l)erühren 
möchte,  und  welche  auch  auf  dem  Wiener  Nonnencongi-ess, 
allerdings  ergebnisslos,  besprochen  wurde,  ist  die  nach 
den  Ursachen  der  Entstehung  von   Nounencalamitäten. 

In  der  Aenderung  der  Cultur-  und  wirtlisehaftliehen 
Verhältnisse  die  Ursache  zu  sehen,  ist  nicht  begründet, 
denn  es  wird  auch  aus  jenen  Zeiten  schon  über  Nounen- 
calamitäten berichtet,  in  welchen  die  derzeitigen  Forst- 
wirthsehaftsgrundsätze  noch  nicht  in  Geltung  waren;  und 
auch  in  der  Gegenwart  tinden  sich  die  Nonnenverheerungen 
keineswegs  nur  in  jenen  Gegenden,  in  welchen  unsere 
derzeitige  Wirthschaft  statthat,  sondern  z.  B.  auch  in  den 
russischen  Urwaldungen,  aus  denen  ,ja  nachgewiesener- 
niaassen  die  Nonnensehwärme  der  .50  er  Jahre  gekommen 
sind.  Ueberdies  ist  die  Erklärung  mit  der  derzeitigen 
Wirthschaft  schon  deshalb  nicht  stichhaltig,  weil  sich  ja 
Nounencalamitäten  in  Zwischenräumen  von  Jahrzehnten 
einstellen,  während  die  Wirthschaftsverhältnisse  doch  Jahr 
für  Jahr  dieselben  sind.  Näher  liegt  es,  die  Veranlassung 
zu  derartigen  Massenvermehrungen  dieses  Schädlings  in 
der  Verschiebung  des  natürlichen  Gleichgewichtes  zwischen 
diesem  und  seinen  Feinden  zu  sehen,  welche  vielleicht 
in  den  Witterungsverhältnissen  —  günstig  für  die  Ent- 
wicklung des  Schädlings,  ungünstig  für  die  seiner  Feinde 
—  zu  suchen  ist,  welche  Ansieht  au(di  Forstrath  Professor 
Henschel  auf  dem  Nonnen-Gongress  in  Wien  vertrat; 
Näheres  wei.ss  man  aber  über  alles  dieses  nicht. 

Möge  diese  Arbeit  und  ihre  Veröffentlichung  gerade 
in  der  „Naturwissenschaftlichen  Wochenschrift"  die  wei- 
testen Kreise  der  Naturforscher  anregen,  diesen  zahl- 
reichen noch  zu  lösenden  Fragen  grösster  wirthschaft- 
licher  und  zweifelsohne  auch  wissenschaftlicher  Bedeutung 
näherzutreten! 


Beobaclitiiiii^  der  Aiulroinedideii  am  23.  ii.  27.  No- 
vember 1S92.  —  Dieser  Sternsehnuppenschwarm,  dem  man 
im  vergangenen  Jahre  mit  erhöhterem  Interesse  entgegen- 
gesehen hatte,  umsomehr  als  es  kurze  Zeit  hatte  scheinen 
können,  als  ob  der  Komet  Holmes  identisch  mit  dem  als 
S(dcheni  verloren  gegangenen  Kometen  Biela  wäre,  ist  bei 
uns  leider  einer  systematischen  und  erfolgversprechenden 
Be(djachtung  entgangen.  Mit  besonderem  Interesse  nehmen 
wir  daher  Kenutniss  von  einer  Zusammenstellung  bezüg- 
licher Beobachtungsergebnisse,  welche  Herr  H.  A.  Newton 
im  Januarhefte  des  American  Journal  of  Science  giebt. 

Am  Abend  des  23.  November  wurden  an  vielen 
amerikanischen  Orten  Sternschnuppen  beobachtet,  die  aus 
dem  Sternbilde  der  Andromeda  herstrahlten  und  wohl  als 
Theile  des  Biela'schen  Kometen  betrachtet  werden  dürfen. 

Dr.  Elkin,  New  Haven,  Connecticut,  berichtet,  dass 
er  sich  am  genannten  Abend,  um  7  Uhr,  im  Freien  be- 
fand, aber  trotz  klarem  Himmel  um  diese  Zeit  noch  nichts 
von  Sternschnupi)en  bemerken  konnte.  Etwa  um  IOV4  Uhr 
aber  wurde  er  durch  Dr.  Chase,  vom  Yale  Observatory,  be- 
nachrichtigt, dass  nunmehr  die  Sternschnuppen  sieh  in 
ganz  ungewöhnlicher  Zahl  einstellten.  In  der  That  wurden 
dann  zeitweise  deren  zehn  pro  Minute  gezählt.  Der  Hinnnel 
war  dabei  nur  noch  theilweise  klar.  Die  meisten  der 
wahrgenommenen  Bahnen  waren  sehr  kurz,  keine  über- 
sehritt eine  Ausdehnung  von  4  Graden.     Nur  wenige  der 


Sternschnuppen  erreichten  die  Helligkeit  von  Fixsternen 
erster  Grösse. 

Dr.  Chase  sell)er  hielt  sich  im  (iarten  des  Observato- 
riums auf  und  zählte  von  10^  15™  bis  10''  22'"  im  Ganzen 
16  Meteore.  In  den  folgenden  20  Minuten  zählte  er  deren 
weit  über  80,  sodass  die  GesammtzaJil  die  Hundert  gut 
überschritt.  Die  meisten  waren  schwach,  nnt  sehr  kurzen 
Bahnen.  Nur  wenige  hinterliessen  einen  Sehweif.  Ein 
Object  zeigte  indessen  einen  solchen,  der  15  Secunden 
sichtbar  blieb.  Der  Punkt,  von  dem  alle  diese  Meteore 
auszustrahlen  schienen  (Radiant),  war  sehr  nahe  bei 
;'  Andromedae.  Um  lOh  35'"  mussten  die  Herren  Elkin  und 
Chase  die  weitere  Zählung  leider  aufgel)en,  da  der 
Himmel  sich  innner  mehr  umzog,  sodass  weiteres  Beob- 
achten doch  nur  unzureichende  Resultate   liefern  konnte. 

Herr  Van  Name,  der  Universitätsbibliothekar,  hat 
etwas  später,  von  10''  50'"  bis  lO*»  55™  noch  50  Meteore 
gezählt.  Auch  er  hat  keine  besonders  markanten  Er- 
scheinungen zu  berichten. 

Professor  J.  R.  Eastman,  Washington,  D.  C,  schreibt: 
„Als  ich  an  der  Ecke  der  19.  und  der  North-Strasse  mich 
in  der  Mitte  des  Fahrwegs  befand,  bemerkte  ich  ein 
Meteor  nahe  bei'  ;'  Cassiopeiae  aufleuchten,  dem  dann 
schnell  zwei  andere  folgten.  In  ganz  kurzer  Zeit  zählte 
ich  deren  überhaupt  15,  und  von  10''  24™  bis  10''  43'" 
stellte    ich    102    Meteore    fest;    dann    von    10"»  59™   bis 


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Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  11. 


11h  lim  deren  111,  endlich  114  in  der  Zeit  von  IP  19"» 
l)is  11^  41"',  das  sind  also:  im  Ganzen  327  Meteore  in 
53  Minuten  durch  einen  Beobachter  gezählt.  Zwar  waren 
sie  im  Allgemeinen  über  den  ganzen  Himmel  vertheilt, 
wohin  ich  nur  blickte:  aber  im  ( Trossen  und  Ganzen 
schienen  sie  von  einem  Punkte  zu  strahlen,  ungefähr  in 
der  Mitte  zwischen  ;'  Andromedae  und  «  Cassiopeiae, 
und  nahe  bei  d  Persei.  Die  Coordinaten  dieses  Ra- 
dianten würden  also  etwa  sein  1''  35™  Rectascension  und 
+  51°  Declination.  Diese  Bestimmung  ist  indessen,  in 
Folge  der  sehr  weit  zerstreuten  Vertlicilnng  der  Meteore, 
nur  eine  nicht  allzu  genaue  Annäherung. '•  Einige  der 
von  E.  wahrgenommenen  Sternschnuiipen  waren  sehr  hell, 
und  eines  hinterliess  einen  Sciiweif  in  glänzender,  rother 
und  grüner  Färbung.  Bei  mehreren  dieser  Jleteore  hatte 
Prof.  Eastman  den  Eindruck,  als  ob  dieselben  nicht  weiter 
als  100  Yards  91'",  439  vom  Beobachter  entfernt  sein 
könnten,  eine  Wahrnehmung,  wie  er  sie  auch  schon  bei  dem 
grossen  Sternsclmuppenfall  vom  27.  November  1.S72  ge- 
merkt hatte. 

D.  Horgan,  Aufseher  am  neuen  Naval  Observatory 
zu  Washington,  tlieilte  Professor  E.  noch  Folgendes  mit. 
Mit  Eintritt  der  Dunkelheit  erschienen  schon  einige  ^leteore. 
Um  7''  waren  sie  schon  recht  zaldreich;  um  s''  und  um 
y''  nimmt  ihre  Zahl,  immer  mehr  anwachsend,  fortwährend 
zu;  vielfach  treten  jetzt  mehrere  zugleich  auf.  -Um 
9^  31™  ist  die  Anzahl  noch  grösser;  viele  der  Meteore 
hinterlassen  rotlie  und  urangefarbene  Schweife.  Endlich 
um  9''  40'"  muss  das  Zählen  aufgegeben  werden,  da  jetzt 
die  Sternschnuppen  in  zu  cm  inner  Menge  auftreten.  Dieses 
Anwachsen  in  der  Häutigkeit  dauert  noch  bis  10''  45'",  ein 
merkliches  Nachlassen  in  der  Zahl  tritt  erst  nach  1 1*"  25'" 
ein.  Etwa  um  ll^  25°'  war  noch  „ein  ganzer  Haufen  auf 
einmal"  (a  cluster)  etwa  von  15°  unter  Polaris  aus  nach  dem 
Horizont  zu  gefallen.  Im  Uebrigeu  stimmen  die  Angaben 
dieses  Beobachters  über  den  Radiations])unkt  mit  dem 
obigen.  Horgan  hat  die  Erscheinung  auch  später  wäh- 
rend der  Nacht  verfolgt.  Um  Mitternacht  waren  noch 
zahlreiche  Meteore  zu  sehen,  doch  waren  die  einzelnen 
Individuen  bedeutend  schwächer  als  in  den  vorhergehenden 
Stunden.  Audi  um  1''  früh  fielen  noch  sehr  viele;  und 
bis  zum  Heraufkommen  des  Tageslichts  konnten  inniier 
noch  einzelne  \\ahrgenommen  werden. 

Professor  A.  W.  Phillips  hat  am  23.  November  bei 
Griswald,  Conn.,  in  einem  otfencn  Wagen  fahrend,  von 
8^  15™  bis  8''  50'"  an  200  Sternschnupi)en  gezählt,  darunter 
mehrere  sehr  helle.  Der  Radiationspunkt  lag  in  Andromeda. 

Herr  E.  W.  Abell  hat  im  Verein  mit  anderen  den 
Hinnnel  systematisch  so  überwacht,  dass  von  je  vier  15e- 
obachtern  je  einer  ein  Viertel  des  Himmels  auf  sich  nahm. 
Gegen  etwaige  Doppelzähinng  hatte  man  sich  auch  ge- 
sichert. In  den  fünf  Minuten  von  W  7'"30s  bis  10''  12'"  30« 
zählte  man  so  im  Süden  29,  im  Westen  18.  im  Norden 
35  und  im  Osten  52  Meteore,  im  Ganzen  etwa  134.  We- 
nige Minuten  nachher  zählten  zwei  Beobachter,  nach 
Osten  sehend,  in  fünf  Minuten  71  Sternschnuppen. 
Mr.  Abell  bestimmt  den  Radiationspunkt  in  1''  40'"  Rectas- 
cension und  -1-35°  Declination. 

Aus  Albu(iuerque,  Neumexico,  schreibt  Reverend 
M.  R.  Gaines,  dass  er  kurz  vor  10  Uhr  in  wenig  Mi- 
nuten mehr  als  100  Meteore  zählte,  die  oft  zu  dreien  und 
mehr  zugleich  fielen. 

Ausser  diesen  Meldungen  liegen  noch  zahlreiche  an- 
dere, über  die  ganzen  Vereinigten  Staaten  vertheilte,  vor. 

Herr  Newton  ist  der  Ansicht,  dass  dieser  ganz  ausser- 
ordentliche Sternschnuppcnfall  eine  Wiederholung  der  am 
24.  Novendjer  1872  in  New  llaven  und  Germantown  wahr- 
genommenen Erscheinung  sein  möge,  dagegen  nicht  mit 
dem  ebenso  grossartigcn  Himmelsschauspiel  in  Zusammen- 


hang stehe,  welches  damals  in  Europa  drei  Tage  später 
am  27.  November  1872  sich  darbot. 

Am  24.,  25.  und  26.  November  1892  wurden,  soweit 
Herr  Newton  unterrichtet  war,  in  den  Vereinigten  Staaten, 
o])gleich  es,  namentlich  in  deren  Osten,  heller  Himmel  war, 
keine  Androraediden  wahrgenonunen.  Am  27.  war  überall 
])cdcckter  Himmel. 

Dagegen  haben  Herr  A.  J.  Newton  und  Frau  A.  G. 
Dana,  als  sie  in  der  Nacht  des  27.  November  von  Torrcau 
in  Mexico  nach  New  Orleans  fuhren,  durch  die  Fenster 
des  Wagens  zahlreiche  Meteore  gesehen.  „Es  war  ganz 
vergebens",  sagt  Mrs.  Dana,  „sie  zählen  zu  wollen.  Sie 
kamen  zu  zweien  und  mehr  auf  einmal  und  bildeten  im 
vollen  Sinne  des  Wortes  ein  ununterbrochenes  liinnnlisehes 
Feuerwerk." 

Wie  wir  nachträglich  aus  No.  3152  der  Astro- 
nomischen Nachrichten  (ausgeg.  13.  Februar)  ersehen,  ist 
auch  in  Prag  der  23.  Novend)er  sehr  ergiebig  gewesen 
in  Bezug  auf  Steruschnuppenbeobachtungen.  Herr 
G.  Gruss  von  der  Sternwarte  der  czechischen  Universität 
theilt  mit,  dass  am  23.  November  1892  nach  10^  Abends 
häufige  Sternschnuppen,  jede  Minute  wenigstens  eine  ge- 
sehen wurde;  von  16''  (d.  i.  4''  Morgens  am  24.  November) 
an  wurden  dann  besonders  häufige  Sternsclinuppen  von 
kurzen  Bahnstrecken  mit  ausgeju-ägter  Kadiation  aus 
Andromeda  und  auch  Cassiopeia  beobachtet.  Diese  letzte- 
ren Erscheinungen  sind,  wenn  man  die  Längendifferenz 
Prag — ^^'ashing•ton  beachtet,  offenbar  demselben  Theil  des 
Sciuvarmes  augehörig  gewesen,  wie  die  in  Washington 
l)eol)achteten.  Grs. 


Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben. 

Ks  wiu-loii  enuiiint:  In  dci-  ini-diciiiisclicn  Faciilr.it  der  Uiü- 
vcisität  zu  Leipzig  die  bislicriffcn  I'iivatdocentfii  Dr.  med.  Len- 
liiirtz,  Dr.  med.  Karg-  und  Dr.  iiumI.  Döderlein  zu  ausser- 
orilent  Hell  eil   Professoren 

Ka  sind  gestorben:  Der  Öriiiflioldge  .Stani  sl  niis  Alessi  zu 
Gabes.  —  Der  Forstmann  Josef  Wr  bat  a  zu  Stadion-Tliannhausen 
in  Böineii.  —  Der  Professor  der  F'liarmacologie  und  Pliamaeoguosie 
N.  Th.  Mentin  in  Warschau.  —  Der  botanisebe  Reisende  und 
(lärtner  Jobannes  Braun  auf  Madagasear,  Sobn  des  bekannten 
verstorbenen  Botanikers  Prof.  Alexander  Braun  in  BerHn. 


In  den  Tagen  vom  5.  bis  7.  April  findet  in  Stuttgart  der 
X.  Deutsche  Geographentag:  statt.  In  Verliindiiiig  damit  ist  eine 
ört'eiitliebe   Ausslelhiiig  ge|daiit. 


Der  12.  Congress  für  innere  Medicin  findet  vom  1'2.  — IJ.  A|iril 
zu    Wiesbaden   statt.   —    Priisideiit:    I  iii  in  er  in  ;in  n   (Basel). 


Der  22.  Congress  der  deutschen  Gesellschaft  für  Chirurgie 

wird  vom  12.— l'i.  April  in  lierliii  im  Laugeiilieekliaiise  statt- 
finden. —  Vorsitzender:  Geb.  Batli  Kii  ii  ig  (<  iiittingi'n),  stiindiger 
Seliriftführer:    Geh.   Ratli   Gurlt. 


L  i  1 1  e  r  a  t  u  r. 

Dr.  Eugen  Dreher,  Der  Materialismus,  eine  Verirrung  des 
mi-nselilieheii  (lei.st.'s.  widerlegt  durch  eine  zeitgeinässe  Welt- 
anschauung.    Berlin  W,   18'J2.  "  S.  Gerstmann's  Verlag. 

Der  Verf.  unternimmt  es.  dem  wissenschaftlichen  Mati'rialis- 
inns  den  Boden  unter  deu  Füssen  zu  entziehen,  indem  er  sich  auf 
die  Ergebnisse  stützt,  zu  denen  eine  wissenschaftliche  Unter- 
suchung der  Sinneswahrnehmungen,  der  Gediichtnissthätigkeiten 
und  der  in  dein  Satze  „cogito,  ergo  sum"  ausgedrückten  That- 
sacbe  führt. 

jMit  eindringender  kritischer  Schärfe  geht  er  den  wichtigatmi 
grunillegenden  Problemen  sowohl  der  Naturwissenschaft  wie  der 
Philosophie  zu  Leibe.  Besonders  lesenswerth  und  anregend  sind, 
abgesehen  von  den  Erörterungen  über  das  Wesen  und  den  Unter- 


Nr.  11. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


109 


schied  von  Materie  und  Geist,  die  Ausführungen  des  Verf.  über 
die  Denkconflicte,  zu  denen  der  menschliche  Oeist  geführt  wird, 
und  über  die  Willensfreiheit.  —  Nicht  unterschreiben  kann  iih 
die  Ansicht  des  Verf.,  dass  Leben  und  Bewusstsein  nicht  prin- 
cipiell  verschieden  von  einander  seien;  auch  seine  „Zelllieseelung" 
kann  ich  nicht  annehmen;  und  ferner  ist  mir  „Kraft"  nichts  weiter 
als  bewegte  Materie,  wähi'end  sie  der  Verf.  sich  als  etwas  von  der 
Materie  wesentlich  Verschiedenes  vorstellt,  indem  er  so  einem  zweiten 
Dualismus  (von  Kraft  und  Stoff  —  neben  dem  von  Geist  und 
Materie)  huldigt.  Widersprechen  muss  ich  auch  dem  Ausspruche, 
dass  Gustav  Jaeger  (wegen  seiner  Seelentheorie)  „sich  zum  gröb- 
sten Materialismus  bekenne";  Seele  im  Sinne  Jaeger's  und  Geist 
ist  zweierlei.  —  Doch  sind  das  nur  einzelne  Ausstellungen,  die 
ich  zu  machen  habe;  im  Ganzen  —  auch  in  ihrem  Nachwort  — 
ist  die  Schrift  als  eine  in  hohem  Maasse  fesselnde,  geistvolle  zu 
bezeichnen.  Dr.  K.  F.  Jordan. 


August    Weismann,    Die    Kontinuität    des    Keimplasmas     als 

Grundlage  einer  Theorie  der  Vererbung.  2.  Auflage.  Verlag 
von  Gustav  Fischer.  Jena  1892.  —  Preis  2,.jO  M. 
Die  neue,  2.  Auflage  der  bekannten  Weismann'schen  Schrift 
unterscheidet  sich  von  der  ersten,  1885  erschienenen,  nur  durch 
einige  von  dem  Autor  hier  und  da  angeführte  Anmerkungen. 
Da  diese  wesentlich  Neues  nicht  bringen,  so  beschränken  wir  uns 
mit  der  Anzeige  des  Erscheinens  der  neuen  Auflage. 


H.  £ck,  Geog'nostisclie  Beschreibung  der  Gegend  von  Baden- 
Baden,    Rothenfels,    Gernsbach    und  Herrenalb.     Mit  Karte. 

Herausgegeben  von  der  K.  Preussischen  Geologischen  Landes- 
anstalt. [In  Comm.  bei  der  Simon  Schropp'schen  Hof-Land- 
karten-Handlung (.1.  H.  Neumann.)]     1892. 

In  diesem,  „auch  für  einen  grösseren,  nicht  fachmännischen 
Leserkreis"  bestimmten  Werk  giebt  der  Verf.  einen  umfassenden 
Ueberblick  über  die  geologischen  Verhältnisse  einer  der  schönsten 
und  (wie  dies  ja  fast  stets  zusammentrifl't)  geognostisch  inter- 
essantesten Gegenden  Sud-West-Deutschlands  und  zugleich  über 
die  allmälige  Entwicklung  unserer  Kenntniss  jener  Verhältnisse. 
Er  will  mit  seiner  Arbeit  keine  erschöpfende  Darstellung  geben, 
wie  .sie  eine  geognostische  Landesuntersuchung  von  Staatswegen 
liefern  kann  und  muss,  sondern  wünscht  sie  nur  als  einen  Beitrag 
dazu  aufgefasst  zu  sehen,  „wie  ein  Privatmann,  abhängig  von  der 
ihm  zu  Gebote  stehenden  Zeit  und  den  verfügbaren  Mitteln,  ihn 
geben  kann."  Man  darf  es  als  bedauerlich  bezeichnen,  dass  sich 
der  Verf.,  der  die  ihm  von  seinem  Lehramt  frei  gelassene  Zeit 
während  zwanzig  Jahren  zum  grossen  Theil  der  geologischen  Er- 
forschung des  Schwarzwaldes  gewidmet  hat,  (wie  er  im  vorlie- 
genden Werk  berichtet,  hat  er  seine  Aufnahmen  im  Schwarzwald 
1873  begonnen)  sich  den  amtlichen  geognostischen  Arbeiten  in 
jenem  Gebiet  gegenüber  als  Privatmann  bezeichnen  muss,  wie  es 
auch  allgemein  überrascht  hat,  in  den  vor  Kurzem  aller  Orten  zu 
lesenden  Berichten  über  die  Beendigung  der  württembergischen 
geognostischen  Spezialkarte  den  Verfasser,  der  unter  den  Lebenden 
als  bester  Kenner  der  deutschen  Trias  gilt,  nicht  unter  den  Mitar- 
beitern anzutreffen.  —  Den  früheren  auf  den  Schwarzwald  sich  be- 
ziehenden Veröffentlichungen  des  Verf.,  von  denen,  als  auch  wei- 
teren Kreisen  dienend,  nur  die  geognostischen  Partiekarten  aus 
dem  mittleren  Theil  des  Gebirgs  (Gegend  von  Ottenhöfen,  Umge- 
bung der  Renchbäder,  Umgebung  der  Schwarzwaldbahn,  Umgegend 
von  Lahr,  die  letzgenannte  Karte  mit  ausführlichen  Erläuterungen), 
und  die  ausgezeichnete  Zusammenfassung  unserer  heutigen  ge- 
ognostischen Kenntniss  des  Schwarzwaldes,  die,  wie  schon  ange- 
deutet, vom  Verf.  ausserordentlich  gefördert  worden  ist,  in  der 
geognostischen  Karte  des  Schwarzwaldes  in  1:200  000  und  zwei 
Blättern  genannt  sein  mögen,  reiht  sich  der  vorliegende  starke 
Band,  als  Heft  6  der  neuen  Folge  der  „Abhandlungen"  von  der 
Preussischen  Geolog.  Landesanstalt  herausgegeben,  würdig  an. 
Nach  einem  sorgfältigen  Litteratur-Verzeichniss,  einem  Rückblick 
auf  frühere  geognostische  Untersuchungen  des  behandelten  Ge- 
birgsabschnittes  und  einem  allgemeinen  topographischen  und 
geognostischen  Ueberblick  desselben  werden  die  geognostischen 
Formationen  im  Einzelnen  nach  Entwicklungs-  und  Lagerungs- 
verhältnissen besprochen:  Grundgebirge  und  die  darin  enthaltenen 
krystallinischen  Massengesteine,  Uebergangsgebirge  und  die  zu- 
gehörigen Massengesteine,  Steinkohlengebirge,  das  Rothliegende 
und  die  Porphyre,  Buntsandstein,  dann  die  jüngeren  Gebirgs- 
glieder;  endlich  folgen  ausführliche  Angaben  über  Verwerfungs- 
klüfte, Mineralgänge  und  Quellen.  Die  äusserst  sorgfältige  Arbeit 
des  Verf.  zeigt  sich  auf  jeder  Seite ;  überall  handelt  es  sich  um 
möglichst  genaues  Studium  aller  Einzelheiten,  um,  hierauf  fussend, 
zu  einem  möglichst  richtigen  Gesammthild  zu  kommen;  überall 
wird  sorgfältig  erwogen:  welche  Angaben  früherer  Autoren  lassen 
sich  mit  den  damals  vorhandenen  und  den  seither  hinzugekommenen 
Beobachtungen  belegen,  welche  beruhen  auf  nicht  zu  begründenden 


Annahmen.  Als  Beleg  dafür,  was  der  Verf.  mit  seinen  eigenen 
Aufnahmen  geleistet  hat,  mag  angeführt  sein,  dass  auf  der  Karte 
im  oberen  Rothliegenden  neun  verschiedene  Abtheilungen,  bei 
den  Porphyren  sieben  Gruppen  auseinander  gehalten  sind. 
Die  Karte,  deren  Situationsgrundlage  aus  der  früheren  ba- 
dischen topographischen  Karte  in  1  :  50  000  übergedruckt  ist, 
reicht  von  der  Linie  Bühl-Hohlohkopf  im  Süden  bis  Maisch  im 
Norden  und  von  der  Linie  Wild-(Horn)-See-Pfaffenroth  im  Osten 
bis  zur  Rheinebene.  Dabei  greift  der  Te.xt  vielfach  über  den 
Rahmen  der  Karte  hinaus,  so  namentlich  im  Osten  noch  weiter 
nach  Württemberg  hinein,  indem  hier  die  Verhältnisse  des  oberen 
Enzthals  noch  besprochen  werden.  Von  grossem  Interesse  ist 
ein  Vergleich  der  Karte  mit  den  innerhalb  ihres  Rahmens  in 
Betracht  kommenden  Sectionen  der  württembergischen  geolo- 
gischen Specialkarte  1  :  50000  (Wildbad  und  Altensteig);  es  zeigt 
sich  sofort,  wie  wenig  diese  Karte  gerade  für  den  Schwarzwald 
trotz  ihres  grossen  Maassstabs  heutzutage  den  Namen  einer  Special- 
karte verdient:  es  findet  sich  keine  Gliederung  des  Buntsand- 
steins (die  im  Schwarzwald  überhaupt  erst  von  dem  Verf.  durch- 
geführt worden  ist),  sogar  nicht  einmal  des  Rothliegenden,  keine 
der  beobachtbaren  Verwerfungsspalten,  deren  Verlauf  zumal  im 
ßuntsandstein  freilich  äusserst  schwierig  zu  verfolgen,  aber  für 
zutreffende  Vorstellungen  vom  Gebirgsbau  von  grösster  Wichtig- 
keit ist.  —  Möchte  die  Darstellung  des  Verf.  dazu  beitragen, 
auch  in  weiteren  Kreisen  in  Württemberg  die  Ueberzeugung  zu 
befestigen,  dass  eine  neue  Spezial-Kartirung  des  Landes,  von 
einer  geologischen  Landesanstalt  durchzuführen,  dringend  noth- 
thut.  Dabei  ist  freilich  zu  betonen,  dass  alle  weiteren  Ausgaben 
für  geognostische  Aufnahmen  so  lange  nicht  mit  dem  ent- 
sprechenden Erfolge  gemacht  werden,  als  ihnen  nicht  die  Blätter 
einer  genauen  Höhenkurvenkarte  in  1  :  25  000  zu  Grunde  gelegt 
werden  können.  Nicht  nur  der  Mangel  einer  geologischen  Landes- 
anstalt, sondern  auch  das  Fehlen  einer  heutigen  Anforderungen 
entsprechenden  topograjjhischen  Karte  grossen  Maassstabs 
weist  Württemberg  fast  allein  unter  den  deutschen  Staaten  in 
diesen  Dingen  eine  Stellung  zu,  die  ihm  gewiss  in  keiner  Be- 
ziehung zum  Vortheil  gereicht. 


R.  von  Stemeck,  Die  Schwerkraft  in  den  Alpen  und  die  Be- 
stimmung ihres  Werthes  für  Wien.  Sep. -Abdruck  aus  Bd.  XI. 
der  Mittheilungen  des  k.  k.  militär-geographischen  Institutes. 
Verlag  von  Vernay.    Wien  1892. 

Da  bereits  frühere  Messungen  des  Verf.  zur  Coustatirung  eines 
unter  dem  Alpengebiet  befindlichen  Massendefectes  geführt  hatten, 
wurden  neuerdings  die  Bestimmungen  der  Schwere  auf  Anregung 
Prof.  Helmerts  über  eine  grössere  quer  durch  die  Alpen  ziehende 
Strecke  ausgedehnt.  Lieber  diese  neuesten,  von  München  bis  zum 
Po  sich  erstreckenden  Messungen,  denen  noch  eine  Neubestimmung 
der  Grösse  der  Schwerkraft  für  Wien  voranging,  erstattet  v.  Sterneck 
in  der  vorliegenden  Schrift  eingehenden  Bericht.  Für  die  Grösse 
im  militär-geographischen  Institut  zu  Wien  gelangte  v.  Sterneck 
unter  Anschluss  an  die  gleichzeitig  in  München,  Padua  und  Wien 
(Türkenschanze)  ausgeführten  Beobachtungen  zu  dem  Resultate: 
g  =  9,80876  m,  dem  eine  Länge  des  Secundenpendels  von  993,836mm 
entspricht. 

Unter  Zugrundelegung  dieses  Werthes  wurde  nun  die  Schwere 
an  im  Ganzen  46  Stationen  ermittelt,  die  in  nahezu  meridianaler 
Richtung  sich  von  München  bis  zum  Po  hinziehen,  und  zu  denen 
noch  Padua  und  Venedig  hinzukommen.  Das  Ergebniss  dieser 
Bestimmungen  war  eine  glänzende  Bestätigung  des  Vorhanden- 
seins eines  grossen  Massendefects  unter  dem  Alpengebiet.  Nörd- 
lich dehnt  sich  dieser  Defect  bis  über  München  hinaus  aus;  in 
den  Centralalpen  erreicht  er  sein  Maximum,  indem  dort  der  Be- 
trag dem  Fehlen  einer  Schicht  von  1000 — 1200  m  Dicke  und  von 
der  Dichtigkeit  2,5  entspricht.  Nach  Süden  zu  hört  jedoch  der 
Defect  merkwürdigerweise  bereits  in  der  Gegend  von  Trient 
gänzlich  auf,  um  sehr  bald  in  eine  starke  Massenanhäufung  über- 
zugehen, welche  der  olieritalischen  Tiefebene  entspricht.  In  der 
Gegend  von  Mantua  macht  sich  indessen  bereits  wieder  der  den 
Apenninen  entsprechende  Defect  geltend.  Gebirge  und  Massen- 
defect,  Tiefebene  und  Massenanhäufung  entsprechen  also  ein- 
ander, doch  sind  die  Schwerestörungen  durchweg  etwa  um  50  km 
nach  Norden  verschoben. 

Die  Ursache  des  Massendefectes  kann  man  nach  v.  Sterneck 
am  besten  in  wirklichen  Höhlen  unterhalb  der  Gebirge  suchen, 
schwieriger  ist  aber  die  Massenanhäufung  unter  der  Tiefebene  zu 
erklären,  da  man  selbst  von  den  schwersten  uns  bekannten  Steinen 
Schichten  von  mehreren  Kilometern  Mächtigkeit  zur  Erklärung 
der  Schwerestörung  annehmen  müsste.  Jedenfalls  dürften  die 
Störungsmassen  schon  in  nicht  sehr  grosser  Tiefe  zu  finden  sein, 
worauf  die  Plötzlichkeit  der  Veränderung  der  Störung  an  der  Erd- 
oberfläche hindeutet.  F.  Kbr. 


110 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.   11. 


P.   Volkmann,    Vorlesungsn    über   die    Theorie    des   Lichtes. 

Unter  Rüoksioht  auf  die  elastisclir  und  plektrouiasuftische  An- 
schauung.   Leipzig.     B.  G.  Tt'ubner.     1891.     Preis    UM. 

Seit  den  epochemachenden  VeröflFentlichungen  von  Hertz  ini 
Jahre  1888  ist  die  Litteratur  über  die  Theorie  des  Lichtes,  nament- 
lich soweit  die  elektro-magnetische  Ansicht  in  Betracht  kommt, 
mächtig  gewachsen.  Aber  es  fehlte  uns  bisher  neben  Ma.xwell's 
grossem  Werke  selber  ein  Bnch,  in  dem  die  Faraday-Maxwell'sche 
Theorie  sowohl  ihrem  eigenen  inneren  Zusammenhange  nach,  wie 
auch  namentlich  in  ihren  Beziehungen  zur  elastischen  Lichttheorie 
dargelegt  wird.  Das  schöne  Buch  von  Poincare  hat  diese  Lücke 
doch  auch  nicht  ausgefüllt,  da  es  den  Gegenstand  weit  mehr  von 
der  rein  mathematischen  Seite  angreift. 

Umso  dankbarer  müssen  wir  Herrn  Volkmann  für  die  Heraus- 
gabe dieser  Vorlesungen  sein,  bei  denen  ausdrücklich  die  Kennt- 
niss  der  experimentalen  und  der  praktischen  Physik  voraus- 
gesetzt ist.  r,       ,.  1      ' 

Das  umfangreiche  W^erk  (27  Bogen)  führt  den  Studirenden 
in  der  besten  Weise  in  die  neuere  Anschauung  ein,  indem  es 
zeigt,  wie  sowohl  die  elastische  als  die  elektromagnetische 
Theorie  auf  dieselben  Gleichungen  führt,  wie  aber  gewisse  Con- 
stanten, so  z.  B.  die  Lichtgeschwindigkeit  für  letztere  Ansicht; 
aus  der  Theorie  selber  sich  bestimmen,  während  die  ältere  Lehre 
dies  nicht  aus  sich  selbst  heraus  konnte,  sondern  auf  die  Hülfe 
der  Beobachtung  recurriren  musste.  Auf  Einzelheiten  einzugehen, 
ist  hier  wohl  nicht  der  Ort.  Ich  kann  mir  aber  doch  nicht  ver- 
sagen, mit  der  grössten  Befriedigung  auf  die  Darstellung  des 
Huyghens'schen  Princips  hinzuweisen,  das'  in  den  meisten  Lehr- 
büchern der  theoretischen  Optik  mich  nie  befriedigen  konnte.       , 

Das  Werk  ist  nicht  nur  für  den  Studirenden,  sondern  auch 
für  den  Forscher  von  grösstem  Werthe  und  wir  sind,  wie  gesagt, 
Herrn  Volkmann  unsern  ganzen  Dank  dafür  schuldig.  Grs. 


A.  Engler  und  K.  Prantl,  Die  natürlichen  Pflanzenfamilien. 

Lief.  76—79.  Verlas;  von  Wilhelm  Engeluiiinn  in  Leipzig  1892 
bis  1893.  —  Preis  a "Lief,  in  Subscription  1,00  M.  —  Von  diesem 
prächtigen  Werk  können  wir  das  Erscheinen  von  vier  weiteren 
Lieferungen  anzeigen.  Lief.  76  enthält  den  Schluss  den  My.xo-l 
gasteres  und  den  Beginn  der  Pilze  (beide  Abtheilungen  bearbeiteti 
von  J.  Schröter).  Lief.  77  setzt  die  Besprechung  der  Legu- 
minosen fort  (P.  Taubert).  Lief.  78  bringt  den  Schluss  der 
Anacardiaceen  (Engler),  ferner  die  Cyrillaceen  (E.  Gilg),  Aqui- 
foliaceen  (M.  Kronfeld),  die  Celastraceen  und  den  Beginn  der 
Hippocrateaceen  (beide  Familien  bearbeitet  von  Th.  Lösen  er). 
Lief  79  endlich  besehliesst  die  Chenopodiaceen  (G.  Volkens)  und: 
bringt  den  Anfang  der  Amarautaceen  (H.  Schinz).  Da  auch 
diese  Lieferungen  keine  „Abtheilung"  des  Werkes  abschliessen, 
müssen  wir  ein  ausführliches  Eingehen  auf  den  Inhalt  verschieben. 


Sitzungsberichte  der  Eönigl.  Preussischen  Akademie  der 
"Wissenschaften  zu  Berlin.  1893.  No.  V,  VI,  VII.  —  Das  Heft 
enthält  die  Berichte  über  die  Sitzungen  am  2.  und  !).  Februar  und 
drei  Abhandlungen.  F.  Rinne:  Ueber  norddeutsche  Basalte. 
Die  stratigraphischen,  wesentlich  aber  petrographischen  Unter- 
suchungen erstrecken  sich  auf  die  verhältnissmässig  wenig  be- 
kannten nördlichsten  Basaltvorkommen  Deutschlands.  Der  Ver- 
fasser hat  gegen  100  Fundpunkte  besucht,  welche  alle  nördlich 
einer  Linie  von  Gudensberg  nach  Eschwege  in  Hessen  liegen  und 
deren  am  weitesten  nach  Norden  vorgeschobener  der  isolirte  Basalt 
bei  Sandebeck  im  Teutoburger  Walde  ist.  G.  Linck:  Ueber 
Hercynit  aus  dem  Weltlin.  Der  Autor  hat  gelegentlich  seiner 
Untersuchungen  des  Gabbro-Gesteines  im  oberen  W'eltlin  daselbst 
ein  Hercynit -Vorkommen  entdeckt  Willy  Wien:  Eine  neue 
Beziehung  der  Strahlung  schwarzer  Körper  zum  zweiton  Haupt- 
satz der  Wärmetheorie.  F.  K. 


Kupffer,  C.  v.,  Studien  zur  vergleichenden  Eutwicklungsgeschichti' 

des  Ko]ifes  der  Kranioten.     München.     10  M. 
Küpper,    C. ,     Geonietiische    Betrachtungen     auf   Grundlage    der 

Funetionentheorie.     Prag.     0,40  M. 
Lavoisier,  L.,  u.  P.  S.  de  Laplace,  Zwei  Abhandlungen  über  die 

Wärme.     Leipzig.     1,20  M 
Linstow,  V.,  Helminthen  von  Süd-Georgien.     Hamburg.     2  M.  , 
Mach,  E.,    Ergänzungen    zu    den    Mittheilungen    über   Projectile. 

Leipzig.     0,30  M. 
Mayer,  H.,  Geschichte  der  Universität  Freiburg  in  Baden  in  der 

1.  Hälfte  des  XIX.  Jahrhunderts.     Bonn.     2  M. 
Messtischblätter  des  Preussischen  Staates.     1:2.5,000.    Nr.  1013. 

Norden.    —    1018.     Wilhelmshaven.    —    1639.     Kreuz.    —    1923. 

Lewitz.  —  2058.  Bentschen.     Berlin,     a  1  M. 
Michaelsen,    W.,    Beschreibung   der   von   Dr.   Fr.   Stuhlmann   am 

Victoria  Nyanza  gesammelten  Terricolen.     Hamburg.     1   M. 
— ,— ,  Polychaeten  von  Ceylon.     Ebd.     1,50  M. 
Mielke,   G.,   Anatomische   und    physiologische  Beobachtungen  an 

den  Blättern  einiger  Eucalyptus-Arten.     Hamburg.     1,50  M. 
Neumann,  B.,   Nordafrika   (mit  Ansschluss  des  Nilgebietes)  nach 

Herodot.     Leipzig.     4  M. 
Noll,  F.,  Ueber  heterogene  Induktion.     Leipzig.     3  M. 
Obenrauch,  F.  J.,  Zur  Transformation  und  Reduktion  von  Doppel- 
integralen  mittelst  elliptischer  Coordinaten.    Neutitschein.    2  M. 
Pohlig,  H.,    Monographie    der  Elephas   antiquus  Falc.  führenden 

Travertiue    Thüringens,     ihrer    Fauna    und    Flora.      Stuttgart. 

12  M. 
Primics,   G.,    Das   Torflager   der  siebenbürgischen   Landestheile. 

Budapest.     1   M. 
Babenhorst,  L.,   et  G.  Winter,  Fungi   europaei  et  extraeuropaei 

exsiccati.     Dresden.     24  M. 
Bauber,  A.,    Lehrbuch    der    Anatomie    des    Menschen.     4.    Autl. 

Leipzig.     7  M. 
Bauff,    H.,     Untersuchungen    über    die    Organisation    und    syste- 

niatliische  Stellung  der  Receptaculitiden.     München.     5  M. 
Beyer,  E.,  Geologische  und  geographische  Experimente.    Leipzig. 

1,80  M. 
Sahlberg,   J.,   Einige   nordische  Alterationen    der  Schmetterlings- 
gattung Argynnis  Fabr.     Berlin.     1,60  M. 
Schmidkunz.    H.,     Der    Hypnotismus    in    gcmeinfasslicher    Dar- 

stellun;;.     Stuttgart.     3  M. 
Scknellinger,     J.,     Fünfstellige     Logarithmen     für     die    Zehner- 
Logarithmen    der    natürlichen     und    trigonometrischen    Zahlen. 

Wien.     3  M. 
Schutt,  F.,  Das  Pflauzenleben  der  Hochsee.     Kiel.     10  M. 
Seebach,    K.    v.,     Ueber    Vulkane    Centralamerikas.      Göttingen. 

26  M. 
Simroth,  H.,  Einige  Punkte  aus  der  Oekonomie  des  Weichthier- 

körpers,  ein  Capitel  über  Constitution.     Leipzig.     0,75  M. 

J" ''  d-x 

F  (x)  -^     Leipzig.     1,65  M. 
a  ^-^ 

Specialkarte,    geologische,    des    Königreich    Sachsen.     1  :  25,000. 

Lei])zig.     3  M. 
Stegemann,  M.,  Grundriss  der  Ditferential-  und  Integral-Rechnung 

6.  AuH.     Hannover.     12  M. 
Stegmann,  Tabelle  der  wichtigsten  Formeln  aus  der  Ditferential- 

Rechnung.     6.  Aufl.     0,50  M. 
Tscherski,    J.    D.,    Beschreibung     der    Sammlung    posttertiärer 

Säugethiere.  Leipzig. 
Vanhöffen,  E.,   Die  Akephalen   der   Plankton-Expedition.     Kiel. 

8  M. 
Vega's,  G.,   Frhr.  v..   Logarithmisch-trigonometrisches  Handbuch. 

74.  Aufl.     Berlin.     4,20  M. 
Velenovsky,  J.,  Neue  Nachträge  zur  Flora  von  Bulgarien.    Prag. 

0,40  .M. 
Weichold,    G.,    Lehrbuch     der    Determinanten     und    deren    An- 
wendungen.    Stuttgart.     10  M. 


Inhalt:  Prof.  Dr.  0.  Kirchner:  Christian  Konrad  Sprengel,  der  Begründer  der  modernen  Blumentheorie.  —  Obi-rförster  R.  Ritt- 
meyer: Ueber  die  Nonne  (Liparis  monaeha.)  (.Schluss.)  (Mit  Abbild.)  —  Beobachtung  der  Andromediden  am  23.  u.  27.  No- 
vember 1892.  —  Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben.  —  Litteratur:  Dr.  Eugen  Dreher:  Der  Materialismus.  —  August  Weismann: 
Die  Kontinuität  des  Keimplasmas.  —  H.  Eck:  Geognostische  Beschreibung  der  Gegend  von  Baden-Baden,  Rothenfels,  Gerns- 
bach  und  Herrenalb.  —  R.  von  Sterneck:  Die  Schwerkraft  in  den  Alpen  und  die  Bestimmung  ihres  Werthes  für  Wien.  — 
P.  Volkmann:  Vorlesungen  über  die  Theorie  des  Lichtes.  —  A.  Engler  und  K.  Prantl:  Die  natürlichen  Pflanzenfamilien. 
—  Sitzungsberichte  der  Königl.  Preussischen  Akademie  der  Wissenschaften  zu  Berlin.  —  Liste. 

Verantwortlicher  Redakteur:  Dr.  Henry  Potonie,  Berlin  N.  4.,  Invalidenstr.  40/41,  für  den  Inseratentheil:  Hugo  Bernstein  in  Berlin.  — 
Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.   12.  —  Druck:  G.  Bernstein,  Berlin  SW.  12. 


Nr.  11. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


XXI 


Die 


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XXII 


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jenigen B^reunden  der  Naturwissen- 
schaft etwas  bieten,  welche  weder 
die  Zeit  noch  die  Neigung  haben, 
sich  in  die  Einzelheiten  chemischer 
Forschung  zu  vertiefen.  Zum  Ver- 
ständnis sind  nur  ganz  geringe  Vor- 
kenntnisse erforderlich. 


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die  Reize  des  Spiels 

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Dr.  Alfred  Nehring, 

Professor  der   Zoologie   und  Vorsteher   der  zoologischen  Sammlungen  an  der 
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Eine  Theorie 


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Dr.  Arthur  Korn. 


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Zu  bezichen  durch  alle  Buchhandlungen. 


Redaktion:  f         Dr.  H.  Potonie. 

Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12,  Zimmerstr.  94. 


VIII.  Band. 


Sonntas-,  den  19.  März  1893. 


Nr.  12. 


Abonnement:  Man  aboniürt  bei  allen  BuchhandUuigen  und  Post- 

anstalten,  wie  bei  der  Expedition.    Der  Vierteljahrspreis  ist  JC  3.— 

BriDgegeld  bei  der  Post  15  -^  extra. 


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Inserate:  Die  viergespaltene  Petitzeile  40  ^.    Grössere  Aufträge  ent- 
sprechenden Rabatt.  Beilagen  nach  üebereinkunft.  luseratenannahme 
bei  allen  Annocenbureaux,  wie  bei  der  Expedition. 


Abdrnck  ist  nur  mit  vollständiger  (^nellenangabe  gestattet. 


Christian  Konrad  Sprengel,   der  Begründer  der  modernen  Blumentheorie. 


Von  Prof.  Dr.  U.  Kirchner. 
(Schluss.) 


beeug"te    Verhältnisse 


Theologie    und    Philologie    gewidmet   haben. 


lieber  die  Lebensschicksale  des  merkwürdigen  Jlannes 
besit7.cn  wir  nur  ziemlich  spärliche  Nachrichten*).  Geboren 
wurde  Christian  Konrad  Sprengel  im  Jahre  1750  zu 
Brandenburg  a.  H.  als  Sohn  eines  Geistlichen.  Sein  Ju- 
gendlcben  spielte  sich  im  elterlichen  Pfarrhause  ab,  und 
hier  bot  sich  ihm  Gclegenlieit,  die  Natur  beobachten  und 
lieben  zu  lernen;  nur  widerwillig  soll  er  sieh  dem  durch 
ihm    aufcedräns'ten    Studium    der 

Von  1774 
bis  1780  war  er  als  Lehrer  an  der  Schule  des  Grossen 
Friedrichs-Hospitales  in  Berlin  angestellt,  wobei  er  zu- 
gleich Unterricht  an  der  königlichen  Ecole  inilitaire  er- 
theilte.  Am  25.  April  1780  wurde  er  auf  Empfehlung 
eines  Professors  Zierlein  am  grauen  Kloster  als  Reetor 
an  die  Grosse  Schule  (jetzt  Gymnasium)  nach  Spandau 
berufen,  nachdem  er  am  20.  März  seine  Probeleetion  ge- 
lesen hatte.  Er  hielt,  wie  uns  berichtet  wird,  eine  An- 
trittsrede von  dem  Nutzen  der  griechischen  und  latei- 
nischen Sprache  „gründlich  und  mit  Beifall."  In  dieser 
Stellung  verblieb  Sprengel  bis  zum  Jahre  1793,  unter 
vielen  Widerwärtigkeiten,  welche  durch  Streitigkeiten  mit 

*)  Als  Quellen  zu  der  -folgenden  biographischen  Skizze 
dienten  ausser  Sprengels  eigenen  Schriften:  1.  Erinnerung  an 
Christian  Konrad  Sprengel,  nebst  einigen  Bemerkungen  aus  seinem 
Leben.  Von  H.  B.  in  der  Flora,  Bd.  2.  1819,  S.  .541— 552.  2.  Wort- 
getreue Auszüge  aus  dem  im  Besitze  der  St.  Nieolai-Kirelie  zu 
Spandau  befindlichen,  von  dem  ehemaligen  Inspector  (d.  i.  Super- 
intendent) D.  F.  Schulze  (gestorben  1811)  herrührenden  Manuscript : 
„Zur  Beschreibung  und  Geschichte  der  Stadt  Spandau  gesaumielte 
Materialien".  Diese  Auszüge  Hess  die  Redaetion  der  „Naturw. 
■  Wochenschr."  anfertigen  und  stellte  sie  dem  Verf.  zur  Verfügung, 
der  Herrn  Dr.  Potonie  nicht  hur  aus  diesem  Anlass,  sondern  auch 
für  die  sonstige  von  ihm  im  Intex-esse  des  vorliegenden  Aufsatzes 
aufgewendete  Midie  und  für  nuinche  werthvolle  Anregung  seinen 
vi'rbindlichsten  Dank  ausspricht,  (Die  Auszüge  aus  dem  Schulze- 
scheri  Manuskript  werden 'in  der  ,,Naturw.  Wochenschr."  zur  Ver- 
öffentlichung gelängen.  —  Red.)  3.  Schriftliche  Mittheilungen 
von  Seiten  des  Herrn  Forstmeisters  Sprengel  in  Bonn,  dessen 
Nachforschungen  nach  biograiihischem  Material-  indessen  leider 
von  geringem  Erfolge  waren.  Aucli  ihm  spreche  ich  an  dieser 
Stelle  meinen  besten  Dank  aus.  .  -    ■     • 


seinem  kirchlichen  Vorgesetzten,  einem  Inspector  (d.  i. 
Superintendent)  Schulze,  und  durch  Beschwerden  von 
Eltern,  die  ihre  Söhne  von  dem  Schulreetor  zurückgesetzt 
und  niisshandelt  glaubten,  veranlasst  wurden.  Von  diesen 
Streitigkeiten  ist  eine  sehr  ausführliche  Schilderung  aus 
der  Feder  Schulze's  in  dem  schon  erwähnten  Manuscript, 
der  sogen.  Schulze'seheu  Kirchenchronik,  enthalten,  in 
welcher  natürlich  Sprengel  in  einem  wenig  günstigen 
Lichte  erscheint;  es  geht  aus  der  Darstellung  hervor,  dass 
letzterer  es  einerseits  mit  einem  sehr  wenig  wohlwollenden 
Vorgesetzten  zu  thun  hatte,  andererseits  aber  wohl  auch 
durch  uunöthigcn  Eigensinn  und  durch  Uebereilungen 
selbst  mancherlei  Schwierigkeiten  bereitete.  Sprengel 
scheint  übrigens  in  Berlin  einflussreiche  Gönner  gehabt 
zu  haben,  bei  denen  er  sich  Eatbs  erholte,  und  die  ihn 
gegen  die  einseitigen  Berichte  Schulze's  in  Schutz  nahmen; 
so  viel  ist  sicher,  dass  seine  amtliche  Thätigkcit  im  Ver- 
laufe der  vielfachen  Anklagen,  Berichte  und  Entschei- 
dungen des  Oberconsistoriums  in  Berlin  mehrfach  aus- 
drücklich anerkannt  wurde.  Wenn  ihm  also  auch  eine 
Vernachlässigung  seiner  Amtspflichten  nicht  direct  nach- 
gewiesen werden  konnte,  so  hat  er  sich  doch  oft'enbar 
—  spätere  eigene  Aeusserungen  von  ihm  bestätigen  das  — 
um  Zeit  für  seine  botanischen  üntersuchunge  n  zu  ge- 
winnen, auf  das  unbedingt  Nothwendige  beschränkt.  So 
lehnte  er  es  —  auch  dies  war  ein  Anlass  zu  vielen 
Zwistigkeiten  —  jahrelang  mit  gleicher  Entschiedenheit 
ab.  Privatstunden  zu  ertheilen,  was  früher  immer  üblich 
gewesen  war,  und  wozu  man  ihn  durchaus  wieder  ver- 
anlassen wollte.  Seine  Stellung  war  nicht  gerade  glän- 
zend, aber  für  die  damaligen  Zeitverhältnisse  und  für 
einen  unverheiratheten  Mann,  wie  Sprengel  es  gewesen 
und  geblieben  zu  sein   scheint,*)  auch  nicht  schlecht;    er 

*)  In  dem  Aufsatz  in  der  Flora  heisst  es  (S.  54-i):  „Verhei- 
rathet  ist  er,  soviel  ich  weiss,  niemals  gewesen."  —  Herr  Forst- 
meister Sprengel  schreibt:  „Es  ist  mir  nicht  gelungen,  festzustellen, 
ob  er  verheirathet  gewesen  ist;  Kinder  sind  aus  einer  etwaigen 
Ehe  nicht   hinterblieben."  ■ 


112 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  12. 


bezog-   anfänglich    etwa    260  Tlialer  baar,    besserte  .sich 
aber  im  .Jahre  1791  durch  ein  dem  Keetoramt  zugefallenes 

auf 


Legat  so  auf 


dass    sich   seine    „sichere  Einnahme" 


402  Thlr.  20  Gr.  belief.  Dabei  hatte  er  in  der  Woche 
nur  13  Stunden  Unterricht  zu  ertheilen;  erst  zu  Beginn 
des  Jahres  1792  wurde  ihm  auf  unermüdliches  Betreiben 
Schulze's  zur  I'rticht  gemacht,  (J  hStuuden  mehr  zu  geben, 
und  nun  hatte  er  zu  unterrichten  :  i\  Std.  Latein  in  der 
oberen,  2  Std.  Latein  iu  iler  combinirten  o.  und  4.  Classe, 
2  Std.  Religionsunterricht,  1  Std.  Naturgeschichte,  3  Std. 
Deutsche  Sprache,  o  Std.  Rechnen  und  Mathematik,  2  Std. 
Französisch.  (Tclegentlich  dieser  Vorschrift  bemerkt  sein 
Vorgesetzter  und  Gegner  mit  merklichem  Aerger:  „es  sei 
Sprengel  iu  dem  Rescript  so  sanft  begegnet  worden,  dass 
sogar  seine  dem  OberschulcoUegio  hinlänglich  bekannte 
Geschicklichkeit  gerühmt  worden".  ludessen  hörten  die 
Zänkereien  nicht  auf,  und  1798  setzte  Schulze  endlich  die 
Pensionirung  des  „jähzornigen  und  eigensinnigen  Mannes", 
wie  er  ihn  nennt,  durch.  Dieselbe  erfolgte  definitiv  am 
26.  August  1794  mit  einer  Pension  von  150  Thlr.  Es  ist 
also  keineswegs  richtig,  wenn  später  in  dem  Bericht  in 
der  Flora,  und  danach  in  anderen  Lebensbeschreibungen 
Sprengel's,  erzählt  wird,  er  sei  wegen  Vernachlässigung 
seiner  Amtsptiichten  über  seinem  Eifer  für  die  Botanik 
seines  Amtes  entsetzt  worden. 

So  unerquicklich  verlief  der  Aufenthalt  Sprengel's  in 
Spandau  in  amtlicher  Hinsicht,  dass  er  es  später  vermied, 
auch  nur  von  dem  Orte  zu  sprechen,  an  dem  er  seine  bota- 
nischen Studien  begonnen,  und  wo  er  die  lange  Reihe  seiner 
Entdeckungen  gemacht  hatte.  Die  Anregung  zur  Be- 
schäftigung mit  der  Botanik  verdankte  er  dem  berühmten 
Arzte  Ernst  Ludwig  Heim,  welcher  1775—1783  in  Spandau 
lebte;  also  nuiss  wohl  Spreugel  bald  nach  seiner  Ueber- 
siedeluug  dorthin  (1780)  sich  der  Botanik  zugewendet 
haben.  Später  mag  ihm  das  nahe  Berlin  litterarische 
Hilfsmittel,  sowie  Belehrung  durch  persönlichen  Verkehr 
geboten  haben.  Der  bekannte  Geschichtsschreiber  der 
Botanik,  Kurt  Sprengel,  einer  der  hervorragendsten  Bo- 
taniker seiner  Zeit,  war  sein  Neffe,  und  mit  diesem  nur 
um  16  Jahre  jüngeren  Manne  dürfte  der  (Jheim  wohl  auch 
in  wissenschaftlicher  Verbindung  gestanden  haben. 

Nach  seiner  Pensionirung  wohnte  Sprengel  in  Berlin; 
verbittert  durch  die  Spandauer  Streitigkeiten  und  durch  den^ 
Misserfolg  seiner  botanischen  Untersuchungen  zog  er  sich  auf 
sich  selbst  zurück,  und  beschäftigte  sich  mit  philologischen 
Arbeiten,  ohne  jedoch  auf  die  Fortsetzung  seiner  Beobach- 
tungen über  die  Bestäubungseinrichtungen  der  Blüthen  zu 
verzichten.  Zur  Verbesserung  seiner  Einnahmen  ertheilte  er 
Unterricht  in  Sprachen  und  in  Botanik,  und  stellte  Sonn- 
tag Vormittags  gewöhnlich  Excursionen  an,  woran  Jeder- 
mann gegen  2 — 3  Gr.  für  die  Stunde  theilnehmen  konnte. 
In  der  letzten  Zeit  seines  Lebens,  von  1809  an,  wohnte 
er  am  Hausvoigteiplatz  in  einem  Hintergebäude;  einer 
seiner  frühereu  Schüler,  die  ihn  dort  bisweilen  aufsuchten, 
entwirft  in  der  Flora  (a.  a.  0.)  eine  anziehende  Schil- 
derung des  Mannes  und  seiner  Umgebung,  und  da  sie, 
mit  liebevoller  Anhänglichkeit  an  den  Vereinsamten  ver- 
fasst,  für  uns  zugleich  die  einzige  eingehendere  Charakte- 
ristik desselben  enthält,  so  soll  einiges  daraus  zum  Schlüsse 
hier  Platz  finden: 

„Ich  fand  ihn  jedesmal  in  einem  alten  Schlafrocke 
mit  der  Nachtmütze  und  einer  langen  Pfeife,  die  Stube 
wie  eine  Rauchkammer  mit  Tabakswolkeu  augefüllt.  Er 
sass  gewöhulich  am  Fenster,  bei  einem  Buche,  oder  bei 
seinem  ausgelegten  Herbario.  Ein  Repositorium  mit 
Büchern,  seine  Pflauzensammluug  und  einiges  alte  Haus- 
geräthe  machten  den  Inhalt  des  Zimmers  aus,  welches  mit 
dieser  Ausstattung  gegen  das  Aeussere  seines  Bewohners 
gerade  nicht   abstach.     Von  Gestalt  war  Sprengel  wohl- 


gebildet, mehr  gross  als  klein,  hager  und  stark  von 
Knochenbau.  Sein  Gesicht  war  ausdrucksvoll,  die  Farbe 
frisch,  das  Auge  lebhaft.  Das  vor  Alter  ins  Graue  gehende 
Haar  trug  er  unbesehnitten,  frei  um  die  Schultern  hängend. 
Sein  Gang  war  aufrecht  und  fest,  er  ging  ziemlich  schnell 
und,  trotz  seinem  Alter,  ohne  auszuruhen  halbe  Tage  lang. 
Er  war  massig  und  einfach  in  seiner  Kost,  mehr  aus 
Sorge  für  seine  Gesundheit,  als  aus  wirklichem  Mangel, 
der  ihn,  wie  sich  nach  seinem  Tode  gezeigt  hat,  mehr  in 
seiner  Bedenklichkeit  wegen  der  Zukunft,  als  in  der 
Gegenwart  gedrückt  haben  mag.  Er  trank  damals  nichts 
als  Wasser.  Einfach,  wie  in  der  Lebensweise,  war  er 
auch  im  gesellschaftlichen  Betragen.  Er  wusste  nichts 
von  Schmeicheleien  und  war  selbst  mit  den  gewölmlieheu 
Höfliehkeitsausdrückcn  nicht  freigebig.  Er  sprach,  was 
er  dachte,  schnell  und  offen  heraus,  und  da  sein  Geist 
leicht  in  jedes  Wesen  eindrang,  Wahrheit  aljer  ihm  über 
alles  ging,  so  musste  das,  was  er  sprach,  oft  hart  an  die 
durch  Täuschungen  verw(ilmte  Welt  anstossen.  Er  nahm 
keine  Meinung  unbedingt,  und  nichts  auf  blossen  Glauben 
an,  auf  seine  eigenen  Ansichten  verliess  er  sich  mehr, 
als  auf  jede  fremde,  sie  mochte  sein,  von  wem  sie  wollte; 
was  ihm  eiumal  recht  schien,  behauptete  er  hartnäckig 
und  bis  zur  Leidenschaft.  So  geschah  es,  dass  er  den 
Vorwurf  der  Grobheit  und  Halsstarrigkeit  auf  sich  lud, 
und  nach  und  nach  von  allen  gelehrten  Freunden  ver- 
lassen wurde.  Im  Ueberdrussc  der  Streitigkeiten  und  viel- 
leicht auch  aus  verstecktem  Stolze  vermied  er  nun  selbst 
allen  Umgang  mit  der  gelehrten  Welt,  und  zog  sich  in 
sein  finsteres  Zimmer  zu  philosophischer  Ruhe  zurück. 
Von  der  Zeit  an  lebte  er  unbemerkt  und  ungenannt,  nur 
von  Wenigen  gesehen  und  von  wenig  Schülern  benutzt. 
Diese  Wenigen  aber  erinnern  sich  seiner  mit  Liel)c;  denn 
sie  verdanken  ihm  viel.  Sein  mannigfaltiges  Wissen  war 
ihnen  eine  reiche  Quelle,  sein  eigenthümlicher  Charakter 
in  vieler  Hinsicht  ihr  Vorbild,  wie  auch  oftmals  ihre  ge- 
heime Lust  und  Freude.  —  Er  lebte  in  einer  seltenen 
liebenswürdigen  Unschuld  des  Herzens,  seine  Sitten  waren 
aus  einem  vergangenen  Jahrhundert,  sein  Geist  gehörte 
für  ein  künftiges;  bei  dieser  Verfassung  konnte  ihn  kein 
besseres  Schicksal  treffen.  Er  stand,  anstössig  für  die 
Welt,  unleidlich  für  den  Gelehrten,  ohne  Verbindung  und 
Geuuss,  als  Einsiedler  unter  seinen  Zeitgenossen  da." 

Dieser  lieltevollen  Charakterzeichnung  muss  der 
wahrheitsgetreue  Berichterstatter  noch  hinzufügen,  dass 
Sprengel  offenbar  den  richtigen  Entdeekerstolz  besass; 
dieser  verräth  sich  neben  vielen  Wendungen  in  seinen 
Schriften  schon  durch  den  Titel  seines  Hauptwerkes,  und 
nicht  minder  durch  das  Motto,  welches  er  vor  seine  Ab- 
handlung über  die  Nützlichkeit  der  Bienen  setzte,  den 
Ovidischen  Vers: 

Magna,  nee  ingeniis  evestigata  priorum, 
Quaeque  diu  latuere,  canam. 

Sprengel  starl)  am  7.  April  1816  in  völliger  Ver- 
gessenheit; nicht  einmal  wo  er  begraben  wurde,  hat  sich 
feststellen  lassen.  Botanischer  Sitte  gemäss  ist  sein  Name 
der  Nachwelt  in  einer  Pfianzengattung  überliefert,  indem 
J.  E.  Smith  i.  J.  1794  eine  in  Australien  einheimische 
Epacrideen-Gattung  Sprengelia  nannte*).  Aber  auch  ohne 
dies  wird  er  in  der  Geschichte  der  Botanik  unvergessen 
bleiben,  denu  seine  Saat  ist,  wenn  auch  spät,  aufgegangen, 
und  trägt  jetzt  tagtäglich  neue  Früchte. 

*)  Zwar  bemerkt  Pfeiffer  (Nomenciator  botanicus.  Bd.  II.  1874. 
S.  1251)  bei  der  Gattung  Sprengelia:  „Dicat.  Curt.  Sprengel,  prof. 
Halensi",  jedoch  dürfte  dies  auf  einem  Irrthume  beruhen,  da  das 
erste  Werk  botanischen  Inhaltes  von  Kurt  Sprengel,  der  17S)4  erst 
28  Jahre  alt  war,  aus  dem  Jalire  1798  stammt.  In  der  Sache 
richtiger  ist  die  Angabe  von  Pritzel  (Thesaurus  Lit.  bot.  1872. 
S.  oOo),  welcher  hinter  dem  Namen  von  Ch.  K.  Sprengel  als  diesem 
dedicirte  Gattung  Sprengelia  „Batach"  anführt. 


Nr.  12. 


Naturwisseiischaftliolie  Wochenschrift. 


113 


Professor  Dr.  K.  A.  Ijosseii  f.  —  Vor  wenigen 
Taigen  hat  wiederum  der  Ttid  dem  leider  zu  kurzen  Leben 
eines  deutsehen  Oclelirten  ein  Ziel  gesetzt.  Der  König], 
preuss.  Landesgeologe  Professor  Dr.  Karl  August  Lossen 
ist  am  24.  Februar  nach  längerem  schweren  Leiden  in 
Berlin  gestorben.  In  erster  Linie  betrauert  die  Königl. 
geolog.  Landesanstalt  und  Bergakademie  den  unersetz- 
lichen Verlust  ihres  langjährigen  treuen  Mitarbeiters  und 
Docenten;  aber  auch  die  Friedrich -Wilhelms -Universität, 
deren  Lehrkörper  Lossen  seit  zwei  Decennien  als  Doeent 
für  Geologie  und  Pctrographie,  seit  sieben  Jahren  als 
ausserordentlicher  Professor  angehörte,  verliert  in  ihm 
ihrer  bedeutendsten  Lehrer  einen.  Kaum  möchte  wohl 
ein  Gelehrter  bi'i  allen  denen,  welche  dt'U  Vorzug  ge- 
nossen, mit  ihm  in  nähere  Berührung  zu  konmien,  eines 
treuen  Angedenkens  so  sicher  sein,  wie  der  Dahinge- 
schiedene !   — 

Karl  August  Lossen  entstammt  einer  weitverzweigten 
Gelehrtenfamilie;  ein  Bruder  von  ihm  ist  der  bekannte 
Professor  der  Chemie  in  Krmigsberg,  ein  andert'r  ist 
Historiker  und  Sekretär  der  Münehener  Akademie  der 
Wissenschaften,  ein  dritter  Jurist  in  Strassburg  etc.  Lossen 
wurde  geboren  am  5.  Januar  1841  zu  Kreuznach,  wo  sein 
Vater  Jlcdicinalrath  war.  Nach  absolvirter  Schulzeit  wid- 
mete er  sich  dem  Bergfach,  das  er  dann  später  verliess, 
um  sich  der  Geologie,  speeiell  der  Pe(rograj)liie  zu- 
zuwenden. 

Im  Jahre  1807  promovirte  Lossen  bei  der  iiliiiosophi- 
schen  Facultät  der  Universität  Halle  auf  Grund  seiner 
Arbeit  „De  Tauni  montis  parte  transrhenana". 

Im  Harz,  als  dessen  erster  Kennei-  er  unbestritten 
dasteht,  hat  er  bereits  als  Student  unter  Beyrich  seine 
ersten  geologischen  Aufnahmen  in  der  Gegend  von  Ilfeld 
gemacht.  Mit  der  Erforschung  des  Harzes  wurde  er  auch 
im  Jahre  1872  bei  seinem  Eintritt  in  die  Kiinigl.  i)reussi- 
sclie  geologische  Landesanstalt  von  Seiten  der  Direction 
beauftragt.  Dieser  Aufgabe  hat  er  all  die  Jahre  mit  so 
unermüdlichem  Eifer  obgelegen,  dass  er  im  Harz  eine 
volksthümliche  Persönlichkeit  geworden  ist,  die  fast  jedes 
Kind  keimt.  —  Eine  schöne  Frucht  dieses  Schattens  ist 
seine  „Geognostische  Ucbersichtskarte  des  Ilarzgebirgcs 
(1  :  100,000)",  die  er  unter  der  bescheidenen  Bezeichnung 
„zusammengestellt  nach  den  Aufnahmen  der  preussischcn 
geologischen  Laudesanstalt  und  älteren  geologischen  Karten 
von  K.  A.  Lossen"  der  Oettentlichkeit  übergab,  die  aber 
zum  weitaus  grössteu  Theil  sein  eigenstes  geistiges  Eigen- 
thum  repräsentirt. 

Hier  im  Harz  machte  Lossen  auch  seine  Beobach- 
tungen, welche  eine  neue  Richtung  in  der  Gesteinskunde 
veranlassten.  Er  ist  der  Begründer  der  Dynamonietamor- 
phose,  die  den  Einfluss  der  niechanischen  Kräfte  auf  die 
Structur  der  Gesteine  zum  Vorwuif  hat.  Er  lieferte  zuerst 
den  Nachweis  von  Ditt'ereuzirung  in  den  Gesteinsniagmen. 
Er  warf  die  Methoden  der  Handstüeks-  und  Stuben-Petro- 
graphen  über  den  Haufen  nnd  setzte  au  ihre  Stelle  die 
Bestimmung  der  Gesteine  nacli  ihrer  strncturcllen  und 
chemischen  Beschatt'enheit  unter  Berücksichtigung  der 
Lagerungsformen, 'indem  er  die  verschiedenen  Erstarrungs- 
verhältnisse ein  und  desselben  Magmas  unter  verschiedenen 
Bedingungen  studirte.  Von  einschneidender  Bedeutung 
sind  ferner  seine  Studien  über  den  Verlauf  \on  Gang- 
spalten und  ihre  Beziehungen  zur  Teetonik  des  Gebirges. 

Dickleibige  Bücher  hat  Lossen  nicht  gesehrieben, 
aber  in  einer  stattlichen  Reihe  mehr  oder  weniger  umfang- 
reicher Abhandlungen  hinterlässt  er  der  Nachwelt  die 
Früchte  seiner  Forschungen.  Die  grössere  Mehrzahl  seiner 
Publicationen  findet  sich  in  dem  Jalnbuch  der  Königl. 
preussischcn  geologischen  Landesanstalt  und  Bergakademie, 
in  den  Berichten  der  deutschen  geologischen  Gesellschaft 


und  in  den  Sitzungsberichten  der  Gesellschaft  der  natur- 
forschenden  Freunde. 

Im  Jahre  1879,  als  es  sich  zum  Zweck  „der  Reini- 
gung und  Entwässerung  Uerlins"  um  die  geologische  Untei'- 
suchung  des  Berliner  Weichbildes  handelte ,  war  auch 
Lossen  im  Auftrage  des  Magistrats  an  dieser  Aufgabe 
l»etheiligt.  Jener  Zeit  entstammt  seine  Arbeit  ..Ueber  den 
Boden  der  Stadt  Berlin"  und  die  geologische  Karte  der 
Reiehshauptstadt. 

Im  persönlichen  Verkehr  war  dem  Verstorbenen  seine 
grosse  Schwerhörigkeit,  die  er  sich  als  ganz  junger  Berg- 
mann in  seinem  praktischen  Jahr  zugezogen  hatte,  leider 
sehr  störend;  aber  weit  entfernt  von  dem  Misstrauen, 
welches  schwerhörigen  Menschen  so  oft  eigen  ist,  war  er 
ein  zufriedener,  innerlich  abgeschlossener  Charakter,  der 
für  seine  Mitmenschen  nur  freundliches  Wohlwollen  und 
liebenswürdiges  Entgegenkommen  kannte.  Aus  dem  reichen 
Schatze  seines  Wissens  schöpfend,  förderte  er  in  uneigen- 
nützigster Weise  bereitwillig  jeilermann,  der  seinen  Rath 
begehrte. 

Ein  ganzer  IMann,  iiat  er  unter  seinen  Freunden, 
CoUegen  uml  Schülern  wohl  kaum  jemanden  hinterlassen, 
der  je  den  leisesten  Schatten  eines  Uebelwollens  gegen 
ihn  gehegt  hätte.  Von  einer  allgemeinen  Unterhaltung 
durch  sein  Gehörleiden  ausgeschlossen,  verstand  er  es 
doch  durch  sein  hervorragendes  Redncrtalent  bei  ernsten 
und  heiteren  Gelegenheiten  alle  mit  sieh  fortzureissen.  — 

Am  27.  Februar  wurde  Lossen  auf  dem  neuen  Kirch- 
hofe der  katholischen  Mathias-Gemeinde  hei  Südende  zur 
ewigen  Ruhe  gebettet.  Die  oberste  Bergbehörde  war  ver- 
treten; ebenso  waren  die  Angehörigen  der  geologischen 
Landesanstalt  und  Bergakademie  fast  vollzählig  erschienen, 
um  dem  unvergessliehen  Todten  die  letzte  Ehre  zu  er- 
weisen. Neben  den  Fahnen  der  Bergakademie  benuM-kte 
man  die  Fahnen  der  katholisclien  Studentenvereiue  „Bur- 
gundia"  und  „Aseania",  deren  Alter  Herr  Lossen  war. 
Im  Grossen  und  Ganzen  aber  verlief  die  Trauerfeier 
scidicht  und  bescheiden,  wie  der  grosse  Gelehrte  selbst 
im  Leben  innner  war. 

In  die  Annalen  der  Wissenschaft  ist  sein  Name  mit 
unvertilgbaren    Zügen    eingetragen    und    Allen,    die    ihn 


kannten,  wird  er  unvcrgesslieh  sein!  — 


Dr.  H. 


Die  niiitheinatiscli-meeliaiiisclie  lietraclituiig  mor- 
pliologisclier  Probleme  der  Biologie'-')  Ijchandelt  Dr. 
Hans  Driesch  in  einer  besoiuleren,  zwar  schon  1891 
erschienenen  Schrift,  deren  wichtiger  Inhalt  uns  aber 
veranlasst,  noch  jetzt  auf  denselben  ausführlicher  ein- 
zugchen. 

Ueber  ein  Gedankensystem,  welches,  ohne  ein  Wort 
zu  viel  zu  enthalten,  in  streng  geschlossenen  Gedaid^en- 
gängen  entwickelt  ist,  lässt  sich  natürlich  nur  in  der 
Weise  berichten,  dass  man  die  Hauptpunkte,  durch  die 
der  Gang  der  Betrachtung  seinen  Weg  nimmt,  charakteri- 
sirt.  Dies,  und  zwar  möglichst  mit  den  eigenen  Worten 
des  Verfassers,  möge  in  Folgendem  geschehen. 

Die  Schrift  Driesch's  ist  eine  kritisch-methodologische 
Untersuchung  des  Forsehung.sgi'bietes  der  biologischen 
Morphologie,  sie  „stellt  sich  die  Aufgabe,  die  in  der  mor- 
phologischen Litteratur  niedergelegten  Bestrebungen, 
welche  sich  den  Namen  „„mechanisch""  geben,  kritisch 
zu  vergleichen  und  ihren  Erklärnngswerth  zu  l)estinnnen." 

„I.  Vorläufige  Uebersicht  über  den  Gebrauch 
des  Wortes  „„mechanisch"". 

„Das  Wort  „„mechanisch""  ist  ein  Lieblingsansdruck 
der  heutigen  Morphologie."    Die  verschiedenartigsten  Be- 


*)  Verhig  von  Gustav  Fischer  in  Jena,  1891.     Preis  1,50  Mk. 


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Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  12. 


trachtiingen  und  Untersuchung'cn  suchen  sich  das  Prädicat 
„mechanisch"  beizulegen:  „Die  Gestaltung-  eines  ausge- 
bildeten Organismus  ist  die  „„mechanische""  Folge  des 
Keimwachsens  nach  His;  die  Phylogenie  ist  die  „„mecha- 
nische"" Begi'üudung  der  Ontogenie  nach  Häckel"  etc.  etc. 
„Was  haben  aber  diese  beiden  Dinge,  die  Phylogenie 
und  das  Keimwachsthum,  Gemeinsames,  als  dass  sie  eben 
beide  als  Ursachen  eines  anderen  Vorganges  aufgefasst 
werden?"  — 

Was  zunächst  das  „Mechanisch"  der  Darwinisten  an- 
betrifft, so  liegt  es  auf  der  Hand,  dass  dies  „lediglich 
als  Gegensatz  zu  metaphysischen  Erklärungspriucipien, 
zu  Eingriffen  einer  schöpferischen  Gewalt  u.  s.  w.  gemeint, 
aber  durchaus  kein  streng  forniulirfer  Begriff  ist.  Nur 
das  principiell  „„Nichtmeclianisclie""  soll  eliminirt  wer- 
den." „Häckel  meint  also,  die  Phylogenie  erkläre  die 
Ontogenie,    insofern    beide  überhaupt    uaturgesetzlich 


zusammenhängen." 


„Angesichts  der  Bedeutung  dieses  Be- 


strebens können  wir  einige  Unklarheiten  des  Ausdrucks 
schon  mit  in  Kauf  nehmen."  „Das  Gesagte  berechtigt  uns 
aber,  den  Begriff  des  „„Mechanischen""  in  der  land- 
läufigen unbestinmiten  Fassung  der  Darwinisten  im  Fol- 
genden nicht  weiter  zu  berücksichtigen." 

Nach  Vorausschickung  dieser  Abrechnung  geht  Driesch 
zu  einer  vorläufigen,  kritisch-skizzirenden  Aufzählung  der 
verschiedenen  Anlässe  über,  „in  denen  Forscher  in  be- 
stinnnterer  Weise  von  mechanischer  Auffassung  morpho- 
logisciier  Vorgänge  geredet  haben".  Von  dieser  vorläufigen 
Aufzählung  wollen  wir  nichts  weiter  sagen,  da  wir  ja 
nachher  über  die  Resultate  der  speciellen  Erörterung  der 
verschiedenen  „mechanisch-  morphologischen"  Unterneh- 
mungen zu  berichten  haben. 

Dass  Driesch  in  eine  solche  nähere  Betrachtung  nicht 
gleich  eingeht,  motivirt  sieh  dadurch,  dass  schon  bei  der 
flüchtigen  Orientirung  sich  herausstellte,  dass  zwei  Begriffe, 
der  des  „Mechanischen"  und  der  des  „Mathematischen", 
oft  nicht  scharf  genug  unterschieden  werden.  Um  die 
wünschenswerthe  Klarheit  in  die  Situation  zu  bringen, 
empfiehlt  es  sich  daher,  vorher  Wesen  und  wissenschaft- 
liche Bedeutung  einmal  des  „Mathematischen"  und  dann 
des  „Mechanischen"  festzustellen. 

IL  Ueber  den  Unterschied  zwischen  mathe- 
matischer und  mechanischer  Betrachtungsweise 
und  ihr  gegenseitiges  Verhältniss. 

Alles,  was  unserer  Beobachtung  entgegentritt,  unsere 
Aussenwelt,  ist  räumlich.  Die  Wissenschaft  vom  Räume 
ist  die  Geometrie.  „Raumgrössen  sind  Grössen;  die  Geo- 
metrie fällt  mit  der  Analysis  zusammen  unter  den  Gattungs- 
begriff Mathematik.  Also  .  .  .  muss  jedes  Problem,  das 
die  Aussenwelt  uns  stellt,  sobald  es  wissenschaftlich  for- 
ruulirt,  d.  h.  endgültig  analysirt  werden  soll,  zu  einem 
mathematischen  Problem  führen;  sobald  im  speciellen 
räumlich  Angeschautes  als  solches  zu  wissenschaftlicher 
Verarbeitung  gelangt,  resultirt  ein  geometrisches  Problem. 
Sofern  die  ^Iorphologie  Wissenschaft  von  Formen  ist", 
muss  also  dies  auch  auf  ihrem  Gebiet  gelten.  „Ein  Formen- 
problem ist  erst  dann  wissenschaftlich  formulirt,  wenn  es 
geometrisch  formulirt  ist,  d.  h.  in  räumliche  Gesetzmässig- 
keit aufgelöst." 

„Diese  auf  eine  geometrische  Aufgabe  hinauslaufende 
Formulirung  haben  wir  oben  provisorisch  als  mathe- 
matische Betrachtungsweise  bezeichnet.  Es  ist  ohne 
weiteres  klar,  dass  Formulirung  und  Lösung  eines 
Problems  zwei  verschiedene  Dinge  sind.  Ein 
mathematisch  formulirtes  Problem  ist  dadurch 
noch  nicht  gelöst,  aber  es  ist  dadurch  zur  Lösung 
vorbereitet,  und  umgekehrt  an  eine  Lösung  kann 
ohne  diese  Formulirung  nicht  gedacht  werden." 
Ehe    ein    naturwissenschaftliches    Problem    end- 


die  Eigenschaften  der  Gase 


.Mecha- 


zu 
die 


gültig   exact  naturgesetzlich,    d.  h.  eben   mecha- 
nisch, gelöst  werden  kann,  muss  es  vorher  scharf, 

;d.  h.  mathemathisch  formulirt  sein. 

'  Die  Wissenschaft,    xcn'  i'ioxrjv,    die    Physik,    ist    im 

Stande  gewesen,  gewisse  Fundamentalsätze  des  Natur- 
geschehens aufzustellen ,  auf  die  sich  eine  grosse  Zahl 
aller  Geschehnisse  bereits  hat  zurückfuhren,  und  umge- 
kehrt, aus  denen  sie  sich  hat  ableiten  lassen,  während 
diese  Sätze  selbst  elementar  sind.  Naturgemäss  haben 
sie  ein  mathematisches  Gewand.  Man  bezeichnet  bekannt- 
lich die  Summe  dieser  Grundsätze  nebst  dem  unmittelbar 
aus  ihnen  Deducirbaren  mit  dem  Worte  „„Mechanik"". 
Man  nennt  ein  wissenschaftliches  Problem  gelöst,  wenn 
es,  nachdem  mathematische  Analyse  vorhergegangen,  bei 
gewissen  Voraussetzungen  auf  mechanische  Sätze  zurück- 
geführt, als  Folge  von  ihnen  dargestellt  ist.  Es  ist  daim 
mechanisch  erklärt.  Für 
z.  B.  leistet  dies  die  kinetische  Gastheorie."  — 

„In  der  Gestalt,  wie  uns  der  Begriff  des  „„ 
nischen""  als  mechanische  Erklärung  irgend  welchen 
Naturgeseheheiis  jetzt  vorliegt,  können  wir  ilin  jedoch 
für  unseren  Zweck  noch  nicht  verwcrthen  aus  dem  ein- 
fachen Grunde,  weil  in  diesem  erschöpfenden  Sinne  noch 
Niemand  morphologische  Probleme  „„mechanisch  be- 
trachtet"" hat.  Das  Leben  als  Ganzes  meciianisch 
erklären,  hat  begreiflicherweise  fast  keiner  versucht, 
schweige  durchgeführt." 

•  „Wohl  aber  hat  es  nicht  an  Forschern  gefehlt, 

gewisse  Seiten  des  morphologischen  Geschehens  mecha- 
nischen Gesichts])uid\fen  unterstellt  haben.  Wie  definiren 
wir  kurz  die  hier  geübte  Betrachtungsweise?  Wir  wollen 
eine  längere  Discussion  der  unschwer  zu  fassenden  Be- 
griffe unterlassen  und  in  Zukunft  unter  mechanischer  Be- 
trachtungsweise im  engeren  Sinne  verstehen:  den  Nach- 
weis, dass  irgend  eine  Erscheinungsgruppe  innerhalb  eines 
Problems  nichts  ihm  speeifisch   eigenthümliches   ist,    viel-, 

■  mehr  bei  gewissen  Voraussetzungen   als  Ausdruck  physi- 
kalisch bekannter  Ursachen  sich  darstellt." 

III.    Morphologisches  in  der  Physik. 

Bevor  Driesch  in  die  specielle  Betrachtung  der  bio- 
logisch -  morphologischen  tlnternehmungen  mathematiscli- 
mechanisehen  Charakters  eingeht,  widmet  er  sich  noch 
einer  Umschau, 
Physik  gäbe. 

Es  kämen  hier  die  Gebiete  der  Statik  starrer  und 
flüssiger  Körper  in  Betracht.  „Die  Gleichgewiehtsbedin- 
gungen  starrer  Körper  finden  ihren  Ausdruck  in  der 
Krystallographie,  diejenigen  flüssiger  Körper  finden 
ihn  in  der  Lehre  von  der  Oberflächenspannung. 
Diese  beiden  Gebiete  physikalischer  Forschung  sind  es, 
die  man  vielleicht  mit  Recht  als  anorganische  Mor- 
phologie bezeichnen  könnte." 

„Was  die  Krystalle  anlangt,  so  füln-t  ihre  theoretisch- 
physikalische Analyse  trotz  ihrer  hohen  Vollendung  eigent- 
lich ül)er  eine  geometrische  Formulirung  niciit  weit  hin- 
aus; wenn  auch  gezeigt  wurde,  dass  sie  als  Gesammtheit 
der  Ausdruck  der  möglichen  regelmässigen  Punktsysteme 
sein  mögen,  so  ist  doch  die  Erkenntniss  der  Nothwendig- 
keit  irgend  eines  dieser  Systeme  für  einen  bestimmten 
Stoff  nach  dem  Begründer  genannter  Theorie,  Sohncke, 
zur  Zeit  ein  „„Problem  hiiherer  Ordnung"";  hinsichtlich 
der  Gesetze  der  Oberflächenspannung  und  der  durch  sie 
bedingten  Gestalten  (Plateau)  hat  man  bezüglich  der 
Zurückfuhrung  ihrerUrsächlichkeit  auf  allgemeine  Mechanik 
wohl  einen  genügenden  Einldick  erlangt." 

.  Diesem  Hinweis,  dass  der  Formbegriff  auch  in  der 
Physik  eine  Rolle  spielt,  knüpft  Driesch  eine  Betrachtung 
an  einerseits  über  das  Verhältniss  dieses  Fornd)egriffs  zur 


ob    es    auch    Morphologisches    in    der 


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Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


115 


iil)rij;-cu  l'hysiiv,  andererseits  über  eine  etwaige  Bezieiiuni;- 
der  biologischen  Morphologie  zur  physikalischen  „Form".— 

Nun  geht  Driesch  zu  seiner  Hauptaufgabe  über: 

IV.  Specielle  Betrachtung  der  wichtigsten 
Gebiete  der  mathematisch- mechanischen  Mor- 
phologie. 

A.  Die  Promo rphologie  (Iläckel,  Generelle  Mor- 
phologie, Berlin  1866,  Bd.  I,  Buch  IV:  Generelle  Pro- 
morph(dogie).  — 

„Häckel  hat  bekanntlich  im  ersten  Bande  seiner  gene- 
rellen Blorphologie  den  Versuch  gemacht,  die  Formen  aller 
Lebewesen,  und  zwar  nicht  nur  ihre  äussere  Kör])erform, 
sondern  den  ganzen  Ausdruck  ihrer  Organisation,  nach 
stereometrisehen  Gesichtspunkten,  nach  Synnnctricprincipien 
zu  ordnen,  oder  vielmehr,  dieselben  stereonu'trischen  Ge- 
bilden zuzuordnen."  „Die  Häckel'schc  Promorphologie  ist 
ein  ausgezeichnetes  Beispiel  für  unsere  mathematische 
Art  der  Betrachtung,  wie  auch  gleiciizeitig  für  ihre 
Consequenzen.  Häckel  gie))t  eine  geometrische  Ana- 
lyse; seine  Thesen  sind  daher  unzwcifelliaft  richtig.  Eine 
andere  Frage  ist  freilich  die,  ob  Hackers  mathematische 
Formulirung  die  Vorbereitung  einer  meclianischcn  Be- 
trachtungsweise ist."  „Da  die  lebenden  Kiirper  die  Eigen- 
schaften, welche  den  Stoft'  der  Promorphologie  bilden,  mit 
jedem  Angeschauten  theilcn,  da  sie  Bedingungen  der 
Anschauung  sind,  da  ferner  die  Thatsachcn  der  Morpho- 
logie uns  lehren,  welch  unendliche  Mannigfaltigkeit  sich 
bei  Pflanzen  und  Thiercn  in  diesem  nothwendigen  äusseren 
Rahmen  al)spielt  (im  Gegensatz  zu  den  Krystallcn),  so 
folgt  ohne  Weiteres,  dass  Häckel's  Promorphologie,  ob- 
wohl, wie  gesagt,  unanfechtbar  richtig,  für  mechanische 
Erkenntniss,  da  sie  das  Wesen  der  organischen  Formen 
nicht  trifl"t,  unbrauchbar  ist.  Mathematische  Formulirung 
allein  macht  eben  noch  nicht  den  erklärenden  Werth  einer 
Betrachtung  aus." 

B.  Die  Gelenkmechanik.  —  Die  sogenannte  „Ge- 
lenkmechanik" thciit  den  rein  formalen  Charakter  des 
Gesichtspunktes  in  gewissem  Grade  mit  der  Promorpho- 
logie: „Die  Aufgabe,  aus  gegebener  Gestalt  der  Gelenk- 
flächen nnd  der  Art  und  Weise  ihrer  Verknüpfung  den 
Bewegungsbereich  beider  Skeletstücke  zu  bestimmen,  ist 
durchaus  mathematischer  Natur.  Letzterer  ist  mit  ersteren 
Factoren  zugleich  schon  gegeben;  beide  sind  eigentlich 
ein  verschiedener  Ausdruck  für  dieselbe  Sache.  Die  geo- 
metrische Darlegung  der  Gelenkfläehenverhältnisse  und 
diejenige  des  8treiehungsbereiches  der  in  ihnen  sich  be- 
rührenden Skelettheile  sind  also  identisch  hinsichtlich  ihres 
bcgritflichen  Werthes,  die  eine,  wie  gesagt,  eine  blosse 
Unn-echnung  der  anderen.  Beide  sind  mathematische 
Formulirungen,  zielen  aber  nicht  auf  eine  mechanische 
Erklärung  in  unserem  Sinne  ab  —  was  sollte  auch  auf 
diesem  Wege  erklärt  werden?"  — 

„Auch  die  Gclenkmechanik  wäre  sonach  erledigt, 
und  wir  können  uns  jetzt  solchen  Bestrebungen  zuwenden, 
durch  die  eine,  wenn  auch  beschränkte,  mechanisclic  Er- 
kenntniss morphologischer  Verhältnisse  bereits  erreicht  ist." 

C.  Die  Zellnetze.  — 

Das  Sachs'sche  „Princip"  („Die  Anordnung  derZellen 
in  jüngsten  Pflanzentheilen"  und  .,Zellenanordnung  und 
Wachsthum";  Arl).  a.  d.  bot.  Inst.  Würzburg,  l'.d.  II.)  der 
r  e  c  h  t  w  i  n  k  1  i  g  e  n  S  c  h  n  e  i  d  u  n  g  der  Z  c  1 1  w  ä  n  d  e  erweist 
sich  als  ein  Versuch  auf  diesem  Ersclieinungsgebiete  vom 
Werthe  einer  mathematischen  Fornndirung. 

Es  finden  sich  jedoch  noch  in  grosser  Verbreitung 
Abweichungen  (Befunde  nach  simultanem  Zellenzerfall: 
Pollennnitterzellen  z.  B.,  Auftreten  des  „Zwischenstücks", 
wo  vier  Zellwände  in  einer  Kante  zusammenstossen  sollten, 
die  Umlagerungen  beim  sog.  gleitenden  Wachsthum  etc.  etc.) 


von  demselben.  —  „Das  Verdienst,  die  "(Sac]is'sehe)„ 
Regel  und  die  Ausnahmen  "(von  derselben)„  unter  den- 
selben Gesichts|)unkt  gebracht  zu  haben,  indem  sie  das 
Princip  der  kleinsten  Flächen  als  die  Bildung  der 
Zellnetze  leitend  nachwiesen,  gebührt  Bertiiold"  (Studien 
über  Protoplasmamechanik,  Leipzig  1886,  Capitel  VII: 
Theilungsrichtungen  und  Theilungsfolge)  „und  Errera" 
(Sur  nne  condition  fondamentale  d'equilibre  des  eellules 
Vivantes,  Bull.  d.  seanees  d.  1.  Socicte  beige  de  micro- 
scopie,  t.  XIII,  No.  1,  1886.).  „Indem  diese  Forscher  aber 
ferner  die  Ergebnisse  der  Plateau'sehen  Forschungen  an 
Flüssigkeitslamellen,  deren  Anordnung  in  den  sogenannten 
Schaumgeweben  von  demscllien  Gcstaltungsgesetze  be- 
herrscht wird,  zum  Vergleiche  heranzogen,  sind  sie  von 
blosser  Formulirung  zur  Anbahnung  mechanischen 
Verständnisses  fortgeschritten."  Die  Verschiebung 
der  Zellwändc  emilich  in  trajcctorisehen  Kurven 
hat  Schwenden  er  (Ucber  die  durch  Wachstlium  bedingte 
Verschiebung  kleinster Tiieilchcn  in  trajcctorisehen  Kurven, 
Sitz.-Bcr.  d.^Bcrl.  Akad.  d.  Wiss.,  1880)  als  nothwendig 
nachzuweisen  unternommen,  „als  folgend  aus  der  analyti- 
schen Untersucliung  des  ungleich  vertheiUen  radialen 
Wachsthums  im  allgemeinen.  Indem  im  Verlaufe  dieses 
jeder  Raumtheil  trajeetorische  Kurven  beschreibt,  ist  die 
Verschiebung  der  Zellwände  in  solchen  nur  ein  besonderer 
Fall.  Die  Sciiwendcner'sche  Leistung  ist  der  L('isung  einer 
Aufgabe  aus  der  analytischen  Mechanik  zu  vergleichen. 
Die  Trajectoricn  sind  der  geometrische  Ausdruck  des 
Wachsens,  letzteres  involvirt  erstere;  ein  ähnliches  Vcr- 
hältuiss,  wie  wir  es  bei  der  Gelenkmechanik  errirtcrten, 
folglieh  eine  begrifflich  wesentlich  anderswerthige  Leistung 
als  diejenige  Berthold's.  Schwendener  hat  eine 
mathematische  Formulirung  für  das  Wachsthum 
im  allgemeinen  gegeben;  die  Zellwandfrage  wird  durch 
seine  Ausführungen  nur  insofern  berührt,  als  diese  Wände 
auch  wachsende  Raumtheile  sind." 

D.  Goette's  Formg-esetz  (Entwickelungsgeschichte 
der  Unke.    Leipzig,  1875).  — 

„Die  Zerklüftung  des  „„todteu""  Eies  soll  nach  Goettc 
durch  den  Einfluss  von  Dift'usionsströmnngen,  die  zwischen 
der  umgebenden  Flüssigkeit  und  den  gelösten  Eiweiss- 
substanzen  des  Dotters  stattfinden  und  durch  den  ex- 
centrisehen  Aufbau  des  Eies  .synnnetrisch  geregelt  werden, 
bewirkt  sein.  Die  Einkerbung  ist  das  Zeichen  einer  dureii 
eben  diese  Ströme  bedingten  Modification  in  der  Vertheilung 
der  Oberflächenspannung.  Der  ganze  weitere  Verlauf 
der  Furchung  führt  sicli  cl)enfalls  auf  Diffusionsströme  in 
geregelter  Weise  zurück,  er  steht  immer  noch  in,  wenn 
auch  weiterer,  Abhängigkeit  von  dem  anfänglichen  ex- 
centrischen  Aufbau  des  Eies.  Diese  Abhängigkeit  jedes 
Stadiums  von  allen  vorhergehenden,  damit,  wenigstens  in 
gewissem  Grade,  vom  Ganzen,  zieht  sich  nun  durch  den 
ganzen  Process  der  Ontogenese  hindurch,  sich  immer  mehr 
und  mehr  specialisirend  und  complicirend.  Die  Ursache 
der  Entwickclung,  zu  der  die  Wechselwirkung  mit  dem 
Medium  veranlassend  hinzukam,  war  der  excentrische  Ei- 
aufbau,  also  ein  formales  Princip;  formal  sind  also  auch 
die  Ursachen  aller  weiteren  Entwickelung,  sie  sind  keine 
Folge  der  Natur  des  Stoffes.  —  Nach  diesen  Ausführun- 
gen können  wir  die  Goette'schen  Definitionen  "(eben  seines 
Formgesetzes)„  verstehen:  „„Die  Summe  der  Bedingungen, 
die  weder  den  Stoff,  noch  seine  Wechselwirkung  mit  der 
Aussenwelt  verändern ,  dagegen  das  ]\Iaass  und  die  An- 
ordnung derselben  modifieiren  und  dadurch  eben  die  Lei- 
stung, ruft  Entwickelung  hervor.""  Diese  Bedingungen 
heissen:  „„Formbedingungen"";  ihr  Inbegrift"  „„Form- 
gesetz"". „„Das  Formgesetz  ist  nie  inhärente 
Eigenschaft  des  Stoffes.""  „..Obwtdd  spätcM-  aus- 
,  schliesslich  an  die  Entwickelungserscheiuuugeu  und  deren 


116 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  12. 


Substrat  gebiiüden,  ist  das  Formgesetz  doch  nacli  seinem 
Ursprung  als  ein  ansscrbalb  desselben  verursaebtos  und 
vorbereitetes  Motiv  der  Eutvvickeluug  anzusehen.""  „Das 
Wesentlichste  an  dem  ,,,, Formgesetz""  ist  die  Darlegung 
der  causaleii  Continuität  der  ganzen  Entwickclung  vom 
I']i  an  und  der  Versuch,  ihre  bekannte  physikalische  Natur 
nachzuweisen,  ihre  Aldeitltarkeit  aus  bekannten  Kräften. 
In  dem  verschiedenen  Formaufbau  der  Eier  würde  die 
Verschiedenheit  der  Organismen  Ijegründet  sein;  nicht, 
wie  wohl  die  herrschende  Ansicht  ist,  in  ihrer  ditferenten 
stofflichen  Natur,  wonacli  sich  der  Entwickelungsprocess 
gleichsam  als  Ausdruck  eines  chemischen  Vorganges  dar- 
stellen würde.  ( >b  jene  Ableitung  aus  bekannten  Kräften 
freilich  haltbar  ist,  das  ist  eine  andere  Frage,  die  uns 
hier  fern  liegt;  jedenfalls  können  wir  mit  Liebmann 
"(Zur  Analysis  der  Wirklichkeit,  Ötrassburg  1880),,  (ioette 
das  Verdienst  nicht  absprechen:  „„das  Problem,  die  Ent- 
stehung und  den  Lebcnsprocess  zunächst  nur  eines  In- 
di\iduums  als  nothwendige  Folge  aus  Grundkräften  .  .  . 
abzuleiten,  als  solches  erkannt  zu  haben.""  Was  jene 
Ableitung  aus  bekannten  Agenticn  betrifft,  so  ist  sie  bei 
Goette,  im  Gegensatz  zu  den  Bcrthold'sclicn  Forschungen, 
ganz  allgemein  gehalten.  „„Indem  er  sich  aus  naheliegen- 
den Gründen  zur  Erkenntniss  nur  der  allgemeinsten  Gründe 
liescheidet,  wird  zugleich  die  Existenz  unbekannter,  aber 
nothwendiger  besonderer  Bedingungen  zugestanden,  unter 
denen  allein  aus  jenem  allgemeinen  Grunde  die  concrete 
Erscheinung  hervorgellt.""  (Untersuchungen  zur  Entwicke- 
lungsgeschichte  der  Würmer;  vergleichender  Theil,  Ham- 
burg 1884).  —  Goette's  Leistung  ist  schwer  mit  den  vor- 
her besprochenen  zu  vergleichen.  Hat  er  in  geringerem 
Grade  als  Sachs,  Berthold  und  Scli wendener  unseren 
directen  Einblick  in  die  mechanischen  Principien  der 
Formbildnng  gefordert,  so  hat  er  dafür  gleichsam  in 
grossen  Zügen  den  Weg  vorgezeiehnet,  den  eine  con- 
sequente  mechanische  Erklärung  der  leitenden  Formen 
vielleicht  einst  gehen  könnte.  Ob  die  näheren  An- 
gaben über  diesen  Weg  dem  Sachverhalt  entsprechen 
oder  nicht,  muss  die  Specialforschung  lehren.  Goette's 
Leistung  geht  nicht  den  strengen  Weg  physikalischer 
Forschung  und  Hypothesenbildung,  sie  ist  vor  allem  eine 
allgemein-philosophische,  methodologische  Directive." 

E.    Die  Massencorrelation.  —  His. 

„Es  handelt  sich  hier  "(His,  Unsere  Kfirperforni  und 
das  physiologische  Problem  ihrer  Entstehung,  Leipzig 
1874)„,  kurz  gesagt,  um  Wirkungen  mechanischen  Druckes 
oder  Zuges  im  Verlauf  der  Entwickclung  eines  Organis- 
mus, um  Agentien,  welche  zur  Erscheinung  konnnen,  da  die 
lebenden  Körper  zugleich  physikalische  Körper  sind, 
und  da  sie  ein  geschlossenes  System  bilden.  Denken  wir 
uns,  um  ein  ganz  einfaches  Beispiel  dieser  Art  heraus- 
zugreifen, eine  Blastula,  und  an  entgegengesetzten  Orten 
derselben  eine  Einstülpung  nach  dem  Centrum  zu  wuchern; 
sobald  beide  Einstüli)ungen  sich  berühren,  werden  sie, 
weiteres  Wachsthum  vorausgesetzt,  sich  gegenseitig  einen 
Widerstand  entgegensetzen  und  einer  Bildung  (platten- 
artig) den  Ursprung  geben,  die  in  jeder  für  sich  nicht 
bestimmt  war.  Jedes  Gebilde  ist  für  das  andere  ein 
äusseres  Agens,  obwohl  oder  eben  weil  sie  demselben 
(geschlossenen)  System  angehören.  Ein  Gunnniball,  von 
verschiedenen  Seiten  eingedrückt,  würde  dasselbe  Ver- 
halten zeigen;  beide  Erscheinungen  sind  in  der 
Tliat  direet  vergleichbar."  —  „Eine  wichtige  und 
lehrreiche  Illustration  der  Massencorrelation  wird  uns  durch 
Schwendener's  Blattstellungstheorie  "(Mechanische  Theorie 
der  Blattstellungen,  Leipzig  1878)„  gegeben.  Wird  der 
Ursprung  der  Blattanlagen  am  Vegetationsi)unkt  als  nach 
Zahl  und  Grösse  bestimmt  gegeben  vorausgesetzt,  so  zeigt 
uns  Schwendener,    dass    die    in    den  bekannten  Spiralen 


ihren  geometrischen  Ausdruck  findende  Anordnung  der- 
selljcn  die  Folge  gegenseitigen  Druckes  ist,  der  durch 
das  Geschlossensein  des  vorliegenden  Formsystems  be- 
dingt ist.  Die  Spiralen  sind  nichts  Neues,  niclits  Spe- 
cifiscbes.  sondern  etwas  durch  die  Natur  des  Systems 
aus  einem  anderen  Specifischen  mechanisch  Folgendes. 
Dass  die  mechanische  Folge  hier  in  klarem  geometrischen 
Gewand  auftritt,  ist  wohl  wieder  eine  Folge  der  Natur 
des  Systems."  —  „His  geht  in  seinen  Betrachtungen  aus 
von  dem  gesetzmässig  vertheilten  Wachsthum  des  als 
gleichartige  Fläche  gedachten  Keimes.  Dieses  nach  Ver- 
thcilung  und  jeweiliger  Intensität  geregelte,  an  verschie- 
denen Stellen  ungleiche  Wachsthum  soll  vermöge  der 
Natur  des  geschlossenen  Systems,  das  der  Keim  darstellt, 
durch  die  erwähnte  Massencorrelation  mit  Nothwendigkeit 
den  Organismus  in  Erscheinung  treten  lassen.  „„Hat  die 
Entwickelungsgeschichte  für  eine  gegebene  Form  die  Auf- 
gabe i)liysiologischer  Ableitung  durchgreifend  erfüllt,  dann 
darf  sie  mit  Recht  von  sich  sagen,  dass  sie  diese  Form 
als  Einzelforni  erklärt  habe.""  Die  Körperforra  wird  also 
nach  His  durch  das  Keimwachsthum  erklärt;  sie  ist  eine 
„„unmittelbare  Folge""  desselben.  Sein  „„Bestreben  geht 
also  1)  auf  empirische  Feststellung  des  Wachsthums- 
gesetzes  und  2)  auf  die  Ableitung  der  sich  folgenden 
Formen  des  entstehenden  Körjiers  aus  jenem  Gesetz"", 
eben  durch  Massencorrelation.  —  Bekanntlich  theilt  His 
mit  Goette  das  Schicksal,  auf  Grund  seiner  Anschauungen 

■  von  fast  allen  Seiten  angefeindet,  wenn  nicht  unbeachtet 
gelassen  zu  sein.    Man  wirft  ihm  namentlich  vor,  dass  er 

;  hier  von  dem  „„Erklären""  einer  Form  spräche  aus  Ur- 
sachen, die  doch  selber  der  „„Erklärung""  höchst  be- 
dürftig   seien,    nändich    den    geregelten    Wachsthumsvor- 

;  gangen,  die  er  ohne  weiteres  als  vorhanden  annehmen 
soll."  Driesch  bemerkt  hierzu,  dass  sich,  auch  wenn  man 
hier  von  einem  näheren  „Eingehen  auf  den  höchst  schwan- 
kenden Jiegrifl'  des  Erklärens"  absieht,  an  der  Hand 
eigener  Aeusserungen  von  His  zeigen  lässt,  „dass  genannte 
Anfeindungen  ihr  Ziel  verfehlen."  „Wohl  nimmt  His 
zunächst  für  die  Ableitung  der  fertigen  Form  (eigentlich 
dann  eine  geometrische  Aufgabe)  die  speeifische  Wachs- 
thunisanordnung  als  gegeben  an,  wie  in  entsprechender 
Weise  aucli  Schwendener;  seine  vorhergehenden  Aus- 
führungen zeigen  aber  aufs  deutlichste,  dass  er  hierin  nur 
die  zunächst  liegende  „„unmittelbare""  Erklärung  sieht. 
Wenn  nach  seiner  Ansicht  „„in  endloser  Ferne  die  Mög- 
lichkeit steht,  die  Waclistbumsgesetze  organischer  Wesen 
in  Formeln  niederzuschreiben"",  so  scheint  mir  doch  daraus 
evident  zu  sein,  tlass  diese  mathematische  Formu- 
lirung  nach  seiner  Ansicht  eine  Erklärung  des 
Wachsens  selbst  vorbereiten  soll. —  Wir  müssen  in 
His  nicht  nin-  den  Begründer  einer  Art  der  mechanischen 
Betrachtung,  der  Lehre  von  den  Massencorrelationen,  son- 
dern zugleich  auch  den  Deidicr  eines  skizzirten  Ideen- 
gebäudes der  mechanischen  Morphologie  erblicken." 
V.  Die  mechanische  Zweckmässigkeit. 
Die  Untersuchungen  einer  Anzahl  von  Forschern  haben 
uns  mit  moriihologischen  Erscheinungen  bekannt  gemacht, 
die  mit  den  Erzeugnissen  eines  Ingenieurs  oder  Mecha- 
nikers grosse  Aehnlichkeit  darbieten.  Es  sind  mechani- 
sche Zweckmässigkeiten,  Anpassimgen  an  mechani- 
sche Functionen:  Druck,  Zug  etc.,  dem  zu  widerstehen 
ist:  „Die  Mechanik  lehrt  den  Ingenieur  gewisse  Gesetze 
kennen,  die  er  bei  seiner  Thätigkeit  in  Anwendung  zu 
bringen  hat,  wenn  er  mit  möglichst  geringem  Material 
eine  möglichst  grosse  oder  aber  bei  gegebenem  Material 
die  grösste  mögliche  Wirkung  (Festigkeit  etc.)  erzielen 
will.  Wenn  wir  also  morphologische  Gebilde,  die  mechani- 
sche Function  erfüllen,  derart  "geliaut„  antreffen,  dass  sie 
wie  der  Ingenieur  die  genannte  Minimum -Maximum -Auf- 


Nr.  12. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


117 


gäbe  lösen,  dass  sie  wie  von  einer  Intelligenz  ausgeführt  er- 
scheinen, nennen  wir  sie  mechanisch  angeitasst,  nieehanisch 
zweckmässig."  —  Es  kommen  hier  also  die  Stütz-,  allge- 
mein Festigkeitseinriehtungen  in  den  Organismen  in  Be- 
tracht: bei  den  Thieren,  speciell  den  Wirbelthicren,  sind 
dies  die  Knochen  und  anderweitige  bindegewebige  Partien, 
mit  der  mechaniscli  zweckmässigen  Structur  dieser  haben 
uns  die  Untersuchungen  besonders  von  Hermann  Meyer, 
J.  Wditf  (von  diesem  Forscher  erschien  soeben  ein  diesen 
Gegenstand  behandelndes  znsaunnenfassendes  Hauiitwerk: 
Das  Gesetz  der  Transformation  der  Knochen,  Berlin  lb92), 
Roux  (vergl.  bes.:  Beiträge  zur  Morphologie  der  funetio- 
ncllen  Anpassung.  I.  Structur  eines  hoch  ditferencirten 
bindegewel)igen  Organes  [der  Schwanzilosse  des  Delphin]. 
—  Archiv  f.  Anat.  u.  l'hysiol.  [His  u.  Braune],  Jahrg.  1883, 
Anatom.  Aiitheilg.)  bekannt  gemacht;  bei  den  l'tlauzen 
ist  es  das  sogenannte  „mechanische  Gewebesystem",  dessen 
mechanisch  zweckmässigen  Bau  uns  Sehwendener  in  dem 
grundlegenden  Hauptwerk:  Das  mechanische  Priucii)  im 
anatomischen  Bau  der  Monocotylen  mit  vergleichenden 
Ausblicken  auf  die  übrigen  Pflanzcnklassen  (Leipzig,  1874), 
dargelegt  hat*).  —  Driesch  betont  nun  mit  Recht,  dass 
diese  mechanischen  Zweckmässigkeiten  mit  den 
morphologischen  Befunden,  die  auf  eine  mechanische 
Erklärung  hindeuten,  und  deren  kritische  Betrachtung 
er  sich  in  seiner  Schrift  zur  Aufgabe  gemacht  hat,  nichts 
zu  thun  haben,  von  ihnen  in  Bezug  auf  ihren  Erklärnngs- 
werth  principiell  verschieden  sind.  Es  ergiebt  sich  dies 
ja  von  selbst  aus  dem  Wesensunterschiede  der  beiden 
Begrifte  des  „Ursächlichen"  und  des  „Zweckmässigen". 
Betrachte  ich  eine  Erscheinung  in  Bezug  auf  die  Causal- 
reihe,  der  sie  angehört,  unter  causalem  Gesichtspunkte, 
so  suche  ich  retrospectiv  das  vorhergehende  Glied  der 
Reihe  zu  bestimmen,  durch  das  sie  als  von  ihrer  Ursache 
bewirkt  ist;  betrachte  ich  jedoch  dieselbe  Erscheinung 
unter  teleologischem  Gesichtspunkte,  so  beleuchte  ich  pro- 
spectiv  ihr  Verhältniss  zu  dem  nächstfolgenden  Gliede  der 
Causalreihe,  das  dann  als  Zweck  von  ihr  als  Mittel  be-i 
dingt  ist.  Durch  den  Nachweis  der  Zweckmässigkeit 
wird  eine  Erscheinung  nicht  erklärt,  auf  ihre  Ursache 
zurückgeführt,  sondern,  selbst  als  gegeben  hingenonnnen, 
selber  als  Ursache,  als  Bedingung  einer  causal  folgenden 
Erscheinung  dargestellt.  So  gelangen  wir  auch  bei  den 
mechanischen  Zweekmässigkeitserscheinungen  „nicht  zu 
einer  mechanischen  Erklärung;  wir  erkennen  ein  „„für 
Mechanik"",  aber  kein  „„durch  Mechanik"",  kein 
„„nach  bekannten  mechanischen  Gesetzen"".  Dieser  fun- 
damentale Unterschied,  der  gerade  durch  die  unglückliche, 
botanische  Nomeuclatur  auf  diesem  Gebiete  besonders  ver- 
dunkelt wird,  wird  dadurch  noch  weit  bedeutsamer,  dass 
die  Erkenntniss  des  mechanischen  Zweckes  im  Gegensatz^ 
zu  derjenigen  der  mechanischen  Ursache  nicht  nur  nichts 
„„erklärt"",  sondern  im  Gegentheil  ein  neues  unge- 
heures Räthsel  aufgiebt,  dessen  Lösung  immerhin  durch 
die  Theorie  der  functionellen  Anpassung  und  den  Kampf, 
der  Theile  im  Organismus  von  Roux  "(Der  Kampf  der 
Tlieile  im  Organismus,  Leipzig  1881  )„  nicht  ohne  Erfolg 
versucht  ist."  In  dem  Abschnitte  über  „die  mechanische 
Zweckmässigkeit"  erfüllt  also  Driesch  im  Wesentlichen 
nur  die  Aufgabe  zu  zeigen,  dass  der  in  der  Ueberschrift 
bezeichnete  Gegenstand  in  den  Rahmen  seiner  Betrachtung 
nicht  hineingehört.**) 


*)  Vei-gl.  „Natm-vv.  Woclienscln-."  Bd.  IV  S.  82  ft\  —  Red. 
**)  Wonn  Driesch  hier  das  Vurhilltuiss  der  „mechanischen 
Zweckmässiglveit"  zu  seinem  Gegen.stande,  der  mathematisch- 
mechanischen Betraclitnnti;  resp.  Erklärung,  in  khires  Licht  setzt,; 
so  wird  hier  natürlich  keine  Herabscitzung  des  bereclitigten  Ver- 
diensti-'S  der  Anfdeclvinig  di>r  liierlicr  geliürig('n  Erscheiiiinigen 
herauszulesen  sein.  —  Kef. 


Nachdem  dann  Driesch  in  einem  kurzen  Abschnitt: 

VI.    Z  n  s  a  m  m  e  n  f a  s  s  u  n g 
ein  Resume  der  Resultate   seiner  kritischen  UntersncJHmg 
der  verschiedenartigen  Unternehmen   einer   mathematisch- 
mechanischen  Betrachtung  nn)rphologisch-biologischcr  Pro- 
bleme gegeben  hat,  geht  er  zu  seinen 

Sehlussbetrachtungen 

über.  In  denselben  — ,  ihrem  schwerwiegenden  gedanken- 
reichen Inhalte  nach  möchten  wir  sie  entsprechender  als 
anderen  ilaupttheil  der  Schrift  bezeichnen,  —  stellt  er 
einen  weiteren  Ausblick  an,  dahingehend,  welche  Aus- 
sicht die  morphologische  Biologie  habe,  sich  zu  dem  Range 
einer  exacten,  der  Physik  gleiehwerthigen,  Disciplin  her- 
auszuarbeiten, und  welche  Wege  hierzu  zu  verfolgen  seien. 
Wir  halten  diesen  Abschnitt  in  gewisser  Hinsicht  für  den 
bedeutendsten  Theil  der  Schrift  Driescli's.  Gleichwohl 
müssen  wir  es  uns  versagen,  auf  seinen  Inhalt  näher 
einzugehen,  denn  bei  der  gedrängten,  organisch  in  sich 
zusammenhängenden  Art  seines  (Tcdankenaulbaues  er- 
scheint ein  auszugsweises,  kürzendes  Referiren  nicht  gut 
zulässig.  Wir  beschränken  uns  daher  darauf,  mir  an- 
zudeuten, um  was  es  sich  handelt. 

„Um  zu  zeigen,  welchen  Weg  eine  Wissenschaft  ein- 
schlagen könne,  um  sich  zum  Range  einer  exacten  Dis- 
ciplin zu  erheben,  muss  die  ünteisuchung  vorangehen,  ob 
ihr  dies  ihrem  inneren  Wesen  nach  überhaupt  milglieh 
sei.  Wir  wollen  daher  v(u-  allem  anderen  die  Jlorphologie 
der  Organismen  auf  dieses  ihr  Wesen  hin  untersuchen, 
indem  wir  die  beiden  fundamentalen  Ansichten  mit  ein- 
ander vergleichen,  die  über  das  Wesen  der  lebenden 
Formen  a  priori  möglich,  und  die  auch  beide  in  irgend 
einem  Gewände  geäussert  sind.  Dass  diese  beiden  An- 
schauungen die  Prädicate  zufällig  und  gesetzlich  ver- 
dienen, schicken  wir  zunächst  ohne  Begründung  mid  Er- 
läuterung voraus. " 

Die  eine  dieser  beiden  Anschauungen,  die  Theorie 
der  zufälligen  Formbildung,  haben  wir  im  Darwi- 
nismus. Dies  weist  Driesch  nach  und  damit  zugleich  die 
Unfähigkeit  dieser  Auffassungsrichtung  zu  einer  exacten 
Entwickelung  der  biologischen  Morphologie. 

Hieraufwendet  sich  Driesch  zur  anderen  der  beiden 
Anschauungen,  zur  Ansicht  der  gesetzlichen  Forui- 
l)ildung.  „Da  ihr  contradictorischcs  Gegentheil",  eben 
die  Theorie  der  zufälligen  Formbildung,  „unzureichend  ist, 
so  folgt  ihre  principielle  Richtigkeit."  Er  skizzii-t  nun  in 
der  Richtung  der  Lehre  der  gesetzlichen  Formbildung  in 
einigen  grossen  Zügen  die  Perspective  von  unten  au  bis 
zu  der  auf  der  Grenze  der  Erkenntniss  liegenden  Kategorie 
höchster  letzter  Probleme.  Prüfen  wir  den  gegenwärtigen 
Stand  der  Forschung  an  dem  Maassstab  dieser  Perspective, 
so  müssen  wir  bei  aufrichtiger  Prüfung  Driesch  in  folgen- 
dem Bekenntnisse  leider  beipflichten:  „Wie  weit  die 
Theorien  der  gesetzlichen  Fornd)ildung  von  diesen  ge- 
gebenen Grenzen  des  Erkennens  noch  entfernt  sind,  ja 
dass  sie  positiv  noch  gar  nichts,  auch  nur  im  ersten 
Stadium  erklärt  haben,  brauche  ich  wohl  nicht  besonders 
zu  betonen.  Dem  Unwerth  der  Descendenzthcorie,  der 
Falschheit  der  Theorie  der  zufälligen  Formbildung  reiht 
sich  als  drittes  das  Nichtwissen  von  gesetzlicher  Ge- 
staltung an;  ein  nicht  sehr  erfreuliches  Resultat."  — - 

„Unsere  Untersuchung  hat  uns  gezeigt,  dass  das  Pro- 
blem der  Morphologie  weder  durch  die  im  Darwinismus 
ihren  Ausdruck  findende  historische  Auffassungsart  gelöst 
wird,  weil  ....  sie  eben  kein  historisches  Problem  ist, 
dass  aber  auch  andererseits  die  thatsächlich  geäusserten 
Auffassungen  einer  Gesetzlichkeit  der  morphologischen 
Processe  nicht  mehr  zu  sein  beanspruchen  dürfen,  als 
Hypothesen    allgemeinsten  Charakters   oder  vielmehr    als 


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Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  12. 


Directiven;  dass  sie  zumal  den  Tlieorieen  der  the<iretischcn 
l'hysik  deshalb  bedeutend  nachstehen,  weil  sie  selbst  im 
günstigsten  Fall  nie  eine  quantitative  Erklärung  zu  leisten 
vermöchten.  Nachdem  so  die  Thatsai^he  unserer  völligen 
Unkenntniss  in  Sachen  der  Morphologie  kritisch  auf- 
gedeckt ist,  wird  es  augebracht  erscheinen,  eine  kurze 
Untersuchung  über  die  Wege  anzuknüpfen,  welche  die 
Vernichtung  dieser  l)etrübenden  Tiiatsache  wenigstens  vor- 
bereiten, wenn  nicht  beginnen  könnten."  Hiernach 
skizzirt  dann  Driesch,  zunächst  von  Gedanken  Wilhelm 
Roux's  ausgehend,  einen  Arbeitsplan  der  exacten  Mor- 
phologie. 

Driesch  heschliesst  seine  Studie  mit  Folgendem,  in 
dem  er  die  mechanistische  Naturbetrachtung  der  histori- 
schen entgegenhält.  Der  hierin  zum  Ausdruck  gebrachte 
Sinn  kann  gerade  in  unserer  Zeit,  wo  das  Gros  der  bio- 
logischen Forscher  nichts  Besseres  thun  zu  können  glaubt, 
als  einer  historischen  Betrachtungsweise  zu  huldigen,  nicht 
genug  betont  werden: 

„Sollte  sich  einst  die  allgemeine  Descendenztheorie 
als  berechtigt  erwiesen  halten,  so  wird  es  nicht  ohne  Inter- 
esse sein,  den  Stammbaum  aller  Formen  zu  erforschen; 
auch  jetzt  ist  die  Ergründung  der  kleinen  paläontologischen 
Reihen,  deren  Descendenz  wahrscheinlich  ist,  gewiss  be- 
rechtigt. Aber  auf  anorganischem  Gebiet  geht  die  histori- 
sche Wissenschaft,  die  Geologie,  in  zweiter  Linie  neben 
der  nicht  historischen  Physik  (im  weiteren  Sinne)  einher, 
sie  wendet  die  Lehren  an,  welche  ihr  die  Schwester,  die 
an  philosophischem  Werth  so  unendlich  viel  höher  steht, 
darreicht.  So  wird  auch  einst  das  Verliältniss  der  dann 
vielleiclit  begründeten  historischen  Biologie  zu  ihrer  exacten 
Schwester  sein,  beide  gleichsam  Abkömndinge  ihrer  an- 
organischen Eepräsentanten.  Bis  dahin  aber  ist  das  Fest- 
halten an  den  Principien  der  strengen  Wissenschaft  für 
die  Morphologie  vor  allem  wichtig;  mag  es  auch  nicht  so 
scheinen,  sie  wird  doch  rascher  vorwärts  kommen,  als 
durch  Hypothesen  problematischen,  unexacten  Charakters. 
Nothwendig  ist  vor  allem,  stets  eingedenk  zu  bleiben, 
dass  die  trockene  Beobachtung,  Beschreibung  und  Kritik, 
die  denkende  Analyse  und  das  zeitraubende  Experiment, 
obwohl  sie  in  weniger  glänzendem  Gewände  einhergeheu 
als  alles  umfassende  Hypothesen,  doch  nicht  zu  verachten, 
sondern  hochzuhalten  sind;  dass  ihre  Vertreter  das 
Ziel  der  philosophischen  Naturwissenschaft  vor 
Augen  haben,  welches  nicht  Historie  ist,  son- 
dern die  Erforschung  der  von  bestimmter  Zeit 
und  bestimmtem  Ort  unabhängigen"  (eben  im  Gegen- 
satz zu  den  historischen  Processen,  die  durch  Zeit  und 
Ort  bestimmt  sind)  „universellen  Naturgesetzlich- 
keit,   wie  sie  so  herrlich  geschildert  ist  in  den  Worten: 

Aber  im  stillen  Gemach  entwirft  bedeutende  Zirkel 

Sinnend  der  Weise,   beschleicht  forschend  den  schaffenden 

Geist, 
Prüft  der  Stoffe  Gewalt,  der  Magnete  Hassen  und  Lieben, 

Folgt  durch  die  Lüfte  dem  Klang,  folgt  durch  den  Aetlier 

dem  Strahl, 
Sucht  das  vertraute  Gesetz  in  des  Zufalls  grausenden  Wundern, 
Sucht    den    ruhenden    Pol    in    der    Erscheinungen 
Flucht." 

Die  Schrift  Driesch's  überragt  an  Inhaltsschwere  die 
biologische  Durchschuittslitteratur  bedeutend.  Ferner  ist 
sie  ein  Muster  kritisch- wissenschaftlicher  Arbeit:  ohne 
Aifect  und  Parteilicidceit  für  oder  wider  diese  oder  jene 
Auffassungsrichtung  wird  die  Untersuchung  geführt,  allein 
geleitet  durch  kühle,  logisch -sachliche  Erwägung.  Der 
Horizont  der  Betrachtung  ist  ein  weiter:  die  Biologie  und 
ihre  Probleme  werden  in  organischem  Zusannnenhang 
mit  der  Gesammtwissenschaft,  besonders  der  Physik, 
Chemie  und  Philosophie,    betrachtet;    aber    auch  nur  so, 


unter  dem  Bewusstsein  der  ])rincipiellen  Einheit  der 
Wissenschaft,  ist  es  möglich,  mit  Bewusstsein  und  plan- 
voll den  Gesammtl)au  der  Wissenschaft  zu  fördern,  speciell, 
\vie  es  bei  der  Biologie  der  P^all  ist,  zurückstehende 
Partien  des  Baues  den  fortgeschritteneren  nachziiführen, 
erfolgreich  an  der  harmonischen  Ausgestaltung  des  Ge- 
sanuntbaues  zu  wirken.  — 

Als  Bedingungen  für  ein  erspriessliches  Studium  der 
Schrift  Driesch's  wären  zu  nennen:  allgemein  philosophi- 
sche und  exact  naturwissenschaftliche  Bildung,  Bekannt- 
schaft in  der  allgemeinen  Biologie  und  ihren  mannig- 
faltigen Richtungen  der  Betrachtung  und  Untersuchung 
und  kritische  Objectivität  — ;  jeder,  bei  dem  diese  Be- 
dingungen erfüllt  sind,  wird  in  dem  Studium  der  Schrift 
Driesch's  Klärung  der  Orientirung  und  der  Auffassung  und 
fruchtbare  Aui'cgung  finden.  Dr.  Friedrich  Dreyer. 


Sonnenuhr  für  mittlere  Zeit.  —  Schon  mehrfach 
ist  versucht  worden,  die  Sonnenuhren,  welche  zunächst 
die  nicht  gleichmässig  fortschreitende  und  also  für  unsere 
Pendel-  und  Federuhren  unbrauchbare  wahre  Sonnenzeit 
liefern,  füi-  mittlere  Zeit  zu  corrigiren,  d.  h.  in  das 
Instrument  selbst  den  Unterschied  Zeitgleiclnuig  =  Mittlere 
Zeit  minus  Walire  Zeit  aufzunehmen.  Diese  Zeitgleichung 
erreicht  die  Extreme  —  I6V2  Min.  zu  Anfang  November 
(„kurze  Nachmittage")  und  -1-  I4V2  Min.  gegen  Mitte 
Februar  („lange  Nachmittage");  man  merkt,  nebenbei 
gesagt,  die  genaueren  Daten  leicht  nach:  2/XI  und  11/11. 
Zwei  kleinere  extreme  Werthc  fallen  auf  Mitte  Mai  ( — 
4  Min.)  und  Ende  Juli  (+  6V2  Min.);  viermal  im  Jahre 
ist  der  Werth  der  Zeit-Gleichung  0,  nämlich  Mitte  April, 
Mitte  Juni,  Ende  August  und  gegen  Ende  December. 

Eine  hübsche  neue  Construction  einer  Sonnenuhr  nach 
mittlerer  Zeit  von  dem  englischen  General  Oliver,  aus- 
geführt von  Negretti  und  Zambra  in  London,  beruht 
nun  sehr  einfach  darauf,  als  Schattenwerfer  nicht  wie 
seither  einen  geraden  Stift  oder  eine  gerade  Kante  pa- 
rallel zur  Weltaxe  zu  wählen,  sonderu  einen  kleinen  Ro- 
tationskörper, dessen  Axe  die  angegebene  Richtung  hat, 
dessen  Erzeugende  aber  eine  durch  die  Z.-Gl.  gelieferte 
Form  besitzt:  als  Zeiger  auf  dem  Zifferblatt  dient  dann  die 
Grenze  des  Schattens  dieses  Körpers.  Das  Instrument 
ist  wie  beistehende  Abbildung  (Reproduction  einer  Figur 
von  Negretti  und  Zaudjraj  zeigt,    eine   Aequatorial-   oder 

Polar-Uhr,  d.  h.  das  die  Zeit- 
theilung  tragende  Zifferblatt,  auf 
dem  am  Schattenstand  die  Zeit  ab- 
gelesen wird,  ist  ein  Kreis,  dessen 
Ebene  parallel  zum  Himmels- 
äquator liegt  und  die  Theilung  des 
Zifferblatts  gleichförmig,  1  Qua- 
drant =  6  Stunden.  Die  Theilung, 
in  der  Fig.  mit  A  bezeichnet,  geht 
bis  auf  V12  Stunden,  so  dass 
etwa  1  Minute  geschätzt  werden 
kann;  der  schattenwerfende 
Körper,  dessen  Schattenrand  also  den  Zeiger  abgiebt, 
ist  mit  B  bezeichnet.  Um  seine  Axe  parallel  zur  Welt- 
axe zu  stellen,  muss  die  Ebene  des  vertikalen  getheilten 
Halbkreises  C  (zu  der  die  von  A  senkrecht  steht)  in  die 
Ebene  des  Meridians  gebracht  werden  und  es  ist  dann 
noch  die  Gradtheilung  von  C  so  lange  in  dem  Halter 
D  zu  verschieben,  bis  die  Neigung  der  Axe  von  B  mit 
der  Richtung  der  Lothlinie  das  Complement  der  Polhöhe 
(geogr.  Breite)  cinschliesst;  Feststellung  geschieht  mit  Hilfe 
der  Schraube  S,. 

Die  Schraube  S^  dient  zum  Festklemmen  der  Ziffer- 
blatttheilung  A  in  bestimmter  Lage.     Es  sind  nämlich  auf 


Nr.  12. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


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der  Innenseite  von  C,  bei  E,  nahe  beisammen  zwei  Marlcen 
aiij;cbriicht,  die  mit  1  (liulcs)  und  r  (rcclits)  bezeichnet 
sein  mögen  und  mit  deren  einer  eine  Marke  auf  A  selbst, 
nämlich  die  XII-Uhr-Liuie  übereinstinmien  uniss.  Auf  die 
Marke  1  ist  einzustellen  für  die  Zeiten  von  Mitte  April 
bis  einige  Tage  nach  Mitte  Juni,  und  von  der  letzten 
Woche  des  August  au  bis  kurz  vor  Weihnachten,  auf  die 
Marke  r  zu  den  übrigen  Zeiten  des  Jahres.  Dabei  ist  zu 
beachten:  wenn  auf  1  eingestellt  ist,  ist  auch  die  linke, 
wenn  auf  r  eingestellt  ist,  die  rechte  Seite  der  Schatten- 
figur als  Zeiger  zu  nehmen.  Viermal  ist  also  im  Jahre 
das  Zirterblatt  A  etwas  zu  verschieben  (XII  von  1  nach  r 
oder  umgekehrt),  am  15.  April,  21.  Juni,  25.  August  und 
21.  Deccmber,  ohne  dass  man  genau  aut  diese  Daten 
achten  müsstc.  (Eigentlich  sollten  zwei  etwas  verschie- 
dene schattenwerfende  Körper  vf>rhanden  sein,  der  eine 
von  Juni  bis  Deccmber,  der  andere  von  Deccmber  bis 
Juni  zu  benutzen;  der  grösste  Fehler  bei  Anwendung  eines 
symmetrischen  Körpers  B  beträgt  aber  nur  1  Min.,  was 
bei  der  Genauigkeit  mit  welcher  an  der  nicht  sein-  scharfen 
Schattengrenze  abgelesen  werden  kann,  ziemlich  gleich- 
gültig ist.  Aus  dem  angedeuteten  Grund  fallen  übrigens 
die  oben  angegebenen  Umstellungszeiten  für  A  nicht  genau 
mit  den  Zeiten  zusanmien,  zu  denen  die  Z.-61.  =  0  ist.) 
Man  erhält  mit  dem  Instrument  leicht  die  M.  Z.  auf  1  bis 
2  Minuten,  was  ja  für  die  meisten  hier  in  iSetraeht 
konmienden  Zwecke  genügt. 

Für  südliche  Breiten  muss  der  schattenwerfende 
Körper  umgekehrt  liegen.  —  Auch  eine  bestimmte  Normalzeit 
statt  der  Ortszeit  kann  das  Instrumentchen  selbstverständlich 
angeben,  man  hat  dazu  nur  statt  des  Strichs  XII  denjenigen 
Strich  der  Zitferldatttheilung  auf  1  oder  r  zu  stellen,  der  dem 
Unterschied  jener  Normalzeit  und  der  Ortszeit  entspricht; 
wenn  z.  B.  in  Stuttgart  die  M.  E.  Z.  abgelesen  werden 
soll,  so  ist  der  Strich  XIV'   23™  einzustellen. 

Für  Länder  mit  meist  klarem  Himmel  und  wenig 
Gelegenheit  zur  Uhrcontrole  ist  dieser  einfachen  Mittleren- 
Zeit-Sonneuuhr  praktische  Bedeutung  nicht  abzusprechen. 

llaunuer. 


Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben. 

Es  wurden  ernannt:  Der  C"Stos  au  tler  zoologischen  Abthei- 
liiiip;  do.«  Kgl.  Museums  für  Naturkunde  zu  Berlin  Dr.  F.  Hilgon- 
dorf  zum  Kgl.  Professor.  —  Dr.-  Wilhelm  Hiill\v;n-hs  in  Strass- 
burg  zum  Professor  der  Physik  am  PolyteLdmicum  in  Dresden. 

Es  hat  sieh  habilitirt:  Kreisthierarzt  Wilhelm  Klier  vom 
Polizeipräsidium  in  Berlin  als  Privatdoeent  für  Thiorheilkundo 
an  der  PTniversität  Jeua  mit  gleii-hzeitifcer  Berut'urg  zum  Leiter 
der  Voterinäranstalt  an  dem  laud\virthscliat'tlieh(^u  Institut  der 
Universität. 

Modicinal'Assessor  Dr.  Schuster,  Leiter  der  Veterinäranstalt 
an  dem  landwirthschaftlichen  Institut  der  Universität  Jena,  ist  in 
den  Ruhestand  getreten. 

Es  sind  gestorben:  Der  ordentliche  Professor  der  Botanik  und 
Direetor  des  botanischen  Gartens  zu  Neapel  Cav.  Giuseppe 
Antonio  Pasquale.  —  In  Warschau  der  bekannte  Mediciner 
Professor  Konstantin  Kose. 


Die  Direction  der  Senckenbergisehen  naturforschenden  Ge- 
sellschaft in  Frankfurt  a.  M.  beabsichtigt  im  Laute  dieses  Jahres- 
aus der  Küppel-Stiftung  ein  Stipendium  von  ca.  12  OOO  Älark 
Zu  einer  Forschungs-  und  Sammelreise  nach  dem  ma- 
la yischen  Archipel  zu  vergeben.  Bewerber,  welche  eine 
gründliebe  wissenschaftliche  Vorbildung  naehweiseii  können,  im 
Sammeln  und  Conserviren  von  Thieren  geübt  sind  und  womöglich 
lleiseerfahrung  haben,  wollen  sieh  bis  1.  Juli  schriftlich  bei  tler 
Direction  melden. 


L  i  1 1  e  r  a  t  u  r. 

Brockhaus'  Konversations-Lexikon.  14.  vollständig  neub(>arb. 
AuH.  5  Bd.  Deutsche  Legion-f^lektrodi.aguostik.  F.  A.  Brock- 
haus in  Leipzig.  Berlin  uiul  Wien  1892.  —  Preis  10  Mk. 
Der  5.  Band  bringt  W>  Tafeln,  unter  diesen  6  in  farbiger 
Ausführung  22  Karten  und  Pläne  und  228  Textabbihlwngen;  auch 
er  entspricht  dem,  was  die  ersten  Bände  versprechen.  Ein  gut 
gemachtes  Lexikon  giebt  ein  interessantes  Bild  seiner  Zeit  und 
bleibt  insofern  immer  von  Werth.  So  bringt  der  vorliegende 
Band  reiches  Material  zur  Würdigung  der  deutscheu  Militärvor- 
lage. Derselbe  enthält  unter  der  Fülle  textlichen  und  illustrativen 
Stoffes  zwei  zu  der  Artikelreihe  üb<'r  Deutschland  geh;irende 
Karten  der  Dislocation  der  deutsehen,  österreichischen,  russischen 
und  französischen  Trupjien,  namentlich  an  den  Grenzen,  wie  auch 
im  Binneulande.  Von  den  Chromos  erwähnen  wir  <lie  Darstellung 
der  Uniformirung  unserer  ostafrikauischeu  Schutztruppe.  Die 
Karte  Deutseh-Ostafrika  enthält,  wie  der  zu  dieser  gehörige  Ar- 
tikel, schon  die  neuesten  Entdeckungen,  wie  z.  B.  Dr.  O.  Bau- 
mann'a  Eijassi-See.  Nicht  weniger  als  107  Artikel  über  Eisen- 
bahnen erschöpfen  ihren  Gegenstand  für  solche,  die  überhaupt  ein 
Lexikon  benutzen,  sicherlich.  Sie  sind  von  2  Tafeln  und  6!»  Text- 
figuren begleitet.  Der  Elektricität  sind  35  Seiten  mit  8  Tafeln 
und  1(3  Figuren  gewidmet.  Sogar  die  gefeierte  Tragödin  Eleouora 
Düse  fehlt  nicht.  Nach  Angabe  der  Verlagshandlung  sind  in 
den  ersten  fünf  Bänilen  gegen  33  600  Stichworte  enthalten,  ca. 
11000  mehr  als  in  der  13.  Auflage. 


Brehms  Thierleben.  9.  Band,  3.  gänzlich  neubearbeitete  Autlage, 
lier;iusgegel).  von  Prof.  Pechuel-Loesche.  Die  Insecten,  Tausend- 
füsser  und  Spinnen.  Von  Prof.  Dr.  E.  L.  Taschenberg. 
Mit  287  Abbildungen  im  Text  nnd  21  Tafeln  meist  in  Chromo- 
druck.  Bibliographisches  Institut.  Leipzig  und  Wien  1892.  — 
Preis  l.j  Mk. 

Tasehenberg  gliedert  wie  folgt:  Insecten.  1.  Ordnung: 
Käfer;  2.<  )rdnung:'Hautflügler,  Immen  ;  3.  Orduung:Schmetterlinge, 
Falter;  4.  Ordnung:  Zweiflügler;  5.  Ordnung:  Netz-.  Gitterflügler; 
G.  Ordnung:  Kaukerfe,  Geradflügler;  7.  Ordnung:  Schnabelkerfe, 
Halbdecker.       Tau  sen  dfüsser:       1.    «Ordnung:      Einpaarfüsser; 

2.  Ordnung:  Zweipaarfüsser.  Sp  inne  nthiere:  1.  Ordnung: 
Gliederspjnnen;  2.  (Jrdnung:  Websiiinnen;  3.  Ordnung:  Milben; 
4.  Ordnung:  Zungenwürmer;  .0.  Ordnung:  Krebs-,  Asselspinnen. 

Taschenberg,"  der  schon  die  1.  Aufl.  der  Insecten  u.  s.  w.  zu 
Brehms  Thierleben  bearbeitet  hat,  hat  dieselben  zum  Vortheil  der 
Sache  in  der  Neu-Auflage  neugearbeitet.  Während  er  in  der  1.  Aufl. 
bestrebt  gewesen  war,  möglichst  viele  Thierarten  zur  Sprache  zu 
bringen,  um  einigermaassen  die  entsprechende  Vollständigkeit  der 
vorangegangenen  Bände  zu  erreichen,  ist  in  dieser  Hinsicht  in  der 

3.  Aufl.  eine  der  Sache  nur  zum  Vortheile  gereichende  Einschrän- 
kung erfolgt:  Die  gewöhnlichsten,  heimischen,  erhielten  hier  den 
Vorzug,  und  es  konnte  durch  die  Platzgewinnung  auf  die  Be- 
trachtung des  Lebens  der  Insecten  mclir  Nachdruck  gelegt  werden. 
Nicht  weniger  als  fast  100  neue  Abbildungen,  fast  ausnahmslos 
nach  dem  Leben,  bringt  die  3.  Aufl.  Auf  33  Seiten  geht  der 
systematischen  Betrachtung  ein  Abschnitt  voraus,  der  einen  Blick 
auf  das  Leben  der  Gesammtheit  wirft. 


Albert  Moll,  Dr.  med.:  Der  Kapport  in  der  Hypnose.  Unter- 
suchungen über  den  thierischen  iMagnetisuius.  Leipzig,  Ambi". 
Abel,  1892.  (Heft  3/4  der  Schriften  der  Gesellschaft  für  psycho- 
logische Forschung.     (242  S.)     S". 

Derjenige,  welcher  noch  zweifelt,  ob  bei  dem  sogenannten 
Magnetisiren  eines  Menschen  durch  einen  andern  irgend  etwas 
Materielles  überströmt  oder  nicht,  sollte  aufmerksam  dieses  Buch 
lesen.  Wer  nach  der  Kenntnissnahme  der  zahlreichen  Versuche 
des  Verf.  und  der  Folgerungen  aus  ihnen  an  dem  magnetischen 
Fluidum  noch  festhält,  wird  schwerlieh  irgendwelcher  Beweis- 
führung zugänglich  sein.  In  dem  vorliegenden  Werk  wird  gerade 
die  Seite  des  Mesmerismus  zum  Gegenstande  einer  eingehenden 
Untersuchung  gemacht,  welchi'  für  Viele  am  räthselhaftesten  er- 
schien und  zu  mystischen  Frklärungsversuehen  geführt  hat,  der 
Rapport.  Der  Verf.  betrachtet  diese  eigenthüudiche  Beziehung 
zwischen  dem  durch  Striche  und  Anstarren  oder  auch  nur  mittelst 
Verbalsuggestiouen  in  einen  ..magnetischen"  (hypnotischen)  Zu- 
stand versetzten  Patienten  und  dem  Operator  als  eine  Folge  ein- 
seitiger Aufmerksamkeit,  gleichviel,  ob  der  Patient  etwas  dav(Ui 
weiss  oder  nicht.  Die  Grundlage  der  Erklärung  ist  durchaus  im 
Sinne  Braid's  gedacht,  welcher  bereits  vor  bald  einem  halben 
Jahrhundert  dadurch  das  Odium  mesmericuni  auf  sich  lud, 
dass  er  durch  einfache  aber  unwiderlegliche  Beweise  die  Irrlehre 
Mesmer's  voui  magnetischen  Fluidum  als  solche  kennzeichnete. 
Der  Verf.  (>rweist  der  letzteren  übrigens  zuviel  Ehre,  indem  er 
sie  eine  „Theorie"  nennt  (S.  15). 


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Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  12. 


Die  sinnreich  variirten  Experimente  liaben  unabhängig  von 
jeder  Anffassiing  der  hypnotischen  Thatsachen  und  Suggestions- 
wirkungen zum  grossen  Theil  ein  hohes  psychologisches  Inter- 
esse, weil  sie  auf  die  verschiedenen  Arten  der  geistigen  Ab- 
hängigkeit einer  Person  von  einer  andern  Licht  werfen.  Leider 
wird  der  Werth  derselben  dadurch  erheblich  beeinträchtigt,  dass 
die  den  Rapport-Beobachtungen  unterworfenen  Individuen  mit 
X,  Y,  Z  bezeichnet  werden,  so  dass  man  nicht  weiss,  ob  die  An- 
zahl derselben  gross  oder  klein  war  und  Zweifel  entstehen,  in- 
wiefern Dressur,  Gewöhnung,  Einschüchterung  u.  s.  w.  die  Re- 
sultate beeinflusst  haben  mögen.  W.  Preyer. 


J.  Heussi,  Leitfaden  der  Physik.  13.  verbesserte  Auflage, 
mit  l.j'iHolzscbnitten.  Bearbeitet  von  H.Weinert.  Braunschweig. 
Verlag  von  Otto  Salle.     1892.  —  Preis  1.80  Mk. 

Der  altbewährte  Leitfaden  der  Phj'sik  von  Heussi  erscheint 
in  der  vorliegenden  neuen  Auflage  vermehrt  durch  einen  die 
Grundbegriffe  der  Chemie  behandelnden  Anhang,  der  auch  ge- 
sondert käuflich  ist.  Dadurch  schliesst  er  sich  dem  vorbereitenden 
Kursus,  der  durch  die  neuen  Lehrpläne  an  allen  höheren  Schulen 
eingeführt  worden  ist,  vollständig  und  wird  in  hohem  Grade  geeignet, 
bei  der  Unterstufe  dos  physikalischen  Unterrichts  zu  Grunde  ge- 
legt zu  werden.  —  Da  der  Leitfaden  die  physikalischen  Erschei- 
nungen nur  insoweit  behandelt,  als  sie  für  einen  Anfänger  ohne 
mathematische  Kenntnisse  verständlich  sind,  sind  zweckmässig 
Erscheinungen,  wie  z.  B.  die  Interferenz  und  Polarisation  des 
Lichts  unerwähnt  gelassen.  Bei  der  völligen  Verständlichkeit 
aller  Abschnitte  eignet  sich  das  Büchlein  auch  vorzüglich  zur  Ein- 
führung in  Mädchenschulen. 


Prof.  Dr.  Felix  Müller,  Zeittafeln  zur  Geschichte  der  Mathe- 
matik, Physik  und  Astronomie  bis  zum  Jahre  1500,  mit  Hin- 
weis auf  die  Quellen-Litteratur.  Verlag  von  B.  G.  Teubner. 
Leipzig  1892.  —  Preis  2,40  U. 

In  dem  vorliegenden  Werkchen  begrüssen  wir  ein  sehr  ver- 
dienstliches Unternehmen,  da  einige  historische  Kenntnisse  ge- 
rade beim  Studium  der  schon  im  Alterthum  verhältnissmässig 
so  hoch  entwickelten  exacten  Wis.senschaften  unbedingt  erforder- 
lich sind.  Tragen  doch  viele  Methoden  und  Lehrsätze  den  Namen 
ihres  Entdeckers  und  weisen  dadurch  unmittelbar  auf  die  Berück- 
sichtigung der  historischen  Entwicklung  hin.  Nicht  Jedem  werden 
allzeit  umfangreiche  Geschiclitswerke,  wie  das  treft"liche  Cantor- 
sche,  zur  Verfügung  stehen;  ihnen  wird  das  MüUer'sche  Compen- 
dium  sicherlich  stets  die  für  den  Augenblick  gewünschte  Auskunft 
schnell  und  zuverlässig  ertheilen.  Die  überall  durchgeführte  An- 
gabe der  Quellenwerke  wird  aber  auch  demjenigen  unnützes 
Suchen  ersparen,  der  in  irgend  einer  Frage  specieller  unterrichtet 
zu  werden  wünscht.  Der  Umstand,  dass  der  Tafel  ein  nicht  nnr 
die  Namen,  sondern  auch  die  Sachen  enthaltendes  Register  ange- 
fügt ist,  erhölit  ihre  Brauchbarkeit  ausserordentlich.  —  Hoffent- 
lich wird  es  dem  vei'dienten  mathematischen  Polyhistor  recht  bald 
möglich,  sein  Unternehmen  bis  zur  Gegenwart  fortzuführen  und 
durch  die  Vervollständigung  den  Werth  der  Publication  noch  we- 
sentlich zu  steigern. 

Zeitschrift  für  Krystallographie  und  Mineralogie,  heraus- 
gegeben von  P.  Groth.  Leipzig  1892.  —  21.  Band,  Heft  1.  und  2. 
—  Alexander  Schmidt:  Daten  zur  genaueren  Kenntniss  einiger 
Mineralien  der  Pyroxengrnppe.  (Krystallographische  Untersuchun- 
gen an  Diopsiden  aus  dem  Alathal,  weissen  und  grünen  Diopsiden 
von  Achmatowsk,  Diopsiden  von  Nordmarken  und  dem  Schwarzen- 
stein  im  Zillerfhal  [beide  Arten:  die  neueren,  kleineren,  fast  farb- 
losen Krystalle  und  die  grösseren,  älteren,  fast  dunkel  gefärbten] 
und  an  schwarzen  und  gelben  Augitkrystallen  vom  Aramyer  Berg.) 
4  Tafeln.  —  P.  Philipp  Heberdey:  Krystallisirte  Schlacken 
von  Raibl.  Cliemische  Untersuchungen  und  Krystallmessungen 
an  Schlacken,  herrührend  von  den  auf  der  Schmelzhütte  zu  Kalt- 
wasser bei  Raibl  verarbeiteten  Bleiglaiizerzen.     Zwei  Handstücke, 


deren  eines  Röstgut  war,  welches  aus  einer  mikrokrystallinischen 
Grundmasse  und  krystallisirtem  (künstlichen)  Bleizinkchrysolith 
bestand,  während  das  andere  krystallisirte  Schlacke  war,  die  der 
späteren  Niederschlagsarbeit  entstammte  und  in  einer  derben 
Grundmasse  zahlreiche  säulenförmige  und  wenige  tafelförmige 
Krystalle  in  Drusenräumen  enthielt.  Als  Anhang:  Thallium  und 
Lithium  haltender  Dolomit  von  Raibl.  —  P.  Pjatnitzky,  Char- 
kow: Ueber  die  Krystallform  des  Uranotil.  Krystallmessungen 
und  optische  Untersuchungen.  —  K.  Zimanyi,  Budapest:  Ueber 
den  Augurit  vom  Laurion-Gebirge  in  Griechenhiiul.  Krystall- 
messungen. Zu  den  beiden  letzten  Abhandlungen  gehört  eine 
Tafel.  —  L.  J.  Igelström:  Frindelit  aus  der  Sjögrube  Haus- 
mannit  (Braunit-  und  Eisenerzgrube),  Grythytte,  Kirschspiel 
Oerbro.  Chemische  und  Löthrohr- Untersuchungen.  —  Bruno 
Do  SS,  Riga:  Krystallographische  Untersuchungen  organischer  Ver- 
bindungen. Messungen  an  Ki-ystallen  der  1)  Ester  von  Anili- 
dosäuren,  2)  Säureanilide  (Milch),  3)  Derivate  der  Glutar-  und 
Bernsteinsäuren.  —  Ferner  enthalten  die  Hefte  zahlreiche  Referate 
über  krystallographische   und  mineralogische  Abhandlungen. 

F.  K. 


Die  Mittheilungen  der  Kaiserl.  Eönigl.  Geographischen 
Gesellschaft  in  Wien  (18:i2,  Band  XXXV  No.  11  und  12)  ent- 
halten: Dl'.  Leo  Prochnik:  Skizzen  aus  Niedorländiscli-Ost- 
indien.  Amboina  und  Ceram.  Es  sind  Schilderungen,  welche  der 
Vortragende,  der  lange  Zeit  dort  gelebt  hat,  nach  seinem  Ge- 
dächtniss  ülier  die  abseits  gelegenen  und  von  Touristen  und  For- 
schern wenig  besuchten  Inseln  und  ihre  Bewohner,  unter  denen 
besonders  die  Alfuren  Ceranis  interes.sant  sind,  entwirft.  — 
Stefanovic  von  Vilovo:  Die  Eisenbahn  im  Klostcrthal  in  Vor- 
arlberg und  die  Katastro|)he  am  9.  Juli  1892.  Untersuchung  über 
die  Ursachen,  welche  die  bekannte  Katastrophe  herbeigeführt 
haben,  und  darüber,  wie  eine  weitere  zu  vermeiden  ist.  — 
Kleinere  l\Iitth  eil  ungen  und  Forschungsberichte.  (Die 
Schwankungen  der  geographischen  Breiten.  Ueber  die  Besitzer- 
greifung von  St.  Paul  und  Neu-Anisterdam  durch  die  Franzosen. 
Eine  schwimmende  Insel  im  nordatlantischeu  Ocean.  Aus  der 
grossen  Menge  heben  wir  ferner  Iiervor:  Zur  Erforschung  des  Juba- 
Beckens;  Zustände  in  Wadai;  Montoil's  Reise  vom  Senegal  zum 
Tschad-See  und  nach  Tripolis;  Vom  Assal-See;  Ibna  und  Udea 
oder  Doani  etc.  etc.)  —  Berichte  über  auswärtige  geo- 
graphische Gesellschaften.  Litteratu  rb  e  rieht.  Notizen. 
(Gefährdung  der  meteorologischen  Station  auf  dem  Sonnblick- 
gipfel, der  höchsten  meteorologischen  Station  F^uropas.  Durch 
eine  Verkettung  misslicher  Umstände  ist  das  fernere  Bestehen  der 
bekannten  Station  in  Frage  gestellt;  die  österreichische  meteoro- 
logische Gesellschaft  hat  jedoch  bereits  Schritte  gethan,  das  von 
ihr  bisher  unterhaltene  wichtige  Institut  weiterführen  zu  können. 
Hoft'entlich  ist  ihre  Mühe  erfolgreich!)  F.  K. 


Berichtigung. 


Ich  mache  auf  eine  kleine  Verwechselung  aufmerksam,  die 
Herrn  Busch  an  in  seinem  Artikel  „D.as  Ende  der  Caunstatt- Rasse" 
passirt  ist,  und  die  mir,  um  Irrthum  zu  vermeiden,  der  Berichti- 
gung werth  erscheint.  „Naturw.  Wochenschr."  S.  67  links  unten 
Zeile  7  wird  „Prof.  Gustav  Jäger"  für  die  falsche  Einreihung 
des  berüchtigten  Schädelstücks  und  somit  für  den  ganzen  Spuk 
der  Cannstatt-Rasse  verantwortlich  gemacht  und  jedermann  wird 
hierbei  an  den  bekannten  „Seelen- Jäger"  denken,  während  in 
Wirklichkeit  Georg  Friedrich  Jäger,  ehemals  (bis  in  die  50er 
Jahre)  Conservator  am  Naturalien-Cabinet  in  Stuttgart,  in  seiner 
Arbeit  über  die  fossilen  Säugethiere  Württembergs  183.')  (S.  141) 
den  Grund  zur  späteren  Vei'sündigung  des  Herrn  Quatrefages 
gelegt  hat. 

J.  Eichler, 

Assistent  am  Kgl.  Naturalien-Cabinet 
in  Stuttgart. 


Inhalt:  Prof.  Kirchner:  Christian  Konrad  Sprengel,  der  Begründer  der  modernen  Blumentheorie.  (Schluss.)  —  Professor  Dr. 
K.  A.  Lossen  f-  —  Die  mathematisch-mechanische  Betrachtung  morphologischer  Probleme  der  Biologie.  —  Sonnenuhr  für  mitt- 
lere Zeit.  (Mit  Abbild.)  —  Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben.  —  Litteratur:  Brockhaus'  Konversations-Lexikon.  —  Brehms  Thier- 
leben.  Die  Insekten,  Tausendfüsser  und  Spinneu.  —  Albert  Moll:  Der  Rapport  in  der  Hypnose.  —  J.  Heussi:  Leitfaden 
der  Physik.  —  Prof.  Dr.  Felix  Müller:  Zeittafeln  zur  Geschiclite  der  Mathematik,  Physik  und  Astronomie  bis  zum  Jahre  1500. 
—  Zeitschrift  für  Krystallographie  und  Mineralogie.  —  Mitthoilungen  der  Kaiserl.  Königl.  Geographischen  Gesellschaft  in 
Wien.  —  Berichtigung. 

Die  Erneiieriiiig  des  Abonnements  wird  den  geehrten  Abnehmern  dieser  Wochenschrift 


hierdurch  in  geneigte  Erinnerung  gebracht. 


Die  Verlagsbuchhandlung. 


Verantwortlicher  Redakteur:  Dr.  Henry  Potonie,  Berlin  N.  4.,  Invalidenstr.  40/41,  für  den   Inseratentheil:  Hugo  Bernstein  in  Berlin. 
Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12.  —  Druck;  G,  Bernstein,  Berlin  SW.  12. 


Nr.  12. 


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Redaktion;  7         Dr.  H.  Potonie. 

Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12,  Zimmerstr.  94. 


Abonnement:  Man  abonnirt  bei  allen  Buchhandlungen  und  Post- 
anstalten, wie  bei  der  Expedition.    Der  Viei'teljahrspreis  ist  Jt  3.— 
Bringegeld  bei  der  Post  15   -i  extra. 


Inserate :  Die  viergespaltene  Petitzelle  40  J..   Grössere  Aufträge  ent- 
sprechenden Rabatt.  Beilagen  nach  Uebereinkunft.  Inseratenannahme 
bei  allen  Annocenbureaux,  wie  bei  der  Expedition. 


Abdrnek  ist  nnr  mit  vollständiger  «{nellenangabe  gestattet. 

Die  Ziegen  mit  „goldenen  Zähnen"  und  das  „Goldkraut". 

Von  P.  Aschers on. 


Als  icli  V(ir  nuiiniclir  drcis.sig'  Jahren  mich  auf  eine 
botanische  Reise  nach  Sardinien  vorbereitete,  den  ersten 
Austlui;-,  der  mich  weit  über  die  Grenzen  des  deutschen 
Vaterlandes  hinausführen  sollte,  fand  ich  in  dem  classi- 
schcn  Handbuch  La  Marmora's*)  eine  Stelle,  die  sich 
unauslöschbar  meinem  Gedächtniss  eingeprägt  hat.  Der 
genannte  Forscher  berichtet  von  der  kleinen  Insel  Tavo- 
lara  unweit  der  Nordostküste  Sardiniens,  dass  die  wilden 
Ziegen,  welche  in  beträchtlicher  Zahl  den  schroff  sich  er- 
hebenden Kalkberg,  der  den  grössten  Tlieil  der  Insel 
bildet,  bewohnen,  an  ihren  Zähnen  einen  goldglänzenden 
Ueberzug  zeigen,  eine  Erscheinung,  die  ein  früherer  Rei- 
sender, Valery,  mit  dem  sonderbaren  Ausdruck  eines 
„vergoldeten  Schnurrbarts"  bezeichnete.  Meine  Hoffnung, 
diese  merkwürdige  Thatsache  durch  eigenen  Augenschein 
kennen  zu  lernen,  sollte  sich  erst  ein  Viertcljahrhundert 
später  erfüllen.  Die  Dampferfahrt  von  Orosei  nach  Mad- 
daleua  führte  mich  zwar  Anfang  Juli  18G3  in  unmittel- 
barer Nähe  der  Goldzahn-Ziegen-Insel  vorüber,  allein  be- 
treten habe  ich  sie  nicht,  obwohl  es  mir  vergönnt  war, 
auf  einer  anderen,  wenige  Stunden  nördlicher  gelegenen 
Ziegen-Insel,  der  weltberühmten  Caprera,  unvergessliche 
Stunden  im  gastlichen  Hause  ihres  gefeierten  BeAvohners 
zu  verleben. 

Ich  wurde  an  diese  Angelegenheit  erst  wieder  er- 
innert, als  ich  am  Südrande  der  ob  ihres  Mörissees  seit 
uralten  Zeiten  gepriesenen  Provinz  Fajuni,  in  der,  eine 
Ausbuchtung  der  Libyschen  Wüste  füllenden,  wenig  be- 
suchten Oasenlaudschaft  Rharaq,  Ende  März  187G  wieder 
von  Ziegen  mit  goldenen  Zähnen  hörte.  Die  dortigen 
Beduinen  fügten  noch  hinzu,  dass  diese  Erscheinung  vom 
Genuss  eines  „Goldkrautes''  herrühre,  das  mir  aber  keiner 
zu  zeigen  wusste.  Noch  einmal  erfuhr  ich  davon  auf 
meiner  letzten  ägyptischen  Reise  im  April  1887,  an  einer 
noch  bedeutsameren  Stelle  des  Pharaonenlandes,  am  Ost- 


*)  ItimJriiire  de  l'ile  de  Sardaigne.     II.  (1860)  S.   191. 


rande  des  Delta  unweit  der  Konigstadt  des  grossen  Ramses, 
Tanis,  des  Zoan  der  Bibel,  in  dessen  Nähe  die  Tradition 
die  Königstochter  den  kleinen  Moses  im  Röhricht  auf- 
fischen lässt.  Wenige  Wochen  früher  hatte  mir  der  hoch- 
verdiente Biologe  Forsyth  Major  in  Florenz  einen 
Ziegenkiefer  von  Tavolara  vorgelegt,  au  dem  der  gold- 
glänzende Ueberzug  der  Backzähne  deutlich  zu  er- 
kennen war. 

Diese  persönlichen  Erinnerungen  mögen  es  entschul- 
digen, dass  ich  als  Botaniker  mich  veranlasst  sah,  mich 
mit  einem  dem  Gebiet  meiner  sonstigen  Thätigkeit  fern- 
liegenden Gegenstände  zu  beschäftigen,  mit  welchem  der- 
selbe nur  durch  das  geheimnissvolle  „Goldkraut"  einen 
gewissen  Zusammenhang  besitzt. 

Das  Vorkommen  eines  metallgläuzeuden  Ueberzuges 
auf  den  Zähnen  von  Wiederkäuern  (vorzugsweise  in  dieser 
Gruppe*)  ist  derselbe,  so  viel  mir  bekannt,  bis  jetzt 
beobachtet  worden)  ist  keineswegs  eine  so  seltene  Er- 
scheinung, als  man  nach  den  spärlichen  und  dürftigen 
Erwähnungen  dieser  Thatsache  in  der  Fachlitteratur  er- 
warten sollte.**)  In  seltenen  Fällen  ist  sie  selbst  in  Deutsch- 
land an  unseren  Haustliieren  beobachtet  worden.  So 
liefert  Hertwig***)  1874  Beschreibung  und  Abbildung 
des  von  dem  Thierarzt  van  Heil  eingesandten  Ober- 
kiefers einer  in  dem  uralten  niederrheinischen,  neuerdings 


*)  Von  Angehörigen  anderer  Säugethier-Ordnungen  nenne 
ich  den  Wildesel,  an  welchem  Geh.  Rath.  Roh.  Hartmann 
(Sitzung  der  Gesellschaft  Naturforscher  Freunde  am  21.  Febr.  1893) 
die  Erscheinung  in  Nubien  1860  beobachtete.  Ferner  theilte  mir 
Dr.  J aekel  mit,  dass  er  dieselbe  an  den  Zähnen  eines  fossilen 
Raubthiers,  Hyaenodon,  bemerkt  habe. 

**)  Forsyth  Major  beobachtete  sie  sogar  an  den  Zähnen 
eines  fossilen  Wiederkäuers,  des  von  ihm  in  dem  Tertiär  von 
Samos  entdeckten  Samotherium  (Giraftidae). 

***)  Gurlt  und  Hertwig,  Magazin  für  die  ges.  Tliierheil- 
kunde.  XL.  8.  345  Tafel  III.  Das  Präparat  wurde  mir  aus  der 
Sannnlung  der  hiesigen  Thierärztlichen  Hochschule,  durch  Prof. 
Schütz  anvertraut. 


122 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  13. 


so  viel  genannten  Städtchen  Xanten  geschlachteten  Ziege. 
deren  Mahlzähne  mit  einer  stellenweise  5  mm  dicken, 
lebhaft  silberglänzenden  Kruste  bedeckt  waren.  Derselbe 
erwähnt  einen  damals  im  Besitze  des  hiesigen  Zahnarztes 
Dr.  Linderer  betiudlichen  Hammelkiefer,  dessen  Zähne 
einen  schwarzen,  schön  goldglänzendeu  Ueberzug  be- 
sassen.  Geheimrath  Virchow  theilte  mir  mit,  dass  er 
Aehnliches  an  Kidieu  gesehen  habe. 

Viel  häufiger  aber  wird  die  Erscheinung  an  wilden 
Wiederkäuern  oder  doch  an  mehr  in  Freiheit  weidenden 
»Schafen  und  Ziegen  in  den  sonnigen  Landschaften  des 
Mittelmeer- Gebietes  und  des  Orients  beobachtet.  Von 
ersteren  ist  sie  z.  B.  an  Damhirschen  festgestellt*); 
noch  häufiger  zeigt  sie  sich  an  den  Gebissen  von  Anti- 
lopen, wie  Prof.  Nehring  berichtete,  der  auch  die 
Güte  hatte,  zur  Demonstration  in  der  December- 
Sitzuug  1892  der  Gesellschaft  Naturforschender  Freunde 
die  Unterkiefer  einer  Gemse  und  einer  Saiga-Antiloi)e 
mitzul)ringen.  Namentlich  der  letztere  zeigt  die  Erschei- 
nnui;-  v(illig  typisch.  An  den  [Molaren  sind  die  äusseren 
und  namentlich  die  der  Mundhöhle  zugewandten  Seiteu- 
flächen mit  einem  dunklen,  bei  geeigneter  Beleuchtung 
messinggelben  Jletallglanz  reflectirenden  Ueberzug  be- 
deckt, der  auf  den  Kauflächen  und  in  deren  Umgebung 
fehlt,  ebenso  an  den  von  Zahnfleisch  bedeckt  gewesenen 
Partien,  sowie  auch  die  Schneidezähne  völlig  frei  davon 
sind.  Diese  Kruste  ist  ziemlich  dünn  und  rissig,  haftet 
aber  fest  auf  ihrer  Unterlage.  Es  kann  somit  keinem 
Zweifel  unterliegen,  dass  es  sich  nicht  um  eine  Färbung 
der  eigentlichen  Zahnsubstanz,  sondern  um  einen  Nieder- 
schlag aus  der  Mundflüssigkeit,  bez.  dem  Speichel  han- 
delt, dass  also  die  von  Hertwig  angewendete  Bezeichnung 
„metallglänzender  Weinstein"  völlig  zutreffend  ist.  Ueber 
die  chemische  Zusammensetzung  desselben  giebt  letzterer 
nur  eine  dürftige  Andeutung;  doch  ist  wohl  nicht  zweifel- 
haft, dass  derselbe,  wie  der  sog.  Weinstein  überhaupt, 
grösstentheils  aus  Calciumcarbonat  besteht.  Zeigen  doch 
auch  andere  Ausscheidungen  deren  Verbindung  im  thie- 
rischen  Körper  ähnliehen  Metallglanz,  worauf  mich  R.  Vir- 
chow noch  besonders  aufmerksam  machte,  wie  die  schon 
von  Hertwig  erwähnten  Nierensteine,  welche  vergoldeten 
Pillen  gleichen.  Die  Ursache  dieses  Glanzes  ist  schwer- 
lich in  einem  von  diesem  erwähnten  geringen  Gehalt  an 
Ferrocarbonat  zu  suchen,  sondern,  wie  schon  Hertwig  und 
^'irch()w  und  neuerdings  Ficalbi**)  mit  Recht  annehmen, 
in  der  mikroskopischen  Structur  dieses  Niederschlages,  der 
aus  zahlreichen  sehr  dünnen  übereinander  abgelagerten 
Lamellen  besteht.  Der  Eisengehalt  könnte  höchstens  für 
die  gelbliche  Färbung  dieser  Ablagerung  in  Frage  kommen, 
welche  die  Gold-,  Messing-  oder  Bronzefarbe  bedingt, 
wogegen  eine  farblose  Substanz  bei  gleicher  Structur  in 
Silberglanz  strahlt,  was  nach  Ficalbi  besonders  bei  Rinder- 
gebissen vorkommen  soll.  Viel  wahrscheinlicher  rührt  aber 
diese  gelbliche  Färbung  (nach  Ficalbi)  von  einem  organi- 
schen Pigment  her,  sei  es,  dass  dieses  aus  dem  Blute 
abgesondert  wird  oder  den  Säften  der  von  den  Thieren 
abgeweideten  Pflanzen  entstammt. 

Die  uns  interessirende  Erscheinung  ist  mir,  grössten- 


*)  Lungershausen  theilt  im  „Zoolog.  Garten"  18GG  S.  475 
einen  an  einem  Damhirsch  in  der  Provinz  Posen  beobachteten 
Fall  mit.  Nach  Herrn  F.  v.  Jjuschan  ist  die  Erscheinung  in 
der  Gegend  von  Seudschirli  (Nord-Syrien)  an  Damhirschen,  und 
Antilopen,  wie  auch  Ziegen  und  Schafen  nicht  selten.  Einen 
dieselbe  zeigender  Hirschschädel  hatte  derselbe  in  der  März- 
Sitzung  1893  der  Anthropologischen  Gesellschaft  hierselbst  aus- 
gelegt. 

**)  Atti  della  Societä  Toscana  di  Scienze  Naturali  Processi 
Verbau  Vol.  V,  S.  251.  Adunanza  del  di  8.  maggio  18S7.  (Be- 
sprechung des  Forsyth  Major'sc-hen  Präparates,  \V(dil  ilessidbi'n. 
das  auch  ich  gesehen  habe.) 


theils  in  Verl)indung  mit  dem  bereits  erwähnten,  Sdfort 
näher  zu  besprechenden  Volksglauben  an  eine  dieselbe 
veranlassende  bestimmte  Pflanze,  von  folgenden  zahl- 
reichen Oertlichkciten  Südeuropas  und  des  Orients  be- 
kannt geworden: 

Sardinien:    Insel    Tavolara    (La    Marmora,    For.syth 

Major). 
Sicilien:  Berge  um  Palermo  (Pariatore  nach  Carnel); 

Aetna  (La  Marmora). 
Griechenland:  Parnass  (v.  Heldreich,  Orphanides); 
Oeta;  Tymphrestos  [jetzt  Veluchi]:  Dirphys  auf 
Euboea;  Kyllene  (v.  Heldreieh);  Parnon  [jetzt 
MalevöJ  (Orphanides):  Taygetos  (v.  Heldreieh). 
Kreta:  Ida  [Sphakia]  (Buondelmonti,  Porcacchi, Sieber, 

V.  Heldreich,  Raulin). 
Karpathos    [Scari)anto]:     Lastos     (Ross,     Tli.    Beut, 

Forsyth  Major). 
Syrien:  Seudschirli  (F.  v.  Luschani;  Libanon  (Seetzen, 
Consul  Gays  nach  Zoolog.  Garten  1860  a.  a.  O.). 
Mesopotamien  (Haussknecht). 
Kurdistan  und  Armenien  (Sintenis). 
Persien:  Demawend  (Morier). 
Aegypten:  Rhara(|;  Tanis  [San]  (Ascherson). 
Dass    dieser    merkwürdige    Goldglanz     der    Zähne 
pflanzenfressender    Thiere    durch    eine    Besonderheit   des 
Futters,    vielleicht    durch    eine   bestimmte  Pflanze  hervor- 
gerufen werde,    ist    eine    naheliegende   Vermuthung,    die 
sich    auch    nüchternen  Forschern,    wie   La  IMarniora  und 
Ficalbi    aufdrängen    musste.      Der  Volksglaube    südlicher 
und  (istlichcr  Nationen,  angeregt  durch  Geheimlehren  der 
mittelalterlichen  Alchyniie,  hat  diese  Hypothese    zu   einer 
mit  aller  Gluth  ihrer  Phantasie  ausgeschmückten  Sage  aus- 
gestaltet,   welche  nahezu  an  allen  oben  genannten    Orten 
von    zahlreichen    Reisenden     aufgezeichnet    wurde;    hier 
vollständiger,    dort    nur    in    einzelnen    Zügen.      Als    Ur- 
sprungsgebiet  dieser  Sage   dürfen  wir  vielleicht    die    Ge- 
birge   Griechenlands    und    die    Inseln    des    Aegaeischen 
Meeres  ansehen,  wo  sie  wenigstens  noch  heut  am  meisten 
verbreitet*)     und     am     niannichfaltigsten    ausgeschmückt 
im  Volksnnmde    lebt.     Zwar    ist    es    mir    nicht  gelungen, 
Nachrichten    darüber  in    der   classischen  Litteratur  anzu- 
treffen**), wie    von    der   gleichfalls   bei    den   griechischen 


*)  „Diese  mir  so  überlästig  gewordene  und  bis  zum  Ekel 
wiederholte  Erzählung."  Sieber,  Heise  nach  Kreta.  I.  (1823) 
S.  545. 

**)  Ueber  die  Sagen,  welche  sich  an  die  Mandragoras-Arten 
(Airann)  knüpfen,  und  die  sich  in  einem  Punkte,  dem  nächtliclien 
Leuchten,  mit  denen  vom  (ioldkraut  berühren,  vgl.  F.  v.  Luschan, 
P.  Ascherson  und  R.  Beyer  in  Verhandlungen  der  Berliner 
Gesellschaft  für  Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte  1801 
(Sitzung  vom  17.  October)  S.  7-2G— 746.  Wie  daselbst  (S.  731  Anm.) 
bemerkt  ist,  wird  eine  der  später  an  Mandragoras  angelehnten, 
in  der  Nacht  leuchtenden  Wunderpflanzen,  die  Aglaophotis,  von 
Hermes  Trismegistos  (vgl.  E.  Meyer.  Geschichte  der 
Botanik.  II.  S.  344)  als  das  „Kraut  des'  Mondes"  bezeichnet. 
Die  Nachrichten  der  Alten  über  leuchtende  Pflanzen  hat  der 
berühmte  Konrad  Gesner  in  einer  eigenen,  1555  in  Zürich  er- 
schienenen Schrift  zusammengestellt,  in  deren  langen  Titel  es  aus- 
drücklich heisst:  „von  seltenen  und  wunderbaren  Kräutern,  welche 
theils  weil  sie  in  die  Nacht  leuchten,  theils  aus  anderen 
Gründen  Mondkräuter  genannt  werden."  In  diesem  Werke  wird 
u.  a.  nach  dem  Manuscript  eines  ungenannten  Verfassers  ein 
..Mondkraut"  erwähnt,  das  (allerdings  nur  bei  zunehmendem 
Monde;  lUxs  Kraut  soll  überhaupt  mit  dem  Monde  wachsen  und  ab- 
nehmen!) Nachts  leuchtet  und  durch  dessen  Saft  unedle  Metalle  in 
edle  verwandelt  werden  sollen,  und  zwar  durch  den  der  Blüthen 
in  Silber,  den  der  Wurzel  in  Gold.  Mit  dem  Namen  „Mond- 
kraut" wird  auch  das  uns  hier  beschäftigende  Goldkraut  in  der 
ersten  dasselbe  behandelnden  litterarischen  Nachricht  bezeichnet. 
Es  sind  somit  in  dem  Volksglauben  der  Mittelmeerländer  und 
des  Orients  Wahnvorstellungen  lebendig  geblieben,  die  einst  in 
den  Köpfen  der  Alchymisten  im  Abend-  und  im  Morgenlande 
spukten! 


Nr.  IB. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


123 


Hirten  nach  Orphani des  weitverbreiteter  Erzählung  vom 
aiöriQoyooiov,  einem  Kraute,  mit  dem  man  verschlossene 
Tliürcn  öffnen  und  verborgene  Heliiitze  heben  kann,  wel- 
ches schon  von  Plinius*)  mehrfach  erwähnt  wird,  und 
in  dem  jeder  die  Spring-wur/.cl  unserer  deutschen  Volks- 
märchen erkennen  wird.  ludess  kann  auch  die  Sage 
vom  Goldkraut  nahezu  ein  halbes  Jahrtausend  zurückver- 
folgt werden,  da  bereits  der  Florentiner  Presbyter  Cristo- 
foro  Buondelmonti**),  welcher  1422  Kreta  besuolite, 
berichtet,  dass  ihm  die  Hirten  vom  Berge  Ida  er/ählt 
hätten,  dort  wüchsen  grosse  Mengen  von  .,M(jndkraut" 
(herba  hmaria),  durch  dessen  Genuss  die  Zähne  der  dort 
weidenden  Heerden  vergoldet  werden.  Theodor  von 
Held  reich,  der  vielerfahrene  Naturforscher,  der  nun  schon 
seit  einem  halben  Jahrhundert  die  deutsche  Wissen- 
schaft auf  dem  classiseheu  Boden  von  Hellas  so  rühm- 
lich vertritt,  schreibt  mir  über  die  von  ihm  vielfach  (auch 
auf  Kreta)  vernonmiene  Sage  vom  Goldkraut  l'^olgendes: 
„Es  ist  eine  Pflanze,  deren  Blüthen  (oder  Blume)  bei 
Nacht  leuchtet***),  sich  aber  nicht  pflücken  lässt,  weil, 
wenn  man  sich  dem  Lichtschein  nähert,  derselbe  zu 
leuchten  aufhört.  Mau  nmss  zu  Zweien  sein,  sagen  die 
Hirten;  der  Eine  in  der  Ferne  stehen  bleiben,  der  Andere 
mit  einem  Mantel  (sog.  Kappa  aus  Ziegenhaar)  versehen, 
um  denselben  auf  die  leuchtende  Lampidonia  Xujintjdovia, 
auch  Xaiinijdövri  oder  laiintjöovßfSa  („die  leuchtende"  im 
ganzen  Bereich  der  neugriechischen  Sage  bekannter  Name 
der  Wunderpflanze)  zu  werfen,  sobald  ihn  der  in  der  Ferne 
gebliebene  Gefährte  zuruft,  dass  er  sieh  nahe  genug  daljei 
beflnde.  ^\■er  die  Lampidonia  fassen  und  in  Menge 
sannneln  könnte,  muss  reich  werden,  weil  sie  Alles,  wo- 
mit sie  in  Berührung  konunt  (nicht  nur  die  Zähne  der 
Schafe)  in  Gold  verwandelt.  Geht  man  der  Sache  auf 
den  Grund,  so  hat  keiner  der  Erzähler  selbst  die  Lampi- 
donia gesehen,  sondern  sein  Vater,  Grossvater  oder 
ein  Dritter,  der  nicht  zugegen  ist,  davon  reden  gehört. 
Ganz  übereinstiunnend  sind  die  Angaben  des  verstorbenen 
griechischen  Botanikers  Orphauides,  der  in  seinen 
ririimovixü  Band  I.  S.  61  einen  kurzen  Artikel  unter  dem 
Titel  Ovcixrj  [iv'/o?.oylce  tTjc  i'fonfQctc  ' EXXädoc  veröffent- 
licht init.  Diesen  Forscher  trieb  sein  folkloristischer  Eifer 
soweit,  dass  er  auf  dem  Parnass  und  Parnon  Nachtwache 
hielt,  um  unter  Anleitung  der  Hirten  die  Wunderpflanze 
zu  suchen.  Auf  dem  Parnass  sah  er  gar  nichts,  auf  dem 
letztgenannten  Gehege  aber  einmal  in  grosser  Ferne  einen 
weiss  phosphorescirenden  Lichtschein,  der  aber  bei  der  An- 
näherung verschwand."  Auf  den  fast  völlig  gleichlautenden 
Berieht  Seetzens  über  das  Goldkraut  des  Libanongebirges 
konnne  ich  weiterhin  ausführlich  zu  sprechen. 


*)  Nat.  Hist.     X.,  20.     XXV,  5.     XXVI,  9. 
**)  Creta,  Sacra  auet.  Flaminio  CornelioT.  I.  Venet.  1755. 
Christopliori   Bondelmontii  Presbyteri  Florentini  Descriptio 
Cretap  P.   10.5. 

***)  Erzilliluupen  von  nächtlich  leuchtenden  Zauberkräutern 
finden  sich  bei  den  Schriftstellern  des  Alterthums  vielfach.  Ausser 
den  Baaras  des  Josephas  und  der  Aglaophotis  des  Aelian, 
(siehe  oben  S.  122  Anm.  **)  macht  Forsj'th  IMaJor  auf  Nyete- 
gretos  und  Nyctalops  bei  Plinius  (Nat.  Hist.  XXI.  3(5.)  auf- 
merksam. P.  Sintenis  hörte  auch  jetzt  noch  in  Poutus  bei  Sumila 
unweit  Trapezunt  von  einem  bei  Nacht  leuchtenden  Zauberkraut, 
das  ein  Kaloger  (griechischer  Mönch)  entdeckt  haben  soll  und 
das  alle  Kranklieiten  heilt,  wenn  man  sich  nackt  darauf  herum 
wälzt.  Auch  der  Kretenser,  welcher  1817  unsern  Sieber  noch  auf 
der  Ueberfahrt  nach  Aegypteu  um  Nachweis  des  die  Zähne  der 
Schafe  vergoldenden  Zauberkrautes  anging  und  so  den  oben  mit- 
getheilten  Ausbruch  des  Ueberdriisses  veranlasste,  war  ein  Kaloger. 
Mönche  (nuin  braucht  nicht  gerade  an  Pater  Aurelia  n  zu  denken), 
Hirten  und  meist  bejahrte  Vertreter  des  schönen  Geschlechts, 
welche  in  der  Heilkunde  dilettireji  („Kluge",  Kräuter-  und 
Streichfraucn  etc.)  halten  überall  am  hartnäckigsten  am  Aber- 
glauben fest  oder  sind,  wem  das  schöner  klingt,  die  treuesten 
Bewahrer  des  Folklore. 


Die  Abweichungen,  welche  anderwärts  von  dieser  Er- 
zählung aufgezeichnet  werden,  sind  verschiedenartig.  Die 
Eigenschaft  des  Leuchtens  scheint  der  Pflanze  nur  in 
Griechenland,  auf  den  Inseln  des  Archi])elagus  und  in 
Syrien  zugeschrieben  zu  werden.  Dagegen  glaul)t  man 
anderwärts,  auf  Sicilicn  wie  in  Persien,  dass  die  Pflanze 
auf  goldhaltigem  Boden  wachse,  sei  es  als  Anzeichen 
natürlicher  Erzadern,  oder  an  Oertlichkeiten,  wo  Schätze 
vergraben  seien.  Man  scheint  sich  dort  vorzustellen, 
dass  dies  Gold  in  die  Pflanze  übergehe  und  so  an  die 
Zähne  der  Ziegen  oder  Schafe  gelange.  Daran  knüpft 
sich  der  Glaube,  dass  Fremde  (seien  es  nun  die  überhaui)t 
als  grosse  Zauberer  geltenden  Stadtherren*)  bezw.  Euru- 
päer  (deren  Beschäftigung  mit  Kräutern  und  Inschriften 
häufig  als  Bemühung  um  Aufsuchung  verborgener  Schätze 
aufgefasst  wird,  wie  es  auch  mir  in  der  Oase  Farafra 
begegnete),  seien  es  Derwische  aus  Indien  nach  An- 
leitung ihrer  Zauberl)ücher,  wie  man  am  Demawend  meint) 
es  verstehen,  das  Gohl  aus  dem  Goldkraute  zu  gewinnen. 
In  Mesopotamien  glaubt  man,  dass  diese  Operation  in 
kupfernen  Kesseln  vorgenommen  werde. 

Sehr  charakteristisch  ist  es  jedenfalls,  dass  die  Nach- 
forschungen der  Botaniker  nach  dem  Goldkraute  fast 
stets  erfolglos  blieben,  dass  vielmehr  die  Hirten  von  diesen 
verlangten,  dass  sie  ihnen  die  Pflanze  zeigen  möchten, 
und  falls  diese,  wie  natürlich,  diesen  Wunsch  nicht  er- 
füllen konnten,  zuweilen  recht  verdriessliche  Weiterungen 
eintraten.  So  soll  es,  wie  Professor  Caruel  Herrn 
Dr.  Forsyth  Major  mittheilte,  Filippo  Parlatore,  dem 
hochberühmten  Verfasser  der  Flora  Italiana,  ergangen 
sein,  welcher  in  seiner  sicilianischen  Heimath  bei  einem 
Ausfluge  in  der  Nähe  der  Hauptstadt  sein  Heil  in  der 
Flucht  suchen  musste,  weil  er  den  dortigen  Landleuten 
nicht  das  Kraut,  welches  die  Zähne  der  Ziegen  vergoldet, 
zeigen  konnte.  Auch  an  Siel)er  und  Sintenis  wurden 
ähnliehe  Zumuthungcn  gestellt.  Nur  wenige  Fälle  sind 
mir  bekannt  geworden,  in  denen  umgekehrt  die  Hirten 
dem  Botaniker  eine  vermeintlich  so  werthvolle  Eigen- 
schaften besitzende  Pflanze  verrathen  haben.  So  wurde 
meinem  Freunde  Ilaussknecht  Euphorbia  tinctoria  Boiss. 
et  Huet  in  Mesopotamien  als  solche  bezeichnet.  Noch 
bedeutsamere  Aufschlüsse  ergeben  sich  aus  dem  schon 
oben  berührten  Berichte  des  berühmten  Orientreisenden 
U.  J.  Seetzen**),  auf  welchen  mich  Herr  Consul  Wetz- 
stein aufmerksam  gemacht  hat.  Also  auch  diesmal  habe 
ich,  wie  noch  bei  jeder  irgendwie  mit  orientalischen 
Dingen  sich  befassenden  Arbeit,  dem  umfassenden  Wissen 
dieses  meines  langjährigen  Freundes  die  wesentlichste 
Förderung  zu  danken.  Seetzen  hielt  sieh  im  Juli  1805 
zu  Beschirra  (im  Libanon,  "/^  Stunden  von  dem  welt- 
berühmten Cedernwalde  gelegen)  im  Hause  eines  französi- 
schen Kaufmans  Bertrand  auf,  der  dort,  seit  der  Bona- 
parte'schen  Expedition  1799  eine  Zuflucht  vor  dem 
grausamen  Dschesär-Pascha  gefunden  hatte.  Von  seinem 
Wirthe  erhielt  der  Reisende  Exemi)lare  der  Pflanze,  durch 
deren  Genuss  die  Ziegenzähne  jenen  im  Vorhergehen- 
den besprochenen  glänzenden  üeberzug  erlangen  sollen. 
Der  Reisende  giebt  von  ihr  folgende  Beschreibung:  Aus 
einem  Schöpfe  dicht  sich  deckender  pfriemen-  und  laucett- 
förmiger  Blättchen,  die  an  den  Rändern  steife  Borsten 
tragen,  und  zusammen  fast  an  den  Kelch  einer  Centaurea 
erinnern,    konmien     höchstens    spannenlange    einblüthige 

*)  Selbst  in  der  Mark  Brandenburg  glaubt  man  noch  hie 
und  da  unter  der  Landbevölkerung  an  die  Existenz  eines  sechsten 
und  siebenten  Buches  Mose,  das  „in  Spandau  an  einer  Kette 
liege".  (W.  V.  Schulenburg.)  Auch  der  mitteldeutsche  Glaube 
an  den  goldsuchenden  „Walen"  und  „Venediger"  bietet  ein 
Analogen. 

**j  Reisen  durch  Syrien  und  Unter-Aeijvpten,  herausgegeben 
von  Dr.  Fr.  Kruse.     Berlin  1851,  Bd.  1  S.  160  und  161. 


124 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  13. 


Stengel.  Die  Blume  hat  2  Kelch-  und  4  gelbe  Blumen- 
blätter und  scheint  zu  der  Klasse  Polvandria  zu  gehören. 
Einige  der  oben  erwähnten  Wurzelblätter  haben  eben 
solchen  Metallglanz  wie  die  Ziegcnzähue.  Das  Leuchten 
der  Pflanze  will  Mr.  Bertrand  selbst  beobachtet  haben 
und  obwohl  Seetzen  das  Vorgeben,  dass  die  Pflanze  un- 
edele  Metalle  oder  Erze  in  Gold  verwandele,  lächerlich 
tindet,  so  erscheint  sie  ihm  doch  wegen  dieser  Phos- 
phorescenz  und  der  „firuissgebenden  Kraft"  Aufmerksam- 
keit zu  verdienen.  Dass  die  angegebenen  Blüthenmerkmale 
eine  Papaveracee  charakterisiren ,  ist  so  einleuchtend, 
dass  man  sich  wundern  muss,  dass  Seetzen,  der  eine 
gute  naturwissenschaftliche  Bildung  besass,  diese  Be- 
stimmung nicht  gemacht  hat.  Die  niedrigen  einblüthigen 
Stengel  leiteten  mich  sofort  auf  das  in  Boissiers  Flora 
Orientalis  I.  p.  111  angeführte  Papaver  libanoticum  Boiss., 
allein  die  laucettlich-pfriemlichen  Blätter  Seetzens  schienen 
mit  der  dort  gegebeneu  Beschreibung  unvereinbar.  Doch 
sollte  sich  sofort  zeigen,  dass  auch  hier  „Probiren 
über  Studiren"  gehe.  An  einem  im  August  1880  von 
G.  S  ch  wein  für  th  oberhalb  der  Cedern  gesammelten 
Herbar-Exemplare  fand  ich  sofort,  dass  der  Vergleich  mit 
einem  Centaurea-HüU-Kelch  gar  nicht  so  unzutreffend  ist,  da 
die  frischen,  tief  eingeschnittenen  Blätter  von  trockenen 
Resten  wenig  getheilter  bezw.  von  den  Blattstielbasen  ge- 
theilter  dicht  umgeben  sind.  Noch  mehr  war  ich  erstaunt, 
an  einigen  dieser  halb  oder  ganz  vertrockneten  Blattstiel- 
reste einen  schönen  Goldglanz  zu  bemerken,  und  so  konnte 
ich  nicht  daran  zweifeln,  das  Seetzen'sche  Goldkraut  vor 
mir  zu  haben.*)  Die  einzige  Abweichung  der  Beschreibung 
unseres  Landsmannes  betrifft  die  Blüthenfarbe,  welche 
Schweinfurth  als  „hell  ziegelroth"  bezeichnet.  Indess  hat 
Seetzen  ja  die  Pflanze  nur  in  einem  vermuthlich  nicht 
allzu  sorgfältig  getrockneten  Exemplare  gesehen. 

Um  den  Goldglanz  der  Ziegenzähne  mit  dem  ähnlichen 
der  Blätter  des  Libanon-Mohns  in  ursächliche  Verbindung 
zu  bringen,  dazu  bedurfte  es  nicht  gerade  einer  orienta- 
lischen Phantasie.  Selbst  die  auf  den  ersten  Blick  so  unglaub- 
würdig erscheinende  Angabe  des  nächtlichen  Leuchtens, 
kann  möglicher  Weise  einen  thatsächlichen  Hintergrund  be- 


*)  Die  von  Herrn  P.  Gr  aebner  vorgenommene  miki-oskopische 
Untersuchung  der  betreffenden  Stellen  ergab  auf  einer  aus  massig 
verdickten  Zellen  bestehenden  Epidermis,  deren  Zellwände  gelb 
gefärbt  sind,  einen  mächtigen  Wachsüberzug.  Auch  unser  deut- 
sches Papaver  alpinum  zeigt  übrigens  einen  ähnlichen,  wenn  auch 
schwächei-en  Metallglanz.  Viel  auffälliger  als  P.  alpinum  und 
selbst  libanoticum   sind   mir  kürzlich   von   Freund  Sintenis  mit- 

§etheilte  Fruchtexemplare  von  P.  armeniacum  (L.)  Lam.  vom 
ipikordagh  (Sint.  Iter  Orient.  1890  No.  3070.),  bei  denen  der 
reichverzweigte  Stengel  und  die  Blätter  einen  schönen  Goldglanz 
besitzen,  so  dass  ich  mich  nicht  wundern  würde,  wenn  sich  die 
auch  dort  nicht  unbekannte  Sage  au  diese  Pflanze  knüpfte. 


sitzen.  Bekanntlich  hat  schon  der  grosse  Linne  in  den 
Schriften  der  Schwedischen  Akademie  1762  mitgetheilt,  dass 
seine  Tochter  in  der  Abenddämmerung  an  den  Blumen 
von  Tnipaeolum,  der  bekannten  „spanischen  Kresse",  ein 
blitzähnliches  Leuchten  bemerkt  habe.  Diese  Beobachtung 
wurde  vonHaggren  an  Calendula,  von  Pursh  an  Oeno- 
thera,  überhaupt  also  an  lebhaft  rothgelben  und  gelben 
Blumen  wiederholt.  Die  Sache  erregte  auch  die  Auf- 
merksamkeit unseres  grössten  Dichters,  welchem  dieselbe 
Wahrnehmung  an  den  Blumen  des  „orientalischen  Mohns" 
in  seinem  eigenen  Garten  am  19.  Juni  1799  zu  später  Abend- 
zeit gelungen  ist.*)  Goethe  erklärt  diese  Erscheinung, 
wie  auch  schon  vor  ihm  Ingen-Housz  und  Andere,  nicht 
wie  Linne,  für  eine  wirkliche  Phos])horescenz,  sondern  für 
eine  „physiologische  Farl)enerscheinung",  d.  h.  eine  op- 
tische Täuschung,  indem  das  Nachbild  der  lebliaft  gefärbten 
Blume  in  der  complemeutären  blaugrünen  P"'arbe  erscheint. 
Diese  Erklärung  wird  auch  von  Treviranus,  der  diese 
von  ihm  selbst  mehrfach  beobachtete  Erscheinung  in  seiner 
Physiologie  der  Gewächse  II.  S.  70 — 72  eingehend  be- 
spricht, angenommen.  Die  Vermuthuug  dürfte  wohl  nicht  zu 
gewagt  sein,  dass  ähnliche  Beobaclitungen  auch  wohl  \on 
den  Hirten  am  Libanon  gemacht  und  von  diesen  wunder- 
gläubigen Naturkindern  so  gut  wie  von  Linne  und 
Anderen  für  ein  wirkliches  Leuchten  gehalten  wurden. 
Durch  diese  Annahme  würden  ja  auch  die  Angabe  ihre 
Erklärung  linden,  dass  der  Lichtschein  bei  der  Annäherung 
erlischt.  Fand  doch  auch  Goethe,  dass  wenn  er  sich  vor 
die  Stauden  hinstellte  und  aufmerksam  darauf  sah,  nichts 
bemerkt  werden  konnte,  dass  es  ihm  aber  bei  mehrmaligem 
Hin-  und  Wiedergehen  gelang,  indem  er  seitwärts  darauf 
blickte,  die  Erscheinung  so  oft  zu  wiederholen  als  ihm 
beliebte. 

Nahe  verwandte  Papaver-Formen  finden  sich  auf  den 
Hochgebirgen  Kurdistans,  Armeniens  (siehe  die  vor- 
hergehende Anm.)  und  Persiens,  aber  nicht  auf  denen 
Griechenlands.  Weitere  Nachforschungen  müssen  lehren, 
ob  nicht  auch  dort  Hochgebirgspflanzen  vorkonnnen,  welche 
ähnliche  Anhaltspunkte  für  den  Volksglauljen  liefern,  oder 
ob  der  letztere  lediglich  als  aus  Vorder-Asien  eingeführt 
gelten  muss. 

So  viel  habe  ich  bis  jetzt  ermittelt.  Selbstverständ- 
lich werde  ich  für  Mittheilung  weiterer  Litteraturnotizen 
oder  unveröJfentlichterThatsachen  sehr  dankbar  sein.  Ausser 
den  schon  mehrfach  genannten  Herren  bin  ich  auch 
Herrn  Sanitätsrath  Dr.  Bartels,  Herrn  Thierarzt  (irimme 
und  Herrn  Matschie,  Assi.stenten  am  Museum  für  Natur- 
kunde,   für  hierauf  bezügliche  Mittheilungen    verpflichtet. 


1 


*)  Goethe,  Farbenlehre.     No.    54.     Ausgabe    letzter    Hand. 
Bd.  52  S.  37. 


Material  zu  einer  Biographie  Christian  Konrad  Sprengel's. 

Zusammengestellt  im  Auftrage  der  Redaktion  von  Dr.  Robert  Mi  tt  mann. 


Schall  sagt  in  der  Einleitung  zu  seinem  Buch:  „Ur- 
kundliche Nachrichten  zur  Geschichte  der  Garnison  und 
Garnisongemeiude  in  Spandau"  (Verl.  v.  Herrn.  Osterwitz. 
Spandau-Berlin  1888):  Die  Stadt  und  Festung  Spandau 
besitzt  über  ihre  Vergangenheit  einen  so  reichhaltigen  Schatz 
von  Urkunden  und  Aufzeichnungen,  wie  ein  solcher  ver- 
hältnissmässig  wohl  nur  wenigen  Orten  von  gleicher  Grösse 
und  Bedeutung  zu  Gebote  steht.  Sowohl  in  den  städtischen, 
als  auch  in  den  kirchlichen  Archiven  —  von  den  mili- 
tärischen ganz  abgesehen  —  findet  sich  ein  umfangreiches 
Quellenmaterial  aufgeführt.      Eine  der  wichtigsten  dieser 


Quellen  ist  die  von  dem  ehemaligen  Inspector*)  (d.  h. 
Superintendent)  und  Prediger  an  St.  Nicolai,  Daniel 
Friedrich  Scliulze  (j  1811)  mit  unendlichem  Fleiss  und 
grosser  Sorgfalt  zusannnengetragene  und  niedergeschrie- 
bene sogenannte  Kirchenchronik,  die  derselbe  unter  dem 
Titel  „Zur  Beschreibung  und  (Seschichte  der  Stadt  Spandau 
gesammelte  jMaterialien",  der  St.  Nicolaikirciic  als  Manu- 
script  hinterlassen   hat,  und   die  noch  heut  in  Besitz  und 

*)  Als  „I  n  spectoren"  der  Schulen  fungirten  damals  Per- 
sonen, welche  etwa  denselben  Rang  hatten,  wie  heutzutage  die 
Superintendenten. 


Nr.  IB. 


Naturwi8.sens('liaftliche  Wochensclirift. 


12.Ö 


Aufbewahrung  derselben  sicli  befindet.  Dieselbe  bildet 
einen  dicken  Folioband  von  1071  eng  und  schön  ge- 
schriebenen Seiten  in  schlicliteni,  bereits  ziemlich  schad- 
haften Einband.     Dieselbe  reicht  bis  1804. 

Inspector  (Superintendent)  Schulze  war  der  un- 
mittelbare Vorgesetzte  und  einer  der  heftigsten  Gegner 
.Siirengers.  Die  Streitigkeiten  zwischen  beiden  sind  des- 
iialh  in  der  Chronik  besonders  ausführlich  geschildert. 

Die  dankenswerthe  Liebenswürdigkeit  des  derzeitigen 
()ber]iredigers  an  St.  Nicolai,  Herrn  Recke,  hat  es  der 
Redaction  der  „Natnrw.  Woehenschr."  ermöglicht,  säinmt- 
liclies  auf  Sprengel  bezügliche  Material  nachstehend  wort- 
getreu zu  veröffentlichen*). 

(Schulze'sche  Chronik  S.  1017.  Jahr  1780.)  Den 
31  Dec.  1779  resignirte  der  rector  Recke  bey  Gelegenheit 
eines  gehabten  Verdrusses  mit  der  Mutter  eines  Schulkindes, 
aus  hypochondrie  seine  Stelle,  die  er  auf  Ostern  verlassen 
wolle.  Da  man  ihn  nicht  bewegen  konnte  zu  bleiben; 
so  wurde  der  vom  professor  Zierlein  aus  Berlin  empfohlene 
Lehrer  am  grossen  Friedriehswaysenhause  daselbst, 
H.  Conrad  Sprengel,  nachdem  er  d.  20.  Maerz  seine  Prol)e 
hier  gelesen,  vom  Magistrat  und  mir  zum  rector  erwählt, 
aucii,  nach  erhaltener  confirmation,  beruÖ'eu.  —  (Chronik 
S.  406.  Von  den  Rectoren  No.  45).  Christian  Conrad 
Si)rengel  (1780 — 93),  aus  Brandenburg  geburtig.  Er  iiatte 
seit  G  Jahren  an  der  Schule  des  grossen  Friedrichsliospitals 
gestanden  und  zugleich  auf  der  königlichen  ecole  niiii- 
taire  lection  gegeben.  Der  jirofessor  Zierlein  vom  (Jrauen 
Kloster  empfahl  ihn  an  mich  als  einen  geschickten  Schul- 
mann und  so  befanden  wir  ihn,  als  er  in  meiner,  Herrn 
Staats  und  Fidlers,  auch  der  Schulcollegen  Gegenwart, 
vor  dreyen  Mitgliedern  des  Magistrats  und  Herrn  Justiz- 
rath  Lemcke,  Proconsul**;  und  Amtsrath  Hart,  auch  Post- 
meister und  Senator  Puhlmann,  an  der  Schule  die  Probe*-'*) 
las.  Der  conrector  der  Schule  zu  Berlin  (nachmals  pro- 
fessor), Herr  Moriz,  meldete  sich  auch  bey  mir  persöniicli 
um  die  Stelle,  welcher  aber  ohne  Probelection  beruften 
seyn  wollte,  welches  doch,  da  Herr  Sprengel  schon  zu 
einer  dergleichen  eingeladen  war,  nicht  geschehen  konnte : 
so  konnte  daraus  nichts  werden.  Herr  Sprengel  wurde 
dem  Oberconsistorio  zum  tentamen  praesentirt  und  von 
solchem  approbirt;  hierauf  hier  den  25.  April  1780  vocirt 
und  von  mir  introdueirt  und  hielt  er  seine  Antrittsrede 
von  dem  Nuzen  der  griechischen  und  lateinischen  Sprache 
gründlich  und  mit  Beyfall.  Allein  so  geschickt  dieser 
Manu  wUrklich  war;  so  unruhig  und  eigensinnig  war  er. 
Gleich  im  May  1780  reichte  er  mir  und  dem  Magistrat 
einen  unvorgreifliehen  Versuch  eines  abgeänderten  lections- 
plans  für  hiesige  grosse  Schule  ein. 

Im  Ausgange  1781  schlug  er  schriftlich  die  Ab- 
schaffung der  Morgen  Praecesf)  vor,  an  deren  Stelle 
jeder  Schulcollege  wöchentlich  eine  Stunde  mehr  infor- 
miren  und  die,  seitdem  das  Snbrectorat  eingegangen,  zu 
sehr  combinirten  Classen  mehr  auseinander  gesetzt  und 
sorgfältiger    bearbeitet   werden    sollten.     Wir  liessen  uns 


*)  Die  vielfach  vorkommenden  orthographischen  und  son- 
stigen Fehler  sind  nicht  dem  Unterzeichneten  zur  Last  zu  legen, 
sondern  sind  nur,  weil  in  den  Quellen  vorhanden,  lieluifs  buch- 
still)!ich  genauer  Wiedergabe  des  Textes  nicht  verbessert  worden. 
—  Die  an  verschiedenen  Stellen  gegebenen  Fussnoten  sind  mit 
Benützung  der  von  Herrn  Oberprediger  Otto  Recke  gütigst  or- 
theilten mündlichen  Erläuterungen  abgefasst.  R.  M. 

**)  „Proconsul"  entspricht  etwa  dem  was  man  heutzutage  als 
Syndicus  bezeichnet. 

***)  Ueber  Sprengel's  Probelection  ündet  sich  (Chronik  S.  2-20) 
die  Bemenun-kung:  .  .  .  „die  ich  ihm  aus  Phaedri  Fabeln,  der 
Aeneide,  dem  Hcr.az,  des  Plutarch  Buch  de  pueroriim  institutione 
und  dem   ersten  Ebräischen  Psalm  aufgab." 

t)  „Praeces"  sind  die  damals  (und  in  manchen  Gegenden 
wohl  auch  heut  noch)  üblichen,  vor  Beginn  des  Schul-Unterrichtes 
abgehaltenen,  gemeinschaftlichen  Morgen- Andachten, 


Beydes  gefallen.  Allein  in  Kurzem  ging  er  immer  weiter; 
er  zählte  nicht  mehr  nach  jeder  Chorpost,  sondern  kaum 
einniahl  die  Woche  das  Chorgeld*)  aus,  das  er  solange 
dem  Praefectus  mit  der  Büchse  in  Händen  Hess.  Er  ging 
grausam  in  seiner  disciplin  mit  den  Kindern  und  willkühr- 
lich  mit  seinen  lectionen  um.  Wir  mussten  ihn  einigemahl 
zu  Rathhause  vt  rnehmen  und  ernstlich  seiner  Pflicht  er- 
innern. Dies  war  ihm  unerträglicli;  daher  er  unterm 
9ten  Octob.  1782  beim  Oberconsistorio  über  Magistrat 
und  mich  weitläufige  Besehwerde  führte ;  welches  doch, 
nach  von  uns  eingezogenen  Berichten,  da  hinauslief,  dass 
er  vom  Oberconsistorio  angewiesen  wurde,  künftig  seinen 
Vorgesetzten  mehr  Folgsamkeit  und  in  der  Disciplin  mehr 
Mässigung  zu  beweisen.  —  (Chronik  S.  240.  1782).  D. 
17.  Octob.  theilte  das  Ol)ereonsistorium  dem  Magistrat  und 
mir  eine  Beschwerde  des  hiesigen  Rector  Sprengel  über 
uns  vom  9.  ejusd.  nebst  Begleitung  eines  sich  dahin  be- 
ziehenden Gesuchs  einiger  von  der  Bürgerschaft  d.  Uten 
ejusd.  mit,  mit  Befehl,  darüber  fördersamst  zu  berichten. 
Er  Iiatte  vorgestellt:  dass  wir,  anstatt  ihn  bei  der  Aus- 
übung seines  Amtes  zu  unterstüzen,  ihn  gänzlich  muthlos 
machten;  eine  Klage,  die  schon  die  vorigen  rectores,  der 
professor  Hcindorft'  und  der  rector  Becker  geführt  hätten, 
von  welchen  letzterer,  weil  er  von  einer  Bürgerfrau  be- 
schimpft worden  und  keine  satisfaction  erhalten  können, 
seine  Stelle  sogar  verlassen  müssen.  Ihm  habe  einmahl 
Insp.  befohlen,  einen  Knaben  wieder  sitzen  lassen,  dem 
er  zur  Strafe  aufgelegt,  zu  stehen.  Allein  jener  Knabe 
sey  ein  Sohn  des  Bürgermeister  Reinike  gewesen.  Ebenso, 
nachdem  er  den  Sohn  des  Postmeister  und  Rathmann 
Puhlmann,  weil  er  in  den  carcer  gegangen,  darinn  seine 
Nothdurf't  zu  verrichten,  zur  Strafe  drey  Stunden  darinn 
sitzen  lassen  und  ihm  seinen  Privatunterricht  verbothen, 
bis  ihm  sein  Vater  versprochen,  ihm  völlige  Freyheit  über 
seinen  Sohn  zu  lassen,  habe  ihn  Insp.  auf's  sehnödeste 
darüber  zur  Rede  gestellt,  Antworten  von  ihm  heraus- 
gelockt und  diese  zum  Justizrath  getragen:  worauf  er 
folgenden  Tages  zu  Rathhause  gefordert  worden.  Hier 
sey  er  gemisshandelt,  von  dem  Amtsrath  und  Polizey- 
bürgermeister**)  Hart  calumnieux  beschuldigt,  den  Sohn 
des  Postmeisters  wieder  in  privat  zu  nehmen  Itefehligt, 
auch  was  zu  unterschreiben  gezwungen  worden,  was  er 
für  Bestürzung  selbst  nicht  gewusst  habe.  Weil  er  einem 
faulen  Choralisten  durch  den  Sinn  gefahren  und  ihm  den 
Namen  gegeben,  der  so  einem  Menschen  gehöre,  seyen 
die  grossen  Schüler  insgesamt  aus  der  Schule  geblieben 
und  haben  ihn  beym  Insp.  verklagt,  der  ihn  hart  darüber 
zur  Rede  gestellt  und,  da  er  verschiedenes  von  dem,  was 
sie  ihm  vorgebracht,  negirt,  ihn  mit  seinen  Schülern  zu 
confrontiren,  gedroht,  auch,  weil  er  das  Chorgeld  nicht 
die  Woche  drey-,  sondern  einmahl  auszahlen  lasse,  um 
seiner  Gesundheit  wegen  die  nöthigen  jiromenaden  zu 
machen,  ihm  befohlen,  schlechterdings  es  l)eym  Alten  zu 
lassen.  Da  er  nicht  geglaubt,  dem  Insp.  hierin  unbedingt 
gehorchen  zu  müssen,  habe  ihn  dieser  an  eben  dem  Tage 
wieder  zu  Rathhause  fordern  lassen,  wohin  er  auch  aus  seinen 
lectionen,  ob  er  gleich,  um  dies  zu  vermeiden,  an  den  Insp. 
ein  billet  geschrieben,  dass  er  thun  wolle,  was  er  ver- 
lange, konnnen  müssen.  Hier  sey  ihm  verwiesen  worden, 
dass  er  so  lange  auf  sich  warten  lassen  und  gegen  seinen 
Vorgesetzten  so  obstinat  gewesen,  auch  ihm,  als  eine  Art 
Strafe  aufgelegt  worden,  14  Tage  lang  das  Chorgeld  dem***) 

*)  Das  ist  das  Geld,  welches  bei  Beerdigungen,  Hochzeiten  etc. 
mit  der  Büchse  eingesammelt  wurde,  um  unter  die  Schüler  ver- 
theilt  zu  werden,  welche  bei  der  betreffenden  Feierlichkeit  ge- 
sungen hatten. 

**)  Polizeybürgermeister    entsprach   dem  Range  des  heutigen 
Amtsanwalts. 

***)  Verf.  wollte  offenbar  schreiben:  nach   dem  jedosmuhligcn 
Singen. 


126 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  13. 


jedesmahligeu  Singen  auszuzählen,  nach  welcher  Zeit  es 
ihm  wöchentlich  zu  tluin  frej-  stehn  solle.  Er  habe,  als 
ihm  ein  Vater  eines  Knaben,  den  er  mit  dem  Stocke  ge- 
straft, iu  der  Schule  zur  Rede  gestellt,  von  dem  Justizrath 
keine  satisfaction  erhalten  können,  ob  sie  ihm  (Chronik 
S.  241)  gleich  versprochen  gewesen,  und  das  unter  dem 
Vorwande,  weil  man  den  Knaben  braun  und  blau  ge- 
schlagen gefunden,  der  doch  noch  nicht  genug  müsste 
bekonnnen  haben,  da  er  am  Tage  darauf  seinen  Ankläger 
geprügelt  habe.  Er  werde  oft  dadurch  gestört,  dass  ihn 
Justizrath  und  Insp.  zu  sich  beordern  lassen.  Jener  be- 
fehle dann,  dass  er  seine  Methode  im  kalligraphischen 
Unterricht,  als  sehr  lächerlich  abschaffen,  oder  die  Schider 
mit  der  grammatic  quälen,  oder  das  Zeichnenlehren  unter- 
lassen solle,  was  er  nicht  gelernt  habe  und  doch  ein 
solcher  ^lann  geworden;  oder  dass  er  das  monatliche 
exercitium  allemahl  aus  dem  Deutschen  ins  Lateinische 
machen  lassen  solle.  Insp.  auf  der  andern  Seite  lasse 
ihn  kommen,  weil  etwa  der  Küster,  der  das  Schneider- 
Iiandwerk  gelernt  und  zugleich  Schulcollege  sey  und  aus 
begreifUchen  Gründen  bey  ihm  viel  gelte,  ihn  verklagt, 
dass  er  seinen  Sohn,  einen  jungen  Bösewicht,  nach  Ver- 
dienst abgestraft,  oder,  weil  er  ihm  bekannt  machen  wolle, 
was  der  Magistrat  in  Ansehung  seiner  privatstunden  de- 
cretirt  habe,  oder,  weil  er  ihm  eine  Predigt  anmuthen 
wolle  pp.  Eben  der  Magistrat,  dem  die  Schule  so  nahe 
am  Herzen  zu  liegen  scheine,  wenn  von  der  Methode  und 
andern  Dingen  die  Rede  sey,  sey  völlig  gleichgiltig  in 
Ansehung  dessen,  was  gerade  seine  Pflicht  sej-,  und  liabe 
ihm  der  Bürgermeister  Reinike  mit  dürren  Worten  gesagt, 
dass  er,  wenn  sein  Sohn  nicht  auf  der  Schule  wäre,  nicht 
sich  um  sie  kümmern  wollte.  Vor  der  Schule  sehe  es  scan- 
daleux  aus,  wogegen  keine  Klage  und  selbst  Anzeige 
derer,  die  exeremente  hinwürfen,  helfte.  Das  Schulgebände 
sey  lange  nicht  reparirt,  das  Dach  schadhaft,  das  Ge- 
bäude stockicht,  und  schon  einmald,  während  des  docirens, 
ein  Stück  herausgefallen.  Im  Winter  habe  man  wegen, 
der  schlechten  Oefen,  die  der  Töpfer  nicht  mehr  aus- 
bessern wollen,  vor  Rauch  und  Staub  zuweilen  niclit 
Ideiben  können  und  die  lectionen  aussetzen  müssen.  Seit 
dem  Julio  werde  der  Unterricht  in  der  geographie  da- 
durch gehindert,  dass  die  Landcharten,  für  welche  man 
Leisten  zum  Aufhängen  anschlagen  wollen,  weil  man 
nicht  Wort  gehalten,  nicht  aufgehangen  werden  könnten. 
Seit  zwey  Jahren  habe  er  beym  Magistrat  auf  reparatur 
des  Sehulgebäudes  augehalten;  mau  habe  es  innner  ver- 
s))rocheu  und  wieder  vergessen,  bis  er  endlich  durch  Be- 
schwerde bey  dem  Kriegsrath  Lindenau  es  dahin  gebracht, 
dass  der  Anschlag  angefertigt  werden  müssen,  der  nun 
auch,  weil  man  das  Gebäude  so  lange  seinem  Schicksal 
überlassen,  sich  auf  500  Tbl.  belaufte.  Wann  indess 
dieser  Anschlag  nach  Berlin  zur  a])probation  geschickt 
werden  werde,  stehe  noch  zu  erwarten.  Das  Obercou- 
sistorium  habe  vor  verschiedeneu  Jahren  die  Subrector- 
stelle  an  der  Schule  eingehen  lassen,  um  durch  die  Ver- 
theilung  des  Gebalts  und  der  emolumente*)  die  Einkünfte 
der  übrigen  Lehrer  zu  verbessern.  Hierzu  habe  die  Sub- 
rectorwohuung  gehört,  wovon  die  Lehrer  die  Miethe  ge- 
nossen, bis  zur  Zeit  seines  Vorgängers  ein  neuer  Jungfern- 
schulmeister hergekommen,  dem,  ob  er  gleich  seine 
eigne  Amtswohnung  gehabt,  der  Magistrat  noch  ausser- 
dem die  Subrectorwohnung  angewiesen,  ohne  den  rector 
und  andere  collegen,  die  sich  darüber  beschwert,  einer 
Antwort  zu  würdigen.  Die  traurigen  Folgen,  die  aus 
allem  diesem  stünden,  Verachtung  des  Schulstandes,  Ver- 
wegenheit der  Aelteru,  seltsame  Forderungen  derjenigen 
unter  ihnen,  die  bey  der  Stadt  was  vorzustellen  glaubten, 


Heiterkeit    und    Gemüthsruhe     gänzlich 
Hierzu  kam   eine  Vorstellung   von 


*)  emolumente  ==  Nebeneinkünfte, 


Ungehorsam,  Muthwille  und  Faulheit  der  Jugend,  beson- 
ders das  obstinate  Wesen  der  älteren  Chorschüler  und 
endlieh  seine  eigene  IMuthlosigkeit  hätten  ihn  bewogen, 
beym  ( »berconsistorio  Schutz  und  Unterstützung  zu  suchen, 
die  er  sich  auch  gewiss  verspreche  und  welche  ihm  seine 
sehr  verlohrne 
wiedergeben  würden. 

12  Bürgern  unterschrieben  die  aber  der  rector  selbst  ge- 
macht hatte:  die  hiesige  Schule,  so  glänzende  sie  vordem 
gewesen,  so  sehr  sey*)  seit  einigen  Jahren  verfallen,  und 
das  hauptsächlich,  weil  man  die  Lehrer,  besonders  die 
rectoren,  nicht  genugsam  untcrstüzet.  Das  habe  der  prof. 
Heindorö",  noch  mehr  der  rector  Becker  erfahren,  dem 
eine  Frau,  weil  er  ihren  Sohn  bestraft,  Ohrfeigen  ange- 
boten und  der,  weil  er  keine  satisfaction  erlangen  können. 
Schule  und  Land  verlassen  habe.  Jetzt  habe  man  unter 
dem  rector  Sprengel  einen  gelehrten  Mann,  unter  dessen 
Aufsiclit  sich  die  Kinder  verädelten;  allein  der  ermüdet 
und  gedrückt  werde,  sobald  man  ihn  verklage  und  das 
desto  mehr,  nachdem  er  der  Sohn  eines  Rathmannes  oder 
Bürgermeisters  sei,  den  er  beleidigt  halien  solle.  In  Kurzem 
werde  er  eben  den  Weg  nehmen  müssen,  den  die  vorigen 
ergriffen. 

Da  der  grösste  Theil  der  Bürgerschaft  wünsche,  ihn 
auf  immer  zu  erhalten;  so  bäten  sie,  dass  er  geschützt 
und  ihm  mehr  autoritaet  gegeben  werden  möchte,  damit 
der  seichtdenkende  Theil  der  Bürgerschaft  ihn  nicht  be- 
leidigen dürfe.  Dadurch  würde  der  Rector  aufgemuntert 
und  die  Bürgerschaft  zufrieden  gestellt  werden.  (Der 
rector  selbst  hatte  Vorstellung  und  Anlage  der  Unterschrift 
gemacht  und  die  Stadtchirurgi  Jacobi  und  Greiser  die 
Leute,  die  nicht  einmal  (Chronik  Seite  242)  alle  Altern 
voüjeines**)  privatisten  waren,  dazu  verleitet. 

Ich  antwortete  dem  Consistorio  auf  die  Besehwerde, 
die  mich;  der  Magistrat  auf  die,  so  ihn  betraf.  Meine 
Antwort  ging  dahin,:  es  müsste  das  Oberconsistorium 
selbst  befremdet  haben,  da  wohl  nicht  leicht  au  einem 
Ort  zugleich  über  Magistrat  und  Inspector  geklagt  werde 
und  über  uns  noch  nie  Beschwerde  geführt  worden,  dass 
der  rector  Sprengel  jezt  dergleichen  führe.  Habe  es  doch 
mich  befremdet,  dies  von  einem  Manne  zu  hören,  den  ich 
hauptsächlich  hier  angebracht  und  stets  gegen  aufge- 
brachte Altern  gesichert.  Er  könne  nicht  klagen,  dass 
ich  ihn  bey  Ausübung  seines  Amtes  nicht  uuterstüze  son- 
dern***) muthlos  mache.  Ich  habe  ihm  sonst  geholfen, 
als  er  nicht  eigensinnig  und  leidenschaftlich  verfahren 
habe.  Mit  Unrecht  sage  er:  schon  mehrere  rectoren  hätten 
hier  Klage  führen  müssen.  Ich  sey  von  1763 — 67  rector 
gewesen  und  habe  von  1769—72  das  rectorat  mit  ver- 
waltet und  nicht  geklagt;  H.  Heindorft',  der  zu  meiner 
Zeit  hier  gestanden,  habe  das  ebenso  wenig  gethan; 
H.  Becker  selbst  habe  zur  Ursache  seiner  resignation  seine 
schwächliche  Gesundheit  angegeben  und  in  Ansehung 
seines  Verdrusses  mit  der  Tischler  Carlsdorifen  Unter- 
suchung und  Ahndung  verbeten.  Was  die  Beschwerden 
betreffe,  die  der  rector  Spreugel  iusbesondere  über  mich 
führe,  so  seyen  sie  sehr  unrichtig.  Es  sey  wahr,  dass 
ich  ihn  gebeten,  den  jungen  Reinike  wieder  niedersezen 
zu  lassen,  wieder  den  sonst  rector  nichts  gcwusst  &  der 
sieh  inmier  gut  aufgefübret  &  sey  vielmehr  des  rectors 
Antwort  klagewUrdig:  er  möge  sich  sezen,  aber,  sobald 
ich  wieder  weg  sey,  soll  er  wieder  stehen.  Den  neun- 
jährigen Sohn  des  Postmeister  Puhlmann  habe  er  auf 
falsche  Angabe  an  einem  kalten  Oetobertage  ohne  Hut  in 


*)  Hier  hat  Verf.  offenbar  das  Wort  „dieselbe"  d.  h.  „sie"  oder 
„die  Schule"  ausgelassen. 
**)  jeines  =  je  eines. 

***)  sondern  =  oder.     Verf.  wollte  vielleieht  schreiben  :   „und 
besonders"?? 


Nr.  13. 


Naturwissenscliaftliebe  Wochenschrift. 


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den  earcer  ^^-eschickt  c^  dem  Vater,  der  dreyniahl  lur  iiiii 
g-ebeten.  ihn  his  zu  lassen,  es  abg-cschiagen ;  noch  nieiir 
das  KiatI,  das  nielits  weiter  beg^ang-en,  ans  seinen  lectin- 
nen  gewiesen.  Anf  meine  VorsteUung-  «i  Frage  hierüber 
habe  er  mir  anfangs  geantwortet:  er  branche  mir  niclit 
Reclienschaft  /.n  geben,  welches  er  doch,  als  er  sich  be- 
sonnen, anders  erklären  wollen,  anch  dentlich  gesagt, 
dass,  wenn  ich  zu  ihm  gescliickt  liaette,  ihn  heraus- 
zulassen, er  es  nicht  gethan  haben  wucrde  i^  wenn  der 
magistrat  es  gefordert,  lieber  diesen  die  Thür  aufbrechen 
lassen  &  hernach  beym  Oberconstistorio  geklagt  haben 
wuerde.  Es  sey  eine  Unwahrheit,  dass  auf  meine  An- 
regung beym  Justizrath  reetor  jezt  zu  Rathhause  gefordert 
worden.  Aul'  eine  schriftliche  Klage  des  Postmeisters 
beym  magistrat,  dass  der  reetor  seinen  Sohn  aus  der 
Schule  verwiesen,  sey  dies  geschehen  &  ich  zur  confereuz 
eingeladen  worden;  wobei  ihm  nicht  mehr,  als  was  Recht 
sey,  wiederfahren,  &  koenne  magistrat  durch  Einreichung 
des  dabey  aufgenommenen  protocolls  das  beweisen.  Die 
beyden  adjuncti  des  Chores,  nebst  den  zwey  groessten 
Chorsehülern  seyen  zu  mir  gekommen,  dass  sie  der  reetor 
um  einiger  Fehler  im  Griechischen  schimpflich  herunter- 
gemacht i^  dass  sie  alle  reisen  sollten,  sie  geheisseu;  da- 
her sie  nicht  weiter  in  die  Schule  zu  gehen  sieh  getrauten. 
Diesen  Leuten  habe  ich  aufgegeben,  fleissig  zu  seyn  & 
sogleich  wieder  in  die  Schulstunden  zu  gehen;  aber  doch 
auch  bey  dem  reetor  nach  dem  Vorgange  mich  erkundigt, 
der  mir,  wie  er  pflege,  was  er  in  der  Heftigkeit  gethan, 
sich  nie  mehr  besinne,  die  Sache  geleugnet.  Ich  habe 
ihm  geantwortet,  dass  es  mir  unglaublich  vorkomme,  dass 
diese  Leute  sich  unterstehen  sollten,  dergleichen  Be- 
schwerde zu  führen,  wenn  kein  Wort  daran  sey  i^  dass 
es  sich  nur  nicht  schicke,  ihn  mit  seyneu  Schülern  zu 
confrontiren ;  eine  Erzählung,  die  er  sehr  verdreht  habe. 
Ich  habe  nicht  undiin  gekonnt,  ihn  zu  erinnern:  dass  er 
nicht  möchte  durch  öffentliche  Beschimpfung  der  Chorad- 
juneten  sie  bey  den  kleineren  Schülern  verächtlich  machen, 
oder,  dass  sie  gar  weggiengen,  verursachen  milchte,  als 
welches  wegen  der  Chortische  hier  schwer  zu  ersezen 
seyn  würde;  dass  er  ihnen  lieber  die  etwan  nöthig  be- 
fundenen strengeren  Verweise  privatim  geben  &  überhaupt 
bedenken  möchte,  dass  erwähnte  Chorschüler  das  Grie- 
chische in  ihrem  Leben  nicht  brauchen  wurden.  Bey 
dieser  Gelegenheit  habe  ich  erfahren,  dass  er  nicht,  wie 
es  die  Observanz,  gute  Ordnung  i^  Sicherheit  des  Chor- 
geldes,  auch  die  Bezahlung,  die  er  mit  12  Thlr.  jährlich 
dafür  bekömmt,  erfordern,  das  zusammengesungene  Chor- 
geld jedesmahl,  sondern  nur  wöchentlich  eiumahl  bey  sich 
auszählen  lasse.  Was  ich  ihm  auch  hierüber  vorgestellet 
&  ob  er  gleich  selbst  gesagt,  dass  ihm  schon  eiumahl 
anderthalb  Thaler  davon  gefehlet;  er  habe  sich  geweigert. 
Da  ich  es  für  Pflicht  gehalten,  den  wiedersezlichen  Mann 
zurecht  zu  weisen,  habe  ich  mit  dem  Justizrath  Lemeke 
davon  gesprochen,  (Chronik,  Seite  243)  der  ihn  zu  Rath- 
haus,  wo  ich  gegenwärtig  gewesen,  fordern  lassen.  Hier 
haben  wir  dreyviertel  Stunden  auf  ihn  warten  müssen  & 
er  anfangs  bloss  ein  billet  an  mich  geschickt,  dass  er 
nun  thun  wolle,  was  ich  verlangt  habe,  nachher  aber, 
als  mau  seine  Gegenwart  noch  wegen  anderer  Dinge 
dennoch  nöthig  befunden,  um  12  Uhr,  nachdem  seine 
privat  Stunden  zu  Ende  gewesen,  sich  eingestellet.  Hier 
sey  ihm  mit  Recht  .aufgegeben  worden,  entweder,  wie 
seine  Vorfahren,  ordnungsmässig  jedesmahl  die  Chor  posten 
bey  sich  auszählen  zu  lassen  oder  dem  conrector  die  Auf- 
sicht der  Chorcasse  nel)st  dem  emohiment*)  davon  zu 
übertragen.  Seine  zur  Entschuldigung  vorgewandten  pro- 
menaden  müssten  billig  nach  den  Umständen  eingerichtet 


*)  emolumcnt  =  Antheil,  Tantieme. 


werden,  oder  er  sich  nicht  für  das  bezahlen  lassen,  was 
er  nicht  verrichte.  Wenn  Reetor  v(n-gegeben:  die  Ur- 
sachen, warum  ich  ihn  zu  mir  ruften  lassen,  seyen  un- 
bedeutend; so  seyen  sie  in  der  Tliat  nichts  weniger,  als 
dieses.  Ich  hatte  Recht,  ihn  rntt'en  zu  lassen,  als  er  des 
Küsters,  der  beyläutig  gesagt,  keine  Schneiderprofession 
i^  in  seinem  Unterrieht  ein  brauchbarer  Mann  ist,  als  er 
dessen  Sohn  braun  &  blau  geschlagen,  weil  er  ihm  ein 
Paar  Pflaumen  von  einem  auf  seinem  Hofe  stehenden 
Baum  abgeschlagen  haben  sollte,  welches  doch  keiner 
gesehen.  Für  wen  schickte  es  sich  mehr,  als  für  den 
inspeetor  &  von  wem  sollte  es  ihm  lieber  seyn  hören,  was 
Magistratus  bey  seiner  Schularbeit  mangelhaft  gefunden? 
i^  er  sey  wohl  unbescheiden  genug  gewesen,  mir  zu  ant- 
worten:  magistrat  solle  ihm  das  selbst  sagen,  er  werde 
darauf  antworten,  er  lasse  sieh  nicht  vorschreiben.  Ich 
habe  ihn  einmahl,  als  mir  Backe  &  Auge  geschwollen 
gewesen,  angesprochen,  meine  Predigt  zu  übernehmen  & 
er  habe  es  abgeschlagen,  ob  er  gleich,  als  er  ums  Rectorat 
angehalten,  ohne  mein  Verlangen,  durch  den  professor 
Zierlein  mir  seine  Hülfle  dabey,  wenn  ich  sie  brauchte, 
angeboten.  Es  sey  hämisch,  dies  als  eine  Ursache  an- 
zuführen, warum  ich  ihn  zu  Rathhause  fordern  lassen,  da 
dies  der  Zeit  nach  fast  Jahr  &  Tag  auseinander  gewesen. 
Jetzt  werde  mir  wohl  nicht  verargt  werden  können,  von 
ihm  anzuführen,  was  ich  aus  Duldung  bisher  verschwiegen. 
Die  Collegen  dieses  Mannes  haben  oft  bitteres  Klagen 
über  ihn  gefuliret;  viele  Besehwerden  von  Aeltern  haben 
Magistrat  &  ich  unterdrückt  oder  gütlich  beygelegt;  keinen 
einzigen  unsern  gemeinschaftlichen  Rath  habe  er  ohne 
Wiedersezlichkeit  angenommen,  ob  ich  gleich,  wenn  ich 
auch  nicht  sein  inspeetor  wäre,  weil  ich  S  Jahre  hier 
Reetor  gewesen,  bey  meinem  Rath  ihm  wichtig  seyn  sollen. 
Das  monathliche  exercitium  aus  dem  Deutsehen  ins  Latei- 
nische haben  nicht  nur  wir,  sondern  auch  der  professor 
Zierleiu,  so  wiederholt  es  geschehen,  umsonst  ihm  em- 
pfohlen; er  lässte  eher  ein  griechichcs  machen,  ehe  er, 
was  er  verlange,  thue.  Auf  der  andern  Seite  strafte  er 
Kinder  ohne  Untersuclmng  um  Kleinigkeiten  unbarmherzig; 
was  er  wohl  im  Berlinschen  grossen  Waysenhause,  wo 
kein  Vater  für  sein  liebendes  Kind  sprechen  können,  an- 
genommen. So  habe  er  den  Sohn  des  Bürgermeisters 
Reinike  mit  dem  Stocke  nahe  ans  Auge,  dass  er  eine 
Zeit  lang  durch  einen  chirurgus  curirt  werden  müssen; 
so  den  Sohn  des  Einnehmers  Schnakenburg  um  eines 
Kinderscherzes  wegen  mit  31  Schlägen,  dass  er  sich  vor 
ihm  winden  müssen;  so  den  Sohn  des  Postmeisters  Puhl- 
mann,  dass  er  einige  Nächte  nicht  liegen  können;  den 
Sohn  des  Schuster  Prillwiz,  weil  er  ein  VVort,  das  er  nicht 
recht  verstanden,  von  seinem  Nachbar  erfragt,  mit  dem 
Stock  anf  dem  Kopfe  blutrünstig  geschlagen,  auf  einer 
Stelle,  wo  der  junge  Mensch  vor  vielen  Jahren  beschädigt 
worden,  &  nun  leicht  seinen  Verstand  verlieren  kiinnen. 
Auf  gleiche  Weise  habe  er  den  Sohn  des  Schuster  Bürger, 
wenn  er  einem  andern  auf  der  Strasse  ein  Papier  aus 
der  Hand  gerissen,  so  gezüchtigt,  dass  ihm  beyde  Schul- 
tern blau  aufgetrieben;  des  Sohns  vom  Küster  Wilcke  & 
anderer  zu  geschweigen.  Schon  scheuen  sich  Aeltern  ihre 
Kinder  in  die  Schule  zu  schicken.  Die  wenigen  Bürger, 
die  sieh  für  ihn  unterschrieben  in  dem,  was  er  ihnen  auf- 
gesezt,  sejcn  theils  aufgeredt,  theils  weil  sie  bey  ihm 
Kinder  in  privat  haben,  durch  Furcht  bewogen  &  eine 
kleine  Zahl  unter  500  Bürgern,  von  denen  man,  wenn 
man  wollte,  ihm  weit  mehrere,  die  über  ihn  klagen,  ihm 
entgegenstellen  könnte.  lusp.  bitte  daher,  dem  Reetor 
sein  bisheriges  Betragen  &  ungerechtes  Klagen  zu  ver- 
weisen, auch  ilni  zu  mehrerer  Folgsamkeit  gegen  seine 
Obern  &  zu  Menschlichkeit  bey  Bestrafung  anzuhalten. 
Der  Magistrat  berichtete  insbesondere :  der  reetor  Sprengel 


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Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.   13. 


hätte  vernünftiger  gethan,  wenn  er  mit  seiner  Beschwerde 
zurückgeblieben  wäre.  Die  Antwort  des  Insp.,  für  deren 
Znverlässigkeit  der  niagistrat  Bürge  sein  wolle,  schildere 
richtig  seinen  Character.  Sein  Eigensinn  sey  unbeschreib- 
lich &  seine  Züchtigungen  ohne  Maasse.  Hieraus  rühre 
alles,  was  ihm  bisher  begegnet  &  er  so  weitläufig  unwahr 
&  calumnieux  (Chronik  Seite  244)  vorgetragen  hal)e.  Was 
er  von  schnöder  Behandlung  voriger  reetoren  sage;  da- 
von koeiuie  das  Gegentheil  bewiesen  werden.  Die  dem 
rector  Becker  wiederfahren  sejui  sollende  Beschimpfung 
in  öft'entlieher  Schule  sey  nie  zur  Klage  gekommen;  sonst 
sie  gewiss  geahndet  seyn  würde,  da  der  Becker  sich  nie 
von  einer  so  unmässigen  Hize  sich  übernehmen  lassen, 
als  der  Sprengel.  Diesem  sey  es  zuzuschreiben,  wenn  er 
wegen  des  Scluister  Bürger  keine  so  grosse  satisfactiou 
bekommen  können.  Es  habe  sich  nämlich  gefunden,  als 
der  Justizrath  Lemcke  noch  am  folgenden  Tage  den 
blossen  Rücken  des  jungen  Bürger  gesehen,  dass  er  nicht 
etwan,  wie  der  rector  vorgegeben,  ein  Paar  Schläge  be- 
kommen, sondern  der  ganze  Rücken  sey  schändlich  zu- 
gerichtet &  so  wie  die  Striemen  gegangen,  ganz  nnt  Blut 
unterlauft'en  gewesen.  In  den  Umständen  habe  er  dem 
rector  das  verwiesen  &  iimi  sagen  müssen,  dass  nach 
solcher  Begegnung  er  nicht  die  ihm  anfänglich  gewisse 
satisfaetion  erhalten  könne;  indess  der  Frau  zu  Rathhaiise 
im  Beyseyn  einiger  Bürger  ein  öfl'entlicher  Verweis  ge- 
geben werden  solle;  welches  aueli  geschehen.  Mehr  habe 
er,  der  Justizrath,  nicht  thun  können,  wenn  er  nicht  die 
Bürgerschaft  noch  mehr  gegen  ihn  aufbringen  wollen,  die 
ohnedies  schon  so  schwürig  sey,  dass  er  iimi  nicht  rathen 
wolle,  in  der  Folge  mit  den  Kindern  so  umzugehen,  wie 
er  es  mit  dem  Bürger  &  mehreren  andern  bisher  gemacht 
habe:  denn  auf  die  12  Bürger,  die  zum  Theil  in  ihrer 
Unschuld  das  wahrscheinlich  von  ihm  selbst  abgefasste 
Bittschreiben  d.  11.  October  unterschrieben  &  unter  denen 
welche  seyen,  die  gar  keine  Kinder  haben,  zum  Theil 
auch  bey  Vorzeigung  ihres  Namens  solchen  gar  nicht  ge- 
schrieben haben  wollen,  könne  er  nicht  reclmen,  da  viel- 
leicht viele  Hunderte  ihm  zuwieder  seyen.  Seine  Unbeug- 
samkeit i^  Starrsinn  haben  die  Zusanunenkunft  mit  ilnn 
veranlasst,  wo  er  versprochen,  sich  den  Anordnungen  des 
Magistrats  ä  Insp.  in  Schnlsaehen  besser,  wie  bislier,  zu 
aecomodiren,  &  bey  Züchtigung  der  Jugend  mehr  Mässi- 
guug  zu  gebrauchen.  Das  darüber  aufgenommene  pro- 
tocoll  habe  er  unterschrieben  &  seyen  ihm,  wie  billig, 
bey  dieser  Gelegenheit,  seine  opiuiatrete  &  die  besoudern 
facta  zu  Gemüthe  geführt,  aber  uiclit  er  gemisshandelt 
worden.  Die  zweytc  Zusammenkunft  zu  Rathhause  mit 
ihm  sey  wieder  gewesen,  weil  er  schlechterdings  darinn 
nicht  folgen  wollen,  es  mit  der  Chorljüchse  zu  halten,  wie 
es  bisher  üblich  gewesen;  wobey  man  doch  so  nach- 
gebend gewesen,  dass  man  es  mit  ihm  so  genau  hierinu 
nicht  nehmen  wolle,  wenn  er  sich  nur  im  Übrigen  folg- 
sam bewiese.  In  Ansehung  seiner  Methode  zu  dociren 
habe  man  bloss  verlangt,  dass  er  der  aemulatidu  wegen 
oft  Übersetzungen  aus  dem  Deutscheu  ins  Lateinische  pro 
loco  ausarbeiten  lassen  &  die  jungen  Leute  gelegent- 
lich die  Regeln  der  grammatic,  um  ihrem  Gedächtnis  zu 
Hülife    zu   kommen,    aufschlagen,    nicht    aber    auswendig 


lernen  lassen  möchte;  welches  sie  doch  von  seinem  un- 
beugsamen Sinne  nicht  erlangen  können.  Auf  die  Ab- 
schaftung  der  Art  des  Unterrichts,  da  er  auf  einer  Bogen- 
seite  nur  einen  &  denselben  Buchstaben  z.  E.  ,,i"  schreiben 
lasse;  ebenso  die  Kinder  billionen,  trillionen,  quadriliio- 
nen  auf  dem  Papier  berechnen  lassen,  welches  in  keine 
öffentliche  Schule  gehöre,  haben  sie  mit  Recht  gedrungen. 
Er,  der  Justizrath  Lemcke  habe  ihm  gerathen,  dafür  ge- 
meinnüzigere  Sachen  vorzunehmen  it  es  könne  seyn,  dass 
er  dabey  gesagt:  er  habe  auch  nicht  zeicimen  lernen, 
welches  rector,  als  in  einer  privat  Unterredung  gesprochen, 
nicht  so,  ihn  öffentlich  herumzunehmen  gebrauchen  sollen 
&  es  zeige  das  von  einem  schlechten  Herzen,  gegen  einen 
Mann,  der  so  oft  seine  Parthey  genommen,  als  es  nur 
irgend  möglich  gewesen.  Die  Sehulgebäude  seyen,  was 
das  Nothwendigste  betreffe,  reparirt  &  gehöre  die  Sache 
nicht  hierher.  Die  Sultreetorat  Stube  sey  schon  seit  etlichen 
Jahren  dem  sogenannten  Jungfernschulmeister  zur  Seiden 
Cultur  eingegeben,  ohne  dass  deshalb  sonderliche  Be- 
schwerde geführet  worden  &  habe  der  jezige  Schnlhalter 
diese  Anstalt  vermittels  solcher  Wohnung  zu  solcher  Voll- 
kommenheit gebraclit,  dass  er  in  diesem  Jahr  durch  eignen 
Fleiss  über  40  Pfd.  Seide  gewonnen.  Hieraus  werde  das 
Oberconsistorium  ersehen:  dass  es  einer  anderweitigen 
Unterstüzung  des  rector  Sprengel  nicht  bedürfte,  wenn  er 
nur  seinen  Eigensinn  breche,  sieh  zu  mehrerer  Folgsam- 
keit gewöhne,  die  Jugend  mit  mehr  Mässigung  behandle 
&  sieh  solchergestalt  das  Vertrauen  des  hiesigen  publici 
zu  erwerben  suche;  (Chronik  S.  245)  wozu  der  magistrat 
ihn  anzuweisen  &  ihm  seine  beleidigende  Schreibart  zu 
verweisen  bitte.  Hierauf  decretirte  das  Oberconsistorium 
d.  12.  Dec.  an  den  rector  Sprengel:  dass  zwar  wegen 
den  entzogenen  Miethsgelder  noch  ein  näherer  Bericht 
vom  magistrat  &  Insp.  werde  gefordert  werden,  seine 
übrigen  Klagen  aber  theils  unbegründet,  theils  abgemacht 
befunden  worden;  übrigens  ihm  aber  hierdurch  aufgegeben 
werde,  seinen  Vorgesezten  Folgsamkeit  &  in  Bestrafung 
der  Jugend  mehr  Mässigung  zu  beweisen.  Dem  Magistrat 
&  mir  wurde  das  unter  eben  dem  dato  mitgetheilt,  mit 
der  Beyfüguug:  dass  wir,  weil  sich  der  Puuct  wegen  der 
entzogenen  Miethsgelder  noch  nicht  klar  genug  darstelle, 
darüber  noch  fordei'samst  berichten  sollten.  Übrigens 
würden  wir  zugleich  angewiesen,  den  sonst  sein  Amt  mit 
Geschicklichkeit  &  Fleiss  verwaltenden  rector  bey  autori- 
taet  zu  erhalten,  wie  bisher  besonders  der  Insp.  nicht 
genug  gethan  habe,  wenn  er  in  Gegenwart  der  Schüler 
die  Verfügungen  des  rectors  getadelt  &  aufgehoben  habe. 
Ich  hätte  gegen  diesen  Ausspruch  Vorstellung  machen 
können,  der  eine  gewisse  Partheylichkeit  des  referenten 
im  Oberconsistorio,  Raths  Büsching,  zeigte.  Allein  ich 
unterliess  es,  weil  wir  doch  in  der  Hauptsache  gewonnen 
hatten.  Wegen  der  Subrectorwohuung  statteten  wir  keinen 
näheren  Bericht  ab.  Da  aber  daran  die  Schul  coUegen 
mit  Recht  Forderung  hatten,  wie  ich  dies  mehrmals  ge- 
sagt hatte:  so  wurde  die  Sache  so  eingerichtet,  dass  als 
ein  Vierteljahr  nachher  der  Jungfernschulmeister  Loeffler 
als  Lehrer  im  practischen  Seidenbau  an  die  realschule 
kam  &  dem  Garnisonküster  Hoepfner  zugleich  die  Jungfern- 
schule anvertraut  wurde (Fortsetzung  folgt.) 


Die    Giftfestigkeit   des   Igels   gegen  Cyaiilialium 

betitelt  sich  ein  Artikel  des  Prof.  Erich  Harnack  in 
der  Pharm.  Zeitung.  Harnack  schreibt:  Dass  unter  allen 
Warmblütern,  welche  bisher  zu  toxicologischen  Versuchen 
henutzt  worden,  der  gemeine  Igel  (Erinaceus  europaeus) 
sich  durch  eine  ganz  besondere  und  erstaunliche  Unem- 
pfindlichkeit  gegen  Giftwirkungen  auszeichnet,  ist  eine 
allbekannte  Thatsaehe.     In  erster  Linie  sind  es  thierisehe 


Giftstoffe,  welche  dem  sonderbaren  Stachelhelden  nichts 
anhaben  zu  können  scheinen:  man  kann  ihn  ruhig  mit 
Canthariden  füttern,  die  doch  für  Fleischfresser,  wie  die 
Katze  u.  a.,  in  ludiem  Grade  giftig  sind,  ohne  dass  ihm 
irgend  ein  Schaden  daraus  erwächst.  Fast  noch  erstaun- 
licher ist  die  Thatsaehe,  dass  er  bei  seinen  heldenmüthigen 
Kämpfen  mit  der  Kreuzotter  wiederholentlich  blutende 
Bisse  in  die  Schnauze   und  andere  unbestachelte  Körper- 


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Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


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theile  erhält,  ohne  dass  die  geringste  Gesundheitsstörung 
sich  in  Folge  dessen  an  ihm  erkennen  Hesse. 

Inuncrhin  ist  diese  Immunität  gegen  animalische 
Gifte  heim  Igel  leichter  begreif licli:  ein  Tiiier,  dass  sich 
vorherrschend  von  Käfern  und  anderen  Insekten,  Reptilien 
und  Anipliil)ien  nährt,  muss  durch  Anpassung  an  seine 
Existenzbedingungen  allmählich  eine  Innnunität  gegen  die 
im  Körper  dieser  Thiere  enthaltenen  Giftstoffe  gewonnen 
haben,  ßcobachtcn  wir  doch  auch,  dass  Kaninchen  mit 
den  Blättern  der  Tollkirsche  und  anderer  GiftpHanzen 
gefüttert  werden  kfinnen,  ohne  irgendwie  Schaden  dabei 
zu  nehmen.  Dass  Kertjäger  gegen  Käfer-  und  Schlangen- 
gifte, Krautfresser  gegen  gewisse  Pflanzengifte  relativ 
unemptindlich  sind,  ist  demnach  wohl  begreiflich.  Gegen 
Käfergifte   sind   daher  auch  Hühner  und  Frösche  immun. 

Aber  beim  Igel  geht  die  Giftfestigkeit  viel  weiter, 
sie  erstreckt  sich  auch  auf  eines  der  stärksten  organischen 
Gifte,  die  Blausäure,  und  zwar  nicht  etwa  nur  bei  Ein- 
bringung des  Giftes  in  den  Magen.  Dafür  mögen  zwei 
von  mir  angestellte  Parallelversuche  Zeugniss  ablegen, 
die  ich  im  Folgenden  in  protokollarischer  Form  mit- 
theilen will. 


Katze   von  1900  grm  Körpergewicht. 


Zeit. 
7"     Sul)cntane  Injection  von  0,01  Cyankalium. 
7^     Das  Thier  stürzt  auf  die  Seite,    athmet   dyspnoisch, 

wälzt  sich   auf  dem  Boden.     Augen  starr.    l'u])illen 

weit. 
7-     Opisthotonus  und  klonische  Krämpfe  treten  ein,  das 

Thier  stösst   einen   Schrei   aus.     Abgang  von  Harn 

und  Koth. 
7^     Einzelne   Herzschläge   sind  noch  fühlbar.     Tod. 

Ausgewachsener  männlicher  Igel. 
Zeit. 
5"     Subcutane  Injection  von  0,01  Cyankalium.     Es  lässt 

sich  keinerlei  Wirkung  erkennen. 
5"^  Subcutane  Injection  von  0,04  Cyankalium.  Das 
Thier  wird  zuerst  sehr  schreckhaft  und  zieht  bei 
der  leisesten  Berührung  die  Stachelhaut  über  den 
Kopf.  Dann  erscheint  es  müde,  soporös.  Allmäh- 
lich beginnt  ein  reichlicher  Sekretabfluss  aus  Maul 
und  Nase,  die  Athmung  wird  tief  und  mühsam,  der 
Blick  starr. 

Die   ^lattigkeit    nimmt    zu,    das   Thier    vermag 
sich  nicht  mehr  zusammenzurollen,  die  Augen  thränen, 
das  Maul  ist  weit  geöffnet. 
5^**    Die  Athmung  ist  äusserst  dyspnoisch.    Dyspnoe  und 
Lufthunger  steigern   sich  zum  höchsten  Grade,    das 
Thier  liegt  wie  gelähmt  da,  der  Tod  scheint  unmittel- 
bar bevorzustehen. 
Dieser  Zustand  dauert  bis  zum  Abend  an. 
Am  folgenden  Tage  ist  jede  Wirkung  des  Giftes  bis 
anf    eine    geringe    Schläfrigkeit    des   Thieres    völlig    ge- 
schwunden: ein  vorgeworfener  Frosch  wird  von  dem  Igel 
sofort  begierig  gepackt  und  verzehrt. 

Das  Quantum  Cyankalium  also,  welches  eine  grosse, 
fast  vier  Pfund  schwere  Katze  in  vier  Minuten 
tödtet,  macht  dem  Igel,  dem  verhältnissmässig  kleinen 
Thiere,  gar  nichts  und  selbst  die  fünffache  Dosis  vermag 
ihn  nicht  zu  tödten,  wenn  sie  freilieh  auch  einen  sehr 
schweren  Krankheitszustand  erzeugt. 

Soll  man  aus  dieser  Thatsache  nicht  schliessen  dürfen, 
dass  in  den  Leibern  der  von  dem  Igel  verzehrten  Kerbthiere 
oder  Eeptilien  auch  giftige  Cyanverbindungcn  vorkommen 
können  und  dass  die  Widerstandsfähigkeit  des  Thieres 
gegen  Cyanwirkungen  auch  durch  Anpassung  erlangt  ist? 
Bei  der  Leichtigkeit,  mit  welcher  sich  Verbindungen  des 


Cyans  unter  gewissen  Bedingungen  bilden  können,  er- 
scheint diese  Annahme  keineswegs  als  so  fern  liegend. 
Ja,  das  Vorkommen  giftiger  Cyanverbindungcn  in  Thieren 
oder  Thierproductcn  kann  sogar  bereits  als  sicher  erwiesen 
gelten.  So  hat  man  z.  B.  die  Bildung  von  Cyanwasser- 
stofifsäure  im  Leibe  eines  Myriapoden  (Tausendfüsslers) 
beobachtet,  wahrscheinlich  infolge  fermentativer  Wirkung 
aus  einem  amygdalinähnlichen  Stotfe.  Ferner  ist  das 
Vorhandensein  der  allergiftigsten  Cyanverbindungcn,  der 
Carbylamine,  im  Hautgiftc  der  Batrachier  (Kröte,  Tri- 
ton, Salamander)  und  wahrscheinlich  auch  dem  der  Scor- 
pione  nachgewiesen  worden.  Bei  der  nahen  Verwandt- 
schaft des  in  den  Eiweisskörpern  enthaltenen  Stickstoffes 
mit  den  Cyanverbindungcn  (Pflüger  u.  A.)  erscheinen 
diese  Thatsachen  als  durchaus  wohl  erklärlich. 

Wir  dürfen  demnach  auch  die  Cyanverbindungen  als 
animalische  Gifte  ansehen  und  kiinnen  auf  (4rund  dessen 
die  relative  Immunität  des  Igels  gegen  Cyanwirkungen 
eher  begreifen. 

Die  bisher  noch  nicht  völlig  aufgeklärte  „Entwicke- 
luiigsgeschichte  der  Pedipalpeii"  oder  Scorpionspinnen 
(Geisselscorpione)  förderte  neuerdings  A.  Strubell  <lurch 
Untersuchungen  an  Telyphonus  caudatus  Fabr.  (S.  dessen 
Abb.  z.  B.  in  der  Leunisehen  Synopsis,  Zool.  II.  S.  574), 
die  er  im  Zool.  Anz.  1892  S.  87  ff.  veröftentliclit.  Seine 
Beobachtungen  wurden  im  malayischen  Archipel,  nament- 
lich auf  Java,  angestellt.  Zunächst  wurde  festgestellt, 
dass  das  Thier  nicht  lebendiggebärend  ist,  wie  man  bis- 
her annahm,  sondern  f^ier  ablegt.  Das  Weibchen  vergräbt 
sich  zur  Zeit  der  Eiablage  Ins  über  einen  Fuss  tief  in  die 
Erde  und  setzt  dort  seine  Eier  ab,  die  von  einem  zu- 
gleich austretenden  Secret,  das  an  der  Luft  rasch  er- 
härtet, umschlossen  werden.  Sie  befinden  sich  nun  zu 
1.5—30  Stück  in  einem  an  der  Bauchseite  anhaftenden 
dünnwandigen  Sacke.  Der  Embryo,  auf  dessen  Bildung 
hier  nicht  näher  eingegangen  zu  werden  braucht,  empfängt 
zuletzt  ein  zartes  Cuticularkleid,  das  mit  spitzen  Chitin- 
stacheln versehen  ist.  Diese  „Eizähne"  helfen  ihm  die 
Schale  durchbrechen,  er  streift  die  Hülle  ab  und  heftet 
sich  an  die  Mutter  fest,  die  ihn  noch  längere  Zeit  mit 
sich  herumträgt.  Das  junge  Thier  ist  noch  sehr  plump 
und  weicht  noch  so  bedeutend  in  seiner  Gestalt  von  seinen 
Eltern  ab,  dass  man  es  als  Larve  bezeichnen  kann.  Diese 
Larve  zehrt  noch  einige  Zeit  von  dem  mitgebrachten 
Dotter  und  verlässt  erst  nach  weiterer  Umbildung  und 
einer  zweiten  Häutung  das  mütterliche  Thier.  Im  Allge- 
meinen ähnelt  die  Entwickelung  mehr  der  der  echten 
Spinnen  als  der  der  Scorpione.  C.  Matzdorff. 

Die  künstliche  Darstellung  des  Grauats  (Melanits) 

und  des  Titanits  wird  von  lT  Michel  in  den  Comptes 
rendus  de  l'Acad.  d.  Sciences  115.  830 — 32  mitgetheilt.  Er 
erhitzte  ein  inniges  Gemisch  von  10  Tbl.  Titaneisen,  10  Thl. 
Schwefelcalcium  8  Thl.  Kieselsäure  und  2  Thl.  Kohle 
ca.  fünf  Stunden  lang  auf  1200°  in  einem  Graphittiegel. 
Der  untere  Theil  der  möglichst  langsam  erkalteten  Schmelze 
bestand  aus  Schwefeleisen  Fe^S^,  in  dem  sich  einige  Körn- 
chen von  Kohlenstotfeisen  fandien.  Der  obere  Theil  war 
eine  poröse,  schwärzlich-graue  Masse  mit  stellenweise 
grösseren  Hohlräumen,  deren  Wände  mit  mehr  oder  we- 
niger schön  ausgebildeten  Kyrstallen  von  Melanit,  Titanit, 
Fe^Sg,  und  noch  anderen  Substanzen  bedeckt  waren. 

Der  Melanit  war  in  glasglänzenden,  dunkelbraunen 
Krystallen  vorhanden,  die  vor  dem  Löthrohr  zu  einem 
magnetischen  schwarzen  Glase  schmolzen  und  die  Formen 
des   Rhombendodecaeders   zeigten.      Die   Analyse    ergab 

SiO.2  FejOa  CiiO  Summe     Spee.  Gew.     HRrte 

36,45        29,80        32,65        98,90  3,8  7 


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Nr.  13. 


Der  Titanit  war  in  Ivlinorhombischen,  nacli  der 
Kante  h^g^  (100)  (010)  verl äusserten  Prismen  vorhanden, 
mm  (110)  (110)  -  113026;  1)eiiu  natürlichen  Titanit 
ist  der  Werth  dieses  Winkels  =  113"31.  Die  röthlich- 
braunen  künstlichen  Krystalle  zeigten  starke  Doppel- 
brechung von  positivem  Charakter.  Ebene  der  optischen 
Axen  in  g^  (010).     Die   Analyse  ergab 

SiOa  TiO,  CaO  Summe     Spec.  Gew.    Härte 

32,10        40,00        27,14        98,24  3,4  5 

Vor  dem  Löthrohr  schmolzen  die  Krystalle  unter 
Aufschäumen. 

Das  Schwefeleisen  Fe^Sg  bildete  kleine  Kügelehen 
mit  kleinen,  anscheinend  zum  orthorhombischen  System 
gehörigen  Kryställehen  an  der  Oberfläche.  Aehnliche  Kry- 
stalle wurden  mitunter  am  Markasit  beobachtet.     Dr.  H. 


lieber  die  Bestimiming  der  Moleciilargrösse  aus 
dem  Verduiistuiigsvermögeii  halie  ich  mich  in  den 
Sitzungsberichten  der  Kaiserlichen  Akademie  der  Wissen- 
schaften in  Wien  ausgelassen.  —  Angeregt  durch  die 
Untersuchungen  von  v.  Babo  und  WüUner  über  die  Dampf- 
tensiou  von  Lösungen  habe  ich  eine  neue  Methode  zur 
Bestimmung  der  Moleculargrösse  aus  dem  Verdunstungs- 
vermögen aufgefunden,  welche  an  Vielseitigkeit  der  An- 
wendbarkeit und  Einfachheit  der  Ausführung  die  kryos- 
kopische  Methode  weit  hinter  sich  lässt.  Die  Methode 
stützt  sieh  auf  allgemeine  Betrachtungen  über  die  Eigen- 
schaften der  Oberfläche  von  Flüssigkeiten,  deren  Mole- 
cüle  mit  einem  geringen  Proeentsatz  von  Molecülen 
anderer  Art  untermischt  sind.  Die  oberste  Schicht  von 
Molecülen  in  einer  solchen  Flüssigkeit  muss,  wenn  man 
sie  genau  in  einer  horizontalen  Ebene  neben  einander 
placirt  annimmt,  denselben  Procentsatz  von  Molecülen 
beiderlei  Art  wie  die  gesammte  Flüssigkeit  aufweisen,  so 
dass  bei  differenten  Eigenschaften  der  beiderlei  Molecüle 
die  oberflächliche  Molecularschicht  einen  Maassstab  für 
die  ganze  Mischung  bildet. 

Sind  nun  in  einer  Flüssigkeit  verdampfbare  (flüch- 
tige) und  nichtflüchtige  Stoffe  bezw.  Molecüle  in  einem 
bestimmten  Procentsatz  gemischt  vorhanden,  so  liegen  an 
der  Oberfläche,  wie  eben  entwickelt,  die  flüchtigen  und 
nichtflüchtigen  Molecüle  in  genau  demselben  Procentsatz 
in  einer  Horizontalebene  neben  einander,  es  ist  also  nur 
einer  dem  Procentsatz  entsprechenden  Menge  flüchtiger 
Jlolecüle  die  Gelegenheit  zur  Verdunstung  gegeben,  wäh- 
rend der  geringe  Procentsatz  nichtflüchtiger  Älolecüle  träge 
zwischen  den  flüchtigen  Molecülen  an  der  Oberfläche  ruht. 

Vergleicht  man  nun  mehrere  Flüssigkeiten,  in  welchen 
je  zwei  Stoife,  ein  flüchtiger  und  ein  nichtflüchtiger,  in 
aequimolecularem  Verhältnisse  gemischt  sind,  so  ergiebt 
sich,  dass  alle  diese  Mischflüssigkeiten  in  der  oberfläch- 
Hehen  Molecularschicht  (bei  sonst  gleichen  Verhältnissen, 
besonders  gleichem  Quadratinhalt  der  Oberfläche)  denselben 
Procentsatz  der  Anzahl  von  ]\Iolecülen  der  beiderlei  Art 
aufweisen  müssen. 

Sind  die  flüchtigen  Molecüle  in  allen  zum  Vergleich 
stehenden  Fähen  gleicher  Art,  so  folgt  für  diesen  be- 
sonderen Fall,  dass  die  Gelegenheit  zur  Verflüchtigung 
an  allen  diesen  Oberflächen  gleich  gross  sein  muss,  da 
bei  ihnen  ein  gleich  grosser  Procentsatz  gleicher  flüch- 
tiger Molecüle  an  der  Oberfläche  liegt. 

Es  müssen  also  z.  B.  aequimoleculare  Lösungen  von 
festen  Stoffen  in  flüchtigen  Flüssigkeiten,  wie  Lösungen 
von  Salzen  oder  Alkalien  in  Wasser  oder  Alkohol,  Lö- 
sungen organischer  Körper  in  Wasser  bezw.  Alkohol, 
Benzol,  Eisessig,  Schwefelkohleustoft",  Chloroform,  Aether. 
Aceton  u.  s.  w.,  Lösungen  von  Säurehydrateu  schwer  bezw. 


nichtflüchtiger  Säuren  wie  Schwefelsäure,  Phosphorsäure, 
Borsäure  in  Wasser  ceteris  paribus  gleiches  Verdunstungs- 
vermögen zeigen,  mag  man  die  Verdunstung  unter  dem 
Exsiccator  über  Schwefelsäure,  Chlorzink,  Aetzkalk  oder 
Chlorcalcium  bezw.  anderen  Absorptionsmitteln  oder  unter 
Ausschluss  aller  störenden  P^inflüsse  selbst  an  freier  Luft 
vor  sich  gehen  lassen. 

(Bei  mehreren  der  genannten  Lösungsmittel  sind  für 
den  Exsiccator  zweckmässig  andere  Absorptiousniittel  aus- 
zuwählen, z.  B.  fürAceton,  Chloroform,  Schwefelkohleustoft'.) 

Es  müssen  also,  um  ein  weiteres  Beispiel  zu  geben, 
zwei  organische  Verbindungen,  in  aequimoleculareu  Men- 
gen in  Aceton  oder  Chloroform  zur  Lösung  gebracht, 
gleiche  Gewichtsverluste  der  Lösungen  ergeben,  wenn 
man  letztere  unter  genau  denselben  Bedingungen  der  Ver- 


dunstung, z.  B.  bei  gewöhnlicher  Temperatur,  überlässt 
und  genau  nach  gleicher  Zeitdauer  der  Verdunstung,  z.  B. 
24  Stunden,  wieder  wägt.  Als  Zeitdauer  wird  dabei  die 
Zeit  angenommen,  während  welcher  das  Verdunstungs- 
gefäss  nicht  bedeckt  gewesen  ist,  während  es  vorher  und 
nachher  durch  sorgfältig  aufgeschliftenc  Deckgläser  gegen 
jede  Verdunstung  geschützt  gehalten  wird,  so  dass  auch 
die  Zeit,  welche  zu  den  Wägungen  erforderlich  ist,  ausser 
Betracht  fallen  kann. 

Um  nun  die  Moleculargrösse  aus  dem  Verdunstungs- 
vermögen  zu  bestimmen,    bedarf  es  eines  vergleichenden 
Versuchs  mit 
kannten!  Mo 
sungsmittels 
neu 


einer  Verbindung  von  schon  anderweit    De- 
eculargewicht  unter  Benutzung  desselben  Lö- 
Um  z.  B.  die  Moleculargrcisse  einer  beliebigen 
dargestellten 


nicht  oder  schwer  flüchtigeu  organischen 
Verbindung  festzustellen,  löst  man  dieselbe  in  geringem 
Procentsatz  in  einem  geeigneten  Lösungsmittel,  je  nach 
Umständen  Aceton,  Chloroform, Schwefelkohlenstofl',  Benzol, 
Tetrachlorkohlenstoft",  Essigäther,  Anilin,  Toluol  und  stellt 
eine  zweite  annähernd  gleicliprocentige  Lösung  mit  dem- 
selben   Lösungsmittel    und    einer    geeigneten    nicht    oder 


schwer  flüchtigen  organischen 


Verbindung 


kannter  Moleculargrösse,    z.  B.   je   nach 


von  genau  be- 
den  Umständen 
(d.  h.  besonders  den  Löslichkeitsverhältnissen  beider  zu 
vergleichenden  Verbindungen)  Resorcin,  Chinon,  Carbazol, 
Alizarin,  Dinitrotoluol,  Amidoazobenzol,  Harnstoft',  Au- 
thraeen,  Benzanilid,  Azobenzol,  Hippursäure,  Acetophenon, 
Sulfonal,  Antipyriu,  Anthrachinon,  Hydrochinon,  a-  und 
/^-Naphtol,  «-  und  //-Naphtylmin,  Paratoluidin,  m-  und 
p-Phenylendiamin,  Phtalsäure  -  Anhydrid,  Salicylsäure, 
p-Toluidin,  her  und  stellt  die  Verdunstungsverluste  beider 
Lösungen  in  Krystallisirschaleu  von  genau  gleichem 
Horizontalsclinitts-lnhalt  in  gleicher  Zeit  und  unter  sonst 
gleichen  Bedingungen  fest. 

Diese  Verdunstungsverluste  rechnet  man  auf  reine 
flüchtige  Flüssigkeit  (100  Procent)  um  und  zieht  je 
l)eide  Werthe  von  einander  ab,  um  die  Verminderung 
der  Verdunstungsverluste  zu  erhalten.  Diese  beiden  Ver- 
minderungen bei  beiden  Lösungen  verhalten  sich  umge- 
kehrt wie  die  Moleculargrössen  der  gelösten  nichtflüchtigen 
Verbindungen,  wonach  man,  da  die  eine  der  Jlolecular- 
grössen  anderweit  bekannt  ist,  die  andere  berechnen  kann. 

Die  neue  Methode  zeichnet  sich  besonders  dadurch 
aus,  dass  man  ihre  Genauigkeit  durch  Verlängerung  der 
Verdunstunffsdauer  beliebig  steigern  kann,  während  die 
der  kryoskopischen  Methode  im  Wesentlichen 
ist,  wenn  man  von  der  selbst- 
verständlichen Anwendung  feinster  Thermometer  absieht. 
Ferner  ist  die  Methode  nicht  wie  die  kryoskopische  durch 
bequem  liegende  Erstari-ungstemperaturen  beschränkt,  viel- 
mehr bei  der  Mannigfaltigkeit  der  Lösungsmittel  und 
Vergleichskörper  viel  allgemeiner  anwendbar. 

Die  Grundlagen  der  vorliegenden  neuen  Methode  zur 
Feststellung  der  Moleculargrösse  stehen  im  Einklang    zu 


1 


beliebig 
Genauigkeit 
einer  Steigerung  kaum  fähig 


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Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


131 


Untersucliungen,  welche  neuerding-s  P.  Lesage  (Compt.rcnd. 
1892,  S.  473)  angestellt  hat,  ans  welchen  sich  speciell 
für  zwei  Alkalisalze,  Chlorkalium  und  Clilornatriuni,  ergab, 
dass  die  Verdampfungs-Gesch wiudigkeit  der  Lösungen 
bei  gleicher  Concentration  für  Chlurkaliuni  grösser  ist 
als  für  Clilornatriuni  (mit  kleinerem  Molcculargewicht)  und 
bei  beiden  Lösungen  geringer  als  bei  reinem  Wasser. 
Eine  einfache  Betrachtung  über  die  Relationen  zwischen 
Verdunstungs -V  e  r m  ö g  e  n  und  Verdampfungs -Geschwin- 
digkeit ergiebt  das  von  Lesage  beobachtete  Verhalten 
der  Salzlösungen  als  nothwendige  Folge  der  eingangs 
dargelegten  Anschauungen. 


Dr.  IL  Kronberi 


lieber  elektromagiietisclie  Wellen.  Anlässlich  der 
letzten  Schweizerischen  Naturforscherversammlung  theilte 
Herr  R.  Blondlot  eine  Beobachtung  über  die  Fort- 
pflanzungsgeschwindigkeit der  elektromagnetischen  Wellen 
in  isolirendeu  Mitteln  mit,  die,  an  sich  sehr  bemerkens- 
werth,  einen  besonderen  Werth  noch  dadurch  erhält,  dass 
sie  eine  für  die  elektromagnetische  Theorie  des  Lichtes 
fundamentale  Relation  in  einfachster  Weise  herleiten  lässt. 

Ausgehend  von  akustischen  Analogien  gelangte  Herr 
Blondlot  zu  der  Vernmthung  —  die  durch  mathematische 
Gründe  gestützt  wurde  —  dass  die  Länge  der  von  einem 
Oscillator  ausgesandten  elektromagnetischen  AVellen  immer 
dieselbe  sein  müsse,  welches  auch  das  isolirende  Mittel 
sein  möge.  Es  gelang  dem  Xaneyer  Gelehrten  auch, 
durch  eine  Reihe  von  Versuchen  nachzuweisen,  dass 
in  der  Tliat  jene  Wellenlänge  in  verschiedenen  von  ihm 
benutzten  isolirenden  Mitteln  dieselbe  sei  wie  in  der  Luft. 
Aus  diesem  Ergebniss  lässt  sich  dann  aber  sofort  die 
oben  erwähnte,  von  Maxwell  herrührende,  Relation  ab- 
leiten. Denn  wenn  C  die  Capacität,  L  den  Selbstinductions- 
cocfticienten,  und  T  die  Schwingungsdauer  des  bei  den 
Versuchen  angewandten  Resonators  bedeuten,  so  hat  man 

r=  2n  Vgl. 

Multiplicirt  man  rechts  und  links  mit  V,  der  Fort- 
pflanzungsgeschwindigkeit der  Wellen,  so  erhält  man  links 
die  Wellenlänge  l,  also 

;.  =  2n.V  C-y  L-  V. 

Nun  ist  1  nach  den  Blondlot'schen  Versuchen  unab- 
hängig vom  isolirenden  Mittel;  ein  Gleiches  gilt  für  L. 
Demnach  niuss  auch  CT-  eine  unveränderliche  Grösse 
sein.  Wenn  man  nun  von  der  Luft  zu  einem  anderen 
Dielectricum  übergeht,  dessen  dielectrische  Constante  K 
sein  möge,  so  wird  C  einen  A'-mal  grösseren  Werth  an- 
nehmen, und  V  muss  mit  dem  reciproken  Werth  des 
Brechungscoefficienten  n  des  neuen  JMittels  (in  Bezug  auf 
Luft)  multiplicirt  werden.  Sind  C",  V  also  die  Werthe 
von  C,  V  für  das  neue  Dilectricum,  so  muss  nach  obigem 
sein 

C"  V-  =  CVK 

Nach  dem  eben  dargelegten  ist  aber  auch 


C-2  |/'  =  A'-C. 


es  muss  also 


A'. 


n- 
K  =  ;r 


sein,  welches  die  Maxwell'sche  Relation  ist,  deren  l>e- 
stehen  wesentliche  Bedeutung  für  die  neue  Lichttheoric 
hat.     (Archives  des  sciences,   Geneve.  dec.  1892.) 


Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben. 

Es  wurden  ernannt:  Der  l^riviitdocent  der  l^hysik  an  der 
Universität  Berlin  Dr.  Paul  Glau  zum  Professor.  —  Dr.  Ernst 
Siemerling,  von  der  psychiatrischen  Klinik  in  Berlin,  zum 
Professor  der  P.sychiatrie  und  Director  der  psychiatrischen  Klinik 
der  Universität  "Tiibingen.  —  Der  Apotheker  Dr.  N.  Wender 
zum  Docenten  der  Agricnlturchemie  und  Technologie  an  der 
Landwirthschaftlichen  Lrdn-anstalt  in  Czernowitz.  —  Der  ausser- 
ordentliche Professor  Dr.  Olcarski  zum  ordentlichen  Professor 
an  der  Techniseheu  Hocliscliule  zu  Lemberg. 

Es  haben  sich  hal)ilitirt:  In  der  medicinischen  Facultät  der 
Universität  Berlin  Stabsarzt  Dr.  Ernst  Grawitz,  Assistent  an 
der  Gerhardt'schen  Klinik,  für  innere  Medicin,  Dr.  med.  Paul 
Heymann,  für  Hals-,  Nasen-  und  Kehlkopfleideu,  und  Dr.  med. 
Hugo  Neumann  für  innere,  insbesondere  Kinderkrankheiten.  — 
An  der  Universität  München  Dr.  Gramer  als  Privatdocent  für 
Bakteriologie. 

Es  sind  gestorben:  Der  Mineraloge  Dr.  F.  A.  Genth  in  Phi- 
ladelphia.—  Der  Archäologe  Ludwig  Lindenschrait  in  Mainz. 

—  Der  Ornithologe  Victor  Aime  Olphe-Galliard  in  Hendaye. 

—  In  Göttingen  der  Professor  der  Physiologie  Gustav  Herbst. 


Die  X.  Hauptversammlung'  des  Preussischen  Medicinal- 
beamtenvereins  wird  in  den  Tagi'n  vom  10.— 11.  Ajn-il  in  Berlin 
abgehalten  werden. 

Der  Botanische  Verein  der  Provinz  Brandenburg 
hat  an  seine  Mitglieder  eine  Tabellarische  Zusammenstellung 
einer  Zahl  Pflanzenarten  zum  Zweck  phaenolog-ischer  Beob- 
achtungen zur  \'er.srndung  geljvacht.  Wir  theilen  dies  mit,  weil 
sich  vielleicht  Liebhaber  solcher  Beobachtungen  unter  den  Lesern 
der  ,,Naturw-.  Wochenschr."  linden,  Beobachtungen,  die  nur  an 
einer  Centralstelle  verarbeitet  zu  einem  ergiebigen  Resultat  führen 
können.  Interessenten  erhalten  auf  Verlangen  von  dem  derzeitigen 
Vorsitzenden  des  Vereins,  Herrn  Prof  Dr.  P.  Magnus  (Berlin  W., 
Blumeshof  \b,  III),  dem  die  Beobachtungen  auch  zur  Verarbeitung 
einzusenden  sind,  ein  Exemplar  der  Zusammenstellung  zugesandt. 


Die  erste  Mineralienhandlung  Berlins,  Luisenstr.  19,  bleibt 
nach  wie  vor,  entgegen  der  Mittheilung  in  No.  52  Bd.  VII  der 
„Naturw.  Wochenschr."  in  den  bewährten  Händen  des  Herrn  Pech. 


L  i  1 1  e  r  a  t  u  r. 

Dr.  M.  Bach,  Studien  und  Lesefrüchte  aus  dem  Buche  der 
Natur.  Für  jeden  Gebildeten,  zunächst  für  die  reifere  Jugend 
und  ihre  Lehrer.  3.  Bd.  4.  Aufl.  von  A.  Jülkenbeck  und  -1.  Bd. 
4.  Aufl.  ebenfalls  von  A.  J.  Verlag  von  Ferdinand  Schöningh. 
Paderborn  1889  u.  1892.  —  Preis  a  Bd.  2,50  M. 

Die  beiden  Bände  bringen  Aufsätze  meist  zoologischen  In- 
haltes, die  dem  Freunde  der  Katur.  dem  Laien,  eine  angenehme 
und  gute  Unterhaltung  und  Belehrung  bieten,  jedoch  sind  wir 
verpflichtet  darauf  aufmerksam  zu  machen,  dass  der  reine  Xatur- 
forselier  freilich  hier  und  da  gern  eine  weitgehendere  Beschränkung 
sehen  würde:  die  Resultate  und  Ansichten  der  Naturforscliung, 
die  dem  Geiste  der  katholischen  Kirche  unliebsam  sind,  werden 
bekämpft^  Glücklicherweise  handelt  es  sich  meistens  um  Themata, 
die  den  Glauben   nicht  tangiren. 

Um  nur  einige  Tliemata  zu  nennen,  seien  nur  ein  paar  Ueber- 
schriften  erwälint,  z.  B.  der  Biber,  der  Häring,  die  Schmarotzer- 
pflanzen, die  Reblaus,  das  Aquarium,  der  Thee,  der  Tabak  u.  s.  w. 


E.  L.  Trouessart,   Die  geographische  Verbreitung  der  Thiere. 

Aus  dem  Französischen  übersetzt  von  W.  ^larshall.    Mit  2  Karton. 

Verlag  von  .1.  J.  Weber  in  Leiiizig.  1892.  —  Preis  geb.  4  M. 
Das  handliche  Bändchen  (No.  5  von  Weber's  naturw.  Biblio- 
thek) ist  ein  vorzügliches  Handbüchelchen  über  die  Thiergeogra- 
phie,  das  vielen,  die  Schmarda's  und  Wallaee's  umfangreiche  und 
theure  Werke  nicht  zur  Hand  haben  —  die  obendrein  in  vielen 
Punkten  veraltet  sind  und  von  denen  das  erste  wegen  seines 
eigenartigen  Standpunktes  vielfach  nicht  beliebt  ist  —  recht  will- 
kommen sein  muss.  Es  umfasst  nicht  weniger  als  380  Seiten  und 
hat  durch  hier  und  da  eingeschaltete  Anmerkungen  des  kenntuiss- 
reichen  Uebersetzers  seinem  französischen  trett'iicheu  Original 
gegenüber  noch  an  Werth  gewonnen.  Nicht  nur  wird  das  Ge- 
sammtgebiet  der  Thiergeographie  behandelt,  sondern  es  werden 
auch  die  Beziehungen  dieser  Disciplin  zur  Paläontologie  besju'oehen. 
Die  eine  der  beigegebenen  Karten  veranschaulicht  die  thiergeo- 
graphischen  Regionen  und  Subrcgionen,  die  andere  die  Verbrei- 
tung von  Seethieren  durch  die  Meeresströnuingen. 


132 


Naturwissenschaftliche  Wocheuschrift.. 


Nr.  13. 


Brehm's    Thierleben.      Kleine    Ausgabe     für  Volk    und    Schule. 

2.  Aufl.,  gänzl.  neubearbeitet  von   Richard   Schmidtlein.     I.  Bd. 

Die  Säugethiere.     Mit  1  Cliroraotafel    und  226  Abbildungen    im 

Text.     Bibliographisches    Institut.     Leipzig  u.  Wien.     1898.  — 

Preis  geb.  10  Mk. 

Gleichzeitig  mit  der  3.  Auflage  des  ..grossen"  Brehm  erscheint 
die  2.  Aufl.  des  „kleinen",  der  „Volks-  und  Schul-Ausgabe"  des 
beliebten  Werkes.  Wir  müssen  sagen,  dass  es  dem  Herausgeber 
der  kleinen  Ausgabe  sehr  gut  gelungen  ist,  aus  den  zeitgemässen 
Veränderungen,  welche  die  3.  Aufl.  der  grossen  Ausgabe  erlitten 
hat,  Nutzen  zu  ziehen  und  das  Wichtigste  und  Interossansteste 
zu  berücksichtigen.  Dabei  hat  Schmidtlein  stets  die  Benutzung 
der  kleinen  Ausgabe  in  der  Schule  im  Auge  gehabt,  also  alles 
weggelassen,  was  sie  nicht  für  geeignet  hält.  Der  vorliegende 
1.  Bd.  umfasst  die  ganze  Gruppe  der  Säugethiere,  die  in  der  grossen 
Ausgabe  3  Bände  einnehmen. 


Dr.  Otto  Koepert,  Der  Star  (Sturnus  vulgaris  L.)  in  volkswirth- 
schaftliclier  und  biologischer  Beziehung.  Ein  Beitrag  zur  Vogel- 
schutzfrage. Verlag  von  Stephan  Geibel  in  Altenbui-g,  L.-A., 
1892.  —  Preis  1,80  Mk. 
Nicht  nur  nn  menschlichen  Verkehr  stossen  wir  zuweilen  auf 
Pei-sönlichkeiten,  über  deren  Charakter  die  Ansichten  getheilt 
sind:  auch  über  einzelne  Thiere,  namentlich  Vögel,  sind  die  Ge- 
lehrton sich  nicht  ganz  klar,  ob  sie  zu  den  nützlichen  oder  den 
schädlichen  gehören.  Aus  neuester  Zeit  hat  namentlich  der 
Semper'sche  Amselprocess  einen  Beleg  hierzu  geliefert.  Auch 
der  fröhliche  muntere  Star,  nächst  dem  Sperling  wohl  der  be- 
kannteste und  zutraulichste  unserer  Wildvögel,  ist  dem  allge- 
meinen Schicksale  der  Verleumdung  und  Anschwärzung  nicht  ent- 
gangen. Wer  den  Landmann  kennt,  weiss,  dass  demselben  im 
Allgemeinen  ein  kleinlicher,  ,.gnitschiger"  Zug  anhaftet,  der  mit 
der  Grösse  und  Freigebigkeit  der  Natur,  in  der  er  lebt,  in  einem 
merkwürdigen  Widerspruche  steht.  Dass  der  bereits  früh  ein- 
trefl'eude  Star  zahlreiche,  der  Pflanzenwelt  schädliche  Larven, 
Käfer,  Raupen  im  Frühjahre  verzehrt,  wird  als  selbstverständ- 
lich hingenommen:  zieht  derselbe  aber  einmal  ein  paar  junge 
Pflanzen  aus,  vergreift  er  sich  im  Sommer  an  den  Kirschen  und 
Weinbeeren,  oder  fällt  er  im  Herbst  in  ein  Rohrdickicht  ein  und 
bricht  einige  Halme  um,  so  wird  alsbald  über  die  „Schädlichkeit" 
des  Vogels  ein  grosses  Lamento  erhoben  und  womöglich  seine 
Ausrottung  verlangt.  Solche  Gegner  des  Stares  haben  es  in 
Elsass-Lothringen  durchgesetzt,  dass  derselbe  dort  als  „vogelfrei" 
erklärt  worden  ist  und  diesem  Umstände  verdankt  die  vorliegende 
Schrift  ihre  Entstehung.  Der  Verfasser,  ein  bekannter  Vogel- 
freund, hat  alles  Wichtigere,  was  in  den  ornithologischen  Blättern 
über  den  Star  veröfi'entlicht  worden  ist,  gesammelt  und  mit  den 
Gutachten,  welche  er  selbst  von  hervorragenden  Vogelkennern 
darüber  eingeholt  hat,  zu  einer  erschöpfenden  Monographie  des 
Stares  verarbeitet,  welche  die  Streitfrage,  ob  derselbe  ein  nütz- 
licher oder  schädlicher  Vogel  ist,  gewissermaassen  und  zwar  zu 
Gunsten  des  Stares,  zum  Abschluss  bringt.  Vogelfreunden  wird 
das  kleine  Buch,  welches  eine  Fülle  werthvoller  Beobachtungen 
über  den  Star  enthält,  eine  angenehme  Leetüre  sein. 

.  Dr.  H.  J.  Böttger. 

P.  Martin  Gander,   O.  S.  B.,  Erdschichten  und  Erdgeschichte. 

Ein  Wort  über  die  Altersbestimmung  der  Enischichten.  Sonder- 
abdruek  aus  „Natur  und  Offenbarung",  38.  Bd.  Münster  i.  W., 
1892.  68  Seiten. 
Zweck  vorliegender  Schrift  soll  sein  zu  zeigen,  dass  die 
heutige  geologische  Formationslehre  gar  nicht  so  sicher  durch 
Theorie  und  Thatsachen  begründet  sei,  wie  man  gemeinhin  glaube; 
insbesondere  betrefte  dies  die  Altersgleichsetzung  weit  entlegener, 
nicht  zusammenhängender  Schichten  und  Formationen  allein  auf 
Grund  der  Fossilien.  Nachdem,  wie  in  genügender  Breite  ge- 
schichtlich dargestellt  wird,  das  ursprüngliche  petrographische 
Princip  für  die  Formationsbestimmung  aufgegeben  war,  habe  man 
sich  mit  Uebereifer  dem  paläontologischon  zugewandt.  Dasselbe 
beruhe  auf  der  Annahme,  dass  die  Organismen  von  ursprünglich 
ganz  abweichenden  Typen  aus  zu  den  gegenwärtigen  allmählich 
sich  entwickelt  haben.  Aber  die  Entwickelungstheorie  selbst  sei 
schon  falsch,  wie  ja  gerade  die  Descendenztheoretiker  jeder  seinen 
Vorgänger  „schlagend"  und  ,.ganz  vernichtend"  widerlegt  hätten. 
(Das  wird  ziemlich  ausführlich  „bewiesen".)  Aber  auch  die  theo- 
retische Möglichkeit  der  Entwickelung  zugegeben,  so  brauche  sie 
doch  nicht  über  die  Erde  hin  so  gleichzeitig  gewesen  zu  sein, 
dass  man  aus  der  grösseren  oder  geringeren  Aehnlichkeit  der 
Floren  und  Faunen  mit  den  gegenwärtigen  auf  ein  geringeres 
oder  höheres  Alter  schliessen  dürfe.  Der  Herr  Verfasser  wirft 
den  Geologen  sogar  vor,  dass  sie  „die  meisten  Fossilien  un- 
richtig bestimmt"  haben  und  solche  Bestimmungen  könnten 
natürlich  zu  Aehnlichkeitsvergleichungen  gar  nicht  taugen.  Die 
Unähnlichkeit  der  Faunen  beruhe  auch  häufig  auf  Facies- 
unterschieden,  und  man  wisse  z.  B.  gar  nicht,  ob  nicht  die  für 
Trias  und  Lias    immer    als    charakteristisch   angesehenen  Saurier 


„schon  vorher  die  ausgedehnten,  heute  in  der  Tiefsee  versunkenen 
oder  unter  unerforschten  Festländern  verborgenen  Landstriche 
bewohnt  haben".  Einen  Kreidedinosaurier  habe  ja  White  schon 
in  den  Laniaric- Schichten  des  Cambriums  entdeckt.  (Referent 
kennt  allerdings  bloss  Laraniie -Schichten  der  obersten  Kreide.) 
Nun,  vielleicht  findet  Herr  Gander  demnächst  ein  Dinotherium 
in  dem  cambrischen  Medusensandstein,  der  ja  wohl  zwar  keine 
„Festlandsschicht"  ist,  aber  wohl  nicht  allzuweit  davon  entstanden 
sein  mag.  Aber  freilich  wieder  sollen  „die  Ivnochen  der  höheren 
Thiere  die  Umwandlungen  in  den  Erdschichten  viel  weniger  über- 
dauern, als  die  Schalen  der  Meeresthiere".  Mit  dieser  Lücken- 
haftigkeit der  paläontologischen  Ueberlieferung  hilft  sich  der  Herr 
Verfasser  also  auch!  Wenn  es  aber  die  Paläontologen  thiin  und 
dadurch  eine  „scheinbare"  Uebereinstimmung  der  Thatsachen  mit 
der  Entwickelungstheorie  erzielen,  so  wird  es  ihnen  zum  Vorwurf 
gemacht,  —  da  bildet  die  Lückenhaftigkeit  bloss  ein  Glied  in 
einem  Trugschluss!  Auch  darin  begingen  ja  die  Paläontologen 
einen  Zirkelschluss,  dass  sie  diejenigen  Formationen,  die  nur 
niedere  Pflanzen  und  Tliiere  als  Fossilien  enthielten,  eben  zu  den 
untersten  machten  und  solche  mit  höheren  Formen  zu  neueren 
Formationen  stellten,  selbst  wenn  sie  unmittelbar  auf  der  Primitiv- 
formation aufruhten.  —  Aber  „so  oft  und  so  gründlich  auch  die 
Entwickelungstheorie  widerlegt  wird,  immer  erhebt  sie  wieder 
ihr  PLaupt" ;  denn  ihre  Anerkennung  hängt  nicht  allein  vom  Ver- 
stand, sondern  auch  vom  Willen  ab;  des  religiösen  Hintergrundes 
wegen  wollen  die  bösen  modernen  Naturforscher  keine  andere 
Theorie.  Der  Herr  Verf.  bringt  nun  einige  Beispiele  „von  ver- 
fehltem Vorgehen  bei  Bestinnnung  der  Formationen"  (so  bei  der 
Barrande'schen  Colonienfrage,  liei  den  Kalkeinlagerungen  im  Gneiss 
des  Glärnisch,  bei  den  fälschlich  basischen  Belemnitenschiefern  von 
Bünden,  beim  russischen  Silur  u.  s.  w.).  Nach  diesem  negativen 
Theil  wendet  sich  Herr  Gander  der  Frage  zu,  was  nun  positiv 
fest  und  sicher  sei.  Das  sei  1)  dass  die  untersten  Schichten  stets 
aus  sog.  Urgestein,  2)  die  oberste  Grenzschicht  aus  lockeren 
Gerüllmassen  besteht  und  ebenfalls  allgemeine  Verbreitung  hat, 
und  3)  dazwischen  mehrere  Schichten  von  grösserer  Festigkeit 
eingelagert  sind.  Danach  sind  zu  unterscheiden:  1)  „Periode  der 
Urgesteine",  Alterthum  der  Erde,  die  Zeit,  wo  die  Eigenwärme 
der  Erde  noch  mächtig  nach  aussen  wirken  konnte,  in  „absoluter 
Zeit"  ausgedrückt  „die  Zeit  zwischen  der  ersten  (eigentlichen) 
Schöpfung  und  dem  6-Tagewerk".  2)  Periode  der  festen  Sediment- 
gesteine (Mittelalter  der  Erde).  Ueber  diese  doch  sehr  mannig- 
faltigen Gebilde  lässt  sich  der  Herr  Verf.  nur  in  ganzen  2  Seiten 
sehr  vag  aus;  hervorgehoben  sei  nur,  dass  er  der  Meinung  ist,  es 
dürfte  wohl  die  Kohlenformation  eines  Gebietes  zeitlich  äquivalent 
der  Juraformation  eines  ajideren  und  dem  Eoeän  eines  dritten 
Gebietes  sein;  und  dass  diese  Periode  die  Zeit  des  6-Tagewerkes 
bis  zur  Sündfluth  ausfüllt,  ohne  dort  eigentlich  strenge  begrenzt 
zu  sein.  3)  „Periode  der  losen  Trümmergesteine,  Neuzeit  der 
Erde";  fällt  fast  genau  mit  dem  Diluvium  und  Alluvium  der 
historischen  Geologie  zusammen;  diese  Ablagerungen  charakteri- 
siren  sich  als  Folgen  einer  allgemeinen  plötzlichen  Ueberschwem- 
mung;  diese  wieder  hatte  eine  allgemeine  Abkühlung  und  so  die 
Eiszeit  im  Gefolge.  „In  dieselbe  Zeit  ungefähr  fällt  nach  allge- 
meiner Annahme  der  Geologen  die  hauptsächlichste  Hebung  der 
grossten  Kettengebirge  (Alpen,  Himalaia)."  „Alle  diese  für  die 
Geologie  sicher  feststehenden,  aber  räthselhaften  und  unerklär- 
lichen Erscheinungen"  werden  erklärt,  und  zwar  einheitlich,  durch 
die  in  Bibel  und  VölkerUberlieferungen  beglaubigte  Sündfluth. 
Diese  ist  ein  „ausserordentliches  Ereigniss,  nicht  zurückzuführen 
auf  rein  natürliche  Ursachen,  sondern  gewollt  und  unmittelbar  ge- 
setzt von  Gott  zur  Strafe  der  Menschheit,  freilich  ausgeführt  mit 
den  Kräften  und  Mitteln  der  Natur."  „Es  brachen  nämlich",  wie 
es  in  der  Bibel  heisst,  „alle  Brunnen  der  grossen  Tiefen  auf 
(d.  s.  die  grossartigen  Gebirgsbildungen)  und  die  „Schleusen  des 
Himmels  thaten  .sich  auf."  Der  Verfasser  ist  anscheinend  auf 
diese  Entdeckung  und  auf  seine  Erklärung  der  Ursachen  der  Eis- 
zeit sehr  stolz.  Diese  Zeit  fällt  übrigens  gar  nicht  weit  zurück, 
wie  die  prachtvolle  Erhaltung  der  glacialen  Felspolituren  und  der 
Moose  bei  Schussenriod  erweise;  „von  hunderttausend  Jahren  seit 
der  Eisperiode  redet  ein  Geologe  nicht  mehr."  „Wir  finden  also 
nirgends  einen  Widerspruch  zwischen  dem  geologischen  Bericht 
und  dem  historischen  (der  Bibel),  im  Gegentheil  findet  der  erste 
gerade  durch  den  zweiten  die  beste,  einzig  befriedigende,  einheit- 
liche Erklärung.  Warum  also  sollten  wir  diesen  Bericht  der 
hl.  Schrift  von  der  Hand  weisen?" 

Der  Referent  muss  die  Leser  dieser  Wochenschrift  um  Nach- 
sicht bitten,  wenn  er  den  Inhalt  der  vorliegenden  Schrift  des 
Verfassers  so  ausführlich  wiedergegeben  hat;  denn  sie  werden 
wohl  alle  zu  denen  gehören,  welche  solche  Gelehrsamkeit  nicht 
annehmen  wollen;  religiöse  Motive,  wie  Herr  Gander  meint, 
dürften  allerdings  diesmal  hierfür  nicht  den  Grund  bilden.  —  Es 
ist  sehr  zu  bedauern,  dass  die  Hüter  der  Religion  so  ungeschickte 
Dolmetscher  und  Vertheidiger  vorschicken,  welche  nicht  nur 
keinen  Gegner  überzeugen,  sondern  höchstens  selbst  noch  Spott 
ernten  werden.  E.  Z. 


Nr.  13. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


133 


H.  Börner,  Lehrbuch  der  Physik  der  für  höhere  Lehranstalten, 
sowie  zur  Einführung  in  das  Studium    der  neueren  Physik. 

Mit  470  in  den  Text  f^edriiekten  Abbild.  VVeidmanu'sLdie  Buch- 
handlung.    Berlin   1892.  —  Preis  6  Mk. 

In  dem  vorliesenden  Werk  begriissen  wir  eine  sehr  danken.s- 
werthe  Neuscluipfiing,  die  sich  durch  Originalität  der  Darstellung 
und  mancherlei  N'orzüge  vor  vielen  ähnlichen  Unternehmungen 
auszeichnet,  bei  denen  oft  die  Bedürfnissfrage  verneint  werden 
muss.  Wir  besitzen  bereits  mehrere  vortreffliche,  zur  Einführung 
in  der  Schule  geeignete  physikalische  Comi)endien  —  es  sei  hier 
nur  an  das  so  w'oit  verbreitete  Buch  von  Joehmann-Hermes  er- 
innert — ,  Römers  Lehrbuch  ist  aber  bedeutend  eindringender  und 
macht  namentlich  die  mathematischen  Kenntnisse  der  Schider  in 
ausgiebigerer  Weise  für  die  Behandlung  physikalischer  Probleme 
nutzbar.  Um  ein  vollständigeres  Verständniss  der  elektrischen 
Vorgänge  zu  ermöglichen,  hat  der  Verfasser,  wohl  zum  ersten  Mal 
in  einem  Schulbuch,  eine  konsei[uent  durchgeführte,  elementare 
Anwendung  des  Potentialbegrifi's  für  zweckmässig  erachtet,  ein 
Schritt,  den  Kef.  voll  billigt.  Doch  ist  das  Buch  derart  eingerichtet, 
dass  man  bei  anderer  Ansicht  unter  Weglassung  des  betreffenden 
Abschnitts  sich  auch  mit  dem  Begriff  der  „elektromotorischen 
Kraft"  durchhelfen  kann. 

Das  Material,  welches  von  Börner  geboten  wird,  ist  sicherlich, 
wenigstens  für  den  Gymnasialunterricht,  zu  umfangreich ;  dies  will 
uns  indessen  durchaus  nicht  als  ein  Fehler  erscheinen.  Es  ist  zweifel- 
los anregend,  wenn  strebsameren  Schülern  im  Lehrbuch  Gelegen- 
heit geboten  wird,  durch  eigenes  Studium  über  das  vom  Lehrer 
absolvirte  Pensum  hinaus  vorzudringen.  Da  die  Vermehrung  des 
Stoffs  trotz  der  Steigerung  des  Umfangs  auf  584  Seiten  keine 
entsprechende  Preiserhöhung  im  Gefolge  hatte,  wüsste  Ref.  nicht, 
warum  man  dem  Verfasser  nicht  für  die  Fülle  des  Materials  dank- 
bar sein  sollte. 

Den  neuen  Lehrplänen  entsprechend  theilt  der  Verfasser  den 
gesammten  Lehrstoff  in  zwei  Stufen,  deren  erste,  wesentlich  e.\- 
perimentelle,  dem  in  Tertia  und  Untersecunda  vorgeschriebenen 
propädeutischen  Cursus  entspricht.  In  diesem  ersten  Theil  be- 
rührt besonders  wohlthuend  die  scharfe,  logische  Gliederung  in: 
Erfahrung,  Versuch,  Gesetz,  Beweis,  Begriffsbestimmung,  Mitthei- 
lung u.  s.  w.  Dadurch  wird  die  logisch  bildende  Wirkung  des 
physikalischen  Unterrichts  zweifellos  wesentlich  gehoben  werden, 
da  der  Schüler  bekanntlich  von  selbst  den  Lernstoff'  nie  genügend 
im  angedeuteten  Sinne  zu  ordnen  weiss.  —  Schliesslich  sei  noch 
hervorgehoben,  dass  die  zahlreichen  Figuren  sich  durch  seltene 
Einfachheit  und  Schärfe  auszeichnen.  —  Möge  es  dem  Buche  be- 
schieden werden,  recht  vielfachen  Nutzen  zu  stiften!      F.  Kbr. 


E.  Gerland,  Geschichte  der  Physik.     Mit   72  Text-Abbildungen. 

Verlag   von   .1.    .1.  Weber.     Leipzig  1892.  —  Preis  eingebunden 

4  Mk.' 

Auch  der  vorliegende  vierte  Band  von  Weber's  naturwissen- 
schaftlicher Bibliothek  beweist,  dass  dieselbe  die  gediegene,  ein- 
mal betretene  Bahn  innehält.  Das  sauber  illustrirte  und  ausge- 
stattete Bändchen  zerfällt  in  drei  grössere  Abtheilungen.  Die 
erste  behandelt  in  zwei  Abschnitten  das  Alterthum:  die  Baby- 
lonier  und  Aegypter  sowie  die  Griechen  und  Römer;  die  zweite  ist 
der  Geschichte  der  Physik  im  Mittelalter  gewidmet.  Seine  drei 
Abschnitte  verbreiten  sich  über  die  Araber,  über  das  christliche 
Abendland  und  den  Uebergang  zur  neuen  Zeit.  Die  dritte  Ab- 
theilung, welche  die  Geschichte  der  Physik  in  der  neuern  Zeit 
bietet,  ist  die  naturgemäss  weitaus  längste.  Seine  fünf  Abschnitte 
sind  überschrieben:  Galilei,  Keppler  und  Snell ;  Galileis  Nach- 
folger; Huj'gens,  Newton,  Leibniz  und  ihre  Zeit;  das  achtzehnte 
Jahrhundert;   das  neunzehnte  Jahrhumlert. 

Die  Kenntniss  der  Geschichte  derjenigen  Wissenschaft,  welche 
die  Grundlage  der  Naturwissenschaften  ist,  der  Physik ,  ist  so 
wichtig,  dass  die  anziehend  und  sachkundig  geschriebene  Arbeit 
Gerland's,  da  sie  kurz  und  bündig  mit  grossem  Geschick  das 
Wichtigste  ins  richtige  Licht  rückt,  sicherlich  von  vielen  Seiten 
willkommen  geheissen  wird. 


C.  A.  Laisant,  Recueil  de  problemes  de  mathematiques.  Geo- 
metrie analytique  ä  deux  dimensions  (et  geometrie  superieure) 
ä  l'usage  de  classes  des  mathematiciues  speciales.  Gauthier- 
Villars  et  Fils,  Paris  1893.  —  Preis  6  Fr.  50  C. 

Das  vorliegende  Buch  bildet  den  vierten  Band  der  inter- 
essanten Sammlung  mathematischer  Probleme,  welche  von  Herrn 
Laisant  herausgegeben  wird.  Es  ist  das  ein  sehr  verdienstliches 
Unternehmen.  lienn  die  zahlreichen  Aufgaben,  welche  im  Laufe 
der  .lahre  in  den  mathematischen  Zeitschriften  oder  in  einzelnen 
Lehrbüchern  erschienen  sind,  unterliegen  der  Gefahr,  dass  sie 
nicht  die  Beachtung  von  wissenschaftliclier  Seite  und  die  Berück- 
sichtigung seitens  des  Unterrichts  finden,  deren  sie  werth  sind. 
Das  Unternehmen  ist  auf  sieben  Bände  geplant  und  dürfte  nicht 
nur  in  Frankreich  als  ein  ausgezeichnetes  Unterrichtsmittel  gelten, 


sondern  auch  in  Deutschland  mit  Interesse  aufgenommen  werden. 
Jedenfalls  wünschen  wir  die  Aufmerksamkeit  der  mathematischen 
Docenten  und  Lehrer  in  hohem  Grade  auf  diese  Sammlung  zu 
lenken. 

Die  Probleme  sind  nebst  den  Lösungen  ausschliesslich  fran- 
zösischen Quellen  entnommen,  besonders  den  Nouvelles  Annales 
de  Mathematiques,  der  Nonvelle  Correspondance  rnathematique 
de  Catalan,  dem  .lournal  de  Mathematiques  elementairps  et  spe- 
ciales de  Bourget,  dem  Journal  de  Mathematiques  elementaires 
de  M.  de  Longchamps  und  der  belgischen  Zeitschrift  Mathesis. 
Gewiss  ist  es  bedauerlich,  dass  die  zahlreichen  deutschen  Zeit- 
schriften keine  Berücksichtigung  gefunden  haben;  indessen  darf 
nicht  übersehen  werden,  dass  das  Unternehmen  in  erster  Linie 
für  die  Bedürfnisse  und  Zwecke  des  französischen  Unterrichts- 
wesens berechnet  ist.  Die  Aufgaben  werden  nebst  einer  oder 
mehreren  Lösungen  mitgetheilt  und  die  Quellen  aufgeführt,  denen 
beides,  Aufgabe  und  Lösung,  entnommen  ist.  Sehr  glücklich  hat 
der  Verfasser  eine  Hauptschwierigkeit  überwunden,  welche  sich 
bei  der  Abfassung  eines  Werkes  vom  Charakter  des  vorliegenden 
naturgemäss  darbietet:  die  Anordnung  des  Stoffes  ist  nändicdi 
eine  so  geschickte,  dass  es  ohne  viel  Mühe  und  Zeitverlust  mög- 
lich ist,  sich  zu  Orientiren  und  Aufgaben  aus  einem  bestiuunten 
Gebiete  aufzufinden. 

Die  Austtattung  in  Druck  und  Papier  ist  von  mustergültiger 
Ausführung. A.  G. 

Ludwig  David    und    Charles    Scolik,   Photographisches  Notiz- 
und  Nachschlagebuch   für   die    Praxis.     .Mit  7  Kunstbeilagen. 
3.  umgearb.  Aufl.     Verlag  von  Wilhelm    Knapp   in   Halle   a.   S. 
1893.  —  Preis  3  Mk. 
Die  Erfahrungen  eines  wissenschaftlich  gebildeten  und  schon 
seit  Jahren    durch  eine    Reihe    trefflicher  Leistungen,    namentlich 
auf   dem  Gebiete    der  Moment-    und  Landschaftsphotographie  be- 
kannten Liebhabers  vereinigen  sich  mit  denen  eines  hervorragenden 
Fachmannes,  um  hier  ein  Werkchen   zu  schaffen,    welches   als  ein 
vademecum  aller  Freunde   der   Lichtbildkunst    bezeichnet   werden 
darf,    als    welches    sich    das    sauber    und    gediegen    ausgestattete 
Bändchen  auch  wegen  der  verschiedenen   zu  wertlivollen   Notizen 
bestimmten    Registerblätter    eignet.      In     den    mit    prägnantester 
Kürze  behandelten  und  die    neuesten   Erfolge   berücksichtigenden 
allgemeinen    Abhandlungen    wird    auch    der    Erfahrendste    manch 
dankenswerthe  Angabe  finden,  das  Kapitel:  „Die  malerische  Wir- 
kung in  der  Photographie"  aber  wird  er  sich  gerne  ganz  zu  eigen 
machen. 

Auch  die  kürzeren  Rubriken :  „über  photographische  Objek- 
tive, Bestimmungen  des  Gesichtsfeldes  nebst  entsprechender 
Plattengrösse  und  Herstellung  farbenenipfindlicher  Platten"  ent- 
halten höchst  s(diätzenswerthe  Bemerkungen.  Die  beigegebenen 
Illustrationen,  Heliogravüren  nach  Negativen  der  beiden  Autoren 
sind  wahre  Mustcrieistuugen  der  Reproduktiouskunst  sowohl  wie 
künstlerischer  Auffassungen  bei  der  Aufnahme.  W.  P. 


Erwiderung. 

In  Nr.  2  dieses  Jahrganges  der  „Naturw.  Wochenschr."  ist  eine 
Besprechung  meines  Buches  ,.Aus  Urdas  Born"  enthalten,  an 
deren  Schlüsse  sich  folgender  Satz  findet:  .Die  Bezeichnung 
„Keimlappen"  für  Kotyledonen  ist  antiquirt,  eine 
bessere  Einsicht  sagt  Keimblätter."  Ich  habe  das  Gefühl, 
dass  jeder  Leser  dieser  Zeilen  hiernach  glauben  muss,  ich  bediente 
mich  in  meinen  Darstellungen  des  obigen  falschen  Ausdruckes. 
In  Folge  dessen  habe  iidi  eine  Nachsuchuug  angestellt,  um  mich 
zu  überzeugen,  ob  mir  ein  solches  Versehen  vielleicht  unbewusst 
wirklich  begegnet  und  trotz  allen  wiederholten  Druckberichtigungen 
entgangen  sei.  Ich  finde  nun  aber,  dass  die  einzige  Stelle,  auf 
die  sich  die  Bemerkung  des  Referenten,  Hrn.  Dr.  Kaunhowen, 
beziehen  könnte,  Seite  49  steht  und  folgendermaassen  lautet:  „Es 
gilt  dies  indess  nur  von  den  Keimblättern  oder  „Keimlappen", 
die  daher  bis  zum  Verbrauche  der  Vorräthe  in  der  Samenhülle 
stecken  bleiben  u.  s.  w."  — 

Ich  habe  also  1.  den  Ausdruck  Keimblätter  vorangestellt, 
2.  die  Bezeichnung  „Keimlajip  en"  nur  nebenher  und  in  Gänse- 
füsschen  gegeben  (ebenso  wie  den  als  Fussanmerkung  hinzu- 
gefügten, gleichfalls  veralteten  Namen  „Kotyledonen"),  3.  den  be- 
a nstandeten  Ausdruck  überhaupt  nur  ein  einziges  M  a  1  angewandt. 
Hierzu  kommt,  dass  ich  mich  sonst  überall  (allein  auf  derselben 
Seite  noch  zwei  Mal)  der  besseren  Bezeichnung  ohne  jede  weitere 
Hinzufügung  bedient  habe,  woraus  doch  wohl  allein  schon  zur 
Genüge  hervorgeht,  dass  ich  sie  ebenfalls  für  die  angemessenste 
halte.  In  der  That  halie  ich  den  veralteten  Ausdruck  „Keim- 
lappen" überhaupt  nur  deswegen  an  der  fraglichen  einzigen 
Stelle  mit  aufgenommen,  weil  er  noch  immer  sehr  allgemein  be- 
kannt ist,  —  also  um  anzudeuten,  dass  es  sich  bei  dem  anderen, 
von  mir  bevorzugten  Worte  um  denselben  Begriff  handele.  Hier- 
nach scheint  mir  die  einschlägige  Bemerkung  des  Hrn.  Dr.  K.  nicht 


134 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.   13. 


genügend  begründet,  vielmehr  geeignet  zu  sein,  irrthümliche  Vor- 
stellungen zu  erwecken.  —  Auch  sonst  wäre  noch  so  manches 
Aehnlichen  zu  erwähnen.  Vom  Titel  ist  gesagt,  er  lasse  den  natur- 
wissenschaftlichen Inhalt  nicht  verniuthen,  obgleich  doch  der 
Untertitel,  den  Hr.  Dr.  K.  selbst  anführt,  ausdrücklich  lautet 
„Schilderungen  und  Betrachtungen  im  Lichte  der  heutigen 
Lebenserforschung"  (nicht  „Lebensforschung").  Das  Fremd- 
wort „Phantasie"  ist  als  folgewidrig  mir  zugeschoben,  während  es 
an  der  fraglichen  Stelle  deutlicli  genug  in  einer  wörtlichen  An- 
führung nach  Seh  wendener  stellt.  Unverfälschte  Lehnwörter, 
wie  „botanisch",  „Kamerad",  „Krystall",  werden  als  „ganz  unver- 
fälschte Fremdwörter  (!)"  bezeichnet  und  als  mir  „passirtes 
Malheur"  angesehen,  die  im  Widerspruche  mit  der  Vorrede  stünden. 
Da  ist  es  nur  zu  verwundern,  dass  nicht  auch  Wörter  wie  Pflanze, 
Zwiebel.  Krone,  Küche,  Koch,  Kammer,  ßütfel  und  dergleichen 
als  „Ketzereien"  beanstandet  sind.  Sogar  Namen,  wie  Cordia 
nodosa,  Siredon  pisciformis  u.  s.  w.  zählt  ja  Hr.  Dr.  K.  unter 
diese  Ketzereien,  betrachtet  sie  also  wohl  ebenfalls  als  „un- 
verfälschte Fremdwörter"!  —  Die  Forderung  der  Einheit  des 
Stiles  in  der  A'oi-rede,  die  ich  übrigens  durchaus  nicht  unbedingt 
erhoben  habe,  scheint  Hr.  Dr.  K.  für  einen  Angriff  auf  „unsere 
Klassiker"  zu  halten.  Da  wäre  wohl  nach  Herrn  Dr.  K.  schliess- 
lich such  Goethe,  fortan  wirklich  zu  bedauern",  wenn  man  Formen 
wie  „Vermesse  dich  die  Pforten  aufzureissen"  und  ähnliche  von 
ihm  gebrauchte  nicht  für  nachahmenswerth  hält.  — Als„genaueste 
Uebersetzungen"(!)  tadelt  Referent  unter  Anderem  „Ohn- 
blütler"  für  Ki'yptogamen,  „Schlichtgewebe"  für  Parenchym  u.  s.  w., 
—  ich  habe  aber  im  Gegentheile  z.  B.  Kryptoganien  ausdrücklich 
mit  „Verborgenehige"  übersetzt,  und  zwar  in  einer  Anmerkung 
aus  der  klar  ersichtlich  ist,  dass  ich  mich  aus  eben  diesem 
Grunde  der  genauen  Uebersetzung  nicht  bediene;  denn  bekannt- 
lich sind  die  sogenannten  „KryjJ  t  ogamen"  in  Wirklichkeit  gerade 
die  wahren  Ph  anerogamen.  —   L'nd  so  weiter.  — 

Dr.  Theodor  Jaensch. 


Atti  della  Reale  Accademia  dei  Lincei.  Serie  Quinta.  Die 
Fascikel  7 — 12  1892  der  Rendiconti  der  römischen  Academie  ent- 
halten eine  grosse  Zahl  von  Aufsätzen,  von  denen  wir  nur  einige 
wenige,  besonders  interessante  aufführen:  Guglielmo,  Beschrei- 
bung einer  neuen  Quecksillierpunipe;  Agamennone,  über  einen 
neuen  Erdbeben-Registrirapparat;  Volter ra,  über  cylindrische 
Wellen  in  isotropen  Mitteln:  Cantone,  Einfluss  des  transversalen 
Magnetismus  auf  die  Widerstindsändorung  des  longitudinal 
magnetisirten  Eisens  und  Nickels;  Agamennone,  über  ein  neues 
seismographisches  Pendel:  Brioschi,  die  algebraischen  Integrale 
der  Lame'schen  Differentialgleichungen;  Pascal,  über  die  315 
einer  allgemeinen  ebenen  Curve  4.  Ordnung  coordinirten  Kegel- 
schnitte; Cantoni,  über  den  philosophischen  Werth  der  Schriften 
Galileo  Galilei's. 

Physikaliscli»  Revue.  Herausgegeben  von  L.  Graetz. 
Verlag  von  J.  Engelhorn,  Stuttgart.  (Preis  für  das  Quartal  8  M.) 
Die  Lieferungen  iO — 12  (October  bis  December  1892)  bieten  eine 
Reihe  interessanter  Aufsätze  ausländischer  Arbeiten  in  guter 
Uebersetzung  dar.  und  zwar:  Linebarger,  über  die  Beziehungen 
zwischen  der  Oberflächenspannung  von  Flüssigkeiten  und  ihrer 
chemischen  Constitution;  Mace  de  Lepinay  und  A.  Perot, 
Beiträge  zum  Studium  der  Luftspiegelung;  Michelson,  über  die 
Anwendung  der  Interferenzmethode  bei  spectroskopischen  Messun- 
gen; Pisati,  über  eine  bei  der  Fortpflanzung  der  temporären 
magnetis<dii'n  Strömung  auftretende  störende  Erscheinung;  Trow- 
bridge,  ein  Phasenmessapparat;  Sarasin  und  d  e  laRive,  über 
die  Erzeugung  primärer  Hertz'scher  Funken  in  einem  flüssigen 
Dielectricum  statt  in  Luft;  Bouty,  über  die  Coe.\istenz  der 
Dielektricität  und  der  elektrolytischen  Leitung;  Lord  Rayleigh. 
über  die  Intensität  des  von  Wasser  oder  Quecksilber  bei  nahezu 
senkrechter  Incidenz  reflectirten  Lichtes;  Rogers,  Magnesium 
als  Lichtquelle;  Guillaume,  über  die  Aenderung  des  elektrischen 


Widerstandes  des  Quecksilbers  mit  der  Temperatur;  De  war  und 
Fleming,  über  den  elektrischen  Widerstand  von  reinen  Metallen, 
Legirungen  und  Nichtmetallen  beim  Siedepunkt  des  Sauerstoffs; 
Batelli,  ülier  den  Peltier-Effect  bei  verschiedenen  Temperaturen 
und  über  seine  Beziehung  zum  Thomson-Phänomen:  Rosa,  Wei- 
tere Versuche  über  die  Dielektricitätsconstante  der  Elektrolyte; 
Abraham,  über  eine  neue  Bestinunung  des  Verhältnisses  ,!i" 
zwischen  den  elektromagnetischen  und  elektrostatischen  C.  G.  S- 
Einheiten;  Laugley,  aerodynamische  Versuche;  Chappius, 
über  die  Tliermometer  zur  Messung  tiefer  Temperaturen;  Lipp- 
mann,  Farbenphotographien  dos  Spectrums  auf  Albumin-  und 
Gelatineplatten,  welche  mit  Kaliumbichromat  behandelt  sind; 
Meslin,  über  die  Photographie  der  Farben;  Chassagnyund 
Abraham,  über  die  Verwendungsweise  von  thermoelektrischen 
Elementen;  Robb,  über  Schwingungen,  welche  sich  bei  der  La- 
dung eines  Condensators  bilden. 

Leider  erfahren  wir,  dass  die  „Physikalische  Revue"  nicht 
mehr  erscheinen  wird,  eine  Thatsache,  die  wir  im  Interesse  der 
schnellen  und  zuverlässigen  Verbreitung  physikalischer  Forschun- 
gen und  Resultate  und  damit  im  Interesse  des  Fortschrittes  der 
Wissenschaft  aufs  lebhafteste  beklagen. 


Benecke,  E.  W.,  Geologische  Uebersichtskarte  von  Elsass-Loth- 
ringen.     1  :  500,000.     Berlin.     1  M. 

Bertkau,  Ph.,  u.  F.  Hilgendorf,  Berieht  über  die  wissenschaft- 
lichen Leistungen  im  Gebiete  der  Entomologie.     Berlin. 

Bertram,  P.,  Die  Einwirkung  von  Salpetersäure  auf  Phenyl- 
metlivlp^razolon.     Jena.     0,80  M. 

Eessler,  Ch.,  Meine  Reise  um  die  Erde   1889/90.    Mühlheim.    7  M. 

Braem,  F.,  Ein  Wort  über  Herrn  Prof.  Karl  Kracpelin  und  seinen 
neuesten  Beitrag  zur  Bryozoenkunde.     Cassel.     0,80  M. 

Bronn's,  H.  G.,  Klassen  uml  Ordnungen  des  Thier-Reichs,  wissen- 
scliaftlich  dargestellt  in  Wort  und  Bild.  4.  Bd.  Würmer:  Vermes. 
24.-27.  Lfg. '  Leipzig.     1,50  M 

Bücking,  F.,  Die  AVinkelgegenpunkto  des  Dreiecks.   Leipzig.    1  M. 

Czuber,  E.,  Lieber  die  Differentialquotienten  von  Functionen 
mehrerer  \'ariabeln.     Leipzig.     0,50  M. 

Dammer,  O.  und  F.  Rung,  Chemisches  Handwörterbuch.  2  Aufl. 
Stuttgart.     14  :M. 

Engelmann,  Th.  W.,  Ueber  den  Ursprung  der  Muskelkraft. 
Leipzig.     1.60  M. 

Escherich,  G.  v.,  Ueber  die  Multiplicatoren  eines  Systems  linearer, 
homogener  Differentialgleichungen.     Leipzig.     0,50  M. 

Fischer,  K.,  Geschichte  der  neuern  Philosophie.  8.  Bd.  Heidcl- 
lierg.      10  .M. 

Forel,  A.,  Die  Nester  der  Ameisen.     Zürich.     2,20  M. 

Forsyth,  A.  K.,  Theorie  der  Ditt'erentialgleichungen.  1.  Tbl.: 
Exacte  Gleichungen  und  das  Pfaff'sche  Problem.    Leipzig.     12  M. 

Filrst,  H.,  Deutschlands  nützliche  und  schädliche  Vögel.  1.  Lfg. 
Berlin.     3  M. 

Futterer,  K.,  Die  oberen  Kreidebildungen  der  Umgebung  des 
Lago   di   Santa  Croce  in   den  Venetianer  Alpen.     Jena.     25  M. 

Gauss,  F.  G.,  Fünfstellige  vollständige  logarithmische  und  trigono- 
m..trisehr  Tafeln.     38.  Aufl.     Halle.     2>0  M. 

Giesbrecht,  W..  Svstematik  und  Faunistik  der  pelagischen  Cope- 
lioden.     2  Bde.     Berlin.     1,.Ö0  M. 

Graflf,  L.  v.,  Pelagische  Polycladen.    Leipzig.     3  M. 

Haberlandt,  G.,  Aiuitomisch-ph3'siologische  Untersuchungen  über 
das  tropische  Laubblatt.     Leipzig.     0,60  M. 

Hansen,  E.  Gh.,  Untersuchungen  aus  der  Praxis  der  Gärungs- 
industrie. Beiträge  zur  Lebensgeschiehte  der  Mikroorganismen. 
IL  Heft.     München.     4,40  M. 

Hartl,  H.,  Bestimmung  von  Pohlhöhe  und  Azimut  auf  der  Stern- 
warte in  Athen.     Leipzig.     1,60  M. 

Hauptmann,  C,  Beiträge  zu  einer  dynamischen  Theorie  der  Lebe- 
wesen. I.  Die  Metaphysik  in  der  modernen  Physiologie. 
Dresden.     8  M. 


Iillialt:  P.  Ascherson:  Die  Ziegen  mit  „goldenen  Zähnen"  und  das  „Goldkraut".  —  Dr.  Robert  Mittmaun:  Material  zu  einer 
Biographie  Christian  Konrad  Sprengel's.  —  Die  Giftfestigkeit  des  Igels  gegen  C3'ankalium.  —  Entwickelungsgeschichte  der 
Pedipalpen.  —  Darstellung  des  Granats  (Melanits)  und  des  Titanits.  —  Ueber  die  Bestimmung  der  Moleculargrösse  aus  dem 
Verdunstungsvermogen.  —  Ueber  elektromagnetische  Wellen.  —  Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben.  —  Litteratur:  Dr.  M.  Bach: 
Studien  und  Lesefrüchte  aus  dem  Buche  der  Natur.  —  E.  L.  Trouessart:  Die  geographische  Verbreitung  der  Tliiere.  — 
Brehm's  Thierleben.  —  Dr.  Otto  Koepert:  Der  Star.  —  P.  Martin  Gander:  ().  S.  B.,  Erdschichten  und  Erdgeschiclite.  — 
H.  Böruer:  Lehrbuch  der  Phj'sik  der  für  höhere  Lehranstalten,  sowie  zur  Einführung  in  das  Studium  der  neueren  Physik.  — 
E.  Gerland:  Geschichte  der  Physik.  —  C.  A.  Laisant:  Recueil  de  problemes  de  mathematiques.  Geometrie  aualytique  a 
deux  dimensions.  —  Ludwig  David  und  Charles  Scolik:  Photographisches  Notiz-  und  Nachschlagebuch  für  die  Praxis.  — 
Erwiderung.  —  Atti  della  Reale  Accademia  dei  Lincei.   —  Physikalische  Revue.   —   Liste. 

Die  Erueueruiii!;  des  Abonnements  wird  den   aeelirteii  Abnehmern  dieser  Wochenschrift 


hierdnrch  in  geneigte  Krinnerung  gebracht. 


Die  Verlagsbuchhandlung. 


Verantwortlicher  Redakteur:  Dr.  Henry  Potonie,  Berlin  N.  4.,  Invalideustr.  40/41,  für  den  Inseratentheil:  Hugo  Bernstein  in  Berlin. 
Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12.  —  Druck:  G.  Bernstein,  Berlin  SW.  12. 


Nr.  13. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


XXV 


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den  Herren  Sdiuldirektoren  und  Scliulvorständen  ' 

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ihr  reichhaltiges  Lager  von  t 


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A  Anatomische  Modellen „ 

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11  .  l-i.-  I 
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<i^t-  Redaktion:  f         Dr.  H.  Potonie. 

Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12,  Zimmerstr.  94. 


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Kosmopolitische  Pflanzen. 


Von  Dr.  F.  Hock. 


Obwohl  seit  mehr  als  einem  Jahi-huudert  eifrig  an 
der  Erforschung-  der  Pflanzenwelt  gearbeitet  ist,  die  älteren 
Botaniker  der  Linne'schen  Schule  sich  gerade  die  Be- 
schreibung einzelner  Pflanzenarten  zur  Aufgabe  gestellt 
hatten ,  werden  noch  alljährlich  grosse  Zahlen  neuer 
Pflanzenarten  beschrieben.  Sind  nun  auch  vielfach  die 
sogenannten  „novae  species"  alte  Bekannte,  die  nur  wegen 
der  grossen  Zerstreutheit  der  Litteratur,  des  gänzlichen 
Mangels  eines  alle  bekannten  Arten  umfassenden  Werkes 
aus  den  letzten  Jahrzehnten  als  neu  begrüsst  werden,  so 
zählt  doch  sicher  die  Zahl  der  alljährlich  wirklich  neu 
entdeckten  Pflanzen  nach  Hunderten.  Da  die  Flora  Eu- 
ropas und  des  grössten  Theiles  von  Nordamerika  als 
einigem! aasseu  erforscht  gelten  kann,  dennoch  aber  auch  in 
diesen  Erdtheilen  immer  wieder  neue  Arten  gefunden 
werden,  so  ist  dadurch  sicher  ein  Beweis  geliefert,  wie 
wenig  ausgebreitet  die  Wohnsitze  vieler  Pflanzenarten 
sind.  Allgemein  bekannt  ist  ja  das  Beispiel  der  Wul- 
fenia  carinthiaca,  die  auf  ein  ganz  geringes  Gebiet 
der  Kärnthner  Alpen  beschränkt  ist.  Was  in  den  Alpen 
vereinzelt  vorkommt,  scheint  in  den  Anden  sich  häuflger 
zu  wiederholen;  verschiedene  Pflanzen  jener  Bergkette 
finden  sich  nur  auf  einzelnen  Bergen,  sind  auf  den 
nächsten  bisher  wenigstens  vergebens  gesucht.  Am  auf- 
fallendsten durch  solchen  Endeniismus  ist  aber  wohl  die 
Gruppe  der  Hawaii-Inseln,  auf  welcher  von  999  Gefäss- 
pflanzen  653  endemisch  Sind,  von  denen  die  meisten  auf 
je  eine  Insel,  ja  oft  nur  auf  einen  kleinen  Theil  derselben 
beschränkt  sind. 

Solchen  Verbältnissen  gegenüber  ist  es  auffallend, 
dass  es  auch  Pflanzenarten  giebt,  die  wir  fast  überall 
auf  der  Erde  wiederflnden,  die  also  ohne  wesentlich  ihren 
Charakter  zu  ändern  sich  den  verschiedenstenGesellschaften 
beigemengt  haben.  Man  hat  solche  Pflanzen  mit  Recht 
als  Kosmopoliten  bezeichnet.  Von  A.  de  Candolle  sind 
"18  Blüthenpflanzen  mit  diesem  Namen  belegt,  nämlich: 
Poa  annua,  Cynodon  Dactylon,  luncus  bufonius, 


Potamogeton  natans,  Urtica  urens,  U.  dioica, 
Chenopodium  murale,  Ch.  album,  Lamium  am- 
plexicaule,  Solanum  nigrum,  Samolus  Vaierandi, 
Sonchus  oleraceus,  Eclipta  erecta,  Erigeron  ea- 
nadense,  Portulaca  oleracea,  Stellaria  media, 
Cardamine  hirsuta  und  Capsella  bursa  pastoris, 
also  mit  Ausnahme  von  Eclipta  erecta  bei  uns  be- 
kannte, meist  sogar  sehr  häufige  Pflanzen.  Von  diesen  be- 
hauptet A.  de  Candolle,  dass  sie  ein  mehr  als  tue  Hälfte 
der  Erdoberfläche  überschreitendes  Areal  erobert  hätten. 
Wie  soll  man  aber  ein  derartiges  Areal  berechnen? 
Finden  sich  doch  oft  solche  Pflanzen  innerhalb  eines  Ge- 
biets nur  wenig  verbreitet,  innerhalb  eines  anderen  fast 
überall.  Angenommen,  eine  europäische  Pflanze  sei  in 
St.  Francisco,  Neu  Orleans  und  Quebec  eingeschleppt, 
habe  an  allen  drei  Orten  festen  Fuss  gefasst,  sei  aber 
von  dort  bis  in's  Innere  noch  wenig  eingedrungen,  sollte 
man  da  genau  das  eingenommene  Areal  berechnen,  das 
wäre  wahrscheinlich  unmöglich,  da  es  von  Jahr  zu  Jahr 
sich  ändert,  sollte  man  einfach  ganz  Nordamerika, 
etwa  zwischen  den  Parallelkreisen  von  Quebec  und 
New  Orleans  zu  ihrem  Gebiete  rechnen,  das  wäre  viel 
zu  weit.  Wie  würde  es  dann,  wenn  dieselbe  Pflanze 
auch  an  je  einem  Orte  Mittel-  und  Südamerikas  festen 
Fuss  gefasst  hätte?  In  der  That  finden  sich  aber  ähn- 
liche Verhältnisse  vielfach,  wenn  vielleicht  auch  nicht 
ganz  in  der  Weise  wie  angedeutet.  Es  scheint  mir  daher 
der  Begriff  Kosmopoliten  in  dem  Sinne  A.  de  Candolle's 
schwer  haltbar.  Suchen  wir  nun  nach  einer  anderen 
Deutung  desselben.  Das  Richtigste  wäre  zu  sagen,  Kos- 
mopoliten sind  solche  Pflanzen,  die  sich  in  jedem  Pflanzen- 
gebiete oder  mindestens  in  jedem  Florenreiche  finden. 
Aber  giebt  es  wirklich  derartige  Pflanzen?  Schon  vorher 
wurde  hervorgehoben,  dass  Eclipta  nicht  in  Deutsch- 
land vorkomme,  sie  fehlt  auch  in  0.  Europa,  wahr- 
scheinlich im  ganzen  nordischen  Pflanzenreiche.  In  dem 
australischen  Floreureiche    aber   fehlt  nach  F.  \.  Müllers 


136 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.   14. 


neuestem  Census  wehr  als  die  Hälfte  der  oben  Genannten, 
die  dort  vorkommenden  Arten  aber  fehlen  wieder  zum 
grossen  Theil  auf  den  Hawaii-Inseln  oder  auf  Neu-Seeland 
oder  in  ganz  Polynesien,  so  dass  ein  Vergleich  allein  der 
Floren  Europas  und  Australiens  keine  einzige  der  obigen 
Arten  als  in  allen  Gebieten  vorkommend,  ergab.  Zu  dem- 
selben Resultate  fidirte  für  alle  oben  genannten  Arten 
mit  grosser  AVahrscheinlichkeit  eine  Untersuchung  nur 
auf  die  Florenreiche  hin*i,  wenn  auch  die  dem  Verfasser 
hierzu  zu  Gebote  stehende  Litteratur  namentlich  bezüglich 
der  tropischen  Florenreiche  nicht  ausreichte. 

Wollen  wir  daher  den  Begriff  Kosmopoliten  in  der 
Pflanzengeographie  verwerthen,  so  müssen  wir  ihm  einen 
anderen  Sinn  geben.  Das  Einfachste  ist,  die  Pflanzen 
als  Kosmopoliten  zu  bezeichnen,  die  in  allen  fünf  Erd- 
theilen  (im  gewöhnlichen  Sinne  gefasst)  vorkommen. 
Wollen  wir  diese  Deutung  aber  jenem  Worte  geben,  so 
wächst  die  Zahl  der  Kosmopoliten  beträchtlich.  F.  von 
Müller  zählt  allein  in  seinem  Census  mehr  als 
50  Blütheupflanzen  auf.  für  die  er  eine  Verbreitung 
in  allen  vier  anderen  Erdtlieilen  erwähnt  und  bei 
verschiedenen  anderen  der  dort  genannten  Arten,  für 
die  er  das  Vorkommen  in  ein  oder  zwei  anderen  Erd- 
theilen  nicht  angiebt,  lässt  sich  ein  solches  aus  der 
pflauzengeographischen  Litteratur  unschwer  nachweisen. 
Andere  Arten  aber,  die  in  dem  australischeu  Festlande 
fehlen,  sonst  aber  allgemeiner  verbreitet  sind,  kommen  auf 
einer  oder  mehreren  der  australischen  Inselgruppen  vor. 
Durch  derartige  Untersuchungen  ist  die  Zahl  der  Pflanzen, 
welche  in  allen  fünf  Erdtheilen  vorkommt,  von  mir 
auf  ca.  100  festgesetzt  worden.  Doch  glaube  ich,  dass 
sie  sich  nicht  nur  alljährlich  durch  weitere  Ausbreitung- 
einzelner  häufiger  Begleiter  des  Mensehen,  sowie  durch 
genauere  Erforschung  vieler  Floren  der  Erde,  namentlich 
der  afrikanischen  vermehren  wird,  sondern  dass  auch 
jetzt  schon  ein  Bearbeiter  in  einer  grösseren  Stadt ,  dem 
bessere  Litteratur  zur  Verfügung  steht  als  mir,  sie  be- 
deutend vermehren  könnte.  Dennoch,  obwohl  also  diese 
Zahl  nicht  erschöpfend  ist,  werden  einige  Untersuchungen 
über  jene  Pflanzen  wohl  von  allgemeinem    Interesse  sein. 

Wenn  wir  die  Vertheilung  derselben  innerhalb  der 
Gruppen  des  Systems  untersuchen,  so  ist  auffallend,  dass  von 
allen  Blüthenpflanzeu**)  die  älteste  Gruppe,  die  der  nackt- 
samigen Pflanzen,  gar  keinen  Vertreter  darunter  hat  und 
dass  andererseits  die  Monocotyledonen  mindestens  ebenso 
stark  darunter  vertreten  sind  wie  die  Dicotylen,  ja 
vielleicht  gar  ihnen  den  Vorrang  streitig  machen.  Anderer- 
seits richtet  sich  die  Zahl  der  kosmopolitischen  Arten 
innerhalb  einer  E'amilie  durchaus  nicht  nach  der  Gesammt- 
zahl  der  Familienmitglieder.  Zwar  umfasst  die  arten- 
reieb<te  aller  Pflanzenfamilien,  die  der  Compositen,  wohl 
etwa  V-,  Dutzend  Kosmopoliten,  aber  die  nächstgrössteu 
Familien,  die  Leguminosen  und  Orchideen  sind  nur  mit 
einer  resp.  keiner  Art  vertreten,  während  dagegen  die 
Gräser  und  Halbgräser  (Cyperaceen)  je  mehr  als  ein 
Dutzend  in  allen  Erdtheilen  auftretender  Pflanzen  um- 
fassen, ja  die  kleinen  Familien  der  Najadeen  und  Lem- 
naceen,  die  nur  \yo  resp.  Vaoo  der  Artenzahl  der  Legu- 
minosen erreichen  mit  9  resp.  4  allgemein  verbreiteten 
Arten  ausgestattet  sind.  Zahlreiche  Familien  haben  nur 
1  oder  2  Kosmopoliten,  so  dass  also  auch  nicht  etwa  die 
allgemeine  Verbreitung   ein  besonderes    Charakteristicum 


*)  Engler  bezeichnet  daher  auch  in  seiner  Hochgebirgsflora 
der  Tropen  Abs.  5  der  oben  genannten  Arten  als  subkosmopo- 
litisch,  während  er  bei  5  weiteren  dieser  Arten  die  genauere 
Verbreitung  angiebt,  vermeidet  aber  den  Ausdruck  kosmopolitisch 
ganz. 

**)  Die  jedenfalls  zahlreichen  kosmopolitischen  Krvptogamen 
sind  unberücksichtigt  gelassen. 


weniger  Familien  ist.  Mehr  als  zwei  kosmopolitische 
Arten  haben  von  Gattungen,  soweit  ich  habe  feststellen 
können,  nur  Potamogeton  (6),  Seirpus  (5),  Paui- 
cum  (4),  Cyperus  (4),  Setaria  (3),  luncus  (3),  und 
Carex  (3),  also  ausschliesslich  Monocotylen. 

Ebenso  wie  innerhalb  des  Systems  einige  Gruppen 
sich  geeigneter  zur  allgemeinen  Verbreitung  gezeigt  haben 
als  andere,  so  zeigt  sich  mit  Rücksicht  auf  den  Wuchs 
ebenfalls  ein  wesentlicher  Unterschied.  Unter  allen  mir 
bekannten  Kosmopoliten  ist  nur  eine  Holzpflanze,  nämlich 
eine  Akazien-Art  (A.  Farnesiana)  (vielleicht  auch  noch 
Clematis  Vitalba);  alle  anderen  sind  Stauden  oder 
Kräuter  und  zwar  scheinen  unter  diese  beiden  Vegetations- 
t'ormen  die  Kosmoi)oliten  fast  gleichmässig  vertheilt,  doch 
sind  die  Stauden  fast  alle  solche,  die  durch  eine  Grund- 
achse ausdauern. 

Bei  Weitem  die  meisten  Kosmopoliten  sind  in  unserem 
Heimathlande  vertreten,  so  dass  ich  auch  näher  auf  die- 
selben eingehen  kann,  ohne  für  die  Leser  dieser  Zeit- 
schrift nur  leere  Namen  zu  nennen.*)  Selbst  in  Nord- 
deutschland kommen  fast  alle  vor,  alle  deutschen  Arten 
ausser  Cyperus  esculentus,  Eragrostis  pilosusund 
Tragus  raeemosus,  also  drei  Arten,  die  auch  in  Süd- 
deutschland sicher  nur  durch  Kultur  eingeführt  sind. 

Ihren  Standorten  nach  können  wir  zwei  Hauptgruppen 
unterscheiden,  es  sind  entweder  Wasserpflanzen  oder 
Ruderalpflanzen  und  Ackerunkräuter,  die  allenfalls  durch 
eine  dritte  Gruppe  gleich  der  ersten  feuchtigkeitsliebender 
Pflanzen  verbunden  werden.  Zu  den  ächten  Wasser- 
pflanzen gehören  fast  ausschliesslich  Stauden,  die  einzige 
einmal  fruchtende  Pflanze  darunter  ist  Naias  maior,  zu 
den  Unkräutern,  die  an  die  Nähe  der  menschliehen 
Wohnungen  gebunden  sind,  ohne  eine  besondere  Vorliebe 
für  die  Nähe  des  Wassers  zu  zeigen,  gehören  umgekehrt 
wesentlich  ephemere  Pflanzen,  Ausnahme  davon  bilden 
allerdings  der  Portulak  (Portulaea  oleracea),  der 
Löwenzahn  (Taraxaeum  officinale),  der  grosse  We- 
gerig  (Plautago  maior),  der  Andorn  (Marrubium  vul- 
gare), das  Gänsefingerkraut  (Potentilla  anserina), 
die  Zaunwinde  (Convolvulus  sepium),  das  Eisenkraut 
(Verbena  officinalis),  und  zwei  Gräser  (Cynodon 
dactylon  und  Festuca  ovina).  Von  den  Wasserpflanzen 
bewohnt  eine,  das  Seegras  (Zostera  nana),  ausschliess- 
lich das  Meer  und  grosse  Binnenseen,  doch  ist  deren 
kosmopolitischer  Charakter  noch  zweifelhaft,  da  sie  nicht 
mit  Sicherheit  an  der  amerikanischen  Küste  nachgewiesen 
ist  (vgl.  Aschersou,  Geogr.  Verbreitung  der  Seegräser). 
Eine  andere  Art  ist  ebenfalls  vorwiegend  Meeres-Be- 
wohnerin,  nämlich  Ruppia  maritima,  doch  soll  sie  nach 
Potonie  (Flora  von  Nord-  und  Mitteldeutschland)  auch  in 
einem  Sumpfe  unweit  Göttingen  vorkommen.  Auch  eine 
Potamogeton-Art  (P.  pectinatus)  findet  sich  bisweilen 
im  Meerwasser,  wenn  auch  wohl  meist  in  der  Nähe  der 
Küste  und  besonders  da,  wo  Flüsse  in's  Meer  hinein- 
münden, also  das  Wasser  brackigen  Charakter  trägt, 
während  mehrere  andere  weit  verbreitete  Arten  der 
Gattung  das  Süsswasser  bewohnen.  Die  wichtigsten  Süss- 
wasserpflanzen  gehören  sicher  der  Gattung  Lemna  an. 
Bei  den  Arten  dieser  Gattung,  sowie  bei  Zostera, 
Ruppia  und  Naias  könnte  der  ziemlich  unvollständige 
Bau  der  Pflanzen,  besonders  der  Blütben  einen  wohl  zu  dem 
Gedanken  treiben,   dieses  seien    sehr    alte   Pflanzentypen 

*)  Nicht  in  Deutschland  (im  Sinne  Garckes)  finden  sich 
Capsella  elliptica,  Tribulus  terrestris,  Mollugo  hirta, 
Acacia  Farnesiana,  Anagallis  Centunculus,  Dichondra 
r  e  p  e  n  s ,  C  r  e  s  s  a  c  r  e  t  i  c  a ,  V  a  1 1  i  s  u  e  r  i  a  s  p  i  r  a  1  i  s ,  Cyperus 
pygmaeus,  C.  laevigatus,  Heleocharis  atropurpurea, 
(wahrscheinlich  auch  Seirpus  littoralis)Panicum  Colonum, 
P.  repens  und  Hibiscus   Trionum. 


I 


Nr.  14. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschiit't. 


137 


und  sie  seien  deshalb  soweit  verbreitet;  auch  Hydro- 
cotyle  vulgaris,  der  einzige  mir  bekannte  kosmo- 
politische Vertreter  der  grossen  Familie  der  ümbelliferen, 
könnte  wegen  seines  verhältnissmässig  einfachen  Baues 
wohl  diese  Ansicht  stützen,  dass  sie  Reste  einer  Zeit 
seien,  in  welcher  noch  das  Klima  der  ganzen  Erde  ein 
ziemlich  gleichmässiges  war.  Vertreter  von  wohl  gleich- 
falls alten  Pflanzengruppen  sind  unter  den  weit  ver- 
breiteten Sflsswasserbewohneru  auch  Ceratophylluni 
d  e  m  e  r  s  u  m  und  C  a  1 1  i  t  r  i  c  h  e  v  e  r  n  a  (Wasserstern), 
während  Ranunculus  aquatilis  (Wasserhahnfuss)  und 
Alisma  Plantago  (Froschlöffel)  ein  moderneres  Gepräge 
zeigen  und  Heleocharis  palustris  jedenfalls  aueii 
einer  in  der  jetzigen  Erdepoche  stark  vertretenen  Ptlanzen- 
gruppe  angehört.  Mag  vielleicht  auch  bei  einigen  dieser 
Pflanzen  ein  höheres  geologisches  Alter  die  weite  Ver- 
breitung theilweise  erklären  (welclie  Ansicht  zum  Thcil 
durch  fossile  Funde  gestutzt  wird,  vergl.  Engler-Prantl, 
Natürl.  Pflanzenfam.),  so  brauchen  wir  doch  nicht  zu 
dieser  Theorie  zu  greifen,  um  die  weite  Verbreitung  der 
Süsswassergewächse  zu  erklären.  Bekannt  ist,  dass  viele 
Wasserpflanzen  durch  Vögel  verbreitet  werden,  indem 
Theile  derselben  an  den  Füssen  jener  Thiere  haften 
bleiben.  Nur  so  kann  man  sich  erklären,  dass  fast  jeder 
isolirte  Teich  sich  mit  Eutengrün  (Lemna)  überzieht,  wie 
ja  auch  so  allein  die  Verbreitung  der  Süsswasserschnecken 
zu  erklären  ist.  Für  eine  derartige  Verbreitung  sind 
naturgeniäss  ausdauernde  Pflanzen  geeigneter  als  ein- 
jährige, ein  so  übertragener  Stengel  kann  oft  in  kurzer 
Zeit  einen  ganzen  Teich  bevölkern;  nur  auf  diese  Weise 
hat  die  berüchtigte  aus  Nordamerika  eingeschleppte 
Wasserpest  (Elodea  canadensis)  in  so  kurzer  Zeit 
sich  über  Europa  verbreiten  können.  Eine  ähnliche  Ver- 
breitung wird  aber  auch  bei  Pflanzen  feuchter  Standorte 
und  namentlich  Bewohnern  von  Ufern  leicht  möglich  sein, 
daher  finden  wir  gerade  unter  den  feuchtigkeitsliebenden 
viele  Kosmopoliten,  die  gewissermaassen  einen  Uebergang 
zu  der  zweiten  Hauptgruppe  zeigen,  denjenigen,  die  ent- 
schieden durch  menschlichen  Einfluss  verbreitet  sind. 
Wie  aucii  hier  die  Stauden  mehr  den  Charakter  der  Ufer- 
pflanzen  bewahren,  dagegen  die  Kräuter  einen  deutlicheren 
Uebergang  zu  den  Ruderalpflanzen  zeigen,  mögen  die 
Vertreter  zweier  Gattungen  darthun.  Der  Weiderich 
(Lythrum)  ist  in  Norddeutschland  nur  durch  zwei  Arten 
vertreten,  die  beide  in  allen  fünf  Erdtheilen  nachgewiesen 
sind  (vgl.  Koehnes  Monographie  der  Lj'thraceen),  die 
eine  derselben  (L.  Salicaria)  ist  ausdauernd,  die  andere 
L.  Hyssopifolia)  einjährig,  erstere  wächst  nur  in  und 
an  Gewässern,  letztere  liebt  zwar  aucii  die  Feuchtigkeit, 
kommt  aber  vorwiegend  auf  Aeckern  vor.  Aehnlich  steht 
es  in  der  Gattung  luncus  (Binse),  aus  welcher  drei 
unserer  Arten  kosmopolitisch  sind,  eine  krautige  (I.  bu- 
fonius)  findet  sich  fast  stets  im  Gefolge  der  menschlichen 
Kultur  (vgl.  Buchenans  Monogr.  d.  luncaceen);  von  den 
beiden  ausdauernden  (I.  niaritinius  und  effusus)  findet 
sich  die  erstere  an  Meeresrändern,  letztere  an  den  Ufern 
von  Binnengewässern  und  Sümpfen.  Einen  vielleicht 
ähnlichen  Uebergang,  doch  mehr  unter  Bewahrung  des 
Charakters  der  Wasser-  und  Uferpflanzen  bildet  die 
Gattung  Scirpus  mit  zwei  krautigen  und  zwei  aus- 
dauernden Arten;  ganz  zu  der  letzteren  Gruppe  gehören  drei 
kosmopolitische  Riedgräser  (Carex  caespitosa,  flava 
und  Pseudocyperus),  das  derselben  Familie  zugehiirige 
Gladiuni  mariscus,  das  Mannagras  (Glyceria  fluitans 
und  das  Schilf  (Arundo  phragniites),  sowie  von  Dico- 
tylen  Nasturtium  terrestre,  Sagina  procumbens. 
Veronica  serpyllifolia  und  Samolus  Valerandi, 
allenfalls  auch  noch  Brunella  vulgaris,  während  Che- 
n  o  p  0  d  i  n  a  m  a  r i  t  i  m  a  und  S  a  1  s  o  1  a  K  a  1  i,  z wei  einjährige 


Kräuter  zwar  vielfach  wie  luncus  maritimus  die 
Meeresküste  begleiten,  aber  wie  deutlich  ihr  Vorkommen 
an  salzhaltigen  Stellen  des  Binnenlandes,  sowie  gar  in 
Steppengegenden  zeigt,  nicht  durch  die  Feuchtigkeit, 
sondern  durch  den  Salzgehalt  des  Strandbodens  an  diese 
Stelle  gelockt  werden.  Sie  bilden  daher  einen  ebenso 
deutlichen  Uebergang  zu  den  ruderalen  Verwandten,  z.  B. 
Chenopodium  album  und  Albersia  Blitum,  wie  es 
der  gleichfalls  einjährige  Wasserpfeffer  Polygonum 
hydropiper)  zu  seiner  zwar  auch  noeii  feuchten  Boden 
bevorzugenden,  aber  dennnoch  rein  ruderalen  Verwandten 
P.  lapathifolium  thut  und  endlich  auch  Montia  fon- 
tana  zu  Portulaca  oleracea.  Als  weitere  Vertreter 
einjäluiger  Ackerunkräuter  und  Ruderalpflanzen  vo..  fast 
universeller  Verbreitung  seien  hervorgehoben  (da  die 
staudenartigen  schon  obengenannt  wurden):  die  Stern- 
niiere  (Stellaria  media),  die  kleine  Brennnessel  (Urti- 
caurens),*)  einige  Gräser  Alopecurus  agrestis, 
Poa  annua,  Festuca  myurus,  Panicum  crus  galli, 
P.  sauguinale,  Setaria  glauca,  viridis  und  verfi- 
el 1  lata),  der  Mäuseschwanz  (Myosurus  minimus),  der 
Nachtschatten  (Solanum  nigrum)  und  Oxalis  corni- 
culata  u.  a. 

Auf  welche  Weise  sind  nun  diese  Pflanzen  und  noch 
einige  andere  soweit  über  die  Erde  verbreitetV  Dass  der 
Mensch  dabei  mitgewirkt,  ist  unschwer  aus  ihren  Stand- 
orten zu  erkennen,  die  fast  nur  in  der  Nähe  menschlicher 
Wohnungen  oder  unter  menschlichen  Kulturen  zu  finden 
sind.  Wissentlich  ist  er  vielleicht  nur  bei  der  Verbreitung 
der  zuletzt  genannten  Art,  sowie  des  Portulaks  und  einiger 
der  genannten  Gräser  betheiligt,  die  ursprünglich  durch 
menschliche  Kultur  in  die  verschiedensten  Länder  ein- 
geführt sind**).  Durch  besonders  vortheilhafte  Einrich- 
tungen wurde  dann  ihre  weitere  Verbreitung  unterstützt, 
so  bei  obigem  Sauerklee  (und  wahrscheinlich  auch  beim 
Portulak  wie  bei  dessen  Verwandten  Montia)  durch 
Schleuderfrüchte  (vergl.  Huth's  Verzeichniss  der  Pflanzen 
mit  Schleuderfrüchten)  oder  wie  bei  einigen  Gräsern  (so 
nach  Huth  bei  Setaria  glauca  und  viridis)  durch  Ex- 
cremente  der  Thiere.  Andere  wie  z.  B.  auch  die  zuletzt 
genannte  Art  sind  mit  Klettfrüchten  ausgestattet  (ähn- 
lich auch  Marrubium  vulgare,  Scirpus  lacustris, 
S.  palustris  und  Tragus  racemosus).  Die  mensch- 
lichen Verkehrsverhältnisse,  namentlich  der  gegenseitige 
Austausch  der  Samen  von  Kulturpflanzen,  haben  die  steten 
Begleiter  der  letzteren,  die  Ackerunkräuter,  in  ihrer  Ver- 
breitung unterstützt,  wie  die  Pflanzen  der  Weideplätze 
durch  Wolltransport  verbreitet  werden.  Dass  dabei 
Samen  mit  so  guten  Verbreitungsmitteln  wie  sie  die  Com- 
positen  in  ihrem  Haarkelch  besitzen,  im  Vortheil  sind, 
darf  uns  nicht  wundern,  dass  aber  auch  Pflanzen  ohne 
solche  Ausrüstung  der  Früchte  mit  unterschlüpfen,  haben 
vielfache  Untersuchungen  an  Lagerplätzen  gezeigt,    dass 

*)  Ob  unsere  grosse  Nfssel  (U.  dioioa)  auch  kosmopolitiscli 
in  unserem  Sinne  ist,  weiss  ich  nicht,  in  der  mir  zugänglichen 
Litteratur  konnte  ich  sie  nicht  für  Australien  nachweisen.  .-V  jhu- 
liclies  gilt  für  Lamium  amplexicau  le  sowie  für  Plantago 
maritima.  Engler  a..  a.  Ort  bezeichnet  dieses  Lamium  gar 
nur  als  mediterr.an-boreal.  Eingeschleppt  fand  es  sich  indess 
schon  1S58  in  Nord -Amerika  (Grap,  Manual  ot'  the  Northern 
United  States.  New-York  1S58):  die  gleiche  Art  des  Vorkommens 
wird  ebenda  wohl  auch  nur  für  Hyoscyamus  niger,  Anagallis 
arvensis  u.  a.  trotz  ilires  Fehlens  auf  dem  australischen  Fest- 
lande von  Engler  als  subkosmopolitiscli  l)ezeichnete  Arten  gelten. 
Ohne  den  Einfluss  der  Menschen,  der  da  wo  er  ein  unbeab- 
sichtigter ist,  doch  wohl  nur  dem  der  Thiere  (bei  den  Süsswasser- 
pflanzen)  gleichwerthig  zur  Seite  gestellt  werden  kann,  würde 
die  Zahl  der  Kosmopoliten  sehr  gering  werden. 

**)  Das  Gleiche  gilt  entschieden  von  llibiscus  Trionum, 
Tragus  racemosus  u.  a.  —  Ob  die  der  ersteren  obiger  Pflanzen 
nahestehende  (•.  stricta  schon  vollkommi'n  kosmopolitisch,  ist 
mir  noch  zweifelhaft. 


138 


Xatni-wisseiischaftliche  Wochenschrift. 


Nr.   14. 


von  diesen  wieder  Pflanzen  mit  Schutz  gegen  Thierfrass 
wie  die  Nesseln,  die  mit  verkieselten  Zellhäuten  ver- 
sehenen Carex- Arten  u.  a.  dabei  vor  anderen  im  Vor- 
theil  sind,  ist  ganz  ausser  Frage.  In  der  That  lässt  sich 
aber  fast  bei  jeder  weit  verbreiteten  Art  ein  derartiges 
Verbreitungs-  oder  Schutzmittel  nachweisen.  Die  Pflanzen 
müssen  nur  dem  Klima  des  Landes  angepasst  sein;  dann 
können  sie  auch  festen  Fuss  darin  fassen.  Die  klima- 
tischen Unterschiede  aber  sind  es,  die  oft  weit  verbreiteten 
und  leicht  verbreitungsfähigen  Pflanzen  hemmend  in  den  Weg 
treten,  sie  machen  es,  dass  nicht  diese  Kosmopoliten  wirk- 
lich universelle  Pflanzen  werden.  So  hat  der  sonst  so 
weit  verbreitete  Hornklee  (Lotus  corniculatus)  in 
Ohio  vergebens  einzudringen  versucht  (vergl.  Bot.  Jahres- 
bericht XIV,  2,  S.  233). '  Klimatisciie  Verhältnisse  sind 
es,  die  den  uns  fehlenden  Kosmopoliten  das  Eindringen 
in  unser  Heimathland  verwehren,  ähnliche  Verhältnisse 
hindern  aber  auch  die  meisten  der  bei  uns  vorkommenden 
Kosmopoliten  zu  nahe  an  den  Aequator  und  zu  weit  pol- 
wärts  vorzudringen.  Daher  müssen  gerade  die  meisten 
Kosmopoliten  in  den  gemässigten  Ländern  der  Erde  zu 
finden  sein.  Dass  unser  Vaterland  mehr  als  Vi  ^Hei'  durch 
sämmtliche  Erdtheile  verbreiteten  Pflanzen  besitzt,  ver- 
dankt es  daher  nicht  nur  seiner  Lage  in  der  Mitte  des 
verkehrsreichsten  Erdtheils,  sondern  vor  Allem  seinem  ge- 
mässigten Klima.  Daher  finden  sich  nicht  nur  in  dem 
zuletzt  in  den  Verkehr  hineingezogenen  Kontinent  Australien, 
sondern  auch  in  einem  der  Hauptkultur  fernliegenden 
Lande  wie  dem  südwestlichen  Kaspigebiet  schon  mehr  als 
die  Hälfte  der  in  Rede  stehenden  Pflanzen. 

Diesen  klimatischen  Verhältnissen  gegenüber  ist  das 
Anpassungsvermögen  der  verschiedenen  Kosmopoliten  sehr 
ungleich;  einige  reichen  nur  wenig  in  die  subtropischen 
Gebiete  hinein,  fehlen  in  den  echten  Tropen  ganz,  andere 
verabscheuen  die  kälteren  Länder  durchaus.  Eine  genaue 
Untersuchung  aller  dieser  Pflanzen  in  der  Beziehung 
würde  zu  weit  führen  und  auch  weitergehende  Litteratur- 
studien  verlangen  als  sie  mir  nur  möglich  waren.  Dess- 
halb  sei  nur  auf  einige  extreme  Verhältnisse  noch  hin- 
gewiesen. 

Wenn  der  Wasserstern  (Calli  triebe  verna)  in  der 
Kalmückensteppe  ebensowohl  wie  im  Feuerland  und  Süd- 
georgien vorkommt,  wenn  das  Eisenkraut  (Verbena  of- 
ficinalis)  sowohl  in  Südafrika,  als  im  südwestlichen 
Kapgebiet  gefunden  ist,  ja  in  beiden  Gebieten  noch  von 
der  Gemüsedistel  (Sonchus  ol  er  accus),  dem  Weiderich 
(Lythrum  salicaria)  und  der  Bluthirse  (Panicum  san- 
guinale)  begleitet  wird,  so  mag  dies  wegen  der  weiten 


Entfernung  der  Fundorte  wohl  aufifallen.  Eine  weit 
grössere  Anpassung  aber  an  das  Klima  verräth  es,  wenn 
der  Löwenzahn  (Taraxacum  officinale)  und  der 
Schaf-Schwingel  (Festuca  ovina)  sowohl  in  Grönland 
als  in  Neu  Guinea  angetroffen  werden  und  doch  sind  solche 
Verhältnisse  nicht  ganz  vereinzelt.  So  ist  z.  B.  Lytiirum 
Salicaria  in  mehr  als  einem  Dutzend  der  Grisebach'sehen 
Vegetationsgebicte  vertreten  und  Luzula  pilosa  steht 
ihm  jedenfalls  nicht  weit  nach,  wie  ein  Vergleich  ihrer 
Verbreitungsgebiete  nach  den  neuesten  Monographieen 
ihrer  Familien  zeigt.  Nur  genaue  systematische  Monogra- 
phieen können  in  diesem  Falle  zu  sicheren  Resultaten 
führen,  so  könnte  man  nach  Litteraturangaben  wohl  einen 
unserer  Rohrkolben  (Typha  angustifolia)  für  einen 
Kosmopoliten  in  unserem  Sinne  halten.  Doch  soll  er  nach 
der  neuesten  Monographie  der  Gattung  Typha  in  Afrika 
fehlen;  wenn  daher  nicht  etwa  dem  Bearbeiter  derselben 
durch  Zufall  die  angeblichen  Funde  aus  Madagaskar*) 
unbekannt  geblieben  sein  sollten,  müssten  wir  diese  Art 
aus  der  Reihe  der  Kosmopoliten  streichen. 

Gerade  derartige  Zweifel  bezüglich  mehrerer  Arten**) 
hinderten  mich  daran,  in  dieser  Arbeit  bestimmte  Zahlen 
über  die  Menge  der  kosmopolitischen  Arten  in  irgend 
einem  Gebiete  zu  nennen.  Trotzdem  hoffe  ich,  dass  ein 
Hinweis  auf  das  gesammte  Verhalten  dieser  Pflanzen  nicht 
ohne  Interesse  ist.  Mag  auch  noch  die  eine  oder  andere 
Pflanze  durch  genauere  Untersuchungen  aus  der  Reihe 
der  Kosmopoliten  gestrichen  werden,  vor  allem  aber  noch 
manche  andere  hinzugefügt  werden,  so  glaube  ich  doch 
nicht,  dass  wesentlich  andere  Gruppen  sich  finden  lassen, 
denen  diese  Pflanzen  angehören.  Sind  doch  ähnliche  Ver- 
breitungsverhältnisse selbst  bei  den  meisten  verbreiteteren 
Orten  unserer  engereu  Heimath  (Norddeutschland)  nach- 
zuweisen (vergl.  des  Verfassers  Aufsatz  in  Helios  1892,93 
No.  10  u.  11).  Es  ist  mir  z.  B.  sehr  unwahrscheinlich, 
dass  echte  Waldpflanzen,  ebenso  Pflanzen  sandiger  Triften, 
soweit  diese  sich  nicht  etwa  in  irgend  einer  Form  an 
die  Nähe  des  Menschen  anpassen,  sei  es  als  Nutz])flanzen 
oder  als  Unkräuter  durch  ihn  verbreitet  werden,  zu  wirk- 
lichen Kosmopoliten  werden.  Vielleicht  kann  mancher 
Leser  dieser  Zeitschrift  einen  weiteren  Beitrag  dazu  liefern. 
Eine  dahingehende  Anregung  zu  geben  ist  der  Haupt- 
zweck dieser  Arbeit. 


*)  Die  aus  Algier  weist  er  ausdrücklich  einer  anderen  Art  zu. 
**)  Z.  B.  bei  unseremGänsebliimchen  (Bell is  perennis),   ferner 
bei    Chenopodium     murale,     Ch.     urbicum.    glaucum    und 
hy brium  u.  a. 


Material  zu  einer  Biographie  Christian  Konrad  Sprengel's. 

Zusammengestellt  im  Auftrage  der  Redaktion  von  Dr.  Robert  Mittmann. 

(Fortsetzung.) 


(Chronik  S.  247.  —  1783.)  Den  6.  Jan.  1783  reichte 
mir  der  rector  die  Anzeige  ein  von  den  lectionen,  die  im 
vorigen  Jahre  von  sämtlichen  Lehrern  an  der  grossen 
Schule  vorgenommen  worden. 

(Chronik  S.  260.  —  1784.)  Um  diese  Zeit*)  beklagte 
sich  der  Stadt  chirurgus  Jacobi,  einer  von  denen,  die  vor- 
mahls  ans  Oberconsistorium  die  Vorstellung  für  den  rector 
Spr.  mit  unterschrieben  hatten,  bey  mir  über  eben  diesen 
rector,  dass  er  wegen  einer  griechischen  vocabel,  die  sein 
Sohn  nicht  gewusst,  ihm  zwanzig  Prügel  gegeben,  her- 
nach   noch    ihn    in    den    carcer  geworifen,    ebenso    nach 

*)  d.  h.  nach  Ostern  1784. 


Mittage  aus  keiner  andern  Ursache  nochmahl  ihn  herein- 
geschickt; dass  vergebens  seine  P"'rau  ihn  bitten  lassen, 
ihn  zur  französischen  Stunde  wieder  heraus  zu  lassen, 
welches  er  mit  Heftigkeit  abgewiesen  habe;  worauf  sein 
Gesell,  ohne  sein  Wissen,  ihn  aus  dem  carcer  geholet. 
Er  fürchte,  dass  er  seinen  Sohn  nun  noch  ärger  behan- 
deln werde,  so  wenig  er  es  verdiene.  Ich  sagte  ihm:  er 
solle  seine  Beschwerde  schriftlich  an  magistrat  A:  mich 
eingeben,  da  dann  die  Sache  untersucht  werden  solle. 
Unterdessen  hat  der  rector  beym  magistrat  schriftlich  ge- 
klagt, dass  der  Gesell  des  chirurgus  Jacobi  dessen  Sohn 
aus  dem  carcer  genommen,  &  ihn,  den  rector,  grob  be- 
handelt habe.     Der  Justizrath    nahm    dies    zu  Rathbause 


Nr.  14. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


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vor  &  licss  den  Gesellen  zur  Strafe  12  Stunden  ins  Biirj^er- 
liclie  Gehorsam  gehen;  dem  Jacobi  aber,  der  hier  seine 
Beschwerde  anln-ing-en  wollte,  sagte  er,  dass  er  sie  l)c- 
sonders  anbringen  müsse.  Als  dieser  nacidier  beym  Justiz. 
Ratli  vortrug,  dass  der  Rector  seinen  Sohn  aus  der  Sciiule 
gewiesen  &  er  sich  fürchte,  ihn  wieder  hinzuscldcken, 
antwortete  dieser:  er  sollte  ihn  ohne  Besorgniss  hinschicken. 
Doch  kaum  war  dieser  gekonmien  &  sah  ihn  der  rector, 
als  er  befahl,  4  Currendejungen  mit  Stricken  herauf- 
kommen zu  lassen,  um  den  jungen  .lacobi  mit  aller  Rach- 
gier zu  züchtigen.  Der  erschrockene  Knabe  entfloh  noch 
glücklich  i*i:  nun  reichte  der  Vater  die  ernstlichste  Be- 
schwerde ein,  mit  einer  Anzeige,  die  er  beschwören  wolle, 
wie  schlecht  der  Rector  von  der  Religion  zu  ihm  ge- 
sprochen. Da  der  Justizratli  die  nächsten  Tage  eine  Reise 
vor  sich  hatte,  also  die  Sache  nicht  in  pleno  l^  mit  Zu- 
ziehung meiner  umständlich  vornehmen  konnte;  Hess  er 
den  rector  gleich  folgenden  ilorgen  allein  zu  sich  ins 
Haus  kommen  &  sprach  so  ernstlich  mit  ihm,  so  bereit, 
die  Sache  beim  Oberconsistorio  mit  Nachdruck  wieder  ihn 
zu  betreiben,  dass  er  gute  Worte  g?b,  ganz  anders  ver- 
sprach, künftig  sich  zu  bezeugen,  auch  wUrklich  den 
Chirurgus  Jacobi  schriftlich  bat,  seinen  Sohn  wieder  zu 
schicken,  der  nichts  von  ihm  zu  befürchten  haben  solle; 
gegen  den  er  auch  nur  aus  guter  Meinung  so  heftig  ge- 
wesen; dem  er  aber  künftig  liebreich  begegnen  wolle. 
So  bliebs  fürs  Erste,  nur,  dass  der  rector  ins  andre  cx- 
tremum  fiel,  gleichgültig  sich  bezeugte,  ob  die  Kinder 
was  lernten,  oder  nicht,  sich  fast  keine  Mühe  weiter  gab, 
schimpfte  &  alles  gehen  Hess,  bis  ihm  wieder  was  andres 
einfallen  würde.  D.  27.  April  reichte  mir  der  rector  Sp. 
die  Anzeige  von  den  eine  Zeit  hier  vorgenommenen  lectio- 
nen  ein,  weil  er  das  jährliche  examen  halten  wollte, 
welches  schon  im  August  vorigen  Jahres  hätte  gehalten 
werden  sollen  it  nur  darum  so  lange  verschoben  war, 
weil  verschiedene  (Chr.  S.  261)  aus  dem  obcrn  auditorio 
weg  gekommen  ä  die  andern,  so  an  ihre  Stelle  gesetzt 
worden,  erst  weiter  gebracht  werden  mussteu 

D.  17ten  May  schrieb  ich  an  den  rector  &  conrector, 
dass  ich  nun  schon  zum  zweiten  Mahle  bemerkt  habe, 
dass  sie  beyde  nicht  zur  öffentlichen  Schuiiciche  gekommen 
&  das  an  Tagen,  wo  sie  nicht  leichtlich  Ilinderniss  haben 
können  &  das  schönste  Wetter  gewesen;  von  dem  H.  rector 
habe  ich  dies  schon  oft  wahrgenommen.  Da  diese  Ab- 
wesenheit der  beyden  ersten  Schul  collegen,  bei  Gelegen- 
heiten, wo  die  ganze  Schule  zugegen  sey,  also  auch  ihre 
Lehrer  &  vornehmlich  rector  zugegen  sein  müssten,  wieder 
die  gute  Ordnung  sey  &  allerley  Folgen,  die  mir  nicht 
gleichgültig  sein  könnten,  nach  sich  ziehen  möchte:  so 
erkundigte  ich  mich:  warum  sie  beyde  hierbey  gefehlet'? 
&  erwartete  die  Antwort  hierauf  verzeichnet,  um  nach 
deren  Inhalt  die  weiter  nöthigen  Maassregeln  zu  nehmen. 
Der  rector  antwortete:  dass  ihn  theils  Unpässlichkeit,  wie 
gestern,  gehindert,  theils  dass  ihm  eine  solche  Leiche  zu 
spät  gemeldet  worden,  als  dass  er  sich  in  Ansehung  des 
Frisirens  darnach  richten  können.  Hätte  er  indess  je 
vermuthet,  dass  seine  AI» Wesenheit  schädliche  Folgen 
haben  könnte  oder  hätte  sich  würklich  schon  dergleichen 
gezeigt,  so  würde  er  hernach  nicht  wieder  ausgeblieben 
sein,  so  wie  er  niemahls  Willens  gewesen,  etwas,  was 
würklich  Amtspflicht  sey,  zu  unterlassen.  Der  conrector 
antwortete,  dass  er  wie  sonst  immer,  zugegen  gewesen 
sein  würde,  wenn  ihm  nicht  eine  unrichtige  Nachricht 
wegen  des  Hauses  gegeben  wäre,  wo  die  Leiche  aus- 
getragen würde,  wodurch  er  zu  spät  gekommen  sey. 

D.  28 ton  Juny  kam  der  Stadt  chirurgus  Jacobi  &  der 
Lohgerber  Reinike  zu  mir  &  beschwerten  sieh  in  ihrem 
und  anderer  Namen,  dass  der  rector  seine  privat  Stunden 
aufgehoben  habe,  wodurch  ihre  Kinder  ausser  Unterricht 


gesezt  würden;  baten,  ihn  anzuhalten,  dass  er  sie  wieder 
aufnehmen  möchte  oder  zur  Wiederherstellung  des  sub- 
rectorats  oder  zu  einem  (Chronik  S.  262)  andern  rector 
ilnien  zu  verheltfcn.  Icii  gali  ilmen  auf,  ihre  Beschwerde 
umständlich  &  scin-iftlich  an  magistrat  &  mich  aufzusezen, 
da  ihnen  dann  nach  Möglichkeit  geholffen  werden  sollte. 
Ehe  diese  Klage  eingereicht  oder  doch  untersucht  werden 
konnte,  bekam  ich  selbst  mit  dem  Mann  besondere  Händel. 
Der  Küster  Wilcke  zeigte  mir  nemlich  an,  dass  er,  nach- 
dem er  seinen  Sohn  von  seinem  Verwandten,  dem  Pre- 
diger Proz  von  Heiligensce  zurücknehmen  müssen,  wo  er 
ihn  an  andertiialb  Jalir  in  Unterricht  gehabt,  er  ihn  zu 
dem  H.  rector  hingeschickt,  mit  Bitte,  ihn  nach  Quarta 
zu  sezen,  wohin  diejenigen,  so  unter  ihm  gesessen,  seit- 
dem er  die  Schule  verlassen,  gesezt  worden  wären;  & 
dass  er  geantwortet,  dass  daraus  nichts  werden  werde. 
Er  beklagte  sicii :  dass  sein  Sohn,  der  schon  weiter  wäre, 
dadurch  versäumt  würde.  Ich  wiess  ihn  zur  Geduld,  bis 
ich  nächstens  zur  Sehulconferenz  kommen  würde,  da  ich 
dann  vorher  ihn  tentiren  &  zu  seinem  Rechte  ihm  ver- 
helfen wollte.  An  erwähntem  Tage  examinirte  ich  den 
Burschen  in  Quinta,  hielt  ihn  auch  einigen  Quartanern 
zusammen  &  fand,  dass  er  weiter  als  diese,  also  werth 
war  in  (Chronik  S.  263)  Quarta  zu  sizen.  Ich  sagte  dies 
nachher  dem  Rector  &  dass  er  Unrecht  gethan,  ihn  nicht 
vorher  zu  examiniren,  ehe  er  das  Gesuch  abgeschlagen; 
wogegen  er  vorwandte,  dass  er,  da  der  Kleine  gestanden, 
er  habe  keinen  lateinischen  Unterricht  bey  H.  Frozen  ge- 
habt, ein  besonder  tentamen  für  unnöthig  gehalten  habe; 
gab  aber  zu  verstehen,  nachdem  er  von  mir  gehört,  dass 
er  in  Quarta  zu  sizen,  verdiene,  dass  er  ihn  hinsezen 
werde.  Zwey  Tage  darauf  d.  9.  July  erhielt  ich  einen 
unverschämten  Brief  von  ihm:  er  habe  gestern,  als  er 
den  Sohn  des  Küsters,  um  seine  Nachgiebigkeit  und  Ver- 
träglichkeit zu  beweisen,  versezen  wollen,  mit  Befremden 
ihn  schon  in  Quarta  sizcnd  angetroffen  &  solle  ich,  wie 
die  Schüler  sagten,  der  Knabe  selbst  aber  das  nicht  ge- 
radezu behauptete,  ihn  dahin  gesetzt  haben.  Er  halte 
das  für  eine  Unordnung,  die  ihm  unmöglich  gefallen  könne 
&  wegen  deren  er  sich  genöthigt  sehe,  mir  zu  melden, 
dass  er  bey  dergleichen  künftigen  Vorfällen  seine  Rechte 
behaupten  werde,  wozu  es  ihm  nicht  am  Jluth  fehle.  Es 
sey  sehr  auffallend,  dass  ich  mich  immer,  meines  Küsters 
wegen,  so  thätig  bewiesen  &  nun  sogar  dessen  Sohn  zur 
Versezung  examinire,  als  wenn  er,  Rector,  das  nicht 
ebenso  gut  könne  oder  gegen  den  Küster  &  die  Seinigen 
etwas  habe,  da  er  doch  den  Mann  allenfalls  verachten, 
nie  hassen  könne.  Er  habe  dem  Jungen  versprochen 
gehabt,  ihn  nächstens  zu  examiniren  et  wenn  er  ihn  tanti 
finde,  zu  versezen.  Damit  hätte  sich  dessen  Vater  be- 
gnügen &  nicht  mich  in  der  Sache,  die  mich  nichts  an- 
gehe, bemühen  oder  ich  ihn  zur  Ruhe  verweisen  sollen, 
nicht  aber  ich  mich  ihm  zu  Gefallen  in  sein  Amt  mischen 
&  einen  Scliüler  zur  Versetzung  examiniren  sollen,  welches 
blos  Rectoris  Sache  sey.  Er  verbitte  sich  also  dergleichen 
unerwartete  Vorkehrungen  zu  Gunsten  dieses  oder  jenen 
&  werde  sich  sonst  genöthigt  sehen  durch  den  ai)ermah- 
ligen  Gebrauch  eines  andern  Mittels  (vermuthlich  einer 
Klage  beym  Oberconsistorio)  sich  Ruhe  zu  verschatfen. 
Ich  wollte  dieses  .sein  unbescheidenes  Schreiben  sogleich 
höheren  Ortes  einschicken;  entscidoss  mich  aber  ihm  erst 
durch  einige  ernstliche  Zeilen  seinen  Irrthum  zu  benehmen 
tt  alsdann  zu  sehen,  wie  er  darauf  sich  verhalten  werde. 
Ich  schrieb  ihm  also:  Ob  er  gleich  weder  seine  (Tcdanken, 
noch  seine  Ausdrücke  gemässigt  habe,  als  er  an  mich, 
seinen  Vorgesetzten,  geschrieben ;  so  wollte  ich  es  doch 
thun,  indem  ,ieh  ihm  antwortete.  Ich  habe  den  Wilcke 
nicht  nach  Quarta  versetzt.  Da  der  Knabe  selbst  es  nicht 
behauptet  habe;  so  habe  der   H.  rector  ihn  fragen  sollen 


140 


Natiirwissenschat'tliclie  Wocheiisrlnift. 


Nr.  14. 


&  würde  alsdann  gehört  haben,  ob  ihn  würklich  jemand 
hingesetzt  &  wer  es  gethan,  oder,  wie  überhaupt  dies 
gekommen? 

Ich  würde  jeden  andern  &  nicht  blos  den  Sohn  meines 
Küsters  examinirt  haben,  wenn  sein  Vater  zu  mir  ge- 
kommen, als  er  ihn  in  die  Schule  gebracht  &  zu  inir  ge- 
sagt hätte,  dass  ihn  der  H.  rector  nicht  habe  cxaminiren 
wollen.  Das  Recht,  jemanden  in  eine  hölicre  classe  zu 
versetzen,  das  rector  vom  magistrat  i<;  mir  habe,  habe  ich 
ihm  nicht  entzogen,  viehnehr  dadurch  anerkannt,  dass  ich 
ihm  angezeigt:  er  sey  so  weit,  als  irgend  ein  Quartaner, 
damit  er  ihn  dahin  sezen  möchte.  Ich  würde  nicht  eher 
jemanden  selbst  versezen,  bis  ich  fände,  dass  er  darinn 
nicht  seine  Pfliciit  thun  wolle;  aber  auch  alsdann  gewiss 
beweisen,  dass  das  eine  Sache  se_y,  die  mich  was  angehe 
&  worinn  ich  von  tragenden  Amts  wegen  mitzusprechen 
habe.  Was  das  Übrige  in  seinem  Schreiben  betreffe;  so 
enthalte  ich  mich  jetzt,  mehr  davon  zu  sagen.  Nun  ant- 
wortete er  sogleich:  dass  es  ihm  sehr  leid  seyn  solle, 
wenn  er,  der  von  der  Nothwendigkeit  der  Subordination 
vollkommen  überzeugt  sey  &  nie  wieder  das  Verhältnis, 
in  welchem  er  gegen  einen  Vorgesetzten,  hätte  handeln 
wollen,  in  seinem  billet  seine  Gedanken  &  Ausdrücke,  wie 
ich  schrieb,  nicht  gemässigt  habe.  Er  nehme  also  alles, 
was  auch  nur  einigermassen  wieder  die  Achtung,  die  er 
mir  allerdings  schuldig  sey,  gelauflen  seyn  sollte,  hiermit 
gänzlich  zurück  &  bitte  deshalb  um  Verzeihung,  besonders, 
was  ich  zulezt  anmerkte,  dass  mich  die  Versezung  der 
Schüler  allerdings  angehe;  so  vermuthe  er,  dass  er  seine 
Gedanken  unrichtig  ausgedrückt  habe.  Er  habe  bloss  zu 
erkennen  geben  wollen,  dass  es  die  Pflicht  (Seite  264)  & 
das  Amt  des  rectors  einer  Schule  sey,  zu  versezen  &  dass 
also  nur  in  dem  Fall,  wenn  erwiesen  werden  könne,  dass 
er  seine  Pflicht  hierinn  nicht  gethan  (wie  ich  selbst  an- 
merkte) der  Inspector  der  Schule  ihn  zur  Erfüllung  seiner 
Pflicht  anhalten  könne.  Da  er  sich  in  dem  Stück  nie 
Partheylichkeit  oder  sonst  etwas  pflichtwidriges  zu  Schulden 
kommen  lassen,  so  habe  er  nicht  anders,  als  glauben 
können,  dass  ich  durch  das  angestellte  cxamen  zu  erkennen 
geben  wollen,  dass  ich  ihn  für  partheyisch  &  nach  Leiden- 
schaften handelnd  hielte,  welches  ihn  dann  allerdings  sehr 
schmerzen  müssen.  Es  sey  so  Jlanches  vorgefallen,  was 
sein  Zutrauen  geschwächt  habe  &  also  bey  ihm  Argwohn 
&  Eifersucht  erweckt  &  der  Vorfall  habe  ihn  so  beun- 
ruhigt, dass  er  die  folgende  Nacht  schlaflos  &  äusserst 
elend  zugebracht  habe,  weil  er  sich  stets  eingebildet,  dass 
ich  ihn  dadurch  zurucksezen  wollen.  Da  er  nun  alier  aus 
meinem  Schreiben  sehe,  dass  er  sich  hierinn  geirrt  habe; 
so  bitte  er,  das,  was  sein  Verdacht  &  seine  Unruhe  zu 
schreiben  ihn  bewogen  habe,  für  nicht  geschrieben,  zu 
halten  &  zu  glauben,  dass  er  niemahls  Willens  gewesen 
sey,  noch  je  seyn  werde,  so  wie  jemanden  überhaupt, 
also  auch  mir  insbesondere  einen  unangenehmen  Augen- 
blick zu  verursachen.  —  D.  14.  July  Hess  der  magistrat  den 
rector  Sprengel  auf  den  folgenden  Tag  zu  Rathhause  citiren, 
mich  aber  ersuchen,  einer  conferenz  mit  daselbst  beyzu- 
wohnen.    H.  Sprengel  kam  sogleich  erst  nach  meinem  Hause 


et  als  er  mich  hier  nicht  fand,  nachher  in  meinen  Garten  in  der 
Besorgniss,  dass  ich  die  Veranlassung  zu  seiner  citation 
gewesen;  erkundigte  sich,  ob  ich  seinen  zweyten  Brief 
empfangen  habe  &  wiederholte,  wie  leid  es  ihm  thue, 
sich  mit  dem  ersten  gegen  mich  vergangen  zu  haben; 
schob  es  auf  seine  unglückliche  hypochondrie  &  ver- 
sicherte, dass  er  sich  künftig  anders  &  besser  gegen  mich 
verhalten  werde.  Ich  antwortete  ihm,  dass  ich  seine 
citation  nicht  veranlasst  habe,  auch  die  Ursache  davon 
nicht  mit  Gewissheit  wisse,  wohl  aber  vermuthe,  dass  es 
wegen  der  Einstellung  seiner  privat  Stunden  gewesen 
sein  werde,  worüber  die  Bürgerschaft  schriftlich  Be- 
schwerde gefuhrt  habe.  Ich  ermahnte  ihn  möglichst,  sie 
wieder  anzufangen  &  stellte  ihm  vor,  dass  die  Kinder 
darunter  litten  &  die  Altern  darauf  zu  dringen,  Ursache 
liätten;  auch  schien  er,  nachzugeben,  wollte  nur  noch 
sehen,  ob  die  Altern  nicht  vielleicht  mit  sechs  anstatt 
zehn  Stunden  zufrieden  sein  wollten,  da  die  kleine  Anzahl 
der  privatisten  seine  Mühe  bey  seiner  Kränklichkeit  nicht 
bezahle.  Allein  am  folgenden  Tage,  d.  löten,  als  wir  zu 
Rathhause  waren  &  der  .lustizrath  ihm  dies  zum  Gesetz 
machen  wollte,  was  er  nur  für  eine  Gefälligkeit  hielt, 
zog  er  zurück,  meinte,  dass  er  dazu  nicht  gezwungen 
werden  könnte,  forderte  endlich  acht  Tage  Bedenkzeit, 
binnen  welcher  er  sich  in  Berlin  Raths  erholen  tt  nachher 
sich  erklären  wolle;  bezeugte  aber  zum  voraus,  dass  er 
allen  Falls  nicht  vor  Michaelis  die  die  privat  wieder 
anfangen  könne,  gegen  welche  Zeit  er  durch  kleine  Reisen 
und  sonst  sich  einigermaassen  curiren  wolle.  Jlan  gab 
ihm  hierinn  nach,  doch  mit  der  Erinnerung,  dass,  wenn 
er  sich  länger  widersezte,  die  Sache  ans  Oberconsistorium 
gehen  werde.  Ich  besonders  sezte  hinzu,  dass,  wenn  er 
nicht  dazu  gebracht  werden  könne,  das  Gesuch  der 
Bürgerschaft  wegen  Wiederherstellung  eines  Subrectoris 
bewilligt  werden  werde,  wodurch  er  &  seine,  an  diesem 
Streich  unschuldige,  coUegen  noch  mehr  leiden  würden. 
Letzteres  schien  nicht  ohne  Würkung  auf  ihn,  als  der 
noch  lieber  eine  Zulage  haben,  als  was  verlieren  wollte. 
Am  Freytage  d.  16ten,  reiste  er  nach  Berlin,  sprach  mit 
den  Obercousistorialräthen  Teller  &  Gedicke  und  meldete 
mir  am  Sonntage,  dass  diese  Herren  gemeint  hätten:  er 
könne  nicht  zu  Haltung  von  privat  Stunden  gezwungen 
werden,  zumabl  davon  nichts  in  seiner  vocation  stehe. 
Er  sezte  indess  hinzu:  dass  er  dennoch,  um  Friede  zu 
haben  &  den  Leuten  zu  Gefallen  zu  leben,  auf  Michaelis 
seine  privat  wieder  anfangen  wollte,  wenn  die  Leute  an- 
erkennen wollten,  dass  es  eine  Gefälligkeit  von  ihm  sey; 
als  weshalb  er  mich  bat,  seine  Kläger  an  einem  mir  be- 
liebigen Tage  et  Stunde  vor  mir  zu  bescheiden,  wo  er 
gegen  sie  in  meiner  Gegenwart  sich  expectoriren  wolle, 
ich  verlangte,  dass  er  zum  Justizrath  gehen  &  dem  eben- 
falls seinen  Entschluss  anzeigen  möchte  &  wollte  ich 
nachher  sehen,  ihn  an  einem  Tage  in  der  Woche  mit 
seinen  Gegnern  bey  mir  zu  vereinigen,  wenn  er  nur  den 
Altern  darinn  nachgeben  ^t  mit  ihren  Kindern  wieder 
privat  halten  wollte. 

(Schluss  folgt.) 


Christian  Konrad  Sprengel  als  Florist  und  als  Frucht-Biolog. 


Von  P.  Ascherson. 


Da  die  Nachrichten  über  das  Leben  und  Wirken 
unseres  grossen  Blüthen-Biologen  Chr.  Konr.  Sprengel  so 
ausserordentlich  spärlieh^fliessen,  könnte  wohl  noch  er- 
wähnt werden,  dass  auch  seine  Verdienste  als  Erforscher 
der  einheimischen  Flora  nicht  gering  zu  veranschlagen 
sind.  Willdcnow  sagt  in  der  Vorrede  seines  1787  er- 
schienenen Florae  Berolinensis    Prodronius   p.  XV:    Inter 


omnes  Spreugelio  Rectori  Scholae  Spandoviensis  saga- 
cissimo  vegetabilium  scrutatori  insignem  numerum  plan- 
taruni  in  regionibus  Spandoviensibus  sponte  nascentium 
debeo.  Zu  "diesen  Entdeckungen  gehört  jedenfalls  der 
p.  125  neu  beschriebene  luncus  Sprengelii  Willd.  (tab.  IV), 
der  sich  allerdings  später  als  mit  I.  squarrosus  L.  identisch 
herausstellte;    ferner    der    p.  155    desselben  Werkes  auf- 


Nr.  14. 


Natiirwisseii.seliat'tlielie  Wocliensolirift. 


T41 


g-estellte  Cucnbalus  cliloraiitlius  Willd.  (tab.  V),  jetzt  uocli 
als  Silene  chloraiitlia  Ehrli.  eine  Zierde  der  Berliner  und 
speciell  der  Spaudauer  Flora,  eine  östliche  Art.  die  bei 
uns  die  Westg-renze  erreiclit*). 

Ferner  wäre  wohl  noch  zu  erwähnen,  dass  in  dem 
„entdecicten  Gelieininiss'''  auch  manche  werthvolle  Bei- 
träge zur  Biologie  der  Früchte  enthalten  sind,  in  den 
Sprengel  namentlicii  die  Aussäungsvorriciitungen  mit  dem- 
selben Schart'bliciv  und  demselben  richtigen  Urtlieil  wie  die 
Bestäubungsvorgänge  ins  Auge  tasste.  So  sind  z.  B.  S.  90  ff", 
die  Unterschiede  der  Fruchtstände  von  Cvnoglossum 
mit  Kk'tttVüehten  und  Fcliium,  bei  ilem  die  Klausen  ilnrch 
den  Wind  \ erbreitet  werden,  dargelegt:  S.  S37  wird  das 
Wegschleudern  der  Samen  hei  (Jeranium  (während  der 
uiericwürdige  Vorgang  bei  Erodium  von  ihm  nicht  erkannt 
wurde),  S.  399  bei  Viola  canina  erwähnt;  ferner  die  karpo- 
tropisehen  Bewegungen  bei  Holosteum  (S.  81,  S2),  Scopolia 
(S.  125),  Silene  nutans  (S.  252)  und  Cerastium  (S.  2ü2i. 
Bei  Parnassia  wird  S.  173  die  von  mir  als  Xerochasie 
bezeichnete  Erscheinung-  angedeutet.  S.  112  wird  auf  den 
unterschied  in  der  Stellung  der  Löcher  in  den  Kapseln 
der  Campanula-Arten  hingewiesen:  bei  C.  rotundifolia 
mit  hängenden  Kapseln  befinden  sie  sieh,  wie  auch  bei 
Ledum  (S.  240j  am  proximalen,  bei  C.  patula  mit  auf- 
rechter Frucht  am  distalen  Ende,  also  an  beiden  Fällen 
oberwärts,  weil  „die  Samenkörner  nicht  von  selbst  heraus- 
fallen, sondern  durch  den  Wind  herausgeworfen  und  weit 
verstreut  werden  sollen."  Sprengel  beurtheilte  die  bio- 
logische Bedeutung  dieser  Thatsache  also  viel  richtiger 
als  ein  halbes  Jahrhundert  später  Alph.  de  Ca nd olle, 
dessen  Anschauungen  dann  von  Delpino  ganz  in 
Sprengel's  Sinne  berichtigt  wurden.  Aehuliches  berichtet 
der  Verf.  von  Dianthus  (S.  249)  und  Lychnis  dioica 
(S.  260).  Bei  Oenothera  bienuis  (S.  22  if'.)*  knüpft  S.  an 
diese  Betrachtung   Ausblicke   auf  die  Fflanzenverbreitung 

*)  Dieselbe  war  übrigens  schon  hundert  Jahre  früher  von 
einem  anderen  märkischen  Botaniker,  Chr.  Meutzel,  als  Lychnis 
sylvestris  sesamoides  major,  flore  obsolete  viridi  ))eschrieben  und 
abgebildet  worden. 


in  der  Nähe  von  Spandau  und  äussert  sogar  eine  mit  den 
heutigen  Anschauungen  völlig  im  Einklang  befindliche  Ver- 
muthung  über  die  geologische  ^'orgeschichte  der  Gegend, 
indem  er  vermuthet,  dass  die  „Sandhüg-elkette  von  Falkeu- 
hagen  über  den  Stern  bis  zur  Spree"  (bei  den  auch  den 
heutigen  Berliner  Botanikern  wohl  bekannten  „Weissen 
Sandbergen")  ursprünglich  zusammenhängend  gewesen  sei 
und  dass  „die  Havel  sieh  einen  Weg  durch  dieselbe  ge- 
macht" habe.  Auch  die  heutigen  Geologen  halten  den 
jetzigen  Lauf  der  Havel  zwischen  dem  Tegelsee  und  dem 
grossen  Havelsee  unterhalb  Pichelslierg  für  jünger  als 
jene  aus  der  Zeit,  als  die  ( Hier  durch  das  Spree-Thal 
und  llaveiländisciie  Luch  strömte,  herrüiu'cnde  Düncn- 
bildung.  Sprengel  bemerkt  nun,  dass  unter  den  damals 
noch  wenig  zahlreichen  bekannten  Fundörtern  der  Stupa 
pennata  sich  beide  durch  die  Havel  getrennte  Hälften  dieses 
Dünenzuges  befinden.  Oenothera  war  dagegcen  damals 
nur  auf  der  Westseite  der  Havel  häufig:  an  der  Ostseite 
hat  er  sie  nur  an  einer  beschränkten  Stelle  bemerkt  lin  den 
seitdem  verflossenen  100  Jahren  hat  sieh  diese  ursprüng- 
lich amerikanische  Pflanze  auch  dort  w'cithin  ausgebreitet). 
Sprengel  schliesst  nun  aus  diesen  Thatsachen,  dass  das 
Federgras  (Stupa  p.)  sich  durch  den  Flugapparat  seiner  ge- 
fiederten Granne,  welche  ihr  wohl  gestatte,  das  Havelthal 
zu  überschreiten,  verbreitet  halje,  während  der  Nachtkerze 
diese  Verbreitungsniöglichkeit  nicht  zukomme.  Die  Möglich- 
keit, dass  diese  Erklärung  das  Richtige  trifft,  will  ich  nicht 
bestreiten;  finde  es  aber  nicht  unwahrscheinlich,  dass  das 
Federgras,  ein  bekanntes  Relief  aus  der  „Steppenzeit", 
jene  Sanddünen,  und  zwar  ungleich  massenhafter  als  vor 
100  Jahren  oder  gar  heute,  schon  bewohnte,  ehe  sie  von 
der  Havel  durchbrochen  wurden.  Sehr  treflend  charakteri- 
sirt  er  auch  (S.  55)  die  Staudortsbedingungen  von  Pingui- 
cula  vulgaris. 

Jedenfalls  dürfen  wir  überzeugt  sein,  dass  Christian 
Konrad  Sprengel  noch  auf  manchen  anderen  Gebieten 
des  Wissens  als  auf  dem,  auf  welchem  sein  Name  unsterb- 
lich geworden  ist,  einen  reichen  Sehatz  von  Kenntnissen  und, 
was  mehr  ist,  ein  selbstständiges  treffendes  Urtheil  besass. 


Ist  der  Mensch  omnivor,  lierbivor  oder  carnivor  ?  — 

Parigi  (Tülle  inserzioni  dei  muscoli  masficatori  alla  men- 
dibola  e  suUa  morfologia  del  condilo  nell'  uomo.  Archivio 
per  l'antrop  e  la  etnolog.  Firenze  1890.  Heft  2)  suchte 
dieser  Frage  von  einem  neuen  Gesichtspunkte  aus  näher 
zu  treten. 

Die  Kaumuskulatur  zerfällt  in  zwei  Hauptgruppen:  die 
eine  Muskelgruppe,  die  sich  aus  den  musc.  temporales, 
masset.  und  zum  Theil  pterygoidei  intern,  zusammensetzt, 
hat  den  Zweck,  den  Unterkiefer  zu  heben,  die  andere  da- 
gegen, die  sich  aus  den  musc.  pterygoidei  extern,  und  intern, 
zusammensetzt,  dient  dem  seitlichen  Verschieben  der  Kiefer 
zu  einander.  Es  leuchtet  ein,  dass  die  erstere  Gruppe 
zum  Zerschneiden  der  Nahrung,  die  zweite  zum  Zermahlen 
derselben  hauptsächlich  in  Action  tritt,  und  dass  man 
dementsprechend  jene  vorwiegend  bei  fleischfressenden, 
diese  bei  pflanzenfressenden  Thieren  in  stärkerem  Grade 
entwickelt  finden  wird.  —  Dieser  Grundsatz  leitete  Parigi 
bei  seinen  Untersuchungen,  die  er  bei  der  Kaumuskulatur 
des  Menschen  anstellte.  Da  ihm  kein  lebendes  Material 
zur  Verfügung  stand,  so  beschränkte  derselbe  sich  darauf, 
aus  der  stärkeren  oder  schwächeren  Entwicklung  der 
Insertionsstelle  der  betreffenden  Muskeln  am  skelettirten 
Unterkiefer  (740  an  der  Zahl,  darüber  solche  von  9  An- 
thropoiden) einen  Rückschluss  auf  die  Mächtigkeit  der 
Jluskeln  selbst  zu  machen;  denn  einer  stark  ausgeprägten 
und  ausgedehnten  Ansatzfläche  entspricht  erfahrungsge- 
mäss  ein  stärkerer  Muskel.    Im  besonderen  berücksichtigte 


der  Verfasser  folgende  Punkte:  die  Oberflächenausdehnung 
der  Insertion)  die  Zahl  und  Grösse  der  Erhebungen,  Vor- 
sprünge und  Knochenleisten  und  die  Tiefe  der  Aushöhlung 
an  der  Ansatzstelle;  ausserdem  zog  er  auch  die  Proportion 
und  das  Volumen  des  Unterkiefers,  sowie  die  Ver- 
änderungen, welche  durch  Alter  und  Geschlecht  bedingt 
sind,  in  Betracht. 

Die    hierbei    gewonnenen  Resultate    fasst  P.   kurz  in 
folgender  Tabelle  zusammen. 


Völker,  deren  Nahrung 
vorwiegend  Fleisch- 
kost ist 

Völker,  deren  Nahrung 
vorwiegend  Pflanzen- 
kost ist 

Omnivore  Völker      .     . 

auf  niederer  1      gtufe 
lerer  , 


Ueberwiegen 

der  Gruppe  I. 

(m.  tempor. 

und  masset.) 

pCt. 


G2,50 


U  eberwiegen 
der  Gruppe  IL 
(ra.  pterygoid) 

pCt. 


12,50 


mittle 
hoher 


stehende 
Völker 


18,18 
1G,74 
33,.33 
25.53 
13,62 


54,55 
52,04 
36,51 
33,33 

57,!S4 


Im  Allgemeinen 


Beide  Gruppen 

gleichmä-ssig 

entwickelt 

pCt. 


25,00 


27,27 
31,22 
30,16 
41,14 

28,54 


17,57  51,35 

Allgemein  gesagt,  haben  die  m.  pterygoidei  beim 
Menschen  unter  den  Kaumuskeln  das  Uebergewieht.  Eine 
Ausnahme  machen  hiervon  die  niederen  Rassen;  denn 
bei  diesen  halten  sich  beide  Gruppen  so  ziemlich  da$ 
Gleichgewicht.  Wie  zu  erwarten  stand,  überwiegt  bei 
den    vorzugsweise    von  Fleischkost  lebenden  Völkern  die 


142 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  14. 


Gruppe  I.  (tempor.  und  luasset.),  bei  den  von  pflanzlicher 
Kost  lebenden  dagegen  die  Gruppe  II  (pterygoidei).  Bei 
den  Pampas  Amerikas  z.  B.,  die  ausschliesslich  Fleiseh- 
nahrung  geniessen  und  dieselbe  last  ungekaut  ver- 
schlingen, ist  ein  gewaltiges  Ucljerwiegen  der  Unterkiefer- 
heber (Gruppe  I)  zu  constatiren,  civilisirte  Rassen  andrer- 
seits, die  behufs  Verkleinerung  ihrer  aus  Fleisch-  und 
Pflanzenkost  gemischten  Nahrung  ihre  Reibemuskulatur 
(Gruppe  II)  stärker  anstrengen,  haben  diese  hingegen  in 
stärkerem  Grade  ausgeprägt.  —  Durch  Vergleich  der  ein- 
zelnen Rubriken  unter  einander  kommt  der  Verf.  zu  dem 
Schluss,  dass  d  e  r  M  e  n  s c  h  der  B  e  s c  h  a  f  f e  n  h  e  i  t  seiner 
Kaumuskulatur    nach    omnivor  mit   Neigung  zum 


Typus  des  Herbivoreu  ist. 


Buschan. 


Betula  ebeufalls  chalazogaiu.  —  In  No.  4  und  5 
haben  wir  ausführlich  über  die  bemerkenswerthen  Unter- 
suchungen Treub's  über  die  BetVachtungsvorgänge  bei 
Casuarina  berichtet  und  namentlich  hervorgehoben,  dass 
der  Pollenschlauch  nicht,  wie  üblich  durch  die  Mykropyle 
in  den  Knospenkern  eintritt,  sondern  die  Chalaza  aufsucht 
und  erst  von  hier  aus  den  Embryosack  erreicht.  Dies 
war  der  Grund,  warum  die  Casuarinaceen  als  Chalazo- 
gamae  von  den  übrigen  Angiospermen,  den  Porogamen 
oder  Acrogamen,  abgetrennt  wurden.  Nun  kommt  aus 
Russland  die  sehr  überraschende  Mittheilimg,  dass  auch  bei 


typischsten  Phanerogamen  in  der  Beziehung  vollkommene 
Uebereinstimmung  mit  Casuarina  herrscht,  als  nach  einer 
„vorläufigen  Mittheilung"  S.  Nawaschin's  (Bulletin  de 
i'Academie  imp.  des  sc.  de  St.  Petersbourg,  Tome  XIII, 
pag.  345  ff.)  auch  bei  der  Birke  der  Pollenschlauch  nicht 
die  Mikropyle  als  Durchtrittsstelle  zum  Keimsack  benutzt, 
sondern  durch  den  Funiculus  und  das  Nucellarparenchym 
hindurchwachsend  den  Grund  des  Keimsackes  erreicht, 
an  diesem  seitwärts  emporgeht    und    dann    erst  von  dem 


Gipfel  desselben  aus  die  Befruchtung  l)ewerkstelligt.  — 
Vergl.  die  beigefügte  Figur,  deren  Holzstock  wir  durch  Ver- 
mittelung  des  Herrn  Nawaschin  der  genannten  Academie 
verdanken.  —  Wir  stehen  hier  vor  einer  so  merkwürdigen 
neuen  Thatsache,  dass  es  bei  der  Erfahrung,  die  diese 
Entdeckung  mit  sich  liringt,  dass  nänilicli  die  eben  erst 
vollzogene  Schaffung  der  Gruppe  der  Clialazogamae  sofort 
wieder  ihre  Hauptstütze  zu  verlieren  scheint,  nunmelir  ge- 
botener ist,  die  von  Treub  freilich  vor  der  Entdeckung 
Nawaschin's  durchaus  gerechtfertigte  Umgestaltung  des 
natürlichen  Pflanzensystems  bis  auf  Weiteres  in  suspenso 
zu  lassen.  Es  müssen  nun  erst  Untersuchungen  an  einer 
grösseren  Zahl  von  Gattungen  zeigen,  in  wie  weit  das 
Verhalten  des  Pollenschlauches  als  Merkmal  für  eine 
systematische  Gruppiruug  verwerthbar  ist.  Nach  Nawa- 
schin tritt  der  Pollenschlauch  bei  Betula  nie  in  die 
Fruchtknotenhöhle  und  dann  durch  die  Mikropyle  ein, 
sondern  gelangt  stets  auf  dem  schon  bezeichneten  Wege 
wie  bei  Casuarina  zum  Embryosack.  Auch  einige  spe- 
ziellere Details  stimmen  bei  beiden  Gattungen  überein. 
So  treibt  der  Pollenschlauch  bei  beiden  jedesmal,  wo  er 
eine  neue  Richtung  annimmt  und  einen  Winkel  macht,  je 
ein  kurzes  Zweiglein.  Ausserdem  sind  sowohl  bei  Betula 
wie  bei  Casuarina  deutliche  Verengerungen  des  in  dem 
Kerngewelie  hinaufsteigenden  Theiles  des  Pollenschlauches 
zu  bemerken.  Der  Ort,  an  welchem  die  Pollcnschlauch- 
spitze  bei  der  Birke  den  Embryosaek  tritft,  scheint  kon- 
stant zu  sein,  während  das  bei  Casuarina  nicht  der  Fall 
ist.  Aber  das  Vorhandensein  eines  rudimentären  sporo- 
genen  Gewebes  im  Innern  des  Kernes  ist  wieder  für  beide 
Gattungen  charakteristisch.  Unterscheiden  thun  sie  sich 
noch  durch  das  Vorkommen  einer  einzigen  „]\Iakrospore" 
bei  Betula.  Der  Schlussatz  der  vorläufigen  Mittheilung 
Nawaschin's  lautet:  Es  kann  demnach  an  eine  Trennung 
der  Casuarineen  von  den  übrigen  Agiospermen  nicht  ge- 
dacht werden;  vielmehr  führt  eine  deutliche  Verbindung 
von  den  Casuarineen,  durch  Vermittlung  der  Birke,  zu 
den  niederen  Angiospermen  (Apetalen)  hin.  P. 


0.  Bainuaiin  iiiid  die  Nilquelleu.  —  Im  Februar- 
Heft  von  Petermann's  Mittlieilungen  1893  ist  eine  wichtige 
Nachricht  0.  Bau  mann 's  vom  8.  November  1892  mit- 
getheilt  und  durch  eine  vorläufige  Skizze  im  Text  ver- 
anschaulicht. Baumann  hat  in  den  Herbstnionaten  1892 
eine  Reise  vom  südlichen  Victoria-Njansa  zum  Tanganyika 
und  von  dort  durch  Urundi  und  Uha  nach  Tabora  aus- 
geführt und  auf  derselben  die  Quellen  des  Kagera  be- 
rührt, welcher  als  der  bedeutendste  Zufluss  des  Victoria- 
Njansa  schon  vor  30  Jahren  von  Speke  richtig  erkannt 
wurde.  Das  berühmte  Wort  dieses  hervorragenden  Rei- 
senden „The  Nile  is  settled"  ist  nunmehr  erst  zur  völligen 
Thatsache  geworden,  nachdem  0.  Baumann  schon  früher 
den  Nachweis  geführt  hat,  dass  die  Zuflüsse  des  ge- 
waltigen Quellsees  von  0.  her  nur  geringe  Bedeutung 
haben.  Die  südlichen  Tributäre  des  mächtigen  Kagera 
reichen  fast  bis  zum  4°  s.  Br.,  so  dass  der  Nil  mehr  als 
35°  bis  zur  JlUndung  durchfliesst,  mithin  dem  Mississippi- 
Missouri  an  Länge  sehr  nahe  kommen  dürfte.  Die  Quellen 
des  Kagera  un<l  der  genannten  südlichen  Zuflüsse  liegen 
im  Urundigebirge,  welches  gegen  den  nordöstlichen 
Tanganyika  und  die  sich  anschliessende  Senke  des  in 
denselben  am  Nordende  einmündenden  Rusizi  steil  ab- 
fällt; der  östlichste  Kagegre-Zufluss  ist  der  Luvirosabach, 
welcher  unter  4°  s.  Br.  entspringt.  Der  Name  „Mond- 
berge- für  das  Quellgebiet  des  Kagera  ist  bei  den  Warundi 
allgemein  üblich.  0.  Baumann  schreibt  darüber:  „Am 
19.  September  gelangten  wir  zur  Quelle  des  Kagera 
(Rururu),  der  in  dem  hohen,  waldigen,  die  Wasserscheide 


Nr.  14. 


NaturwissenschaCtliclic  WuehciibcLrift. 


143 


gegen  das  Rusiri-Thal  bildenden  Kamm  entspringt.  Wenn 
man  den  Kagera  als  Hauptzufluss  des  Victoria -Sees  für 
den  Quellarm  des  Nils  betrachtet,  so  kann  die  Quelle  des 
Kagera  als  Quelle  des  Nils  betrachtet  werden.  Die  Wa- 
rundi  pflegten  an  dieser  Stelle  ihre  Könige  zu  begraben 
und  nennen  die  Berge  Misozi  a  Mwesi,  Berge  Mwesis, 
Mondberge,  wie  der  ganze  Urundi  allgemein  „Land  der 
Mwesi",  Mondland,  genannt  wird."  Fr.  Regel. 


Doppelsternbahneii.  —  üeber  die  von  ihm  be- 
stimmten Bahnen  zweier  Doppelsterne  berichtet  Professor 
Dr.  S.  von  Glasen app,  Abastumann,  Gouvernement 
Tiflis,  in  No.  1  des  132.  Bandes  der  ..Astronomischen 
Nachrichten'".  Die  Sterne  sind  folgende:  -„,  mittlerer 
Ort  für  1900  i?  =  O^  3™,8,  d  =  +  79°  9',  und  85  im 
Pegasus,  mittlerer  Ort  für  1890,  R  =  23^  56^,9,  d  = 
+  26°  30'.  Die  Grössen  der  Componenten  des  ersten  sind 
6,3  und  6,6;  diejenigen  der  Comjjonenten  des  zweiten  6 
und  11.  Die  Bahnbestimmung  für  den  ersten  Doppelstern 
erfolgt  jetzt  zum  ersten  Male.  Wir  haben  von  diesem 
1828  entdeckten  Sternsysteme  jetzt  nahezu  die  halbe 
Bahn  vor  uns,  nämlich  17.5°.  sodass  eine  Bahnbestinnnung 
mit  bester  Aussicht  auf  Erfolg  unternonnnen  wei-deu 
konnte.  Die  Elemente,  zu  denen  Herr  von  Glasenapp 
definitiv  gelangt,  genügen  denn  auch  den  Beobachtungen 
in  der  That  sehr  gut.  Der  Stern  hat  danach  eine  Um- 
laufszeit von  166,24  Jahren  und  der  mittlere  Abstand 
beider  Componenten  ist0",55.  Die  Excentricität  der  Bahn 
ist  0,4. 

Für  den  zweiten  Stern,  85  Pegasi,  waren  schon  1889 
durch  Herrn  Schäberle  Elemente  bestimmt;  die  aus  ihnen 
berechneten  Orte  zeigten  indessen  in  1891  und  1892  so 
grosse  Abweichungen  von  den  Beobachtungen,  dass  eine 
Neuberechnung  von  Elementen  wünschenswerth  erschien. 
Herr  von  Glasenapp  hat  seiner  diesbezüglichen  Unter- 
suchung Beobaelitungen  zu  Grunde  gelegt,  die  sich  auf 
den  14jährigen  Zeitraum  von  1878,73  bis  1892,75  be- 
ziehen. Er  findet  für  dieses  System  eine  Umlaufszeit  von 
17,487  Jahren  (Schäberle  s.  Zt.  22,3  Jahre),  und  als 
mittleren  Abstand  beider  Componenten  0",80,  (wofür 
Schäberle  0",96  gegeben  hatte);  die  Bahn  ist  weit  mehr 
dem  Kreise  genähert,  wie  die  vorige.  Ihre  Excentricität 
ist  nur  0,164. 

Für  beide  Doppelsterne  hat  Herr  von  Glasenapp 
Ephemeriden  berechnet,  die  die  Oerter  bis  zum  Schlüsse 
des  Jahrhunderts  geben.  Grs. 


Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben. 

Es  wurden  ernannt:  Unser  Mitarbeiter,  der  Privatdoeent  an 
der  Kgl.  Landwirthscliaftlichen  Hochacliule,  Dr.  E.  Schaff  zum 
Director  des  Zoologischen  Gartens  in  Hannover.  —  Professor  Erb 
in  Heidelberg  zum  Professor  der  Medicin  an  der  Universität  Wien. 
—  Der  Forstamts- Assessor  und  Privatdoeent  Dr.  oee.  pulii.  et 
philos.  Heinrich  iVIayr  zum  ordentlichen  Professor  der  forst- 
lichen Productionslehre  in  der  staatswirthschaftlichen  Facultiit 
der  Universität  München.  —  Privatdoeent  Dr.  Boveri  von  der 
Münchener  Universität  zum  ordentlichen  Professor  der  Zoologie 
und  vergl.  Anatomie  an  der  Universität  Würzburg  und  zum  Leiter 
der  zoologischen  Samndung.  —  Zum  Director  bei  der  physikalisch- 
technischen  Reichsanstalt  in  Charlottenburg  Professor  Dr.  Franz 
Stenger  vom  Pofvtechnicum  in  Dresden. 

Es  haben  sich  habilitirt:  Die  DDr.  Schewiaks  und  v.  Er- 
langer für  Zoologie  an  der  Universität  Heidelberg.  —  Der  Pro- 
sector  der  anatomischen  Anstalt  der  Universität  München  Dr. 
Mo  liier  an  der  Universität  daselbst. 

Der  Privatdoeent  der  Physik  in  Würzburg  Dr.  Heydweiller 
hat  sein  Amt  aufgegeben. 

Es  ist  gestorben:  Der  Botaniker  des  Senkenbergianums  zu 
Frankfurt  a.  M.  Dr.  Jännicke. 


Die  deutsche  anatomische  Gesellschaft  wird  ihre  Versamm- 
lungen vom  21.  bis  2-1.  Mai  in  Göttingen  ablialten.  Vorsitzender: 
Prof  Waldeyer. 

Der  5.  Congress  der  deutscheu  Gesellschaft  für  Gynäko- 
logie findet  vom  ■2.5.  l)is  27.  Mai  in  Breslau  statt  I.  Vorsitzender: 
Fritsch  (Breslau),  1.  Schriftführer:  Pfannenstiel  (Breslau). 


Die  18.  Vcrsnuimlung  des  Deutschen  Verein  für  öffent- 
liche Gesundheitspflege  hält  seine  Jahresversammlung  vom  25.  bis 
27.  Mai  in  Würzburg  ab. 


L  i  1 1  e  r  a  t  u  r. 

Stabsarzt  Dr.  Hering,  Hygienisches  über  den  Staub.     Vortrag 

gehalten    im    naturwissenschaftlichen   \'erein   zu    Frankfurt  (O.). 

Verlag  von  R.  Friedländer  &  Sohn,  Berlin  18'J2.  —  Preis  0,60  Mk. 

Der  Verf.    untersucht    zunächst,    wo,    unter  welchen   Verhält- 

hältnisseu    und    auf    welche   Weise    der    Staub    seine    Entstehung 

findet,    um  sodann   auf  die  Schädigungen,  welche   der  Staub  dem 

Menschen  bringt,  einzugehen.     Man  hat  hier  zu  unterscheiden,  ob 

er    mechanisch    oder  vergiftend  wirkt,    in    letztem   Falle  z.  B.  als 

Träger  ansteckender  Krankheitsstoffe. 


Dr.  Hch.  Wolpert    Eine    einfache   I/uftprüfungs- Methode    auf 
Kohlensäure    mit    wissenschaftlicher    Grundlage.     .Mit   Holz- 
schnitten   und  Tafeln.     Baumgärtner's   Buchhandlung.     Leipzig. 
1892.  -  Preis  4  Mk. 
Wir  haben   ilen   Gegenstand    bereits    ausführlich    in  Band  VI 
(18fU    S.    2  IS  ff'.)    besprochen    und    müssen    uns    daher    an    dieser 
Stelle  auf  die  Anzeige  des  Erscheinens  der  Schrift  begnügen. 


Hugo  Mulertt,  Der  Goldfisch  und  seine  systematische  gewinn- 
bringende Zucht.  Mit  einer  farbigen  Tafel  und  Text-lUustra- 
tiiiucn.     Vi'rlag  von  Herrcke  u.  Lebeling.     Stettin  1892. 

Der  V'erf.,  ein  guter  Kenner  des  Goldfisches,  (Carassius  aura- 
tus)  bespricht  in  seiner  Arbeit  im  Wesentlichen  den  Fisch  selbst, 
seine  Fortpflanzung  und  Pflege,  Feinde  und  Krankheiten  des 
Fisches  sowie  den  Bau  der  Teiche.  Auch  derjenige,  der  weder 
Goldfische  liält,  noch  die  Absicht  hat,  sich  gewinnbringend  mit 
ihnen  zu  beschäftigen,  wird  gern  in  dem  Heft  blättern.  Die  farbige 
Tafel  stellt  den  japanischen  Schleiei-schwanz  mit  verhältnissmässig 
ausserordentlich  gro.sser  und  getheilter  Schwanzflosse  dar. 


Dr.  P.   Esser,    Die  Bekämpfung   parasitischer   Pflanzenkrank- 
heiten ohne  directe  Vernichtung  der  schädig('nden  Organismen. 
(.Sammlung   gemein-verstäiullicher   Vortrag«'    herausgegeben   von 
Virchow    u.   Wattenbach.      Neue    Folge.     7.    Serie.      Heft     151.| 
Verlagsanstalt  .4.  G.  (vormals  .T.  F.  Richter)    Hamburg  1892.  — 
Preis  0,60  M. 
Bekämpfen  thut  der  Mensch    nur   dann  parasitische  Pflanzen- 
krankheiten,   wenn  sie  Nutzpflanzen  schädigen   und  somit  handelt 
es  sich  in  dem    recht  hübschen  Vortrag  des  Verf.   nur  um  solche 
welche  den  Landwirth,   Gärtner,  Weinbauer  und  überhaupt  Prak- 
tiker besonders  interessiren  müsrsen.     Namentlich  diesen  sei  daher 
das  Schriftehen  empfohlen. 


Julius  Sachs ,  Gesammelte  Abhandlungen  über  Pflanzen- 
Physiologie.  1.  Band,  Abhandlung  1— XXIX  vorwiegend  über 
physikalisi-he  und  chemische  ^'egetationserscheinungen.  Mit  46 
Text-Abbildungen  Verlag  von  Wilhelm  Engelniann.  Leipzig 
1892.  —  Preis  16  Mk.  ^ 

Mag  man  nun  blindlings  Sachs  folgen  oder  eklektisch  den 
eigenen  Weg  gehen:  kein  Botaniker  kann  ohne  eingehendere 
Kenntniss  der  bedeutungsvollen  Sach'schen  Original-Arbeiten  be- 
stehen Desshalb  wird  es  allen  Fachgenossen  des  Autors  in  hohem 
Grade  erwünscht  sein,  in  einem  bequemen  Bande  die  in  mehreren 
Zeitschriften  zerstreuten  Arbeiten  zur  Pflanzen-Physiologie  in  be- 
((uemer  Form  vereinigt  zu  finden.  Gleiclizeitig  giebt  die  Neu- 
Herausgabe  der  Arbeiten  in  der  vorliegenden  Form  einen  treff'lichen 
Ueberblic-k   über  das  Wirken  von  Sachs. 

Der  vorliegende  1.  Band  bringt  29  Abhandlungen,  wie  im 
Titel  ge.-^agt,  vorwiegend  über  physikalische  und  chemische  Vege- 
tations-Erscheinungen.    Kr  umfasst  674  Seiten. 

Dass  die  polemischen  Schriften  keine  Aufnahme  gefunden 
haben,  wird  man  dem  Autor  Dank  wissen  :  haben  diese  doch  meist 
nur  eine  aktuelle  Bedeutung.  Von  anderen  Abhandlungen  werden 
Kürzungen  geboten,  wieder  andere  sind  aus   besonderen  Gründen 


144 


Natiiiwissciiscliiid liehe  Woclicnsclirift. 


Nr.   14. 


—  sei  es,  dass  sie  dem  Autor  unwesentlich  sehieneu,  sei  es,  dass 
ihr  Inhalt  allgemein  bekannt  geworden  ist  —  ganz  fortgelassen 
worden.  Hier  und  da  finden  sich  Zusätze,  die  stets  als  solche  ge- 
kennzeichnet sind.  Der  Autor  erwirbt  sich  durch  die  Neu-Redac- 
lion  seiner  Arbeiten  ein  nicht  geringes  Verdienst:  ebnet  er  doch 
dadurch  denjenigen,  die  seine  Arbeiten  benutzen  wollen,  den  Weg 
und  spart  ihnen  Zeit 


Dr.  A.  Ziramermann,  Die  botanische  Mikrotech.mk.   Ein  Hand- 
buch der  mikroskopischen  Präparations-,  Reaktions-   und  Tink- 
tionsmethoden.    Mit  63  Abbildungen.    Verlag  der  H.  Laupp'schen 
Buchhandlung  in  Tübingen  1891   —  Preis  6  Mk. 
Das  ausgezeichnete  Buch   dürfte   dem   botanischen  Anatomen 
fast   unentbehrlich    sein.     Seit    Jahren    beschäftigt    sich    der  Ver- 
fasser mit  der  pflanzlichen  Zelle  und  hat  dabei  die  beste  Gelegen- 
heit gehabt,  eingehend  die  Methoden  selbst  zu  prüfen  und,  wo  es 
noththat,  zu  verbessern. 

Nach  dem  1.  Abschnitt  „Allgemeine  Methodik",  behandelt 
Verf.  ausführlich  die  su  wichtig  gewordene  Mikrochemie,  um  in 
einem  3.  Abschnitt  die  Untersuchungsmethoden  für  die  Zellen- 
membran und  die  verschiedenen  Einschlüsse  und  Differenzirungen 
des  Plasmakörpers  zu  besprechen.  Sehr  zeitgemäss  und  daher 
zweckmässig  bietet  der  Verf.  in  einem  Anhange  eine  Darstellung 
der  Untersuchungsmethoden  der  Bakterien.  Die  umfangreiche 
Litteratur  wurde  mit  grosser  Gewissenhaftigkeit  berücksichtigt 
nnd  findet  sich  in  einem  besonderen  Verzeichniss  aufgeführt.  Ein 
gutes  Register,  ohne  das  ein  Handbuch  seinen  Zweck  kaum  zu 
erfüllen  in  der  Lage  ist,  beschliesst  das  278  Seiten  umfassende 
Buch.  Der  verdienstvollen  Arbeit,  die  schon  zu  einem  der  wich- 
tigsten Inventar-Stücke  vieler  Mikroskopir-Tische  geworden  sein 
dürfte,  eine  allgemeine  Verbreitung  in  Interessenten-Kreisen  vor- 
auszusagen, ist  weiter  keine  gewagte  Prophezeilumg. 


Prof.    Dr.    Adolph    Hansen,    Repetitorium     der    Botanik    für 

Mediciner,  Pharmaceuten  und  Lehramtscandidaton.     Vierte  ver- 
besserte Auflage.    Mit  41  Blüthendiagrammen  und  einem  Anhang: 
Verzeichniss     der     wichtigsten      Arzneipflanzen.       Verlag     der 
Stahel'scheu  k.  Hof-  und  Universitäts-Buchhandlung.    Würzburg 
1892.  -   Preis  2,20  Mk. 
Das  vorliegende    Repetitorium    ist    im  Sinne    der  Sachs'schen 
Schule   geschrieben.     In   sehr   geschickter  Weise   bietet   der  Verf. 
das  Gerippe  der  Wissenschaft.     Das    Buch    zerfällt    in    zwei   Ab- 
schnitte.    1.  Organographie,  Anatomie    und    Physiologie,    die   auf 
nur  6G  Seiten  abgehandelt  werden  und  2.  Systematik,  die  auf  etwa 
100    Seiton    zur  Darstellung    konunt.     Trotz    der    äusseren   Kürze 
des  ersten  Abschnittes  ist  doch  das  Wesentliche  in  ihm  zu  finden, 
da  alles  in  kurzen,  bündigen  Sätzen  zum  Ausdruck  kommt:  jeden- 
falls für  den  Repetirenden  und  denjenigen,  der  das  Buch  als  Leit- 
faden bei  Vorlesungen  benutzt,  das  Zweckmässigste. 


Prof.  Dr.  J.  M.  Pernter,  Falbs  kritische  Tage.  (Sammlung  po- 
pulärer Schriften,  herausgegeben  von  der  Gesellschaft  Urania 
iu  Berlin).  Verlag  von  Hermann  Paetel  in  Berlin  1892.  — 
Preis  0,80  Mk. 

Pernter  bemüht  sich  so  objectiv  wie  möglich  Falb's  bekannte 

Anschauungen    zu    prüfen,  was    einer  Widerlegung    gleichkommt. 

Es  wäre    den  Anhängern   Falb's    dringend    zu    ratlien,    sich    auch 

einmal    in    eine    der  Schriften,    die  ihn  bekämpfen,    zu  vertiefen ; 

die  vorliegende  ist  dazu  sehr  geeignet.    Wir  bemerken,  dass  asch 

die    „Naturwissenschaftliche  Wochenschrift"    in    einem   besondern 

Artikel  Falb's  Anschauungen  näher  prüfen  wird. 


A.  Gutzmer,    TJeber  gewisse   partielle   Differentialgleichungen 
höherer  Ordnung.    Berlin  1893.    4",  22  S. 

In  gewissi'U  Zweigen  der  mathematischen  Physik  spielt  eine 
wesentliche  Rolle  diejenige  Ditterentialgleichung.  welche  man  er- 
hält, indem  man  die  linke  Seite  der  bekannten  Difi"erentialgleichung 
für  das  Potential  A(»)  =  0  noch  einmal  iler  durch  A  angedeuteten 


Operation  unterzieht.  So  geJangt  man  zu  der  namentlich  von 
E.  Mathieu  untersuchten  Diff'erentialgleichung  des  zweiten  Poten- 
tials; wiederholt  man  das  Verfahren,  so  erhält  man  die  Gleichung 
A-'(J/)  =  0,  dann  \\>i)  =  0,  u.  s.  w. 

Diese  Dift'erentialgleichungen,  deren  allgemeine  Form  also 
AW(!<)  ^  0  ist,  bilden  den  Gegenstand  der  nach  mehr  als  einer 
Richtung  interessanten  Abhandlung,  und  zwar  untersucht  der  Ver- 
fasser nicht  nur  den  Fall  zweier  und  dreier  unabhängiger  Varia- 
bein sondei-n  auch  den  allgemeinen  Fall  von  q  Veränderlichen. 
Der  Verfasser  entwickelt  zunächst  diejenigen  Lösungen  der  in 
Frage  stehenden  Differentialgleichungen,  welche  nur  von  der  Ent- 
fernung des  veränderlichen  und  eines  festen  Punktes  abhängen. 
Dann  werden  diejenigen  Integralausdrücke  angegeben,  welche  den 
Massenpotentialen  für  das  Newton'sche  Attractionsgesetz  ent- 
sprechen. Den  Schluss  der  Abhandlung  bildet  eine  Verallgemei- 
nerung des  für  die  Theorie  des  Potentials  so  wichtigen  Green'schen 
Satzes.  Fritz  Kötter. 

Jahreshefte  des  naturwissenschaftlichen  Vereins  für  das 
Fürstenthum  Lüneburg.  XII.  1890—1892.  Lüneburg  1893  — 
Knthält  folgende  Aufsätze:  M.  Stümcke:  Verzeichniss  der  bei 
Lüneburg  aufgefundenen  Pilze,  Ad.  Stölting:  Beitrag  zur  Kryp- 
togamen-Flora  des  Fürstenthums  Lüneburg,  C.  Gottsche:  Oberer 
Gault  bei  Lüneburg,  Stümcke:  Neu  aufgefundene  Kryptogameu, 
Kohlrausch:  Zoologische  Mittheilungen  und  derselbe:  Meteoro- 
logische ücbersicht  der  Jahre  1889—1891. 

Hecker,  E.,  Hvpnose  und  Suggestion  im  Dienste  der  Heilkunde. 
Wiesbaden.    "1,20  M. 

Heitzmann,  C,  Die  descriptive  und  topographische  Anatomie  des 
Manschen  in  650  Abbildungen.    7.  Aufl.     Wien.     32  M 

Hempel,  G.,  und  K  'Wilhelm,  Die  Bäume  und  Sträucher  des 
Waldes  in  botanischer  und  forstwirthschaftlicher  Beziehung. 
Wien.     19,80  M. 

Hering,  E.,  Zur  Kenntniss  der  AIciopiden  von  Messina.  Leipzig. 
3.80  M 

Höhenschichtenkarte  des  Grossherzogtums  Hessen.  1  :  25  OÜO. 
1890—92      Blatt  Brensbach.     Dannstadt.     2  M. 

Hoppe-Seyler,  F.,  Handbuch  der  physiologisch-  und  pathologisch- 
chemischen  Analvse  für  Aerzte  und  Studirende.  6.  Auflage. 
Berlin.     U  M. 

Jäger,  G.,  Ueber  die  Art  der  Kräfte,  welche  Gasmolekeln  auf 
einander  ausüben.     Leipzig.     0,30  M. 

Hligens,  E.,  Die  unendliche  Anzahl  und  die  Mathematik.  Münster. 
1   Mark. 

Kauffmann,  M.,  Immanente  Philosophie.  1.  Buch  Analyse  der 
Metaphysik.     Leipzig.     3  M. 

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Inhalt:  Dr.  F.  Hock:  Kosmopolitische  Pflanzen.  —  Dr.  Robert  Mittmann:  Material  zu  einer  Biographie  Christian  Konrad 
Sprengel's.  (Fortsetzung.)  —  P.  Ascherson:  Christian  Konrad  Spreugel  als  Florist  und  als  Frucht-Biolog.  —  Ist  der  Mensch 
omnivor,  herbivor  oder  carnivor?  —  Betula  ebenfalls  chalazogam.  (Mit  Abbild.)  —  A.  Baumann  und  die  Nilquellen.  — 
Doppelsternbahnen.  —  Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben.  —  Litteratur:  Stabsarzt  Dr.  Hering:  Hygienisches  über  den  Staub. 
—  Dr.  Hch.  Wolper:  Eine  einfache  Luftprüfungs- Methode  auf  Kohlensäure  mit  wissenschaftlicher  Grundlage.  —  Hugo 
Mulertt:  Der  Goldfisch  und  seine  systematische  gewinnbringende  Zucht.  —  Dr.  P.  Esser:  Die  Bekämpfung  parasitischer 
Pflanzonkrankheiten.  —  Julius  Sachs:  Gesammelte  Abhandlungen  über  Pflanzen-Physiologie.  —  Dr.  A.  Zimmermann:  Die 
botanische  Mikrotechnik.  —  Prof.  Dr.  Adolph  Hansen:  Repetitorium  der  Botanik.  —  Prof.  Dr.  J.  M.  Pernter:  Falbs 
kritische  Tage.  —  A.  Gutzmer:  Ueber  gewisse  partielle  Differentialgleichungen  höherer  Ordnung.  —  Liste. 

Verantwortlicher  Redakteur:  Dr.  Henry  Potonie,  Berlin  N.  4.,  Invalidenstr.  40/41,  für  den  Inseratentheil:  Hugo  Bernstein  in  Berlin.  — 
Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Bei-lin  SW.   12.  —  Druck:  G.  Bernstein.  Berlin  SW.  12. 


Nr.   1-4. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


XXVII 


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Eiterniigsproccsse,  deren  Schauplatz  der  tliierisclie  Orga- 
uismus  werden  kann,  einer  Einwanderung  kleinster  Lebe- 
wesen zu  verdanken  haben,  i.st  eine  Thatsache,  die  wegen 
ihrer  Wiclitigkeit  für  uns  selbst  bereits  allbekannt  ist. 
Aber  die  Vdu  der  Wissenschaft  daran  geknüpften  Folge- 
rungen und  neuesten,  bedeutsamen  Entdeckungen  sind 
iidch  nicht  Gemeingut  weiterer  Kreise  geworden.  Das 
liegt  nicht  allein  in  der  relativen  Neuheit  des  Gegen- 
standes begründet,  sondern  auch  darin,  dass  es  sich  hier 
um  mikroskopische  Details  handelt.  Es  war  I)ckanntlich 
dem  IMikroskop  in  der  Hand  Cohnheim's  vorbehalten,  das 
Wesen  der  Entzündung  aufzudecken,  von  dem  mau  bis 
dahin  nichts  als  die  äusscrliehen  Symptome:  Hitze, 
Röthung,  Schwellung,  Schmerz,  kannte.  Jetzt  weiss  mau, 
dass  im  Zustande  der  Entzündung  die  feinsten  Ver- 
ästelungen der  Arterien,  die  dichten  Maschennetze  der 
Maargcfässe,  sich  erweitern,  dem  erkrankten  Tlieile  un- 
gewöhnlich viel  Blut  zuführen  und  ihm  damit  sowohl  mehr 
Wärme  als  auch  die  charakteristische  Röthe  verleihen; 
man  weiss  ferner,  dass  die  Beschaffenheit  der  Blutgefäss- 
wändc  eine  andere  wird:  Es  tiltrirt  Flüssigkeit  aus  der 
Blutball  n  in  die  Umgebung,  was  sich  äusserlich  durch 
die  Schwellung  und,  wenn  gleichzeitig  ein  Druck  auf 
feinere  Nervenzweige  ausgeübt  wird,  auch  durch  Schmerzen 
documentirt.  Erreicht  die  Entzündung  höhere  Grade,  so 
nimmt  die  Durchlässigkeit  der  Gefässwände  immer  mehr 
zu.  Es  beginnt  alsdann  auch  ein  Theil  der  festen  Blut- 
bestandtheile,  nämlich  der  weissen  Blutkörperchen  oder 
Leucocyten,  auszuwandern,  indem  dieselben  sich  dank  der 
Fähigkeit,  selbststäudig  ihrem  Körper  so  ziemlich  jede 
lieliebige  Gestalt  zu  geben  und  kriechend  ihren  Platz  zu 
wechseln,  durch  das  Gefüge  der  Gefässwände  hindurch- 
zwängen. Wenn  dieser  Proccss  ungestört  einige  Zeit  ge- 
spielt hat,  so  ist  der  ganze  Entzündungsherd  mit  Leuco- 
cyten „infiltrirt".  Damit  hat  sich  dann  eine  Vereiterung 
vollzogen,    denn    der  Eiter    besteht   eben  wesentlich  aus 


Leucocyten,    denen    er    Farbe    und   Consistenz   verdankt, 
aus  Gewebstrümmern  und  —  Mikroorganismen. 

Dieses  constante  Zusammentreffen  von  Bacterien  und 
Eiterkörperchen  legte  von  vornherein  den  Gedanken  an 
eine  engere  Beziehung  zwischen  beiden  nahe.  Die  geist- 
volle Phagocytentheorie  Metschnikoff's  behauptete  direct, 
es  sei  die  Aufga))e  des  Leucocyten,  die  Eindringlinge  zu 
ergreifen,  zu  tödten  und  fortzuführen*).  Eine  solche  Auf- 
fassung hatte  in  der  That  auch  experimentell  manches 
für  sich;  aber  gewichtige  Einwände  sind  gegen  sie  er- 
hoben, wie  der,  dass  die  weissen  Wauderzellen  gar  nicht 
die  lebenden  Bacterien  „frässen",  sondern  nur  die  ab- 
gestorbenen wegschafften.  Demnach  hätten  wir  hier  einen 
Aualogiefall  zu  der  bekannten  Eigenschaft  der  Leucoc3'teu 
vor  uns,  die  Gewebe  von  eingedrungenen  anorganischen 
Fremdkörpern  zu  säubern.  Man  hat  das  Experiment  ge- 
macht, Fröschen  unschädliche  Farbstoft'lösungen  in  die 
Blntbahn  einzuspritzen.  Nach  einiger  Zeit  war  in  den 
Blutgefässen  kaum  noch  etwas  von  Farbekörnchen  zu 
finden,  dagegen  die  Umgebung  voll  davon  und  eine  Menge 
damit  beladener  Wauderzellen  im  Begriff,  die  störenden 
Partikelcheu  nach  weniger  darunter  leidenden  Körper- 
stellen zu  transportiren.  Etwas  ganz  Aehuliches  pflegt 
übrigens  unter  der  Haut  frisch  Tätowirter  vorzugehen. 
Zum  Zwecke  des  Tätowirens  wird  mit  einer  Nadel  oder 
kleinen  Lanzette  das  Bild  in  die  Haut  geritzt  und  in  die 
leicht  blutenden  Risse  pulverisirte  Kohle  oder  Zinnober 
eingerieben.  Der  grösste  Theil  der  Farbe  bleibt  freilich 
für  immer  an  Ort  und  Stelle  liegen;  nicht  wenig  davon 
findet  sich  aber  auch  gelegentlich  bei  Obductionen  in  den 
benachbarten  Lymphdrüsen,  eben  durch  die  Leucocyten 
dort  abgelagert.  Wäre  deshalb  ein  so  trivialer  Vergleich 
erlaubt,  so  könnte  man  diese  amoelxiiden  Wesen  als  eine 
Art  Schutzpolizei  unseres  Körpers  bezeichnen,  jedoch  ist 
in  Wahrheit  ihr  Werth  für  das  Leben  noch  weit  umfang- 


*)  Vergl.  „Natui-w.  Woehfiisclir."  IV  S.  25. 


146 


Naturwisscnscliaftlichc  Wochenschrift. 


Nr.  15. 


reicher.  Ganz  zu  schweigen  von  ihrer  Bedeutung  als 
Regeneratoren  der  rothcn  Blutkörperclien,  hahen  neuere 
Untersuchungen  ihnen  auch  einen  erhel)Hchen  Antheil  an 
dem  Abhxuf  des  Stoffwechsels  eingeräumt.  Sie  betheiiigcn 
sich  diesen  zufolge  an  der  Resorption  des  in  der  Nah- 
rung aufgenommenen  und  durch  die  Darmverdauung  in 
eine  feine  Emulsion  verwandelten  Fettes,  indem  sie  sich 
dicht  unter  die  Oberfläche  der  Schleimhaut  begeben,  in 
das  Darmlumen  Fortsätze  hineinsenden  und  diese  mit 
Fetttröpfchen  beladen  wieder  einziehen,  um  dann  mit  ihrer 
Beute  nach  den  grösseren  Lymphbahnen  zurückzuwandern. 
In  ganz  ähnlicher  Weise  liegt  ihnen  die  Vertilgung  und 
Beseitigung  aller  organischen  Fremdkörper,  sie  seien  nun 
dem  Organismus  künstlich  einverleibt  oder  eigene  abge- 
storbene Theile  desselben,  ob;  eine  Thatsachc,  zu  deren 
Feststellung  Medicin  und  Zoologie  sich  die  Hand  reichten. 
So  benutzt  die  moderne  Chirurgie  schon  seit  einer  Reihe 
von  Jahren  ein  aus  Schafdarm  präparirtcs  Nähmaterial, 
Catgut,  für  tief  im  Innern  gelegene  Wunden,  die  nach 
dem  Verschluss  der  äusseren  Körperdeckc  möglichst  für 
immer  dem  Auge  und  der  Hand  des  Operateurs  entzogen 
bleiben  sollen.  Die  Catgutfäden  werden  mit  der  Zeit  bis 
zum  völligen  Verscliwinden  resorbirt:  Parenchymflüssigkeit 
und  zahlreiche  Leucocyten  dringen  in  ihre  Lücken,  lösen 
sie  auf,  zertrümmern  sie  und  führen  die  Trümmer  bis  auf 
den  letzten  Rest  fort.  Auch  noch  in  einer  anderen  Be- 
ziehung sind  die  Wanderzellen  für  den  Wundarzt  von 
hohem  Interesse,  insofern  nämlich  der  Vernarbungsprocess 
jeder  Gewebstrennung  durch  das  Eindringen  weisser  Blut- 
körperchen in  die  nächste  Umgebung  der  Verletzung  ein- 
geleitet wird  und  dereu  Anwesenheit  einen  bemerkens- 
Averthen,  wenn  auch  noch  nicht  in  allen  Funkten  ganz 
klaren  Einfluss  auf  die  Heilung  ausübt.  Von  naturwissen- 
schaftlicher Seite  haben  uns  hinsichtlich  des  Antheils  der 
Leucocyten  an  physiologischen  Resorptionsvorgängen  na- 
mentlich die  Untersuchungen  Metschnikoft"s  über  die  Re- 
duction  des  Ruderschwanzes  der  Batrachierlarvcn  und 
jene  von  Kowalewsky  und  van  Rees  über  die  bei  der 
Metamorphose  der  Dipteren  stattfindenden  Reductious- 
processe  aufgeklärt. 

Aus  dem  Gesagten  geht  wohl  zur  Genüge  hervor, 
dass  die  Leucocyten  schaarenweise  überall  dahin  wan- 
dern, wo  immer  im  Körper  lebende  oder  todte  Mikro- 
organismen eingedrungen  sind;  wo  anorganische  oder 
organische  Fremdkörperchen  lagern;  wo  Gewebsstörungen 
stattgefunden  haben;  wo  es  gilt.  Abgestorbenes  zu  re- 
sorbiren.  Was  giebt  aber  die  Veranlassung  dazu?  Nach 
Analogie  gewisser  Vorgänge  bei  der  Fortpflanzung  nieder- 
ster Lebewesen  möchte  man  annehmen,  dass  sich  hier 
Processe  chemotaktischer  Natur  abspielen,  dass  mit  anderen 
Worten  von  den  Zielen  der  Leucocytenwauderungen  aus 
sich  chemische  Stoffe  in  die  Umgebung  verbreiten  oder 
sonst  chemische  Veränderungen  in  der  Nachbarschaft  an- 
geregt werden,  welche,  auf  die  Lymphkörperehen  treffend, 
diese  zu  Bewegungen  in  specifischer  Richtung,  nämlich 
auf  das  Erregungscentrum  zu,  veranlassen.  Allerdings  ist 
damit  die  zu  erklärende  Thatsache  eigentlich  mehr  um- 
schrieben als  erklärt,  aber  es  ist  doch  wenigstens  die 
Richtung  vorgezeichnet,  in  der  weitere  Forschungen  statt- 
zu  finden  hätten  und  inzwischen  auch  stattgefunden  haben. 

Einige  frühere  Versuche  anderer  Autoren  vervoll 
kommnend,  hat  Buchner  den  Beweis  geliefert,  dass  aus 
dem  Protoplasma  der  Mikroorganismen  sich  Stoffe  dar- 
stellen lassen,  welche  eine  stark  chemotaktische  Wirkung 
auf  die  Wanderzellen  ausüben.  Der  in  die  inficirten 
Gewebe  übergehende  Inhalt  abgestorbener  Bacterienzellen 
ist  also  die  Ursache  der  Eiterung,  und  es  sind  nicht  die 
Stoffwechselproducte  der  lebenden,  denen  vielmehr  die 
Rolle    der  Fiebererzeuger    zufällt.     Genauere    Prüfungen, 


zuerst  am  Friedländer'schen  Pneumobacillus  —  dem  Erreger 
der  Lungenentzündung  —  angestellt,  ergaben,  dass  die 
pyogene  Substanz  von  den  Albuminaten  der  Zelle  ge- 
bildet wird.  Isolirt  und  sterilisirt,  ruft  sie  typisciic  Eite- 
rungen liervor,  die  sich  von  den  alltäglichen  nur  durch 
das  Fehlen  der  Bacterien  unterscheiden.*)  Somit  ist  end- 
lich die  Möglichkeit  echter  aseptischer  Eiterungen,  welche 
der  berühmte  Chirurg  Hueter  noch  energisch  bestritt,  er- 
wiesen und  die  Bedeutung  der  vielfach  erfolgreichen  Ver- 
suche, durch  sterile,  Ijacterienfreic,  chemische  Agentien, 
wie  Crotonfil,  Calomel,  Höllenstein,  Abscesse  zu  erzielen, 
ins  rechte  Licht  gesetzt:  Die  genannten  Chemikalien  üben 
eben  auch  eine  chemotaktische  Wirkung  auf  die  Leuco- 
cyten aus. 

Nachdem  Büchner  zuerst  aus  Kartoffelculturen  des 
Pneumobacillus  von  Friediänder  einen  Eiweisskörper,  das 
,,Pneumiil>acillenprotein",  dargestellt  und  dessen  chemo- 
taktische Wirkung  erprobt  hatte,  unterwarf  er  noch  etwa 
15  weitere  BaciUenartcu  derselben  Methode  und  erhielt 
unter  anderem  von  B.  pyocyaneus,  B.  subtilis,  B.  acidi 
hictici,  vom  Typhusbacillus  und  Staphylococcus  pyog. 
aureus  analoge  Proteine.  Diese  wurden  in  gelöstem  Zu- 
stande in  spindelförmige,  einige  Millimeter  weite  Glas- 
röhrchen eingeschmolzen;  die  Röhrchen  durch  Auskochen 
sterilisirt,  Kaninchen  aseptisch  unter  die  Haut  gebracht 
und  später  subcutan  durchgebrochen.  2—3  Tage  darnach 
zeigten  sich  in  den  Ivöln'clien  mehrere  Millimeter  starke 
Eiterpfropfen,  wie  immer  zahllose  weisse  Rundzellen  ent- 
haltend. 

Den  Bactcrienproteinen  stehen  die  Pflanzencaseine 
chemisch  nahe.  Auch  diese  erweisen  sich  als  stark  leuco- 
cytenanziehend,  sei  es,  dass  reines  Glutencaseiu,  dar- 
gestellt aus  Weizenklcber,  zur  Verwendung  kam,  oder 
dass  eine  subcutane  Injection  von  sterilem  Erbsenmehlbrei 
vorgenommen  wurde.  —  Von  den  Umwandlungsproducten 
thierischer  Gewebe  zeigten  sich  wohl  reinste  Gelatine, 
gewisse  Alkalialbuminate  und  Hemialbumose,  keineswegs 
aber  Eiweispepton  chemotaktisch.  Dass  gerade  Albuminate 
unter  Umständen  chemotaktisch  wirken,  erscheint  übrigens 
besonderer  Beachtung  wertli  in  Rücksicht  darauf,  dass  die 
Darmschleimhaut  resorbirtes  Pepton  in  P^iweis  zurückvcr- 
wandelt.  Beide  Thatsachen  zusannnengehalten,  werfen, 
worauf  Hueppe  kürzlich  aufmerksam  gemacht  hat,  ein 
neues  Licht  auf  die  erwähnte  Betheiligung  der  Wander- 
zellen an  der  Fettverdauung. 

Die  Frage,  ob  nicht  auch  die  sogenannten  Zersetzungs- 
stoffe der  Bacterienzellen  die  Leucocyten  anlocken,  muss 
auf  Grund  von  ähnlichen  Röhrchenversuchen,  wie  die  eben 
beschriebenen,  negirt  werden;  und  zwar  sind  hierfür 
gerade  die  Röhrchenversuche  von  positiver  Beweiskraft. 
Denn  wenn  die  fraglichen  Substanzen  einfach  unter  die 
Haut  eingespritzt  werden,  so  ist,  falls  eine  Eiterung  folgt, 
immer  noch  der  Einwand  erlaultt,  dass  die  Injections- 
masse  nichts  selbst,  sondern  nur  infolge  der  von  ihr  be- 
dingten chemischen  Veränderungen  der  Umgebung  chemo- 
taktisch wirkt.  Vielleicht  werden  eben  auf  diesem  in- 
directen  Wege  die  aseptischen  Eiterungen  durch  Terpentin, 
Calomel,  Quecksilber,  von  denen  schon  die  Rede  war, 
erregt.  Denn  eine  directe  Anziehungskraft  auf  die  Lymph- 
körperchen  wird  man  den  genannten  Chemikalien  kaum 
zuschreiben  dürfen. 

Wie  bereits  erwähnt,  kommen  Entzündungen  ohne 
Eiterungen  vor,  nie  aber  letztere  ohne  erstere.  Mit  der 
Eiterbildung  ist  stets  eine  Schwellung  des  betroffenen  Ge- 


*)  Es  ist  interessant,  dass  ein  Zusatz  wässeriger  Methyl- 
vioIottlösunR  zu  der  sterilen  Emulsion  von  Pneumobacillen  die 
Eitererregunjn;  hemmt,  gemäss  der  Thatsache,  dass  basische  Anilin- 
farben die  Albuminate  des  Bacillenplasmas  chemisch  binden. 


Nr.  15. 


Natiirwissenschaftliclic  Wochenschrift. 


147 


vvebes,  also  eine  abnorine  Durclitrilukung  desselben  mit 
Blutflüssiglveit  verisnüpft.  Dalier  liei^'t  die  Frage  nahe, 
ob  diese  regelmässige  iieglcitersclieiming  der  Leucoeyten- 
ansannulung,  diese  entzündliche  Reizung  ebenfalls  der 
Einwirkung  der  chemotaktischen  Stofte  ihren  Ursprung 
dankt.  Subcutane  Injectionen  von  Protein  des  15.  pyo- 
cyaneus,  am  Menschen  ausgeführt,  beantworteten  diese 
Frage    in    entschieden    affirmativem  Sinne.     Leucocytose 


und  entzündliche  Schwellung,  Röthung  und  Scbmerzhaftig- 
keit  sind  untrennbar  vergesellschaftet. 

Von  den  hier  in  Kürze  dargestellten  Resultaten  mühe- 
voller Forschungen  wird  eine  neue  Entzündungstheorie 
ernstlich  Notiz  nehmen  müssen;  vielleicht  kommt  ihnen 
auch  einmal  eine  praktische  Bedeutung  in  der  Heilkunde 
zu.  Vor  allem  aber  sei  hier  auf  ihren  Werth  für  die 
Biochemie  aufmerksam  gemacht. 


Material  zu  einer  Biographie  Christian  Konrad  Sprengel's. 

Zusammengestellt  im  Auftiago  der  Redaktion  von  Dr.  Robert  Mittniann. 


(Schluss.) 


(Chronik  Seite  2G7.)  Bereits  S.  264  ist  ausgeführt 
worden,  dass  der  rector  seine  privat  Stunden  aufgegeben, 
unter  dem  Vorwande,  dass  der  privatisteu  zu  wenig  seyen, 
als  dass  ihm  seine  j\lühe  bezahlt  werde;  &  dass  er,  als 
man  ihn  hier  dazu  anhalten  wollen,  mit  seiner  Vorstellung 
ans  Oberconsistorium  gegangen.  Dies  theilte  unterm 
loten  Sept.  dem  niagistrat  &  mir  sein  Gesuch  mit  &  be- 
fahl uns,  binnen  acht  Tagen  darüber  zu  berichten.  Seine 
Vorstellung  vom  4ten  Sept.  gründete  sich  theils  auf  die 
zu  wenigen  privatisten,  derentwegen  seine  Arbeit  nicht 
gemig  bezahlt  werde,  theils  auf  den  Verdruss,  den  er 
davon  oft  schon  gehabt,  theils  auf  seine  vocation,  die 
ihn  dazu  nicht  verbinde;  erwähnte  auch,  dass  ihn  Insp, 
hierzu  nicht  verpflichtet  achte,  hingegen  Üirigens  es  ihm 
zum  Gesez  machen  wolle.  Magistrat  &  ich  stellten  theils 
gemeinschaftlich  den  27ten  Octob.  vor:  dass,  solange 
diese  Schule  existire,  privat  Stunden  gehalten  worden, 
&  wenn  es  in  des  Rectors  vocation  nicht  stehe,  man 
nichts  daraus  haben  können,  ihn  durch  Vorschrift  zu 
seinem  Vortheil  zu  verbinden;  dass  es  die  Umstände  der 
Schide,  an  der  der  Subrector  eingegangen,  von  dessen 
Gehalt  auch  seines  vermehrt  sey,  nöthig  machten,  dass 
er  privat  Stunden  halte;  dass  er  an  der  jetzt  kleinen 
Zahl  seiner  privatisten  selbst  Schuld  sey  &  wenn  er 
menscidiclu'r  mit  iinien  umgehen  möchte,  mehr  deren  haben 
würde;  allein,  dass  er  sich,  wie  alles  zeige,  nicht  zum 
Rector  hiesiger  Schule  schicke  &  uns  nur  nachgelassen 
werden  möchte,  einen  andern  zu  erwählen:  theils  wieder- 
holte &  bestätigte  ich  dies  Alles  insbesondere  noch  durch 
mehrere  Gründe;  zeigte,  wie  unschicklich  er  unterrichte, 
was  für  Schallen  er  der  Schule  thue,  wie  so  ganz  sie  zu 
Grunde  gehe  &  das  an  einem  ( )rte,  wo  die  Lehrer  nicht 
schlecht  besoldet  &  wo  4  Stipendien  seyen;  stimmte  end- 
lich mit  ein  in  die  Versicherung;  wie  nöthig  eine  Verände- 
rung mit  ihm  &  eine  Wahl  eines  anderen  Rectoris  für 
diese  Schule  sey.  Allein  die  resolution  war:  dass,  da  er 
nicht  durch  seine  vocation  zu  privat  Stunden  verpflichtet 
sey,  er  wieder  seinen  Willen  nicht  dazu  angehalten  werden 
könne.  Er  hat  also  seitdem  keine  privat  gehalten  &  die 
Schule  muss  durch  seinen  Eigensinn,  der  Unterstüzung 
findt,  leiden.  (Chronik  S.  268.)  D.  1.  Dez.  fragte  der 
rector  Sprengel  bey  mir  schriftlich  an:  Ob  er  den  Sohn 
des  Juden  Gabriel,  den  ihm  der  ( »Inistlieutenant  von  Lattorflf 
empfohlen  habe,  in  die  Grosse  Schule  aufnehmen  dürfe? 
Ich  antwortete  ihm,  dass  die  Aufnahme  ohne  Bedenken 
geschehen  könne.  (Chronik  S.  270  1785.)  D.  23.  Juny 
verwies  ich  dem  rector  schriftlich,  dass  er,  ohne  mein 
Vorwissen,  zur  Schulzeit  verreist  sei  &  durch  candidaten 
seine  lectionen  versehen  lassen  &  erinnerte  ihn  an  seine 
vocation,  die  ihn  verbände,  in  soleben  Fällen  sich  vorher 
bey  mir  zu  melden,  auch  durch  seine  coUegen  seine  lec- 
tionen zu  besorgen. 

(Chronik  Seite  287.)     D.  8.  Januar    hatte   der  rector 


Sprengel  die  Secundaner  nicht  aus  der  Schule  lassen 
wollen,  als  sie  zu  den  rredigern  zum  Unterricht  im 
Christenthum  gehen  wollten,  auch  behauptet:  die  Prediger 
koenuteu  erst  um  lOh  den  Unterricht  anfangen,  wenigstens 
wäre  er  nicht  verbunden,  sie  eher  dazu  fortzulassen. 
Als  mir  11.  Fidler  dies  anzeigte,  bedeutete  ich  dem  I\Iann 
ernstlich,  dass  der  Unterricht  zum  Abendmahl  der  Schreib- 
stunde vorgehen  &  er  keine  Weitläufigkeiten  &  Hinder- 
nisse gegen  die  hier  eingeführte  &  nicht  so  leicht  abzu- 
ändernde ( )rdnung  machen  solle. 

(Chronik  S.  298.  1790.)  D.  Uten  Febr.  theilte  mir 
der  magistrat  eine  Klage  mit,  die  ein  Theil  der  Bürger- 
schaft wieder  den  rector,  der  ihnen  erst  Kosten  für 
Bücher  &  Landcharten  gemacht  habe,  wenn  er  ihre  Kinder 
heraufsezeu  solle  &  nun  sie  sizen  lasse;  der  nicht  auf  die 
andern  Lehrer  sähe;  der  sie  hinderte,  zum  Prediger  in 
Unterricht  zu  gehen;  der  aus  der  Religion  nichts  machte 


und  in  keine  Kirche  ginge 


angebracht   Jiatte 


um  mein  Gutachten  darüber,  dass  ich  dahin  gab: 


it  bat 
dass  in 
der  Klage  so  manch  unwahre  &  unerhebliche  Beschwerde 
unter  wenig  wichtigen  sey  &  dass  man  sie  nicht,  wie  die 
Bürgerschaft  verlange,  höheren  Orts  vorlegen  könne;  dass 
über  dem  die  Hauptveranlassung  der  Beschwerde,  nach- 
dem gestern  die  Kinder  heraufgesezt  worden,  bereits  ab- 
gethan  sey;  dass  endlich  die  wichtigsten  Klagen  noch 
einer  näheren  lieleuchtung  nöthig  hätten,  wenn  man  einen 
guten  Endzweck  erreichen  wollte. 


Gegen- 


Indess  man  Hess  ihn  d.  25.  Febr.  in  meiner 
wart  zn  Rathhause  kommen,  wo  er,  nach  einigen  Debatten, 
sich  nicht  abgeneigt  erklärte,  die  Wünsche  der  Bürger- 
schaft zu  erfuellen;  nur  moechte  man  ihm  schriftlich  zu- 
stellen, was  man  eigentlich  von  ihm  verlangte,  da  er 
dann  gleichfalls  darueber  schriftlich  sich  erklaeren  wollte. 

Unterm  20  März  wurde  ihm  diess  vom  Magistrat  & 
Insp.  geschrieben  (welches  ich  doch,  da  es  mir  aus  \'er- 
sehen  nicht  zur  Unterschrift  zugeschickt  war,  nicht  mit 
unterschrieben  hatte):  Er  sollte  auf  den  Schulfleiss  i*c 
Methode  der  andern  Lehrer  Acht  haben  &  bey  deren 
Maeugeln  in  letzterer  ihnen  mit  gutem  Ratli  zu  llülftc 
kommen;  die  Kinder  nicht  zurückhalten,  wenn  sie  aus  der 
Schule  zum  Prediger  gehen  wollten;  die  Jugend  mehr 
durch  Guete  als  Haerte  ziehen;  den  Religionsunterricht 
nicht  ])ei  Seite  sezen;  den  Unterricht  im  Briefstyl  >.*i:  Grie- 
ciiischen  nicht  versaeumen ;  hauptsaechlich  auch  wieder 
privat  Stunden  halten:  ohne  welchem  mau  die  Sache  ans 
Oberschulcollegium  bringen  werde. 

Er  antwortete  d.  oOten  Maerz  darauf:  dass  er  wohl 
wisse,  wie  man  Knaben  behandeln  muesse,  aber  auch, 
wo  Guete  nichts  helft'e,  Ernst  gezeigt  werden  nniesse; 
dass  er  selbst  Religionsunterricht  gebe,  aber  andere,  die 
keine  Gaben  haben,  darinn  zu  unterrichten,  dazu  nicht 
anweisen  koenne;  dass  er  solche  Knaben,  als  er  jetzt 
habe,    noch    keinen  Brief   zu  schreiben,    lehren    koenne; 


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Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  15. 


dass  er  den  Unterriclit  im  Sciioensclireil)en  für  nütliiger 
als  Griechischen  halte;  dass  er  die  privat  Stunden  nur 
unter  der  Bedingung  wieder  anfangen  koenne  1.)  dass 
die  vier  Nachmittagsstunden  davon  wegfallen,  2.)  dass 
12  Schüler  dazu  seyen,  die  jeder  vierteljährlich  2  Thlr. 
geben,  also  100  Thlr.  zusammen  konnnen,  als  soviel  man 
als  collaborator*)  beym  Wcrdcrschcn  Gymnasio  für  so- 
viele  Stunden  empfange,  3.)  dass  er  an  den  recordationen**) 
seinen  Theil  habe,  wenn  er  auch  nicht  mitgehen  &  koennten 
von  ihm,  conrector  &  Küster  in  der  Zeit  (Chronik  S.  299) 
Schulstunden  gehalten  werden  &  bloss  der  cantor  mit- 
gehen. Übrigens  seyen  in  der  Schule  einige  Luftfenster- 
chen  nöthig,  ferner  nothwendig,  dass  die  Tische  in  Sexta 
näher  an  einander  gel)racht  &  die  Schulstube  ausgeweisset 
werden.  Der  Justizrath  theilte  mir  dicss  mit  &  verlangte 
meine  Meinung  darüljer,  dem  ich  antwortete:  dass  wir 
auf  keine  Weise  damit  zufrieden  sein  koennten;  dass  seine 
Angaben  zum  Theil  unwahr,  zum  Theil  rechthaberisch  & 
eigensinnig  seyen  &  dass  man  ihm  geradezu  aufgeben 
nmesste  im  Briefstyl  oder  Griechischen  zu  informiren 
&  die  privat  Stunden,  wie  sie  hier  gebraeuehlich  waeren, 
zu  halten:  wiedrigenfalls  man  hoeheren  Orts  die  Sache 
ausmachen  würde.  Der  Polizeybürgermeister  Hertig  über- 
nahm das,  hats  aber  bis  1791  liegen  lassen,  da  davon 
weiter  vorkommen  wird. 

(Chronik  Seite  301)  ....  theils  der  z.  Z.  Cantor 
Bremer,  als  er  zum  letzten  Male  das  Cliorgeld  auszahlte, 
gegen  den  rector  sich  verging  tt  ihm  sein  freylich  zu  ge- 
ringes &  besser  verdientes  Zeugniss  vor  die  Füsse  warf. 
Da  der  rector  dies  dem  Gberconsistoiio  anzeigte  &  aut 
satisfaction  drang:  so  wurde  dem  Bremer  die  approbation 
zum  Zehdenickschen  Cantorat  versagt. 

(Chronik  Seite  303.)  Von  den  inspectoren  meiner 
Amtsgeschichte  1790  &  1791. 

....  Der  rector  Sprengel  hatte  im  Ausgange  des 
Februar  das  jährliche  Examen  gehalten  &  in  der  Foelde- 
richschenRede***)  nach  seiner  Gewohnheit  allerley  empfind- 
liche Sachen  über  anders  Denkende  &  Lehrende  ein- 
tliessen  lassen.  Als  er  einige  Tage  nachher  bey  der  Schul- 
conferenz  unwillig  that,  dass  so  wenige  Leute  &  kein 
einziger  Bürger  zugegen  gewesen:  so  sagte  ich  ihm,  wo- 
her das  käme  &  dass  in  jeder  seiner  Schulreden  Anzüg- 
lichkeiten wären,  die  die  Leute  von  ihm  vertrieben.  Dies 
wollte  er  nicht  einsehen  &  schickte  mir  den  4ten  Maerz  1791 
seine  letztere  Schulrede  zu,  damit  ich  darinn  bemerken 
möchte:  was  jemanden  darinn  emptindlich  sein  koeunte? 
Ich  unterstrich  ihm  verschiedene  Stelleu  &  schrieb  ihm, 
dass  er  gut  thun  wuerde,  dergleichen  zu  vermeiden  oder 
sich  endlich  alles  zu  Feinden  machen  wuerde,  was  doch 
der  rechthaberische  Mann  nicht  begreiffen  wollte.  — 

(Chronik  S.  305.)  Den  26.  Jnly  1791  hatte  endlich 
der  Polizeybürgermeister  Hertig,  was  er  schon  im  Maerz 
1790  übernommen  hatte,  dem  Oberschul  collegio  vorge- 
stellt, dass  unsere  Stadtschule  in  der  groessten  decadence 
sey,  was  man  keinem  Andern  als  dem  rector  zuschreiben 
koenne,  der  mit  Unlust  &  Haerte  lehre,  weder  mit  den 
Predigern  &  Schullehrern,  noch  mit  der  Bürgerschaft  sich 
vertrage;  gegen  alles,  was  Theologie  heisst,  beym  Unter- 
richt sich  unwillig  zeige;  durch  keine  Vorstellung  &  Zu- 
reden bessern  lasse;  das  Chor  vernachlaessige ;  keine 
jjrivat  Stunden  halte:  welche  Nachlaessigkeit  auf  die 
Unterlehrer  &  Schuljugend  die  traimgste  Würkung  habe. 


*)  collaborator  ^  nichtetatsmitssiger  Hilfslehrer. 
**)  recordationen  =  Geldgeschenke,  welche  die  Chorschüler, 
wenn  sie  bei  Beerdigungen    oder  andern  Gelegenheiten  gesungen 
hatten,  in  der  Chorbüchse  einsammelten. 

*■■'■*)  Zum  Halten  dieser  Rede  war  der  Rector  durch  das 
Foelderich'sche  Legat  verpflichtet,  welches  er  während  seiner 
Amtsdaucr  genoss. 


Er  bat,  Maassregeln  zu  ergreitfen,   dies  zum  Vortheil  der 
Stadt  abzustellen. 

Hiernach    ergieng    d.  6.  Sept.    ordre    an  mich,    hier- 
über desfordersamsten  Bericht  abzustatten.  Ich  that  diess 
&  bezeugte,  dass   alles  dies  &  noch  mehr  wahr  sye;  be- 
wies   aber    auch    sowohl    aus    der   ganzen  Denkungs-    & 
Lehrart  des  rectors,  als  aus  seiner  Unlust,  hier  zu  unter- 
richten &  besonders    aus    seinem  Mangel    an   Religion  & 
Menschenliel)e,  dass,  so  lange  er  hier  rector  seyn  werde, 
es  nicht  besser  werden  werde;  bat,  ihn  bey  einer  hoeheren 
Anstalt,  wo  er  nüzlicher  werden  koennte  &  unter  direetion 
eines  Mannes,  dessen  autoritaet  er  nicht  verkaeunte,  wer- 
den müsse,  anzustellen  &  bis  dahin  zur  Haltung  der  hier 
unentbehrlichen  privat  Stunden  anzuhalten;    einer  Sache, 
die  er  jetzt  unentgeldlich  thun  koenne,  da  einem  hiesigen 
rector   durch   testament    des  Hofstaatsholzschrcibers  Ebel 
ein  legat  von  fast  150  Thlr.  jährlieh  zugefallen.     (Dieser 
Ebel,    der  d.  31  August  zu  Berlin  verstorben  war,    hatte 
in    seinem    testament    vom    27ten  July   ej.  a.    festgesetzt, 
dass,    da    er    in  Spandow    gebohren    &  von    einem    ehe- 
mahligen    hiesigen    rector    nicht    nur    die    Grundlage    zu 
mancherley  nüzlichen  Kenntnissen  erhalten,    sondern  vor- 
nehmlieh auch  zur  Gottesfurcht  &  Tugend  geleitet  worden, 
wovon  er  sein  ganzes  Leben    hindurch    bis  jetzt    vielen 
Trost  &  Beruhigung    eingeerndtet  &   also   aus   Erfahrung 
wisse,  was  ein  geschickter,  erfahrener  &  menschenfreund- 
licher rector   einer  Schule  für  Nuzen    stiften    koenne,    er 
drey    1000  Thlr.,    wovon    2000    bey    der  Landscliaft    zu 
5  pro  Cent  &  1000   bey  der  Seehandlung  zu  4  pro  cent 
stünden,  legire,  deren  Zinsen  einem  jedesmaidigen  rector 
der  Spandow'schen  Stadtschule  zufallen  sollten,  damit  man 
hier  einen  solchen  Mann  haben  könnte,  der  sie  wieder  zu 
diesem    vorigen    Flor    brächte.)     Dies    legat    bewog    das 
Oberscinil  collegium,   d.  1.  Nov.  dem  magistrat  ä  mir  zu 
befehlen,  da  es  das  hiesige  Schulwesen  auf  einen  bessern 
Fuss  sezen  wolle,    fordersamst    den   jezigen    lectionsplan 
einzusenden  &  dabey  anzuzeigen,  zu  wieviel  oeft'entlichen 
Schulstunden  der  rector  verpflichtet  sey  &  ob  es  Schwürig- 
keit  finden  dürfte,  die  privat  Stunden,  sowie  es  in  andern 
Staedten    l)ereits   geschehen,    in    oefl'entliche  Stunden  für 
ein  maessiges  Schulgeld   zu  verwenden;    übcrhaujit  aber 
wegen  besserer  Einrichtung  des  hiesigen  Schulwesens  gut- 
achtliche   zweckmaessige  Vorschlaege  zu  thun.     Ehe    wir 
dies  thaten,  conferirten  wir  mit  dem  rector  &  sämmtliehen 
Schul    collegen    an    einem    aussergerichtlichen    Tage    zu 
Rathhause;    thaten  allerley  nüzliche  Wirschläge;    suchten 
besonders  den  rector  durch  Vorstellung  des  legats,  das  er 
erhalte,    &  der  Absicht    des   testatoris,    zu  Haltung    von 
privat  Stunden  zu  bewegen;  konnten  aber  nichts  l)ey  ihm 
ausrichten,    als  der  immer  dabey  blieb,    dass    dies    nicht 
buchstäblich  im  legat  von  ihm  gefordert  war.    Wir  über- 
reichten   also   d.  10.  Dec.   dem  Oberschulcollegio    1)  den 
bisherigen  lectionsplan  des  Rectors  &  einen  von  uns  etwas 
abgeänderten  &  uüzlichern    dergleichen;    bewiesen    für's 
2.),  dass  der  Rector  für  seine  Einnahme  zu  wenig  Stunden 
gebe,   &  nach   solchem  Zuwachs  an  Gehalt,    als    er    nun 
erlange,    taeglich  Vormittags   privatim   eine  Stunde  mehr 
gratis    geben    koenne,    legten    3)  dar,    dass    wegen    des 
Foelderich'schen  legats  hier  für  keine  oert'entlichen  Schul- 
stunden   was    ))ezahlet    werden    koenne;    zeigten    endlieh 
4),  dass  unserer  Schule  am  Besten  durch  Wegsezung  des 
Rectors    an  eine   hoehere  Schule   &  durch  Zurruhcsezung 
des  alten  Conrectors  Dilsehmann  geholfen  werden  koenne. 
Letzter  würde  gerne   aljgehen,    wenn   er  nur  von  seinem 
Nachfolger  jaehrlich  100  Thlr.  erhielte;    was  aber   nicht 
zu  erwarten  stünde,  da  die  Conrectorstelle  kaum  180  Thlr. 
trage.     Ersterm,   dessen  sichere  Einnahme  nach  Zuwachs 
des  Ebel'schen   legats  402  Thlr.  20  gr.  mache,    moechte 
man,    bis   zu  anderweitiger  Versorgung,    von  der  Rector- 


Nr.  15. 


Naturwissciiscliaftliclio  Wochensclirift. 


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ciniiajinic  jaehrlich  200  Tlilr.  lassen  &  kiimitc  hotil'en,  für 
das  Übrige  &  die  Aussiclit  der  Verbesserung-  einen  jungen, 
geseliickten  &  willigen  Mann  zu  erhalten.  Sollte  das 
Oberseliulcollegium  das  nielit  genelniiigen;  so  baetcn  wir 
wenigstens,  ihn  nachdriieklieh  zu  zweekniässigerer  (Chro- 
nik S.  306)  Haltung-  seiner  bisiierigen  oetf'entlichen  Stun- 
den i*v:  zu  wenigstens  6  neuen  Stunden  woechentlieli  l'ürs 
Ebel'sehe  legat  anzuhalten.  Unsere  Vorstellungen  hey 
ihm  deshalb  seyen  vergeblich  gewesen  &  doch  scy  es 
sowohl  die  Absicht  des  testatoris,  der  Schule  durch  ihn 
mehr  aufgeholfen  zu  sehen,  als  unsere  Pflicht,  für  die  Er- 
fuellung  dieser  seiner  sichtbaren  Absicht  zu  sorgen.  Er 
werde  sd  gut  dafür  Ijelohnct,  als  der,  wenn  er  nur  wolle, 
über  .''lOO  Thlr.  jaehrlich  haben  koenne,  &  behalte  nocli 
soviel  Zeit  für  sich  dabey  übrig,  dass  wir  uns  auf  nach- 
drückliche ünterstüzung-  des  Oberschulcollegii  Rechnung 
machen  koennten,  ohne  welche  die  schwierige  Bürger- 
schaft innnediatc  an  den  Koenig  gehen  nioechte. 

(1792.)  Wir  erhielten  hiernach  d.  17.  Jan.  1792  zur 
resdlutiiin,  dass,  obgleich  unser  lections  Entwurf  noch 
manche  Verbesserung  uoethig  haette,  es  doch  bey  der- 
niahligem  Unvermoegen  des  Conrectoris  raehrentheils  da- 
bey bleiben  nioechte;  auch  solle  Rector,  nach  unscrm 
Vorschlage,  woechentlich  sechs  Lehrstunden  mehr  geben, 
&  dadurch  dem  Ebelschen  legat  ein  Genüge  thun,  wovon 
drey  Stunden  zur  arithmetie  &  zum  elementarunterricht 
in  der  matheniatic,  zwey  Stunden  zum  Franzoesischen  & 
eine  zum  Lateinischen  angewandt  werden  moechte;  & 
sollten  wir  die  Tage  &  Stunden  dazu  mit  Zuziehung  des 
Rectoris  cintheilen. 

An  den  Rector  rescribirte  es  insbesondere,  dass  nicht 
zu  leugnen  sey,  dass  der  Rector  l)isher  zu  wenig  Lelir- 
stunden  gehabt  habe.  Es  werde  ihm  also  zur  Pflicht  ge- 
macht,  ausser  seinen  bisherigen  dreyzehn  Stunden  noch 
sechs  zu  übernehmen,  welches  um  so  nothwendiger  sey, 
als  er  von  jeher  zwanzig  oeffentliche  Lehrstunden  haben 
sollte;  welcher  Einrichtung  nur  durch  eine  naclitheilige 
combiuation  ausgewichen  worden.  Auch  sey  dies  der 
Stiftung-,  die  ihm  jezt  eine  so  ansehnliche  Verbesserung 
gewähre,  gemäss;  da  ihre  Absicht  die  Erneuerung  &  Er- 
haltung des  Flors  der  Spandowscheu  Schule  sey.  Er 
solle  also  künftig  haben  6  Lateinische  Lehrstunden  in  der 
oberen,  zwey  dergleichen  in  der  combinirten  dritten  & 
vierten  classe,  zwey  Stunden  zum  Religionsunterricht,  eine 
Stunde  zur  Naturgeschichte,  drey  Stunden  zum  Unterricht 
in  der  deutschen  Sprache,  verbunden  mit  practischen 
Üliungen  im  Briefstyl  &  andere  kleinere  Stylübungen, 
drey  Stunden  zum  Untcrriclit  im  Rechnen  &  überhaupt 
zum  mathematischen  elementarunterricht,  die  zwey  übrigen 
Stunden  zum  Französischen.  Da  in  dem  rescri))t  ihm  so 
sanft  begegnet  worden,  dass  sogar  seine  dem  (tber- 
schulcollegio    hinlänglich    bekannte    Geschicklichkeit    ge- 


rühmt worden;  so  machte  er  sich  das  zu  Nuze  bei  Ein- 
theilung  der  Stunden,  wo  wir  ihm  mehrcntiicils  den  Willen 
lassen  &  zufrieden  seyn  mussten,  dass  er  nun  doch  sechs 
Lehrstunden  mehr  zu  geben  hatte.  Die  neuen  lectionen 
gingen  erst  nach  Ostern  an,  weil  sich  die  Kinder  erst  die 
Buecher  dazu  anschaffen  mussten.  Zu  der  Zeit  wurden 
aueli  auf  seinen  Antrag  die  Schulstunden  nach  Mittags 
wieder  um  1  Uln-  angefangen,  die  seit  verschiedenen 
Jain-en  erst  um  halb  zwey  Uhr  angefangen  waren;  wo- 
durch er  theils  eine  halbe  Stunde  frueher  fertig  werden, 
theils  den  Lärmen  der  bald  nach  1  Uhr  sich  versannueln- 
den  Kinder  vom  Kirchhofe  wegschaffen  wollte. 

(Cln-onik  S.  407.  —  1794.)  1794  d.  26.  Aug.  wurde 
er  durch  rescript  aus  dem  Geistl:  departement  auf  150 
Rthlr.  pcnsion  gesezt  und  d.  22.  Sept.  vom  Magistrat  it 
mir  zum  neuen  Rector,  H.  M.  Carl  Ludewig  Schnitze  von 
hier  gebürtig,  gewählt,  der  auch  von  uns  d.  23ten  Oct.  ej.  a. 
vocirt  &  von  mir  introducirt  wurde. 


Aus  den  Acten  des  Gymnasiums  zu  Spandan. 

Im  Jahre  18.'')3  wurde  die  Schule  zum  Range  eines 
Progymnasiums  erhoben  und  am  15.  October  eröffnet. 
In  dem  aus  diesem  Anlass  gedruckten  Festprogramm  giebt 
der  damalige  Oberprediger  Gutlicke  eine  Geschichte  der 
Anstalt.  Ueber  die  Amtszeit  Sprengel's  flnden  sich  in 
dieser  Geschichte  nur  die  folgenden,  ohne  Zweifel  aus 
der  Schulze'schen  Chronik  entlehnten  Bemerkungen: 

1791  vermachte  der  Staatsholzschrciber  Ebell  3000 
Thlr.  dem  Rectorat,  davon  der  Rector  die  Zinsen  erhielt. 
Unter  dem  L'ector  Spi-engel,  einem  jähzornigen  und  eigen- 
sinnigen Mann  von  1780—93  fing  die  Schule  zu  verfallen 
an,  hob  sich  zwar  dann  unter  Carl  Ludwig  Schulze  wieder 
etwas,  sank  al)er  waehrend  des  Freiheitskrieges  und  nach 
demselben  unter  Plischkowsky  zur  gewöhnlichen  Bürger- 
schule, nur  dass  das  Lateinische  beiltehalten  wurde,  bis 
sie  zur  Zeit  ihren  gymnasialen  Character  wieder  anerkannt 
erhalten  hat. 

Weiteres  ist  aus  den  Acten  des  (iymnasiums,  welche 
der  derzeitige  Directoi-,  Herr  Dr.  Pfautsch,  auf  Ersuchen 
der  Redaction  der  „Naturw.  Wochenschrift'-  die  Liebens- 
würdigkeit hatte  darauf  hin  einzusehen,  nicht  zu  ent- 
nehmen. 

Die  Acten  der  Stadt  Sjjandau. 

Auch  in  dem  z.  Z.  im  Archiv  der  Stadt  aufbewahrten 
Theil  der  alten  Acten  der  ehemaligen  „Grossen  Schule'-, 
welchen  Herr  Stadtrath  Wolff  zu  diesem  Zweck  durch- 
zusehen die  Freundlichkeit  iiatte.  findet  sich  keine  weitere 
auf  Sprengel  bezügliche  Nachricht. 


Die  künstliche  Niicliiiliimniif  der  karyokiuetischeii 
Figur.  —  Wie  M.  Traube  1867  auf  clicmischcm  Wege 
wachsende,  künstliche  „Zellen"  erzeugt  hat,  um  zu  einem 
Verständuiss  des  Wachstiinms  der  lebenden  Zellwandung 
zu  gelangen,  so  hat  neuerdings  0.  Bütschli  versucht, 
sich  experimentell  die  Karyokinese  klar  zu  machen,  also 
die  Entstehung  der  eigcnthümlichen  bei  der  Zeilenkcrn- 
theilung  in  die  Erscheinung-  tretenden  Figuren  (Verhandl. 
der  naturh.-nied.  Ver.  zu  Heidelberg).  Schon  frühere 
Exj)crimente  des  Genannten  verfolgten  die  Richtung-  den 
Bau  des  Protoplasmas  verständlich  zu  machen,  indem  er 
z.  B.  durch  Schütteln  einer  Mischung  von  Oel  und  AVasser 
eine  der  Plasmastructur  ähnliche  Masse  insofern  erhielt, 
als    sie    sich    als  Wabenräumen    zusammengesetzt   zeigte. 


Gerinnende  (iclatinc-Oeischäume,  die  er  neuerdings  be- 
S(niders  eingeliend  stuiliit  hat,  zeigten  nun  bei  mikrosko- 
pischer Betrachtung  eine  von  den  Zclltlieilungsvorgängen 
her  bekannte  Erscheinung,  indem  in  der  Umgebung  von 
Luftblasen  eine  radiäre  Strahlung  „Sonnen"-Bildung  be- 
obachtet wurde,  die  an  die  Strahlung  an  den  beiden 
Polen  der  karyokinetischcn  Figuren  erinnerten.  Bei  der 
Abkühlung  der  Schäume  erleiden  die  Luftblasen  eine  Zu- 
sammenzichung,  und  es  entsteht  ein  Zug  auf  die  Um- 
gcbungsbestandthcilc  nach  der  Richtung  der  Blase,  dieser 
äussert  sich  durch  die  Badiärstructur  dieser  Bestandtheile. 
Wenn  zwei  Luftblasen  sich  in  einer  Entfernung-  von  ein- 
ander befinden,  dass  die  Zugwirkungen  beider  sich  merk- 
lich beeinflussen,  so  werden  die   beiden  Luftblasen   biru- 


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Naturwissenschaftliche  Wochenschiift. 


Nr.  15. 


eifönuig-,  indem  die  spitzen  Enden  beider  einander  zu- 
gekehrt sind.  Zwischen  zwei  solchen  Blasen  entsteht  eine 
Spindel-  bis  tonnenfönnige  Figur  durch  Ablenkung  der 
sonst  radiär  um  jede  einzelne  Luftl)lase  gruppirten  Strahlen : 
wir  erhalten  also  eine  mit  der  karyokinetisehen  übcrein- 
stinnnende  Figur. 

Nach  Bütschli  sind  demnach  die  Ceutrosomen  (Luft- 
blasen) die  Verursacher  der  „Sonnen";  freilich  nehmen, 
umgekehrt  wie  die  Luftblasen,  die  Centrosomeu,  wie  es 
scheint,  während  der  Bildung  der  Sonnen  an  Grösse  zu, 
aber  das  erklärt  der  Autor  als  nicht  sehr  belangreich  für 
den  Vergleich,  da  die  Vergrösscrung  offenbar  in  Folge 
der  Aufnahme  von  Flüssigkeit  stattfinde,  die  man  sich 
als  chemisch  mit  der  Centrosomcn-Substanz  gebunden  vor- 
stellen könne,  und  weil  die  Centrosomeu-Zuuahme  im 
Vergleich  mit  der  Abnahme  des  umgebenden  Plasmas 
geringer  sein  dürfte.  Eine  Probe  auf  diese  Anschauung, 
die  Bütschli  durch  Ilineinbringung  kleinster  Stückchen  ge- 
brannten (also  H^O  anziehenden)  (iypses  in  die  Schäume 
machte,  zeigte  die  Bereelitigung  derscllien,  indem  in 
der  That  auch  der  gebrannte  Gyps,  wenn  auch  be- 
schränkter, Strahlen  hervorruft. 

Die  die  Aequatorialplatte  bildenden  Partikelclien 
werden  nach  Bütschli's  Auffassung  durch  die  Zugwir- 
kungen der  beiden  Centrosomen  in  zwei  Gruppen 
zerlegt. 


lieber  „das  System  der  Farne"  hat  der  kürzlieli 
verstorbene  Prof  K.  Prantl  in  den  von  ihm  neu  heraus- 
gegebenen „Arl)eitcn  aus  dem  königlichen  botanischen 
Garten  zu  Breslau"  (vcrgl.  „Naturwissenschaitl.  Wochen- 
schrift" VII  S.  490)  einen  Abschnitt  begonnen,  iu  welchem 
er  auch  schon  die  Familien  der  Farne  neu  gruppirt.  Zum 
besseren  Vergleich  der  Nova  in  dem  Prantrschen  System 
wollen  wir  vorerst  kurz  an  die  bisherige  Gruppiruug  er- 
innern. Die  gesamnite  Grujjpe  sehen  wir  z.  B.  in  Eichler's 
Syllabus,  eingetheilt  in  1.  Filiees  und  2.  Riiizocarjjcae 
(Hydropterides),  letztere  mit  den  Familien  der  Marsilia- 
ceen  und  Salviniaccen.  Die  Filiees  sehen  wir  unterab- 
theilt  in  A.  Leptosporangiatae,  mit  einzcUschichtiger 
und  B.  Ensporangiatae,  mit  mehrzellschichtiger  Sporan- 
gienwand.  Die  Leptosporangiatcn  enthalten  die  Familien 
der  Mymenophyllaceen,  Polypodiaceen,  Cyatheaceen, 
Glcicheniaceen,  Schizaeaceen  und  Osmundaceen,  welche 
bekanntlich  alle  ebenso  wie  die  beiden  P'amilicn  der 
Eusporangiaten,  die  Marattiaceen  und  Ophioglossaccen 
auf  Grund  der  Verschiedenheiten  im  Sporangicnbau  klassi- 
ficirt  wurden.  Das  Prantl'sche  System  ist  wesentlich  ab- 
weichend. Er  sclieidet  die  Gesammtgruppe  in  I.  Pteri- 
dales  mit  den  Hymenophyllaceen,  Cyatheaceen,  Polypo- 
diaceen, Salviniaccen  und  Marsiliacecn  und  in  II.  Osmun- 
dales  mit  den  Schizaeaceen,  Gleicheniaceen,  Osmundaceen, 
Ophioglossaccen  nnd  Marattiaceen.  Im  Folgenden  einige 
Worte  zur  Begründung  dieses  neuen  Systems.  Die  Merk- 
male der  drei  erstgenannten  Familien  der  Pteridales, 
welche  eine  besondere  (iruppe  für  sich  bilden,  da  diese 
Merkmale  allen  ü))rigen  Familien  fehlen,  liegen  im  Auf- 
bau des  Sporangiums  und  in  der  Gestalt  des  an  dem 
Aufspringen  desselben  betheiligten  Ringes.  Dieser  ver- 
läuft entweder  der  Länge  nach  oder  nahezu  der  Länge 
nach  —  etwas  schräg.  Das  Aufspringen  erfolgt  <lurch 
einen  Spalt  an  der  einen  Seite  des  Sporangiums.  Beson- 
ders bemcrkenswerth  ist,  dass  sännutliclie  Hymenophylla- 
ceen und  Cyatheaceen  nnd  eine  Tribus  der  Polypodiaceen 
auszeichnende  Vorhandensein  eines  „Receptaculums",  d.  h. 
eines  von  einem  besonderen  Trachcidenbündel  durch- 
zogenen, vom  fertilen  Nerv  sich  erhebenden  Polsters. 
Dieses  Receptaculum  fehlt  den  Familien  der  Osmundales 
durchgehends.     Bei  der  letztgenannten  Gruppe  öffnen  sich 


die  Sporangien,  im  Gegensatz  zu  denjenigen  der  Pteri- 
dales, durch  einen  in  ihrer  Symmetrieebene  verlaufenden 
Längsspalt.  Eine  rechtwinklig  zu  diesem  orientirte  Zell- 
gruppe, welche  mechanisch  bei  dem  Aufspringen  mitwirkt, 
ist  in  der  Nähe  des  Scheitels  des  Sporangiums  mehr  oder 
minder  vollkommen  entwickelt  oder  fehlt.  Die  Entwick- 
lungsgeschichte mit  Berücksichtigung  von  Uebergangs- 
formen  zwischen  den  leptos])orangiaten  und  eusporangiaten 
Familien  der  Osmundales  lehrt,  dass  auf  die  Ein-  oder 
Mehrzellschichtigkeit  der  Sporangienwandlung  nicht  das 
Gewicht  zu  legen  ist,  wie  in  dem  früheren  System  ge- 
schehen ist.  Nach  Prantl  ist  in  den  Eutwickluugsvor- 
gängen  eine  von  den  Schizaeaceen  bis  zu  den  Ophio- 
glossaccen und  Marattiaceen  aufsteigende  Reihe  zu  er- 
blicken, in  welcher  die  Segmentirung  der  Sporangien- 
mutterzelle  stetig  an  Bedeutung  für  den  Aufbau  der 
Wandung  abnimmt  und  schliesslich  vollständig  verschwin- 
det. Auch  in  anderen  Punkten  zeigen  sich  wesentliche, 
charakteristische  Uel)ereinstimnun)gen  zwischen  den  lepto- 
sporangiatcn und  eusporangiaten  Osnunulales.  Die  Glciche- 
niaceen und  jMarattiaceen  besitzen  in  der  Entwicklung 
ihrer  Sporangien  augenscheinlich  die  meiste  Aehnlichkeit 
mit  den  Schizaeaceen  Itezw.  Ophioglossaccen,  und  Prantl 
hat  sie  daher,  da  sie  ferner  keinen  unmittelbaren  An- 
schluss  an  die  übrigen  Familien  erkennen  lassen,  vorläu- 
fig den  beiden  letztgenannten  Familien  angeschlossen. 
Von  den  sonst  immer  von  den  echten  Filiees  ausgeschlosse- 
nen Salviniaccen  und  Marsiliacecn,  die  schon  durch  ihre 
Heterosporie  von  den  übrigen,  den  isosporen  Filicinen, 
al)weichen,  zeigen  die  Salviniaccen  in  dem  Aufbau  der 
Sporangien,  in  den  Besitz  des  Receptaculums  und  Indu- 
siums  eine  so  unverkennbare  Uebereinstinnnung  mit  den 
Pteridales,  dass  nach  Prantl  ein  Zweifel  an  ihrer  Zuge- 
hörigkeit zu  diesen  kaum  aufkommen  kann.  Wenn  man 
auch  zu  den  Marsiliacecn  von  der  Heterosporic  absieht, 
so  ist  auch  bei  dieser  Familie,  wegen  des  Besitzes  eines 
Receptaculums,  die  Zugehörigkeit  zu  den  Pteridales  zu  ver- 
muthcn.  Bezüglich  des  i)hylogenetischen  Zusammenhanges 
der  Pteridales  mit  den  Osmundales  macht  die  Auffassung 
des  Sorus  als  fertilcr  Blattstrahl,  ohne  Rücksicht  auf  die 
Anzahl  der  Sporangien  und  auf  die  Nebenapparate  wie 
Rece|)taculum  und  Indusium,  einen  gemeinschaftlichen 
Ursprung  dieser  beiden  Reihen  wahrscheinlich.  P. 


Die  Arbeiten  zur  Errichtung  eines  Observatoriums 
auf  dem  Mont-Blanc,  über  deren  Inangriffnahme  wir  den 
Lesern  dieser  Zeitschrift  bereits  in  No.  35  {des  vorigen 
Jahrganges  berichteten,  sind  inzwischen  rüstig  weiter- 
geschritten. Bevor  wir  indess  auf  die  neuen  Pläne  des 
Herrn  Janssen  eingehen,  wollen  wir  an  der  Hand  einer 
Notiz  von  A.  Lawrence  Rotch  im  „American  Meteoro- 
logical  Journal"  (Vol.  IX,  No.  9,  January  1893)  einen 
kurzen  ücberblick  über  die  bisher  auf  dem  Montblanc 
schon  bestehenden  ]k'obachtungsstati(nien  geben.  Die  da- 
bei in  Betracht  kommenden  Oertlichkeiten  erhellen  aus 
der  beistehenden,  jener  Notiz  entnommenen  Zeichnung. 

Die  erste  auf  dem  Montblanc  errichtete,  noch  jetzt 
bestehende  meteorologische  Station  war  das  Vallot-Obser- 
vatorium  auf  dem  „Rocher  des  Bosses";  es  besteht  seit 
1890  und  ist  etwa  4400  m  hoch  gelegen.  Ausgerüstet  ist 
es  nut  vielen  meteorologischen  und  physiologischen  In- 
strumenten, von  denen  aber  nur  ein  registrirendes  Ther- 
mometer, ein  Hygrometer  und  zwei  registrirende  Baro- 
meter (Quecksilber-  und  Aneroid  Barometer)  in  Thätigkeit 
zu  erhalten  gesucht  werden.  Diese  Ajiparate  sind  sämmt- 
lich  von  der  bekannten  Richard  Freres'schen  Construction, 
und  es  brauchen  nur  alle  vierzehn  Tage  die  Papiere  er- 
neuert uud  die  Uhrwerke  aufgezogen   zu  werden.     Wäh- 


Nr.  15. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


151 


Grands  Miilets      Rui;hcrs  Ronges 


rcnd  des  Sommers  wird  diese  Arbeit  mit  ziemlicher  Regel- 
iiiässigkcit  durch  Herrn  Vallot  selbst  oder  die  Führer 
besorgt,  immerhin  aber  kommen  hier  schon  einzelne  ünter- 
bi-echungen  vor;  im  Winter  sind  die  Apparate  hingegen 
günzlii'h  ausser  'J'hiltigkeit. 

Aclinlich  ausgerüstet  mit  Instrumenten  ist  die  im 
Jahre  1891  durch  den  Französischen  Alpen-Club  auf  den 
„(irands  Mulets"  (ca.  3050  m)  errichtete  Hütte.  Die  Er- 
gebnisse der  gesammten  von  Herrn  Vallot  während  der 
letzten  sieben  Jahre  auf  dem  Montblanc  vorgenommenen 
r.cobaclitungen  sollen  in  Kurzem  von  ihm  in  den  Annalen 
des  Montblane-01)scrvatoriums  veröffentlicht  werden  nnter 
Re])niduction  von  einer  Zahl  der  durch  die  erwähnten 
Instrumente  erhaltenen  Aufzeichnungen. 

AVas  nun  das  von  Herrn  Janssen  geplante  Obser- 
vatorium auf  dem  Gipfel  des  Montblanc  anbetrifft,  so 
hatten  wir  schon  in  unserem  ersten  Bericht  über  dies 
Projekt  geschildert,  dass  die  Versuche,  ein  festes  Felsen- 
Fundament  für  eine 
Hütte  zu  finden,  ge- 
scheitert waren  und 
dass  Janssen  deshalb 
sich  entschlossen  hatte, 
das  Observatorium  di- 
rcct  in  dem  Schnee 
zu  errichten.  Die  That- 
sache,  dass  die  ver- 
suchsweise an  dem 
Ostabhange  erriclitete 
kleine  Hütte  den  Winter- 
stürmen Widerstand  ge- 
leistet hat,  diente  dazu, 
ihn  in  seinem  Plane  zu 
bestärken  und  zur  Aus- 
führung desselben  alles 
vorzubereiten.  Es  soll 
nun  zuvörderst,  als  Zu- 
fluchtsstätte für  die 
Arbeiter,  eine  Hütte  auf 
den  „Riichers  ßouges", 
etwa  100  m  unter  dem 
Gipfel,  gebaut  werden;  Nordabhang- 

später  soll  dieselbe  et- 
was   bequemer    einge- 

riclitet  werden,  um  zur  Vornahme  von  astronomischen 
Arbeiten  Gelegenheit  zu  gewähren.  Das  Gipfelobser- 
vatorium würde  aus  numerirten  Stücken  in  Paris  gebaut, 
dann  auseinandergenonnnen  und  nach  Chamounis  gesandt, 
von  wo  sie  in  600  Trägerlasten  auf  den  (iipfel  geschafft 
werden  sollen.  Das  Gebäude  wird  die  Form  einer  ab- 
gestumpften Pyramide  erhalten,  um  sowohl  die  Stand- 
festigkeit im  Schnee  zu  erhöhen  als  auch  dem  Winde 
einen  geringen  AViderstand  zu  leisten;  um  etwaige  Ver- 
schiebungen wieder  ausgleichen  zu  k('innen,  sollen  die 
Hauptpfeiler  mit  Schraubenwindungen  zur  Zurückbewegung 
verseilen  werden,  wie  sie  schon  an  der  Basis  des  Eiffel- 
thurmes  zur  Anwendung  kamen. 

Zu  zwei  Dritteln  seiner  ganzen,  etwa  8  ni  betragenden 
Höhe  wird  das  Oi)servatorium  im  Schnee  vergraben  werden. 
Die  Thüre  wird  demgemäss  in  etwa  einem  Drittel  der 
Höhe  von  oben  angebracht  werden,  in  gleichem  Niveau 
mit  dem  äusseren  Schneeboden  mid  dem  Fussboden  des 
Gebäudes,  unter  welchem  sozusagen  im  Kellerraume  die 
Wohnung  sich  liefinden  wird.  Diese  Wohnung  wird  in 
mehrere  (icmächer  für  den  Director  und  seine  Assistenten 
getheilt,  während  der  obere  Raum  den  Touristen  und 
Führeru  zum  Aufenthalt  dienen  soll.  Beide  Räume  werden 
durch  eine  Wendeltreppe  mit  einander  verbunden  sein,  die 
zugleich    zu    zwei    Plattformen    führen    wird,    auf   deren 


Gipfel  des  Mont-Blanc 


höchster  die  verschiedenen  meteorologischen  Instrumente 
aufgestellt  werden  sollen. 

Für  Heizungs-  und  Koch-Zwecke  werden  kleine,  An- 
thraeit  brennende  Oefen  aufgestellt;  gegen  jede  Feuers- 
gefahr sind  die  weitgehendsten  Vorsichtsmaassregeln  er- 
griffen worden. 

Als  Director  des  Observatoriums  wurde  Hr.  G.  Oapus 
gewonnen,  ein  hervorragender  Gelehrter  und  kühner 
Forscher,  welcher  Galiriel  Bonvalot  auf  seiner  Durch- 
(|uerung  der  unbekanntesten,  völlig  wegelosen  Gegenden 
(les  Hochplateaus  von  Pamir  in  Gentralasien  begleitete; 
wochenlang  niussten  diese  lieiden  Forscher  bei  Tempera- 
turen von  —40°  in  Höhen  sicli  aufhalten,  die  der  des 
Montblanc  völlig  gleichkonimen.  Vdraussichtlich  werden 
ständige  Beobachtungen  zwischen  April  und  Dezember  ge- 
macht werden.  E.  K. 

Der  Planet  Mars    und    die  Discussion  seiner  iiliysi- 

kalischen  Beschaflen- 
lieit  sind  seit  der 
letzten  Opjiosition  im 
August  1892    im   Vor- 


Rocher  des  Uosses 


des  Mont-Blanc. 


dergrunde  des  astrono- 
mischen Interesses  ver- 
blieben. Es  sind  eine 
ganze  Reihe  von  Hy- 
pothesen aufgestellt 
worden ,  welche  die 
merk^vürdigen  Ober- 
flächenzeichnungen und 
namentlich  die  Verdnii- 
pcluug  der  sogenann- 
ten Canäle  erklären 
sollten.  Indessen  ge- 
winnt man  doch  den 
Eindruck,  dass  in  die- 
ser Beziehung  etwas 
zu  viel  des  Guten  ge- 
than  würde.  Die  mei- 
sten dieser  Theorien 
und  Erklärungsver- 
suche sind  auf  den 
ersten  Blick  ja  wohl 
einigermaassen  be- 
stechend, halten  einer  näheren  l'rüfuug  aber  doch  nicht 
Stand,  wie  das  namentlich  aueii  der  Fall  ist  mit  der 
neulich  an  dieser  Stelle  zur  Mittlieilung  gebrachten  Er- 
klärung der  Verdoppelung  der  Canäle,  die  Herr  Stanislas 
Meusnier  gegeben  hat.  Gleiches  gilt  auch  von  der  in  der 
„Deutscheu  Revue"  ausgesiirochcnen  Meinung  des  Herrn 
Schmidt,  wonach  es  sich  beim  Mars  nicht  um  AVasser-, 
sondern  um  Kohlensäuremeere  handelt. 

Dagegen  scheint  eine  neuere  Ansieht  eingehendere  Er- 
wägung zu  verdienen,  welche  Herr  Schaeberle  vom  Lick- 
Observatory,  Mt.  Hamilton,  vor  kurzem  im  Astrouoraical 
Journal  veröffentlicht  hat.  Die  allgemeine  Ansicht  geht 
bekanntlich  heutzutage  dahin,  dass  die  dunkeln  Flächen 
auf  dem  Mars  als  Wasser,  die  hellen  als  Land  anzu- 
sprechen sind.  Herr  Schaeberle,  der  mit  dem  niäciitigen 
Instrumente  von  Mt.  Hamilton  den  Planeten  seit  dem 
11.  Juni  1892  bis  in  die  letzten  Tage  des  vorigen  Jahres 
beobachtet  hat,  neigt  nun  dazu,  gerade  das  Gegentheil 
anzunehmen.  Nach  ihm  sind  die  hellen  Gegenden  Meere 
und  die  dunkeln  Land.  Man  wird  sich  nicht  ganz  dem 
Argumente  des  ealifornischeu  Astronomen  entziehen  können, 
dass  die  ganz  unregelniässigen  Abstufungen  des  Sciiatteiis, 
welche  wir  zu  erwarten  haben,  wenn  die  dunkeln  Flächen 
Land  sind,  eine  ganze  Reihe  von  Obertläehenzeichnungcn 
ungezwungen  erklären,  die  ein  Räthsel  bleiben,  wenn  mau 


152 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  15. 


sie  als  unverändei'liche  Gebilde  auffassen  will.  Es  kommt 
noch  ein  anderes  hinzu.  AVenn  eine  sphärische,  in  leiser 
Bewegung-  begriffene  Wasserfläche  Licht  rcflectirt,  so  muss 
dessen  Intensität  stark  variiren.  Zur  Zeit  der  Opposition 
würde  der  Mittelfjunkt  des  Mars,  wenn  dieser  eine  AVasser- 
oberfläche  hat,  am  hellsten  erscheinen  müssen.  Die  Be- 
obachtungen zeigen  in  der  That,  dass  in  einem  gewissen 
Abstand  vom  Rande  des  Planeten  nach  dem  Ceutrum  hin 
eine  stufenweise  Zunahme  des  stetigen  Glanzes  der  hell- 
sten Stellen  stattfindet.  Wenn  nun  die  dunkeln  .Stellen 
Wasser  wären,  so  müssten  dieselben  am  wenigsten  dunkel 
sein  nahe  der  Mitte  der  Planeteuscheibe;  dies  wird  aber 
durch  die  Beobachtung  nicht  bestätigt.  Die  „Canäle" 
hält  Schaeberle  für  die  Kämme  von  Gebirgszügen,  die 
mit  ihrer  Masse  ins  Wasser  getaucht  sind.  Was  die  Ver- 
doppelung der  Canäle  anbelangt,  so  meint  S.,  dieselbe 
sei  durch  die  Annahme  von  l'arallclketten,  wie  sie  ja 
auch  auf  der  l]rde  vurkonmicn,  hinreichend  zu  erklären. 
An  diesem  Punkte  freilich  werden  alle  j)hysikalisclien  Mars- 
theorien schwach.  Denn  die  Verdoppelung  findet  nicht 
überall  auf  dem  Planeten  immer  statt.  Und  gerade  das 
können  wir  nicht  erklären.  Auch  Schaeberle's  Theorie 
lässt  hier  im  Stich,  obgleich  sie  noch  einige  Wahrschein- 
lichkeit erhält  durcli  den  Umstand,  dass  ihr  Autor  eine 
von  ihm  fortwährend  gemachte  terrestrische  Beobachtung, 
die  hierher  gehört,  anführen  kann. 

Die  Bai  von  San  Francisco  ist  50  engl.  Meilen  von 
Mt.  Hamilton  entfernt.  Zu  jeder  Tageszeit  nun  erscheint 
von  der  Lick  -  Sternwarte  aus  die  Bai  l)edeutend  heller 
als  das  benachbarte  Land,  welches  sich  in  gleicher  Ent- 
fernung vom  Observatorium  befindet.  Und  dabei  ist  zu 
bemerken,  dass  dies  der  Fall  ist  für  alle  relativen  Stel- 
lungen von  Sonne  und  Bai  zum  Beobachter;  es  ist  ganz 
ebenso,  wenn  die  Sonne,  am  frühen  Morgen,  genau  der 
Bai  gegenübersteht,  uud  wenn  sie,  Abends,  mit  derselben 
in  gleicher  Richtung  vou  Mt.  Hamilton  aus  gesehen  wird. 

Die  S.'sche  Theorie  hat,  wie  gesagt,  Wahrscheinlich- 
keit für  sich.  Aber  es  muss  auch  hier  doch  noch  ge- 
prüft werden,  ob  sie  mit  der  Gesammtheit  unserer  Mars- 
beobachtungen vereinbar  ist.  Und  dies  umsomehr,  als  sie 
offenbar  eine  völlige  Umwälzung  unserer  Vorstellung  von 
der  physikalischen  Natur  des  Mars  und  von  den  Vor- 
gängen auf  diesem  Planeten  bedingt.  Grs. 


Erwiderung. 

Nur  wenige  Worte  möchte  der  Unterzeichnete  gegen- 
über der  Kritik  aussprechen,  die  Herr  Dr.  M.  Klein  an 
meinem  Aufsatz  über  die  Erklärbarkeit  der  unmittel- 
baren Gedankenübertragung  oder  mentalen  Suggestion 
geübt  hat. 

In  seiner  Anmerk.  2 1  sagt  der  genannte  Herr :  „Diese 
—  seine  —  Ansicht  stiunnt  mit  allen  Erfahrungsthat- 
sachen  übercin,  insbesondere  auch  nnt  dem  Gesetze  von 
der  Erlialtnng  der  Energie  (das  durch  Annahme  der 
Wechselwirkung  —  meine  Ansicht  —  aufgehoben 
wirdj"  und  ferner  in  der  gleichen  Anmerkung:  „.  .  .  der 
dualistischen  Wechselwirkungs  -  Hypothese,  die  .  .  .  im 
fundamentalen  Gegensatze  zum  Gesetz  von  der  Erhaltung 
der  Energie  steht."  —  Hierin  liegt  ausgesprochen:  Da 
die  dualistische  Hypothese  dem  Gesetz  von  der  Erhaltung 
der  Kraft  widerstreitet,  kann  sie  nicht  richtig  sein.  Dieser 
Schluss  stimmt  nur  dann,  wenn  das  Kraft-Gesetz  unbe- 
dingte Giltigkeit  besitzt.  Das  aber  kann  man  bezüglich 
des  Gebietes  des  Geistigen  nicht  behaupten.  Daher  kann 
der  Widerstreit  der  dualistischen  Hypothese  gegen  das 
Kraft-Gesetz  die  erstere  nicht  hinfällig  machen.  Ich 
halte  es  vielmehr  mit  W.  Wundt,    der  einem  bei  jedem 


Entschluss  stattfindenden  Zuwachse  geistiger  Energie  das 
Wort  redet. 

Anme;!:.  3):  „Abhebungen"!  —  Ein  blosses  Wort, 
das  gar  nichts  klar  macht,  das  die  Proldeme  nicht  im 
geringsten  einer  Liisung  näher  führt. 

Anmerk.  4):  „, Entschluss'  und  .Willensfestsetzungen' 
Begleiterscheinungen  von  Hirn  Vorgängen." 


sind 


—  Ja:  w.em  erscheint  denn  da  etwas  —  nach  materia- 
listisch-mouistisch-„])arallelistischer"    Anschauungsweise?! 

—  Was  übrigens  den  Ausdruck  „Materialisten"  betrift't 
(Anmerk.  ü),  so  soll  er,  wie  er  von  mir  gebraucht  worden 
ist,  in  der  That  ein  Sammelname  sein  für  Materialisten, 
Monisten,  Hylozoistcn,  „Parallelisten"  u.  s.  w.  Die  An- 
schauungen aller  dieser  konnnen  nämlich  im  Grunde  auf 
eins  hinaus,  wie  ich  dies  hinsichtlich  des  sogenannten 
„Monisnms"  in  meiner  im  ..Zwanzigsten  Jahrhundert" 
(1892,  Heft  11—12)  erschienenen  Abhandlung  „Die  Ent- 
wicklung des  menschlichen  Geistes  im  Lichte  des  neueren 
Darwinisnuis"  nachgewiesen  habe. 

Anmerk.  10) :  „Soll  eine  ,geistige  F^inwirkung',  eine 
Gedankenübertragung  eines  Menschen  auf  einen  andern 
erfolgen,  so  ist  eine  solche  nur  denkbar,  wenn  der 
andere  die  betreffenden  Gedanken,  d.  h.  also  die  die- 
selben ausdrückenden  Bewegungen  .  .  .  wahrnimmt."  — 
Ja,  das  ist  eine  Behauptung,  aber  bewiesen  ist  sie 
nicht.  Eine  unbewiesene  Behauptung,  die  sich  als  An- 
schauung im  Kopfe  des  Menschen  festsetzt,  ist  aber  als 
ein  Dogma  zu  bezeichnen.  Und  dieses  Dogma  ist 
falsch,  denn  ich  habe  gezeigt,  wie  sich  eine  mentale 
Suggestion  —  mag  sie  nun  wirklich  so  erfolgen  oder 
anders  oder  überhaupt  nicht  stattfinden  —  wenigstens 
denken  lässt. 

Anmerk.  15):  Das  „relativ  hölzerne  Eisen"  des  Herrn 
Dr.  Klein  ist  doch  etwas  ganz  anderes  als  die  relativ 
unl)ewussten,  geistigen  Vorgänge,  von  denen  ich  gesprochen 
habe.  Die  geistigen  Vorgänge  z.  B.,  die  sieh  im  Innern 
des  Herrn  Dr.  Klein  abspielen,  sind  mir  nicht  bewusst, 
sie  sind  also  relativ  unbewusst;  so  sind  auch  die 
geistigen  Vorgänge,  von  denen  in  meinem  Aufsatz  die 
Rede  ist,  zwar  dem  Unterbewusstsein  bewusst,  nicht  aber 
dem  wachen  Ich,  also  sind  sie  relativ  unbewusst.  Hoffent- 
lich wird  dies  Herrn  Dr.  Klein  verständlich  sein,  und  er 
wird  einsehen,  dass  er  mir  unrechter  Weise  logische  Un- 
klarheiten zugemuthet  hat. 

Auf  die  übrigen  Ausführungen  und  Angriffe  des 
Herrn  Dr.  Klein  gehe  ich  nicht  ein,  weil  ich  der  Mei- 
nung bin,  dass  der  vorurtheilslos  prüfende  Leser  aus  den 
Auseinandersetzungen  in  meinem  Aufsatze  das  Material 
entnehmen  kann,  auf  Grund  dessen  sich  die  Anschauungen 
meines  Kritikers  als  hinfällig  erweisen.  Eine  eingehende 
Discussion  aller  einzelnen  Punkte  wurde  ausserdem  an 
dieser  Stelle  viel  zu  weit  führen.*) 

Dr.  K.  F.  Jordan. 


Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben. 

Es  wurden  ernannt:  Unser  Mit.arbeiter,  der  Custos  am  Kgl. 
botanischen  Garten  zu  Berlin,  Dr.  F.  Pax,  zum  ordentliclien  Pro- 
fessor der  Botanik  und  Direetor  des  Kgl.  botan.  Gartens  in  Bres- 
lau. —  Dr.  Will  ach,  Repetitor  au  der  Pathologischen  Anstalt 
der  thierärztlichen  Hochschule  zu  Berlin  zum  Docenten  für  Thier- 
heilkundo  am  Polyteclniicum  in  Karlsruhe. 

Es  ist  gestorben :  Der  Mineraloge  und  Geognost  Professor 
Senft  in  Eisenach. 


*)  Herr  Dr.  Klein  wird  in  der  nächsten  Nummer  auf  die 
obigen  Aeusserungen  des  Herrn  Dr.  Jordan  eine  kurze  Ent- 
gegnung bringen.  Eed. 


Nr.   15. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


1.^3 


l)ir  llaii|it\ crsiimmliiiiK  der  Deutschen  Gesellschaft  für  an- 
gewandte Chemie  wird  vom  23.  bis  ".'6.  Miii  in  Frcihcrf^  in  Sai-lisrii 
iibs'elialten  werden. 

Zu  einer  Session  extraordinaire  de  la  Societe  botanique  de 

France    zur    Feier    des    oOOjälirigen    Bestehens    der    Gesellseluit't 
ladet  sie  zum  ÜO.  bis  28.  IVIai  nach  Montpellier  ein. 


L  i  1 1  e  r  a  t  u  r. 

Schutt,  Dr.  Franz,  Analytische  Plankton-Studien.  Ziele,  'Slc- 
tliiiden  und  Ani'angs-Kesultate  der  i|uantitativ-aualytiselieu  Plank- 
tiinfursebuMfr.  Verla<;'  von  Lipsius  u.  Tiseher.  Kiel  und  Leipzig 
1892.  8"  117  S.  nebst  mehreren  Tabellen  und  einer  Karte. 
Der  Zweck  dieser  interessanten  Sehrift  ist  einerseits  das  von 
Prof.  Hensen  eingeschlagene  Verfahren  zur  Bestimmung  der  im 
Meerwasser  vorhandenen  Menge  lebender  Wesen  mit  logischer 
Sebärfe  zu  begründen  und  die  dagegen  erhobenen  Bedenken  zu 
widerlegen,  andererseits  eine  Anzahl  der  durch  dieses  Verfahren 
bis  jetzt  erreichten  Ergebnisse  darzustellen.  In  ersterer  Beziehung 
wird  zunächst  hervorgehoben,  dass  es  das  Wesen  und  der  Werth 
dieses  Verfahrens  ist,  an  Stelle  der  unbestimmten  subjectiven 
Schätzung  bestimmte  o1)jective  Zahlenangaben  zu  setzen,  wie 
es  der  exacten  Wissenschaft  geziemt,  und  dass  diese  Aufgabe 
zwar  eine  sehr  grosse,  viel  Arbeit  erfordernde  ist,  aber  doch 
keineswegs  eine  aussichtslose;  so  verschieden  aueh  die  Menge  der 
Thiere  und  Pflanzen  in  einem  Cubikmeter  Wasser  nach  Zeit  und 
Ort  sein  mag.  so  ist  diese  Verseliiedenheit  doch  kein  regelloses 
Spiel  des  Zufalls,  sondern  hängt  eben  auch  von  natürlichen  Ur- 
sachen ab,  die  unter  gleichen  Umständen  gleich  wirken  und  des- 
halb eine  statistische  Behandlung  zulassen.  Welchen  Unterschied 
ilarin  die  Strömungen,  die  verschiedenen  Klimate  und  Jahreszeiten 
machen,  das  kann  eben  nur  dadurch  erkannt  werden,  dass  man 
unter  diesen  verschiedenen  Umständen  wiederholt  mit  der  gleichen 
Methode  Untersueluingeu  anstellt,  um  dadurch  vergleiehl)aro  V.r- 
gebnisse  zu  bekcmimen.  Der  erste  bewusste  Schritt  hierzil  im 
Grossen  ist  die  Hensen'sche  Plankton-Expedition  im  .Jahre  1889, 
deren  Weg  im  atlantischen  Ocean  auf  der  boigegebenen  Karte 
verzeichnet  ist;  schon  vorher  war  in  Kiel  und  in  der  Ostsee  eine 
Reihe  einschlägiger  Versuche  und  Beobachtungen  zur  Feststellung 
der  besten  Art  und  Weise  des  Verfahrens  vorhergegangen.  Im 
Golf  von  Neapel  hat  der  Verfasser  Untersuchungen  nach  derselben 
Methode  zum  Vergleich  mit  denen  im  atlantischen  Ocean  gemacht. 
Es  handelt  sich  hierbei  nicht  darum,  möglichst  viel  zu  fangen, 
sondern  möglichst  sicher  zu  erfahren,  wie  viel  und  wie  vielerlei 
in  einem  nach  Masse  und  Ort  bestimmten  Theile  des  Wassers 
vorhanden  ist.  Um  auch  die  kleinen  mikroskopisehen  Gebilde 
zurückzuhalten,  aber  doch  noch  das  Wasser  durchströmen  zu 
lassen,  hat  sich  die  von  den  Müllern  gebrauchte  seidene  Beutel- 
gaze mit  Maschonweite  von  0  002J  O"-  Mill.  am  besten  er- 
wiesen; um  sicher  zu  sein,  dass  alles  im  Weg  des  Netzes  l)etind- 
liche  Wasser  auch  wirklich  durchgesiebt  wird  und  nicht  etwa  ein 
Theil  des  Wassers  länger  im  Netze  verbleibt,  ein  anderer  dem- 
zufolge nur  bei  Seite  geschoben  werde,  ohne  in  das  Netz  einzu- 
treten, mu5s  die  Eingangsötfnnng  des  Netzes  kleiner  sein,  als  die 
Summe  der  Ausgangsöffnungen,  d.  h.  der  Maschcnlöcber;  um  zu 
wissen,  durch  wieviel  Wasser  und  in  welchen  Tiefen  das  Netz  seinen 
Weg  gemacht,  muss  es  bei  mögliehst  unbewegtem  Sehift'  senkrecht 
herabgelassen  und  beraufgezogen  werden,  da  bei  Vorwärtsbewe- 
gung des  Schiffes  und  mehr  horizontalem  Zuge  der  Weg  des 
Netzes  eine  krumme,  schwer  zu  berechnende  Linie  bildet.  Diese 
und  ähidiche  Vorbedingungen  zu  einem  einigermaassen  zuver- 
lässigen Ergebnisse  werden  eingebend  erörtert.  Um  die  Unter- 
schiede in  der  Menge  lebender  Wesen  nach  der  Tii'fe  zu  erkennen, 
genügt  es  schon,  an  dei'selben  Stelle  das  Netz  mehrere  Mal  und 
zwar  liis  zu  verschiedenen  Tiefen  hinabzusenken  (Stufenfänge);  der 
positive  Unterschied  des  Fangergebnisses  der  tieferen  Züge  von  dem- 
jenigen der  minder  tiefen  ergiebt  Zahl  und  Art  der  Bewohner  der  tie- 
feren Schichten;  Vorrichtungen,  welche  ermöglichen,  das  Netz 
nach  Belieben  in  einer  durch  die  Länge  der  ausgelassenen  Leine 
erkennbaren  Tiefe  zu  öffnen  und  zu  schlicssen,  vereinfachen  und 
sichern  diese  Erkundung  gegen  verschiedene  Zufälligkeiten.  Die 
Unterschiede  in  der  Horizontalverbreitung  werden  eben  durch 
Netzzüge  bis  zu  gleichen  Tiefen  an  verschiedenen  Orten  ermittelt, 
zunächst  auf  ungefähr  gleiche  Entfernungen  und  dann  so  bald 
eine  äussere  Ursache,  ein  Einsetzen  einer  Strömung,  Aenderung 
in  der  Farbe  des  Wassers  u.  dgl.  dazu  auffordert.  Wie  der  In- 
halt des  Netzes  möglichst  vollständig,  namentlich  auch  durch  Be- 
spritzung des  Netzes  von  aussen,  zu  sammeln  und  zunächst  auf- 
zubewahren ist,  müssen  die,  welche  es  nachmachen  wollen,  in 
der  Schrift  selbst  nachlesen.  Nun  beginnt  aber  erst  nach  der 
Rückkehr  an  Land  die  eigentliche  zeitraubende  Arbeit  der  Ge- 
lehrten; denn  nur  zu  wissen,  wie  viel  organischer  lebender  Stoff 
in    einem    gewissen  Theile  Wasser   vorhanden    ist,    nach  Umfang 


(A'olumen)  oder  Gewicht,  genügt  weder  für  die  allgemein  wissen 
schaftliche  Kenntniss  vom  Stoff-Haushalt  in  der  Natur,  noch  für 
bestinnnte  Fragen  und  Hoffnungen  betreffs  der  Fischerei.  Wir 
wollen  wissen,  was  für  lebende  Wesen  es  sind,  ob  pflanzliche, 
die  den  organischen  Stoff  aus  den  unorganischen  Elementen  erst 
bilden,  oder  thierische,  die  denselben  nur  weiter  umbilden,  und 
wie  der  Zahl  nach  sich  diese  zu  einander  verhalten,  in  welcher 
Menge  weiterhin  die  einzelnen  Gattungen  und  Arten  derselben 
vorhanden  sind.  Dazu  müssen  die  einzelnen  Individuen  bestimmt, 
d.  h.  nach  Gattung  und  Art  erkannt,  und  dann  abgezählt  werden, 
was  eine  ungeheure  Arbeit  ist,  da  es  sich  vorwiegend  um  mikro- 
skopische Gebilde  und  sehr  grosse  Zahlen  handelt,  aueh  wenn 
man  sich  dieselbe,  wie  selbstverständlich,  dadurch  erleichtert, 
dass  man  von  jedem  Ergebniss  eines  Netzzuges  nur  einen  ge- 
ringen bestimmten  Bruehtheil  unter  den  nöthigen  Vorsichtsmaass- 
regeln  absondert  und  wirklich  durchzählt.  Wie  das  im  Einzelnen 
gemacht  wird,  welche  Fehlerquellen  vorkommen  und  wie  dieselben 
zu  erkennen  und  möglichst  zu  vermindern  sind,  namentlich  auch 
durch  wiederholtes,  sich  gegenseitig  controlirendes  Verfahren,  das 
muss  ebenfalls  der,  welcher  es  im  Einzelnen  kennen  lernen  will, 
in  der  Schrift  selbst  nachlesen. 

Was  nun  die  bis  jetzt  erreichten  Ergebnisse  betrifft,  so  dürften 
etwa  die  folgenden  hervorzuheben  sein: 

Der  bei  weitem  grösste  Theil  der  im  Meereswasser  frei 
schwimmenden  oder  treibenden  lebenden  Wesen  wird  von  mikro- 
skopisch kleinen  Pflanzen  und  Thieren  gebildet,  wie  Diatomeen, 
Flagellaten,  Radiolarien  u  dgl.  Die  grösseren,  schon  mit  blossem 
Auge  deutlich  erkennbaren  Thiere.  wie  t^uallen.  Salpen,  Fische 
übertreffen  nur  in  zwei  unter  den  100  im  atlantischen  Ocean  ge- 
machten Netzzügen  an  Umfang  (Volumen)  die  mikroskopischen, 
während  in  79  Zügen  gar  keine  grösseren  gefangen  wurden.  Der 
Durchschnitt  des  Volumens  der  grösseren  zu  dem  der  mikro- 
skopischen lebenden  Wesen  verhält  sich  in  den  21  Zügen,  welche 
überhaupt  grössere  heraufbrachten,  nach  einer  annähernden  Be- 
rechnung aus  den  der  Schrift  beigegebenen  Tabellen  (Vol.  3  zu 
Vol.  1)  wie  1:17,  für  sämmtliche  100  Züge  also  ungefähr  wie 
1  :  85.  Dabei  muss  man  allerdings  bedenken,  dass  die  ganz  grossen 
Fische  und  Walthiere  selbstverständlich  nicht  in  das  Netz  kamen. 
Andererseils  sind  in  dieser  Rechnung  nicht  einliegriffen  die  Schleim- 
massen (Vol.  2  der  Tabellen),  wohl  grossentheils  lebende  oder  ab- 
gestorbene Radiolarien,  und  die  allerkleinsten  mikroskopischen 
Wesen,  wie  die  Bakterien,  welche  das  Netz  nicht  festzuhalten 
vormag;  die  für  die  ersteren  angegebenen  Zahlen  und  für  die 
letzteren  die  von  dem  Bakteriologen  der  Expedition,  Prof.  Fischer, 
gemachten  Beobachtungen  machen  es  aber  wahrscheinlich,  dass 
durch  diese  das  Verhältniss  nicht  sehr  wesentlich  verändert  würde. 
Es  sind  also  hauptsächlich  die  mikroskopischen  Thiere  und 
Pflanzen,  bis  zu  einer  gewissen  Grössengrenze  herab,  welche  in 
Betracht  kommen  und  diese  werden  in  der  Schrift  mit  dem 
kürzeren  Ausdruck  „K  lein -Plankton"  bezeichnet. 

Das  Gesamm  t- V  ol  u  m  en  dieses  Klein-Planktons  in  einer 
Wassermasse  von  20  Kubikmetern  wechselt  im  atlantischen  Ocean 
zwischen  1,5  und  167  Kubikeentimeter,  am  häufigsten  kamen  2  bis 
20  Kubikeentimeter  vor,  also  1  Volumen  lebende  Wesen  auf  1  liis  10 
Millionen  des  gleichen  Volumens  an  Wasser.  Und  zwar  ist  hier 
das  gemeint,  was  in  der  Schrift  als  Roh-Volumen  bezeichnet  wird, 
die  aus  dem  Netz  erhaltene  Masse  mikroskopischer  Thiere,  in  Al- 
kohol nach  24stündigein  Absetzenlassen  in  einem  Messcylinder 
abgelesen.  In  der  Ostsee  wurden  mehrmals  bedeutend  höhere 
Zahlen  erhalten. 

Betreffs  der  Tiefe  gelten  all'  diese  Angaben  für  eine  Wasser- 
säule von  der  Oberfläche  bis  200  Meter  hinab;  grössere  Tiefen  sind 
viel  ärmer  an  Thieren  und  Pflanzen. 

Was  die  Unterschiede  in  der  Horizontalverbreitung  über  die 
verschiedenen  Meerestheile  betrifft,  so  giebt  die  der  Sehrift  bei- 
gefügte Karte  ein  anschauliches  Bild  hiervon,  indem  auf  der- 
selben der  Weg  durch  den  atlantischen  Ocean  je  nach  der  ver- 
hältnissmässigen  Menge  des  Klein-Planktons  durch  einen  breiteren 
oder  schmaleren  blauen  Streifen  angegeben  ist.  Es  wird  daraus  sofort 
ersichtlich,  dass  die  Menge  des  Klein-Planktons  auf  längere  Strecken 
annähernd  dieselbe  bleibt  und  Aenderungen  derselben  mit  Aende- 
rungen  in  den  physikalischen  Verhältni.ssen  des  Wassers,  nament- 
lich den  Strömungen,  zusammenhängen;  dieses  giebt  zugleich  das 
Vertrauen,  dass  die  erlangten  Resultate  nicht  vom  Zufall  ab- 
hängig, sondern  wirklich  in  der  Natur  begründet  sind.  Am 
ärmsten  an  Klein-Plankton  ist  das  Wasser  da,  wo  keine  Strö- 
mungen vorhanden  sind,  in  der  Sargasso-See,  trotz  des  Reich- 
thums  an  grösseren  flottirenden  Pflanzen  nur  2  bis  höchsten  6 
Kubikeentimeter  in  20  Kubikmetern.  Die  bei  weitem  reichste 
Ausbeute  ergaben  zwei  Züge  in  der  Nähe  der  Südspitze  von  Grön- 
land, wo  die  kalte  Strömung  aus  dem  Eismeer  auf  das  wärmere 
Wasser  des  atlantischen  Oceans  trift't  und  zwar  war  es  an  bi'iih'u 
Stellen  eine  und  dieselbe  Diatoniee,  Svnedra,  deren  ungi'mein 
zahlri'iches  Vorkommen  167  und  162  Kubikeentimeter  auf  20  Kidiik- 
metcr    ergab.      Das    nächste    reiche   Resultat    ergab    ein    Netzzug 


154 


Naturwissenschaftliche  Wochensclirift. 


Nr.  15. 


zwischen  der  Insel  Ascension  und  dem  Aequiitor  im  Gebiet  der 
von  Afrika  nach  Brasilien  gehenden  südäquatorialen  Strömung, 
68  Kubikcentimeter.  Im  Gebiet  der  nordäquatorialen  Strömung, 
zwischen  dem  Aequator  und  '20°  Nordbreite,  schwanken  die  Ergeb- 
nisse nur  zwischen  4  und   16  Kubikcentimetern. 

Bezüglich  den  Verschiedenheiten  nach  der  Jahreszeit  giebt 
selbstverständlich  eine  einzelne  Fahrt  noch  keine  Ergebnisse,  da 
hierzu  Beobachtungen  an  demselben  Ort  zu  verschiedenen  Zeiten 
nöthig  sind;  wir  haben  darüber  nur  Aufschlüsse  aus  Küsten- 
gegenden durch  frühere  Beobachtungen  von  Prof.  Hensen  in  der 
Ostsee  und  später  von  dem  Verfasser  im  Golf  von  Neapel,  wie 
auch  betreffs  der  Radiolarien  früher  von  Prof.  K.  Brandt,  ebenfalls 
in  Neapel  gemacht.  Diese  ergeben,  dass  zu  bestimmten  Jahreszeiten 
bestimmte  Arten  in  ganz  überwiegend  grosser  Menge  vorkommen, 
z.  B.  in  der  Ostsee  die  Diatomee  Rhizosolenia  alata  im  Juni  und 
Juli,  die  Peridinee  Ceratium  tripus  im  October,  die  Diatomee 
Chaetoceros  im  März  und  dieselbe  Gattung  bei  Neapel  im  No- 
vember. Die  starke  Zunahme  einer  einzelnen  Gattung  zu  einer 
gewissen  Jahreszeit  kann  selbst  die  Zahl  des  Gesamnit-Volumens 
anschwellen  lassen  (wie  es  vermuthlich  auch  bei  den  oben  ge- 
nannten reichen  Fängen  bei  Grönland  der  Fall  ist),  aber  doch 
nicht  in  demselben  Maasse,  da  zu  anderen  Jahreszeiten  wieder  an- 
dere Gattungen  in  grösserer  Menge  vorkommen.  So  entsteht  für  ein- 
zelne Arten  eine  stärkere,  für  das  Gesammt- Volumen  eine  schwächere 
Jahres-Curve,  welch  letztere  z.  B.  bei  Neapel  im  November  ein 
Ma.ximum  von  12  Kubikcentimetern  hatte  und  den  Winter  hin- 
durch langsam  aber  stetig  sank,  den  ganzen  Januar,  Februar  und 
März  nicht  1  Kubikcentimeter  überschritt  und  am  11.  März  mit 
0,2  ihr  Minimum   hatte. 

Länger  fortgesetzte  Beobachtungsreihen  unter  Einhaltung 
derselben  Methode  sind  selbstverständlich  auch  hier  wie  in  der 
Meteoi-ologie  nöthig,  um  den  Einfluss  des  Zufalls,  d.  h.  so  zu  sagen 
der  Individualität  des  Jahrganges,  zu  eliminiren  und  die  Gesetz- 
mässigkeit festzustellen,  und  es  dürften  noch  Jahre  vergehen,  bis 
auch  nur  die  auf  der  Hensen'schen  Expedition  gemacliten  Fänge 
alle  im  Einzelnen  durcligearbeitet  sein  werden,  aber  die  vor- 
liegende Schrift  stärkt  doch  das  Vertrauen,  dass  auf  diesem  frei- 
lich mühevollen  Wege  ein  neues  Gebiet  für  die  exacte  Naturkunde 
zu  erobern  ist  und  giebt  einige  erste  Grundlinien  desselben. 

E.  V.  Martens. 

Koloniales  Jahrbuch.  Herausgegeb.  von  Gustav  Meinecke. 
Fünfter  Jahrgang.  Das  Jahr  lS',)-2.  Berlin,  Carl  Heimann.  1893. 
8".  308  S.  Der  Haupttheil  des  vorliegenden,  nun  bereits  zum 
fünften  Male  erscliienenen  Jahrbuches  hat  naturgemäss  einen  re- 
ferirenden  Charakter:  es  behandelt  die  wichtigeren  Ereignisse 
und  die  haupt.sächlichen  Richtungen,  in  denen  sieh  die  kolonisa- 
torische Thätigkeit  unserer  Reichsregierung  wie  diejenige  der 
einzelnen  Gesellschaften  und  Vereine  im  verflossenen  Jahre  be- 
wegt hat,  in  einer  sehr  übersichtlichen  und  durchaus  sach};emässen 
Darstellung,  so  dass  dasselbe  allen  denjenigen  Lesern  dieser  Zeit- 
schrift empfohlen  werden  kann,  welche  die  Tagespresse  und  die 
Publicationen  der  einzelnen  Gesellschaften  nicht  näher  zu  ver- 
folgen in  der  Lage  sind:  Besprochen  werden  zunächst  die  Kolo- 
nialpolitik im  Reichstage,  die  deutsche  Kolonialpolitik  überhaupt, 
die  vom  Antisklaverei-Comite  veranlassten  Expeditionen  sowie  die 
Thätigkeit  des  Kolonialraths;  hieran  reihen  sich  knappe  Ueber- 
sichten  über  die  in  den  einzelnen  deutschen  Kolonien  und  Schutz- 
gebieten herrschenden  Verhältnisse,  deren  Verwaltung,  Kämpfe 
u.  s.  w.  unter  besonderer  Berücksichtigung  der  verschiedenen, 
von  der  Regierung  veröffentlichten  Denkschriften,  von  denen  na- 
mentlich diejenige  über  Ostaf'rika  ihrer  Bedeutung  gemäss  aus- 
führlich besprochen  wird. 

Mittheilungen  über  den  Etat  der  Kolonien  und  Besprechung 
verschiedener  litterarischer  Erscheinungen  beschliessen  diesen  refe- 
rirenden  Theil.  Ausserdem  bietet  aber  das  Jahrbuch  auch  dies- 
mal, wie  dies  schon  bei  den  früheren  Jahrgängen  der  Fall  war, 
noch  eine  Reihe  von  Originalbeiträgen,  welche  wir  kurz  anführen: 

1.  Plantagen-Kultivation. 

2.  Emin  Pascha  und  Wissman  (Herausgeber). 

3.  Europäer  und  Araber  in  Deutsch-Ostafrika  von  W.  E.  An- 
driessen  in  Amsterdam. 

4.  Beiträge  zur  Charakteristik  des  ostafrikanischen  Negei-s 
von  A.  Seidel. 

5.  Das  Tropenklima  und  sein  Einfluss  auf  das  Leben  und  die 
Lebensweise  des  Europäers  von  Dr.  ( ).  Sc  he  Hing  in  Königsberg. 


6.  Unsere  Kolonialgrenzen  und  ihre  Vermessung  von  Dr 
0.  Kerstan. 

7  Die  evangelische  Missionsthätigkeit  in  den  deutschen  Schutz- 
gebieten.    Rundschau  für  1891  und  1892  von  E.  Wallroth. 

8  Die  katholischen  Missionen  in  den  deutschen  Schutzgebieten 
von  Karl  H  espers  in  Köln. 

Mehrere  dieser  Artikel,  besonders  der  erste,  dritte  und  fünfte, 
verdienen  nach  der  Ansieht  des  Referenten  allgemeinste  Beach- 
tung und  Beherzigung,  doch  soll  hier  nur  auf  den  ersten  mit 
einigen  Worten  eingegangen  werden. 

Die  Plantagenkultivation  wird  mit  vollem  Recht  als  das  erste 
Erforderniss  rationeller  Wirthschaftspolitik  bezeichnet,  die  bis- 
herigen Anfänge  einer  solchen  in  unseren  Kolonien  einer  kurzen 
Besprechung  unterzogen  und  vor  Allem  mit  Nachdruck  auf  die 
Gewinnung  von  tüchtJigen,  mit  den  tropischen  Kulturverhältuissen 
vertrauten  Praktikern  hingewiesen.  In  Ostafrika  verspricht  na- 
mentlich die  hügelige,  wohlbewässerte  und  fruchtbare  Landschaft 
Bondei  mit  den  bis  über  1200  m  hohen  Hondei'bergon  reichen 
Ertrag  an  Tabak  und  Kaffee  zu  geben,  doch  erfordert  der  Kaffee- 
baum mehrjährige  Kultur,  ehe  er  Erträge  liefert  und  verlangt 
daher  bedeutende  Anlage-Kapitalien.  Vielversprechend  sind  im 
Kamerungebiet  bekanntlich  die  Caeaopflanzungen,  welche  aber 
erst  nach  Verlauf  von  10  Jahren  ihre  reichen,  dann  wohl  ein 
volles  Jahrhundert  andauernden  Ernten  liefern.  Unter  den 
leichter  zu  raschen  Erträgen  führenden  einjährigen  Kultur- 
pflanzen unserer  Kolonien  liefert  der  Tabak  sowohl  in  Kamerun 
z.  B.  auf  der  Bebuedipflanzung,  wie  in  Osfafrika  z.  B.  in  Lena 
und  auf  Neuguinea  (P-rima)  bereits  sehr  werthvolle  Producte;  für 
Baumwolle  liegen  die  Verhältnisse  bis  jetzt  im  Bismarck-Archipel, 
wosi'lbst  auch  die  Cocospalme  trett'lich  gedeiht,  am  günstigsten, 
während  man  in  Afrika  noch  mit  Versuchen  beschäftigt  ist. 

Fr.  Kegel. 

Journal  of  the  Royal  Microscopical  Society.  London  und 
Edinburgh.  Theil  ü.  —  Alit  dem  vorliegenden  Theile  schliesst  der 
Jahrgang  1892  ab.  An  Abhandlungen  sind  die  folgenden  enthalten: 
Wm.  West:  Algen  aus  dem  Englischen  Seen-Bezirk.  Seit  Ende 
der  Siebziger  Jahre  hat  sich  der  Verfasser  mit  dem  Sammeln  und 
.Studium  der  Algen  beschäftigt  und  legt  jetzt  seine  Resultate  vor. 
Von  den  589  Arten  und  78  Varietäten,  welche  er  aufführt,  sind  eine 
Gattung,  21  Arten  und  23  Varietäten  für  die  Wissenschaft  über- 
haupt, 27  Species  und  10  Varietäten  für  die  Britischen  Inseln  neu. 
Hierzu  2.  Tafeln.  —  Frederick  Chapmau:  Die  Foraminifcren 
des  Gaults  von  Folkestone.  (Fortsetzung.)  Beschreibung  von 
Gattungen  und  Arten.  2  Tafeln.  Den  grössten  Theil  des  In- 
haltes bildet  eine  Uebersicht  über  die  neuesten  Forschungen  auf 
den  Gebieten  der  Zoologie  und  Botanik,  Besehreibungen  von  In- 
strumenten für  Mikroskopie  etc.  etc.;  ferner  die  Berichte  über 
die  October-  und  November-Sitzungen,  sowie  endlich  ein  Ver- 
zeichniss  in  dem  Bande  vorkommender  biologischer  Ausdrücke, 
die  entweder  neu  sind  oder,  wenn  alt,  eine  andere  Auslegung  er- 
fahren haben.  F.  K. 

Transactions  of  the  Zoological  Society  of  London.  Bd.  VI  IL, 

Theil  4.  —  E.  T.  Newton:  Ueber  einen  Schädel  von  Trogon- 
therium  Cuvieri,  Fischer,  aus  dem  Forest  Bed  von  East  Kunton 
bei  Cromer.  Von  diesem  der  Gattung  Castor  verwandten  Nagethier- 
Geschlecht,  das  zuerst  von  Fischer  aus  Ablagerungen  am  Asow- 
schen  Meere  beschrieben  wurde,  hatten  sich  in  England  bislang 
nur  der  Untei-kiefer  und  ganz  geringe  Reste  des  <  )berkiefers  ge- 
funden, die  von  Richard  Owen  aber  richtig  erkannt  und  zu  Tro- 
gontherium  Cuvieri  gestellt  worden  waren.  Jetzt  ist  von  derselben 
englischen  Lokalität  ein  gut  erhaltener  Schädel  erlangt  worden, 
der  Gegenstand  der  Abhandlung  ist.  Die  Untersuchungen  an  dem- 
selben haben  die  Zugehörigkeit  zu  Trog.  Cuvieri,  die  Verwandt- 
schaft mit  Castor  und  die  Identität  von  Conodontes  boisvillettii, 
Gervais,  aus  dem  Pliocän  von  Saint-Prest  mit  dieser  Form  be- 
stätigt, so  dass  der  Fischer'sche  Name  den  Vorzug  zu  erhalten 
hat.     Hierzu  eine  Tafel.     F.  K, 

Rühl,  F.,  Die  palaearktischen  Grossschmetterlinge  und  ihre  Natur- 
geschichte.    1.  u.  2.  Lfg    Leipzig,    ä  1,20  M. 

Sandberger,  F.  v..  Die  Lagerung  der  Muschelkalk-  und  Letten- 
kohlen-Gruppe in  Unterfranken.     Würzburg.     0,60  M. 

Schapira,  D.,  Der  Hypnotismus  in  seiner  psychologischen  Beziehung 
und  forensischen  Bedeutung.     Berlin.     0,80  M. 


Inhalt:  Dr.  Karl  Schaefer:  Die  Chemotaxis  der  Leucocyten.  —  Dr.  Robert  Mittmann:  Material  zu  einer  Biographie  Christian 
Konrad  Sprengel's.    (Schluss.)  —  Die  künstliche  Nachahmung  der  karyokinetischen  Figur.  —  Ueber  „das  System  der  Farne".  — 

—  Die  Arbeiten  zu  Errichtung  eines  Observatoriums  auf  dem  Mont-Blanc.   (Mit  Abbild.)  —  Erwiderung.  —  Der  Planet  Mars.  — 
Aus  dem  wissenschaftlichen   Leben.  —  Litteratur:    Schutt,   Dr.   Franz:    Analytische   Plankton-Studien.    —   Koloniales  .Jahrbuch 

—  Journal  of  the  Royal  Microscopical  Society.  —  Transactions  of  the  Zoological  Society  of  London.  —  Liste. 

Verantwortlicher  Redakteur:  Dr.  Henry  Potonie,  Berlin  N.  4.,  Invalidenstr.  40/41,  für  den  Inseratentheil:  Hugo  Bernstein  in  Berlin.  — 
Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12.  —  Druck:  G.  Bernstein,  Berlin  SW.  12. 


Nr.   15. 


Natiifwissenschaitliclic  Wochensclirift. 


XXIX 


♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ 

X        Die  „Yost"-Schreibina.sc]une  ist  dif  jüngste,  1889  ti- ♦ 

♦  schienriie   und   anerkiliiiit    lic-ito    Cdiis^triiction   Vost's,   des    Er-  ♦ 

findcr.s  der  ,Ive-  ^ 
inington"-  (1873  ♦ 
bis  78)  und  „CiUi-  ♦ 
{jnipli"  -  Schreib-  ^ 
ni,-i.scliine  (188Ü),  ♦ 
und  übertrifft  J 


♦ 
♦ 
♦ 
♦ 
♦ 

♦ 


diese  wie  alle  ^ 
anderen  Systeme  ♦ 
sownld  in  lueelui-  ♦ 
nisclior  «  ic  prak-  ^ 

tiselierBezieh'.iMK  ♦ 
und  wiril  von  * 
jedem  Fuclmurnne  ^ 
iilä  das  Ideal  ♦ 
einer  Selireib-  T 

miiseliine  be-  ^ 

trachtet.  ♦ 


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Optik,  electro  MaKnetismu.s,  Magnetis- 
mus, Mechanik,  Galvanik  und  Hydraulik, 
Unter  andern  grosse  2  Zyl.  Luftpumpe, 
S  Nebenapparate,  Eleetrisirmaschine,  -' 
Scheiben  (,su  Cent.  Durchm.),  12  Nebeu- 
apparate,  complett  ganz  aus  Eisen  als 
Modell  gearbeitete  Dampfmaschine.  1 
Paar  grosse  Krennspiegel,  Oentrifugal- 
Ma,schine,  12  Nebenapparate  etc,  etc. 

(i.  Lemcke,  nof-opt.  f.  Mech, 
Oldenburg  I./Grossh. 


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XXX 


Niiturwisscnspliaftliflie  Woclicnsclini't. 


Nr.   15. 


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?ierstellije  lopritliniiscli-TripnoDietrisctie  Tafeln 

für  die 

Decimalteilung  des  Quadranten, 

nebst 
Tafeln  der  Logarithmen  der  Zahlen,  Antilogarithmen,  Tafeln  der 
Zahlenwerte   der   trigonometrischen   Funktionen,   ausführlichen 
Quadrattafeln  und  Logarithmentafeln    der  Hyperbelfunktionen. 

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Harry  Gravelius. 

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iMylH'joiibcvc  bcr  oui;ci"ciivüpäij(l)cii, 

mib  ödjilötntiuji  ilirrr  öciuoljucc 

unter  hrlonticrcr  ßcriirhridjttguno  örr  iiaiffttit  Ofntbrriiuuii6iTirrii. 

©cbilbctcii  gvcuiibcii  bev  ©itfiiiibc  cjcunbiiict 

uuii 

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^    @Itic  'Huflagc.    ^ 

3icucr  Slhbrucf  bcr  nciiutcii,  uon  Dr.  2-.  .^Inlii'dicr  neu  bitrtfigcferjcncu 
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Ein  Ausflug  uacli  Spitzbergen. 

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BergreferendiU-. 

Mit  wissenschaftlichen  Beiträgen  von  Prof,  Dr.  Holzapfel, 

Dr.  Karl  Müller-Hallensis,  Dr.  P.  Pax,  Dr.  H.  Potouie 

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In  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung  iu  Berlin  sind  erschienen: 


Allgemein -verständliche  naturwissenschaftliche  Abhandlungen. 


(Seitaralabdrücke  aus  der  „Natiirwis.seiiscliafÜi(lieii  Woclieiisclirift.") 


Heft  1. 


3. 


lieber   den   sogenannten  vierdimensionalen    Raum 

von  Dr.  V.  Scidegel. 

Das  Rechnen  an  den  Fingern  und  Maschinen  von 

l^-ol.   Dr.   ,A.  Sc-hubert. 

Die  Bedeutung  der  naturhistorischen,  insonderheit 

der  zoologischen  Museen  von  Professor  Dr.  Karl 

Kraepelin. 

Anleitung    zu    blütenbiologischen    Beobachtungen 

von  Prof.  Dr.  E.  Loew. 

Das  „glaziale"  Dwykakonglomerat  Südafrikas  von 

Dr.  F.  M.  Staijtf. 

Die  Bakterien  und  die  Art  ihrer  Untersuchung  von 

Dr.  Ivob.  Mittniann.     Mit  8  Holzschnitten. 

Die  systematische  Zugehörigkeit  der  versteinerten 

Hölzer  (vom  Typus  Araucarioxylon)  in  den  palaeo- 

litischen  Formationen  von  Dr.  II.  Potonie.     Mit 

1  Tafel. 

Ueber  die  wichtigen  Funktionen  der  Wanderzellen 

im    thierischen    Körper    von    Dr.    E.   Korsclielt. 

Mit   10  Holzschnitten. 

Ueber  die  Meeresprovinzen  der  Vorzeit   von  Dr. 

F.  Frech.     Mit  Abbildungen  und  Karten. 


t 


1 


Heft   10.    Ueber  Laubfärbungen  von  L    Kny.     Mit  7  Holz- 
schnitten. 

,,  11.  Ueber  das  Causalitätsprincip  der  Naturerschei- 
nungen mit  Bezugnahme  auf  du  Bois-Reymonds 
Rede:  „Die  sieben  Welträthsel"  von  Dr.  Eugen 
Dreher. 

„  12.  Das  Räthsel  des  Hypnotismus  von  Dr.  Karl  Friedr. 
Jordan. 

„  lo.  Die  pflanzengeographische  Anlage  im  Kgl.  bota- 
nischen Garten  zu  Berlin  von  Dr.  11.  Potonie. 
Mit  -1   Tafeln. 

14.    Untersuchungen  über  das  Ranzigwerdender  Fette 

\  on  Dr.   Ed.  Ritsert. 

„     15.    Die    Urvierfüssler  (Eotetrapoda)    des  sächsischen 

Rothliegenden   von   Prof.  Dr.  Hermann  Credner 
in  Leipzig.     Mit  vielen  Abbildungen. 

„     IG.    Das  Sturmwarnungswesen  an  den  Deutschen  Küsten 

von  Prof  Dr.  \V.  J.  van  Bcbbcr.    Mit    1  Tafel 
und  5  Holzschiutten. 


Preis:    Heft  1-4  ä  50  Pf..  Heft  5—16  a  1  M. 


^  Redaktion:         7         Dr.  H.  Potonie. 

Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12,  Zimmerstr.  94. 


VIH.  Band.                 Sonntag,  den  K).  April  1893. 

Nr.  10. 

Abonnement:  Man  abnnnirt  bei  allen  Bucliliandlungon  und  Post-             j             Inserate:  Die  viergespaltene  Petitzeile  40  »«,.    Grössere  Aufträge  ent- 
anstalten.  wie  bei  der  Expedition.    Der  VierteljahrspTeis  ist  JC  3.—            GÖ            sprechenden  Rabatt.  Beilagen  nach  üebcreinkunft.  Inseratenannahme 
Bringegeld  bei  der  Post  Ih  -i  extra.                                          JL                             bei  allen  Aiinocenbureaux,  wie  bei  der  Expedition. 

Abdruck  ist  nnr  mit  voliständig^er  <{nelleiiaiisabe  gestattet. 

Dictyodora  Liebeana  Weiss,  eine  räthselhafte  Versteinerung. 


Von  E.  Zimmermann. 


Dinj;e    und  Vorjriini;-e,    dar, 


Die  Natur  bietet  liauli.j 
deren  Deutungen  .seitens  derForsclier  sicli  schnurstracks  ent- 
gegenstellen und  doch  trotzdem  oder  ebendeswegen  gerade 
zu  den  interessantesten,  vielleielit  sogar  zu  den  sehr  weit- 
tragenden gehfiren.  Ein  Beis})iel  für  die  k'tzteren  bieten 
die  da  und  dort  gemachten  Funde  von  in  grossen  Mengen 
auftretenden  .Splittern  und  sogen.  „Nuclei"  von  P^euerstein: 
Die  einen  Forscher  glauben  hier  die  .Stätten  uralter 
„Messerfabrikeii'"  \or  sich  zu  sehen,  die  andern  weisen 
darauf  hin,  dass  von  den  in  der  Natur  vorkommcmlen 
Feuersteinkn  ollen  bei  heftiger  .'Sonnenbestrahlung  von  selbst 
messerähuliche  .Splitter  abspringen  und  „Nuelei"  zurück- 
bleiben, —  die  einen  schliessen  also  auf  eine  reiche 
menschliche  Industrie,  die  andern  bestreiten  womöglich 
v(illig  die  Existenz  von  Menschen  in  den  seiner  Zeit  sonnen- 
dnrchglühten   AVüsten. 

Ei)enso  widerstreitend  sind  die  Deutungi'u,  welche 
manche  geologisch-paläontologische  FuiuU'  erfahren  haben: 
was  der  eine  Forscher  als  Reste  ehemaliger  Lebewesen 
bezeichnete,  sah  der  andere  für  durchaus  anorganische 
Gebilde  an.  In  vielen  dieser  Fälle  erkannte  man  ja  bald 
das  Verkehrte  (b'r  einen  Meinung,  so  t)ei  den  einmal  als 
Algen  beschriebenen  chloritischen  Körnchen  in  nudapliy- 
rischen  Laven,  und  bei  den  als  Sickleria  zu  den 
.Schwämmen  gestellten  Netzleisten  (.Ausfüllungen  von 
Trockenrissen)  in  vielen  .Sandsteinbildnngen.  Oft  aber 
auch  erfreute  sich  irgend  eine  (und  zwar  zumeist  die  or- 
ganische) Deutung  lange  Zeit  nicht  blos  allgemeiner  Be- 
liebtheit, sondern  es  regte  sich  nicht  einmal  ein  leiser 
Zweifel  an  ihrer  Richtigkeit.  Wer  hätte  noch  vor  wi'iiigen 
Jahren  geglaubt,  dass  die  zierlich  verzweigten  Fucoiden 
im  ali)inen  Flysch  (Tertiär)  und  die  ganz  entsprechenden 
Chondriten  des  Lias  und  der  älteren  Formationen  jemals 
aus  dem  Reiche  der  Algen,  geschweige  denn  aus  dem 
organischen  Reiche  überhaupt  herausgewiesen  werden 
könnten?  Und  doch  hat  dies  sogar  ein  Holaniker,  der 
berühmte  schwedische  Forscher  Nathorst,  fertig  gebracht, 


indem  er  auf  Grund  seiner  am  Meeresstrande  gemachten 
Beobachtung  von  verzweigten,  röhrenförmigen  Kriech- 
spuren, welche  gewisse  jetztlel)ende  Würmer  hinterlassen 
(z.  B.  Glycera),  auch  jene  Chondriten  als  Kriechspuren 
deutete.  Viele  Forscher  (—  glücklicherweise  jedoch  nicht 
alle*)  — )  haben  sich  durch  diese  Deutung  der  Chondriten 
und  anderer  „Algen"  und  „Würmer"  als  Kriech-  und  son- 
stige Bewegungsspuren  bestechen  lassen,  und  wenn  ich 
auch  zugebe,  dass  diese  Deutung  geistvoll  und  für  viele 
Dinge  ein  grosser  Fortschritt  unserer  Erkenntniss  ist,  so 
muss  ich  doch  dabei  bleiben,  dass  sie  von  Vielen  zu  weit 
ausgedehnt  wird,  und  dass  „Spuren"  und  ebenso  auch 
„Druckerscheinungen"  zu  Modeschlagwöi'tern  geworden 
sind  für  viele  Dinge,  mit  denen  sich  länger  abzugeben 
„Zeitvergeudung  sei." 

Auch  die  in  der  Ueberschrift  genannte  Dict_yodora 
Liebeana  gehört  für  die  meisten  neueren  Paläontologen, 
die  sie  gesehen  haben,  zu  jenen  aus  dem  Organismen- 
reiche Ausgestossenen,  während  ich  sie  sogar  zum  höchsten 
Vertreter  einer  neuen,  in  eiiifachereu  Formen  auch  aus 
dem  Untersilur  bekannten  Familie,  der  Dädaleae**), 
mache,  von  der  ich  freilich  selbst  noch  nicht  beweisen 
kann,  ob  sie  zum  Thier-  oder  Pflanzenreich  zu  stellen  sei. 
Von  meinen  (iegiuTii  hat  sich  sorgfältig  und  gewissenhaft 
—  und  ich  muss  ihn  darum  rühmend  von  der  Mehrzahl  der 
Andern  ausnehmen  —  nur  ein  Forscher,  Rauff  in  Bonn, 
mit  der  Dictyodora  beschäftigt,  aber  nur  mit  sehr  spär- 
lichem Material  und  nur  mit  Hilfe  des  Mikroskops;  ich 
habe  mich  zwar  des  letzteren  weniger  bedient,  weil  mir 
die  ersten  .Schlitfe  nicht  viel  ergaben;    um   so  mehr  alier 


*)  So  hat  sich  z.  B.  auf  (Inind  einer  —  durch  ilire  Gewissen^  ; 
liaftigkeit    vor    vielen    obertiächlicli    sich    auszeichnenden  —    ein- 
gehenden Untersucliung    eines    reichen  Materials   der   Genfer  Ge- 
lehrte Maillard  gegen  Nathorst  ausgesprochen. 

**)  Der  Name  scheint  uns  bei  dem  Vorbaudeuscin  der  1801 
von  Persoon  gegründeten  guten  PilSigattuüg  Dädalea  nicht  gut 
gewählt.  —  Red. 


156 


Natnrwissenschaftlicbe  Woclicnsclirift. 


Nr.   IG. 


stand  mir  ein  überrciclics  Material  an  grossen  und  scliönen 
Stücken  und  die  Beobachtung  in  der  Natur  zur  Verfügung-. 
Rauf!'  kam  zu  dem  Ergebniss,  dass  die  üietvodora  einer 
Druckwirkung  ibre  Entsteluing  verdankt,  dass  sie  ein  Ge- 
biet niecbaniscb  defoiniirter  Oesteinsstructnr  darstellt. 
Füge  ich  noch  hinzu,  dass  z.  Tb.  noch  in  der  Zeit,  wo 
man  .,Spuren"  und  „Druekerseheinungen'-  noch  nicht 
kannte,  wo  aber  auch  nur  erst  einzelne  unvollständige 
und  z.  Tb.  schlecht  erhaltene  Exemplare  der  Dictyodora 
vorlagen,  die  einzelnen  Tbeile,  bczw.  durch  die  natürlichen 
ßruchflächen  dargeltotenen  Ansichten  des  Körpers  bald 
als  Algen  (und  zwar  unter  den  drei  vcrsebiedencn  Gat- 
tungen Dityophj'tum,  Paläochorda  und  Taouurus), 


Ausnahmen  (meist  liegen  dieselben  auf  und  parallel  den 
SchichfHächen)  und  findet  sich  besonders  l)ci  Corallen  und 
Baumstämmen.  Schon  darum  ist  also  die  Dictyodora 
höchst  beachtcnswerth  und  als  Versteinerung  allerdings 
etwas  proljicmatisch. 

Schnitte  i)arallel  zu  den  Schicbtt'ugen  wird  man  als 
Querschnitte,  Schnitte  rechtwinklig  dazu  als  Längsschnitte 
zu  bezeichnen  haben.  Die  natürliche  Spaltbarkcit 
(„Sehieferung'v)  der  Schiefer  und  Sandsteine  an  den  Fund- 
orten der  Dictyodora  erfolgt  nun  nur  zuweilen  parallel  der 
ursprünglichen  Schichtung,  aber  dann  meist  sehr  voll- 
konnnen,  und  liefert  dabei  so  ebenflächige  Querbrücbe 
unseres    fragliehen   Körpers,    dass    diese    die    künstlichen 


Figur  2 


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^;:-^>iv-;:.%ni 


Figur  I 


Figur  3. 


Dictyodora  Liebeana.    Drei  verschiedene  Exemplare  in   '  .   der  natürlichen  Grösse.    Ans  dem  Culmdachschiefer  Wurzbach  im  Frankenwald.  — 
(Von   den   düteuförmig  gerollten  Körpern  ist    durch  Abspalten   die  Spitze  entfernt,  dadurch  ist  der  Querbruch  sichtbar  geworden;  ausserdem  die  ge- 

.streifte  Dütenfläche  selbst  zu  sehen.) 


bald  als  Palmfarn  (Nöggerathia),  bald  als  Schnecke 
(Conularia),  bald  als  Ringelwürmer  (Nemertites,  Ne- 
reites  imd  Crossopodia)  beschrieben,  bald  endlich  auch 
als  „Kriechspuren"  von  Würmern,  Schnecken  oder  Crusta- 
ceen  gedeutet  wurden,  so  dürfte  es  den  Lesern  dieser 
Wochenschrift  vielleicht  nicht  uninteressant  sein,  zu  er- 
fahren,  wie  denn  dieser  vielgedeutete  Körper  aussieht. 

Eine  ziemlich  ausführliche  Beschreibung  habe  ich  in 
dem  Jahresbericht  der  Gesellschaft  von  Freunden  der 
Naturwissenschaften  zu  Gera  vom  Jahre  1892  (vgl.  „Natur- 
wissensebaftl.  Wochenschr.''  VII  S.  514)  gegeben,  dem 
auch  unsere  Abbildungen  Fig.  1—3  entnommen  sind. 

Die  Dictyodora  ist  bisher  fast  ausschliesslich  in  der 
Culmformation  Thüringens  und  zwar  in  Schiefer  und  Grau- 
waekensaudstein   an  vielen  Orten  gefunden  worden. 

Diese  beiden  Gesteinsarteu  wechseln  in 
in  mehr  oder  minder  dünnen  Schichten  vielfach  mit  ein- 
ander ab.  Die  Dictyodora  steht  nun  darin  aufrecht,  d.  h. 
sie  durchsetzt  dieselben  quer  zu  den  Scbiebtfugen  und  er- 
reicht dabei  Höben  bis  zu  18  cm.  Dies  aufrechte  Durch- 
setzen  gehört    bei    den  Versteinerungen   zu  den  grossen 


der   Regel 


Querschnitte  vollkommen  ersetzen  können;  —  oder  aber  sie 
findet  rechtwinklig  oder  schräg  zur  Schichtung  besser  statt 
als  parallel  derselben  (..Transversalschieferung")  und  liefert 
dann  ziemlich  ebene  natürliche  Längs-  (und  schräge) 
Brüche,  welche  ebenfalls  ohne  künstliehe  Nachhilfe  für  die 
Untersuchung  gut  brauchbar  sein  können. 

Auf  den  Quer  brücken,  die  wir  zunächst  betrachten 
wollen,  bildet  die  Dictyodora  einen  dünnen  (V2 — 1  bis 
2  mm  breiten),  aber  langen  (bis  über  2  m)  ununter- 
brochenen, nicht  in  sich  zurückkehrenden  Strang 
(also  eine  offeuc  Curve)  von  wurmartigem,  mehr  oder 
minder  wirrem,  häufig  sich  durchkreuzendem  Ver- 
lauf, zu  vergleichen  einem  Faden,  den  man  von  einem 
Knäuel  abwickelnd,  achtlos  auf  den  Boden  hat  fallen  lassen. 
(Vergl.  Fig.  1  —  3.)  Der  Durehmesser  des  Raumes,  den 
diese  wirreu  Windungen  in  der  Mitte  dichter,  nach  dem 
Rande  zu  immer  lockerer  überspinnen,  kann  Vo  m  über- 
schreiten, doch  liegen  mir  alle  Grössenübergänge  vor  bis 
herab  zu  unter  1  cm  grossen  Individuen.  Hat  man  eine 
grosse  Schieferplatte  vor  sich,  so  kann  in  mehreren  Metern 
oder  auch  nur  Centimetern  Entfernung  ein  zweites,  grosse- 


Nr.  16. 


Naturwissenscliaftliche  Wochenschrift. 


157 


res  oder  kleineres  Individuum  liegen,  ja  dieses  kann  mit 
einzelnen  Theilen  sogar  in  das  erste  hineinragen,  sodass 
sich  beiderseitige  Strangstücke  mehrfach  ganz  ebenso 
durchkreuzen  können,  als  ob  es  Stücke  desselben  Indivi- 
duums waren!  Alle  Dnrehkreuznngen  finden  so  statt, 
dass  hinter  dem  Kreu/nngspunkt  die  kreuzende 
wie  aneli  die  durelikreuzte  Strecke  den  diesseits 
begonnenen  Curvenvcrlauf  völlig  ungestört  fort- 
setzt, gerade  als  ob  gar  kein  Henminiss  im  Wege  ge- 
wesen wäre  (vergl.  Fig.  4  c.) 

Betrachten  wir  einen  höheren  oder  tieferen  Quer- 
schnitt (Querbruch),  so  finden  wir  nach  Zahl,  Lage  und 
Gestalt  tast  genau  dieselben  Win- 
dungen und  Falten  wieder,  also  einen 
im  matiiematisehen  Sinne  „ähnlichen" 
Curvenvcrlauf,  nur  ist  auf  einem  über 
dem  ersten  gelegenen  Schnitt  der 
Durchmesser  jeder  einzelnen  Falte  ein 
kleinerer,  auf  einem  tiefer  gelegenen 
Schnitt  ein  grösserer.  Je  weiter  nach 
unten,  um  so  mehr  wachsen  dabei 
einzelne  Falten  einander  entgegen 
und  schliesslich  durcheinander,  so- 
dass eine  Querschnittreihe  durch  die- 
selben zwei  benachbarten  Falten  die 
Bilder  Fig.  4  a  (olien),  b  (Mitte)  und 
e  (unten)  liefern  kann. 

Es  nimmt  nun  auch  der  Durch- 
messer des  insgesamnit  übersponnenen 
Raumes  auf  verschiedenen  Quer- 
schnitten desselben  Individuums  von 
oljen  nach  unten  zu  und  man  muss 
sich  darum  die  Dictyodora  als  einen 
blattartig  (Vg — 1  —  2  mm)  dünnen, 
wie  eine  Krause,  aber  noch  viel 
complicirter  und  mit  vielen 
S  e  1  b  s  t  d  u  r  c  h  w  a  c  h  s  u  n  g  e  n ,  ge- 
falteten Körper  von  nach  oben 
sich  kegelförmig  verjüngendem 
Gesamnitumriss  vorstellen.  (Un- 
sere Abbildungen  Fig.  1-3  stellen  in 
^2  der  natürlichen  Grösse  drei  Indi- 
viduen in  Gestalt  flacher  Kegelstumpfe 
dar,  da  die  Kegelspitze,  um  den 
Curvenvcrlauf  auf  dvm  Querschnitt 
zu  zeigen,  abgespalten  ist.) 

Um  den  Körper  noch  anschau- 
licher zu  machen,  wollen  wir  uns  vor- 
zustellen suchen,  wie  man  ihn  etwa 
aus  Carton  sich  niodelliren  könnte. 
Man  denke  darum  zunächst  daran,  wie  man  aus  einem 
Cartoudreieck  eine  Düte  sich  herstellen  würde;  man  falte 
nun  von  derjenigen  Ecke  des  Dreiecks  ans,  die  zur  Düten- 
spitze  werden  soll,  den  (Karton  radial  zu  einer  Krause;  die 
Falten  werden  dabei  natnrgemäss  nach  aussen  immer 
grösser;  nun  wickele  man  den  Carton  in  mehreren  Umgängen 
zu  einer  Düte  auf.  Hierbei  können  sich  die  einzelnen 
Windungen  und  Falten  natürlich  nur  berühren,  aber  man 
wird  sich  dann  weiterhin  leicht  eine  Vorstellung  davon 
machen  können,  wie  dieselben  sich  schliesslich  auch  durch- 
kreuzen. Freilich  — ,  wie  dieses  Durchwachsen,  mit  un- 
gestörtem Curvenvcrlauf,  bei  einem  lebenden  Organismus 
zu  Stande  kommt,  das  ist  ein  noch  unaufgeklärtes  Räthsel, 
welches  darum  für  sich  allein  schon  Vielen  genügt  iiat, 
die  Dictyodora  aus  der  organischen  Welt  auszuschliessen. 

Wir  k()nuen  uns  nun  auch  leicht  den  Längssciinitt 
durch  die  Dictyodora  vorstellen.  Falls  er  durch  die 
Kegclspitze  geführt  ist,  muss  er  aus  einem  Bündel  mehrerer 
bis    sehr  vieler,    radial    ziendich    von    einem  Punkte  aus- 


Figur 5 

Im   oberen   Theile  axialer  Längsschnitt,  im  unteren 

Tlieile  Anssenansiclit  eines  verlängerten  Exemplares 

von  Dictyodora.   (Skizzenhafte  Darstellung  in  '  2  der 

natürlichen  Grösse.)    Culm  von  Ziegenrück. 


strahlender  Stränge  bestehen,  und  die  Beobachtung  lehrt, 
dass  dies  in  der  That  auch  fast  genau  so  sich  verhält, 
dass  die  Stränge  fast  geradlinig  verlaufen  und  dass  die 
äussersten,  welche  also  die  Form  des  Gesammtumrisses 
bestinnnen,  an  verschiedenen  Individuen  Winkel  von  etwa 
30  bis  120°  einschliessen. 

Neuerdings  habe  ich  davon  etwas  abweichende 
Stücke  gefunden:  bei  ihnen  sind  nicht  alle  Umgänge  und 
Falten  durch  einen  Punkt  gelegt;  sondern  nur  eine  An- 
zahl der  inneren;  für  die  äusseren  aber  ist  jener  Punkt, 
also  die  Kegclspitze,  nach  oben  hin  in  eine  Linie  aus- 
um  welche  herum  die  einzelnen  Windungen 
schraubenförmig  in  die  Hohe  steigen. 
Es  würde  an  dieser  Stelle  zu  weit 
führen,  die  Beschreibung  davon  noch 
ausführlicher  zu  machen,  es  genüge 
nur  die  Abbildung  eines  beinahe  genau 
axialen  Längsbruches  durch  ein  der- 
artiges verlängertes  Exemplar,  wie 
ich  ihn  mehrfach  aufgefunden  habe. 
(Fig.  5.) 

Aus  dem  steifen  Verlauf  der 
Längsschnitt  -  Stränge  müssen  wir, 
falls  die  Dictyodora  wirklich  einmal 
ein  organisches  Wesen  war,  auf  eine 
ziemlich  bedeutende  Steifheit  der 
Körpersubstanz  schliessen,  weil  doch 
sonst  der  blattartig  dünne  Körper 
beim  Yersteinerungsprocess  von  dem 
sich  auflagernden  Schlamm  unregel- 
mässig zusammen  gedrückt  worden 
wäre.  Da  drängt  sich  denn  die  Frage 
auf:  woraus  mag  denn  nun  dieser 
Körper  bestanden  haben"?  oder  war 
seine  Steifheit  durch  irgend  ein  inneres 
oder  äusseres  Gerüst  bedingt?  Diese  ' 
Frage  ist  noch  nicht  genügend  zu 
beantworten.  Es  besteht  nämlich  jetzt 
der  Körper  niakro-  und  mikroskopisch 
aus  derselben  Substanz  wie  seine  Um- 
gebung, nämlich  ans  Schiefermasse, 
wenn  er  in  Schiefer  sich  findet,  — 
aus  Sandstein,  wenn  er  in  Sandstein 
vorkommt;  ja  nach  einer  zuerst  von 
Rauft'  gemachten  Bcoliachtung  besteht 
sogar  dassell)e  Individuum  abwech- 
selnd aus  beiden  Substanzen,  wenn  es 
abwechselnd  Schiefer-  und  Sandstein- 
schichten durchsetzt.  Diese  Beob- 
achtung stellt  somit,  zu  den  beiden 
schon  erwähnten,  eine  dritte  auffällige  Eigenthümlichkeit 
der  Dictyodora  dar  und  dient  dem  genannten  Forscher  in 
Verbindung  mit  seiner  weiteren  Beobaelituug,  dass  or- 
ganische Substanz  und  organische  Structur  weder  in  Resten 
noch  in  Andeutungen  vorhanden  seien,  als  Beweis  dafür, 
dass  die  Dictyodora  überhaupt  niemals  ein  Lebewesen  war. 
Meine  eigenen  Beobachtuii'^en  haben  mich  aber  d(icli  — 
wenigstens  an  Harzer  Excni])larcn,  die  ich  mit  den  Thürin- 
gischen der  (Gattung  nach  vereinige  —  sowtdil  eine  ge- 
wisse Structur  als  auch  eine  besondere,  in  der  Umgebung 
fehlende  Substanz  (Eisenoxyd)  kennen  gelehrt,  welch' 
letztere,  nach  Analogien,  sehr  wohl  an  Stelle  von  or- 
ganischer Substanz  getreten  sein  kann;  und  der  mir  be- 
freundete Herr  Knab  in  Lehesten  hat  auch  an  allen  thü- 
ringischen Exemplaren  bei  starken  Vergrösseningen  eine 
Structur  zu  erkennen  gemeint,  die  man  woiil  al.s  organiscii 
betrachten  inüsste.  Ich  gehe  jedoch  hieraui'  nicht  weiter 
ein,  weil  ich  die  Untersneliungen  darüber  erst  selbst  noch 
weiter  führen  mus.s. 


158 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  16. 


Wir  wenden  uns  jetzt  der  Frage  zu,  welche  Ober- 
flächenzeichnung die  Dictyodora  gehabt  hat.  Die 
Seitenliäclien  dieses  blattartigen,  dütenförniig  gewundenen 
Gebildes  werden  durch  die  naturliche  Spaltbarkeit  (Schiefe- 
ruug)  des  Gesteins  nur  dann  und  soweit  l)lossgelegt,  wenn 
und  soweit  sie  mit  dieser  annähernd  parallel  sind,  wäh- 
rend es  nach  andern  Richtungen  grosse,  oft  nicht  zu  über- 
windende Schwierigkeiten  macht,  jene  Flächen  künstlich 
herauszupräpariren.  (Es  geht  daraus  liervor,  dass  solche 
Stücke,  welche  die  kegelförmige  Gestalt  zu  mehr  als  Vs 
des  Umfangs  zeigen  (vgl.  unsere  Fig.  1)  zu  den  Selten- 
heiten und  zu  den  besonders  lehrreichen  Exemplaren  ge- 
hören.) Diese  Seitenflächen  zeigen  nun,  beiderseits  gleich, 
erstens  eine  überaus  regelmässige,  sehr  dichte  Streifung  oder 
Liniirung  welche  radial  von  der  Kegelspitze  nach  der 
Basis  ausstrahlt,  und  zweitens,  in  etwas  weiteren,  aber 
auch  ganz  regelmässigen  Abständen,  ungefähr  rechtwinklig 
zu  jener,  eine  Runzelung,  welche  parallel  der  Kegelbasis 
und  damit  der  Schichtung  verläuft  und  als  Anwachsstreifung 
gedeutet  ist.  Radialstreifung  wie  Querrunzelung  sind  so 
fein,  dass  mau  sie  beim  Darüberstreichen  mit  dem  Finger 
meist  kaum  merkt,  dabei  aber  doch,  bei  günstiger  Be- 
leuchtung, so  deutlich  sieht,  dass  sie,  wegen  ihres  netz- 
artig gegitterten  Gesammt-Aussehens,  den  Namen  Dictyo- 
dora (dictys  =  Netz)  veranlasst  haben. 

Schliesslich  wenden  wir  uns  dem  der  Kegelspitze 
eutgegengesetzen  Unterrande  zu.  Derselbe  ist  nicht 
ganz  eben,  sondern  scheint  in  unregelmässigen  Entfer- 
nungen sehr  flachwellig  auf-  und  alizusteigen  und  ist  im 
Ganzen  bei  den  äusseren  Windungen  der  Spitze  oft  näher 
als  bei  den  inneren.  Er  ist  stets  und  seiner  ganzen  Länge 
nach  zu  einem  cyliudrischen  Wulst  verdickt,  so  dass  man 
schliesslich  auch  die  Dictyodora  als  aus  Wulst  (Rhachis) 
und  einseitigem,  blattartigem  Theil  (Spreite)  zusammenge- 
setzt bezeichnen  kann.  Aus  Fig.  5  ist  dies  deutlich  zu  er- 
sehen. Die  Spreite  sitzt  der  Rachis  dann  in  ähnlicher 
Weise  auf,  wie  einem  Fisch  oder  Triton  seine  Rückenflosse, 
nur  dass  die  Spreite  unverhältnissmässig  viel  höher  ist. 
Je  nach  der  Grösse  des  gesammten  Individuums  und  der 
Lage  näher  an  der  Spitze  oder  an  der  Basis  des  einzelneu 
Lidividuums  ist  die  Rachis  l  bis  über  15  nun  dick;  sie  er- 


reicht Längen  bis  über  2  m.  Da  sie  alle  Faltungen  der 
Spreite  mitmacht,  gleicht  sie  auch  einer  Schlange  oder 
einem  Wurm,  nur  hat  man  niemals  daran  einen  Kopf  oder 
Schwanz  entdecken  können.  Wohl  aber  erinnert  an  Riugel- 
würmer  die  innerlich  und  äusserlich  niehl  selten  zum  Aus- 
druck gelangende  Quergliederung  aus  lauter  dichtgedrängten, 
flachuhrglasförmigen  Schaalen  (Segmenten)  und  an  vielen, 
besonders  günstig  erhaltenen  Stücken,  das  Vorhandensein 
einer  dünnen,  schwarz-fettglänzeuden  Linie,  welciic  mau 
als  Darm,  Axe,  Mittelnerv  oder  sonstwie  benennen  könnte, 
wenn  man  nur  erst  ihre  Bedeutung  kennte.  Rauft',  der 
die  ganze  Dictyodora  für  ein  allerdings  höchst  sonder- 
bares Product  starker  mechanischer  Gesteinsumformung 
erklären  will,  glaubt  in  diesem  Sinne,  in  einer  hier 
nicht  näher  zu  erläuternden  Weise,  auch  diesen  gra- 
phitischkohligen  vStreifen,  mechanisch  deuten  zu  können. 
Ich  nuiss  aber  gestehen,  dass  ich  mir  zur  Zeit  die 
mechanische  Entstehung  der  beschriebenen  complicirten 
und  doch  so  regelmässigen  Gebilde  nicht  vorzustellen 
vermag. 

Nach  dem  Gesagten  ist  es  nun  nicht  mehr  zu  ver- 
Avundern,  dass  man  früher,  ehe  der  Zusammenhang  von 
Rhachis  und  Spreite,  von  Längs-  und  Querschnitt  und 
Seitenansicht  bekannt  war,  alles  dieses,  jedes  für  sich  als 
etwas  besonderes,  unter  den  oben  genannten,  so  verschie- 
denen Thier-  und  Pflanzengruppen  beschreiben  konnte. 
Wir  haben  eine  Reihe  von  Eigenthümlichkeiten  zu  nennen 
gehabt,  die.  wenn  Dictyodora  doch  eine  Versteinerung 
ist,  die  Aufstellung  der  besonderen  Familie  der  Dädaleae 
rechtfertigen,  die  aber  andererseits,  wenigstens  zum  Theil, 
sogar  gegen  die  organische  Natur  der  D.  zu  sprechen 
scheinen.  Wenn  aber  Rautf  mit  seiner  auf  DUnn- 
schlitfuntersuehungen  gegründeten  Behauptung,  wie  ich 
kaum  glaube,  doch  Recht  behielte,  dass  die  Dictyodora 
ein  durch  den  Gebirgsdruck  zu  Stande  gekommenes  Ge- 
bilde, eine  Zone  starker  mechanischer  Gesteinsumfornuuig 
sei,  so  wäre  das  eine  in  ihren  übrigen  Eigenschaften  in 
der  anorganischen  Welt  nicht  minder  neue  und  räthsel- 
hafte  Erscheinung,  weil  sie  uns  spiralig  schlangenartig 
verlaufende  Stcirungszonen  neben  den  bisher  allein  ge- 
kannten ziemlieh  geraden  darböte. 


Lieber  den  Ursprung  und  die  Bedeutung  der  geometrischen  Axiome. 


Von  Dr.  Eua;en  Dreher. 


Ueber  die  Stellung  der  Mathematik  zu  den  übrigen 
Wissenschaften  herrschten  zu  allen  Zeiten  verschiedene 
Ansichten,  insofern  der  eine  Theil  der  Forscher  die  Mathe- 
matik als  eine  von  aller  Erfahrung  unabhängige  Wissen- 
schaft, als  eine  auf  angeborenem  Denken  sich  aufl)auende 
Lehre  erachteten,  während  die  Anderen  glaubten,  sie  zu  den 
Erfahrungswissenschafteu  zählen  zu  müssen,  wenngleich  ihre 
Gesetze  bei  weitem  nicht  hi  dem  Maasse  den  Stempel  der 
Empirie  tragen,  wie  dies  bei  den  anderen  Wissenschaften 
der  Fall  ist."  Der  alte  Satz:  dass  die  Sinne  die  alleinigen 
Pforten  der  Erkenntniss  sind,  schien  den  Anhängern  der 
empiristischen  Hypothese  Recht  zu  geben,  während  die 
zwingende  Evidenz  der  mathematischen  Lehrsätze,  ihre 
durch  nichts  Iteschränkte  Allgemeingültigkeit  zu  Gunsten 
der  Ansicht  sprach:  diese  Wahrheiten  seien  von  aller  Er- 
fahrung unabhängig. 

Auf  letzten  Betrachtungen  fussend,  erachtete  Des- 
cartes  die  geometrischen  Axiome,  die  man  merkwürdiger- 
weise behufs  Entscheidung  des  vorliegenden  Problems  viel 
mehr  ins  Feld  führte,  als  die  doch  abstracteren  arith- 
metischen Grundsätze,  für  angeborene  Wahrheiten,  und 
Kant,   der  ihm  hierin,   jedoch  bei  Zugrundelegung  seiner 


Epoche  machenden  Anschauung  von  der  subjectiven  Natur 
des  Raumes,  auf  die  wir  später  eingehen  müssen,  bei- 
pflichtete, sprach  sich  für  die  theoretische  Möglichkeit 
aus,  dass  alle  Lehren  der  Geometrie  ganz  unabhängig  von 
jeder  Erfahrung  als  Consequenzen  rein  logischen  Denkens 
aufzustellen  seien. 

Die  Mehrzahl  der  Forscher  aber  erklärte  sich  für  die 
empiristische  Natur  der  gesammten  Mathematik,  indem  sie 
auf  den  oft  vorgebrachten  Fall  hinwies,  dass  wir  nie 
behaupten  würden :  das  Ganze  sei  grösser,  als  einer  seiner 
Theile,  wenn  uns  nicht  die  Erfahrung  gezeigt  hätte,  dass 
ein  Gegenstand  durch  die  Wegnahme  eines  seiner  Theile 
an  Grösse  verliert.  Bevor  Kant  jedoch  seine  reformatori- 
schen Ansichten  von  der  angeborenen  Natur  der  An- 
schauungsformen von  Raum  und  Zeit  aufstellte,  schwebte 
ihm  eine  Ansicht  von  dem  Wesen  des  Raumes  vor,  die 
derartig  auf  bestechenden  Trugschlüssen  sich  gründete, 
dass  sie  bis  auf  den  heutigen  Tag  nicht  wenige  bedeu- 
tende Jlathematiker  dazu  verleitete,  ganze  Systeme  von 
geometrischen  Sätzen  oder,  besser  gesagt,  ganze  „meta- 
mathematische" Lehrgebäude  auszuarbeiten,  die  für  Räume 
gelten,  welche,  nicht  vorstellbar  an  sich,  gegen  die  Gesetze 


Nr.  16. 


Naturwissenschaftliche  Wochensehrift. 


159 


des  durch  die  Sinuc  erschlossenen  Raumes  streiten.  Fra- 
gen wir  aber:  wie  Kant  vor  dem  Entwürfe  seiner  „Kritik 
der  reinen  Vernunft''  dazu  kam,  die  sich  aufdrängende 
Ansicht  von  der  dreidimensionalen  Beschaft'enheit  des 
Haunies  aufzugeben  und  den  Raum  im  Widerspruche  mit 
den  Aussagen  der  Siime  als  vierdimensional  zu  eraciiten, 
um  welclu'  kühne  Erweiterung  der  Zahl  der  Abmessungen 
des  Raumes  es  sich  bei  dem  jugendlielien  Philosophen 
handelte,  so  war  es  die  zunächst  wirklich  sehr  auffallende 
Thatsaclie,  dass  rein  symmetrische  dreidimensionale  Raum- 
gebilde gleicher  Grösse  nie  zur  Deckung  gebracht  werden 
können,  während  doch  symmetrische  zweidimensionale 
Raunigebilde  gleicher  Grösse,  und  sei  es  auch  mit  Be- 
nutzung der  dritten  Abmessung  des  Raumes,  stets  zur 
Deckung  zu  bringen  sind.  Kant  meinte  nun,  dass  diese 
Deckung  für  genannte  dreidimensionale  Gebilde  dennoch 
möglich  sei:  unter  der  Voraussetzung  jedoch,  dass  die 
vierte  Abmessmig  des  Raumes  herbeigezogen  werde,  die 
aber  unserer  Anschauung  der  Natur  unserer  Sinne  zufolge 
verschlossen  sei.  — 

Statt  einzusehen,  dass  nur  in  dem  zweidimensionalen 
Räume,  für  die  gerade  Ebene  also,  der  Bcgrift"  von  Aehu- 
lichkeit  mit  dem  der  Symmetrie  identisch  ist,  weil  die 
Congruenz  symmetrischer  Raunigebilde  gleicher  Grösse 
hier  stets  zur  Anschauung  zu  bringen  ist,  dass  aber  im 
dreidimensionalen  Räume  zwischen  Aehnlichkeit  und  Sym- 
metrie unterschieden  werden  muss,  weil  nur  ähnliciie 
dreidimensionale  Raumgebdde  gleicher  Grösse  zur  Deckung 
gebracht  werden  können,  hauten  Nachfolger  von  Kant, 
unter  ihnen  namentlich  Zöllner,  die  Hypothese  von  der 
vierdimensionalen  Natur  des  vorhandenen,  den  Sinnen  und 
der  Anschauung  aber  verschlossenen  Raumes  zu  einer 
zwar  geistreichen,  aber  inhaltslosen  philosophischen  Welt- 
anschauung aus.*) 

Nacli  dieser  Anschauung  sollte,  um  hier  nur  ein 
kennzeichnendes  Beispiel  dieser  Richtung  herauszugreifen, 
die  beiden  Arten  von  Weinsäure:  die  rechts  und  die  links 
drohende  Weinsäure,  zwei  verschiedene  dreidimensionale 
l'rojectionen  der  vierdimensionalen  Dioxybernsteinsäure 
sein,  woraus  sieh  die  auf  Krystallisation  und  Polarisation 
Bezug  nehmenden  Eigenschaften  der  beiden  genannten 
Weinsäuren  ergeben  sollten.  Die  Unterscheidung  beider 
Weinsäuren  war  nach  dieser  Hypothese  also  nicht  sachlich 
begründet,  sondern  war  allein  die  Folge  der  beschränkten 
Auffassung  unserer  Sinne  der  vierdimensionalen  Dioxy- 
bernsteinsäure gegenüber.  — 

Diese  gegen  den  uns  durch  die  Sinne  vorgeführten 
Euklidischen  Raum  von  drei  Abmessungen  streitende  Auf- 
fassung rief  eine  ganze  Flutii  von  m e tani at h ein  a tischen 
Speculationen  ins  Leben,  die  in  ihrer  Gesamnitheit  nur 
dazu  dienen  können,  zu  zeigen:  wie  notiiwendig  es  ist, 
dass  der  Mathematiker  von  Beruf  sich  mit  der  meta- 
physischen Seite  seiner  Wissenschaft  gründliclist  be- 
schäftige, d.  h.  aber  nichts  anderes:  als  sich  über  den 
Ursprung  und  die  Bedeutung  der  Grundsätze  seiner  Lehre 
Rechenschaft  zu  geben.  — 

Um  aber  den  Laien  in  die  „metamathematischen" 
Speculationen  derjenigen  Mathematiker  einzuführen,  welche 


*)  Vergl.   Schlegel,    Ueber  den   sogenannten   4  dimensionalon 
Kaum.     „Naturw.  Woehenschr."  Bd.  I]  S.  41.  —  Red. 


sich  ihr  Raisonncment  üiier  die  Natur  des  Raumes  nicht 
von  der  durch  die  Sinne  i)ediiigten  dreidimensionalen  An- 
schauung beschränken  lassen,  geht  Herr  von  Hclmholtz  in 
seinem  Vortrage:  „Ueber  den  Ursprung  und  die  Bedeu- 
tung der  geometrischen  Axiome"  (gehalten  1870)  auf  die 
erkenntnisstheoretische  Seite  der  geometrischen  Ciruiul- 
sätze  ein. 

Wir  können  dieses  Verfahren  nur  billigen,  da  wir 
uns  für  seine  metamathematischen  Speculationen  nur  dann 
entscheiden  können,  wenn  wir  in  Betreff  der  Bedeutung 
der  Axiome  seinen  Standpunkt  theilen. 

Nachdem  nun  Herr  v.  Ilelmholtz  einige  geometrische 
Axiome  angeführt  hat,  unter  diesen  die  Grundsätze:  dass 
der  kürzeste  Weg  zwisciien  zwei  Punkten  die  gerade 
Linie  ist:  dass  durch  je  drei  Punkte  des  Raumes,  die 
nicht  in  einer  geraden  Linie  liegen,  eine  Ebene  gelegt 
werden  kann:  dass  durch  einen  Punkt  nur  eine  einzige 
Linie  zu  construiren  ist,  welche  sich  mit  einer  gegebenen 
Linie  als  gleichlaufend  erweist,  erklärt  genannter  Forscher: 

„Woher  kommen  nun  solche  Sätze,  unbeweisbar  und 
doch  unzweifelhaft  richtig  im  Felde  einer  Wissenschaft, 
wo  sich  alles  Andere  der  Herrschaft  des  Schlusses  hat 
unterwerfen  lassen?  Sind  sie  ein  Erbtheil  aus  der  gött- 
liciien  Quelle  unserer  Vernunft,  wie  die  idealistischen  Phi- 
losophen meinen,  oder  ist  der  Scharfsinn  der  bisher  auf- 
getretenen (Generationen  von  Mathematikern  nur  noch  nicht 
ausreichend  gewesen,  den  Beweis  zu  findenV" 

Die  erste  Frage  nach  der  dem  Ich  angeborenen  An- 
schauung des  Raumes  müssen  wir  verneinen,  da  das  Ich, 
inn  dessen  Erkenntnissvermögen  es  sich  bei  mathematischen 
Problemen  allein  handelt,  nie  und  nimmer  zur  Vorstellung 
irgend  welcher  Raumgebilde  gelangt  wäre,  wenn  nicht 
die  Wahrnehmung  der  äusseren  Sinne  ihm  eine  Aussen- 
welt  vorgeführt  hätten,  deren  räumlicher  Charakter  ein 
von  den  Aussagen  der  äusseren  Sinne  nicht  abzustreifendes 
Gewand  ist.  Sehen  wir  so  von  den  eigentlichen  Energien 
dieser  Perceptionen  wie:  Licht,  Farbe,  Ton,  Wärme, 
Druck  u.  s.  w.  ab,  so  bleibt  vor  unserem  geistigen  Auge 
zwar  ein  Etwas  bestehen,  was  wir  als  Raum  bezeichnen, 
zu  dessen  Vorstellung  unser  Ich  jedoch  nie  gelangt  wäre, 
wenn  nicht  die  genannten  Perceptionen  auf  unser  Ich  ge- 
wirkt hätten. 

Als  entscheidender  Beleg  für  die  Richtigkeit  dieser 
Auffassung  der  empiristischen  Natur  des  Raumes  hinsicht- 
lich unseres  Ich  diene  die  einfache  Ueberleguug,  dass 
wir  nie  zu  der  Anschauung  oder  zum  Begriff"  des  Raumes 
gelangt  wären,  wenn  unser  Ich  von  blossen  inneren  Sinnen, 
von  Gemeingefühlen  also,  wie:  Hunger,  Durst,  Muth, 
Angst  u.  s.  w.  bedient  worden  wäre,  da  sich  an  diese 
Perceptionen  als  solche  auch  nicht  die  verschwommenste 
Raumvorstellung  knüpft.  Dass  vielfach  die  Gemeingefühle 
von  den  Wahrnehmungen  äusserer  Sinne  wie  von  Tast- 
und  Druckgefühlen  begleitet  sind  oder  diese  bedingen, 
weckt  bisweilen  den  Schein,  als  werde  das  Gemeingefühl 
lokalisirt  empfunden. 

Theoretisch  denkbar  wäre  es,  dass  wir,  mit  Gemein- 
gefühlen allein  begabt,  wohl  eine  ganze  Aritlimetik, 
nie  aber  eine  (Geometrie  ersinnen  würden,  eine  Wissen- 
schaft, zu  der  wie  dargelegt,  die  mit  räumlichem  Geiiräge 
versehenen  Perceptionen  der  äusseren  Sinne  erforder- 
lich sind.  (Schluss  folgt.) 


Einen  interessanten  Fall  von  Vererbung  einer 
Missbildung  durch  mehrere  Generationen  hin  bcol)ach- 
tete  Bedart  (ectrodactylie  quadruple  des  pieds  et  des 
mains  se  transmettant  pendant  trois  generations.  In  Bullet, 
de  la  Soc.  d'anthro]).  de  Paris  1892.  S.  336).  Es  han- 
delte sich  um   eine   gleichzeitige  Verstümmelung  der  vier 


Extremitäten,  die,  wo  sie  in  der  Descendenz  auftritt,  stets 
das  gleiche  Verhalten  zeigt.  —  Der  Fuss  ist  gabelförmig 
gespalten  und  besitzt  nur  zwei  ausgel)ildete  Zehen,  die 
1.  und  5.,  deren  Enden  gleich  den  Armen  einer  Kneif- 
zange einander  gegenüberstehen.  Die  übrigen  Finger  sind 
auf   ihre  Metatarsen    reducirt    und    stecken    in    einer  Art 


160 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.   16. 


Hauttasche.  Ein  ganz  anderes  Verhalten  zeig;t  die  Hand. 
Hier  sind  der  3.  und  4.  Fing-er  intact  erhalten  und  die 
aussen  stehenden  Finger  nieiir  oder  minder  auf  ihre  Jleta- 
carpen  reducirt.  Es  erinnert  dieses  Verhalten  an  den 
Typus  der  paridigitaten  Perissodactylen. 

Soweit  sicli  die  geschilderte  Diflrormität  in  die  Des- 
cendenz  hinauf  verfolgen  lässt,  stellte  sie  sich  zuerst  con- 
genital hei  einem  männlichen  Individuum  ein,  das  von 
wohl  gestalteten  Eltern  abstammte.  Ans  der  Ehe  dieser 
Person  mit  einem  gesunden  Weibe  gingen  vier  Kinder 
hervor,  von  denen  drei  die  Verstümmelung  aufweisen. 
Die  aus  der  ^'erbinduug  dieser  Kinder  mit  wohlgestalteten 
Gatten  stammenden  Nachkommen  waren  zum  Theil  mit 
der  DifTormität  belastet,  zum  Theil  von  ihr  frei.  Auffällig 
ist,  dass  dieselbe  sich  mit  Vorliebe  durch  und  auf  die 
weiblichen  Individuen  vererbte.  —  Die  Stammtafel  ist 
kurz  folgende.  Der  Urheber  der  Verunstaltung  hatte 
vier  Kinder.  Erster  Sohn  an  Händen  und  Füssen  diffor- 
mirt;  von  seinen  Kindern  aus  erster  Ehe  ein  Knabe  und 
ein  Mädchen  desgleichen,  aus  zweiter  Ehe  ein  intacter 
Knabe.  —  Zweiter  Sohn  gesund;  seine  5  Kinder  eben- 
falls gesund.  —  Erste  Tochter  au  Händen  und  Füssen 
diftbrmirt;  von  einem  Zwillingspaar  der  Knabe  intact, 
das  Mädchen  difformirt.  —  Zweite  Tochter  in  gleicher 
Weise  difformirt;  von  7  Kindern  3  Jlädchen  difformirt, 
desgleichen  1  Knabe;  die  3  anderen  Knaben  wohl- 
gestaltet. Buschan. 

Prof.  Dr.  J.  V.  Kennel  behandelt  in  seiner  Schrift 
„Die  VerwaiKltschaftsverliältiiisse    der  Arthropoden'' 

(Schriften  herausgegeben  von  der  Naturforscher  -  Gesell- 
schaft bei  der  Universität  Dorpat.  VI.  1891)  einen  Gegen- 
stand phylogenetischer  Forschung,  welcher  im  Laufe  der 
letzten  Jahrzehnte  von  den  verschiedensten  Zoologen  be- 
arbeitet worden  ist.  Der  Verf.  bezieht  sich  auch  auf 
mehrere  Forscher  und  beleuchtet  deren  Resultate  auf 
obigem  Gebiete,  um  schliesslich  mit  seinen  eigenen  An- 
sichten und  Ergebnissen  hervorzutreten.  Darnach  be- 
stehen die  Gliederfüssler  aus  zwei  ganz  gestrennten  Haupt- 
stämmen : 

1.  den  Branchiaten  (Crustaceen  oder  Krebse), 

2.  den  Tracheaten  (Arachniden  oder  Spinnen, 
IMyriopoden  oder  Tausendfttssler  und  Inseeten 
oder  Sechsfüssler). 

Die  Branchiaten  athmen  durch  Kiemen  (Blutkiemen), 
die  Tracheaten  durch  Tracheen  (Luftröhren).  Der  Stanmi 
der  Branchiaten  ist  direct  zurückzuführen  auf  rotatorien- 
artige,  ungegliederte  Vorfahren,  die  als  Ersatz  für  die 
allmählich  verschwindenden  Wimperkräuze  paarige,  seit- 
liche Ausstülpungen  des  Körpers  zur  Ausbildung  brachten, 
welche  als  Locomotionsapparate  dienten.  Bei  dem  er- 
folgenden Längenwachsthum  trat  auch  eine  quere  Gliede- 
rung der  Haut  und  der  ■Muskulatur,  sowie  der  Bewegungs- 
organe ein.  Eine  secundär  in  mancher  Weise  abgeänderte 
Andeutung  dieser  Urahnen  ist  die  heutige  Naupliuslarvc 
der  Crustaceen. 

Zu  den  Anneliden  (Ringelwürmern)  haben  die  Crusta- 
ceen keine  stamm  verwandtlichen  Beziehungen;  diese  und 
die  Anneliden  sind  vielmehr  zwei  in  divergenter  Richtung 
auseinander  gehende  gleichwerthige  Aeste  von  gleichem 
Ursprung. 

Die  Tracheaten  sind  es  vielmehr,  welche  von  den 
Anneliden  abzuleiten  sind.  Peripatus  ist  die  bekannte 
hochinteressante  Uebergangsform  zwischen  den  Würmern 
und  Tausendfüsslern. 

Wie  wir  sehen,  hätten  also  die  Branchiaten  und 
Tracheaten  ganz  gesonderte  Entwicklungsbahnen  und  keine 
Spur  von  Blutsverwandtschaft.  Wie  ist  aber  die  dennoch 
bestehende  grosse  Uebereinstimmung  in  der  Organisation 


der  Branchiaten  und  Tracheaten  zu  erklären,  welche  uns 
die  Vorstellung  von  einer  nahen  genetischen  Beziehung 
beider  Alttheilungen  durchaus  nahe  legt?  Eine  nähere 
Vergleichung  muss  diesen  lange  und  oft  gehegten  Ge- 
danken zurückdrängen.  Alle  Tracheaten  besitzen  Tracheen 
und  Malpighische  Gefässe,  nichts  dergleichen  die  Bran- 
chiaten. Die  Aehnlichkeiten  beider  Abtheilungen  können 
dagegen  nicht  ins  Gewicht  fallen.  Die  Gliederung  des 
Chitinskelets,  die  Bildung  einheitlicher  K('irperabschnitte 
durch  Verschmelzung  mehrerer  Segmente,  die  Gliederung 
der  Extremitäten  und  ihre  theilweise  Umbildung  zu  Tast- 
und  Fresswerkzeugen  können  entweder  aus  mechanischen 
Ursachen  oder  als  Anpassungserscheinungen  erklärt  wer- 
den. Körperanhänge  in  der  Nähe  des  Mundes  sind  auch 
in  anderen  Thicrklassen  in  den  Dienst  der  Nahrungsauf- 
nahme getreten  und  haben  eine  dementsprechende  Um- 
bildung erfahren.  Zu  nennen  sind  z.  B.  die  Tentakeln 
der  Holothnrien  und  der  sedcntären  Anneliden  und  die 
Arme  der  Cephalopoden.  Die  Aehnlichkeiten  in  der  Bil- 
dung des  Herzeus,  des  Nervensystems  und  der  Muskulatur 
sind  nur  Convergenzerscheinungen. 

Dagegen  kommen  zu  den  schon  angeführten  Unter- 
schieden zwischen  den  Branchiaten  und  Tracheaten  noch 
folgende.  Die  ersteren  besitzen  zwei  Paar  präorale  Glied- 
maassen,  die  Tracheaten  nur  ein  Paar,  nämlich  Antennen. 
Bei  den  Branchiaten  sind  die  Gliedmaassen  typisch  zwei- 
ästig, bei  den  Tracheaten  einfach  und  mit  Endkrallen 
versehen,  welche  bei  Crustaceen  nicht  vorkommen.  Dann 
ist  noch  auf  die  Verwendung  der  Extremitäten  als  Kiemen 
bei  den  Crustaceen  hinzuweisen.  Wenn  l)ei  Tracheaten 
kiemenähnliche  Gebilde,  nämlich  Trachcenkiemen  auf- 
treten, so  treten  sie  als  Ausstülpungen  der  Haut,  niemals 
aber  in  Verbindung  mit  den  Extremitäten  auf. 

Die  grosse  Aehnlichkeit  in  der  Ausbildung  der  Fa- 
zettenaugen  der  Crustaceen  und  Inseeten  müsste  für  eine 
Zusammengehörigkeit  beider  Abtheilungen  sprechen,  wenn 
man  nicht  annehmen  wollte,  dass  Augen  von  so  gleichem 
Baue  und  so  verschieden  von  denjenigen  anderer  Thiere 
zweimal  in  verschiedenen  Thierstämmen  zur  Ausbildung 
gelangt  seien.  In  Wirklichkeit  sind  indess  die  Augen 
gar  nicht  von  identischem  Baue.  Beträchtliche  Unter- 
schiede maciien  sieh  bei  der  Betrachtung  der  embryo- 
nalen Entwicklung  bemerkbar;  das  Krebsauge  gewinnt 
nämlich  einen  Theil  seiner  Anlage  durch  eine  Einstülpung, 
während  das  Insectenauge  nur  inoditicirtes  Epithel  ist, 
ohne  Einsenkung  und  Abschnürung. 

Die  Gruppe  der  Prototrochosphära  ist  der  ge- 
meinsame Urquell,  aus  welchem 

1.  die  Rotatorien, 

2.  die  Mollusken, 

0.  die  Anneliden  und 
4.  die  Crustaceen 

entspringen. 

Von  den  Anneliden  (Riugelwürmern)  stammen  die 
Peri])atiformes,  die  sich  in  die  zwei  Aeste  mit  ver- 
schiedener Lagerung  der  Genitalöffnung  spalteten,  nämlich : 

1.  Peripatus,  Chilopoden  und  Inseeten, 

2.  Diplopoden,  Pauropoden.  Symphylen  und 
Arachnoiden. 

Diese  Gruppen  zeigen  alle  wieder  einzelne  in  be- 
sonderer Richtung  ausgebildete  Organisationsverhältnisse, 
wodurch  sie  sich  als  Endzweige  erweisen  und  nicht 
Durehgangsphasen  für  höher  stehende  Gruppen  darstellen. 
Die  Inseeten  sind  wohl  eine  einheitliche  Thiergruppe 
und  stammen  von  einer  einzigen  ziendieh  nahe  liegenden 
Wurzel  myriopodenähnliclicr  Thiere  ab.  Dafür 
spricht  ihre"  trotz  aller  äusseren  Verschiedenheiten  recht 
gleichmässige  Organisation.      Dagegen   sind   die   Ära  eh- 


Nr.  16. 


Natnrwissenschaftliche  Woclienschrift. 


161 


noidcn  jedenfalls    von    peripatit'drnien  Vorfahren  ab- 
/Ailciten. 

Für  die  Ableitung  der  secbsbeinigen  Tracbeaten 
von  vie  11)  ein  igen  ist  die  Tbatsacbe  vcrniutblicb  von 
grossem  Belang,  dass  die  Jugendformen  der  Myriopoden 
eine  geringere  Zabl  von  Beinpaaren,  nandicb  8  oder  6  bis  7, 
besitzen,  als  die  Erwachsenen,  also  darin  an  die  Iniberen 
Traelieaten  (Insecten)  erinnern.  Die  Ürei/ahl  der  Beiii- 
paare  der  letzteren  wurzelt  also  schon  bei  den  niederen 
Tracbeaten.  II.  J.  Kolbe. 

Ueber  das  Vorkommen  einer  Oleditschia  in  Süd- 
amerika. —  Die  (iattung  Gleditscbia,  deren  be- 
kanntester Vertreter  die  l)ei  uns  nicht  selten  als  Zierbaum 
ange])tlanzte  G.  triacanthos  L.,  jenes  durch  ziemlicii 
gnisse,  stark  verzweigte  Dornen  und  Hidsen  von  ausser- 
ordentlicher Länge  ausgezeichnete  und  wohl  den  Meisten 
bekannte  Gewächs,  ist,  war  bis  zu  Anfang  der  70er  Jahre 
nur  aus  dem  gemässigten  Nordamerika  und  Asien  bekannt, 
wo  sie  in  nieln-eren,  nahe  verwandten  Arten  auftritt.  Auf 
letzterem  Continent  geht  eine  Hpccies,  G.  casiiica  Desf., 
westlich  bis  nach  Nordpersien  und  bis  zum  Caspischen 
Meer  und  erreicht  dauut  ziemlich  die  Grenzen  Kuropas. 
Höchst  überraschend  war  daher  die  Entdeckung  einer 
Art  im  westlichen,  tropischen  Afrika,  der  G.  africana 
Welw.,  einer  von  den  übiigen  Formen  durch  völlige  Dorn- 
losigkeit  ausgezeichneten  ^^pecies,  üi)er  welche  Bentham 
1872  in  den  Transaet.  of  the  Linn.  8oc.,  \o\.  XXV  S.  304, 
eingehende  Mittheilungen  brachte.  Zu  der  ptlanzcngeogra- 
phisch  hoch  interessanten  Tbatsacbe,  dass  diese  der  ge- 
mässigten Zone  angehörende  und  daselbst  verbreitete 
Gattung  im  tropischen  Afrika  wiederum  auftritt,  hat  sich 
vor  Kurzem  in  .Südamerika  ein  Analogon  gefunden,  indem 
die  von  Grisebach  1879  beschriebene,  zur  Familie  der 
Burseraceen  gerechnete  Garugandra  amorphoides 
sich  nach  Taubert's  (vgl.  Ber.  d.  Deutsch,  botan.  Ges. 
1892,  Heft  10,  S.  637)  Untersuchungen  als  typische  Gle- 
ditscbia herausgestellt  hat. 

Gleditscbia  amorphoides  (Gris.)  Taub,  ist  ein  in 
den  argentinischen  Provinzen  <  »ran  und  Corrientes  nicht 
seltener  Baum,  der  eine  Höhe  bis  zu  16  ni  erreicht  und 
von  allen  übrigen  Gleditschien  dadurch  ausgezeichnet  ist, 
dass  der  oft  bis  ^/^  m  Durchmesser  erreichende  Stamm 
fast  vom  Grunde  bis  zu  3  oder  4  m  Höhe  mit  ungeheuren, 
bisweilen  über  \.j  m  langen,  starken  und  vielfach  ver- 
zweigten Dornen  (Adventivsprossen)  bewehrt  ist.  Der 
Baum  ist  den  Argentinern  seines  Nutzen  und  seiner  Ge- 
fährlichkeit wegen  wohl  bekannt  und  wird  als  quillay, 
coronillo,  espina  de  Corona  Cristi,  espinillo 
aniaro  etc.  bezeichnet.  Hieronymus  (PI.  diaphor.  Ar- 
gent.  S.  59)  macht  über  seine  Verwendung  und  Schäd- 
lichkeit folgende  Mittheilungen : 

Die  Rinde  wird  an  Stelle  von  Seife  zur  Entfernung 
von  Flecken  aus  WoU-  und  Baumwollstoffen  benutzt  (da- 
her der  Name  quillay).  Das  Holz  dient  zur  Anfertigung 
von  Gefässen,  die  zur  Aufnahme  von  Flüssigkeiten  be- 
stimmt sind,  zu  Drechslerarbeiten  und  zur  Herstellung  von 
Holzsohlen  und  Holznägeln.  Die  Blätter,  jungen  Zweige, 
sowie  die  Wurzeln  wirken  adstringirend.  An  den  riesigen 
Stanundornen  verletzen  sich  häutig  die  Hausthierc.  Nicht 
selten  bildet  der  Baum  geschlossene  Wäldchen,  die  schwer 
passirbar  sind  und  namentlich  Thieren,  besonders  dem 
Weidevieh,  gefährlich  werden,  da  diese,  wenn  sie  durch 
Zufall  in  einen  derartigen  Bestand  gerathen,  sich  ver- 
letzen, rasend  werden  und  schliesslich  in  Folge  der  zahl- 
reichen Verwundungen  elend  zu  Grunde  gehen.  Bisweilen 
wird  Gleditscbia  amorphoides  auch  als  Heekenptianze 
benutzt.  Dr.  T. 


lune  neue  scliwinimende  Meeresalge  beschreil)t  G. 
Pouchet  in  den  Compt.  vend.  de  la  Soc.  de  I5iol.  de 
Paris,  t.  4,  S.  34.  P.llariot  hat  sie  Tetraspora  Poucheti 
genannt.  Pouchet  fand  sie  1882  von  den  Lofoten  l)is  zum 
Varangerfjord  in  ungeheuren  Massen.  Die  gelben  (Jalicrt- 
kügelclien  von  1  bis  2  nmi  Durchmesser  fanden  sich  zu 
etwa  40  000  in  1  cbni,  was  etwa  10  ccm  entsprechen 
würde.  Im  Jahre  1890  fand  er  sie  zu  Thorhaven  auf  den 
Faröerinseln  wieder.  Die  Kügelchen  bestehen  aus  einer 
Anzahl  sich  schneidender  Kugeln.  In  der  Gallertc  liegen 
zu  je  vieren  kugelige  Zellen  eingebettet.  Die  Vermehrung 
geschieht  durch  birnförmige  Zoosporen  mit  zwei  langen 
Geisseln.  Matzdorft". 

Erdbebenstatistik  in  Japan.  —  Prof.  Supan  hat 
kürzlich  die  Ergebnisse  der  japanischen  Erdbebenbeobach- 
tungen  von  1885 — 1S89  übersiebtlicli  zusammengefasst 
(Petermanns  Mittheilungen  1893.  S.  15—17);  seine  Uebcr- 
siclit  ist  von  zwei  instructiven  Karten  begleitet ;  die  eine 
stellt  die  Verbreitung  der  Erdbeben  in  Japan  überhaupt, 
die  zweite  diejenige  der  starken  Erdbeben  der  Jahre 
1885—1889  dar.  „Der  tektonische  Charakter  der  japa- 
nischen Erdbeben  springt  auf  Karte  I  sofort  in  die  Aogen; 
die  Vertheilung  der  \Mdcane  ist  ohne  nennenswerthen 
Einfluss  auf  die  Verbreitung  des  seismischen  Phänomens, 
das  am  häufigsten  und  stärksten  au  der  pazi- 
fischen Seite  auftritt.  Weitaus  den  ersten  Rang  nehmen 
die  Gegenden  westlich  und  nördlich  von  Tokio, 
die  Provinzen  Meesaschi,  Schimotsuke  und  Hitatschi  ein." 
Dass  dies  unstreitig  und  in  allen  Jahren  das  Haupt- 
schüttergebiet Japans  ist,  \\ird  besonders  beim  Vergleich 
von  Karte  I  und  Karte  II  klar,  welche  nur  die  starken 
Erdbeben  berücksichtigt  und  die  beiden  anderen,  auf 
Karte  I  erscheinenden  i^laximalgebiete,  diQ  Halbinsel 
Nemuro  auf  Jesso  und  die  Westküste  von  Kiuschui,  süd- 
lich von  der  Hizenhalcinsel,  sehr  zurücktreten  lässt.  Ausser 
diesem  interessanten  Einblick  in  die  örtliche  Verthei- 
lung der  Erdbeben  für  das  Japanische  Reich  sind 
noch  zwei  andere  Ergeltnisse  der  eingehenden  Erdbeben- 
statistik hervorzuheben:  1)  die  auffallende  Zunahme 
derselben  seit  1887.  In  Tokio  wurden  z.  B.  von  1885 
bis  1889  je  82,  65,  96,  122  und  137,  in  ganz  Japan  je 
80,  79,  80,  105  und  166  Erdbeben  beobachtet,  und  die 
völlige  Unabhängigkeit  der  Erdbeben  von  den 
Jahreszeiten.  Fr.  Regel. 


Ueber  die  täglichen  Schwankungen  der  Schwer- 
kraft. —  Herr  Mascart  hat  vor  Jahren  unter  der  Be- 
zeichnung „barometre  de  gravite"  ein  Instrument  ange- 
wendet, welches  die  Veränderlichkeit  der  Schwerkraft  von 
einem  zum  anderen  Orte,  etwa  bei  Forschungsreisen, 
bequem  zu  bestimmen  gestattete.  Eines  ist  indess  wenig 
angenehm  bei  dem  Apparate:  er  ist  sehr  zerbrechlieh. 
Aber  seine  ganze  Einrichtung,  das  Princip,  auf  das  er 
sich  gründet,  macht  ihn  doch  in  hohem  Maasse  geeignet, 
zur  Verfolgung  etwaiger  localer,  mit  der  Zeit  sich  voll- 
ziehender Schwankungen  der  Schwerkraft  zu  dienen. 

Seit  mehreren  Jahren  hat  nun  auch  Herr  Mascart,  wie 
er  am  30.  Januar  d.  J.  in  der  Pariser  Akademie  mit- 
theilte, ein  solches  Instrument  beobachtet,  welches  aus 
einer  Barometerröhre  besteht,  in  der  eine  Quecksilbersäule 
von  4™, 50  dem  Drucke  einer  in  einem  seitlich  ange- 
brachten Behälter  betindlichen  Masse  von  Wasserstoff  das 
Gleichgewicht  hält.  Der  ganze  Apparat  ist  in  die  Erde 
eingelassen  mit  Ausnahme  einer  kurzen  Quecksilbersäule 
am  oberen  Ende.  Die  Höhe  der  Flüs.sigkeit  in  der  Röhre 
wird  mit  Hülfe  einer  seitlich  betindlichen  Theilung  ge- 
messen,   deren  Spiegelbild  mau  nach  der  Axe  der  Baro- 


162 


Natnrwissenscliaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  Iß, 


meteiTöhre  reflectiren  lilsst.  Die  Ablesungen  werden  bis 
auf  0,01  """  getrieben. 

Die  direeten  Beobachtinigen.  zu  mehreren  bestimmten 
Stunden  am  Tage,  haben  nur  einen  eontinuirlichen  Gang 
nachgewiesen,  dessen  Verlauf  sich  im  Wesentlichen  ab- 
hängig erweist  von  den  unvermeidl)aren  Temperatur- 
schwankungen. Man  wird  zur  photographischen  Re- 
gistrirung  greifen  müssen,  wenn  man  in  dieser  Beziehung 
bestimmte  Ergebnisse  zeitigen  will. 

Die  von^Mascart  der  Akademie  vorgelegten  graphi- 
schen Darstellungen  der  Beobachtungen  (in  zwanzigfacher 
Vergrösserung)  zeigen,  wie  gesagt,  im  Allgemeinen  regel- 
mässigen Gang,  der  sich  dem  der  Temi)eratur  an- 
schliesst.  Seitvveuigen  Tagen  vor  dem  30.  Januar  aber, 
bemerkt  man,  dass  diese  Curven  durch  plötzliche  rasche 
Aenderungen  der  Schwerkraft  gestört  erscheinen.  Die 
Dauer  dieser  Störungen  schwankt  zwischen  lö"  und  1^; 
ihre  Amplitude  erreicht  —  und  überschreitet  in  einzelnen 
Fällen  —  den  Betrag  von  0,05""";  der  bedeutend  grösser 
ist,  als  die  Aenderungen  der  Schwere,  welche  etwa  durch 
die  Erscheinungen  der  Gezeiten  verursacht  werden  können. 
(Die  Möglichkeit,  dass  diese  Störungen  etwa  von  Er- 
schütterungen des  Erdbodens  herrühren  könnten,  scheint 
ausgeschlossen  zu  sein,  da  der  französische  Physiker  ihrer 
mit  keinem  Worte  gedenkt.)  Herr  Mascart  wird  im 
Park  St.  Maur  ein  neues  Instrument  nach  gleichem 
Princip  aufstellen  lassen,  das  vor  jeder  zufälligen  Störung 
durch  die  leisen  Bewegungen  des  Erdbodens  vollkommen 
geschützt  werden  soll.  Erst  nach  Anstellung  weiterer 
Beobachtungen  wird  man  dann  näher  über  die  Frage  der 
Realität  täglicher  Schwankungen  der  Schwere  entscheiden 
dürfen.  Besondere  Bedeutung  dürften  «lei'artige  organisirte 
Wahrnehmungen  aber  namentlich  in  vulkanischen  Gegenden 
finden,  sofern  man  annehmen  darf,  dass  die  Schwerkraft- 
Aenderungen  abhängen  von  unterirdischen  Massenver- 
setzuni,-en.  ^^i'*- 


Entgegnung  auf  die  Erwiderung  des  Herrn  Dr.  Jordan 

in  No.  15. 

Zu  Anmerk.  2:  Es  ist  völlig  richtig,  dass  ich  (lie 
Uebereiustimnuiug  der  empiristischen  Ansicht  von  einer 
zwischen  körperlichen  und  geistigen  ^^n■gängen  vorhande- 
nen Functioualbeziehuug  mit  dem  bedeutungsvollsten  aller 
Grundgesetze  der  Naturwissenschaft,  d.  h.  mit  dem  Gesetze 
von  der  Erhaltung  der  Energie,  für  eine  sein-  wichtige 
Stütze  jener  Ansicht  halte.  Was  i.un  die  Gegenbemer- 
kungen "des  Herrn  Dr.  .1.  wollen,  verstehe  ich  nicht,  da 
sich"  das  Gesetz  der  Erhaltung  der  Energie  —  ich  darf 
doch  wohl  sagen:  bekanntlich  —  auf  das  Gebiet  der 
körperliehen  Vorgänge  bezieht.  Ich  wüsste  nicht,  wo 
und  wann  und  warum  ich  den  Versuch  gemacht  haben 
sollte,  die  Geltung  jenes  Gesetzes  auch  auf  das  Gebiet 
der  geistigen  \'orgänge  auszudehnen.  Für  mich  genügt 
völlig  die"  unbedingte  Geltung  des  Energie-Gesetzes  auf 
dem'körperlichen  Gebiete,  mit  der  jeglicher  Dualismus 
(also  auch  die  Ansicht  des  Herrn  Dr.  J.)  ausgeschlossen 
ist.  _  Herr  Dr.  J.  scheint  meine  Ausführung  etwas 
flüchtig  gelesen  zu  haben,  und  wohl  eben  so  auch  Wandt, 
dessen  Anführung  hier  entschieden  nicht  am  Platze  ist,  da 
Wundt   ja   auch  "Anhänger   der  Parallelismus-Theorie   ist. 

ZuAnmerk.  3:  Was  die  „Abhebungen"  anbelangt, 
so  ist  dieser  Ausdruck  allerdings  für  denjenigen  ein 
„blosses  AVort",  der  nicht  weiss,  was  damit  gemeint,  bezw. 
was  damit  ausgeschlossen  werden  soll  (nämlich  die  An- 
nahme eines  substanziellen  Bevvusstseins!).  Auf  diesen 
Punkt  werde  ich  in  dieser  Zeitschrift  noch  bei  anderer 
Gelegenheil  zurückkounnen. 


Zu  Anmerk.  4:  Das  Wort  „Begleiterscheinung" 
ist  völlig  gleichbedeutend  mit  dem  Worte  „Begleitvor- 
gang"  gebraucht.  In  diesem  Sinne  sind  diejenigen,  denen 
etwas  erscheint,  alle  die,  für  die  etwas  zur  „Abhebung" 
gelangt,  d.  h.  alle  die,  die  etwas  wahrnehmen,  also  die 
mit  Nerven  versehenen  Organismen  (die  keineswegs  etwa 
als  „geistige  Wesen"  bezeichnet  werden  können).  —  Dass 
die  von  Herrn  Dr.  ,1.  beliebte  Anwendung  des  Ausdrucks 
„Materialismus"  als  Sammelname  für  grundverschie- 
dene Standpunkte  in  keiner  Weise  zu  billigen  ist,  brauche 
ich  wohl  nicht  noch  besonders  darzulegen.  Es  liegt  solchem 
Gebrauche  jenes  Worts  meist  die  Absicht  zu  Grunde,  den 
dem  Materialismus  anhaftenden  Makel  auch  den  andern 
Anschauungen  anzuheften 

Zu  Anmerk,  10:  Wir  kennen  aus  Erfahrung,  die 
doch  die  einzige  Quelle  unseres  Wissens  ist,  sicher  nur 
eine  Art  von  Gedankenübertragung,  das  ist  die  durch 
Bewegungen  (Sprechen,  Schreiben,  Mienen,  Geberden) 
vermittelte.  Wer  eine  andere  Art  von  Gedankenüber- 
tragung als  diese  aus  der  Erfahrung  allein  sicher  nach- 
weisbare behauptet,  ohne  dafür  den  Beweis  zu  liefern, 
der  stellt  damit  einen  Glaubenssatz  (Dogma)  auf, 
nicht  aber  der.  der  sich  streng  an  die  Erfahrung  hält. 
Inuner  derjenige  hat  den  Beweis  zu  führen,  der  eine 
neue  Ansicht,  d.  h.  eine  von  der  bisher  üblichen,  auf 
allgemeiner  Erfahrung  beruhenden ,  wissenschaftlichen 
Ueberzeugung  abweichende  Behauptung,  aufstellt. 

Zu  Anmerk.  15:  Die  in  meinem  Innern  sich  ab- 
spielenden Vorgänge  sollen  für  Herrn  Dr.  J.  „relativ  nn- 
bewusstc"  sein?!  Nun  ich  denke,  sie  dürften  ihm  wohl 
völlig  „unbewusst"  — oder  riciitiger:  v('illig  „unbekannt" 
sein!  Denn  das  ganze  Beispiel  des  Herrn  J.  passt 
ganz  und  gar  nicht  hierher.  Es  handelt  sich  hier 
um  die  Bezeichnung  der  geistigen  Vorgänge  eines  Men- 
schen, und  zwar  nicht  nur  vom  Standpunkte  eines  andern, 
sondern  auch  von  dessen  eignem  aus!  Und  da  ist 
es  für  mich  allein  verständlich  und  annehmbar,  von 
geistigen  Vorgängen  als  bewussten  Vorgängen  zu  reden. 
Die  Ausdrücke  „geistig"  und  „bewusst"  decken  sich. 
Infolge  dessen  ist  es  unbedingt  zu  verwerfen,  von  un- 
bewussten,  bezw.  relativ  unbewussten  geistigen  Vorgängen 
zu  reden.  Das  ist  ebenso  richtig,  wie  wenn  man  von  un- 
bewusstem  Bewusstsein  oder  von  bewusstem  Unbewussten 
oder  aber  von  nichteisernem  (z.  B.  hölzernem)  Eisen  (bezw. 
relativ  nichteisernem  Eisen)  sprechen  wollte.  Solche  Aus- 
drücke widersprechen  dem  logischen  Grundgesetze  des  zu 
vermeidenden  Widerspruchs. 

Auch  ich  hoffe,  dass  das  Gesagte  genügen  dürfte, 
um  die  ..vorurtheilslos  prüfenden  Leser"  in  den  Stand  zu 
setzen,  ihr  Urtheil  zu  fällen,*)  Dr.  M.  Klein. 


1 


Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben. 

Es  wiirdeii  eniannt:  Dlm-  Hygieniker  l'i-ufessor  Uffelmanii 
au  der  Universitilt  Kostock  zum  Honorar-Professor,  —  Der  Chirurg 
Professor  All)ert  Landerer  in  I^eipzig  zum  Leiter  des  Karl- 
Olga  Hospitals  zu  Stuttgart,  —  Dr,  Julius  Scheiner  vom  astro- 
physikalischen  Observatorium  zu  Potsdam  zum  Professor.  —  Der 
Privatdocent  in  der  mediciuisclieu  Facultiit  der  Urdversität  Heidel- 
berg, Dr,  Friedrich  Maurer,  zum  ausserordentlichen  Professor. 
Der  Gymnasialdirector  a.  D.  und  Privatdocent  für  Philosophie  an 
der  Berliner  Universität,  Dr,  August  Döring,  zum  Professor. 

Es  ist  gestorben:  Der  Botaniker  Alphonse  de  Candolle 
in  Genf. 

Die  Versammlung  der  Deutschen  zoologischen  Gesellschaft 

findet   am  24,  bis  26,  Atai    im    zoologischen    Institut   in  ßöttingen 
statt,  —  Vorsitzender  Professor  J.  W,  Spengel  in  Giessen, 


*)  Wir  erklären  hiermit  die  Discussion  zwischen  den  Herren 
Dr.  J.  und  Dr.  Kl,  in  der  „N.  W."  für  geschlossen.  Red, 


Nr.  in. 


Naturwissciiscliattliclie  Wochenschrift. 


163 


L  i  1 1  e  r  a  t  u  r. 

Paul  Mantegazza,  Die  Hygiene  der  inneren  Organe.  Verlag 
von  Heiiirioh  M;iU.  Königsberg  (Ostpr.).  Olmc  Jalireszahl.  — 
Preis   1    Mk. 

Diis  Heftchen  ist  das  lä.  aus  der  Reihe  der  Hygienen  Mante- 
gazza's,  aber  noch  nicht  das  letzte.  Wie  die  früheren  ist  es  flott 
geschrieben:  ni;in  wundert  sich,  wie  der  Verfasser  es  fertig  bringt, 
den  anscheinend  spröden  Stoff  allgemein-anziehend  zu  behandeln. 


Dr.  J.  Buchheister,  Die  Berechtigung  und  gesundheitliche  Be- 
deutung des  Bergsteigens.  iSanimlung  geineinv.-wissenschaftl. 
\'nrtr;l"e.  .\.  F.  7.  Ser.  Heft  1.32.)  Verlagsanstalt  A.-G.  (vor- 
mals J.  F.  Kichter).     Hamburg,   !8;»2.  —  Preis  0,60  Mk. 

Schon  vor  mehreren  Jahren  liat  Verf.  ein  gediegenes  Schrift- 
chen über  das  Bergsteigen  veröffentlicht  (vgl.  Naturw.  Wochenschr. 
1889,  Bd.  IV,  S  232).  Auch  das  vorliegende  Schriftchen  können 
wir  nur  angelegentlichst  allen  denen  empfehlen,  die  Wanderungen 
im  Gebirge  lieben:  es  giebt  treffliche  und  beherzigenswerthe 
Kathschläge  dem  Touristen  und  wissenschaftlichen   Reisenden. 


Dr.  Oscar  Lassar,    Die    gesundheitschädliche    Tragweit«    der 

Prostitution.     Kine    social  -  mediciiiische    Befruchtung.     Verlag 

\on  August  Hirschwald.     Berlin,  1892. 

Nachdem  der  Verf.,  Privatdocent  für  Hautkrankheiten,  die 
Gefahren  unvorsichtigen  geschlechtliclien  Verkehres  geschildert 
hat,  spricht  er  energisch  im  Interesse  der  Gesellschaft  dafür.^  dass 
jeder  geschlechtlich  Kranke  alle  und  leichte  Wege  offen  linden 
müsse,  um  zu  gesunden,  was  bei  den  jetzigen  Zuständen  that- 
sächlich  nicht  der  Fall  sei.  Er  macht  Vorschläge,  wie  das  zu  er- 
reichen sei.  F^erner  wünscht  er  Belehrung  der  Jünglinge,  denen 
die  Gefahren  bekannt  zu  geben  seien. 


li.  Pasteur,  Die  in  der  Atmosphäre  vorhandenen  organischen 
Körperchen,  Prüfung  der  Lehre  Ton  der  Urzeugung.  Keber- 
setzt  von  Dr.  A.  Wieler  Mit  2  Tafeln  ((.>»t.wald's  Klassiker 
der  exakten  Wissenschaften  No.  39).  Verlag  von  Wilhelm 
F;ngelmann.     Leipzig   1892.  —  Preis   1,80  Mark. 

Die  1862  von  Pasteur  in  den  Annales  de  Chemie  et  de 
Physique  veröffentlichte  bedeutungsvolle  Abliaiidlung  ist  eines 
der  werthvollsten  Dokumente  für  die  Geschichte  der  Wissen- 
schaften von  den  Lebewesen:  bringt  sie  doch  den  uralten  Streit 
über  die  Urzeugung  zum  definitiven  Abschluss.  Pasteur  war  der 
erste,  der  in  wissenschaftlich  genügend  erscheinender  Weise  die 
Entstehung  auch  der  niedersen,  einfachsten  uns  bekannten  Or- 
ganismen aus  Keimen  von  ihresgleichen  nachwies  und  zeigte,  dass 
eine  spontane  Entstehung  von  Organismen  nicht  koustatirbar  ist, 
dass  die  bis  dahin  angestellten  Versuche,  die  Urzeugung  zu  er- 
weisen, nicht  mit  den  nöthigen  Kautelen  angestellt  worden  sind. 
Die  beiden  der  so  bedeutsamen  Abhandlung  beigegebenen  Tafeln 
sind  Abzüge  der  Originalplatten  der  Pasteur'schen  Arbeit- 


Prof.  Dr.  Bau,  Neuer  methodischer  Leitfaden    für    den  Unter- 
richt in  der  Zoologie      Mit  zahlreichen   Holzschnitten.     Verlag 
von  0.  R.  Reisland.     Leipzig   1892.  —  Preis  geb.  2,20  Mark. 
Dieser  neue  Leitfaden  stellt  eine  Umarbeitung  des  früheren 
dar,  erweitert  durch  die  Grundbegriffe    der  Thiergeographie  und 
der  Gesundheitspflege.     Der    erste    Abschnitt  desselben  giebt  die 
Beschreibung  einzelner  Säugethiere  und  Vögel,  ents|:irechend  dem 
Pensum    der  Se.xta.     Der  zweite  gleichfalls  Einzellieschreibungen 
aus    dem    ganzen  Kreis    der  Wirbelthiere,    zudem    die  Grundzüge 
des  menschlichen  Skelettes.     Im  Weiteren  nimmt  der  Gang  einen 
mehr  .systematischen  Charakter  an;  so  giebt  der  3.  Abschnitt  das 
„Svstem  der  Wirbelthiere",  der  4.  und  5.  das  „System  der  wirbel- 
losen Thiere,  der  6.  beschäftigt  sich  mit  dem  Menschen. 

Der  Raum  gestattet  nicht,  die  Vorzüge  des  vorliegenden 
gegen  die  anderer  neuerer  Leitfäden  eingehender  abzuwägen. 
Er"  ist  nicht  so  streng  methodisch  und  inductiv  wie  einige  andere, 
z.  B.  die  Vogel-Müllenhoff'schen  Leitfäden  —  denen  er  sonst  in 
den  ersten  beiden  Abschnitten  verwandt  ist  — ,  andererseits  über- 
trifft er  in  der  Frische  der  Darstellung  viele  neuere.  Der 
Verfasser  hat  liämlicli  besonderen  Werth  auf  eine  fliessende 
ungezwungene  erzählende  Sprache  gelegt,  zumal  in  den  Einzel- 
beschreibungen, die  durch  reichliche  Abbildungen  noch  mehr  be- 
lebt wird.  Es  ist  dadurch  ein  Lo-ebuch  im  besseren  Sinne  ge- 
schaffen, dazu  geeignet  „nach  der  Stunde  die  Schüler  zu 
nochmaliger  freudiger  Beschäftigung  mit  dem  Durchgenommenen" 
anzuregen.  Hinzugefügt  sei,  dass  der  Leitfaden  in  einigen 
Punkten  den  Anschauungen  Götte's  (Thierkunde)  folgt,  so  z.B. 
in  der  Auseinandersetzung  auf  R.  .').  Die  allenthalben  hervor- 
tretende Absicht  des  Verfassers,  Liebe  zur  Natur  in  den  Schülern 


zu  erwecken,  ist  besonders  anzuerkennen  und  wird  gewiss  ihren 
Zweck  nicht  verfehlen. 

Nicht  einverstanden  ist  Referent  mit  der  zwei  bis  drei  Seiten 
einnehmenden  Einleitung:  Der  Mensch.  Es  werden  hier,  also 
auf  der  untersten  Stufe,  zuviel  neue  Begrift'e  ohne  hinreichende 
Anschauung  übermittelt;  einzelne  derselben  sind  auch  verfrüht, 
wie  „Kehldeckel,  Iris,  Nerven".  Der  beigegebene  kleine  schemati- 
sche Durchschnitt  eines  Torso  (der  u.  a.  auch  bei  Götte,  aber 
doch  mit  anderer  Begründung  zur  Darstellung  gelangt)  ist  zur 
ersten  Einführung  ganz  ungeeignet,  auch  in  ästhetischer  Hinsicht 
wird  er  abstossend  und  verwirrend  auf  das  Kindesgemuth  ein- 
wirken. Dagegen  zeichnen  sich  die  späteren,  eingehender  vom 
menschlichen  Körper  handelnden  Abschnitte  gerade  durch  An- 
schaulichkeit aus.  . 

Der  Bail'sche  Leitfaden  ist  jedenfalls  ein  werthvoller  Bei- 
trag zur  Behandlungsweise  des  naturgeschichtlichen  Unterrichts 
und    wird    deniKemäss    zu     einer    weiteren    erhöhten    Würdigung 


dieses  Unterrichtszweiges  mitwirken. 


0.  Ohmann. 


Oberlehrer  J.  Blum  und  Dr.  W.  Jännicke,  Botanischer  Führer 
durch  die  städtischen  Anlagen  in  Frankfurt  am  Main.    Mit 

7  Planskizzen.     Verlag    von    Mahlau    &    Waldschmidt.     Frank- 
furt am  Main   1892. 

Das  befpiem  in  der  Tasclie  zu  tragende  Büchelchen  ist  mit 
Unterstützung  des  Vereins  zur  Förderung  des  öftentlichen  Ver- 
kehrslebens (des  Verschönerungs-Vereins)  zu  Frankfurt  am  Main 
herausgegeben  worden.  Frankfurt  zeichnet  sich  durch  seine 
Garten-Anlagen,  namentlich  durch  seine  „Promenade"  und  sein 
, Nizza"  vortheilhaft  aus  Die  zahlreichen  Zierpflanzen,  welche 
die  Anlagen  schmücken,  finden  in  dem  vorliegenden  Schriftchen 
Besprechung  und  Erwähnung  und  zwar  so,  dass  man  die  einzelnen 
Arten  nach  den  gemachten  Angaben  gut  auffinden  kann.  Dem 
angehenden  botanischen  Systematiker  und  Pflanzenfreund,  der 
sich  in  der  genannten  Stadt  aufhält,  wird  die  Schrift  angenehme 
Dienste  leisten. 


Dr.    Max    Ebeling,    Einführung    in    das   Kartenverständniss. 

Eine  methodische  Anleitung  für  den  geographischen  Anfangs- 
Unterricht  an  dem  Beispiel'  einer  Berliner  Schule  durch  Lehr- 
proben dargestellt.  Mit  18  Abbildungen.  Weidmann'sche 
Buchhandlung.     Berlin    1892.   -  Preis  1  Mark. 

Das  verdienstliche  Schriftchen  will  entgegen  dem  früheren 
Gebrauch,  nach  welchem  den  Schülern  einfach  ein  Atlas  in  die 
Hand  gegeben  wurde  und  dieser  nun  ein  Kartenverständniss  so 
gut  es  ging  selbstständig  zu  erlangen  versuchen  musste,  zuerst 
dieses  Verständniss  methodisch  gelehrt  wissen.  Man  muss  sich 
in  der  That  wundern,  dass  diese  Forderung  erst  neuerdings  Platz 
greift.  Die  Schrift  Ebeling's  will  dem  Lehrer  zur  Erreichung  des 
Zieles  ein  Leitfaden  sein:  sie  ist  ganz  elementar  gehalten  und 
setzt  keine  Vorkenntnisse  aus  der  Mathematik  voraus.  Da  sie 
für  den  Unterricht  von  Schülern  von  10—11  Jahren  bestimmt  ist, 
lässt  sie  die  Erläuterung  der  Kartenprojectionen  und  Höhenlinien 
ausser  Acht.  Es  ist  dies  eigentlich  bedauerlich,  da  ein  kurzer 
Abschnitt  diese  wesentliche  Ergänzung  hätte  bringen  können  und 
dadurch  der  Leitfaden  auch  für  reifere  Schüler  benutzbar  ge- 
worden wäre.  Der  Verfasser  ist  ordentlicher  Lehrer  an  einer 
höheren  Bürgerschule  in  Berlin  und  hat  —  wie  man  schnell  sieht 
—  aus  der  Praxis  des  Unterrichts  geschöpft. 


Dr.  Arthur  Gloy,  Beiträge  zur  Siedelungskunde  Nord-Albin- 
giens.  (Fortsetzungen  zur  deutschen  Laudes-  und  Volkskunde, 
herausgegeben  von  Prof.  A.  Kirchhoft'.  7.  Bd.,  Heft  3.)  Mit 
3  Karten  und  i  Text -Abbildungen  Verlag  von  J.  Engelhorn. 
Stuttgart,  1892.  -   Preis  3,40  Mk. 

Das  nur  44  S.  umfassende  Heft  berücksichtigt  eingehender 
die  ländlichen  Siedelungen  und  bietet  eine  wichtige  Ergänzung  zu 
Jansen's  Untersuchungen,  der  sich  der  Hauptsache  nach  mit  der 
wechselseitigen  Bedingtheit  des  Orts  durch  den  Verkehr  und  das 
Strasi^ennetz  beschäftigt  hat.  Es  zerfällt  in  zwei  Theile.  von 
denen  der  erste  „Die  Dichte  d  er  Bevölkerung-',  „ausgedrückt 
durch  die  d(?r  Wohnplätze  und  durch  die  Kaumgrösse  der  Siede- 
lungen" (Ratzel),  und  der  zweite  die  „  Siedelungstypen "  be- 
handelt. Zunächst  findet  die  , Karte  der  Siedelungsdichte  Erläu- 
terung, um  dann  die  Ursachen  für  die  verschiedene  Dichte  der 
Wohnplätze  und  der  Bevölkerung  darzulegen.  Bei  der  Behandlung 
der  ländlichen  Siedelungstypen  hat  Verf.  namentlich  die  slavischen 
berücksichtigt,  „welche  um  so  mehr  Beachtung  verdienen,  als  sie 
von  Ratzel  wohl  erwähnt  weiden,  aber  nicht  als  im  Deutscheu 
Reich  vorkommend." 


164 


Naturwisseuscbaftlicbe  Wochensclirift. 


Nr.  16. 


Dr.  Ernst  Wunschmann,  Carl  Wilhelm  von  Naegeli.  (Wiss. 
Beilage  zum  Programm  der  Charluttcusehule  zu  Berlin.  Ostern 
1893.)  E.  Gaertner's  Verlagsbuchhandlung  (Hermann  Hevfelder). 
Berlin  1893.  .'   -        ' 

Die  vorliegende  Schrift  ist  mehr  eine  Darstellung  der  wissen- 
schaftlichen Anschauungen  und  der  wissenschaftlichen  Thiitigkeit 
des  talentvollen  Botanikers  Naegeli,  als  eine  blosse  Lebensbeschrei- 
bung. Nur  in  aller  Kürze  finden  wir  am  Eingange  der  Schrift 
eine  Darstellung  des  Lebenslaufes,  während  der  Haupt-Inhalt  die 
einzelnen  Hauptrichtungen  des  Wirkens  von  Naegeli  behandelt. 
Dieser  ist  in  VI  Abschnitte  gegliedert,  und  zwar  I.  Schriften  zur 
Entwicklungsgeschichte  der  Organe  und  Gewebe,  II.  Schriften 
über  die  Stärkekörner,  Intussusceptionslehre  und  Micellartheorie, 
III.  Schriften  zur  Kr_yptogamenkunde,  IV.  Systematische  Schriften, 
V,  Abstammungslehre  und  Moleculartheorie,  VI.  Gährungstheorie 
und  Bacterienfrage.  Den  Schluss  der  verdienstlichen  Arbeit  bildet 
ein  Verzeichniss  der  gedruckten  Schriften  Naegeli's. 


Mittheilungen  von  Forschungsreisenden  und  Gelehrten  aus  den 
Deutschen  Schutzgebieten.  Mit  Benutzung  amtlicher  (i)uellen 
herausgegeben  von  Dr.  Freiherr  von  Danckelmann.  VL  Bd. 
Heft.     Berlin  189o.     E.  Siegfr.  Mittier  &  Sohn. 

Von  diesem  für  die  wissenschaftliche  Kenntniss  der  deutschen 
Schutzgebiete  besonders  wichtigen  <t»uellenwerke  erscheint  nun- 
mehr bereits  der  sechste  Band  als  wissenschaftliche  Beihefte  zum 
amtlichen  Deutschen  Kolonialblatt.  Das  jüngst  ausgegebene  Heft 
enthält  zunächst  fünf  verschiedene  Aufsätze  aus  dem  Schutzge- 
biete Togo.  Allgemeine  Beachtung  verdient  der  Aufsatz  des 
Stabsarzt  Wicke  „über  die  gesundheitlichen  Verhältnisse  unter 
den  Europäern  an  der  Sklavenküste  unter  besonderer  Berücksich- 
tigung der  Togo-Gebiete  vom  I.  Januar  bis  Ende  September  1892. 
Hieran  schlie.ssen  sich  die  von  Premierlieutenant  Herold  im 
Togogebiet  angestellten  Höhenmessungen  und  meteorologischen 
Beobachtungen  von  Bismarcksburg ,  Klein  Popo,  Sehe  und 
von  der  Station  Misahöhe.  Aus  dem  deutsch  -  südwestafri- 
kanischen Schutzgebiet  ist  neben  dem  Bericht  von  Dr.  Fleck 
über  eine  durch  die  Kalahari  zum  Njdmi  See  unternommene 
Reise  die  von  R.  Kiepert  bearbeitete  Karte  mit  C.  v.  Fran(,-ois' 
Routen  im  deutsch  -  britischen  Grenzgebiet  hervorzuheben,  auf 
welcher  sich  auch  die  älteren  Reisen  eingetragen  finden.  Endlich 
ist  aus  dem  deutsch-ostafrikanischen  Schutzgebiet  der  Aufsatz 
über  die  Wakua-Steppe  von  Interesse.  Anfang  September  1891 
unternahm  H.  F.  v.  Behr  von  Lindi  aus  eine  Expedition  nach 
dem  Gindo-  und  Wakua-Lande,  um  über  die  Ausdehnung  und 
Ausbeutungsfähigkeit  der  Kopalfelder  im  südliehen  Theile  des 
deutsch-ostafrikanischen  Interessengebietes  Untersuchinigen  anzu- 
stellen. Das  plötzliche  Verschwinden  der  beiden  Wakua-Führer 
wäre  beinahe  für  den  Unternehmer  und  seine  22  Begleiter  ver- 
hängnissvoll  geworden:  Die  Expedition  wurde  in  kritischer  Lage 
mitten  in  der  weglosen  Steppe  in  Stich  gelassen;  v.  Behr  konnte, 
nach  lünem  vergeblichen  A'orstoss  in  nördlicher  Richtung  zur  LTm- 
kehr  gezwungen,  nur  mit  knapper  Noth  und  im  Zustand  grösster 
Schwäche  den  Wasserplatz  in  der  Nähe  des  Timbo  im  SO.  vom 
Kongomere-Gebirge  erreichen.  LTi-ber  die  Mayeye-Berge  gelangte 
v.Behr  nach  der  Missionsstation  Masasi,  wo  sicli  die  übrigen  Mit- 
glieder der  Expedition  bis  auf  zwei,  welche  in  der  Wakua-Steppe 
geblieben  waren,  einige  Tage  später  ebenfalls  einfanden.  Von 
hier  kehrte  v.  B.  dann  nach  Limdi  zurück.  Fr.  Regel. 


Engler-Prantl's  Natürliche  Pflanzenfamilien.     80.  und  81.  Lief. 

Verlag  von  Wilhelm  Engelmaun  in  Leipzig,  1893.  —  Preis  ä  Lief. 

1,.50  in  Subscription  und  3  Mk.  einzeln. 
Lief.  80    beschliesst    die    Sterculiaceen    (bearb.    von  K.  Schu- 
mann),   bringt    die    Dilleniaceen    (E.    Gilg)    und    Encryphiaceen 
(W.  O.  Focke)    und    beginnt  die  Ochnaceen  (Gilg)      Lief.  81   be- 
schliesst die  Rhizophoraceen  und  beginnt  die  Myrtaceen  (Fr.  Nie- 


denzu).  Der  —  wie  schon  in  der  „N.  W."  mitgetheilt  —  erfolgte 
Tod  des  Mitherausgebers  der  Natürlichen  Pflanzenfamilien,  des 
Prof  PrantI,  bringt  in  dem  Erscheinen  des  Unternehmens  keine 
Störung  hervor:  Prof.  Engler  hat  sich  entschlossen,  die  Heraus- 
gabe nunmehr  allein  zu  übernehmen. 


Schififner,   V.,   Tortula  Velenovskyi,   eine   neue  Art   der  Gattung 

Tortula  aus  Böhmen.     Leipzig.  "  1,.M  M. 
Schnitze,  F.,  Ueber  den  Hypnotismus      Hamburg.     1   M. 
Schnitze,  O.,  Beitrag  zur  Entwicklungsgeschichte  der  Milchdrüsen. 

Würzburg.     0,80  M. 
See,    Th.    J.    J.,    Die    Entwickelung    der    Doppelstern -Systeme. 

Berlin.     6  M. 
Seelig,  E.,  Molekularkräfte.     2.  Aufl.     Berlin.     2,40  M. 
Seligo,    A.,    Ueber    einige    Flagellaten    der    Süsswasserplankton. 

Danzig.     1  M. 
Specialkarte,   geologische,  des   Königreiches  Sachsen.     1  :  25  000. 

Sect.  50.  Moritzburg-Klotzsehe.  —   Sect.  82.  Kreischa-Hänichen. 

Leipzig,     ä  3  M. 
Stahl,  H.,  und  V.  Kommerell,  Die  Grundformen  der  allgemeinen 

Flächentheorie.     Leijizig.     4  M. 
Steindachner,  F.,    Ueber   einige   neue  und  seltene  Fischarten  aus 

der  ielithyologischen  Sammlung  des  k.  k.  naturhistorischen  Hof- 

museuuis.     Leipzig.     4,40  M. 
Tesar,  J.,  Ueber  ein  Paar  nnicursaler  Degenerirungscurven  3.  Ord- 
nung des  Normalenproblems  und  das  Nornialenproblem  einer  con- 

focalen  Kegelschnittschaar.     Leipzig.     1  M. 
Thompson,  S.  P.,   Die   dvnamoelektrischen   Maschinen.      4.  Aufl 

5.  Hft.     Halle.     2  M.     " 
Toula,  F.,  Geologische  Lfntersuchungen  im  östlichen  Balkan  und 

in  anderen  Teilen  von  Bulgarien  und  Ostrumelien.    II.  Abtheil. 

Leipzig.     8  M. 
Tumlirz,  O.,   Die  Dichte   der  Erde,   berechnet  aus  der  Schwere- 

Ijeschleunigung  und  der  Abplattung.     Leipzig.     0,30  M, 
Vaihinger,  H.,  Commentar  zu  Kants  Kritik  der  reinen  Vernunft. 

2.  Bd.     Stuttgart.     18  M. 
Weber,  R.   H.,   Die   Philosophie  von   Herbert  Spencer.    Leipzig. 

0,80  M. 
Weiss,  E.,   Untersuchung   der   systematischen  Differenzen  einiger 

südlicher  Sternkataloge.     Leipzig.     2,40  M. 
Wettstein,  K.  v.,  Die  fossile  Flora  der  Höttinger  Breceie.   Leipzig. 

5,S0  M. 
Wollny,  F.,    In   Sachen   der   Hypnose   und   Suggestion.     Leipzig. 

0,50  M. 

Zur    Nachricht. 

Der  Artikel  des  Herrn  Prof.  Kirchner  über  Christian  Kon- 
rad Sprengel  in  No.  12  dieses  Jahrgangs  der  „Naturw.  Wochenschr." 
hat  einige  der  geehrten  nichtbotanischen  Leser  veranlasst,  der 
Redaction  vorzuschlagen,  in  der  „Naturw.  Wochenschr."  einen 
Aufsatz  über  die  Grundzüge  der  heutigen  Blumentheorie  zu  ver- 
öflfentlicben.  Da  ein  solcher  Aufsatz  nur  ganz  elementare,  jedem 
Botaniker  bekannte  Dinge  ln"ingen  könnte,  die  „Naturw.  W^ochen- 
schriff  jedoch  im  Wesentlichen  die  Aufgabe  hat,  über  die 
Fortschritte  in  der  Naturwissenschaft  zu  berichten,  so  wagt  es 
der  Unterzeichnete  nicht,  allein  auf  Grund  der  wenigen  vorliegen- 
den Aeusserungen,  eine  Auseinandersetzung  über  den  genannten 
Gegenstand  zu  bringen.  Finden  sich  aber  aus  dem  freundlichen 
Leserkreise  noch  mehrere  Zustimmungen  zu  dem  Plane,  so  bin 
ich  gern  bereit,  dem  ausgesprochenen  Wunsche  nachzukommen, 
um  so  mehr  als  ich  für  eine  in  Gemi'inschaft  mit  Herrn  Professor 
Kirchner  herauszugebende  Jubiläumsschrift  auf  Sprengel  einen 
„Was  sind  Blumen?"  betitelten,  illustrirten  Aufsatz  zu  veröff'ent- 
lichen  im  Begriff'  stehe,  dessen  Aufgabe  sein  soll,  dem  Laien  den 
Gegenstand,  den  Spreugel  so  meisterhaft  begründet  hat,  zu  er- 
schliessen.  P. 


Inhalt:  E.  Zimmermann:  Dictyodora  Liebeana  Weiss,  eine  räthselhafte  Versteinerung.  (Mit  Abbild.)  —  Dr.  Eugen  Dreher: 
Ueber  den  Ursprung  und  die  Bedeutung  der  geometrischen  Axiome.  —  Einen  interessanten  Fall  von  Vererbung  einer  Miss- 
bildung durch  mehrere  Generationen  hin.  —  Die  Verwandtschaftsverhältnisse  der  Arthropoden.  —  Ueber  das  Vorkommen  einer 
Gleditschia  in  Südamerika.  —  Eine  neue  schwimmende  Meeresalge.  —  Elrdbebenstatistik  in  Japan.  —  Ueber  die  täglichen 
Schwankungen  der  Schwerkraft.  —  Entgegnung  auf  die  Erwiderung  des  Herrn  Dr.  Jordan  in  No.  15.  —  Aus  dem  wissenschaft- 
lichen Leben.  —  Litteratur:  Paul  Mantegazza:  Die  Hygiene  der  inneren  Organe.  —  Dr.  J.  Buchheister:  Die  Berechtigung 
und  gesundheitliche  Bedeutung  des  Bergsteigens.  —  Dr.  Oscar  Lassar:  Die  gesundheitschädliche  Tragweite  der  Prostitution. 
—  L.  Pasteur:  Die  in  der  Atmosphäre  vorhandenen  organischen  Körperchen,  Prüfung  der  Lehre  von  der  Ueberzeugung.  — 
Prof.  Dr.  Bail:  Neuer  methodischer  Leitfaden  für  den  Unterricht  in  der  Zoologie.  —  Oberlehrer  J.  Blu  hrn  und  Dr.  W.  Jan  nicke: 
Botanischer  Führer  durch  die  städtischen  Anlagen  von  Frankfurt  a.  M.  —  Dr.  Max  Ebeling:  Einführung  in  das  Kartenver- 
ständniss.  —  Dr.  Artliur  Gloy:  Beiträge  zur  Siedelungskunde  Nord-Albingiens.  —  Dr.  Ernst  W  uns  c  hmann:  Carl  Wilhelm 
von  Naegeli.  —  Mittheilungen  von  Forschungsreisenden  und  Gelehrten  aus  dem  Deutschen  Schutzgebiete.  —  Engler-Prantl's 
Natürliche  Pflanzenfamilien.  —  Liste.  —  Zur  Nachricht. 


Verantwortlicher  Redakteur:  Dr.  Henry  Potonie,  Berlin  N.  4.,  Invalidenstr.  40/41,  für  den   Inseratentheil:  Hugo  Bernstein  in  Berlin.  — 
Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.   12.  —  Druck:  G.  Bernstein,  Berlin  SW.   12. 


Nr.  16. 


NatiirwissenscliaftliL-lic  Wochenschrift. 


XXXI 


An  unsere  Leser! 


Diejenigen  unter  den  freundlichen  Lesern,  welclie  die  „Naturwissenschaftliclie  Wochen- 
sclirifl"  seit  ihrem  Entstehen  verfolgt  liaben,  wissen,  dass  von  Jahr  zu  Jahr  der  Umfang  der  ein- 
zelnen Nummern  sowohl  inhaltlich  als  auch  der  Seitenzahl  nach  zugenommen  hat.  Die  Redaction 
steht  abermals  vor  der  Frage,  ob  es  zweckmässig  sei,  eine  weitere  Vergrösserung  der  Wochenschrift 
vorzunehmen:  wiederholt  mussten  treffliche  Artikel  aus  Mangel  an  Platz  abgelehnt  werden,  ferner 
erscheint  es  u.  a.  geboten,  die  referirenden  kleineren  Mittheilungen  in  noch  grösserer  Zalil  zu  bringen 
als  bisher  und  endlich  ist  eine  weilergehendere  Berücksichtigung  der  actuellen  Vorgänge  des  wissen- 
schaftlichen Lebens  den  Freunden  der  ,Naturw.  Wochens'chr."  vielleicht  erwünscht.  Die  Verlags- 
buclihandlung  ist  nun  gern  bereit,  der  Redaction  jährlich  über  100  Spalten  mehr  als  bisher  zur  Ver- 
fügung zu  stellen,  diesmal  aber  unter  der  Bedingung,  dass  der  Abonnements-Preis  den  daraus  er- 
wachsenden Mehr-Unkosten  entsprechend  eine  Erhöliung  erfahre.  Der  bisherige  Preis  von  3  Mark 
vierteljährlich  würde  sich  danach  auf  4  Mark  erhölien.  Bevor  jedoch  die  —  eventuell  zu  dem  mit 
dem  1.  Juli  1893  beginnenden  Quartal  —  geplante  Erweiterung  ins  Werk  gesetzt  wird,  bitten  wir 
die  verehrten  Abonnenten  um  eine  zustimmende  oder  ablehnende  möglichst  schnelle  Aeusserung  in 
der  Sache,  damit  sich  die  Unterzeichneten  über  die  diesbezügliche  Ansicht  des  Leserkreises  ein  Urtheil 
zu  bilden  in  der  Lage  sind. 


Die  Redaction: 
Dr.  H.  Potonie, 

Berlin  N.  i,  Invalidenstrasse  40/41. 


Der  Verlag": 
Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung, 

Berlin  SW.  12,  Zimmerstrasse  94. 


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XXXII 


Naturwissoiiseliaftliclie  Wochenschrift. 


Nr.  16. 


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Redaktion:  '  Dr.  H.  Potonie. 

Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12,  Zimmerstr.  94. 


VIII.  Band.                 Sonntag,  den  23.  April  1893. 

Nr.  17. 

Abonnement:  Man  abonniit  bei  allen  Bucliliancllimgen  und  Post-             v             Inserate:  Die  viergespaltene  I'etitzeile  40  ^Si.    Grössere  Aufträge  ent- 
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Abdrnck  ist  nur  mit  vollstäntliger  Quellenangabe  g^estattet. 

Der  Gletschergarten  auf  dem  Adlerfels  in  Schreiberhau  im  Riesengebirge. 


Weltbekannt  ist  der  Luzerner  Gletschergarten.  Kein 
Reisender,  der  die  Schweiz  und  den  Vierwaldstädter  8ee 
zum  ersten  Male  besucht,  wird  es  versäumen,  au  dem 
berühmten  Löweudenkmal  vorbei,  auch  den  Gletscherg"a,rten 
zu  besuchen. 

Aber  auch  das  Rieseug-ebirge  hat  jetzt  seinen  Gletscher- 
garten.  Von  der  Natur  war  er  bereits  seit  der  Eiszeit 
fertiggestellt,  von  Menschenhand  ist  er  erst  unlängst  zu- 
gänglich gemacht  worden. 

Inmitten  zwischen  der  Bismarekhöhe  und  dem  Moltke- 
felsen,  oberhalb  des  freundlich  im  tiefen  Zackeuthale  ge- 
legenen Gasthauses  zum  Kochelfall,  des  ehemaligen  Vitriol- 
Werkes,  erhebt  sich  der  Adlerfels.  Mit  seinem  Blick  auf 
das  Hochgebirge  einerseits,  ins  freundlich  lachende  Warm- 
brunner  Thal  andererseits  und  seinem  Einblick  ins  wild 
romantische  Zackenthal  zu  seinen  Füssen,  vereinigt  er  die 
Vorzüge  der  Bismarekhöhe  und  des  Moltkefelsen  mit  dem 
für  den  Reisenden  besonders  augenehmen  Umstände, 
dass  er  in  ungleich  geringerer,  kaum  den  dritten  bis 
fünften  Tlieil  in  Anspruch  nehmender  Zeit  und  mithin 
mit  ganz  geringer  Mühe  vom  Zackenthaie  aus  erstiegen 
werden  kann. 

Seine  Höhe  bilden  mehrere  E''elsengruppen,  deren  süd- 
westliche auf  einer  nur  flach  gerundeten  Oberfläclie  von 
etwa  50  qm  in  wunderbarstem  Gewimmel  eine  Anzahl 
von  über  40  Strudellöchern,  kleinen  und  grossen,  zum 
Theil  durch  flaclie  Rinnen  mit  einander  verbunden,  ein- 
gegraben zeigt. 

Da  weit  und  breit  in  seiner  Umgebung  kein  höherer 
Punkt  vorhanden  ist,  von  dem  herab  einst  strömende  oder 
gar  stürzende  Wasser  sich  über  seine  Oberfläche  er- 
gossen und  die  Strudellöcher  ausgekesselt  haben  können, 
so  bleibt  keine  andere  ungezwungene  Erklärung  übrig, 
als  dass  auch  hier,  wie  einst  in  der  Schweiz,  das  Gebirge 
so  weit  hinab  vergletschert  gewesen  ist  und  die  durch 
Spalten  während  der  Sommerszeit  alljährlich  und  zur  Zeit 
des  allgemeinen  Abschmelzens  in  grösster  Menge  herab- 
stürzenden Sclimelzwasser   die  Strudellöcher  auskesselten 


und  wir  es  hier  also  mit  echten  Gletschertöpfen  zu 
thun  haben,  wie  solches  in  einer,  im  Jahrbuch  der  Kgl. 
Preuss.  Geologischen  Landesanstalt  für  1891  erschienenen 
Abhandlung  des  Landesgeologen  Professor  Dr.  Berendt 
„Spuren  einer  Vergletscherung  des  Riesen- 
gebirges", der  wir  in  den  wissenschaftlichen  Ausfüh- 
rungen hier  auch,  z.  Th.  sogar  wörtlich,  folgen,  ausführ- 
lich nachgewiesen  worden  ist. 

Verlässt  man  die  von  Petersdorf  im  Zackenthal  auf- 
wärts führende  Chaussee  kurz  vor  dem  Vitriol- Werke 
beim  alten  Chaussee-Hause  und  folgt  rechts  der  an  einer 
malerisch  gelegenen  Glasschleife  vorüber  bergaufsteigenden 
Dorfstrasse  oder  schlägt  man  nach  eingenommenem  Im- 
biss  im  freundlichen  Garten  des  Kochelfallhotels  den  von 
liieraus  bergansteigenden  Fussweg  ein,  so  gelangt  man 
in  10  bis  15  Minuten  zum  Eingang  des  in  Privatbesitz 
befindlichen  Gleschergartens  auf  dem  Adlerfels. 

Nach  wenigen  Schritten  auf  breitem  schlangenförmigeu 
Fusswege,  kommen  wir  an  einer  senkrecht  stehenden 
Felsplatte  vorüber,  deren  muldenförmige  Vertiefungen 
nicht  mit  Unrecht  sofort  die  Aufmerksamkeit  des  Vor- 
übergehenden auf  sich  ziehen.  Da  wir  diese  Platte  jedoch 
erst  später  besprechen  wollen,  umgehen  wir  sie  und  sehen 
uns,  einige  kolossale  Granitblöcke,  zwischen  denen  hin- 
durch sich  der  Weg  windet,  im  Rücken  lassend,  vor  dem 
mit  altgermanischer  Zier  gekrönten  (iatterthore  des  Haupt- 
einganges. Durch  die  Baumstämme  schimmern  bereits 
die  Mauerreste  und  ein  hoher  gothischer  Bogen,  der  hier 
plötzlich  durch  den  jetzigen  Besitzer  emporgezauberten 
alten  Burgruine.  Den  nach  wenigen  Schritten  von  links  um 
den  eigentlichen  Adlerfelsen  herumkommenden  Weg  un- 
beachtet lassend,  stehen  wir  binnen  Kurzem  vor  dem  un- 
mittelbar aus  dem  Felsen  aufwärts  strebenden  Bau,  dessen 
nur  noch  theilweise  erhaltene  gothische  Bogen  in  iin'cn 
oberen  Feldern  die  Reste  eines  eingemeisselten  altheral- 
dischen Adlers  zeigen  —  das  Wahrzeichen  des  Adlerfels. 
Die  in  den  Stein  gehauenen  Stufen  führen  uns  rechts  am 
Gebäude  an  der  kleinen  Hütte  des  Thurmwarts  vorbei  zum 


166 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  17. 


Eingang  in  einen  zu  einem  kleineu  Museum  bestimmten 
Saal  bezw.  Durchgang  in  das  nur  noch  vou  Mauerresten 
angedeutete   Innere  des  umfangreichen  Burgthurmes. 

Wir  durchschreiten  jedoch,  den  Saaleingang  links 
lassend,  das  von  Kunst  und  Natur  sich  eigenartig  wild 
über  uns  wölbende  Steinthor,  biegen  rechts  um  an  der 
grauen  Steinbauk  ehemaliger  Burgmanneu  vorbei  und  er- 
reichen nun,  auf  Steinstuten  innerhalb  der  alten  Mauer 
emporsteigend,  die  jetzige  Plattform  des  Gebäudes,  die  rings 
noch  von  Steintrümmeru  und  theilweise  verfallenen  Bogen 
umgeben  ist.  Hier  bietet  sich  dem  Auge  der  seit  seiner 
Freilegung  unbestreitbar  als  einer  der  herrlichsten  bekannte 

Rundblick  des  Adlerfels*). 


Rauschen  und  Brausen  gar   oft  auch  hier  oben  den  lau- 
schenden Wanderer  lockt  und  ladet. 

Aber  wir  vergessen  ob  der  wunderbaren  Schönheit 
des  Rundblickes  den  eigentlichen  Zweck  unseres  Auf- 
stieges die,  wenn  auch  in  anderer  Art,  noch  wunder- 
bareren 

Strudellöcher  oder  Gletschertöpfe. 

Niu-  einen  Blick  hinab  über  die  Brustwehr  der  langen 
Südwestseite  dürfen  wir  tluin  und  in  buntem  Gewinmiel 
zu  Rinnen  verbunden  liegen  sie  vor  uns.  Wohl  gab  es 
Forscher,  welchen  diese,  auch  an  anderen  Stellen  im 
Gebirge,  wenn  auch  nirgends  in  gleicher  Häutigkeit,  zu- 
weilen beobachteten,  mehr  oder  weniger  flachen  Öchaalen, 


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Figur  1. 


Vor  uns  zieht  sich,  an  einzelnen  Tagen  in  blauem 
Duft,  an  anderen  in,  wie  man  zu  sagen  pflegt,  greifbarer 
Nähe  der  Kamm  des  Riesengebirges  hin  von  dem  stolzen 
Gipfel  der  Schneekoppe  an  bis  zu  dem,  Schreiberhau  in- 
sonders  beherrschenden,  Reifträger. 

Ueber  dem  sich  malerisch  im  Thale  ausbreitenden 
Mittel-  und  Nieder  -  Schreiberhau  folgt  Hochstein  und 
Schwarzer  Berg  und  seine  Ausläufer  bis  zum  Moltkefels; 
dann  jenseits  des  tief  einschneidenden  Hartenbcrger 
Thaies  die  breite  Gruppe  der  Biebersteine  und  daran  an- 
schliessend der  Ausblick  in  den  von  BergrüQken  rings 
umzogeuen  Hirschberger  Thalkessel.  Im  Hintergrunde, 
über  den  Thürmen  Hirschbergs  und  Warmbrunns  erreicht 
unser  Blick  sogar  das  ferne  Bober-Katzbach-Gebirge  und 
die  weiter  nach  Osten  hin  sich  erstreckenden  Berggruppen. 
Vor  uns  aber  entzückt  das  Auge  der  Einblick  in  das  von 
hohen  Tauneuwänden  umsäumte  Thal  des  Zacken,  dessen 

*)  Eine  auf  der  Plattform  angebrachte  Richtungstafel  zeigt 
durch  Pfeile  die  Lage  aller  nennenswerthen  Punkte  der  Rund- 
schau au. 


besonders  wenn  sie  sich  vereinzelt  auf  Kuppen  von 
düsteren  Tannen  umrahmt  vorfanden,  mit  der  blutigen 
Götterverehrung  unserer  Ahnen  in  dunkeln  Zusammenhang 
brachten  und  in  ihren  Beschreibungen  in  oder  über  ihnen 
das  dem  Gotte  geweihte  Opfer  verbluten  Hessen  ja  be- 
haupteten, dass  in  den  scharf  eingeschnittenen  Rinnen 
der  Felsen  das  Blut  jener  Gemordeten  einst  seinen  Abfluss 
gefunden  habe.  Doch  gerade  hier  auf  dem  Adlerfels 
liegt  der  beste  Gegenbeweis  vor  uns  —  die  grosse  Menge 
auf  kleinem  Raum  zusammengedrängt  (einige  40  Kessel 
oder  Schaalen  auf  einer  Fläche  von  etwa  50  Quadrat- 
metern) und  die  vielfache,  nur  durch  die  Thätigkeit 
fliessenden  Wassers  zu  erklärende  Unregelmässigkeit  der 
Form.  Wohl  kann  hier  und  da  ein  einzelner  dieser  Kessel, 
der  sich  besonders  eignete  und  bequem  lag,  zu  Opfern 
später  benutzt  sein,  geschafi"en  aber  hat  sie  die  allgewal- 
tige Natur  und  nicht  die  Hand  eines  Priesters  dieser 
grausigen  Menschenoi)fer  in  grauer  Vorzeit. 

Noch  um  ein  bedeutendes   märchenhafter  klingt  nun 
gar  der  Volksmuud,  welcher  in  den  an  den  Felsrändern 


Nr.  17. 


Naturwissenscliaftlichc  Wochenschrift. 


167 


belindlichcn,  zum  aiuleni  Tlicil  schmi  abyehrocheiieii, 
einem  Armsessel  oft  niciit  unäliniichen  Halb-  oder  Drei- 
viertel-Muldeu  in  sagenhafter  Vorzeit,  als  das  Gestein, 
noch  weich  war,  die  Holzwaibel,  eine  Art 
ihic    Sitze    bei     geheimen    Versammlungen 


wie  es  heisst, 
Wiirzelvolk, 
linden  lässt. 

Die  richtige  Erklärung  derselben  als  Strudellöchcr 
kennen  wir  bereits.  Auch  darauf  ist  soeben  schon  hin- 
gewiesen worden,  dass  nirgends  besser  als  hier  auf  dem 
Adlerfels,    wo   Fülle   und    Form   der   Löcher  und  Rinnen 


Auge 


des  Laien  als  FoL 


e  der 
erscheinen 


Einwirkung 


lässt, 


sie  auch  dem 

strömenden    und    strudelnden    Wassers 

diese  Erklärung  verstanden  wird. 

Veranschaulichen  wir  uns  jedoch  zunächst  die  Ver- 
hältnisse, wie  sie  eine  längere  Zeit  hindurch  einst  hier 
bestanden   haben  müssen. 

Wer  von  der  Plattform  des  Adlerfcls  aus  den  Blick 
nach  Westen  riciitct,  erkennt  hier  sofort  ein  bereits  zwischen 
Reifträger  und  Hochstein  bezw.  Schwarzem  Berg,  also 
zwischen  Riesen-  uud  Iscrgebirge  gelegenes  Hochthal,  in 
welchem  sich  Dorf  Schreiberhau  emporziclit,  durch  welches 
aber  einst  der 
grosse  Schrei- 
be r  h  a  u  e  r  ( 1 1  e  t  - 
scher  seine  Eis- 
massen herab- 
schob. 

Gespeist  wurde 
dieser  Gletscher 
von  dem  unge- 
heuren Firu- 
becken,  das  sich 
bei  der  zur  Eis- 
zeit offenbar  weit 
tieferen  Schnee- 
grenze nothwen- 
dig  in  der  wei- 
ten, die  genaue 
Fortsetzung  des 
Schreiberhauer 
Thaies  bildenden 
Senke    zwischen 

dem    schon    genannten    Hochstein 
einerseits,    dem    Todtenwürgberg 


und  der  Tafelfichte 
und  dem  Sieghübel 
andererseits  bilden  musste  und  das  noch  jetzt  die  weiten 
Flächen  des  Isermoores  und  der  Iserwiese  enthält.  Bei 
einem  Flächeninhalt  von  beinahe  1',.,  Qnadratmeilen  ent- 
wässert es  heute  fast  nur  noch  nach  Süden,  wo  ein  seit- 
licher Abflugs,  die  heutige  Iser,  sich  inzwischen  tiefer 
und  tiefer  eingeschnitten  hat.  Dieser  gewaltigen  Griisse 
des  Firnbeckens*)  entsprach  denn  auch  naturgemäss  die 
Grösse  des  damals  bei  der  jetzigen  Michelsbaude,  durch 
die  Senke  der  alten  Zollstrasse  sich  ül)er  die  östliche 
Gebirgskante  hinabzichenden  Gletschers  selbst.  Er  erfüllte 
die  ganze  Thalsenke,  in  welche  sich  heute  der  grosse 
Zacken,  der  Weissbach  und  das  Zakerle  ihr  tieferes  Bett 
und  besonderes  Thal  ausgewaschen  haben. 

Sein  den  Adlerfels  bedeckendes  Eis  reichte  also  einer- 
seits bis  nahezu  an  das  von  dem  Ausläufer  des  Iser- 
kammes  und  dessen  Gehänge  herüber  leuchtende  Häus- 
chen des  Moltkefelsen  und  andererseits  bis  zu  der  hohen 
Tannenwand  der  jenseitigen  Uferberge  des  Zackenthaies, 


*)  Es  erstreckt  sich,  bei  einer  zwischen  der  Tafelfichte 
(1123  in)  und  dem  Sieghübel  (1120  m)  im  Westen  6,4  km,  zwischen 
der  Abendbiirg  (1017  m)  und  dem  Todtenwürgberg  (1123  m)  im 
Osten  5,.0  km  betragenden  Breite,  fast  genau  2  deutsche  Meilen 
(15  km)  in  westüstlicher  Richtung  und  findet  seinen  Abschluss 
erst  mit  dem  Rothenftossfelsen  und  dem  Weiberberge  am  obi-rn 
Grossen  Zacken. 


an  welchen   steil  der  Fusspfad   nach  Kiesewald    und   zur 
Bismarckhöhc  hinauf klinnnt. 

Die  höchste  Erhebung  inmitten  dieser  Senke  bildet 
eben  an  dieser  Stelle  der  Adlerfcls.  Was  Wunder,  dass 
die  Eismassen  des  Gletschers,  welche  sich  anfänglich  vor 
dem  Adlerfels  wie  vor  einem  Eisbrecher  getheilt  hatten, 
nachdem  sie,  mächtiger  und  mächtiger  geworden,  den- 
selben überklettert  hatten,  hier  über  der  Felskuppe  des 
Adlerfels,  abermals  wie  über  einem  Eisbrecher,  in  Folge 
der  Spannung  barsten  und  lange  und  tiefe  Spalten  bildeten. 
Wo  aber  sich  im  Gletschereise  Spalten  bilden,  finden 
naturgemäss  die  zur  Sonnuerszeit  täglich  auf  dem  Gletscher 
erzeugten  Schmelzwasser  auch  ihren  Abfluss.  In  die 
Spalte  stürzend,  waschen  sie  sich  schnell,  falls  dieselbe 
nicht  bereits  bis  auf  den  hier  nahen  Felsgrund  hinab- 
reicht, einen  Kamin  in  dem  Eise  aus  und  erreichen  so  im- 
mittelbar  oder  stufenweise  fallend  den  Felsgrund.  Gesteins- 
Ijruchstücke  oder  doch  nundcstens  Sand  findet  sich  immer 
hinzu  und  die  Gletscher  müh  le  ist  fertig. 

Wenn  schon  der  Tropfen  den  Stein  aushöhlt,  wie  viel 
mehr    der   fallende  Wasserstrahl.      Grösser   und    grösser 

kreiselt  sich  im 
Laufe  der  Zeit 
das  entstehende 
Strudelloch,  und 
trifft  der  Strahl 
im  nächsten  Jahre 
nicht  mehr  genau 
dieselbe  Stelle, 
so  wird  das  an- 
fänglich kreis- 
runde Loch  all- 
mählich länglich 
oder  es  bildet  sich 
bei  ruckweisem 
Vorschreiten  der 
Mühle  und  ihres 
Kamins  ein  zwei- 
tes, das,  grösser 
und  grösser  wer- 
dend, sehr  häufig 
mit  dem  alteu  zu 
Beispiele  für  alle  diese 
unter   den  Gletscher- 


Figur  2.  i"| 


einem  Zwilling  zusammenschmilzt. 
Erscheinungen    erkennen   wir  leicht 


topfen  des  Adlerfels. 

Neben  einem  solchen  Vor-  und  Zurückrückeu  in  der 
betreffenden  Spalte  hat  ott'enbar  aber  auch,  wie  aus  der 
Anordnung  der  Kessel  zu  dicht  neben  einander  liegenden 
parallelen  Reihen  hervorgeht,  im  Laufe  der  Zeit  eine 
seitliche  Verschiebung  der  Spalte  selbst  stattgefunden. 
Immer  aber  erzeugten  sich  nothwendigerweise,  in  Folge 
der  grössten  Spannung  des  Eises  über  der  höchsten  Kuppe 
des  Adlerfels  die  Spalten  und  mit  ihnen  die  Gletseher- 
mühlen  auch  gerade  über  dieser  Kuppe.  Daher  die  grosse 
Anzahl  der  über  40  zählenden  Gletschertöpfe  auf  so 
kleinem  Räume. 

Wie  in  dem  Luzerner  Gletschergarten,  finden  sie  sich 
auch  hier  in  den  verschiedensten  Grössen  und  Graden  der 
Ausbildung.  Erreichen  die  grössten  derselben  auch  nur 
die  mittlere  Grösse  der  dortigen  nicht  wie  hier  in  festem 
Granit,  sondern  nur  in  sogenanntem  Molasse -Sandstein 
ausgearbeiteten,  so  überrascht  doch  hier  wieder  gerade 
die  schon  mehrfach  betonte  Zahl  und  Dichtigkeit  der  Töpfe. 

Der  bis  jetzt  tiefste  der  Kessel  des  Adlerfels,  (s.  Fig.  1*) 


*)  Die  Benutzung  der  drei  in  diesem  Artikel  gebrachten 
Original-Figuren-Stöcke  aus  der  genannten  Abhandlung  des  Herrn 
Prof.  Behrendt  ist  uns  gütigst  von  dem  Director  der  Kgl.  Preuss. 
getdogischen  Landesanstalt  und  Bei-gakademie ,  Herrn  Geheim. 
Obor-Bergrath  Dr.  W.  Hauchecorne,  gestattet  worden.  —  Red. 


168 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  17. 


F 


den  wir  am  besten  von  dem  an  den  Eesten  der  alten  Um- 
fassungsmauer zu  unseren  Füssen  angebrachten  Holzgerüste 
aus  betrachten*),  niisst  jetzt  noch  fast  einen  Meter  (0,90  m), 
während  seine  Tiefe  vor  Abspülung-  des  Randes  und  Ein- 
schneiden seines  späteren  Abtiusses  mindestens  1,25  m 
betragen  haben  muss.  In  den  verschiedensten  Abstufungen 
nach  Tiefe  und  Durchmesser  gehen  die  Kessel  sodann 
hinab  bis  zu  flachen  Schaalen  von  20  bis  selbst  17  cm 
Tiefe.  Betreffs  einer  näheren  Beschreibung  der  oft  durch 
Ineinandergreifen  zu  Zwillingen,  ja  sellist  Drillingen  ver- 
bundenen Gletschertöpfe  des  Adlerfels  sei  hier  noch  ein- 
mal auf  die  bereits  Eingangs  angezogene  Abhandlung 
hingewiesen.**)  Besonders  aufmerksam  gemacht  sei  hier 
nur  noch  auf  die  aus  Seitenansicht  Fig.  2  erkennbaren, 
gleichfalls  von  dem  Standpunkte  auf  dem  erwähnten 
Holzgerüst  gut  zu  übersehenden  randlich  gelegenen  und 
in  Folge  der  Verwitterung  oder  auch  eines  späteren  Eis- 
sehubes  halb  abgebrochenen  Kessel,  die  vorhin  schon  ge- 
nannten „Arm- 
sessel". —  . ^  _ 

Den  Stand- 
punkt, von  wel- 
chem aus  man 
die  in  Fig.  2  ge- 
gebene Ansicht 
gewinnt,  erreicht 
man,  wenn  man 
den  bereits  oben 
erwähnten,  unter- 
dem  eigentlichen 
Adlerfels  herum- 
laufenden    Weg  

verfolgt,  der  uns         ^SM^     •'    ?'-.  %.! 

nach  wenigen 
Schritten  zur  so- 
genannten Hun- 
dingsh  litte,  mit 
reizendem  Aus- 
blick auf  den  Ge- 
birgskamm, führt. 
Noch  ehe  wir  die- 
selbe betreten, 
wenden  wir  uns 

rechts  und  erblicken  das  scharfgezeichnete  Profil  der  Glet- 
schertöpfe, von  denen  der  mit  I  bezeichnete  einen  Durch- 
messer von  85  cm,  die  mit  II  und  VI  bezeichneten  einen 
solchen  von  74  cm  besitzen.  Die  Tiefe  des  Kessel  V  be- 
trägt 80  cm. 

Aus  der  Abbildung  erkennt  man  am  besten  auch, 
wie  stark  einerseits  die  spätere  Verwitterung,  andererseits 
die  ünterwaschung  auf  die  Gestaltung  und  theilweise  Zer- 
störung der  Felskuppe  eingewirkt  haben. 

Dasselbe  Schmelzwasser,  das  als  senkrechter  Strahl 
die  Kessel  auf  der  Oberfläche  des  Felsens  auswirbelte, 
musste,  namentlich  beim  späteren  völligen  Abschmelzen 
des  Gletschers,  die  in  ihm  aufragende  Felskuppe  um- 
tosen und,  bei  der  ausgezeichneten  Horizontalklüftung  des 
Granitites,  sich  rings  in  die,  durch  die  ebenso  ausgeprägte 
VerticalklUftung  gebildete  Steilwand  des  Felsens  einfressen, 
wie  die  Abbildung  auch  einigermaassen  erkennen  lässt. 
Und  dass  dies  gerade  am  meisten  auf  der  nach  Westen 
gekehrten  Seite  des  Felsens,  der  auch  die  Abbildung  ent- 
nommen ist,  geschah,   steht  in  vollem  Einkl.ange  mit  den 


*)  Man  gelangt  dorthin,  wenn  man  den  unteren  Saal  durch- 
schreitet. 

**)  „Spuren  einer  Vergletscherung  des  Riesengebirges",  von 
Prof.  Dr.  G.  Berendt,  erschien  im  Jahrb.  d.  Kgl.  Geol.  Landes- 
anstalt für  1891.  Auch  befinden  sich  einige  wenige  Sonderabzüge 
im  Buchliandel. 


von  Westen    herabgekommenen   Eis-   also   auch  Schmelz- 
wassermassou. 

Eins  der  besten  Beispiele  solcher  Unterwaschung  zeigt 
ausser  dieser  abgebildeten  Westseite  der  die  Strudellöcher 
tragenden  Felskuppe  des  Adlerfels  die  in  nächster  Nähe 
desselben  unter  dem  Namen  „Zuckerschaale"  bekannte 
Felsgruppe,  welche  einem  auf  die  Spitze  gestellten  flachen 
Kegel  gleicht,  der  auf  horizontaler  Felsplatte  ruht.  Auch 
auf  ihrer  Oberfläche  finden  sich  zwei  kleine  flache  Gletscher- 
töpfe. Von  der  Oberfläche  des  Felsens  abfliessende  Regen- 
oder Schmelzwasser  heutiger  Zeit  würden  nie  im  Stande 
sein,  auch  unter  Berücksichtigung  der  die  Auswaschung 
begünstigenden  Klüftung,  solche  horizontal  unter  die  über- 
hängende Felskante  hineingehende  deutliche  Auswaschung 
irgendwie  zu  erklären  oder  auch  nur  denkbar  erscheinen 
zu  lassen. 

Wie  hier  in  diesem  Falle  nur  eine  geringe  weitere 
Unterspülung  die  kegelartige  Felsplatte   ins  Kippen  und 

Umschlagen    ge- 
bracht        haben 
^-^,„^.  raüsste,  so  ist  es 

in  vielen  anderen 
Fällen  in .  der 
That  geschehen. 
Auch  hier  liefert 
der  Adlerfels  wie 
der  eins  der  bes- 
ten Beispiele.  Un- 
mittelbar an  dem 
auf  der  Ostseite 
jetzt  neu  ge- 
schaffenen Hin- 
aufwege bemerk- 
ten wir  bereits 
beim  Eintritt  eine 
senkrecht  auf 
hoher  Kante  ste- 
hende, ungefähr 
6  Meter  lange 
und  5  Meter 
hohe  Felsplatte, 
Fig-ur  3.  |-|jg      sogenannte 

Blendenplatte. 
Auf  der  linken  Hälfte  ihrer,  dem  jetzigen  Wege  zuge- 
kehrten, einstmals  die  horizontale  (Oberfläche  des  Felsens 
bildenden  Längsfläche  befinden  sich  mehrere  flache  Strudel- 
löcher (s.  Fig.  3).  Ihre  längliche  Form  und  der  Ucber- 
gang  in  eine  abflussartige  Verlängerung  lässt  unschwer  die 
einstmalige  Nähe  der  ursprünglichen  Felskante  erkennen, 
über  welche  das  aufschlagende  Wasser  sehr  schnell  seinen 
Abfluss  fand,  so  dass  wirbelnde  und  seitlich  abfliessende 
Bewegung  sich  in  die  Aushöhlung  des  Steins  theilten,  wie 
solches  bereits  von  einigen  Kesseln  der  noch  erhaltenen 
Oberfläche  des  Adlerfels  angedeutet  wurde.  Es  entstand 
auf  diese  Weise  die,  namentlich  in  ihrer  späteren  Vertical- 
stellung,  als  sogenannte  Blende  bezeichnete  Form  des 
Strudellocbes,  welche  nach  Mosch*)  zur  Aufnahme  von 
Götzen  oder  Heiligenbildern  bestimmt  war,  unter  Umständen 
auch  wohl  dazu  gebraucht  sein  konnte.  Eine  besondere  Ab- 
art dieser  Blenden,  wie  sie  aus  einem  der  Zwillingstrudel- 
löcher in  dieser  aufgerichteten  Stellung  für  das  Auge  ent- 
steht, sieht  man  am  äussersten  linken  Rande  der  Platte 
noch  zum  Theil  erhalten.  Das  beste  und  bekannteste  Bei- 
spiel dieser  besonderen  Blendenform  ist  aber  der  in  allen 
Führern  durch  das  Riesengebirge  genannte  und  auch  von 
Mosch  besprochene  „Mannsteiu",  nahe  der  als  Fundort  für 


■i 


*)  Karl    Friedrich   Mosch, 
und  Vorberge.     Leipzig,   1858. 


das    Riesengebirge,    seine  Thäler 


Nv.  17. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


169 


I 


Gletsciicit(i|)te  von  Bereiult  a.  a.  O.  ;i;-leichtalls  erwähnten 
„g-oldenen  Anssicht"  in  Hain.  »Seinen  Namen  trägt  er 
von  der  aus  der  Ferne  bei  richtiger  Seitenbclcuchtung 
allenfalls  an  eine  menschliche  Gestalt  erinnernden  Form 
seiner  IJlende.  In  der  That  ist  er  gerade  wie  unsere  hier 
auf  dem  Adlerfels  in  Rede  stehende  Platte,  nichts  anderes 
als  ein  bei  der  Zerstörung-  der  Felskuppe,  deren  Ober- 
fläche seine  jetzige  Seitenfläche  l)ildete,  auf  die  Seite 
gekippter  Felsblock  mit  einem  Doppelstrudelloeh,  oder 
einem  Zwillings-Gletschertopf.  Ja  die  Aufeinanderhäufung 
der  die  Felsgruppe  bildenden  Blöcke,  welche  durch 
Menselienhaml  sicher  nie  bewegt  worden  sind,  weist  auch 
ilort  sehr  nachdrücklich  auf  die  Annahme  eines  dabei 
thätigen  ScIiuIk-s  durch  Gletschereis  hin. 

Professor  Berendt  in  seiner  schon  mehrfach  ange- 
führten Abhandlung  geht  überhaupt  uoch  weiter  mit  seinen 
Schlüssen  auf  eine  ehemalige  Vereisung  im  Riesen- 
gebirge, indem  er  dort  wörtlich  sehreibt: 

„Wenn  somit  einerseits  diese  Blöcke  in  ihrer  Ver- 
theilung  auf  Hohen  und  Kämmen,  andererseits  jene  auch 
aus  den  Angaben  von  0])ferkesscln  sich  ergebenden,  so 
gut  wie  ausnahmslos  als  Gletsehertöpfe  sieh  erweisenden 
Strudellöcher  als  Beweise  einer  ehemaligen  Vergletscherung- 


in  Anspruch  genonnuen  werden  müssen,  so  lehj't  ein  Hlick 
auf  die  Vcrtheilnng  beider  sofort,  dass  es  sich  bei  dieser 
Vergletscherung  nicht  nur,  wie  anfangs  angcuonnnen 
wurde,  und  wie  auch  unbedingt  zu  einer  gewissen  Zeit 
der  Fall  gewesen  sein  muss,  um  einen  grossen  Schreiber- 
hauer Gletscher  und  vielleicht  daneben  um  eine  Anzahl 
kleiner  Gletscher  gehandelt  haben  kann,  dass  vielmehr 
diese  Vergletscherung  im  Bereiche  des  Riesengebirges  — 
und  somit  wahrscheinlich  der  Sudeten  überhaupt  —  eine 
weit  allgemeinere  gewesen  ist." 

„Nicht  nur,  dass  die  eigentlichen  Gehänge  des  Ge- 
birgskammes  und  die  sich  von  ihm  nordwärts  zwischen 
den  einzelnen  Ripjjcn  hinabziehenden  Senken  ganz  mit 
Eis  bedeckt  und  erfüllt  gewesen  sein  müssen.  Auch  diese 
Rippen  selbst  und  die  sich  bis  zum  IJober  erstreckenden 
Vorberge  müssen  hiernach  unter  Eisdecke  gelegen  haben." 

„Das  würde  unter  Umständen  hier  ein  eigenes  zu- 
sammenhängendes Inlandeis  an  der  Nordseite  des  Riesen- 
gebirges ergeben,  wie  es  —  nur  in  grösserem  Maass- 
stabe —  die  Glacialforschungen  für  die  Alpen  längs  des 
Nordfusses   derselben    schon    länger  —  für   die  Ostalpen, 

ergeben  haben." 

X. 


aber  auch   nicht  gerade  seit 


langem 


Ueber  den  Ursprung  und  die  Bedeutung  der  geometrischen  Axiome. 


Was  nun  die  zweite  Frage  von  Helmholtz'  in  Betreff 
der  Beweisbarkeit  der  Axiome  anbelangt,  so  haben  wir 
hierauf  nur  zu  erwidern,  dass  jeder  Beweis  Voraus- 
setzungen verlangt,  die  in  letzter  Reihe  der  Organisa- 
tion unseres  Denkens  gemäss  als  nicht  mehr  beweisbar  zu  er- 
achten,somit  Sache  der  Anschauung-  sind.  Hieraus  folgt 
aber,  dass  wir  nichts  weiter  verlangen  können,  als  dass 
ein  Axiom  in  Folge  der  Klarheit  der  Anschauung  und  der 
Schärfe  der  ihm  zu  Grunde  liegenden  Begriffe  sich  un- 
serem Geiste  als  eine  nicht  anders  zu  denkende  That- 
sache,  d.  h.  als  eine  subjective  Wahrheit  aufdrängt,  als 
eine  Uebereinkunft  des  logischen  Denkens  unseres  Ich 
und  der  auf  dieses  einwirkenden  Wahrnehmungen.  So 
können  wir  z.  B.  den  Begriff  der  geraden  Linie,,  obwohl 
wir  eine  unverkennbar  deutliche  Anschauung-  von  ihr  be- 
sitzen, dennoch  nicht  deliniren,  es  sei  denn  durch  nichts 
anderes  sagende  Umschreibungen,  womit  für  unsere  Er- 
kenntniss  keine  Bereicherung  erwüchse 


Der  Begriff  der 
geraden  Linie  schliesst  aber  den  des  kürzesten  Weges  in 
sich,  wie  das  schon  aus  der  einfachen  Betrachtung 
erhellt,  dass  z.  B.  eine  Seite  a  h  eines  Dreiecks  u  h  c  nicht 
die  mindeste  Berechtigung  hätte,  wenn  wir  nicht  unter  der 
Seite  ab  den  kürzesten  Weg  von  «  nach  h  verständen. 
Es  ist  daher  ein  Fehler  in  der  Mathemathik,  wenn  man 
den  Satz:  der  kürzeste  Weg  zwischen  zwei  Punkten  ist 
die  gerade  Linie,  wie  dies  üblich  ist,  daraus  zu  beweisen 
sucht,  dass  in  demselben  Dreiecke  dem  grösseren  Winkel 
auch  die  grössere  Seite  gegenüberliegt,  da,  um  es  noch- 
mals jirägnant  hervorzuheben,  man  bei  diesem  Beweise 
schon  den  Begriff  der  geraden  Linie,  des  kürzesten  Weges 
zwischen  zwei  Punkten  also,  einschmuggelt. 

In  entsprechender  Weise  genügt  mir  z.  B.  die  zwin- 
gende Vorstellung,  dass  wenn  ich  eine  (gerade)  Ebene 
um  eine  (gerade)  Linie  schwenke,  der  ganze  Raum  von 
der  Ebene  durchlaufen  werden  nmss,  um  einzusehen,  dass 
durch  drei  Punkte,  die  nicht  in  einer  geraden  Linie  liegen, 
stets  eine  gerade  Ebene  und  zwar  nur  eine  einzige  ge- 
legt werden  kann.  So  genügt  die  einleuchtende  De- 
finition:   dass  gleichlaufende   Linien    solche  Linien  sind, 


\'<jn  Dr.  Eugen  Dreher. 

(Schluss.) 

die,  wenn  sie  auch  nur  e  i  n  e n  Punkt  gemeinsam  besitzen, 
zusammenfallen  müssen,  um  alle  Lehrsätze  von  den  ver- 
schiedenen Winkeln  an  parallelen  Linien,  welche  von 
einer  dritten  geschnitten  werden,  wie  die  von  gleich- 
liegenden  Winkeln,  von  Wechselwinkeln  u.  s.  w.  mit  Leich- 
tigkeit bei  Zuhülfenahme  der  Deckung  der  Winkel  ein- 
fach und  einleuchtend  zu  beweisen. 

Hierbei  verkenne  ich  als  Psychologe  nicht,  dass  das- 
jenige, was  für  mich  durchaus  einleuchtend  ist,  einem  An- 
dern keineswegs  so  überzeugend  und  zwingend  wie  mir 
entgegenzutreten  braucht.  So  ist  es  denn  auch  sehr  gut 
denkbar,  dass  der  Eine  bereitwilligst  denjenigen  Lehrsatz 
als  einen  Grundsatz  anerkennt,  für  den  ein  Anderer 
einen  Beweis  seinem  Denken  zufolge  verlangt.  Dass 
diese  I5etrachfung  für  den  Pädagogen  von  Wichtigkeit 
ist,  bedarf  kaum  der  Erwähnung.  Wer  daher  in  die 
Tiefen  der  Mathematik  eindringen  will,  muss  sich  prüfen, 
welche  Lehrsätze  ihm  als  Axiome  einleuchten,  und  für 
welche  er  einen  Beweis  verlangt.  —  So  suchte  ich  als 
Schüler,  um  hier  nur  ein  Beispiel  aus  einer  der  Mathe- 
mathik höchst  verwandten  Wissenschaft  anzuführen,  nach 
einem  Beweise  für  den  Satz,  dass  so  viele  Anstcisse  auf 
einen  Punkt  auch  einwirken  mögen,  er  nur  Einer  Re- 
sultirenden  folgen  kann,  den  ich  auch  auf  indircctem  AVege 
fand.  Heute,  w'o  es  mir  klar  ist,  dass  ich  mir  kein 
Geschehen,  welcher  Natur  es  auch  sein  mag,  ohne  hin- 
reichenden Grund  vorstellen  kann,  verlange  ich  keinen 
Bew^eis  für  den  genannten  Satz. 

In  dem  \orlier  angeführten  Vortrag  über  den  Ursprung 
und    die  Bedeutung-    der    geometrischen  Axiome    erwähnt 


nun   von  Helmholtz  in  Betreff  der  Congruenz   der  Raum- 
gebilde: 

„Die  Grundlage  aller  Beweise  in  der  Euklidischen 
Methode  ist  der  Nachweis  iler  Congruenz  der  betreffenden 
Linien,  Winkel,  ebenen  Figuren,  Körper  u.  s.  w.  Um  die 
Congruenz  anschaulich  zu  machen,  stellt  man  sich  vor, 
dass  die  betreffenden  geometrischen  Gebilde  zu  einander 
hinbewegt  werden,  natürlich  ohne  ihre  Form  und  Dimen- 
sionen zu  verändern.     Das  dies  in  der  That  möglich  und 


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Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  17. 


ausführbar  sei,  haben  wir  alle  von  frühester  Jugend  an  er- 
fahren. Wenn  wir  aber  Denknothwendigkei ten  auf 
diese  Annahme  freier  Beweg-lichkeit  fester  Eauin- 
gebilde  mit  unveränderter  Form  nach  jeder  Stelle 
des  Raumes  hin  bauen  wollen,  so  müssen  wir  die  Frage 
anfwerfen,  ob  diese  Annahme  keine  logisch  uuerwiesene 
Voraussetzung  einschliesst. 

Wir  werden  gleicli  nachher  sehen,  dass  sie  in  der 
That  eine  solche  einschliesst,  und  zwar  eine  sehr  folgen- 
reiche. Wenn  sie  das  aber  thut,  so  ist  jeder  Congruenz- 
Beweis  auf  eine  nur  aus  der  Erfahrung-  gewonnenen  That- 
sache  gestüzt." 

Wir  haben  hierauf  zu  erwidern,  dass  die  Voraussetzung 
der  freien  Beweglichkeit  fester  Raumgebilde  mit  unver- 
änderter Form  als  eine  Nothwendigkeit  gelten  muss,  da 
sie,  wenngleich  auf  Erfahrung,  wie  alle  Erkenntniss  des 
Ich  in  letzter  Instanz  sich  gründend,  eine  vergleichende 
Betrachtung  von  Raumgebilden,  die,  wie  aus  den  späteren 
Erörterungen  von  v.  Helmholtz'  hervorgeht,  ihre  Gestalt 
mit  dem  Räume,  den  sie  einnehmen,  wechseln  sollen,  zur 
Unmöglichkeit  machen  würde.  Ausserdem  ist  unser  Denken 
so  organisirt,  dass  es  für  jede  Verschiebung  von  Theilcheu 
eines  Ganzen,  oder,  was  dasselbe  sagt,  für  jede  Um- 
wandlung der  Gestalt  Kräfte  verlangt,  die  der  leere 
Raum  an  und  für  sich  nicht  zu  bieten  vermag. 

Um  aber  seine  abweichende,  vorwiegend  von  Beltrami 
aufgestellte  und  vertretene  Raumhypothese  aufrecht  zu  er- 
halten, welche  verlangt,  um  es  grell  zu  kennzeichnen,  dass 
der  Raum  in  seinen  (nach  Euklid)  gleichartig  gedachten 
Theilen  nicht  gleichartig  sei,  sucht  von  Helmholtz  seine 
metamathematischen  Speculationen  durch  die  Betrachtung 
annehmbar  zu  machen,  dass  er  voraussetzt,  theoretisch 
gedachte  Wesen  von  zweidinu'iisionaler  Raumanschauung 
bewohnten  beispielshalber  den  Mantel  einer  Kugel  und 
entwürfen  Gesetze  über  die  Natur  dieses  an  sich  zwar 
zweidimensionalen,  im  dreidimensionalen  Raum  allein 
jedoch  denkbaren  mathematischen  (Jebildes.  Statt  aber 
anzunehmen,  dass  diese  Wesen  ihrer  zweidimensionalen 
Anschauung  gemäss  den  Kugelmantel  als  eine  (ebene) 
Kreistiäche  percipirten,  lässt  von  Helmholtz  sie  Gesetze 
von  dem  Kugelmantel  aufstellen,  die  nur  mittels  drei- 
dimensionaler Anschauung  gewonnen  werden  können. 
Hierbei  erinnere  ich  daran,  dass  jede  krumme  Fläche  als 
eine  Summe  von  unendlich  kleinen  geraden  Flächen 
anzusehen  ist,  womit  die  dreidimensionale  Anschauung 
des  Raumes,  in  welchem  wir  uns  die  krummen  Flächen 
zu  denken  haben,  erwiesen  ist.  Als  höchst  wesentliche 
Bestätigung  dieser  Auffassung  verweise  ich  auf  die  Lehren 
der  theoretischen  Mechanik,  der  Wissenschaft  der  Be- 
wegung, denen  zufolge  jede  Bewegung  in  einem  be- 
stimmten Zeitditt'erential  nur  geradlinig  sein  kann,  wo- 
mit jede  krumme  Linie  sich  als  eine  Sunnne  von  unendlich 
kleinen  geraden  Strecken  herausstellt. 

In  der  Gegenwart  jedoch,  die  dem  Euklidischen 
Punkte  entspricht,  ruht  jeder  bewegte  Körper,  da  er 
nicht   zu   derselben  Zeit  zwei  Lagen   einnehmen  kann.*) 

Indem  so  von  Helmholtz  die  Existenz  von  Wesen 
zweidimensionaler  Raumanschauung  als  zulässig,  wenn- 
gleich im  rein  theoretischen  Sinne,  erachtet,  erinnert  er 
uns  an  Zöllner's  Betrachtungen  über  die  räumliche  Natur 
der  Sehwahrnehmungen,  welche  dieser  Forscher,  wie  all- 
gemein bekannt,  vor  einem  Jahrzehnt  ungefähr  anstellte, 
um    die  Aufstellung    der  Hypothese  von    der  vierdimen- 


*)  Dass  wir  bei  metaphysischen  Fragen  in  letzter  Instanz 
auf  Widersprüche  stossen,  welche  die  Folgen  einer  „Antithetik" 
unseres  Denkens  sind,  übergehe  ich  hier,  indem  ich  darauf  ver- 
weise, dass  ich  bereits  vor  drei  Jahren  in  dieser  Zeitschrift  in 
einem  Artikel  über  Antinomien  in  der  Naturwissenschaft  diese 
denkgemässen  Widersprüche  aufgedeckt  habe. 


sionalen  Natur  des  Raumes  zu  motiviren.  Das  monoculare 
Sehen  ist,  wie  Zöllner  richtig  bemerkt,  ursprünglich 
ein  Sehen  ohne  Tiefenwahrnehmung,  indem  wir, 
ohne  Erfahrung  geleitet,  alle  percipirten  Punkte 
auf  dem  Mantel  einer  Kugel  schauen,  in  deren 
Mittelpunkte  das   Auge  liegt. 

Hieraus  aber  folgern  zu  wollen,  wie  dies  Zöllner 
thut,  dass  das  monoculare  Sehen  iirsprttnglicii  an  sich 
zweidimensionaler  Natur  war,  ist  deswegen  als  unrichtig  zu 
erachten,  weil  wir  behufs  Construetion  eines  Kugelmantels 
(worauf  genanntes  Sehen  l)asirt)  des  dreidimensionalen 
Raumes  bedürfen,  wenngleich  der  Mantel  als  solcher 
zweidimensionaler  Beschaft'enheit  ist,  insofern  er  keine 
Tiefe  (Dicke)  aufweist.  Das  monoculare  Sehen  würde 
mithin  erst  dann  ein  wirklich  zweidimensionales  sein,  wenn 
wir  alles  mit  einem  Auge  Geschaute  in  einer  einzigen 
geraden  Ebene  percipirten. 

Indem  uns  aber  die  Sinne  den  Euklidischen  Raum  von 
drei  Al)niessungen  vorführen,  haben  wir  bei  der  Ausschlag 
gebenden  Bedeutung  unserer  Sinne  für  unsere  Erkennt- 
niss keine  Veranlassung  nach  einem  Räume  von  irgend 
welcher  anderen  Beschaffenheit  zu  forschen,  dessen  Exis- 
tenzberechtigung schon  deswegen  als  höchst  zweifelhaft 
erscheinen  müsste,  weil  er  unserer  Anschauung  durchaus 
widersprechen  würde.  —  Es  kann  daher  nur  von  Gewinn 
für  den  Mathematiker  sein,  wenn  er  auch  l)ei  seinen  ab- 
stractesten  Speculationen  immer  wieder  an  die  Erfah- 
rung anknüpft,  d.  h.  zu  dem  Boden  der  Empirie  nieder- 
steigt, auf  dem  sich  in  letzter  Reihe  sein  scheinbar  auf 
angeborenen  Ideen  gegründetes  Lehrgebäude  erhebt,  das 
den  Zweig  menschlichen  Wissens  bildet,  welcher  der  Er- 
fahrung am  wenigsten  bedarf. 

Wie  aber  verträgt  es  sich  mit  dem  l)isher  Erörterten, 
mit  der  aus  Erfahrung  geschöpften  Natur  des  Raumes, 
dass,  wie  Kant,  Fries  und  Schieiden  unwiderleglich  nach- 
gewiesen haben,  der  Raum  eine  der  Seele  angeborene 
Anschauungsform  ist,  so  dass  Kant  in  seiner  ., Kritik  der 
theoretischen  Vernunft",  die  Denkbarkeit  postulirte,  alle 
geometrischen  Lehrsätze  unabhängig  von  jeder  Erfahrung 
aufzustellen,  und  Fries  in  seiner  „Psychologie"  von  einer 
der  Seele  angeborenen  unbewussten  Mathematik 
spricht? 

Der  Widerspruch  mit  unseren  bisherigen  Deductionen, 
so  prägnant  er  auf  den  ersten  Blick  auch  erscheinen  mag, 
fällt  jedoch,  wenn  man  in  Betracht  zieht,  dass  die  Percep- 
tionen  der  äusseren  Sinne  keine  unmittelbaren  Kundge- 
bungen der  Ausseuwelt  sind,  sondern  durchgeistigte 
Manifestationen  von  den  „Dingen  an  sich",  um  mit  Kant 
zu  sprechen,  womit  diese  Wahrnehmungen  höchstens  nur 
den  Werth  von  mehr  oder  minder  zutretfenden  „Sym- 
bolen" („Zeichen'-)  äusserer  Vorgänge  zu  beanspruchen 
haben.  Da  aber  die  psychische  Gestaltung  der  Sinnes- 
wahrnehmuugeu  nicht  vom  Ich  herrührt,  sondern  nur  die 
Producte  dieser  Gestaltungen  zum  Bewusstsein  gelangen, 
so  ist  es  das  Unbewusste  der  Seele,  um  es  im  Gegen- 
satze zu  den  Thätigkeiten  des  Ich  kurzweg  so  zu  nennen, 
dem  die  Aoschauungsform  des  Raumes  angeboren  ist, 
während  das  Ich  die  Eaumvorstellung  aus  der  Erfahrung, 
aus  den  Perceptionen  der  äusseren  Sinne,  schöpft.  Re- 
lativ unbewusst,  d.  h.  ohne  dass  das  Ich  es  gewahr 
wird,  entwerfen  wir  so  die  genannten,  uns  als  Aussenwelt 
berückenden  Wahrnehmungen,  veranlasst  hierzu  durch 
Molecularbewegungen  im  centralen  Nervensystem;  be- 
wusst  entlehnen  wir  die  Vorstellung  von  Licht,  Farbe, 
Ton,  Wärme  u.  s.  w.,  wie  auch  die  vom  Raum  diesen 
seelischen,  an  sich  gewiss  bewusst  verlaufenden  Gestal- 
tungen. 

Hiermit  erklärt  sich  die  Polemik  von  Helmholtz 
gegen  Kant  in  Betreff  der  angeborenen  oder  erfahruugs- 


Nr.  17. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


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gemässen  Natur  des  Raumes,  eine  Polemik,  welche  sich 
bei  V.  Helnilioltz  besonders  in  seiner  Schritt:  „Die  That- 
sachen  in  der  Wahrnehmung"  (Berlin,  Hirschwald  1879) 
findet,  durch  die  Annahme  der  zusammengesetzten 
Natur  unserer  Seele,  welche  Hypothese  beide  P^orscher 
nicht  berücksichtigen. 

Nach  dieser  Annahme,  die  heute  durch  das  Studium 
der  hypnotischen  Phänomene  eine  brennende  Zeitt'rage 
geworden  ist,  hat  v.  Helmholtz  insofern   Recht,    als   dem 


(indi\iduellen)  Icli,  auf  welches  es  liei  erkenntnisstheore- 
tisehen  Problemen  ankommt,  die  Anschauung  oder  der 
Begriff  des  Raumes  nicht  angeboren  ist,  mithin  auf  Er- 
faiirung  basirt,  während  der  Königsberger  Philosoph  darin 
Recht  behält,  dass  der  (xesamnitseelc,  von  der  das  Ich 
des  Individuums  nur  einen  Bestandtheil  bildet,  die  An- 
schauungstor'u  des  Raumes  angeboren  ist,  welclie  sie 
selbst  bei  der  ("onstructicm  der  ursprünglichen  \\  ahr 
uehmungen    der    äusseren  Sinne  in  Anwendung   bringt. 


Ein  Yerzeicliiiiss  über  das  Ersolieinen  grosser 
Cetaceeii  au  der  fraiizösiseheii  Küste  bringeuG.Pouchet 
und  H.  Beauregard  in  den  Comptes  Rendus  de  i'Ac. 
des  Sc.,  1891,  Bd.  113. 

Auf  Paul  Gervais'  Veranlassung  und  mit  Unterstützung 
des  Marine-Ministeriums  ist  in  Franki'cich  die  schätzens- 
werthe  Einrichtung  getroffen  worden,  dass  der  Fang  oder 
das  Stranden  aller  grossen  Cetaceen  an  den  französischen 
Küsten  sofort  an  das  Museum  in  Paris  gemeldet  werden 
muss.  Die  Wichtigkeit  dieser  nachainnenswerthen  Maass- 
nahme  für  die  Wissenschaft  liegt  auf  der  Hand  (Fest- 
stellung der  Zahl,  Acquisition  möglichst  vollständiger 
Exemplare,  photographische  Aufnahmen,  dadurch 
genaue  Bestimmung  der  Gattungen  und  Arten  u.  s.  w.).  — 
Im  Februar  1885  veröffentlichten  die  Verfasser  ihre  erste 
Liste  grosser  Cetaceen  aus  den  französischen  Gewässern 
für  den  Zeitraum  von  Juli  1879  bis  Januar  1885;  in  der 
vorliegenden  Abhandlung  setzen  sie  dieselbe  fort.  Von 
Juli  1885  bis  Octolier  1891  sind  25  Cetaceen  gemeldet 
und  davon  24  erbeutet  worden,  welche  folgenden  Arten 
angehören:  Balaenoptera  rostrata  (5 Ex.),  Bai.  musculus  (3), 
Hyperoodou  rostratus  (3),  Hyp.  spcc.  (3),  Globicephalus 
melas(l),  Globiceps  spec.  (1),  Megaptera  Boops  (1),  Gram- 
pus  (Orca)  griseus  (4),  Balaena  biscayensis  (2),  Catodon 
macrocephalus  (1),  unbestimmt  1  Ex.  Von  12  Exemplaren 
ist  das  Geschlecht  angegeben  und  darunter  befinden  sich 
10  weibliche.  Interessant  ist  das  Auftauchen  dieser  Thiere 
im  Mittetmeer,  wo  von  der  obigen  Zahl  7  Stück  in  dem 
genannten  Zeiträume  beobachtet  und  6  davon  erlegt  wur- 
den, nändich  Balaenopt.  musculus  (1),  Meg.  Boops  (zum 
ersten  Male  1  Ex.),  Bai.  biscayensis  (2),  Globicephalus 
melas  (1)  und  Ghibicesp  sp.  (1);  die  übrigen  sind  an  den 
atlantischen  Küsten  gefangen  worden.  Abgesehen  von 
3  Exemplaren,  bei  denen  nur  das  Jahr  feststeht,  ist  die 
Mehrzahl  (17)  während  der  Monate  Juni  bis  November 
(3,  5,  2,  3,  1,  3),  3  im  Januar  und  2  im  März  erlegt 
worden  [im  Mittelmeer  :_October  (1),  November  (1),  Januar 
(2),  Juli  (2)J.  Ist  auch  die  Zahl,  wenn  man  sie  auf  die 
Reihe  der  Jahre  vertheilt,  keine  grosse,  so  wird  sie  doch 
dadurch  wichtiger,  weim  man  erwägt,  dass  die  atlantische 
Küste  Frankreichs  nur  etwa  ein  Achtel  der  europäischen 
Küste  von  Gibraltar  bis  zum  Nord-Cap  beträgt.  Die  Mehr- 
zahl der  Arten  gehört  der  nordischen  Fauna  an,  nur  der 
bei  der  Insel  Re  erlegte  Pottwal  entstammt  einer  Zone, 
welche  durch  den  40.  Breitengrad  nördlich  und  südlich 
des  Aequators  begrenzt  wird.  F.  K. 


Die  Fortpflanzung  des  Kuclcuck.  —  Dass  unser 
Kuckuck  seine  Eier  in  fremde  Nester  legt,  war  schon  im 
Alterthum  bekannt  und  wird  bereits  von  Aristoteles  er- 
wähnt, (ierade  dieses  Schmarotzcrtlium  ist  es.  das  den 
Kuckuck  für  den  Beobachter  und  Naturfreund  bis  auf 
den  heutigen  Tag  überaus  interessant  gemacht  hat  und 
in  den  letzten  Decennien  zu  den  mannigfachsten  Be- 
obachtungen und  Veröffentlichungen  Veranlassung  gegeben 
hat.     Dennoch   sind   wir   auch  heute  noch  nicht,  obgleich 


das  GesamnitbiJd  des  Parasitismus  bedeutend  erweitert 
ist,  über  die  Kurtpfianzung  des  Kuckuck  in  allen  Punkten 
sicher  unterrichtet. 

Die  Zahl  der  Pflegerarteu,  denen  der  Kuckuck  seine 
Eier  zum  Elrbrüten  und  zu  Schutz  und  Aufzucht  anver- 
traut, beläuft  sich  auf  über  100  Arten,*)  unter  denen 
allerdings  wohl  nnmciR'  sein  dürften,  die  mn-  dem  blinden 
Zufall  dieses  Werk  verdanken.  Die  ge\v("»hnlichen  und 
regelmässigen  Pfleger  gehören  der  Familie  der  Sing- 
vögel,**) Sylviadae,  an  und  zwar  den  Unterfamilien  der 
Grasmücken,  Sylvianae,  welche  das  reichste  Kontingent 
stellen,  und  der  Unterfamilie  der  Erdläufer ,  Motacillinae, 
mit  den  Gattungen  der  Bachstelzen  und  Pieper,  der  Fa- 
milie der  Lerchen,  Alaudidae,  und  einzelnen  Arten  anderer 
Familien  oder  Unterfaniilien  (Emberizinae,  Fringillinae  etc.). 

Bezüglich  der  Pflegerarten  sagt  Rey:  „So  einleuchtend 
es  ist,  dass  die  Pfleger  im  Süden  andere  sein  müssen  als 
im  Norden  und  im  Osten  andere  als  im  AVesten,  so  schwer 
ist  es  zu  verstehen,  dass  oft  ganz  allgemein  verbreitete 
Vögel  an  einem  Orte  häufig  vom  Kuckuck  angenommen 
werden,  die  er  nicht  weit  davon  selten  oder  garnicht  be- 
rücksichtigt. Ferner  verdient  als  eine  auffällige  That- 
sache  erwähnt  zu  werden,  dass,  obgleich  die  Nester  der 
Sylvia  hortcnsis  häufig  vom  Kuckuck  belegt  werden,  dies 
bei  der  doch  ebenso  häufigen  Sj-lvia  atricapilla  nur  selten 
der  Fall  ist,  denn  auf  100  Kuckuckseicr,  welche  man  in 
den  Nestern  der  Gartengrasmücke  fand,  kamen  nur  20, 
die  dem  Plattmöncli  untergeschoben  wurden." 

Zu  den  häufigst  erwählten  Pfiegern  gehört  ausser- 
dem der  Zaunkönig,  Troglodytes  parvulus,  jedoch  trilft 
der  Kuckuck  nach  den  Beobachtungen  Walters  hinsicht- 
lich dieses,  als  auch  der  Phyllopneusten  eine  unglückliche 
Wahl,  da  die  meisten  dieser  Nester  verlassi^n  werden,  so- 
bald der  Kuckuck  sein  Ei  hinzugefügt  und  dafür  Nest- 
eier entfernt  hat.  Rey  sind  eine  ganze  Reihe  von  Fällen 
vorgekommen,  welche  Walters  Beoliachtungen  auch  für 
andere  Vögel  bestätigen.  Der  Kuckuck  erreicht  also, 
wenn  man  noch  den  nicht  ganz  unerheblichen  Prozent- 
satz von  jungen  Kuckucken  mit  einrechnet,  der  in  Baum- 
höhlen mit  zu  enger  Oeftnung  einem  sichern  Untergang 
ausgesetzt  ist,  nicht  immer  seinen  Zweck,  vielmehr  schlagen 
nicht  selten  gerade  die  Eigenthümlichkeiten  seiner  Brut- 
pflege zum  Verderben    für    seine  Nachkommenschaft  aus. 

Durch  vielfache  Beobachtungen,  deren  z.B.  Baldamus 
eine  ganze  Reihe  anführt,  ist  festgestellt,  dass  alle  die 
kleinen  und  grossen  Pfleger  des  Kuckucks  ausnahmslos 
weit  davon  entfernt  sind,  den  ihrem  Nest  zur  Unter- 
bringung eines  Eies  Nahenden  jubelnd  zu  empfangen. 
Wird  ein  Kuckuck  von  den  Ncstinhabern  betrofi'en.  so 
hat  er  gewöhnlich  heftige  Kämpfe  mit  diesen  auszufechten, 
die  nicht  selten  das  Zugrundegehen  des  Eies  zur  Folge 
haben.  Meistens  beobachtet  der  Kuckuck  von  einem 
nahegelegenen  Versteck  aus  das  erwählte  Nest   und  erst, 

*)  Altc>s  und  Neues  aus  dem  Hiiushiilte  des  Kuckucks  von 
Dr.  Eug.  Rey,  Leipzig,  Verl.  v.  R.  Freese  1802. 

**)  Das  Leben  der  europiiisclien  Kuckucke  von  Dr.  A.  C.  Ed. 
Baldamus,  Berlin  18'J2. 


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Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  17. 


wenn  die  erkorenen  Pfleger  dasselbe   für  kurze  Zeit  ver- 
lassen haben,    gelingt  ihm  die  Ausführung  seines  Planes. 

Bei  der  Ablage  seines  Eies  entfernt  der  Kuckuck 
meist  ein  oder  mehrere  Nesteier,  manchnuil  geschieht 
dies  bereits  einen  Tag  vor  dem  Legen.  Ueljer  die  An- 
zahl der  Eier,  welclie  der  Kuekuck  aus  den  Nestern  ent- 
fernt, liisst  sieh  nach  Rey,  durch  dessen  >Sohn  56  Fälle 
beobachtet  worden  sind,  wenig  Allgemeingültiges  sagen. 
Es  ist  nach  ihm  im  hohen  Grade  wahrscheinlich,  dass 
die  specifischen  Gepflogenheiten  der  Kuckucksweibehen 
beim  Entfernen  von  Nesteiern  individuell  verschieden  sind 
und  dass  es  demgemäss  auch  vorkommen  kann,  dass 
durch  Vererbung  solcher  Gewohnheiten  iirtlielie  Unter- 
schiede in  der  Art  und  Weise  des  Gebahrens  bemerkbar 
werden.  Die  meisten  Vögel  legen,  nach  demselben  Be- 
obachter, nachdem  der  Kuckuck  sein  Ei  ins  Nest  ge- 
bracht hat,  die  zur  normalen  Gelegezahl  gehörigen  Eier 
nach,  gleichgültig,  ob  und  wieviele  Eier  der  Kuckuck 
herausgeworfen  hatte.  Andere  dagegen  sind,  unter  diesen 
wie  schon  erwähnt  der  Zaunkönig,  leicht  geneigt,  das 
Nest  zu  verlassen. 

Ist  das  Ei  einmal  angenommen,  dann  wird  es  von 
den  Pflegern  ausgebrütet  und  das  Junge  mit  gleicher 
Sorgfalt  wie  die  eigenen  Kinder  behandelt,  mit  gleicher 
Liebe  beschützt  und  vertheidigt,  bis  es  selbstständig 
geworden  ist. 

Die  meisten  Beobachter  stimmen  darin  überein,  dass 
jedes  Kuckucksweibchen  nur  in  die  Nester  einer  be- 
stimmten Vogelart  und  wohl  derjenigen,  von  der  es  selbst 
erzogen  worden  ist,  erst  im  Nothfalle  in  solche  anderer 
legt,  dann  aber  zunächst  diejenigen  auisueht.  die  ähnlieh 
bauen.  Nach  Baldamus,  der  diese  Thatsache  zuerst  auf- 
geklärt hat,  wird  die  AVahl  des  Pflegerweibchens  Seitens 
des  Kuckucks  durch  dessen  eigene  Provenienz  bestimmt, 
wenn  man  die  Erziehung  derselben  durch  die  Pfleger  so 
bezeichnen  darf.  „Die  Weibchen",  bemerkt  Ad.  Walter 
hierzu,  „haben  sieh  ihre  Kinderstube  von  oben  und  unten, 
innen  und  aussen  betrachtet,  als  sie  schon  flugfähig 
waren  und  doch  noch  acht  Tage  im  W(dnilichen  Neste 
blieben,  haben  auch  ihre  Pflegeeltern  kennen  und  von 
andern  Vögeln  unterscheiden  gelernt." 

Sicher  festgestellt  ist  auch,  dass  sowohl  alte  wie 
junge  Kuckucke  zur  Unterbringung  ihrer  Eier  innner  ein 
und  dasselbe,  oft  begrenzte  Revier  aufsuchen  (Naumann, 
Rey),  bezüglich  den  Ort,  wo  sie  geboren  wurden  (Bal- 
damus). 

üeberaus  verschieden  sind  die  Kuckuckseier  in  Bezug 
auf  Farbe  und  Zeichnung.  Sie  variiren  hierin  bei  Weitem 
mehr  als  die  Eier  aller  bisher  bekannten  Vogelarten. 
Besonders  charakteristisch  sind  nach  Rey  die  kleinen, 
runden,  scharfbegrenzten,  leicht  abwaschbaren  Flecke  von 
schwarzer  Farbe,  welche  der  Oberfläche  aufgelagert  er- 
scheinen nnd  nur  in  seltenen  Fällen  gänzlich  fehlen. 
Ferner  wird  von  demselben  Beobachter  als  Eigenthümlich- 
keit  der  Kuckuckscier  hervorgehoben,  dass  die  Dichtigkeit 
der  Zeichnung  häufig  auf  der  einen  Längsseite  eine 
wesentlich  andere  ist,  als  auf  der  entgegengesetzten,  nnd 
dass,  wenn  grosse  Flecke  von  intensiver  Farbe  vor- 
kommen, diese  fast  niemals  geschlossen,  sondern  vielmehr 
zerrissen  erscheinen. 

Die  Form  der  Kuckuckseier  ist  im  Gegensatz  zu  der 
ungemein  grossen  Versehiedenartigkeit  derselben  in  Bezug 
auf  Färbung  und  Zeichnung  eine  ziemlich  constante  und 
nähert  sich  dem  Typus  der  gleichhälftigen  Eier.  Relativ, 
d.  h.  im  Verhältniss  zu  der  Körpergrösse  des  mütter- 
lichen Vogels  sind  die  Eier  als  sehr  klein  zu  bezeichnen. 
Die  absolute  Grösse  beträgt  im  Durchschnitt  für  die 
Längsachse  nach  Rey 's  Messungen  22,41  mm,  für  die 
Breiteuaxe    16,52  mm,    das    Gewicht  der  Eier  im  Durch- 


schnitt, berechnet  aus  einer  Zahl  von  523  gewogenen, 
232,9  Milligr.  Uebrigens  hat  Rey  für  die  Bestimmung 
von  Kuckuckseiern  ein  Verfahren  benutzt,  welches  er  als 
praktisches  Hilfsmittel  zur  allgemeinen  Verwendung  in 
der  Oologie  empfiehlt.  Er  dividiert  nämlich  das  Produet 
der  Grössen  beider  Axen  durch  das  Gewicht  des  Eies 
und  erliielt  auf  diese  Weise  einen  Quotienten,  der  bei 
den  Eiern  einer  jeden  Vogelart,  die  er  auf  diese  Weise 
untersuchen  konnte,  recht  konstante  Resultate  geliefert 
haben  soll.  Speziell  für  die  Kuekuckseier  ist  der  Quo- 
tient so  konstant,  dass  die  Abweichungen  vom  Büttel  von 
mehr  als  25  7o  schon  zu  Zwt'ifeln  an  der  Echtheit  der 
Eier  berechtigen. 

Bemerkeuswerth  als  Kennzeichen  für  die  Kuekucks- 
eier ist  auch  die  Festigkeit  der  Schaale,  die  jedenfalls  die 
der  Singvögeleier  bedeutend  übertrifft. 

Von  fast  allen  Beobachtern  wurde  bisher  als  sicher 
hingestellt,  dass  die  Kuekuckseier  in  Bezug  auf  ihre 
Färbung  den  Eiern  der  am  häufigsten  Pfleger  angejtasst 
wären  und  grosse  Aehnliehkeit  mit  diesen  zeigten.  Rey 
hat  531  Kuckuckseier  untersucht  und  ist  dabei  zu  der 
Ueberzeugung  gekommen,  dass  eine  speeialisirte  An- 
passung ausser  bei  Ruticilla  phocnicurus  nnd  montifringilla 
nur  sein-  selten  ist.  Sie  findet  sich  ausserdem  bei  Sylvia 
cinerea,  Sylvia  hortensis,  Calamoherpe  arundinacea  nnd 
phragmitis  verhältnissmässig  oft.  Bei  allen  übrigen 
Vogelarten  findet  eine  solche  Anpassung  viel  seltener,  und 
bei  Troglodytes  parvulus,  Accenlor  modularis  und  den 
Arten  der  Gattung  Phyllopneuste,  wie  es  scheint,  gar 
nicht  statt.  Die  meisten  Kuckuckseier  imitieren  in  der 
Färl)ung  und  Zeichnung  den  Typus  der  Eier  einer  der 
gewöhnlichsten  Singvogelarten.  Andere  zeigen  einen  so- 
genannten Mischtypus  und  manche  lassen  sieh  in  dieser 
Beziehung  mit  anderen  bekannten  Eiern  garnicht  ver- 
gleichen. Weitere  Beobachtungen  werden  diese  Frage 
endgültig  entscheiden  müssen. 

Dass  jedes  Kuckucksweibchen  für  die  Dauer  seines 
Lebens  gleiche  oder  fast  gleiche  Eier  legt,  hat  Baldamus 
sehmi  1857  (Naum.  VII.  S.  183)  ausgesprochen.  Be- 
stätigt wurde  dies  zunächst  durch  die  Beobachtungen 
Pässlers  (J.  f.  0.  1857  S.  402,  1859  S.  105),  neuerdings 
auch  durch  Walter,  Kutter,  Rey  u.  a.,  so  dass  über 
diesen  Punkt  Zweifel  nicht  mehr  vorhanden  sein  dürften. 

Das  Kuckucksweibehen  legt  in  ein  und  dasselbe  Nest 
nur  ein  Ei,  werden  zwei  oder  nu^hrere  in  einem  Nest  ge- 
funden, so  sind  sie  von  verschiedenen  Weibchen  gelegt 
worden.  Ausnahmen  von  dieser  Regel,  die  durch  un- 
anfechtbare Zeugnisse  bestätigt  wären,. sind  bisher  nicht 
bekannt. 

Man  findet  die  Kuckuckseier  in  Mitteleuropa  von 
Ende  April  bis  Anfang  Juli,  meist  aber  nur  bis  in 
die  zweite  Hälfte  des  Juni,  selten  bis  Ende  Juli.  Es 
liegt  auf  der  Hand,  dass  unser  Vogel,  wenn  der  Zweck 
seiner  parasitiven  Brutpflege  erreicht  werden  soll,  sich 
nothwendiger  Weise  auch  der  Brutzeit  derjenigen  Vögel 
anpassen  muss,  in  deren  Nester  er  seine  Eier  unter- 
zubringen pflegt.  Und  so  finden  wir  denn  auch,  dass  die 
Legezeit,  die  normaler  Weise  35  bis  45  Tage  nicht  über- 
schreitet (Rey),    an    einzelnen  Orten   sehr  verschieden  ist. 

Die  Fortpflanzungszeit  des  Kuekuck  währt,  nach 
Brehm,  so  lange  er  schreit,  ist  also  nicht  allein  nach  der 
in  dem  Jahre  herrschenden  Witterung,  sondern  auch  nach 
Lage  des  Ortes  verschieden,  beginnt  beispielsweise  im 
Norden  oder  im  Hochgebirge  später,  dauert  dafür  aber 
auch  länger  als  im  Süden  oder  in  der  Ebene.  Aus  ver- 
schiedenen Beobachtungen  folgert  er  sogar,  dass  der 
Kuckuck  erforderlichen  Falles  während  seiner  Legezeit 
wandert,  um  neue,  für  ihn  noch  brauchbare  Nester  auf- 
zusuchen. 


Nr.   17. 


Naturwisscnschaftliclie  Wnchenpclirift. 


173 


lieber  die  Zeitdauer,  in  welcher  die  aufeinander 
folg-enden  Eier  des  Kuckucks  reifen,  herrschen  ver- 
schiedene Ansichten.  Während  die  meisten  diese  Zeit 
auf  6—8  Tage  scliätzen,  versichert  Ad.  Walter  von  zwei 
Kuckucken  auf  das  bestimmteste  erfahren  zu  haben,  dass 
sie  wenigstens  zwei  Eier  in  einer  Woche  lieferten.  Rey 
ist,  gestüzt  auf  eigene  Beobachtungen,  sowie  solche  seines 
Sohnes,  Krüger-Velthusens  u.  a.  zu  der  Ueberzeugung 
gelangt,  dass  der  Kuckuck  im  Jahre  einige  zwanzig  Eier 
legt  und  soll  das  Ablegen  derselben  einen  Tag  um  den 
andern  geschehen.  Durch  verschiedentliche  Untersuchungen 
von  Eierstöcken  glaubt  er  den  Nachweis  geliefert  zu 
haben,  dass  die  Pausen,  die  zwischen  dem  Ablegen  zweier 
Eier  verstreichen,  unmöglich  auch  nur  annähernd  so  gross 
sein  können,  als  gewöhnlich  angenommen  wurde.  So  fand 
er  beispielsweise  in  der  Kloake  eines  Kuckucks  ein  voll- 
ständig legereifes  Ei  von  grünlicher  Grundfarbe  und 
bräunlicher,  am  stumpfen  Ende  zu  einem  Kranze  ver- 
dichteter Fleckenzeichnung  von  22,5  mm  Länge  und 
16,2  nun  Breite.  Ein  zweites  Ei  ohne  Kalkschale  maass 
18  und  12  nnn,  die  nächst  grösste  Dotterkugel  6,5  mm. 
Rey  glaubt,  dass  der  Brutparasitismus  des  Kuckucks  aller 
Wahrscheinlichkeit  nach  durch  die  hohe  Zahl  der  im 
.lahre  gelegten  Eier  bedingt  würde.  Baldemus  glaubt 
den  Parasitismus  aus  den  Zwischenräumen  von  6—7  Tagen, 
der  auch  nach  seinen  Beobachtungen  zwischen  der  Ablage 
der  einzelnen  Eier  liegen  soll,  erklären  zu  können.  Je 
nachdem  man  die  Eierzahl  des  jährlichen  Kuckucksgeleges 
auf  4,  5,  6  oder  gar  7  Stück  annimmt,  würde  die  Lege- 
zeit 18  bis  42  Tage  dauern,  das  Ausschlüpfen  der  Jungen 
zwischen  14  und,  bei  7  Eiern,  50  Tage  geschehen,  stetige 
Bebrütung  vorausgesetzt.  Angenommen,  dass  diese  sofort 
begönne,  würde  der  aus  dem  erstgelegten  Eie  ausge- 
schlüpfte Kuckuck  das  zweit-  inid  drittgelegte  neben  sich 
gefunden  haben,  und  vor  seiner  gänzlichen  Reife  auch 
wohl  das  viert-,  fünf-  und  sechstgelegte.  Unter  diesen 
Umständen  ist  aber  ein  erfolgreiches  Selbstbrüten  Seitens 
der  Mutter  oder  beider  Eltern  gänzlich  ausgeschlossen. 
Zu  demselben  Schlüsse  innss  man  auch  konmien,  wenn 
man  Rey's  Ansicht  bezüglich  des  Eierlegens  gelten  lässt. 
Denn  auch  hier  würde,  wenn  der  Kuckuck  20  Eier  im 
Jahre  legte,  zwischen  dem  ersten  und  letzten  ein  Zeitraum 
von  40  Tagen  liegen. 

Sorgfältige  und  andauernde  Beobachtungen  werden 
nocli  nöthig  sein,  um  die  vorerwähnten  Fragen  zu  ent- 
scheiden und  zum  sichern  Abschluss  zu  bringen,  bei  dem 
grossen  Interesse  aber,  das  unserni  Vogel  entgegen- 
gebracht wird,  dürfte  auch  dies  in  absehbarer  Zeit  mög- 
lich sein.  Dr.  C.  Müller-Potsdam. 


Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben. 

Es  wurden  ernannt:  Professor  Wernicke,  Director  der 
Klinik  für  Nerven-  und  Geisteskrankheiten  in  Breslau,  zum  Di- 
rector der  zweiten  psychiatrischen  Klinik  der  Universität  zu  Wien. 
—  Der  Chemiker  Dr!  M3lius  von  der  physikalisch -technischen 
Reichsanstalt  zu  Charlottenburg  zum  Professor.  —  Der  Mineraloge 
Professor  H.  Laspeyres  zum  Geh.  Bergrath. 

Privatdoeent  Dr.  Dührssen,  Assistent  zu  Berlin  an  der 
Chariteeklinik  für  Frauenkrankheiten,  ist  aus  seiner  Stellung  bei 
der  Charitee  ausgeschieden. 

Es  sind  gestorben:  Der  frühere  ausserordentliche  Professor 
der  Philosophie  an  der  Universität  Berlin  Dr.  Karl  Werner  in 
Berlin.  —  Der  Professor  der  Chirurgie  zu  Utrecht  Dr.  F  riedrich 
Adolph  Salzer,  zuletzt  in  Dresden.  —  Der  Chemiker  Professor 
Dr.  Hugo  Blanck  von  der  Universität  Pittsburg  in  Nordamerika. 


L  i  1 1  e  r  a  t  u  r. 

A.  Acloque,  Les  Champignons  au  point  de  vue  biologique 
ecouomique  et  taxononiitiue.  Avec  60  figures  intercalees  dans 
le  texte.  Libraire  J.  B.  Bailliiire  et  fils  a  Paris  1892.  —  Prix 
3,50  frcs. 

Das  in  der  „Bibliothoque  scientifique  contemporaine"  er- 
schienene Bändchen  behandidt  in  allgemein-verständlicher  Weise 
die  allgemeine  Pilzkunde  und  berücksichtigt  in  einem  besonderen 
Abschnitt  die  essbaren,  giftigen  und  schädlichen  Pilze  sowie  deren 
Kultur  und  ihre  Ernte;  als  Einführung  in  die  Mycologie  dürfte 
es  geeignet  sein. 

H.  V.  Klinggiaeff,  Die  Leber-  und  Laubmoose  West-  und  Ost- 
preussens.  Dauzig  1893,  in  Commission  bei  W.  Engelmann. 
Leipzig.  —  Preis  5  M. 

Eine  Lokalflora  zu  schreiben,  bleibt  immer  ein  verdienstliches 
Werk,  weil  hier  in  engem  RahmCm  die  Formen  genauer  unter- 
sucht und  ihre  Standortsbedingungen  besser  erforscht  werden 
können;  ungleich  werthvoller  aber  ist  ein  solches  Werk,  wenn  in 
ihm  die  Erfahrungen  eines  Menschenlebens  enthalten  sind.  Seit 
50  Jahren  hat  Verf.  die  reizende  Mooswelt  zum  Object  seiner 
Studien  gemacht  und  die  vielerlei  Beobachtungen,  die  er  während 
dieses  langen  Zeitraumes  angestellt  hat,  in  vorliegendem  Werke 
niedergelegt.  Wir  finden  also  in  den  Diagnosen  nicht  blos  die 
Unterscheidungen,  wie  sie  die  heutige  fortgeschrittene  Anatomie 
der  Moose  lehrt,  sondern  auch  die  für  das  schnelle  Erkennen 
einer  Art  ebenso  werthvollen  praktischen  Kunstgriffe,  wie  sie 
lange  Uebung  erst  erkennen  lässt.  89  Lebermoose  und  über  300 
Laubmoose  sind  bisher  aus  der  Provinz  Preussen  bekannt.  Die 
Moosflora  muss  deshalb  als  eine  sehr  gut  bekannte  bezeichnet 
werden;  hat  ja  doch  die  Mark  Brandenburg,  die  seit  viel  längerer 
Zeit  bryologisch  durchforscht  ist,  numerisch  nur  ebensoviele  Arten 
aufzuweisen.  Der  Gebrauch  des  Buches  ist  deshalb  nicht  blos 
auf  die  Provinz  Preussen  beschränkt,  sondern  dasselbe  kann  mit 
demselben  Vortheil  auch  in  Brandenburg,  Posen,  Pommern  und 
im  ebenen  Theil  von  Schlesien  benutzt  werden. 

Besonders  werthvoU  ist  die  Einleitung,  worin  der  Verf.  die 
Vergleiche  mit  dem  Artbestand  der  benachbarten  Provinzen  zieht 
und  zugleich  ausführliche  Angaben  über  die  Standortsverhältnisse 
einer  Menge  von  Arten  macht.  Alles  in  Allem  genommen,  kann 
das  Buch  den  Moosfreunden  warm  empfohlen  werden;  nicht  blos 
der  Anfänger,  sondern  in  noch  höherem  Maasse  der  Geübtere 
wird  es  bei  seinen  Excursionen  mit  Vortheil  gebrauchen  können 
und  reiche  Belehrung  daraus  schöpfen.  Dr.  Lindau. 


Prof.  Dr.  Eduard  Richter,  Urkunden  über  die  Ausbrüche  des 

Veruagt-  und  Gurglergletschers   im   17.    und  18.  Jahrhundert. 

Aus  den  Innsbrucker  Archiven.    Mit  2  Karten  (Forschungen  zur 

Landes-  und  Volkskunde  herausgegeben  von  Prof.  A.  Kirchhoft'. 

6.  Bd.    Heft  4.)      Verlag   von   J.  Engelhorn.     Stuttgart  1892.  — 

Preis  7  M. 

Die  Arbeit  ist  ein  interessanter  Beitrag  zur  Geschichte  der 
in  Verbindung  mit  den  Klimaschwankungen  stehenden  Gletscher- 
schwankungen. Sie  bildet  eine  gewissenhafte  Zusammenstellung 
der  Acten-Mittheilungen,  die  es  erst  ermöglichen,  sichere  Folge- 
rungen zu  ziehen,  die  auf  Grund  unvollständiger  Angaben  nur  zu 
leicht  in  falsche  Bahnen  gerathen.  Dass  die  Folgerungen  exacte 
seien,  hat  nicht  allein  ein  wissenschaftliches,  sondern  begreiflicher- 
weise auch  ein  sehr  praktisches  Interesse;  ermöglichen  sie  doch 
event.  dem  von  den  Ausbrüchen  schon  so  oft  unvorhergesehen  ge- 
schädigten Menschen  der  Erscheinung  weniger  rathlos  gegenüber- 
zustehen als  bisher.  Zweifellos  hat  der  Verfasser  recht  in  seiner 
Vorrede  auch  auf  den  culturhistorischen  Werth  der  veröft'ent- 
lichten,  jahrhundertelangem  Schlaf  entrissenen  Briefe  und  Be- 
richte, die  zum  Theil  von  untergeordneten  Beamten,  Landgeist- 
lichen und  Bauern  stammen,  aufmerksam  zu  machen:  das  Buch 
gewinnt  dadurch  einen  besonderen  Reiz.  Die  Acten  geben  .\us- 
kunft  über  4  Katastrophen:  3  Ausbrüche  des  Veruagtgletschors 
(1600,  1G80  u.  1770)  und  ein  drohender  Ausbruch  des  Gurgler- 
gletschers (um  1718).  Die  eine  der  beigegebenen  Karten  stellt 
die  Umgebung  des  Eissees,  die  andere  die  Umgebung  des 
Gurgler-Eissees  dar.  Diese  Seen  kommen  dadurch  zu  Stande, 
dass  die  Gletscher  bei  starkem  Anwachsen  in  ein  Thal  vor- 
dringen. (Der  Vernagtgletscher  in  das  Hauptthal,  der  Gurgler- 
gletscher in  ein  Seitenthal),  und  hier  den  Bach  des  von  dem 
Gletscher  durchquerten  Thaies  zu  einem  See  aufstauen,  der  plötz- 
lich im  Sommer  und  zwar  meist  unter  dem  Gletscher  abfliesst  und 
gefährliche  Ueberschwemmungen  anrichtet. 


Neues  Jahrbuch  für  Mineralogie,  Geologie  und  Paläonto- 
logie. Jahrgang  1893,  Band  1,  Heft  1.  Stuttgart  1893.  —  Das 
Heft  bringt  zunächst  eine  Fortsetzung  von  Fr.  Maurer 's  „Paläon- 
tologische Studien  im  Gebiete  des  rheinischen  Devon",  worin  dies- 
mal in  Form  einer  Entgegnung  an  Prof.  Kayser  Untersuchungen 


174 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  17. 


über  den  specifischen  Wert  einiger  Brachiopoden  aus  der  Siegener 
Grauwacke  angestellt  werden.  Hierzu  gehören  die  vier  dem 
Hefte  beigegebenen  Tafeln.  Weiter  folgen  ein  Aufsatz  von 
G.  Bo  dl  ander.  —  Die  Zusammensetzung  des  Meliliths  —  und 
von  Joseph  v.  Siemiradzki  —  Zur  Geologie  von  Nord-Pata- 
gonien. Diese  letztere  Arbeit,  obwohl  als  vorläufige  Mittheilung 
gehalten,  bringt  doch  bereits  eine  Menge  interessanter,  von  den 
bisherigen  abweichender  oder  ganz  neuer  Angaben  über  die  Lage, 
Höhe,  Beschaffenheit  und  den  Bau  der  Gebiete  des  südlichen 
Argentinien  und  nördlichen  Patagonien  und  gestattet  Schlüsse 
auf  den  Bau  eines  grossen  Theiles  des  südamerikanischen  Fest- 
landes. An  anderer  Stelle  dieser  Zeitschrift  werden  wir  nochmals 
auf  Siemiradzki's  Arbeit  zurückkommen.  —  Von  den  brieflichen 
Mittheilungen  seien  genannt:  H.  Kredner,  E.  Geinitz  und 
F.  Wahnschaffe  „Ueber  das  Alter  des  Torflagers  von  Lauen- 
burg a.  d.  Elbe."  Dasselbe  ist  nach  der  Meinung  der  Autoren 
nicht,  wie  ursprünglich  von  Keilhack  angenommen,  interglacial, 
sondern  postglacial.  W.  Ji  Ketgers:  Ueber  crystallinische 
Schiefer,  insbesondere  Glaucophanschiefer  und  Eruptivgesteine  im 
südlichen  Borneo;  G.  Kau  ff:  Ueber  Polygonosphaerites  (mit  8 
Holzschnitten);  A.  Streng:  Mikrochemische  Notizen;  F.  v.  Sand- 
b  erger:  Widdringtonia  Keuperina,  Heer,  im  untersten  Keuper- 
gypse  von  Windsheim  (Mittelfranken).  —  Ausserdem  enthält  das 
Heft  sehr  zahlreiche  Besprechungen  von  litterarischen  Erscheinungen 
auf  den  Gebieten  der  Mineralogie,  Geologie  und  Paläontologie. 

'  F.K. 

Comptes  Rendus  des  Seances  de  la  Societe  de  Geographie. 

Paris  1892.  No.  17  und  18.  —  Aus  dem  Berichte  über  die 
Sitzungen  seien  genannt:  Buchet,  Notizen  über  die  Gletscher 
der  nordwestlichen  Halbinsel  Islands.  Der  Verfasser  sollte  die 
Gletscher  des  ganzen  betreffenden  Theiles  von  Island  erforschen, 
ungünstige  Witterungsverhältnisse  verhinderten  ihn  jedoch  daran, 
und  so  konnte  er  nur  den  mittleren  Theil  des  grossen  Gletschers 
und  seine  nächste  Nachbarschaft  untersuchen.  Die  heutigen 
Gletscher  sind  nur  Reste  früher  zusammenhängender  Eismassen 
und  ziehen  sich  gegenwärtig  ziemlich  schnell  zurück.  — 
E.  A.  Martel  et  G.  Gaupillat:  Unterirdische  Forschungen. 
(Bericht  der  beiden  Forscher  über  ihre  472  Monate  währenden 
Untersuchungen  der  Höhlen  einiger  Theile  von  Frankreich,  z.  B. 
der  Vaucluse,  Ardeche  [Höhle  von  Saint-Marcel],  Lozere,  von  Avey- 
ron  etc.  etc.)  —  J.  de  Cavelier  de  Cuverville:  Canada  und 
die  französischen  Interessen.  Ausgehend  von  der  einstigen  Zu- 
gehörigkeit zu  Frankreich,  zeigt  der  Verfasser,  welcher  als  Ge- 
schwaderchef verschiedentlich  Canada  besucht  hat,  wie  trotz  der 
Trennung  das  französische  Element  dort  zugenommen  hat,  und 
fordert  auf,  regelmässige  Dampferlinien  einzurichten  und  dem 
Handel  mit  demselben  in  jeder  Weise  Aufmerksamkeit  und  Unter- 
stützung zuzuwenden.  —  Marcel  Monnier:  Von  der  Elfenbein- 
küste nach  dem  südlichen  Sudan  (Mission  des  Kapitains  Binger). 
Der  Verfasser  hat  selbst  die  Reise  des  Kapt.  Binger  mitgemacht 
und  giebt  einen  fesselnden  Bericht  davon.  F.  K. 


The  Transactions  of  the  Iiinnean  Society  of  London. 
2.  Serie.  Zoologie.  Band  5,  Theil  9.  —  Den  Inhalt  bildet  eine 
Abhandlung  von  A.  D.  Michael:  Ueber  die  Abweichungen  im 
Innern  Bau  der  Gamasinae,  besonders  über  denjenigen  der  Genital- 
Organe  und  über  die  Art  ihrer  Begattung.  Der  Verfasser,  welcher 
seine  Untersuchungen  auf  ein  bedeutendes  Material  aus  verschie- 
denen Gegenden  (England,  Schweiz,  Tyrol  etc.)  ausgedehnt  hat, 
bespricht  nur  jene  Organe  und  Lebenserscheinungen .  welche 
seiner  Ansicht  nach  bisher  noch  nicht  dargestellt  worden  sind, 
oder  von  denen  die  neuerlichen  Forschungen  Abweichungen  von 
früheren  Befunden  ergeben  haben,  und  beschreibt  zum  Schlüsse 
mehrere  neue  Arten.  Die  Gamasinae,  Unterfamilie  der  Gamasi- 
dae,  sind  wohl  die  höchst  organisirten  Acarinen.  Ihre  Nahrung 
besteht,  entgegen  der  früheren  Annahme,  durchaus  nicht  immer 
aus  in  Zersetzung  befindlichen  Pflanzenstoffen,  sondern  ist  sehr 
häufig  eine  animalische;  ebenso  ist  die  alte  Ansicht,  dass  die 
Gamasinen  Parasiten  sind,  falsch  —  die  Mehrzahl  ihrer  Arten 
lebt  frei.  Wenn  auch  im  Grossen  und  Ganzen  eine  Ueberein- 
stimmung  in  den  Organen  der  verschiedenen  Formen  vorherrscht 
so  zeigen  doch  manche,  oft  bei  Species  einer  Gattung,  ganz  auf- 
fallende Abweichungen.  Dies  gilt  besonders  von  den  Reproduc- 
tionsorganen.     4  Tafeln.  F.  K. 


The  Journal  of  the  Linnean  Society.  Zoologie.  London 
1892.  Band  24,  No.  153.  —  Hilderic  Friend:  Studien  über 
britische  Baum-  und  Erdwürmer.  Die  Untersuchungen  erstrecken 
sich  zunächst  auf  diejenigen  Würmer,  welche  in  vermodernden 
Baumstümpfen  leben  und  deren  schnelle  Verwandlung  in  Humus 
herbeiführen.  Obwold  auf  dem  Festlaude  längst  bekannt  und  be- 
schrieben, hatte  man  in  England  diese  Formen  noch  gar  nicht 
beachtet,  und  es  ist  des  Verfassers  Verdienst,  dieselben  zuerst  für 
die  Britischen  Inseln  nachgewiesen  und  eingehend  untersucht  zu 
haben.  Die  von  ihm  bisher  gefundenen  Formen  (6  Arten  der 
Gatt.  Dendrobaena)  haben  sich  alle  mit  solchen  vom  europäischen 
Festlande  bereits  bekannten  identificiren  lassen.  Von  Erdwürmern 
beschreibt  der  Verf.  eine  neue  Art  der  Gattung  Lumbricus,  be- 
richtigt alsdann  dieses  Genus  und  führt  die  in  England  nachge- 
wiesenen Species  desselben  auf.  Zum  Schlüsse  giebt  er  eine 
Uebersicht  über  die  auf  den  Britischen  Inseln  vorkommenden 
Erdwürmer  und  berichtigt  ihre  Synonymie.  —  R.  J.  Pocock: 
Ergänzende  Bemerkungen  über  die  Arachniden  und  Myriopoden 
des  Mergui-Archipels,  nebst  Beschreibungen  einiger  neuen  Arten 
von  Slam   und  Maleysia.     Zu  jeder   Abhandlung  gehört   1  Tafel. 

F.  K. 


Adler,  G.,  Ueber  die  an  Eisenkörpern  im  Magnetfelde  wirksamen 
(_)bertlächenspannungen.     Leipzig.     0,30  M. 

Bennet,  A.,  Bemerkungen  über  die  Arten  der  Gattung  Pota- 
mogeton  im  Herbarium  des  k.  k.  naturhistorischen  Hofmuseums. 
Wien.     0,60  M. 

Beyschlag,  F.,  Höhenschichtenkarte  des  Thüringer  Waldes. 
1  :  100,000.     Berlin.     6  M. 

Blochmann,  F.,  Untersuchungen  über  den  Bau  der  Brachiopoden. 
.Jena.     2,5  M. 

Bumat,  E.,  Flore  des  Alpes  maritimes  ou  catalogue  raisonne  des 
plantes  qui  croissent  spontanement  dans  la  chaine  des  Alpes 
maritimes  y  compris  le  departement  fran(;ais  de  ce  nom  et  une 
partie  de  la  Ligurie  occidentale.     Basel.     7,20  M. 

Chun,  C,  Die  Canarischen  Siphonophoren  in  monographischen 
Darstellungen.     Frankfurt.     10  M. 

Classen,  A. ,  Bemerkungen  zu  den  Abhandlungen  des  Herrn 
F.  Rüdorft',  quantitative  chemische  Analyse  durch  Elektrolyse 
betreffend.     Hamburg.     0,60  M. 

Claus,  C,  Die  Antennen  der  Pontelliden  und  das  Gestaltuugs- 
gesetz  der  männlichen  Greifantenne.     Leipzig.     0,40  M. 

Eisner,  F.,  Die  Praxis  des  Chemikers  bei  Untersuchung  von 
Nahrungsmitteln  und  Gebrauchsgegenständen,  Handelsprodukten, 
Luft,  Boden,  Wasser,  bei  bakteriologischen  LTntersuchungen, 
sowie  in  der  gerichtlichen  und  Harn- Analyse.  5.  Autl.  Hamburg. 
1,25  M. 

Elster,  J.,  u  H.  Oeitel,  Elmsfeuerbeobaehtungen  auf  dem  Sonn- 
blick.    Leipzig.     2  M. 

Fröhner,  E.,  Lehrbuch  der  Arzneimittellehre  für  Thierärzte. 
3.  Aufl.     Stuttgart.     13  M. 

Gaebler,  C. ,  Ueber  Schichten -Verjüngung  im  oberschlesischen 
Steinkohlengebirge.     Kattowitz      3  M. 

Gauss,  F.  G.,  Die  trigonometrischen  und  polygonometrischen 
Rechnungen  in  der  Feldmesskunst.  2.  Aufl.  8.  Hft.  Halle. 
3,50  M. 

Gmelin,  B.,  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Leucins.    Tübingen.    1,20  M. 

Graber's,  V.,  Leitfaden  der  Zoologie  für  die  oberen  Classen  der 
Mittelschulen.     2.  Aufl.     Leipzig.     4  M. 

Grunwald,  M.,  Das  Verhältnis  Malebranches  zu  Spinoza.  Bres- 
lau.    1   M. 

Hansgirg,  A.,  Prodromus  der  Algenflora  von  Böhmen.    Prag.    6  M. 

HantzEch,  A.,  Grundriss  der  Stereochemie..     Breslau.     4  M. 

Haentzschel,  E.,  Studien  über  die  Reduction  der  Potentialgleichung 
auf  gewöhnliche  Differentialgleichungen.     Berlin.     6  M. 

Herrnheiser,  J.,  Die  Refractionsentwicklung  des  menschlichen 
Auges.     Berlin.     1  M. 

Hock,  F.,  Nadelwaldflora  Norddeutschlands.     Stuttgart.     3  M. 

Kaiser,  J.  E.,  Die  Acantocephalen  und  ihre  Entwickelung.  Stutt- 
gart.    5  M. 

Kaufmann,  N".,  Die  teleologische  Naturphilosophie  des  Aristoteles 
und  ihre  Bedeutung  in  der  Gegenwart.  2.  Aufl.  Paderborn. 
3  M. 

Kiefl,  F.  X.,  Pierre  Gassendi's  Erkenntnistheorie  und  seine  Stellung 
zum  Materialismus.     Fulda.     1,80  M. 


Inhalt:  Der  Gletschergarten  auf  dem  Adlerfels  in  Schreiberhau  im  Riesengebirge.  (Mit  Abbild.)  —  Dr.  Eugen  Drt 
den  Ursprung  und  die  Bedeutung  der  geometrischen  Axiome.  (Schluss.)  —  Ein  neues  Verzeiehniss  über  das  Ersehe 
Cetaceen  an  der  französischen  Küste.  —  Die  Fortpflanzung  des  Kuckuck.  —  Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben.  - 
A.  Acloque:  Les  Champignons.  —  H.  v.  Klinggraeff:  Die  Leber-  und  Laubmoose  West-  und  Üstpreussens.  • 
Eduard  Richter:  LTrkunden  über  die  Ausbrüche  des  Vernagt-  und  Gurglergletschers.  —  Neues  Jahrbuch  für 
Geologie  und  Paläontologie.  —  Comptes  Rendus  des  Seances  de  la  Societe  de  Geographie.  —  The  Transactions  of 
Society  of  London.  —  The  Journal  of  the  Linnean  Society.     Zoologie.  —  Liste. 

Verantwortlicher  Redakteur:  Dr.  Henry  Potonie,  Berlin  N.  4.,  Invalidenstr.  40/41,  für  den  Inseratentheil:  Hugo  Bernstein  in  Berlin.  — 
Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12.  —  Druck:  G.  Bernstein,  Berlin  SW.  12. 


■her:  Ueber 
■inen  grosser 

-  Litteratur: 

-  Prof  Dr. 
Mineralogie, 
the  Linnean 


Nr.  17. 


Naturwissensehaftliche  Wochenschrift. 


XXXIII 


Verlag  von  Lipsius  &  Tischer  in  Kiel  und  Leipzig. 


Die 


Ergebnisse 


in  dem  Atlantischen  Ocean 

von  Mitte  Juli  bis  Anfang-  November  1889 

ausgeführten 

Plankton -Expedition  der  Humboldt -Stiftung. 

Auf  Grun<l  von 

gemeinschaftlichen  Untersuchungen    einer    Reihe   von    Fach-Forschern 

herausgegeben 
von 

Victor  Hensen, 

Professor  der  Pl]ysiologie  in  Kiel. 

-wrercierL  in  5  Q,xxartt)ä.rLd.erL  xnit  -iilDer  300  Tafeln  ersclaeirLerL- 

Iii  nachfolgender  Wei.se,  aber  ohne  Innehaltiing  der  gewählten  Reihenfolge  bezüglich  der  Ausgabe  der  einzelnen  Abschnitte,  werden  die  Ergebnisse 
dieses  Werkes,  das  als  das  bedeutsamste  seit  Jahrzehnten  auf  dem  Gebiete  der  beschreibenden  Naturwissenschaften  zu  bezeichnen  sein  und  das  vielleicht  in  sehr 
langer  Zeit  durch  kein  anderes  übertroiTen  werden  wird,  veröifentlicht  werden. 


Bd.  II. 


Bd.  I.  A.  Reiseheschreibung  von  Dr.  0.  Krümme  1  ,  Professor  der  Geographie 
in  Kiel,  nebst  Anfügiuigen  einiger  Vorberiohte  über  die  Unter- 
suchungen. 

B.  Methodik    der  Untersuchungen   von  Dr.  Hensen,     Professor    der 
Physiologie  in  Kiel. 

C.  Geophysikalische  Beobachtungen  von  Dr.  Krümmet. 

D.  Fische,  von  Dr.  G.  Pfeffer,  naturhistorisches  Museum,  in  Hamburg. 

E.  a.  Thaliaceen  von  M.  Traustedt  auf  Herlufsholm,  .Seeland,  Ver- 
breitung und  geographische  Vertheilung  von  Dr.  A.  Borgert 
in  Kiel. 

b.  Pyrosjmen  von  Dr.  O.  Seelinger,  Docent  an  der  Universität 
in  Berlin. 

c.  Appendicularien  von  Dr.  H-  Loh  mann  in  Kiel. 

F.  a.  Cephalopodeu  von  Dr.  Pfeffer. 

b.  Pteropoden    von   Dr.   P.  Schiemenz,    Zoologische   Station   in 
Neapel. 

c.  Heteropoden  von  demselben. 

d.  Gastropoden    mit  Anscbluss    der  Heteropoden  und  Pteropoden, 
von  Dr.  H.  .Simrofb,  Docent  in  Leipzig. 

e  Acepbaleu  von  demselben. 

G.  a.  ci  Ilalobatiden    von  Dr.  Fr.  Dahl,    Docent  an   der  Universität 
Kiel  und 

ß  Halacarinen  von  Dr.  Lohmann. 

b.  Decapoden    und    Schizopoden    von    Dr. 
historisclies  Museum  in  Strassburg  i./E. 

c.  Stomatopoden  und  Isopoden  von  Dr.  H. 
hagen. 

d.  Ostracoden  und  Phyllopoden  von  demselben. 

e.  Amphipoden  von  Dr.  Dahl. 

f.  Copepoden  von  demselben. 
H.    a.  Rotatorien  von  Dr.  L.  Plate,  Docent  an  der  Universität  Marburg. 

b.  Alciopiden  und  Tomopteriden  von  Dr.  C.  Apstein  in  Kiel. 

c.  Pelagische  Polychaeteu  mit  Ausschluss  der  Obigen  von  Dr.  Ap- 
stein und  J.  Reibisch  in  Kiel. 

d.  Sagitten  von   Dr.  K.  Brandt,   Professor  der  Zoologie  und  Dr. 
S.  Strodtmann  in  Kiel. 


A.    O  r  t  m  a  n  n ,    natur- 
J.  Hansen  in  Kopen- 


e.  Turliilluricu  vcii  Dr.  L.  Lang,  Professor  der  Zoologie  in  Zuricli , 
HaiilD.lirrii   (liuinlhiria  acoela)   von    Dr.  L.  Brihmig,   Adjunkt 
am  Zuol.  Zunfui.  Institut  in  Graz. 
J.    EchinoderuK-nlarven  von  Dr.  J.  W.  Sp enget,   Professor  der  Zoo- 
logie in  Giesen. 
K.    a.  Ctenophoren  von  Dr.  C.  Chun,  Professor  der  Zoologie  in  Breslau. 

b.  Siphonoi»horen  von  demselben. 

c.  Cratpedote  Medusen  und  Hydroidpolypen   von   Dr.   O.  Mass  in 
Berlin. 

d.  Akalephen  von  Dr.  E.  Vanh offen  in  Königsberg. 

e.  Anthozoen   von   Dr.  E.  van  Beneden,   Professor  der  Zoologie 
in  Lüttich. 

Bd.  III.    L.    a.  Tintinnen  von  Dr.  Brandt  und  Dr.  R.  Biedermann  in  Kiel. 

b.  Holotriehe  und  peritriehe  Infusorien,  Acineten  von  Dr.  Rhumb- 
ler.  .Vssistent  am  zoologischen  Institut  in  Gottingen. 

c.  Foraminiferen  von  Dr.  L.  Rhu  ni  hier. 

d.  Thalassicollen,  koloniebildende  Radiolarien  von  Dr.  Brandt. 

e.  Spnmellarien  von  demselben. 

f.  Akantharien  von  demselben. 

g.  Monopylarien  von  demselben. 

h.  Tripylarien  von  Dr.  Brandt  und  Dr.  Borgert, 
i.  Ta.xopoden  xmd   neue  Protozoen-.\btlicilungen  von  Dr.  Brandt. 
Bd.  IV.    M.    a.  Peridineen  von  Dr.  F.  Schutt,  Docent  der  Botanik  in  Kiel. 

b.  Dictyocheen  von  Dr.  Borgert  in  Kiel. 

c.  Pyrocysteen  von  Dr.  Brandt. 

d.  Bacillariaceen  von  Dr.  .Schutt. 

e.  Halosphaereen  von  demselben 

f.  Schizophvceen  von   Dr.   N.   Wille  in   .\as  bei    Christiania    und 
Dr.  Schutt. 

g.  Sehizomyceten  von  Dr.  B.  Fischer,   Prof.  der  Hygiene  in  Kiel. 
N.    Cysten,  Eier  und  Larven  von  Dr.  Lohmann. 
Bd.    V.     0.   Uebersicht    und    Resultate  der    quantitativen    Untersuchungen,   re- 
digirt  von  Dr.  Hensen. 
V.   Oceanographie  des  atlantisch.  Oceans  unter  Berücksichtigung  obiger 
Resultate  von   Dr.  Krümmel  unter  Mitwirkung  von  Dr.  Hensen. 
^  Gesammt -Register  zum  ganzen  Werk. 


Erschienen  sind  bereits : 


Bd.  I   A. 


KoiüellCiül*lll*eil>IIIIS:.     von  Dr.  O.  KrUmmel 


nebst 


Einleitung  von  Dr.  Mensen  und  Vorberichten  von  Drr.  Dahl,  Apstein,  Lolimaun,  Boigert,  Schutt  und  Brandt. 

Mit  lOii  Figuren  im  Te.xt,  sowie  5  Karteu,  2  Tafeln  und  einer  Pbotograviire. 
380  Seiten.   4".   Preis  kart.  M.  30.-.    Elegant  gebunden  M.  32.-. 


Bd.  II  Kd. 


Die  Akale|ilioii.   von  Dr.  i 

Mit  4  Tafeln  und  einer  Karte.    28  Seiten.    4".    Preis  brocli.  M.  8. 


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Bd.  11  Ga.    IIall>l»atltleil.    Von  Dr.  Fr.  Dahl  und 
HalacarillOII*    von  Dr.  Lolmiann. 

96   Seiten.     4".     Mit  II   Figuren   im  Text,    sowie   mit   13  Tatein.     Prets   broch.  M.  16.—. 


Unter  der  Presse  befinden  sich: 


Bd. IC.   Croopliy^ikali^clio  Booliac*litiiii;;;cii.   von  Dr.  Krihnmei. 

.4bonnpntpn,   welche  sich  für  .\bnahme   des  ganzen  Werkes  verpflichten,  haben  Anspruch  auf  fiiieii  um  10"/,,  ermässigten  Subscriptions- 
preis.    Die  Namen  der  Subskribenten  »ollen  bei  Ausgabe  des  Schlussheftes  veröffentlicht  werden. 


In  unserem  Verlage  erschienen  ferner: 

Hensen,    Professor   V.,    Die  PI  ank  ton  -  Expedition   und  Haeckels  Darwinismus.     Ueber  einige  Aufgaben  und  Ziele 
der  besclireibenden  Naturwissenschaften.     Mit  zwei  Steindruck  tafeln.     Preis  M.  3.  —  . 

Diese  erste  z.  Z.  einem  grösseren  Leserkreise  dargebotene  Verötfentlichung  dürfte  als  Entgegnung  auf  die  HaeckePscbe  Schrift  .Plankton- 
Studien",  in  der  er  die  E.xpedition  sclion  vor  der  Bekanntgabe  ihrer  Ergebnisse  in  Misskredit  zu  bringen  versucht,  auch  jetzt  noch  von  hohem 
Interesse  sein. 
Schutt,     Dr.  Franz,  Analytische  Plankton-Studien.     Ziele  und  Methoden  der  Plankton-Forschung.     Preis  M.  3.-. 
Diese  Schrift,  in  der  die  genannte  Methode,  die  Planktonfänge  nach  Mass,  Zahl  und  Vertheilung  zu  bestimmen,  beschrieben  wird,  ist  fü 
Zoologen  und  Botaniker  von  gleicher  Bedeutung. 
,      Das  Pflanzonleben  der  Hoclisee.     Kond('rabdruck  aus  Band  I  A  der  Ergebnisse  der  Plankton-Expedition  der  Humboldt- 
Stiftung.    Preis  M.  7.  —  . 


XXXIV 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  17. 


Soeben  erschien  in  meinem  Verlage: 

Leitfaden  für  den  Unterricht 

in 

Chemie  und  Mineralogie 

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von 

Albrecht  Wilke, 

Direktor  des  Realprogynniasiuins  zu  Gandersheim. 

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Verfasst  anf  Grund  der  neuen  Lehr|il:ine  dürfte  dieser  Leitfaden  den  höheren 
Schulen  wie  den  seehsstntigen  ein  willkommenes  und  boiiuenies  Unterrichtsmittrl 
sein.  Der  Stoff  dazu  Ist  von  dem  Herrn  Verfasser  aus  dem  eigenen  Unterricht 
herausgesammelt  und  nach   den   Erfahrungen  langjähriger  Thätigkeit  gesichtet. 

Der  ergebenst  Unterzeichnete  giebt  sich  daher  der  Hoffnung  hin,  hiermit  deii 
höhereu  Lehranstalten  ein  praktisches  Werk  bieten  zu  kr.nnen. 


Kiel,  April   1893. 


H.  Eckardt. 

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der  belehrenden  Artikel  sowie  seiner  internationalen  und  grossen  Verbreitung  betreffs 
Ankauf,  Verkauf  und  Umtausch  aller  Objekte  die  weitgehendsten  Erwartungen  erfüUt 
wieeinProbeabonnemont  lehren  dürfte.  Zubeziehen  durch  diePost(ZeitungslisteNo. 3135)  %% 
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ijiington"-      (1873  ♦! 
Ijis  78)  und  „Call-  ♦ 
graph."  -  Schreib-  ^ 
maschine     (1880),  ♦ 
und  übertrifft  T 

diese  wie  alle  ^ 
anderen  Systemp  ♦ 
sowohl  in  mecha-  J 
Mischer  wie  prak-  4 
tischer  Beziehung  ♦ 
und  wird  von  J 
jedem  Fachmanne  4 
als  das  Ideal  ♦ 
einer  Schreib-  T 
maschine  bo-  4 

trachtet.  ♦ 


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Berlin  NW,  Luisenstr.  22  pt. 


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von  H.  J.  Kolbe,  Kustos  am  Königl. 
Museum  für  Naturkunde  in  Berlin.  Mit 
vielen  Holzschn.    Erscheint  in  Lief,  a  1  M. 


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Adolf 
Kobiii. 

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Snuttriertc  !läcei8Iitteit  atatiä  unb  (rnnfo. 


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Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12,  Zimmerstr.  94. 


VIII.  Band.                 Sonntag,  den  30. 

April  1893. 

Nr.  18. 

Abonnement:  Man  aboniürt  bei  allen  Buchhandlungen  und  Post-             v 

anstalten,  wie  bei  der  Expedition.    Der  Vierteljahrspreis  ist  Jt  3.—            dj3 

Bringegeld  bei  der  Post  15  ^  extra.                                          -IL 

Inserate :  Die  viergespaltene  Petitzeile  40  -A.    Grössere  Aufträge  ent- 
sprechenden Rabatt.  Beilagen  nach  Uebereinkunft.  Inseratenannahme 
bei  allen  Annocenbureaux,  wie  bei  der  Expedition. 

AbUriiok  ist  nur  mit  vollständiger  4^nellenan«'abe  gestattet. 

Bericht  über  die  Thätigkeit  der  k.  k.  Sternwarte  zu  Prag  im  Jahre  1892. 

Vom  Direetor  der  Sternwarte  Profes.sor  Dr.  L.  Weinek. 


Auf  meine  Mondzeichiiungen  nach  den  vorzüg- 
lichen photogi'aphischen  Aufnahmen  der  Licii-Sternwarte 
am  Mt.  Hamilton  verwendete  ich  im  Jahre  1892  insgesammt 
332,5  Stunden  gegen  296,25  Stunden  im  Jahre  1891.  Der 
grösste  Theil  dieser  Zeit  wurde  der  Vollendung  der,  zu 
Ende  1891  begonnenen,  Wallebenen  Vendelinus  und 
Langrenus  gewidmet.  Beide  Bilder  sind  20fache  Ver- 
grösserungen  nach  dem  focalen  Lick-Negative  bezw.  Dia- 
positive vom  31.  August  1890,  14"^  27"  P.  s.  t.,  haben  jedes 
die  Grösse  von  12 :  18  cm  und  stossen  derart  an  einander, 
dass  sie  ein  einziges  Bild  von  12  cm  Breite  und  36  cm 
Höhe  geben.  Vendelinus  beanspruchte  122,0,  Langrenus 
127,5  Arbeitsstunden.  Ausserdem  wurde  die  20fach  ver- 
grösserte  Tuschirung  der  ßingebene  Flammarion  (so 
benannt  von  Gaudibert  auf  dessen  64  cm  grosser  Mond- 
karte), welche  nordöstlich  von  Herschel  liegt  und  auf 
ihrem  Ostwalle  den,  für  die  Librationsmessuugen  wichtigen, 
Krater  Moesting  A  hat,  nach  einer  Lick- Aufnahme  vom 
15.  August  1888  in  der  Grösse  von  10 :  10  cm  fertig- 
gestellt. Die  Arbeitsdauer  war  71,0  Stunden.  —  Andere 
Zeichnungen  und  Studien  bezogen  sich  auf  eine  Reihe  von 
Entdeckungen  rillen-  und  kraterartiger  Objecte,  die  an 
den  Mond  -  Platten  der  Lick -Sternwarte  gemacht  werden 
konnten.  Iiu  Folgenden  sei  nur  die  Uebersicht  derselben 
gegeben,  wobei  die  angefügte  eingeklammerte  Zahl  für 
jeden  Fall  die  Anzahl  der  in  Prag  vorhandenen  photo- 
graphischen Platten  (gemäss  einer  vorläufigen  Revision) 
darstellt,  auf  welchen  das  fragliche  Object  zu  erkennen 
ist.  Wo  nur  eine  Platte  angeführt  erscheint,  halte  ich  die 
betreflcndeii  Formationen  auf  Grund  meiner  bezüglichen, 
an  zahlreichen  Lick-Photographien  erworbenen,  Erfahrung 
für  reell. 

Rillensystem  durch  das  ganze 

von   der   Centralhöhe,    mit  der 

S.  1:2.)     II.    In  Walter.    Rillen- 

im    nordöstlichen    Inneren.  .  (1.) 


I.  In  Longomontanus. 
mittlere  Innere,    westlich 
allgemeinen  Richtung:   N.- 
uud    Kraterformationeu 


Richtung : 


III.  Zwischen  Petavius  B  und  Santbech  b.  Rillensystem. 
W.-O.  (3.)  IV.  In  Hell  B.  Rille  durch  das 
mittlere  Innere.  Richtung:  SW.-NO.  Grösserer 
Krater  im  Süden  von  Hell  B.  (1.)  V.  Im  Marc  Nubium, 
südlich  von  Thebit  B  (Birt),  ein  deutlicher  Krater,  ferner 
Kratergruben,  feine  Rillen.  (3).  VI.  In  Ptolemacus.  Rillen- 
system im  Inneren,  südöstlich  vom  Krater  A;  am  südlichen 
Walle  desselben  ein  kleiner  Krater.  (2.)  VII.  In  Alphonsus. 
Rillensystem  durch  das  ganze  westliche  Innere,  zwischen 
Schmidt's  Rille  am  Westrande  und  der  Centralhöhe. 
Richtung:  N.-S.  Kleiner  Krater  im  NO.  des  Central- 
berges.  (2.)  VIII.  In  Eratosthenes.  Rille  durch  das  ganze 
mittlere  Innere,  westlich  von  der  Centralhöhe.  Richtung: 
SW.-NO.  Andere  feine  Rillen.  (2.)  IX.  Auf  der  west- 
lichen Abdachung  der  geraden  Bergwand  ß  im  Mare  Nu- 
bium, westlich  von  Bii't.  Mehrere  rillenartige  Züge,  eben- 
solche zwischen  ß  und  Birt.  (7.)  X.  Auf  dem  Nordwalle 
von  Herschel  a  und  südöstlich  von  IMoesting  A  je  ein 
gi'össerer  Krater.  (5.)  XL  Oestlieh  von  Reaumur  ein 
grösserer  Krater.    (5.) 

Mit  Ausnahme  von  IX  und  XI  sind  bereits  sämmt- 
liche  Objecte  in  20facher  Vergrösserung  gezeichnet  wor- 
den. Dass  solche  photographische  Rillenzeichnungeu, 
namentlich  wenn  die  Rillenzüge  feine  lichte  Wälle  auf- 
weisen, zufolge  ihrer  Zartheit,  stelleiiweisen  Unbestimmtheit 
und  mannigfaltigen  Verwirrung  durch  das  Plattenkorn 
nicht  allein  für  das  Auge  sehr  anstrengend  sind,  sondern 
auch  technisch  zu  den  schwierigsten  Arbeiten  gehören, 
ist  noch  besonders  hervorzuheben.  Das  Fehlen  der  sub  X 
und  XI  angeführten,  fast  1  geogr.  Meile  grossen  Krater 
bei  Schmidt,  welche  auch  optisch  gut  sichtbar  sind,  niuss 
am  meisten  Wunder  nehmen.  —  Bisher  gelang  die  optische 
Verificirung  des  sub  V  bezeichneten  Kraters  dem  Astro- 
nomen G.  Witt  in  Berlin  (Urania-Sternwarte)  und  T.  G. 
Elger  in  Bedford,  während  die  sub  X  genannten  Krater 
von  mir  und  Herrn  Adjuncten  Dr.  R.  Spitaler  am  27.  De- 


176 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  18. 


ceuiber  ohne  Mühe  mittelst  des  .Steinheirschen  6 -Zöllers 
gefunden  wurden.  Es  ist  zu  bemerken,  dass  bei  letzterer 
Beobachtung-  das  Fehlen  des  Objectes  XI  auf  der  Schmidt- 
schen  Karte  mir  noch  nicht  bekannt  war  (diese  Ent- 
deckung erfolgte  erst  am  30.  December),  weshalb  unsere 
Aufmerksamkeit  damals  auf  diesen  Krater  nicht  gerichtet 
gewesen.  Doch  theilte  mir  Herr  C.  M.  Gaudibert  in  Vaison 
freundliclist  mit,  dass  er  den  erwäiinten  Krater  östlich 
von  Reaumur  bereits  am  24.  Februar  1874  und  am  15.  Mai 
1883  teleskopisch  beobachtet  habe.  Diese,  von  Schmidt 
auf  Sect.  I  nicht  verzeichneten,  grösseren  Krater  in  der 
Umgebung  von  Flammarion  und  Reaumur  sind  besonders 
deutlich  auf  einer,  von  Herrn  Albert  Freiherr  von  Roth- 
schild in  Wien  trefflichst  ausgeführten,  15  maligen  photo- 
grai)iiischcn  Vergrösserung  nach  einer  Lick- Platte  vom 
14  Juli  1891  zu  sehen.  —  Ferner  konnte  ich  zwei  optische 
Entdeckungen  auf  dem  Monde  photographisch  verificiren. 
Die  eine  Ijetrifft  eine  ^-förmige  Rille,  welche  am  4.  April 
1892  an  der  Berliner  Urania -Sternwarte  von  Kellner  ent- 
deckt und  von  Astronom  Witt  bestätigt  wurde,  die  andere 
zwei  Krater  zwischen  Landsberg  und  Reinhold,  welche 
von  Krieger  in  Gern-Xymphenburg  am  29.  November  1892 
gefunden  wurden.     Die  /-Rille    mit    ihrer 


Umgebung 


ist 


auch  von  mir  nach  der  sehr  scharfen  Lick-Aufnahme  vom 
22.  September  1890,  8^  S"»  P.  s.  t  gezeichnet  worden,  wo- 
bei viel  neues  Detail  zum  Vorschein  kam.  Namentlich 
ergab  sich,  dass  der  rechte  Schenkel  des  1  in  eine  lange, 
nach  Osten  führende  Rille  übergeht  und  dass  westlich 
von  dieser  A- Rille  eine  andere,  photographisch  sehr 
eclatante  Rille  mit  mehreren  Abzweigungen  bis  nach 
Boscovich  zieht. 

Um  den  Nachweis  für  die  Realität  photographisch 
entdeckter  Rillen  auch  auf  Grund  einer  einzigen  Platte 
ziemlich  sicher  treffen  zu  können,  habe  ich  mir  zu  meinem 
Zeichenapparate  noch  zwei  weitere  Mikrometer -Oculare, 
mit  Vs  und  V4  Pariser  Zoll  Aequivalent- Brennweite,  von 
Reinfelder  &  Hertel  in  München  beschafft,  welche  für 
meine  deutliche  Sehweite  von  28  cm  die  linearen  Ver- 
grösserungen  32  und  42  ergeben.  Werden  nämlich  die 
rillenartigen  Objeete  von  dem  Korne  der  Platte  selbst 
gebildet,  so  treten  sie  als  schmale  Lücken  zwischen 
den  Kornpartikelcheu  auf,  während  sie,  wenn  ihr  Ur- 
sprung im  Monde  liegt,  sich  allgemein  auf  diesen  Theil- 
chen  abbilden,  was  aber  bei  entsprechend  starker  Ocular- 
Vergrösseruug  wohl  zu  unterscheiden  ist.  Um  noch  weiter 
die  Realität  der  Rillen  zu  prüfen,  ist  es  zweckmässig,  die 
Platte  auf  die  verschiedenste  Weise,  von  der  rückwärtigen 
und  vorderen  Seite  aus,  zu  beleuchten,  da  dadurch  so 
zahlreiche  Variationen  im  Schatteuwurfe  des  Kornes  be- 
wirkt werden,  dass  es  möglich  erscheint,  aus  dem  Ver- 
änderlichen das  Coustante,  also  das  vom  Korne  Un- 
abhängige, zu  erkennen.  Endlich  ist  es  auch  zuweilen 
von  Vortheil,  den  allgemeinen  Verlauf  der  Rillenzüge  der- 
art zu  Studiren,  dass  man  bei  Betrachtung  derselben  das 
Ocular  nicht  vollständig  scharf  einstellt.  Damit  man  von 
den  zufälligen  Fehlern  der  Platte,  die  als  solche  nicht 
immer  offenkundig  zu  Tage  liegen,  sicher  und  schnell 
unabhängig  werde,  empfiehlt  es  sich,  stets  nach  min- 
destens zwei  Diapositiven  gleicher  Güte,  die  kurz  hinter 
einander  aufgenommen  worden,  zu  zeichneu.  Wüuschens- 
werth  ist  es  hierbei,  nebst  den  Diapositiven  auch  noch 
die  originalen  Negative  zu  besitzen,  da  erstere  als  Copien 
zumeist  weniger  vollkommen  wie  die  Originale  sein  wer- 
den. —  Um  meine  Arbeiten  in  der  zuletzt  bemerkten  Art 
ausführen  luid  namentlich  auch  beiden  Platten  die  genau 
gleiche  Drehung  in  Bezug  auf  die  Verticale,  beispiels- 
weise in  der  Absieht  einer  Identificirung  zweier  Objeete 
derselben  nach  orthogonalen  Coordinaten,  geben  zu  können, 
habe  ich  einen  neuen,  grösseren  Zeichenapparat  coustruirt, 


welcher  nunmehr  allen  Anforderungen  entspricht  und  auch 
gestattet,  ausgedehntere  jMondlandschaften  in  Angriff  zu 
nehmen.  Derselbe  wurde  von  dem  Prager  Mechaniker 
R.  Eitel  (Firma:  Deckert  &  Homolka)  in  zufriedenstellend- 


ster Weise  gebaut. 


Damit  ferner  die  vergrösserten  Zeich- 


nungen, selbst  bei  40faeher  Ocular- Vergrösserung,  mit 
aller  erforderlichen  Sicherheit  angefertigt  würden,  Hess 
ich  noch  Glasscalen  mit  Strich-Intervallen  von  nur  ^/.,  mm 
nach  zwei,  zu  einander  senkrechten,  Richtungen  anfertigen, 
die  Herrn  Präcisions- Mechaniker  G.  Heyde  in  Dresden 
vollkommen  gelangen. 

Herrn  Professor  Edward  S.  Holden,  Director  der 
Lick-Sternwarte,  bin  ich  abermals  zu  grösstem  Danke  für 
die  fortlaufende,  reiche  Versorgung  der  Prager  Sternwarte 
mit  neuem  Plattenmaterial  verpflichtet.  Dasselbe  umfasste 
zu  Ende  des  Jahres  1892  (mit  Einschluss  einiger  Dia- 
positive, die  hier  nach  Lick-Negativen  angefertigt  wurden) 
über  120  Mondplatten,  welche  nunmehr  in  vielen  Fällen 
völlig  ausreichende  ►Sicherheit  zur  Entscheidung  der 
sich  aufdrängenden  selenographischen  Fragen  bieten. 
Auch  Herrn  Professor  J.  K.  Rees,  Director  der  Co- 
lumbia College -Sternwarte  in  New-York,  bin  ich  für 
die  gütige  Zusendung  von  14  Rutherfurd 'scheu  jMond- 
Diapositiven,  welche  bis  zum  Jahre  1862  zurückreichen, 
sehr  verpfliciitet. 

Besonderen  Dank  schulde  ich  noch  dem  hiesigen 
k.  u.  k.  Hof-  und  Kauuner-Photograplien  H.  Eckert, 
welcher  sich  stets  in  liebenswürdigster  und  uneigennützig- 
ster Weise  bereit  fand,  meine  neu  vollendeten  Mond- 
zeichnungen photographisch  aufzunehmen  und  der  Prager 
Sternwarte  eine  beliebige  Anzahl  von  Copien  derselben 
in  vorzüglicher  Ausführung  zur  Verfügung  zu  stellen. 
Hierdurch  wurde  es  erst  miiglich,  diese  Prager  Mond- 
arbeiten und  die  darin  niedergelegten  Entdeckungen  thun- 
lichst  rasch  an  die  verschiedenen  Akademien  und  Seleno- 
grapheu  behufs  eingehendsten  Studiums  des  Dargestellten 
am  Teleskope  senden  zu  können. 

Schliesslich  ist  noch  zu  erwähnen,  dass  diese  Prager 
Untersuchungen  der  Mondoberfläehe  nach  den  photo- 
graphischeu  Aufnahmen  der  Lick-Sternwarte  eine  hoch- 
willkommene Forderung  durch  Herrn  Walter  W.  L  a  w  in 
Yonkers,  New-York,  erfahren  haben,  welcher  zu  Beginn 
des  Jahres  1892  die  Summe  von  1000  Dollars  Herrn  Di- 
rector Holden  für  die  Publication  derselben  in  Amerika 
überge])en  hat. 

Die  im  Februar  1889  begonnenen  Polhöhenbestim- 
mungen  nach  der  Talcott-Horrebow'schen  Methode  wurden 
im  Jahre  1892  fortgesetzt  und  in  den  letzten  Tagen  des 
Monats  Mai,  zu  welcher  Zeit  die  correspondirenden  Beob- 
achtungen der  Internationalen  Erdmessungs- Expedition 
in  Honolulu  auf  den  Sandwich-Inseln  ihr  Ende  erreichten, 
abgeschlossen.  Im  Ganzen  wurden  in  Prag  vom  Jahres- 
anfang bis  24.  Mai  506  Breiten  in  48  Nächten  ge- 
messen, und  zwar  von  mir  191  Breiten  in  19  Nächten,  von 
Herrn  Adjuueten  Dr.  G.  Gruss  315  Breiten  in  29  Nächten. 
Die  weitere  Untersuchung    der    Micrometerschraube    des, 

Pistor  und  ]\Iartins- 
schen     gebrochenen 


zu  diesen  Messungen    verwendeten 

Durchgangs  -  Instrumentei- 


erfolgte 


wieder  durch  Passage-Beobachtungen  des  Polarsternes  im 
Meridiane,  welche  am  7.  und  25.  Februar  von  mir,  am 
10.,  18.,  19.,  29.  Febr.  und  3.  März  von  Herrn  Dr.  Gruss 
ausgeführt  wurden. 

Die  grossen  Sonnen  flecken  im  Februar,  aufweiche 
die  Prager  Sternwarte  durch  ein  Telegramm  des  Herrn 
Pfarrers  L.  Kaschka  in  Tuschkau  freundlichst  aufmerk- 
sam gemacht  worden,  wurden  von  mir  und  den  Herren 
Dr.  G.  Gruss  und  R.  Lieblein  am  15.  und  18.  Februar  beob- 
achtet. An  ersterem  Tage  ist  auch  das  Fleckenbild  von 
mir .  gezeichnet    worden.      Hierauf   wurden    die  Sonnen- 


Nr.  18. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


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flecken  an  weiteren  48  Tagen  von  Herrn  Assistenten 
Lieblein  gezählt. 

Die  partielle  Mondfinsterniss  vom  11.  Mai  1892 
konnte  bei  günstigem  Wetter  in  ihrem  ganzen  Verlaufe 
mit  bestem  Erfolge  von  mir  und  Herrn  Assistenten  Lieblein 
beobachtet  werden.  Auch  wurden  von  mir  zur  Zeit  der 
grössten  Phase  einige  Sternbedeckungen  (Eintritte)  durch 
den  Jlond  erhalten. 

Die  totale  Mondfinsterniss  vom  4.  November  1892 
war  in  Frag  der  Rechnung  gemäss  bloss  in  ihrer  zweiten 
Hälfte  wahrnehmbar,  da  der  Mond  bereits  total  verfinstert 


aufging.     Die  Beobachtung  der  Erscheinung 


gelang 


übe 


dies  nur  durch  Wolken.  Beobachtet  haben  Professor 
Weinek,  Adjunct  Dr.  Spitaler  und  Assistent  Lieblein. 

Bei  der  Uranusbedeckung  durch  den  Mond  am 
16.  März  1892  erhielt  Herr  Adjunct  Dr.  Gruss  den  Ein- 
tritt des  Planeten  am  hellen  Mondrande,  während  der 
Austritt  am  dunklen  Rande  von  den  Assistenten  Liebleiu 
und  Pin  beobachtet  wurde.  Rei  der  zweiten  Uranus- 
bedeckung desselben  Jahres  am  3.  Juli  gelang  mir  selbst 
die  Zeitnotirung  des  Uranus-Eintrittes  am  dunklen  Mond- 
raude  ziemlich  sicher,  wogegen  auf  die  Austrittsbeobach- 
tung des  relativ  schwachen  Planeten  am  hellen  Mondrande 
verzichtet  wurde. 

Von  S  t  e  r  n  b  e  d  e  c  k  u  n  g  e  n  durch  den  Mond  erhielten  wir 
eine  Reihe  von  Eintritten  und  Austritten.  Die  Beobachtungen 
wurden  von  mir  und  den  Herren:  Adjunct  Dr.  (iruss, 
Adjunct   Dr.    Spitäler   und   Assistent  Lieblein   ausgeführt. 

In  die  Beobachtung  der  Jupitertrab  ante  u-Erschei- 
nungen  theilten  sich  Herr  Adjunct  Dr.  Spitaler  und  Herr 
Assistent  Liebleiu. 

Der  am  6.  November  entdeckte  Komet  Holmes 
konnte  wegen  seiner  relativ  hohen  Declination  nur  ausser- 
halb des  Meridiancs  und  insofern  bloss  mit  dem  grösseren 
Fraunhofer'schen  Fernrohre  von  der  (Valerie  des  Thurmes 


aus    in    Anwendung 


eines    Ringmicrometers    beobachtet 


werden.  Seine  Position  wurde  bestimmt:  Von  mir  am 
18.  November,  von  Herrn  Adjunctcn  Dr.  Spitaler  am  18., 
19.,  23.  uud  24.  November  und  von  Herrn  Assistenten 
Liebleiu  gleichfalls  an  den  zuletzt  genannten  Tagen. 
Begreiflieherweise  wurden  diese  Messungen  nuter  solch' 
missliehen  Umständen  nicht  weiter  fortgesetzt. 

Vom  Monate  Mai  an  wurden  fortlaufend  Mond- 
culminationen  in  Verbindung  mit  Passagen  des  Kraters 
Moesting  A  unter  Anschluss  an  die  im  Nautical  Ahnanac 
gegebenen  Sterne  von  Herrn  Assistenten  Lieblein  am  geraden 
Fraunhofer'schen  Passagen-Instrumente  beobachtet. 

Die  Zeitbestimmungen  geschahen  durchschnittlich 
dreimal  im  Monate  und  wurden  zum  grössten  Theile  von 
Herrn  Assistenten  Lieblein  besorgt.  Von  demselben  Beob- 
achter unter  Mitwirkung  des  Herrn  Assistenten  Pin  er- 
folgte auch  eine  Neubestimmung  der  Fadendistanzen  des 
geraden  Fraunhofer'schen  Passagen-Instrumentes  mittelst 
des  Polarsternes. 


Die  meteorologischen  und  magnetischen  Beob- 
achtungen nahmen  auch  in  diesem  Jahre  ihren  ununter- 
brochenen, regelmässigen  Fortgang. 

An  Publieationen  erschienen  im  Jahre  1892: 
„Magnetische  und  meteorologische  Beobachtungen  an  der 
k.  k.  Sternwarte  zu  Prag  im  Jahre  1891,  52.  Jahrgang" 
und  .,Astronomische  Beobachtungen  an  der  k.  k.  Stern- 
warte zu  Prag  in  den  Jahren  1888,  1889,  1890  uud  1891, 
nebst  Zeichnungen  und  Studien  des  Mondes".  Letztere 
enthält  9  Tafeln  imd  zwar:  Tafel  1:  Das  neue  Meridian- 
zinnner  der  k.  k.  Sternwarte  in  Prag  mit  dem  Arrange- 
ment der  Polhöhenmessung  nach  der  Horrebow-Tallcott'- 
schen  Jlethode  (Photolithographie),  Tafel  2,  3,  4:  18  neue 
Zeichnungen  von  Mondkratern  uud  Mondlandschaften  am 
Fernrohr  (Heliographie),  Tafel  5:  Die  Mondfinsterniss  vom 
28.  Januar  1888  in  Farbendruck  und  vier  Mondabbildungen 
in  Lithographie,  Tafel  6:  Das  Marc  Crisium  in  vierfacher 
Vergrösserung  nach  einer  Liek-Platte  vom  23.  August  1888 
(Heliographie),  Tafel  7:  Die  Ringebenen  Archimedes  und 
Ärzachel,  je  zweimal  mit  entgegengesetztem  Schatten- 
wurfe, in  zehnfacher  Vergrösserung  nach  den  Lick-Platten 
vom  15.  und  27.  August  1888  (Heliographie),  Tafel  8: 
Die  Mädler'sche  Specialkarte  von  Petavius  und  Tafel  9: 
Die  Wallebene  Petavius  in  zwanzigfacher  Vergrösserung 
nach  der  Lickplatte  vom  31.  August  1890  (Heliographie). 

Für  die  vorzügliche  heliographische  Reproduction 
meiner  Mondzeichnungen  nach  der  Natur  und  meiner  ver- 
grösserten  Tuschirungen  nach  den  photographischen  Mond- 
aufnahmen der  Lick- Sternwarte  durch  das  k.  und  k. 
militär- geographische  Institut  in  Wien  bin  ich 
dieser  hochgeschätzten  Anstalt  zu  grossem  Danke  ver- 
pflichtet. 

Im  Personal  der  k.  k.  Sternwarte  erfolgte  im  Jahre 
1892  eine  wesentliche  Veränderung,  indem  der,  seit  1.  De- 
cember  1881  an  ihr  wirkende  Adjunct,  Herr  Dr.  Gustav 
Gruss,  zum  ausserordentlichen  Professor  der  Astronomie 
an  der  Prager  k.  k.  czechischen  Universität  und  zum 
Leiter  des  mit  ■  dieser  verbundenen  astronomischen  Insti- 
tutes*) ernannt  wurde.  Herr  Dr.  Gruss  verlicss  die  Stern- 
warte am  1.  Mai  1892,  und  ich  verlor  mit  demselben 
einen  langjährigen,  ebenso  eifrigen  als  sachkundigen,  Mit- 
arbeiter. An  seine  Stelle  trat  mit  dem  1.  October  1892 
der  Assistent  der  k.  k.  Sternwarte  in  Wien-AVähring, 
Herr  Dr.  Rudolf  Spital  er. 


*)  Der  officielle  Titel  desselben  lautet:  „Astronomicky  üstav 
c.  ii.  k.  öeske  university  v  l^raze"  (Astronomisclies  lustitut  der 
k.  u.  k.  czechisehen  LTniversität  in  Prag)  uud  nicht  „k.  k.  böh- 
mische Sternwarte",  wie  er  in  die  Kieler  „Astronomischen  Nach- 
richten übergegangen  ist  und  bereits  zu  mehreren  unliebsamen 
Verwechslungen  mit  der,  von  mir  geleiteten,  seit  der  Mitte  des 
vorigen  Jahrhunderts  bestehenden,  Prager  k.  k.  Sternwarte  ge- 
führt hat.  Jenes  Observatorium  besitzt  wolil  einen  achtzolligen 
Rcfractor,  ist  jedoch  gegenwärtig  wenig  günstig  in  einem  Privat- 
gebäude untergebracht. 


Ueber  einen  neuen  menschlichen  Parasiten  bringen 
der  Assistenzarzt  Dr.  H.  Miyake  und  der  Prof.  Dr.  J.  Scriba 
von  der  Chirurgischen  Klinik  der  Kaiserlichen  Universität 
in  Tokio  (Japan)  in  der  Berliner  Klinischen  Wochenschrift 
eine  vorläufige  ]\littheilung. 

Am  10.  Januar  kam  ein  Mann  in  die  Poliklinik  mit 
der  Klage  über  Blutharnen  (Haematurie).  Der  cutleerte 
Harn  sah  rotli,  leicht  milchig-getrübt  aus  und  nach  kurzem 
Stehen  l)ildeten  sich  darin  reichliche  blassrothe  Gerinnsel, 
wie  bei  Fibrinurie,  dazwischen  aber  lagen  eine  Anzahl 
reiner  Blutgerinnsel.  Die  vorläufige  Untersuchung  ergab 
nur    rothe    uud  weisse    Blutkörperehen,    keine   Parasiten. 


Einige  Tage  später  Hess  sich  der  Patient  in  die  Klinik 
aufnehmen.  Er  war  37  Jahre  alt,  aus  Katsuura  in  der 
Provinz  Awa  (etwa  V2  deutsche  Meile  entfernt  von  der 
Küste  des  stillen  Oceans),  hatte  zum  ersten  Mal  im 
25.  Lebensjahre  durch  einige  Tage,  später  durch  sieben 
Monate  und  jetzt  seit  7  Monaten  Fibrinurie  und  Haema- 
turie, so  dass  er  hochgradig  anämisch  geworden  war. 
Da  die  lieiden  Genannten  eine  parasitäre  Ursache  ver- 
mutheten,  so  machte  Miyake  etwa  1000  Präparate  und 
fand  auch  endlich  eine  Milbe.  Während  der  folgenden 
8  Tage  wurden  noch  23  Milben  und  6  Eier  gefunden 
und  zwar  in  jeder  Tagesportion  des  Urins  1  bis  4  oder  5. 


178 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  18. 


Die  Beschaffenheit  des  Urins  spracli  dafür,  dass  d&r  Para- 
sit in  der  Niere  seinen  Sitz  habe;  zum  Ueberfluss  wurde 
noch  die  Blase  ausgespült,  aber  in  dem  mit  Urin  ge- 
gemischten  Spülwasser  nur  eine  Milbe  gefunden.  Alle 
Milben  waren  todt. 

Der  Patient  wurde  früh  durch  ruhige  Lage  und  eine 
Dosis  von  Seeale  cornutum  von  seiner  Fibrinurie  und 
Haematurie  befreit,  so  dass  bald  keine  Milben  mehr  ge- 
funden wurden. 

Dadurch,  dass  die  Milbe  selbst,  und  zwar  Sbeinige 
Männchen  und  Weibchen,  ferner  Eier  imd  abgeworfene, 
nur  G  beinige  Häute  gefunden,  weiter  dadurch,  dass  in 
jeder  Portion  blutigen  und  fibrinhaltigen  Urins  diese 
Thiere  gesehen  wurden,  ist  der  Beweis  geliefert,  dass  es 
sich  um  einen  echten  Parasiten  handelt. 

Die  Milbe,  welche  die  beiden  Autoreu  Nephrophages 
sanguinaris  benannt  haben,  ist  bis  jetzt  unbeschrieben 
und  ähnelt  am  meisten  dem  Dermatocoptes  communis,  hat 
aber  deutliehe,  dicke  Augen.  Das  Männehen  ist  y^  so 
lang,  wie  Sarcoptes  hominis,  das  Weibchen  im  ausge- 
wachsenen Zustande  fast  eben  so  lang,  beide  aber  nur 
'/ä  so  breit. 

Die  Verf.  meinen,  dass  die  Milbe  die  Ursache  der 
in  vielen  tropischen  (TCgenden  und  im  Süden  von  Japan 
vorkommenden  Fibrinurie  sein  dürfte. 


Verwüstungen  der  Henschreckenlarven  in  Argen- 
tinien. —  Nachdem  schon  in  No.  1  dieses  Jahrganges 
der  „Naturwissenschaftlichen  Wochenschrift"  erwähnt  war, 
dass  Südamerika  und  l)esonders  Argentinien  im  vorigen 
Sommer  wieder  unter  der  Heuschreckenplage  zu  leiden 
hatte,  wird  vielleicht  eine  Schilderung  der  eigenartigen 
Verwüstungen,  welche  die  ungeflügelten  Larven  an- 
richteten, einiges  Interesse  finden.  Nach  dem  uns  vor- 
Hegenden  Berichte  eines  Augenzeugen,  Besitzers  einer 
Estancia  bei  Villa  Mercedes,  erschienen  zunächst  im  Früh- 
jahr, d.  i.  nach  argentinischen  Verhältnissen  im  September 
und  October,  die  geflügelten  Thiere  in  grossen  Schwärmen 
und  legten  ihre  „Eipackete"  in  die  Erde.  Bei  dem  dort 
herrschenden  Mangel  an  Arbeitskräften  ist  nicht  daran  zu 
denken,  der  Gefahr  entgegenzutreten.  Im  December 
krochen  die  Larven  aus,  und  nun  fing  der  eigentliche 
Schaden  an.  In  unabsehbaren,  Kilometer  langen  und 
breiten  Schaaren  ziehen  diese  Larven  dahin,  eine  hinter 
und  neben  der  anderen.  So  lange  die  Thiere  sehr  klein 
sind,  kann  man  die  gefährdeten  Felder  durch  Gräben 
einigermaassen  schützen,  aber  wenn  sie  etwas  grösser 
werden,  hilft  alles  nichts.  So  drangen  sie  auch  in  die 
Estancia  (wie  dort  die  einsam  gelegenen,  der  Viehzucht 
dienenden  Niederlassungen  heissen)  des  Obengenannten 
ein,  nichts  verschonend;  in  den  Gärten  nicht  nur  die  Blätter, 
sondern  auch  die  Rinde  der  Bäume  vertilgend;  selbst 
Wäsche  frassen  sie.  Bei  verschlossenen  Thüren  und  Fen- 
stern drangen  sie  durch  Ritzen  in  die  Zimmer  und  frassen 
sogar  die  auf  dem  Schreibtisch  liegenden  Bücher  an. 
Nirgends  konnte  man  sich  ihrer  erwehren,  keinen  Fuss 
draussen  setzen,  ohne  drei  oder  vier  zu  zertreten.  Wo  sie 
auf  ein  Gebäude  trafen,  kletterten  sie  an  den  Wänden 
empor  und  an  der  anderen  Seite  wieder  herunter.  Tage- 
lang dauerte  der  ununterbrochene  Zug  und  wurde  zu  einer 
fürchterlichen  Plage.  Die  Weidenflächen  waren  grössten- 
theils  so  kahl  gefressen,  dass  das  Vieh  Hunger  litt  und 
anfing  mager  zu  werden.  —  Rathlos  muss  der  Mensch 
diesem  Treiben  zusehen.  Die  Frage  der  Vernichtung  von 
massenhaft  erscheinenden  schädlichen  Gliederfüssern  ist 
durch  das  neuerliche  Auftreten  der  Nonne  in  Süddeutsch- 
land wieder  brennend  geworden.  Freilich  stellen  sich 
hier    den  Bemühungen    der  Wissenschaft,    helfend    einzu- 


greifen, ausserordentliche  Schwierigkeiten  entgegen.  Mög- 
lichenfalls liefert  al)er  die  bacteriologische  Forschung,  wie 
sie  beispielsweise  gelehrt  hat,  die  Mäuse  durch  Erregung 
des  Mäusetyphus  zu  vertilgen,  auch  hier  ein  Mittel,  um 
die  schrecklichen  Verwüster  abzuwehren.  Wenn  auch 
der  Mensch  der  herannahenden  und  sich  auf  seine  Felder 
herabsenkenden  Heuschreckenwolke  stets  machtlos  gegen- 
über stehen  wird,  so  wird  es  vielleicht  dereinst  gelingen, 
der  jungen  Brut  Herr  zu  werden,  um  so  die  Gefahr  für 
andere  abzuwenden  oder  wenigstens  abzuschwächen.      0. 


üeberdie„Selbstverstümmelungl)eiHeuscLrecken", 

insbesondere  der  Umstand,  dass  diese  Thiere,  an  den 
Sprungbeinen  erfasst,  diese  leicht  im  Stiche  lassen,  hat 
vor  einiger  Zeit  Cotejean  in  den  Berichten  der  Pariser 
Akademie  Mittheilungen  gemacht.  Neuerdings  theilt  nun 
Franz  Werner  mit,  dass  sich  die  Heuschrecken  unter 
Umständen  auch  der  Vorderbeine  berauben.  Laubheu- 
schrecken, wie  Ephippigera  vitium,  Barbitistes  serricanda, 
Saga  serrata,  seltener  Lorusta  viridissima  u.  a.,  heissen 
sich  wenn  sie  gefangen  werden,  diese  Beine  an  der 
Wurzel  ab,  oder  fressen  in  der  Gefangenschaft  trotz  vor- 
handener Nahrung  ihre  eigenen  Fussglieder,  Schienen 
und  Legestachel  allmählich  auf.  Sie  zeigen  dabei  nicht 
den   mindesten  Schmerz,    sterben  aber  natürlich   bald  an 


den  Verstümmelungen. 


Matzdorff. 


Die  Species  Equus  zur  Renntliierzeit.  —  Für  die 

Charakteristik  der  Species  Equus  zur  Rennthierzeit  sind 
einige  bildliehe  Darstellungen  von  Werth,  die  von  dem 
paläolithischcn  Menschen  dieser  Periode  angefertigt  worden 
sind  und  in  den  Niederlassungen  zu  Thayingen,  Arudy 
und  Lourdes  aufgefunden  wurden.  Am  lehrreichsten  ist 
von  diesen  Zeichnungen  die  von  Lourdes  in  den  Pyrenäen, 
eigentlich  aus  der  Caverne  des  Espelugues  bei  Lourdes, 
eine  Schnitzerei  auf  einem  Stück  Mamnuithzahn,  die  mitten 
unter  Feuersteingeräthen  vom  Madeleine-Typus  in  der  ge- 
nannten Höhle  aufgefunden  wurde.  —  Nach  der  Schilde- 
rung, die  Piette  (l'equide  tachete  de  Lourdes  in  Bulletins 
de  la  Societe  d'anthropologie  de  Paris  1892,  S.  436)  giebt, 
lassen  sich  gewisse  Aehnlichkeiten  mit  dem  Pferd,  dem 
Esel  und  dem  Zebra  des  Alluviums  nicht  verkennen. 

Der  Kopf  ist  zart  und  fein  gezeichnet,  seine  Con- 
turen  abgerundet.  Die  Stirn  ist  steil,  in  der  Gegend  der 
Augen  ganz  leicht  gewölbt.  Die  Uhren  sind  kurz  (auf 
der  rechten  Seite  stellt  sieh  ihre  Länge  zu  der  des  Kopfes 
wie  2  :  5,  auf  der  linken  wie  5:11).  Die  Mähne  ist  kurz 
und  aufrecht  stehend.  Der  Schweif  ist  zwar  abgebrochen, 
lässt  jedoch  noch  erkennen,  dass  er  an  der  Wurzel  breiter 
ist,  als  an  dem  abgebrochenen  Ende.  Interessant  ist  die 
Färbung  der  Haut.  Die  Beine  sind  zeliraartig  gestreift. 
Längs  des  Rückens  zieht  sich  ein  dunkler  Streifen  von 
der  Mähne  bis  zum  Schwanz  entlang;  zu  ihm  stehen  senk- 
recht zwei  andere  Streifen,  die  von  der  Höhe  des  Wider- 
rists zur  Schulter  verlaufen.  (Vergleichbar  dem  Scliulter- 
kreuz  des  Esels.)  Am  Halse  zieht  sieh  ein  breiter  dunkler 
Streifen  von  der  Schulter  zum  Ohre  hin  und  auf  dem 
Kopfe  zeigen  sich  um  die  Nüstern  herum  und  vom  Maul 
zum  Ohr  eine  Reihe  von  Strichelungen,  die  P.  indessen 
eher  für  die  Nachbildung  eines  Halfters  hält.  Der  Rest 
der  Haut,  also  die  Flanken,  die  Schultern  und  die  Schenkel 
weisen  dunkle  Flecken  auf,  die  deutlich  in  Reihen  ange- 
ordnet sind  und,  wie  es  scheint,  nur  Abänderungen  der 
ursprünglich  vorhandenen  Streifen  darstellen.  —  Dieser 
Schilderung  zufolge  })esteht  hinsichtlich  des  kleinen  Kopfes, 
der  kurzen  Ohren  und  des  scheckigen  Aussehens  eine 
gewisse  Verwandtschaft   mit  dem  Pferd,    hinsichtlich  der 


Nr.  18. 


Naturwissenschaff  liehe  Wochenschrift. 


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aufrecht  stellenden  kurzen  Mähne  und  des  den  Kücken 
sich  entlang-  ziehenden  Bandes  eine  solche  mit  dem  Esel, 
und  hinsichtlich  der  Streifung'  an  den  Extremitäten  und 
der  linienartig  angeordneten  Flecken,  die  eigentlich  nur 
durciihrochene  Streifen  sind,   eine   solche  mit  dem  ZcJjra. 

Dieser  Typus  des  Equiden  aus  der  Rennthierzeit 
scheint  sich  nach  den  Nachforschungen,  die  P.  angestellt 
hat,  in  den  dortigen  Gegenden  noch  erhalten  zu  liaben. 
Im  Thale  Cauterets  trifft  mau  häufig  genug  eine  Esel- 
varietät an,  die  mit  dem  Thier  von  Lourdes  mancherlei 
Uehereinstimmung  ])ictet.  Die  Ohren  sind  zwar  lang  und 
der  Kopf  ist  hinsichtlich  seiner  Form  und  seiner  Masse 
deutlich  der  eines  Esels,  aber  die  Haut  ist  gefleckt, 
schwarz  auf  schmutzig-weissem  oder  braunem  Grunde.  Am 
Hals  zieht  sich  ein  langes  dunkles  Band  von  der  Schulter 
bis  zum  Ohre  entlang  und  auf  der  Kruppe  nahe  an  der 
Schwanzwurzel  zeigen  sich  kleine  transversale  schwarze 
Bänder,  ähnlich  denen  des  Zebra.  Der  Schwanz  endlieli 
ist  an  seiner  Ursprungsstelle  breiter  und  voller  an  Haaren 
als  an  seinem  Ende. 

Ebendaselbst  giebt  es  noch  eine  zweite  Art  Esel,  die 
kleiner  sind.  Ihre  Beine  sind  quer  gestreift  und  auf  dem 
Rücken  und  den  Sciiultern  verlaufen  dunkle  Streifen,  die 
sich  unter  einander  kreuzen  wie  beim  Thier  von  Lourdes. 
Die  übrige  Haarfarbe  ist  gleichförmig  und  der  sonstige 
Körperbau  bietet  keine  Analogie  zu  dem  des  quaternären 
Equiden  von  Lourdes.  Buschan. 


Anatomisch  -  pliysiologisehe  UntersucliHiigen  über 
das  tropische  Laubblatt  veröft'entlieht  Prof.  Dr.  G.  H  a b e r  - 
landt  in  den  Sitzungsberichten  der  Kaiserl.  Akademie  der 
Wissenschaften  in  Wien. 

Aus  der  Vergleichung  der  in  den  von  H.  gebotenen 
Tabellen  mitgetheilten  Daten  ergiebt  sich,  dass  im  All- 
gemeinen die  Transpiration  der  untersuchten  Tropen- 
pflanzen in  dem  feuchtwarmen  Klima  von  Buitenzorg 
bedeutend  geringer  ist,  als  die  Transpiration  von  Ge- 
wächsen, welche  in  unserem  mitteleuropäischen  Klima 
gedeihen.  Unter  den  17  Pflanzenarten,  deren  Transpira- 
tionsgrössen  bestimmt  wurden,  und  welche,  wie  aus  den 
anatonuschen  Anmerkungen  ersichtlich  ist,  bald  derbe, 
lederartige,  bald  zarte,  krautige  Blätter  liesassen,  trans- 
pirirten  neun  xVrten,  d.  i.  circa  die  Hälfte  pro  Tag  und  1  dm- 
Oberfläche  weniger  als  1  g;  bei  sechs  Arten  schwankte  die 
Transpirationsgrösse  zwischen  1  und  2  g  und  nur  bei  zwei 
Arten  (Phönix  und  Acalypha)  erreicht  sie  2-6,  bezw. 
3  •  25  g.  Bei  unseren  einheimischen  und  eingebürgerten 
Kräutern  und  Holzgewächseu  dagegen  beträgt  die  Trans- 
pii'ation  nur  selten  weniger  als  2  g  pro  Tag  und  1  dm'-, 
sie  schwankt  gewöhnlich  zwischen  2  und  5  g,  erreicht 
aber  nicht  selten  auch  6 — 7  g  und  darüber.  Im  Durch- 
schnitt bleibt  also  die  Transpiration  in  einem  feucht- 
warmen Tropenklima  mindestens  um  das  Zwei-  bis  Drei- 
fache hinter  den  Transpirationsgrössen,  wie  sie  in  unserem 
Klima  gewöhnlich  sind,  zurück. 

Dieses  Ergebniss  war  ja  im  Grunde  genommen  vor- 
auszusehen; allein  es  gewährt  doch  immerhin  einiges 
Interesse,  dasselbe  zahlenmässig  zum  Ausdruck  gebrach  ^ 
zu  haben. 

Die  geringe  Transpiration,  welche  die  doch  so  üppig- 
wachsenden  Pflanzen  der  feuchten  Niederungen  Javas  und 
jedenfalls  noch  in  ausgesprochenerem  Maasse  die  Vege- 
tation der  mittleren  und  oberen  Bergregionen,  soweit  der 
Nebelgürtel  reicht,  kennzeichnet,  ist  gewiss  ein  schwer- 
wiegendes Argument  gegen  die  noch  immer  sehr  ver- 
breitete Annahme,  dass  „der  Transpirationsstrom"  als 
Vehikel  der  Nährsalze  für  die  Ernährung  der  grünen 
Landpflanzeu  von   maassgebender  Bedeutung   sei.     Diese 


Auffassung,  welche  sich  hauptsächlich  auf  die  Autorität 
von  Sachs  stützt,  kommt  in  prägnantester  Weise  in  der 
bekannten  Arbeit  Kohl's  über  „die  Transpiration  der 
Pflanzen"  (S.  10)  zum  Ausdruck:  „Ohne  lebhafte  Trans- 
piration ist  eine  genügende  zur  Assimilation  nöthige  Zu- 
fuhr von  Mineralsubstanz  unmöglich,  ohne  lebhafte  Trans- 
piration daher  keine  ausgiebige  Assimilation  und  ohne 
diese  meist  ein  relativ  unbedeutendes  Wachsthum.  Daher 
die  Substanzarmuth  aller  in  feuchter  Atmosphäre  wachsen- 
den Pflanzen,  daher  die  relativ  reichliche  Stoftproduction 
aller  stark  transpirirendcn,  grünen  Pflanzen".  An  anderer 
Stelle  (S.  113j  heisst  es:  „l'flanzen,  die  in  wasserdampf- 
reicher  Luft  wachsen,  wird  wenig  Mineralsubstauz  vom 
Boden  zugeführt,  denn  die  Wasserströmung  ist  eine  sehr 
träge,  es  wird  weniger  assimilirt".  Alle  diese  Behaup- 
tungen können  nicht  schlagender  widerlegt  werden,  als 
durch  den  Hinweis  auf  die  grossartige  Fülle  der  Vegetation 
des  feuchtwarmen  tropischen  Urwaldes,  wo  die  Assimi- 
lationsenergie bei  sehr  geringer,  oft  ganz  sistirter  Trans- 
piration, die  höchsten  Werthe  erreicht.  Wiederholt  ist 
zwar  in  gleichem  Sinne  bereits  auf  das  üppige  Wachs- 
thum der  Pflanzen  in  unseren  feuchten  Gewächshäusern 
hingewiesen  worden,  doch  hat  man  von  gegnerischer 
Seite  auf  dieses  Argument  vielleicht  mit  Recht  kein  grosses 
Gewicht  gelegt,  da  die  äusseren  Existenzbedingungen  der 
Gewächshauspflanzen  doch  gar  zu  abnorm  sind,  als  dass 
sich  aus  ihrem  Verhalten  weittragende  Schlüsse  ableiten 
Hessen.  Um  so  bestimmter  sprechen  dafür  die  von  H. 
mitgetheilten  ziftermässigen  Angaben  über  die  geringe 
Transpiration  der  Pflanzen  im  feuchten  Tropenklima,  wenn 
man  sich  gleichzeitig  vor  Augen  hält,  wie  kräftig  sich 
eben  dieselben  Pflanzen  ernähren,  wie  reichlich  sie  assimi- 
liren  und  Trockensubstanz  erzeugen.  Es  kann  sonach 
nicht  zweifelhaft  sein,  dass  das  Aufsteigen  der  Nährsalze 
keineswegs  erst  eine  indirccte  Folge  der  Transpiration 
ist;  der  sogenannte  „Transi)irationsstrom"  mag  unter  Um- 
ständen, besonders  bei  krautigen  Pflanzen,  die  Bewegung 
der  zur  Ernährung  nöthigen  Mineralsubstanzen  begünstigen, 
doch  ist  er  keine  conditio  sine  qua  non,  als  welche  er 
von  Sachs  u.  A.  aufgefasst  wurde.  Der  grünen  Land- 
jiflanze  stehen  osmotische  Kräfte  zur  Verfügung,  welche 
ganz  unabhängig  von  jenen  Betriebskräften,  die  den  zur 
Deckung  der  Transpirationsverluste  nöthigen  Wasserstrom 
einleiten  und  unterhalten,  selbst  bei  reichlichster  Assimi- 
lation eine  hinreichende  Menge  von  Aschenbestaudtheilen 
aus  den  AVurzeln  in  die  höchsten  Baumkronen  hinauf- 
befördern. Schon  Volkens  hat  1887  gegenüber  der  von 
Sachs,  Kohl  u.  A.  angenommenen  Bedeutung  der  Trans- 
piration und  des  Transpirationsstromes  für  die  Ernährung 
der  grünen  Landj)flanzen  den  gegeutheiligen  Standpunkt 
mit  aller  Schärfe  betont. 

Wenn  wir  den  anatomischen  Bau  der  Versuchspflanzen 
mit  Rücksicht  auf  die  Transpirationsverhältnisse  betrachten, 
so  tritt  uns  die  anscheinend  paradoxe  Thatsache  ent- 
gegen, dass  trotz  der  infolge  der  grossen  Luftfeuchtigkeit 
so  geringen  Gesammttranspiration  und  trotz  des  grossen 
Wassergehaltes  des  Erdbodens,  welche  eine  ununter- 
brochene leichte  Wasserversorgung  ermöglicht,  dennoch 
so  häufig  Einrichtungen  vorhanden  sind,  welche  auf  Trans- 
pirationsschutz im  weitesten  Sinne  des  Wortes  hindeuten. 
Stark  cuticularisirte,  dickwandige  Epidermen,  eingesenkte 
Spaltöfl'nungen,  vor  Allem  aber  die  verschiedenen  Formen 
von  Wasserreservoiren,  wie  typisches  äusseres  Wasser- 
gewebe, Schleimzellen  und  Speichertracheideu  treten  uns 
in  verschiedenen  Combinationen  bei  der  Mehrzahl  der 
untersuchten  Pflanzenarten  entgegen. 

Die  nur  au  den  Meeresküsten  wildwachsende  Cocos- 
palme  wird  von  Schinqier  unter  den  Pflanzen  der  „Bar- 
ringtoniaformatiou"  aufgezählt,   deren  xerophiles  Gepräge 


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Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


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von  dem  genannten  Forscher  nicht  auf  Trockenheit  des 
Standortes,  sondern  auf  den  Salzgehalt  des  Bodens  zurück- 
geführt wird.  Nun  behält  aber  das  Blatt  der  Cocos- 
palme  auch  im  Innern  des  Landes,  im  feuchten  Klima 
von  Buitenzorg,  sein  xerophiles  Gepräge  vollständig  bei, 
wie  aus  dem  anatomischen  Bau  deutlich  hervorgeht.  Seine 
auf  Transpiratiousschutz  abzielenden  Einrichtungen  können 
daher  nicht  bloss  vom  Salzgehalt  des  Bodens  abhängig 
sein.  Bekanntlich  sind  auch  die  Blätter  vieler  anderer 
Palmen,  auch  solcher,  die  auf  feuchten  Standorten  leben, 
mit  derartigen  Schutzeinrichtungen,  namentlich  mit  mehr 
oder  minder  mächtig  ausgebildetem  AYassergewebe  ver- 
sehen. Bei  dieser  (xelegenheit  möge  auch  an  das  meist 
sehr  stark  ausgebildete  Wassergewebe  der  Musaceen, 
Cannaceen,  Zingiberaceen  und  Marantaceen  erinnert  wer- 
den, die  in  der  Regel  andauernd  feuchte  Standorte  bevor- 
zugen. 

Bei  Ficus  elastica  sprechen  die  sehr  stark  verdickten 
und  cuticularisirten  Ausscnwände  der  Epidermis,  das  beider- 
seitige Wassergewebe  und  die  tief  eingesenkten  Spalt- 
öffnungen für  einen  sehr  ausgiebigen  Transpirationsschutz. 
Der  Baum  kommt  in  den  feuchten  Wäldern  Ostindiens, 
am  Fusse  des  östlichen  Himalaja,  in  Assam,  Bnrmah  und 
im  malayischen  Archipel  vor.  Auf  Java  tritt  er  nach 
Junghuhn  besonders  in  den  Wäldern  von  Süd-Bantam 
(Westjava)  vereinzelt  auf. 

Conocephalus  ovatus,  ein  kletternder  Strauch  mit 
sehr  grossen  Blättern,  die  oberseits  ein  mächtiges  Wasser- 
gewebe mit  grossen  Schleimzellen  besitzen,  kommt  in  den 
tiefer  gelegenen  Urwäldern  Westjavas  vor.  H.  begegnete 
ihm  in  der  Waldschlucht  des  Tjiapus  am  Fusse  des 
Salak,  wo  das  ganze  Jahr  hindurch  die  grösste  Feuchtig- 
keit herrscht. 

Das  Blatt  von  Theobroma  Cacao  besitzt  eine  gross- 
zellige  obere  Epidermis  mit  zahlreichen  sehr  grossen 
Schk'imzcllen.  Die  Heimatli  dieses  Strauches  umfasst 
hauptsächlich  die  ausgedehnten,  überaus  feuchten  Wal- 
dungen am  Solimoes  im  Aequatorialgebiet  des  Amazonen- 
stromes. 

Das  sind  allerdings  bloss  einige  Stichproben,  die  sich 
aber  leicht  vermehren  Hessen. 

Die  Mehrzahl  der  kleinen  Unkräuter,  die  H.  im 
Buitenzorger  botanischen  Garten  gefunden  und  untersucht 
hat,  sind  durch  den  Besitz  von  oft  mächtig  entwickeltem 
Wassergewebe  ausgezeichnet.  So  ist  z.  B.  bei  der  kleineu 
Peperomia  exigua  die  obere  Epidermis  als  enorm  gross- 
zelliges Wassergewebe  entwickelt;  das  Assimilationsgewebe 
bildet  eine  einzige  Lage  kurzer  Trichterzellen,  dann 
folgen  zwei  chlorophyllose  Schwammparenchymzelllagen 
und  die  untere  Epidermis  repräsentirt  wieder  ein  gross- 
zelliges  Wassergewebe.  Oxalis  sensitiva,  die  im  Quartier 
der  Kletterpflanzen  häufig  ist,  besitzt  sehr  dünne  Fieder- 
blättchen; die  beiderseitigen  Epidermen,  von  denen  die 
untere  aus  blasig  erweiterten  Zellen  besteht,  sind  aber 
zusanmien  fast  ebenso  dick  wie  das  Assimilationsgewebe. 
Die  kleine  kriechende  Euphorbia  thymifolia  besitzt  in  ihren 
Laubblättern  isolirte  Nester  ans  grossen  Wassergewebs- 
zellen, die  ihrer  Form  und  Lagerung  nach  aus  Schwamm- 
parenchymzellen  hervorgegangen  sind. 

Wie<lerholt  ist  in  den  letzten  Jahren  darauf  hinge- 
wiesen worden,  dass  unter  bestimmten  Verhältnissen  auch 
Pflanzen  nasser  Standorte  ein  „xerophiles  Gepräge"  zeigen 
können.  So  hat  zunächst  Kihlman  in  seinen  anregenden 
„Pflanzenbiologischen  Studien  aus  Russisch-Lappland"  die 
schon  von  Warming  geschilderten  Schutzeinrichtungen  ark- 
tischer Pflanzen  gegen  zu  starke  Transpiration  in  erster 
Linie  mit  der  erschwerten  AVasseraufnahme  aus  dem  kalten 
Boden  der  Tundra  in  Zusammenhang  gebracht.  Die 
gleiche  Beziehung  hat  neuerdings  Goebel  für  die  Vegetation 


der  feuchten,  ja  vielfach  nassen,  von  heftigen  Stürmen 
bestrichenen  Paramos  der  venezolanischen  Anden  geltend 
gemacht.  Der  xerophile  Charakter  der  Mangrovevegetation, 
wie  überhaupt  der  Strandgewächse,  die  vielfach  eine  halb 
aquatische  Lebensweise  führen,  hat  Schiraper  in  über- 
zeugender Weise  mit  dem  Salzgehalt  des  Substrates  in 
Beziehung  gesetzt,  da  ihn  Oulturversuche  gelehrt  hatten, 
dass  Salzanhäufung  in  den  Laubblättern  die  Assimilation 
stark  beeinträchtigt. 

Wie  erklärt  sich  nun  das  so  häufige  Vorkommen 
directer  und  namentlich  indireeter  Schutzeinrichtungen 
gegen  zu  starke  Transpiration  bei  Pflanzen,  die  in  einem 
feuchtwarmen  Tropenklima  zu  Hause  sind?  Wenn  auch 
die  Gesammttranspiration  solcher  Pflanzen  relativ  gering 
ist,  so  erreicht  doch  die  Transpiration  in  den  wenigen 
sonnigen  Vormittagsstunden ,  namentlich  bei  directer 
Insolation,  so  beträchtliche  Werthe,  dass  die  Gefahr  des 
Welkens,  wenn  auch  nicht  des  Austrocknens,  sehr  nahe- 
gerückt wird.  Die  des  Transpirationsschutzes  entbehren- 
den Blätter  der  Acalyphabüsche,  welche  tagtäglich  in  den 
späteren  Vormittagsstunden  welk  werden,  sind  ein  Beweis 
dafür.  Dass  aber  schon  ein  blosses  Welkwerden  der 
Blätter  mit  einem  sehr  beträchtlichen  Nachtheile  für  die 
Pflanze  verbunden  ist,  geht  aus  der  schon  von  Sachs  ge- 
machten Beobachtung  hervor,  die  später  von  Nagamatsz 
experimentell  bestätigt  wurde,  dass  nämlich  welkgewordene 
Blätter  auch  unter  günstigen  äusseren  Assimilationsbedin- 
gungen keine  Stärke  erzeugen.  Ob  diese  Thatsache  schon 
durch  die  Annahme  genügend  erklärt  wird,  dass  sich  die 
Spaltöft'nungcn  welkender  Blätter  schliesscn  und  den  Ein- 
tritt kohlensäurelialtiger  Luft  verhindern,  wie  Sachs  meint, 
oder  ob  die  ungestörte  Function  der  assimilirenden  Zellen 
einen  gewissen  Turgescenzzustand  erfordert,  welcher  auf- 
reclit  erhalten  werden  muss,  wenn  überhaupt  Assimilation 
stattfinden  soll,  —  dies  ist  eine  Frage  für  sich,  die  hier 
nicht  weiter  in  Betracht  kommt.  Da  nun  gerade  jene 
Tagesstunden,  welche  die  Gefahr  einer  zu  starken  Trans- 
piration mit  sich  bringen,  für  eine  ausgiebige  Assimi- 
lationsthätigkeit  weitaus  am  günstigsten  sind,  so  ist  es 
für  die  Pflanze  von  grösster  AVichtigkeit,  dass  in  dieser 
Tageszeit  die  Turgescenz  des  Blattes,  resp.  der  Schliess- 
zellen  des  Spaltöffnungsai)]iarates  und  des  Assimilations- 
gewebes niclit  zu  sehr  sinke.  Dass  zu  diesem  Zwecke 
directe  Schutzeinrichtungen,  welche  die  Transpiration 
herabsetzen,  indem  sie  die  Durchlüftung  erschweren  (Haar- 
bekleidung, eingesenkte  Spaltöffnungen)  nicht  oder  nur  in 
beschränktem  Maasse  zur  Anwendung  gelangen,  erscheint 
begreiflich,  da  ja  die  Gefahr  der  Austrocknuug  nicht 
vorliegt  und  eine  erschwerte  Durchlüftung  auch  die 
Assimilation  beeinträchtigt.  Die  Ausljildung  von  AVasser- 
reservoiren  wird  dagegen  um  so  mehr  am  Platze  sein, 
als  ihre  tägliche  Füllung  in  den  Nachmittags-  und  den 
Nachtstunden,  wenn  die  Transpiration  auf  ein  Älinimum 
herabgesunken  ist,  zugleich  eines  der  Mittel  vorstellt, 
durch  welches  die  von  dem  sehr  bedeutenden  AA'^urzel- 
druck  emporgepresste  AA^assermenge,  -welche  die  Durch- 
lüftungsräume zu  injiciren  droht,  gewissermaassen  be- 
seitigt wird. 

So  erfüllen  das  AVassergewebe,  die  Schleimzellen  und 
Speich(M-trachciden  der  Laubblätter  im  fcucliten  Tropen- 
klinm  eine  doppelte  Aufgabe:  In  den  heissen,  sonnigen 
A^ormittagsstuuden  verhüten  sie  als  AVasserspeicher  das 
die  Assimilation  in  hohem  Grade  beeinträchtigende  AA'elk- 
werden  der  Blätter,  und  Nachts  fungiren  sie  gewisser- 
maassen als  Inundationsgebiet  zur  Aufnahme  des  vom 
Wurzeldruck  in  reichlicher  Blenge  emporgetrieltenen  Was- 
sers. Diese  doppelte  Function  aber  hängt  damit  zusammen, 
dass  die  Transpiration  im  feuchten  Tropenklima  im  Laufe 
eines    ganzen  Tages    eine  viel  ungleichmässigere   ist    als 


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Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


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bei  uns.  Die  Maximal-  und  Miniuialwcrtlie  der  Trans- 
piration, für  die  einzelnen  .Stunden  des  Tages  berechnet, 
liegen  in  jenen  tropischen  ttebieteu  viel  weiter  auseinander, 
als  in  unseren  Gegenden.  Wenn  bei  uns  die  Trans- 
piration in  einer  Tagesstunde  (directe  Insolation  ausge- 
schlossen) durchschnittlich  zwei-  bis  viermal  so  stark  ist 
als  in  einer  Nachtstunde,  so  ergeben  die  oben  mitgetheilteu 
Transpirationsversuclie  zu  Buitenzorg,  dass  in  gleichen 
Zeiten  die  Pflanzen  Vormittags  meist  8 — llmal  so  stark 
trauspirirten  als  Nachmittags  und  während  der  Nacht. 

Zum  Schlüsse  möge  noch  in  Kürze  darauf  hingewiesen 
werden,  wie  sehr  im  tropischen  Urwalde  das  häuflge 
Vorkonnnen  terrestrisch  lebender  Gewächse  mit  Schutz- 
einrichtungen gegen  zu  starke  Transpiration,  vor  Allem 
mit  Wasserspeichern  verschiedener  Art,  den  Uebergang 
zu  epipbytiseher  Lebensweise  erleichtern,  die  Ausbildung 
xerophiler  Epiphyteu  fördern  musste.  Wenn  z.  B.  Ficus 
elastica  oder  Peperomia  exigua  gelegentlich  auch  epiphy- 
tisch  leben,  so  ist  ihnen  dies  möglich,  weil  sie  von  vorn- 
herein schon  einen  Blattbau  besitzen,  der  ihnen  diese  Lebens- 
weise gestattet.  Beim  Uebergang  von  der  terrestrischen 
zur  epiphytischen  Lebensweise  müssen,  wie  Schimpcr  aus- 
einandergesetzt hat,  bereits  gewisse  Vorbedingungen  er- 
füllt sein,  es  müssen  bestimmte  Eigenthünilii-likeiten  der 
Organisation  von  vornherein  schon  vorhanden  sein,  welche 
den  Epipliytisnnis  ermöglichen,  Eigenschaften,  die  dann 
im  Laufe  der  weitereu  Anpassung  eine  beträchtliche 
Steigerung  erfahren  können.  In  Bezug  auf  den  Bau  der 
Vegetationsorgane  gehört  zu  diesen  Vorbedingungen,  so- 
weit es  sich  um  die  Ausbildung  xerophiler  Epiphyteu 
handelt,  in  erster  Linie  das  Vorhandensein  von  Einrich- 
tungen, welche  auf  Transpirationsschutz  im  weitesten  Sinne 
des  Wortes  abzielen.  Diese  Vorbedingung  ist  nun  auch 
im  feuchten  Tropenklima  häutig  genug  erfüllt.  —  Der 
gleiche  Umstand  erleichtert  andererseits  auch  die  An- 
passmig  an  die  Existenzbedingungen,  welche  die  Pflanzen 
auf  dem  salzhaltigen  Boden  des  Meeresstrandes  vorfinden. 


Pflaiizeiicultur-VersHclie  mit  Ze.a  Mays  iiiul  Pisiuii 
sativum  in  verschieden  proceutigen,  wässerigen  Lysol- 
lö.suna;eu  hat  im  Anschluss  an  seine  früheren  Unter- 
suchungen über  die  Einwirkung  des  Lysols  auf  das 
rflanzenwaelisthum  (vergl.  Naturw.  Wochenschr.  Bd.  VIII 
S.  68)  Dr.  E.  ()tto  im  pflanzenphysiologischen  Institut 
der  Kgl.  Landwirthschaftlichen  Hochschule  zu  Berlin  vor 
einiger  Zeit  angestellt.  — Diese  Untersuchungen  bezweckten, 
den  Eiufluss  verschieden  concentrirter,  wässeriger  Lysol- 
lösungen  auf  die  Entwicklung  von  Pflanzen  (Zea  Mays, 
Pisum  sativum)  näher  kennen  zu  lernen,  wenn  die  ur- 
sprünglich in  Wasserculturen  zu  normaler  Entwicklung 
gekommenen  Individuen  in  andere,  sonst  in  ganz  gleicher 
Weise  zusammengesetzte,  nur  hinsichtlich  der  zugesetzten 
Menge  des  Lysols  abweichende  Wasserculturlösungen 
übertragen  wurden.  Indem  bei  diesen  Versuchen  die 
Wurzeln  der  Pflanzen  in  die  verdünnten  wässerigen  Lysol- 
lösungen direet  eintauchten,  musste  sich  eine  event.  Ein- 
wirkung der  betrett'enden  Lysollösung  auf  die  Wurzeln 
und  hiermit  im  Zusammenhänge  stehend,  auch  auf  den 
oberirdischen  Theil  der  Pflanze  bemerkbar  machen.  Alle 
übrigen  Factoren,  mit  Ausnahme  des  Lysols,  waren  in 
den  einzelnen  Versuchsreihen  die  gleichen:  ebenso  fehlten 
den  Pflanzen  weder  die  ncithigen  mineralischen  Nährstoffe, 
noch  irgend  ein  anderer  zu  normaler  Entwicklung  uner- 
lässlieher  Factor.  Die  Concentration  der  Lysollösungen 
war  bei  einigen  Versuchen  folgende:  No.  I:  ö^/q  Lysol- 
lösung (d.  h.  auf  je  100  ccm  Wasser  der  Culturlösung 
waren  5  ccm  conc.  Lysol  zugesetzt,    so   dass  sich  in  3  1 


Flüssigkeit  neben  150  ccm  einer  NornuilnährstoÜlösung 
150  ccm  conc.  Lysol  befamlen),  No.  11:  2,5"/(),  No.  III: 
1,0  «/o,  No.  IV:  0,5 7o,  No.  V:  0,1%  No.  VI:  lysoifreie 
Controlcultur.  Die  Versuehsanstellung  im  Einzelnen  und 
gemacliten  Beobachtungen  sind  im  Original  (Zeitschrift 
für  Pflanzenkrankheiten  Bd.  II  S.  198  u.  flg.)  eingeiicnil 
beschrieben.  Alle  Versuche  zeigten  deutlich,  dass  das 
Lysol  ein  starkes  Gift  für  Pflanzen  ist,  deren  Wurzeln 
nach  Art  der  Wasserculturen  mit  diesem  Körper 
in  directe  Berührung  konnuen,  und  zwar  steht  diese  Gitt- 
wirkung  auf  die  Pflanzen  in  einem  directen  V'erhältniss 
zu  der  Menge  des  vorhandenen  Lysols  im  Culturgefäss. 
—  Selbst  bei  denjenigen  Pflanzen,  welche  sich  schon 
längere  Zeit  ganz  normal  entwickelt  und  den  Jugend- 
zustand längst  überwunden  haben,  macht  sich  sehr  l)al(l 
eine  Schädigung,  herbeigeführt  durch  die  Anwesenheit 
von  mehr  oder  weniger  grossen  Quantitäten  Lysol  in  der 
Culturlösung  bemerkbar.  x. 


lieber  den  Einfluss  der  Phospliat-Ernäiirung  auf 
das  Waclistlium  und  die  Organbildung  der  Pflanzen 

sprach  der  Privatdocent  Dr.  NoU  im  Bonner  Gartenljau- 
Verein.  Wie  wichtig  Phosphate  für  das  Gedeihen  der 
Pflanzen  und  die  Ergiebigkeit  ihres  Ertrages  sind,  das 
hat  die  gärtnerische  und  landwirthschaftliche  Praxis  schon 
genugsam  erfahren,  und  es  gehört  zu  den  bestbegründeten 
Grundsätzen  bei  der  Düngung,  dem  ausgebeuteten  Boden 
Phosphate,  sowohl  in  thierischen  Abfallstoft'en  als  in 
Mineralien  zuzuführen.  In  der  That  gehören  Phosphate 
zu  den  nothwendigsten  Bestandtheileu  einer  lebenden 
Pflanze,  und  sie  können  in  jeder  Pflanze  nachgewiesen 
werden.  Man  darf  aus  einem  solchen  Nachweis  allein 
freilich  keine  Schlüsse  für  ihre  Nothwendigkeit  ziehen. 
Nicht  alle  Bestandtheile  nämlich,  welche  eine  Pflanze  ent- 
hält, sind  zu  ihrem  Gedeihen  durchaus  erforderlich.  So  ist 
es  gelungen.  Pflanzen,  welche  sich  durch  einen  hohen 
Kieselsäuregehalt  auszuzeichnen  pflegen,  (wie  manche 
Gräser),  ganz  ohne  Kieselsäure  zur  vollen  Ausbildung  und 
Samenreife  zu  bringen.  Das,  was  diesen  künstlich  gezüch- 
teten Pflanzen  freilich  fehlt,  ist  die  grosse  Festigkeit  ihrer 
naturwüchsigen  Schwestern.  Im  Gegensatz  zu  dem 
grossen  Gehalt  an  Kieselsäure  ist  der  Gehalt  an  Eisen 
oft  verschwindend  klein,  und  doch  spielt  dieser  höchst 
geringe  Eisengehalt  eine  so  äusserst  wichtige  Rolle,  dass 
er  der  Pflanze  geradezu  unentbehrlich  ist.  Ohne  Eisen 
ergrünen  die  Blätter  nicht,  sie  bleiben  weisslich  fahl  und 
sind  nicht  im  Stande,  ihre  Ernährungsthätigkeit  auszuüben. 
Das  zeigt  sich  sofort,  wenn  man  Pflanzen  künstlich  in 
absolut  eisenfreien  Nährsalzlösungen  aufzieht. 

Will  man  über  die  Rolle  Aufschi uss  erhalten,  welche 
den  Phosphaten  in  der  Pflanze  zufällt,  so  muss  man  auch 
hier  von  Pflanzen  ausgehen,  welche  in  absolut  phosjjliat- 
freiem  Substrat  sich  entwickeln,  und  diese  vergleichen 
mit  anderen  Pflanzen,  welche  sonst  den  gleichen  Bedin- 
gungen ausgesetzt  waren,  die  als  einzige  Abweichung 
von  den  anderen  aber  Phosphat  eriialteu  haben.  Der 
Vortragende  hat  zwei  Sonmier  hindurch  derartige  ver- 
gleichende Culturen  durchgeführt  und  berichtete  über 
die  äusseren  Erfolge  derselben.  Die  anatomisch-histolo- 
gischen  Ergebnisse  der  Untersuchung  werden  seiner  Zeit 
in  Fachzeitschriften  publicirt  werden. 

Die  Versuche  selbst  erfordern  grosse  Sorgfalt  und 
Reinlichkeit;  es  muss  mit  cheunsch-reinen  Substanzen  ge- 
arbeitet werden,  denn  auch  Spuren  von  Phosphaten 
können  das  Resultat  noch  merklich  beeinflussen.  Das 
käufliche  destillirte  Wasser  enthält  immer  noch  so  viel, 
um  kleinen  Algen  und  Pilzen  das  normale  Wachsthum  zu 


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Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


■    Nr.  18. 


ermöglichen;  es  musste  deshalb  unter  besonderen  Maass- 
regeln wiederholt  destillirt  werden.  Trotz  alledem  nuiss 
aber  bei  dem  Versuchsergebuiss  noch  mit  einem  Quantum 
verfügbaren  Phosphats  gerechnet  werden;  es  ist  das  die 
Menge,  welche  die  Versnchspflanze  bei  Beginn  des  Ver- 
suches schon  in  sich  aufgespeichert  enthält.  Will  man 
aber  Pflanzen  ziehen,  so  muss  man  von  vorhandenen 
Theilen  derselben  ausgehen,  man  muss  mit  Samen  oder 
kleinen  Stecklingen,  Wurzelstüekeu,  Blattstücken  u.  A. 
den  Anfang  machen.  In  jedem  dieser  Theile  ist  aber 
mehr  Phosphat  enthalten,  als  zur  eigenen  Ausbildung 
nöthig  war.  Erst  wenn  dieser  innere  Phosphatvorrath 
verbraucht  ist,  beginnt  der  Versuch  interessant  und  be- 
weisend zu  werden.  —  Es  folgt  daraus,  dass  man  von  mög- 
lichst kleineu  Theilchen  ausgehen  muss,  und  daraus 
wieder  ergiebt  sich  die  Wahl  der  Versuchspflanzen.  Diese 
müssen  aus  sehr  kleineu  Samen  und  Bruchstücken  leicht 
zu  ziehen  sein  uud  sich  dabei  so  rasch  vergrössern,  dass 
der  mitgebrachte  Phosphor-Proviant  bald  aufgezehrt  ist. 
Diese  Bedingungen  erfüllen  vorzüglich  die  Tradeseantien, 
besonders  die  Tradescantia  Selloi,  die  bekannte  Zimmer- 
Hängepflauze,  welche  aus  zwei  Millimeter  langen  Blatt- 
knoteu  leicht  zu  kräftigen  Pflanzen  heranwächst.  Unter 
Anderen  wurde  auch  eine  Pflanze  viel  zu  Versuchen  be- 
nutzt, auf  welche  die  lieilige  Sciirift  mit  dem  bekannten 
Gleichniss  vom  Senfkorn  hinweist. 

Bei  dem  Austreiben  der  neuen  Pflänzchen  macht  sich 
zmiächst  kein  Unterschied  zwischen  denen  in  phosphat- 
freier und  denen  in  phosphathaltiger  Unterlage  bemerkbar. 
Erstere  zeigen  oft  sogar  eine  raschere  uud  bessere  Ent- 
wicklung. Dann  aber  ändert  sich  die  Sachlage  rasch  und 
dauernd  zu  Gunsten  der  letzteren.  Während  sich  die 
Phosphatpflanzen  nun  ungemein  rasch  und  kräftig  ent- 
wickeln, ein  Blatt  nach  dem  andern  neu  entfalten  und 
aus  allen  Blattachseln  neue  Seitentriebe  hervorsjnlessen 
lassen,  die  ihrerseits  weitere  Verzweigungen  bilden,  bleiben 
die  Pflänzchen  ohne  Phosphat  nun  auf  einmal  in  der  Ent- 
wicklung völlig  stehen.  Zu  der  Zeit,  wo  aus  den  milli- 
metergrossen  S^eitenknöspchen  der  Tradescantia  bei  Phos- 
phatnahrung mächtige  Pflanzen  herangewachsen  sind,  mit 
Hunderten  von  Blättern  und  Dutzenden  von  Seitenzweigen, 
welche  einen  kleinen  Tisch  völlig  überdecken,  sind 
aus  den  gleichen  Knospen,  denen  alle  sonstigen  Nähr- 
stoffe in  reichstem  Maasse  zu  (Tcbot  standen,  denen  nur 
das  Phosphat  fehlte,  kümmerliche  Pflänzchen,  sämmtlich 
mit  5  bis  6  kleinen  Blättcheu,  entstanden.  Monate  lang 
kann  man  diese  weiter  pflegen,  es  bildet  sich  auch  nicht  ein 
einziges  weiteres  Blatt,  es  zeigt  sich  kein  einziger  Seiten- 
spross.  Die  einzige  wahrnehmbare  Veränderung  besteht 
darin,  dass  die  wenigen  Blättchen  dick  und  hart  werden, 
wie  die  der  sogenannten  Fettpflanzen.  Was  hier  für  unsere 
Zimmer-Tradescantia  näher  geschildert  ist,  das  bildet  das 
Hauptmerkmal  für  alle  phosphatfrei  erzogenen  Versuchs- 
pflänzchen.  Das  Wachsthum  der  Pflanze  gelangt,  nach- 
dem das  verfügbare  Phosphat  aufgebraucht  ist,  völlig 
zum  Stillstand.  Die  Pflanze  kann  ihre  Lebensfähigkeit 
dabei  laug  behalten,  es  wird  aber  nicht  ein  einziges  Blatt, 
nicht  ein  einziger  Seitenast,  nicht  eine  einzige  Wurzel- 
faser neu  gebildet.  Die  Folgen  des  Phosphatmangels  unter- 
scheiden sich  dadurch  ganz  wesentlich  von  den  erwähnten 
Folgen  des  Eisenmangels.  Bei  Eisenmangel  werden  doch 
innnerhin  nocii  neue  Organe  erzeugt,  wenn  auch  in  krank- 
hafter Beschaffenheit.  Bei  Phospliatmangel  werden  da- 
gegen überhaupt  keine  neuen  Theile  mehr  entwickelt. 
Es  ist  die,  an  den  Spitzen  der  Zweige,  in  den  Knospen 
und  an  den  Wurze]s])itzen  vorzüglich  angesammelte  leben- 
dige Substanz  des  Pflanzenkörpers,  im  jugendliehen  Zu- 
stande der  Drganbildung,  welche  des  Phosphors  zu  ihrer 
Vermehrung  und  zu  ihrer  Thätigkeit  durchaus  bedarf.  — 


Dass  es  lediglich  Phosphatmangel  ist,  welcher  die  künnner- 
lichen  Versuchspflänzchen  nicht  zu  weiterer  Entwicklung 
kommen  lässt,  das  erfährt  man  sofort,  wenn  man  diesen 
Pflänzchen  nur  eine  Messerspitze  phosphorsauren  Kalks 
zu  ihrer  bisherigen  Nahrung  zugiebt.  Wie  mit  einem 
Zauberschlag  kommt  dann  neues  Leben  in  den  Kümmer- 
ling; schon  nach  wenigen  Tagen  zeigen  sich  neue  Blätt- 
chen au  dem  Gipfel  und  aus  jeder  Blattachsel  schieben 
sich  die  zarten  Spitzchen  neuer  Seitentriebe  hervor,  die 
sich  alle  kräftig  entfalten.  In  einigen  Wochen  ist  dann 
eine  Pflanze  herangewachsen,  wie  sie  sonst  nur  in  der 
fruchtbarsten  Humuserde  sich  entwickelt. 

Die  Sprache,  welche  diese  Versuchsergebnisse  reden, 
ist  so  verständlich  und  überzeugend,  dass  es  überflussig 
erscheint,  die  Nutz-Anwendung  für  die  Praxis  noch  ein- 
mal in  Worte  zu  fassen.  Nur  das  glaubte  der  Vortragende 
hervorheben  zu  müssen,  dass  ein  Zuviel  auch  bei  Phos- 
phaten geradezu  schädlich  wirkt.  Er  rieth  deshalb  an, 
nicht  etwa  leicht  lösliche  Phosphate,  wie  z.  B.  das  phos- 
phorsaure Kali,  sondern  weniger  lösliche  Salze,  wie  den 
reinen  phosphorsauren  Kalk,  anzuwenden  und  diesen  in 
Pulverform  gleichmässig  unter  die  Erde  oder  den  Sand 
zu  mengen,  eine  Messerspitze  voll  auf  den  mittelgrossen 
Blumentopf.  Von  diesem  Phosphatpulver  löst  sich  beim 
Begiessen  des  Topfes  immer  nur  wenig  auf,  etwa  soviel 
wie  die  Pflanzen  gebrauchen  und  nicht  mehr  als  ihnen 
zuträglich  ist. 

Bei  der  geschilderten  eigenartigen  Wirkung  des  Phos- 
phats auf  die  Neubildung  von  Organen,  empflehlt  N.  eine 
solche  Anwendung  des  Kalkphosphates  den  Gärtnern  be- 
sonders in  ihren  Vermehrungskästen,  wo  es  ja  gerade  auf 
die  Erzielung  von  Neubildungen  abgesehen  ist.  Eigene 
vorläufige  Versuche  lassen  das  aussichtsvoll  erscheinen, 
denn  von  zwei  gleichen  Abschnitten  eines  Begonia-Blattes 
erzeugte  der  auf  phosphathaltiger  Unterlage  liegende  etwa 
sechsmal  soviel  Pflänzchen  als  der  andere  auf  phosphat- 
freier Unterlage.  x. 


Eiueu  Laboratorinnisapparat  zur  Ausfülirung  von 
Destillationen    mit    überhitzten    Wasserdänipfen    hat 

B.  Jaffe  (Deutsch.  Ghem.  Ges.  Ber.  26,  123)  angegeben, 
der  sich  ebenso  durch  leichte  Herstellbarkeit  wie  durch 
gutes  Functioniren  auszeichnet.  Durch  den  Tubulus  einer 
tubulirten  Retorte,  deren  Hals  mit  einer  Reihe  von  Gon- 
densationsvorlagen  in  Verbindung  steht,  wird  ausser  dem 
Thermometer  ein  offenes  3  — 4  mm  weites,  knieförmig  ge- 
bogenes Kupferrohr  geführt  und  mittelst  eines  durchbohrten 
runden  Stückes  Asbestpappe  befestigt,  worauf  der  Tubulus 
durch  Lehm  lutirt  wird.  Während  das  untere  Ende  dieses 
Kupferrohrs  bis  auf  oder  unter  den  Spiegel  der  zu  destil- 
lirenden  Flüssigkeit  geführt  wird,  wird  vor  das  obere 
Ende  ein  gewöhnlicher  Bunsenbrenner  gestellt.  Wird  nun 
die  letzte  der  Condensationsvorlagen  mit  einer  Saugpumpe 
in  Verbindung  und  diese  in  Gang  gesetzt,  so  werden  die 
Verbrennungsproducte  des  Gases,  vermischt  mit  atmo- 
sphärischer Luft,  eingesogen  uud  die  darin  vorhandene 
reichliche  Menge  überhitzten  Wasserdampfes  bewirkt  die 
Destillation,  wobei  die  Temperatur  einerseits  durch  die 
Stärke  des  Wasserstrahls  in  der  Luftpumpe,  andererseits 
durch  die  Höhe  der  Gasflamme  oder  die  Länge  des  Zu- 
leitungsrohres  leicht  regulirt  werden  kann.  Für  Fälle, 
wo  es  auf  Reinheit  des  Wasserdampfes  ankommt,  ist  der 
Brenner  mit  Wasserstoffgas  zu  speisen.  Sp. 


Nr.  18. 


Naturwissenscliaftliche  WocheTischrift. 


183 


Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben. 

Es  wurden  ernannt:  Der  Biologe,  Oberlehrer  Dr.  Arthur 
Krause  zum  Kgl.  Professor.  —  Unser  Mitarbeiter,  der  Astronom 
Dr.  Felix  Körber,  zum  Kgl.  Oberlehrer;  er  hat  seine  Stellung 
als  Astronom  am  wissenschaftlichen  Theater  Urania  ni  Berlin 
aufgegeben.  —  Dr.  Arlt  zum  Director  der  noubcgründeten  An- 
stalt für  Epileptiker  der  Provinz  Sachsen.  —  Unser  Mitarbeiter, 
der  Privatdocent  an  der  Universität  Halle  a.  d.  S.  Dr.  Fritz 
Frech  zum  ausserordentlichen  Professor  für  Geologie  und  Palaeon- 
tologie  an  der  Universität  Breslau.  —  Zum  Director  der  Univer- 
sitäts-Bibliothrk  in  Königsberg  i.  Pr.  Dr.  phil.  Paul  Schwenke. 
-^  Zum  Supplenten  des  ordentlichen  Professors  der  Botanik  m 
Parma  der  Privatdocent  Dr.  J.  B.  de  Toni.  —  Dr.  P.  Lach- 
mann zum  Doeenten  der  Botanik  an  der  Faculte  des  sciences  in 

Greuoble.  r^     -.tt     ^^ 

Es  sind  gestorben:  Der  Algeukenner  Pastor  T.  Wolle  in 
Bethlehem  in  Pennsvlvanieu.  -  Die  Floristen  Dr.  L.  Parkas 
V  u  k  o  t  i  n  0  v  i  c  in  Agram  und  Dr.  George  V  a  s  e  y  in  Washington. 
—  Louis  Faserat,  Conservator  am  Bot.  Museum  in  Lausanne.  — 
Der  Prof.  der  Anatomie  in  Berlin,  Geh  Medicinal-Rath  Dr.  Robert 
H  artmann. 

L  i  1 1  e  r  a  t  u  r. 

Die  menschliche  Stimme  nach  Charles  Lunn's  „Philosophy  of 
voice".  Unter  Anleitung  des  Verf.  bearbeitet  uiul  ins  Deutsche 
übertragen  von  L u  d  w  i g  J.  T  r  ü  g.  Komm. -Verlag  von  L.  Schwann. 
Düsseldorf  1892.  —  Preis  2  M. 

Das  vorliegende  Schriftchen  des  als  Gesanglehrer  wirkenden 
Verfassers  in  Birmingham  ist  in  England  gut  eingeführt.  Der  ver- 
storbene Halsarzt  Maekenzie,  sagte  einmal:  Die  von  Lunn  gelehrten 
Principien  sind  der  Praxis  grosser  Sänger  entnommen ,  und  letztere 
hiewiederum  waren  die  Erben  jener  Tradition,  welche  Italien  zu 
einer  Wiege  und  Pflanzschule  der  Sangeskunst  gemacht  hat.  Lunn 
ist  in  dem  vorliegenden  Schriftchen  bemüht,  die  Naturgemässheit 
der  alten  italienischen  Methode  zu  erweisen.  Für  uns  hat  sie 
insofern  Interesse,  als  auch  der  Redner  aus  ihr  Nutzen  ziehen  kann 


Dr.   Henri    Sicard,    L'evolution  sexuelle    de  l'espece  humaine. 

Av.  94  lig.    iiitorc.  dans   le  texte.     J.  B.  Bailliere  et  tils.     Paris 

1892.  —  Prix  3,ü0  frcs. 

Der  Verf.,  Doyen  de  la  faculte  des  sciences  de  Paris,  geht 
zunächst,  um  auch  bei  dem  Laien  volles  Verständniss  für  sein 
eigentliches  interessantes  Thema  zu  erwecken,  nach  einer  Einlei- 
tung auf  den  Ursprung  der  Organismen  ein.  Da  der  Titel  des 
Buches  zwei  Deutungen  bezüglich  seines  Inhaltes  zulässt,  wollen 
wir  in  aller  Kürze  die  von  dem  Verfasser  als  Hauptresultate  be- 
trachteten Sätze  anführen.  —  Die  geschlechtliche  Entwicklung 
des  Menschen  zeigt,  dass  die  Ditferenciruug  der  (iesclilechter  in 
Beziehung  steht  zu  der  hohen  Stufe,  welche  er  in  der  Reihe  der 
organischen  Wesen  einnimmt.  Vermöge  div  natürlichen  Zucht- 
wahl, welche  mehr  und  mehr  secundäre  Sexual-Charaktere  auszu- 
bilden strebt,  nimmt  die  Dift'erencirung  zu.  Je  verschiedener  die 
Geschlechter  sind,  eine  um  so  höhere  Stellung  nehmen  also  die 
Organismen  ein.  Mit  der  Verschiedenheit  in  der  Organisation 
beider  Geschlechter  steht  die  Verschiedenheit  in  der  socialen 
Stellung  beider  durchaus  in  Einklang,  sodass  demnach  alles  das, 
was  geeignet  ist,  die  diflerenten  Merkmale  auszugleichen  „est 
en  Opposition  avec  les  donnees   de  la  science  biülogi(|ue". 


Grabers  Leitfaden  der  Zoologie  für  die  oberen  Classen  der 
Mittelschulen.  2.  verbesserte  Aufl.  bearbeitet  von  Dr.  Vitus 
Graber,  nach  dessen  Tode  besorgt  von  J.  Mik.  Mit  381  Ab- 
bildungen in  Schwarzdruek,  102  farbigen  Abbildungen  und  fünf 
Farbendnicktafeln.  F.  Tempsky  &  G.  Freytag  in  Prag,  Wien 
und  Leipzig  1892.  —  Preis  1  fl.  60  kr. 

Grabers  Leitfaden  ist  das  beste  zoologische  Schulbuch,  das 
Referent  jemals  in  die  Hände  bekommen  hat.  Der  Fachmann 
weiss  ja,  wie  beschämend  traurig  es  um  einen  grossen  Theil  un- 
serer naturwissenschaftlichen  SchuUitteratur  bestellt  ist,  die  eines- 
theils  vielfach  der  Feder  ganz  unberufener  und  das  Gebiet  nicht 
genügend  beherrschender  "Autoren  entstammt,  anderentlieils  zwar 
von  kenntnissreichen  Fachleuten  verfasst  ist,  die  aber  dann  nur 
gar  zu  oft  höchst  oberflächliche  und  flüchtige  Arbeiten  geliefert 
haben.  Vitus  Gralx'r.  der  leider  zu  früh  verstorbene,  treffliche 
Zoologe,  hat  sich  dem  entgegen  mit  Liebe  in  seinen  Gegenstand 
vertieft:  er  bietet  in  geschicktester  Auswahl  für  die  Schule  das 
Beste  was  er  hat,  und  seine  Arbeit  ist  mit  Fleiss  und  Ordnung 
zusammengestellt.  Die  ausgezeichneten  zahlreichen  Abbildungen, 
eine  Karte  der  Thier-Regionen  und  Subregionen,  die  zusammen 
mit  den  bunten  Abbildungen  zu  einem  dem  Buche  beigegebenen 
Atlas    zusammengeheftet    sind,    berücksichtigen    vorwiegend    die 


anatomischen  Verhältnisse,  während  Habitus-Abbildungen  nament- 
lich der  allgemeiner  bekannten  Thiere  wesentlich  zurücktreten. 
Möchte  das  Buch  die  grösste  Verbreitung  finden,  nicht  nur  in 
der  Schule,  sondern  auch  bei  denjenigen,  die  sich  autodidactisch 
ernster  mit  Zoologie  zu  beschäftigen  wünschen.  Der  Bau  des 
Menschen  hat  in   bevorzugter  Weise  Berücksichtigung  gefunden. 

Dr.  Hermann  Fürst,  Deutschlands  nützliche  und  schädliche 
Vögel.  Zu  Unterrichtszwecken  und  für  Landwirthe,  Forstleute, 
Jäger  und  Gärtner,  sowie  alle  Naturfreunde  dargestellt  auf 
zweiunddreissig  Farbendrucktafeln  nebst  erläuterndem  Text. 
Unter  Mitwirkung  eines  Zoologen.  Lieferung  1.  Berlin  1893. 
Verlag  von  PaulParey.     Preis  der  Lief.  3  M. 

Wenn  der  Herr  Aut"or,  Kgl.  Oberforstrath  und  Director  der 
Forstlehranstalt  zu  Aschaft'enburg.  in  dem  Prospect  zu  obigem 
Werk  mit  den  Worten  beginnt:  „Wirklich  gute  Abbildungen  un- 
serer nützlichen  und  sidiädlicdien  Vögel  in  grösserem  Maassstab 
gali  es  bis  jetzt  nicht,"  so  kann  ich  dem  nicht  beistimmen.  Die 
vom  Deutschen  Verein  zum  Schutz  der  Vogelwelt  herausgegebenen 
beiden  Wandtafeln  sind  entschieden  als  gut  und  wohlgelungen 
zu  bezeichnen.  Das  Format  mag  für  manche  Zwecke  weniger 
bequem  sein  als  die  kleineren  Fürst'schen  Tafeln.  Ausserdem 
enthalten  die  genannten  Wandtafeln  meines  Wissens  nur  nütz- 
liche, nicht  aber  schädliche  Arten  und  endlich  eben  nur  die  Vögel 
selbst,  wogegen  Fürst  auch  Darstellungen  der  Eier,  sowie  mancher 
Nester  giebt.  Das  vorliegende  erste  Heft  enthält  Meisen,  Würger 
und  Drosseln  in  zum  Theil  wirklich  guter  Wiedergabe.  Der 
Maasstab  ist  freilich  bei  manchen  Arten  „grösser",  nämlich  grösser 
als  in  der  Natur,  wovon  man  sich  durch  Messen  leicht  überzeugen 
kann.  Bezüglich  der  Auswahl  der  abgebildeten  Arten  ist  zu  be- 
merken, dass  vielleicht  der  weissrückige  Specht  und  der  Würg- 
falke hätten  fehlen  können,  dass  dagegen  eine  Darstellung  des 
Wasserstaares,  der  für  die  Fischerei  resp.  Fischzucht  von  Inter- 
esse ist,  sehr  am  Platze  gewesen  wäre.  Dass  nur  zwei  Gras- 
mücken-Arten erscheinen  werden  und  (scheinbar)  nur  ein  Laub- 
sänger, ist  bedauerlich.  Das  Steppenhuhn  kann  als  nützlicher 
Vogel  nicht  angesprochen  werden,  von  Schaden  kann  um  so  mehr 
keine  Rede  sein,  als  dieser  Fremdling  nur  in  Zwischenräumen  von 
Jahrzehnten  einmal  bei  uns  auftaucht.  Bei  Rosenstaar,  Seiden- 
schwanz, Tannenheher,  Schnee-Ammer,  Rothfussfalk,  Zwergohr- 
Eule  und  Speriings-Eule  wird  man  ebenfalls  kaum  von  Nutzen 
oder  Schaden  reden  können.  Der  äusserst  schädliche  Cormoran 
dagegen,  dem  auf  jede  mögliche  Weise  nachgestellt  wird,  fehlt. 
Sumpf-  und  Wasservögel  kommen  überhaupt  sehr  schlecht  weg. 
Die  Lachmöve  ist  beispielsweise  ausserordentlich  nützlich,  doch 
finden  wir  sie  nicht  abgebildet.  Der  „tüchtige  Zoologe'',  welcher 
als  Mitwirkender  angeführt  wird,  jedoch  ....  zu  bescheiden  ist, 
seineu  Namen  zu  nennen,  hätte  wohl  diese  Mängel  bemerken 
können.  Das  ganze  Werk  würde  dadurch  eine  Abrundung  er- 
langt haben,  welche  seiner  Brauchbarkeit  wesentlich  zu  Gute  ge- 
kommen wäre.  Vielleicht  Hesse  sich  noch  eine  oder  zwei  Tafeln 
hinzufügen,  für  welche  ich  als  Darstellungsobjecte  vorschlagen 
möchte:  Fischreiher,  Cormoran,  Säger,  Lachmöve. 

Dr.  Ernst  Schaff. 

1.  F.  0.  Pilling,  Lehrgang  des  botanischen  Unterrichts  auf 
der  unteren  Stufe. 

2.  Müller  und  Pilling,  Deutsche  Schulflora  zum  Gebrauch  für 
die  Schule  und  zum  Selbstunterricht.  1.  Thi'il.  —  No.  1.  Preis 
1,2.3  Mk.,  No.  2  Preis  4,20  Mk.  Verlag  von  Th.  Hofl'mann 
in  Gera. 

Der  Lehrgang  Pilling's,  Professors  am  Friedrichsgymnasium 
in  Altenburg,  trägt  auf  dem  Titelblatt  die  Bemerkung  ,.nnter 
methodischer  Verwendung  der  48.  Pflanzenbilder  des  ersten  Theils 
der  ...Deutschen  Schulfl'ora'",  deshalb  führen  wir  hier  beide 
Schriften  zusammen  an.  Die  in  der  „Schulflora"  gut  in  Buntdruck 
zur  Darstellung  gebrachten  und  gut  ausgewählten  Arten  werden  im 
„Lehrgang"  nach  einer  kurzen  Auseinandersetzung  zur  Methode 
des  Unterrichts  einzeln  besprochen.  Am  Schluss  des  Buches 
wird  ein  durch  Holzschnitte  illustrirter  Anhang  mit  Wieder- 
holungsfragen über  die  Hauptorgane  der  Blüthenpflanzen  geboten.— 
Ein  gewöhnlicher  Holzstanim  zerfällt  nicht  in  Mark ,  Holzkörper, 
Splint,  Bast,  Rinde  und  Borke  (S.  113)  sondern  in  Mark,  Holz- 
körper (dieser  zerfällt  in  Kernholz  und  Splint),  Cambium  (.Ver- 
dickungsring)  und  Rinde  und  erst  die  letztere  in  Bast  und  Borke. 
Die  zu  dieser  Erläuterung  gehörige  Figur  ist  leider  ebenfalls 
unklar. 

Dr.  Heinrich  Samter,  Der  hohe  Sonnblick.  Die  höchste  meteoro- 
logische Station.  Sammlung  populärer  Schriften  herausgegeben 
von  der  Gesellschaft  ITrauia  zu  Berlin.  No.  11.  Verlag  von 
Hermann  Paetel.     Berlin   18'.l2.  —  Preis  0,60  Mk. 

Im  vorliegenden  Schriftchen  wird  nicht  nur  eine  von  zahl- 
reichen Abbildungen  begleitete  ausführliche  Beschreibung  der 
wissenschaftlichen  Hochwarte   unserer   deutschen  Alpenläuder  ge 


184 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  18. 


geben,  sondern  es  werden  auch  die  wichtigsten  Forschungen  be- 
sprochen, welche  bis  jetzt  an  dieser  Stätte  eine  wesentliche 
Förderung  erfahren  haben.  Namentlich  Pernter,  Elster  und  Geitel 
haben  wichtige  Fragen  der  Physik  der  Atmosphäre  durch  Beob- 
achtungsreihen auf  den  Sounblick  zur  Entscheidung  gebracht, 
worüber  Sauiters]  Schrift  leicht  verständliche  Auskunft  ertheilt. 
Hoffentlich  trägt  die  Broschüre  dazu  bei,  das  Interesse  für  die 
hohe  Warte  in  etwas  weiteren  Kreisen  zu  beleben  und  dem  Privat- 
unternehmen, um  dessen  Gründung  neben  Herrn  J.  Eojacher  vor 
Allem  der  D.  Oe.  Alpenverein  sich  grosse  Verdienste  erworben, 
neue  Spenden  von  Seiten  wissenschaftlicher  Gönner  zuzuführen, 
damit  der  Fortbestand  desselben  gesichert  werde.  Kbr. 

Annales  de  la  Sociöte  Entomologique  de  France.  Paris  1892. 
Das  3.  Heft  des  61.  Bandes  enthält  folgende  Abhandlungen: 
J.  M.  F.  Bigot:  Neue  oder  wenig  bekannte  Dipteren.  4G.  Ab- 
handlung, Bombilidi,  Bigot;  1.  Abtheilung.  F.  Meunier:  Ueber- 
sieht  über  die  Dolichopodiden- Gattungen  des  Bernsteins  nach  dem 
bibliographischen  Catalog  der  fossilen  Dipteren  dieses  Harzes. 
Adrien  Dolfuss:  AUuand's  Reise  im  Arrinie-Gebiet  (Ostafrika) 
während  der  Monate  Juli  und  August  1886.  1*2.  Abhandlung. 
Die  auf  dem  Lande  lebenden  Isopoden.  1  Tafel.  O.  M.  Reuter: 
E.  Simon's  Reise  in  Venezuela  während  der  Monate  December  1887 
bis  April  1888.  20.  Aufsatz.  Die  Hemiptera  heteroptera;  1.  Theil^ 
Caprides.  Fleutiaux:  Notiz  über  die  Phyrodactylini  (Elateriden) 
1  Tafel.  Die  drei  letzten  Abhandlungen  enthalten  Beschreibungen 
neuer  Gattungen  und  Arten  der  genannten  Gruppen  Maurice 
Pic:    Delagranges    Reise    in    Hoch-Syrien   während     des    Jahres 

1891.  Beschreibung  der  von  dem  Reisenden  gesammelten  Longi- 
cornier.  —   Berichte    über    die   Sitzungen   im   Mai  und  Juni  1892. 

F.  K. 

The  Transactions  of  the  Entomological  Society  of  London. 

1892.  3.  Theil.  —  David  Sharp:  Ueber  einige  Hemipteren- 
Eier.  2  Tafeln.  Butler  und  Rothschild:  Ueber  eine  neue 
und  eine  andere,  wenig  bekannte  Art  von  Pseudaeraea  aus  der 
Rothschild'schen  Sammlung.  1.  Tafel.  Bateron:  Ueber  die  Ver- 
änderlichkeit der  Farben  an  den  Cocons,  Puppen  und  Larven. 
Neue  Versuche.  Der  Verfasser  hat  Versuche  angestellt  über  den 
Ursprung  der  hellen  Farben  an  den  gewöhnlich  dunkeln  Cocons 
von  Eriogastes  lanestris  und  Saturnia  carpini,  über  die  Ursachen 
der  Farben  und  des  metallischen  Glanzes  der  Puppen  von  Vanessa 
urticae,  sowie  der  Farben  der  Larven  von  Amphydarys  betularia. 
Lilian  Gould:  Ueber  Versuche,  welche  während  der  Jahre  1890 
und  91  angestellt  wurden  über  die  Beziehungen  zwischen  den 
Farben  gewisser  Lepidopteren-Larven  und  ihrer  Umgebung.  Beob- 
achtungen an  Raupen.  Die  Versuche  haben  sich  auf  Raupen  von 
Rumia  crataegata,  Catocala  nupta  und  fraxini  und  Mamestra 
brassicae  erstreckt.  An  denjenigen  der  ersten  Art  wurden  eigen- 
thümliche  Gepflogenheiten  beobachtet,  die  vielleicht  auf  das  Be- 
streben der  Sicherung  zurückzuführen  sind.  Untersuchungen 
wurden  ferner  angestellt  über  den  Ursprung  und  die  Entwicklung 
der  rothen  Flecke  der  Smerinthus  -  Raupen,  sowie  darüber, 
wie  weit  auffallende  Farben  die  Raupen  vor  Vögeln  schützen. 
Lionel  de  Niceville:  Bemerkungen  über  einen  Proteus-artigen 
indischen  Schmetterling  [Euplaea  (Stictoplaea)  harrisü].  Zu  jeder 
der  beiden  letzten  Abhandlungen   gehört  eine  Tafel.  F.  K. 

Berichte  über  die  Verhandlungen  der  Kgl.  Sächsischen 
Gesellschaft  der  Wissenschaften  zu  Leipzig.  Mathem  -physik. 
Classe.  1892,  No.  V.  Leipzig  1893.  —  Ernst  von  Meyer: 
Vergleichende  Charakteristik  der  dimolekularen  Nitrile.  Verfasser 
berichtet  über  seine  und  Dr.  Burn's  Untersuchungen  der  von  ihm 
aufgefundenen  dimolekularen  Nitrile,  welche  durch  eigenthümliehe 
Einwirkung  von  Natrium  auf  Nitrile  liei  niedriger  Temperatur 
entstehen.  Otto  Staude:  Ueber  die  Bahncuren  eines  auf  einer 
Oberfläche  beweglichen  Punktes,  welche  infinitesimale  Transforma- 
tionen zulassen.  So  phus  Lie:  Untersuchungen  über  Translations- 
flächen. (1.  Abb.)  G.  F.  Lipps:  Ueber  Thetareihen  und  ihren 
Zusammenhang  mit  den  Doppelintegralen.  F.  K. 


Klatt,  F.  W.,   Compositae   Hildebrandtianae   et  Humblotianae  in 

Madagascaria  et  insulas  Comoras  collectae.     Wien.     0,60  M. 
Knoll,  Ph.,  Zur  Lehre  von  den  doppelt  schräggestreiften  Muskel- 
fasern.    Leipzig.     0,90  M. 

— .  — ,  zur  Lehre  von  den  Structur-  und  Zuckungsverschiedenheiten 

der  Muskelfasern.  Leipzig.  1,40  M. 
Krafift-Ebing,  R.  v.,  Eine  experimentelle  Studie  auf  dem  Gebiete 
des  Hypnotismus ,  nebst  Bemerkungen  über  Suggestion  und 
Suggestionstherapie.  3.  Aufl.  Stuttgart.  2,40  M. 
Landois,  L.,  Lehrbuch  der  Physiologie  des  Menschen  einschliess- 
lich der  Histologie  und  mikroskopischen  Anatomie.  8.  Aufl. 
Wien.     24  M. 

Lebedeff,  N.,  Obersilurische  Fauna  des  Timan.  St.  Petersburg. 
3,60  M. 

Lenhossek,  H.  v.,  Der  feinere  Bau  des  Nervensystems  im  Lichte 
neuester  Forschungen.     Berlin.     5  M. 

Liebe's,  K.  Th.,  Ornithologische  Schriften.     Leipzig.     1  M. 

Liznar ,  J. ,  Eine  neue  magnetische  Aufnahme  Oesterreichs 
Leipzig.     0,30  M. 

Lommel,  E.  v.,  Lehrbuch  der  Experimentalphysik.  Leipzig. 
7,20  M. 

Marquis,  C,  Das  Knochenmark  der  Amphibien  in  den  ver- 
scliirdrnen  Jahreszeiten.     Dorpat.     2  M. 

Messtischblätter  des  preussischen  Staates.  1  :  25,000.  Nr.  1020. 
Stullliamm.  —  1104.  Pewsum.  —  1558.  Königsberg  (in  der 
Neumark).  —  1563.  Berlinchen.  -  1040.  Filehne.  —  1707. 
Gottschimm.  -  1771.  Letschin.  —  1772.  Quartschen.  —  1773. 
Tamsel.  —  1793.  Wonsowo.  —  1991.  Tirschtiegel.  Berlin, 
ä  1  M. 

Michelsen,  P.,  Die  bestimmten  algebraischen  Gleichungen  des  1. 
liis  4.  Grades.     Hannover.     4  M. 

MUUer,  J.,  Eichenes  exotici  Herbarii  Vindobonensis,  quos  deter- 
minavit  J.  M.     Wien.     0,40  M. 

Neumeister,  R.,  Lehrbuch  der  physiologischen  Chemie  mit  Be- 
rücksichtigung der  patliologischen  Verhältnisse.     Jena.     7  M. 

Sarasin,  P.  und  F.  Sarasin,  Ergebnisse  naturwissenschaftlicher 
Forschungen  auf  Ceylon  in  den  Jahren  1884—1886.  Wiesbaden. 
24  M. 

Schewiakoff,  W.,  Ueber  einen  neuen  bacterienähnlichen  Organis- 
mus des  Süsswassers.     Heidelberg.     1,60  M. 

Schuck,  A.,  Magnetische  Beobachtungen  auf  der  Nordsee,  an- 
gestellt in  den  Jahren  1884  bis  1886  1890  und  1891.  Hamburg. 
6  M. 

Siebenrock,  F.,  Ueber  Wirbelassimilation  bei  den  Sauriern.  Wien. 
0,80  M. 

Soret,  Ch.,  Elements  de  christallographie  physique.    Basel.    12  M. 

Stefan,  J.,  Ueber  das  Gleichgewicht  der  Elektricität  auf  einer 
.Scheibe  und  einem  EUipsoid.     Leipzig.     0,30M. 

Steindachner,  F.,  Ueber  zwei  noch  unbeschriebene  Nototrema- 
Arten  aus  Ecuador  und  Bolivia.     Leipzig.     0,60  M. 

Tuma,  J.,  Luftelektricitätsmessungen  im  Luftballon.  Leipzig. 
0,20  M. 

Vonhof,  O.,  Abschied  an   die  Parthenogenesis.     Bremen.     0,60  M. 

Wettstein,  B,  v.,  Die  gegenwärtigen  Aufgaben  der  botanischen 
Systematik.     Leipzig.     0,50  M. 


Briefkasten. 

Herrn  G.  XJ.  -  Herr  Gustos  Kolbe  von  der  entomologischen 
Abtheiliing  des  Kgl  Mus.  für  Naturk.  empfiehlt  Ihnen:  Seidlitz 
Fauna  Baltica.  Käfer.  2.  Aufl.  Red  tenbacher,  Faun.-i  Austriaca. 
Käfer.  3.  Auflage.  Berge's  Schmetterlingsbuch.  7.  Auflage. 
V.  Schlechtendal  u.  Wünsche.  Die  Insecten.  Leipzig.  — 
Wir  selbst  erinnern  Sie  an  das  schöne  und  ausführliche  Werk 
Kolbe's  .Einfüln-ung  in  die  Kenntniss  der  Insecten."  Berlin, 
Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung. 


Inhalt:  Prof.  Dr.  L.  Weinek:  Bericht  über  die  Thätigkeit  der  k.  k.  Sternwarte  zu  Prag  im  Jahre  1892.  —  Ueber  einen  neuen 
menschlichen  Parasiten.  —  Verwüstungen  der  Heuschreckenlarveu  in  Argentinien.  —  Selbstverstümmelung  bei  Heuschrecken.  — 
Die  Species  Equus  zur  Rennthierzeit.  —  Anatomisch-physiologische  Untersuchungen  über  das  tropische  Laubblatt.  —  Pflanzen- 
cultur-Versuche  mit  Zea  Mays  und  Pisum  sativum  in  verschieden  proceutigen  wässerigen  Lysollösungen.  —  Ueber  den  Einfluss 
der  Phosphat-Ernährung  auf  das  Wachsthum  und  die  Organbildung  der  Pflanzen.  —  Einen  Laboratoriumsapparat  zur  Aus- 
führung von  Destillationen  mit  überhitzten  Wasserdämpfen  —  Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben.  —  Litterafur:  Die  menschliche 
Stimme  nach  Charles  Lunn's  „Philosophv  of  voice".  —  Dr.  Henri  Sicard:  L'evolution  sexuelle  de  l'espcce  humaine.  — 
Grabers  Leitfaden  der  Zoologie.  —  Dr.  Hermann  Fürst:  Deutschlands  nützliche  und  schädliche  Vögel.  —  1.  F.  O.  Pilling: 
Lehrgang  des  botanischen  Unterrichts  auf  der  unteren  Stufe.  —  2.  Müller  und  Pilling:  Deutsche  Schulflora^  zum  Gebrauch 
für  die  Schule  und  zum  Selbstunterricht  —  Dr.  Heinrich  Samter:  Der  hohe  Sonneublick.  —  Annales  de  la  Societe  Entomo- 
logique  de  France.  —  The  Transactions  of  the  Entomological  Society  of  London.  —  Berichte  über  die  Verhandlungen  der 
Kgl.  Sächsischen  Gesellschaft  der  Wissenschaften  zu  Leipzig.     Mathem  -physik.  Classe.  —  Liste.  —  Brieflosten. 

Verantwortlicher  Redakteur:  Dr.  Henry  Potonie,  Berlin  N.  4.,  Invalidenstr.  40/41,  für  den  Inseratentheil:  Hugo  Bernstein  in  Berlin.  — 
Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.   12.  —  Druck :  G.  Bernstein)  Berlin  SW.  12. 


Nr.  18.  Naturwissenschaftliche  Wochenschrift.  XXXV 

Verlag  von  Gustav  Fischer  In  Jena. 

Abhandlungen,    Paläontologische.  Herausgegeben   vo»   W.  Dames    und   E.  Kajser.     Neue  Folge 

Biiiul  II.     (Der  ganzen  Reihe  Band  VI.)     Heft  1: 

Flitterer,  K..  Die  oberen  Kreidehildiiiigeii  der  üiiigelmiig  des  Lago  di  Santa  Croce  in  den  Vene- 

tianer  Alpen.       Mit  l  geologisclien  Karte,  1  Profil-Tafel,  10  Petrefacten-Tafeln  und  25  Te.xttiguren.  Preis:  25  Mark. 

AmmOn,    Otto,  Die    natürliche    Auslese    beim  Menschen.     Auf   Grund    der    Ergebnisse    der    anthropologischen    Unter- 
suchungen der  Wohrptlichtigen  in  Baden  und  anderer  Materialien  dargestellt.  Preis:  7  Mark. 


Inhalt:  Von  der  Vererbung.  Die  natürliche  Auslese  der  Kopf-Form<'n  der  Wehrpflichtigen  in  Stadt  und  Land 
Auslese-Erscheinungen  bei  den  Pigmentfarben  der  Wehrpflichtigen  in  Stadt  und  Land.  Wachsthums-VorschiedenheiteE 
der  Wehrpflichtigen  in  Stadt  und  Land.    Entwickelungs-Verschiedenheiten  der  Wehrpflichtigen  in  Stadt  und  Land.    Die  natür- 


id. 
ten 

,_, .     .  _        . ]atür- 

liche  Auslese  und  die  seelischen  Anlagen.  Die  Kopf-Formen  der  Gymnasiasten  und  die  natürliche  Auslese.  Die  kirch- 
lichen Knabeu-Convicte  und  die  natürliche  Auslese  der  Kopf-Formen.  Die  natürliche  Auslese  der  Pigmentfarben  in  Gym- 
nasien und  kirchlichen  Knaben-Convicten.  Wachsthums-  und  Entwickelungs-Erscheinungen  bei  Gymnasiasten  und  Convict- 
Schülern.  Die  Entstehung  von  Bevölkerungs  Gruppen  durch  die  natürliche  Auslese.  Die  Bildung"  der  Stände  und  ihre  Be- 
deutung für  die  natürliche  Auslese. 

ArUclIcn,     IVIOrpnOlOgiSCne.     Herausgegeben  von  Dr.  Gustav  Schwalbe,  o.  ö.  Professor  der  Anatomie  und 

Director  des  anatomischen  Instituts  an  der  Universität  zu  Strassburg  i.  Elsass.    Zweiter  Band.    Erstes  Heft.    Mit  12  Tafeln. 

Preis:   IG  Mark. 

Inhalt:      Aschoff,    Beitrag    zur    Entwicklungsgeschichte    der    Arterien    beim    menschlichen    Embryo.    —  Moser, 

Ueber  das  Ligamentum  teres  des  Hüftgelenks.  —  Pfltziier,  Beiträge  zur  Kenntniss  des  menschlichen  Extremitätenskeletts. 

V.:  Anthropologische  Beziehungen  der  Hand-  und  Fiissmaasse. 

Zweites  Heft.     Mit  4  Tafeln.  Preis:  13  Mark. 

Inhalt:     Rebentisch,  Der  Weiberschädel.  —  Gaupp,  Beiträge  zur  Morphologie  des  Schädels    I. 
Drittes  Heft.    Mit  Ü  Tafeln. 

Inhalt:  Schwalbe,  Ueber  den  Farbenwechsel  winterweisser  Thiere.  —  Dreyfiiss,  Beiträge  zur  Entwicklungs- 
geschichte des  Mittelohres  und  des  Trommelfells  des  Menschen  und  der  Säugethiere.  —  Davidsohn,  Ueber  die  Arteria 
ntonnii,  insbesondere  über  ihre  Beziehungen  zum  unteren  Uterinsegment. 

DlOCnmann,     Dr.  f.,    o.  ö.  Professor  der  Zoologie  an  der  Universität  Rostock.     rnterSnchllllireil    Ühcr  dcil  BaU  der 

Drachiopoden.      Mit  7  lithographischen  Tafeln   1893.  Preis:  25  Mark. 

Inlialt:     Abschnitt  1.     Die  Schale.  —  Abschnitt  2.     Allgemeine  Beschreibung    der  äusseren  Morphologie.  —  Ab- 
schnitt 3.     Die  Körperwand    und    der  Mantel.  —  Abschnitt  4.     Das   Muskelsystem.    —    Abschnitt  5.     Der    Armapparat.  — 
Abschnitt  6.     Der  Darm    mit    seinen  Anhängen.  —   Abschnitt  7.     Die    Leibeshiihle,    die  Mantelsinus,    die  Mesenterien,    die 
_Nephridien.  —  Abschnitt  8.  Das  Blutgefässsystem.  —  Abschnitt  9.  Die  Geschlechtsorgane.  —  Abschnitt  10.  Das  Nervensystem. 

liCI  IVVIlj^     Dr.    (^SCar,    o.  ö.  Professor  der  Anatomie  und  Director  des  II.  anatomiscdien  Instituts  an  der  LTniversität  Berlin.' 

Lehrbuch  der  Entwickluiigsgescliiclite  des  Menschen  und  der  Wirbelthiere.  vierte  theiiweise  um- 
gearbeitete Autlage.  Mit  362  Abbildungen  im  Texte  und  2  lithographischen  Tafeln.  Prei.-^:  broschiert  11  M.  50  Pf,  in 
Callico  gebunden  42  M.  50  Pf 

Jahrbücher,    Zoologische.    Herausgegoben  von  Professor  Dr.  .T.  W.  Spen^el  in  Giessen.     Abtheiluili? 

für  Anatomie  und  Onto^eilie  der  Thiere.  sechster  Band.  Erstes  Heft.  Mit  ll  ntliographischen  Tafein  und 
14  Holzschnitten.  Preis:    18  Mark. 

Inhalt:    Will,  Ludwig:,  Beiträge  zur  Entwicklungsgeschichte  der  Reptili<'n. 
Zweites  Heft.     Mit   11  lithographischen  TatVln  uml   12  Abbildungen  im  Text.  Preis:    IG  Mark. 

Inhalt:    Seeliger,  Oswald,  Studien  zur  Entwicklungsgeschichte  der  Crinoiden  (Antedon  Rosacea). 

Ahtheilung    für  Systematik.    Geographie    und  Biologie   der  Thiere.    sechster  Band.    Fünftes  Heft. 

Mit  .')  litliograpliischen  Tafeln.  """"""■"       '  Preis:    8  Mark. 

Inhalt:  Jlüller,  Beobachtungen  an  im  Wasser  lebenden  Schmettorlingeii.  —  Ortmann,  Die  Korallriffe  von  Dar-es- 
Salaaiu  und  Umgegend.  —  Petersen,  Ueber  die  Ungleichzeitigkeit  in  der  Erscheininig  der  Geschlechter  bei  Schmetter- 
lingen. —  Verhoeff,  Beiträge  zur  Biologie  der  Hymenoptera.  —  Beddard,  On  soine  Pericluvtida>  from  Japan. 

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übrigen  Wirbeltiere,  Heft  3 niedere 
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„Jahrbuch  fitr  Naturwissenschaften  1892  — ISöS",  die  wir  hiermit  besonderer  Beachtung  empfehlen. 


betretfend    das 


v^^  Redaktion:         7         Dr.  H.  Potonie. 

Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12,  Zimmerstr.  94. 


VIII.  Band. 

Sonntag,  den  7.  Mai  1893. 

Nr.  19. 

Abonnement:  Man  abonnirt  bei  allen  Buchhandlungen  und  Post-            y      '      Inserate:  Die  viergespaltene  Petitzeile  40  J..   Grössere  Aufträge  ent- 
anstalten,  wie  bei  der  Expedition.    Der  Vierteljahrspreis  ist  M  3.-            GS           sprechenden  Rabatt.  Beilagen  nach  Uebereinkunft.  Inseratenannahme 
Bringegeld  bei  der  Post  15  ^  extra.                                       JL                           bei  allen  Annocenbureaux,  wie  bei  der  Expedition. 

Abdruck  ist  nnr  mit  vollständig^er  Qneilenangabe  gestattet. 

Der  zehnte  Geographentag  in  Stuttgart  (5.-7.  April  1893). 


Ein  Bericht  von  Prot'.  Dr.  Fr.  Regel. 


Voi-bemerkung:  Mehr  und  mehr  befestigt  sich  die 
Sitte,  iiu  Auscblusse  an  die  seit  1888  in  zweijährigem  Turnus 
stattfindenden  deutschen  Geographentage  eine  grössere 
Exeursion  in  ein  geographisch  und  geologisch  besonders 
lehrreiches  Gebiet  zu  unternehmen.  Diesmal  wurde  am 
9.  April  ein  kürzerer  Ausflug  nach  der  Schwäbischen  Alb 
und  zwar  in  die  Gegend  von  Metzingen  und  Urach,  und 
sodann  vom  10.  bis  15.  April  eine  grössere  Tour  nach 
Oberschwaben  und  in  die  Umgebung  des  Bodensees  unter- 
nommen, um  die  Ausdehnung  des  Rheingletschers  während 
der  drei  Gletscherperioden  der  Glazialzeit  näher  zu  ver- 
folgen. An  diesem  von  Prof.  A.  Penck  trefflich  ge- 
leiteten Ausflug  nahm  auch  der  Referent  theil,  wodurch 
sich  der  nachfolgende  Bericht  verzögert  hat.  Letzterer 
geht  nicht  auf  den  äusseren  glänzenden  Verlauf  des  Kon- 
gresses ein,  sondern  beschränkt  sich  auf  einen  knappen 
Uebcrblick  der  gehaltenen  Vorträge  mit  Ueliergcliung 
derjenigen  Vorträge,  welche  den  geographischen  Unter- 
richt betreffen. 

Erste  Sitzung:  Mittwoch,  5.  April,  Vormittags 
Vorsitzende:  Graf  K.  v.  Linden  und  F.  v.  Richthofe n. 
Nach  Begrüssung  Ihrer  Maj.  des  Königs  und  der  Königin 
von  Württemberg  durch  den  Ehrenpräsidenten  des  Kon- 
gresses, Prinz  Hermann  zu  Sachsen- Weimar,  und 
nach  Eröffnung  des  Geographentages  durch  Geh.  Ad- 
miralitätsrath  Dr.  Neumayer-Hamburg  spricht  zunächst 
Prof.  Rein- Bonn  über  die  Rückwirkung  der  neuen 
auf  die  alte  AVeit,  sodann  Dr.  F.  Stuhl  mann- Ham- 
burg über  die  Zwergvölker  am  Ituri  unter  Vor- 
führung der  beiden  von  ihm  mitgebrachten  Akka- 
Zwerg innen.  Da  sich  die  Tagespresse  in  letzter  Zeit 
mehrfach  anlässlich  verschiedener  Vorträge  des  verdienten 
Forschers  eingehend  mit  den  Pygmäen  Afrikas  beschäftigt 
hat,  kann  an  dieser  Stelle  von  einem  näheren  Eingehen 
Abstand  genommen  werden*).  Die  Besucher  des  Kongresses 


vom  Graf  Karl  von  Linden,  dem  Vor- 
Württembergischen    Vereins    für   Handels- 
geographie, veranstalteten  geselligen  Zusammensein   noch 


hatten  bei  dem 
sitzenden    des 


*)  Vergl.  auch  „Naturw.  Wocheiischr."  Bd.  VII  Nr.  42  S.  427. 


an  demselben  Abend  die  beste  Gelegenheit,  die  beiden 
Zwerginnen  genauer  zu  beobachten.  Prof  Rein  be- 
handelte hauptsächlich  den  intellectuelleu,  wirthschaft- 
lichen  und  moralischen  Niedergang  Spaniens  und  stellte 
dann  als  Gegenbild  zu  demselben  die  Zustände  der 
englisch-puritanischen  Vereinigten  Staaten  gegenüber,  die 
sich  soeben  zu  der  glänzenden  That  von  Chicago  vor- 
bereiten. 

Zweite  Sitzung:  Mittwoch,  5.  April.  Nach- 
mittags. Vorsitzende:  Geh.  Regierungsrath  Professor 
Dr.  H.  Wagner- Göttingen,  Oberstudienrath  V.  Henzler- 
Stuttgart.  Nach  verschiedenen  geschäftlichen  Mittheiluugen 
und  Berichten  spricht  Dr.  Kapff-Stuttgart,  anknüpfend 
an  die  Gruppe  der  Ausstellung,  welche  ein  Bild  der  geo- 
graphischen Leistungen  von  Württembergern  im  Auslande 
giebt,  über  „Württ  ein  bergische  Forschungsreis  ende" 
in  den  einzelnen  Erdtheilen;  derselbe  zeigte,  welch'  grosser 
Antheil  den  Schwaben  an  der  geographischen  Erforschung 
der  Erde  zukommt.  Viele  Missionare  wie  Krapf,  Reb- 
mann, Ehrhardt,  Flad,  Olpp,  Ferner  Ileuglin,  Kinzelbach, 
K.  Manch,  Th.  v.  Hahn,  Jordan,  K.  Kluuzinger  in  Afrika; 
A.  G.  Gmelin,  Graf  Waldhurg-Zeil,  Veesenmcyer,  Dr.  Wolö", 
Dr.  Euting,  Warth,  Balz,  die  Missionare  Pfander,  Gunders, 
Mögling  u.  A.  in  Asien;  F.  v.  Hochstetter,  Dr.  K.  Faber, 
Dr.  Weinland  in  Australien  und  der  Südsee;  für  Amerika 
sind  die  Reisen  der  Herzöge  Paul,  Wilhelm  und  Eugen 
von  Württemberg  und  des  Fürsten  Karl  von  Urach,  die 
topographischen  Arbeiten  von  R.  Schott  in  der  Union,  das 
geologische  Werk  von  Romiuger  über  Michigan,  die  Ar- 
beiten von  Dr.  Hahn  über  Canada,   von  Fritzgärtner  und 


Ludwig 

nam,    Th.    Wolf 

Forschun 

hervorzuheben 


über  Ccntralamerika,  von 


über     Ecuador, 


A.  Kapplei 
und     die 


über  Suii 
botanischen 


cn  Lechlers  über  grosse  Gebiete  von  Südamerika 


186 


Natnrwissenscliaftlicbe  Wocbenschrift. 


Nr.   19 


Professor  Theo  bald  Fischer -Marburg-  sprach  über 
die  Grundzüge  der  BodenplastiU  von  Italien  (ver- 
g-leiche  dessen  austilbrliche  kürzlich  erschienene  Dar- 
legungen über  dieses  Thema  in  Kircbhoft's  Länderkunde 
von  Europa  II.  Band). 

Eine  lebhafte  Discussion  knüpfte  sich  au  einen  von 
Prof.  Köppen-Hamburg  gestellten  Antrag  betreft'eud  die 
Schreibung  geographischer  Namen;  an  derselben 
betheiligteu  sich  namentlich  R.  Sieger- Wien,  A.  Supan- 
Gotha  und  F.  v.  Richthofen-Berlin.  (Vergl.  die  in  der 
Schlusssitzuug  gefasste  Resolution.) 

Dritte  Sitzung:  Donnerstag,  6.  April,  Vor- 
mittags. Deutsche  Landesforschung.  Vorsitzende: 
Prof.  Dr.  A.  Kirchhoff-Halle,  Prof.  Dr.  A.  Penck- 
Wien. 

1.  Prof.  Penck-Wien  erstattet  eingehenden  Bericht 
über  die  Thätigkeit  der  Centralkommission  tilr  die  Pflege 
der  wissenschaftlichen  Landeskunde  Deutschlands 
als  Vorsitzender  derselben. 

2.  Prof.  Dr.  Jul.  Hartmann-Stuttgart  beleuchtet  die 
landeskundliche  Erforschung  Schwabens  und 
dessen  Besiedelung.  Den  naiv  berichtenden  Chronisten 
Fabri  (f  1502)  und  Suntheim  (f  1526)  folgten  lange 
Zeit  niedere  Verwaltungsbeamte  (..Schreiber"),  welche 
topographische  Handbücher  anfertigten  für  staatliche 
Zwecke;  ein  solcher  ist  M.  Zeiler  (f  1661),  Verfasser  des 
Textes  zu  den  Bildern  von  Merian.  Die  eigentliche 
wissenschaftliche  Laudesforschung  ist  in  Schwaben  vor 
etwa  100  Jahren  begründet  worden  von  Gottl.  Friedr. 
Rösler  (1740—1790)  durch  dessen  Beiträge  zur  Natur- 
geschichte des  Herzogthums  Württemberg  und  seine 
Schrift  über  das  Filsthal.  Nach  den  Napoleonischen 
Kriegen  wurde  dann  1818  eine  ofticielle  Landesvermessung 
begonnen  und  für  Erforschung  und  Beschreibung  des  er- 
heblich vergrösserten  Landes  ein  eigenes  Amt  „das 
Statistisch-topogra[)hisclie  Bureau"  errichtet,  an 
welchem  Bohnenberger,  Schültier.  Hehl,  Plieninger,  Jäger, 
von  Alberti  und  der  Tübinger  Magister  Memminger  wirkten. 
In  den  40er  und  50er  Jahren  führten  Männer  wie  der 
Botaniker  Hugo  von  Mohl,  der  Geognost  A.  Quenstedt, 
der  Zoolog  Krauss,  der  Historiker  Chr.  Fr.  Stalin,  der 
Alterthumsforscher  Ed.  Paulus,  der  Statistiker  Rümelin, 
der  Geograph  Reuschle  einen  lebhaften  Aufschwung  herbei. 
Durch  das  Fehlen  eines  geographischen  Lehrstuhles  in 
Stuttgart  und  Tübingen  macht  sich  gegenwärtig  ein 
Mangel  an  geschulten  jüngeren  Kräften  fühlbar,  so  ist 
z.  B.  die  Frage  nach  der  Besiedelung  Württembergs 
noch  nie  im  Zusammenhang  behandelt  worden.  Der  Vor- 
tragende hat  zur  Lösung  dieser  Frage  einen  werthvollen 
Beitrag  geliefert  durch  eine  dem  Geographentag  ge- 
widmete Schrift  über  die  Besiedelung  des  württem- 
bergischen Schwarzwaldes,  insbesondere  des  oberen 
Mnrgthales.  Ausserdem  hat  er  7  Karten  zur  Be- 
siedelung Württembergs  entworfen  und  ausgestellt; 
dieselben  zeigen  1)  die  vorrömischen,  2)  römischen, 
3)  allemanuisch-fränkischen  Ansiedelungen,  sodann  4)  die 
Orte  auf  „ingen",  5)  die  nach  Heihgen  benannten  und 
6)  die  vor  dem  Jahre  1000  n.  Chr.  urkundlich  erwähnten 
Ortschaften.  Eine  siebente  Karte  giebt  eine  Zusammen- 
setzung der  vorher  getrennt  dargestellten  Besiedelungs- 
phasen.  Der  Vergleich  dieser  Karten  ergiebt,  dass  im 
Grossen  und  Ganzen  in  sämmtlichen  Perioden  dieselben 
Gegenden  bevorzugt  und  die  gleichen  Landes- 
theile  vernachlässigt  worden  sind:  Zahlreich  sind 
die  Ansiedelungen  in  den  fruchtbaren  Geländen  längs  der 
Alb,  im  Gau  zwischen  Neckar,  Nagold  und  Enz,  im 
mittleren  und  unteren  Neckarthal  und  in  der  Bodensee- 
gegend im  Gegensatz    zu   den  dünn  besiedelten  Schwarz- 


walddistrikten und  den  waldreichen  Keupergebieten  an 
den  Flüssen  Kocher,  Jagst,  Renis  und  Murr,  sowie  in  den 
ehedem  feuchteren  Strichen  von  Obersehwaben. 

3.  Graf  Eberhard  von  Zeppelin-Konstanz  ver- 
breitet sich  eingehend  über  das  Relief  des  Bodensee- 
1) ecken s  im  Anschluss  an  das  vom  topdgraphisclien 
Bureau  in  Bern  ausgestellte  Kartenniaterial,  speziell  an 
die  neue  mit  zahlreichen  Isobathen  versebene  neueste 
Karte  des  Schwäbischen  Meeres:  Im  oberen  Theil 
des  Sees  finden  sich  zwei  gesonderte  Tiefbecken,  der 
„Bregenzer"  (bis  62,8  m  tief)  und  der  „Lindauer 
Schweb"  (bis  77,5  m  tief).  Der  Wasserburg-Lindauer 
Moräuenzug  trennt  dieselben.  Auf  dem  Boden  des  Öee- 
beekens  verläuft  als  Fortsetzung  des  Rheins  ein  flussartig 
gewundenes  Rinnsal  mit  50*3—600  m  Breite  und  bis  zu 
75  m  Tiefe  zwischen  seinen  Seitendämmen  eingeschnittener 
Sohle  von  der  Rheinmündung  bis  gegen  Romanshorn;  ein 
zweites  ähnliches  Rinnsal  zieht  von  Altenrhein  aus  3  km 
weit  bis  in  den  „Rorschacher  Schweb".  Dieselben  ent- 
stehen dadurch,  dass  die  Kältereu  und  somit  schwereren  1 
Wasser  des  Rheius  mit  starker  Strömung  unter  die  war-  ■ 
meren  Wasser  des  Sees  untertauchen,  was  man  mit  blossen 
Augen  beobachten  kann.  Der  tiefste  Schweb  des  ganzen  J 
Beckens  ist  eine  ziemlich,  das  mittlere  Drittel  des  Sees  \ 
einnehmende,  sehr  flache  Ebene  (von  230  m  Tiefe  ab 
noch    25,5    qkm,    von    240  m  ab  17,9  qkm  und  von  250 

ab  nur  noch  4,2  qkm  Areal  umfassend):  Der  Mainau- 
Neubirnauer  Querrücken  macht  das  Ende  des  Ueber- 
linger  Sees  zu  einem  gesonderten  Tiefbeeken  mit  117  m 
Maximaltiefe ;  aus  einer  südlichen  Steilabdachung  ragt  die 
Felsnadel  des  „Teufelstisches"  bis  nahe  zum  Wasserspiegel 
empor.  Bemerkenswerth  ist  die  lebhafte  von  Algen  her- 
rührende Kalktuft'bildung  im  Konstanzer  Trichter.  Uutersee 
und  Bodensee  bikU-ten  vordem  ein  einheitliches  Becken; 
die  beide  jetzt  trennende  Landbrücke  bei  Konstanz  gehört 
derselben  ]\Ioräne  an,  welche  den  Mainau-Neubirnauer 
Rücken  bildet.  Der  heutige  Untersee  zerfällt  in  fünf 
getrennte  Becken,  drei  im  südlichen  Seearm  (Maximaltiefe 
bei  46,4  m),  die  zwei  andern  in  der  Radolfzeller  Bucht 
und  im  Gnadensee  (nur  wenig  über  20  m  tief).  Die 
diese  Becken  trennenden  Rücken  sind  wohl 
glazialen  Ursprungs. 

4.  Privatdozent  Dr.  W.  Ule- Halle  sprach  sodann 
noch  über  Temperaturverhältnisse  der  baltischen 
Seen:  Die  Messungen,  welche  der  Vortragende  im  Auf- 
trag der  Centralconunission  für  Deutsche  Landeskunde  in 
zaldreichen  Seen  Ostholsteins  und  Ostpreussens  unlängst 
ausgefülirt  hat,  haben  ergeben,  dass  die  Wärmeverhältnisse 
derselben  von  den  an  Alpenseen  besonders  von 
E.  Richter  am  Wörther-See  in  Krain  gemachten  Beob- 
achtungen wesentlich  abweichen:  Die  baltischen  Seen 
besitzen  namentlich  ausserordentlich  w  a  r  m  e  s  W  a  s  s  e  r 
in  den  tieferen  Regionen,  wahrscheinlich  in  Folge 
starker  Grund wasserspeisung.  Die  hohen  Tempera- 
turen auf  die  geringe  Tiefe  der  norddeutschen  Seen 
zurückzutuhren,  geht  nicht  au,  denn  dieselben  sind  weit 
tiefer,  als  die  directe  Sonnenwirkung  reicht;  letztere  ist 
hier  überhaupt  gering,  wie  die  unerhebliche  tägliche 
Amplitude  der  Wassertemperatur  an  der  Oberfläche  dar- 
thut,  doch  ist  auch  hier  eine  allmähliche  Erwärnmng  des 
Wassers  durch  die  Sonne  vorhanden;  es  zeigt  sich  die 
von  E.  Richter  zuerst  beobachtete  sogenannte  „Sprung- 
schicht"; diese  liegt  aber  hier  durchweg  tiefer.  Auf 
ihre  Lage  und  Form  übt  wahrscheinlich  auch  der  Wind 
Einfluss  aus,  denn  nach  stürmischen  Tagen  zeigte  sich 
eine  Veränderung  der  thermischen  Verhältnisse.  Ueber- 
haupt  ist  diejenige  Schicht  des  Wassers,  innerhalb  welcher 
die  Temperatur  sprungweise  sich  ändert,  keine  fest- 
liegende,   sondern    bewegt  sich  fortwährend  auf  und  ab. 


durchweg 


Nr.   ly. 


Natuvwissensehaftliclie  Wochenschrift. 


187 


Es  bedarf  zur  v(")llig-en  Erkeuntniss  dieser  Veriiältnisse 
nocli  zaldreielier  vergleichender  üntersueiiungeii.  —  An 
diesen  Vortrag'  knüpfte  sieh  eine  längere  l)iseussi<m,  an 
welcher  sich  ausser  dem  Vortragenden  hauptsäehlieh  Dr. 
Herze  seil  und  Dr.  Langenbeck  aus  Strassburg  und 
Dr.  Rohrbach  aus  Gotha  betheiligten;  erstere  machten 
nähere  Mittheilungen  über  ihre  am  Weissen  See  in  den 
\'ogesen  angestellten  thermischen  Untersuchungen. 

Vierte  Sitzung:  Donnerstag,  6.  April,  Nach- 
mittags: Schulgeographie.  Vorsitzende:  Professor 
Dr.  Tb.  Fischer-Marburg,  Reetor  Schumann-Stuttgart. 

1.  Vortrag  des  Prof.  Dr.  L.  Neumann -Freiburg: 
„Die  Geographie  als  Gegenstand  des  akademi- 
schen Unterrichts. 

2.  Vortrag  des  Prof.  Dr.  A.  Kirehhoff-Halle:  „Die 
Vorbereitung  der  Geographielehrer  für  ibren 
Beruf. 

3.  Vortrag-  des  Dr.  C.  Peucker-Wien  über  Tcrrain- 
darstellnng  auf  Schulkarten. 

4.  Der  Antrag  des  Prof.  Dr.  E.  Ob  erb  am  nie  r- 
Mttnchen,  der  Geographentag  wolle  die  allgemeine  An- 
wendung der  Metermeile  (Myriameter)  für  grössere 
Strecken  und  Flächen  empfehlen,  wurde  nach  längerer 
Discussion  vom  Antragsteller  zurückgezogen,  da  sowohl 
von  Vertretern  der  Wissenschaft  wie  des  Lehramts  ein 
lebhafter  Widerspruch  gegen  diesen  Vortrag  sich  geltend 
machte. 

Fünfte  Sitzung:  Freitag,  7.  April,  Vor- 
mittags. Neuere  Forschungen  auf  geographi- 
schem Gebiet.  Vorsitzende:  Geh.  Admiralitätsrath  Dr. 
Neumayer-Hamburg,  Prof.  J.  Hartraann-Stuttgart. 

Die  l)eiden  ersten  Vorträge  des  Prof.  Dr.  Job. 
Walther-Jena  und  des  Privatdozent  Dr.  A.  Schenck- 
Halle  beschäftigten  sieh  mit  den  morphologischen  Ver- 
hältnissen der  Wüste.  Ersterer  sprach  über  Denu- 
dation der  Wüste,  gestützt  auf  pK'obachtungen  in 
Nordamerika,  Nordafrika,  der  Sinaihalbinsel  und  Indien. 
(Vergleiche  dessen  gleichnamige  Arbeit  „Die  Denudation 
in  der  Wüste  und  ihre  geologische  Bedeutung.  Leipzig, 
1891.)  Vergl.  „Naturw.  Wochenschr."  Bd.  VI.,  No.  42, 
S.  426.  An  der  sich  anschliessenden  lebhaften  Discussion 
betbeiligten  sich  Dr.  Wey  he -Dessau,  Dr.  Hergesell- 
Strassburg,  Prof.  Rein-Bonn,  Prof.  Loczy-Budapest. 
Dr.  Schenck  behandelte  den  „Gebirgsbau  und  die 
Bodengestaltung  von  Deutsch-Südwestafrika"  in 
sehr  eingehender  Weise. 

Sodann  sprach  Dr.  H.  G.  Schlichter-London  über 
„eine  neue  Präcisionsmethode  zur  Bestimmung 
geographischer  Längen  auf  dem  festen  Lande"; 
nach  derselben  photographirt  man  den  Mond  und  einen 
ihm  benachbarten  Stern,  misst  die  Entfernung  des  Mond- 
randes von  dem  Stern  mit  dem  Mikrometer  unter  dem 
Mikroskop,  ül)erträgt  das  Längenmaass  in  Winkelmaass 
durch  Benutzung  der  in  den  nautischen  Jahrbüchern  ent- 
haltenen Tabellen  und  gelangt  so  zu  Wcrthen,  die  ge- 
nauer sind,    als  die  mit  Hilfe  des  Sextantes  gewonnenen. 

An  vierter  Stelle  sprach  noch  der  Privatdozent 
Dr.  Alfr.  He ttn er- Leipzig  über  den  Begriff  derErd- 
tiieile  und  seine  geographische  Bedeutung.  Der- 
selbe empfahl  im  Allgemeinen  die  Beibehaltung  der  Erd- 
theile  in  der  bisherigen  Weise,  mahnte  aber  zur  Vorsicht 
bei  Verfolgung  von  Erscheinungen  über  diese  ganzen 
Erdtheile  hin;  so  viel  als  möglich  seien  stets  die  einzelnen 
natürlichen  Landschaften  für  sich  zu  charaktcrisiren. 

Sechste  Sitzung  (Schluss),  7.  April,  Nachmittags. 
Vorsitzende:  Director  Dr.  v.  Dorn- Stuttgart,  Professor 
Sup  an -Gotha. 


der  nächsten  Tagung  wird  Bremen, 


1.  Als  Ort 
als  Zeit  die  Oster  wo  che  des  Jahres  1895  bestimmt 

2.  In  den  Centralausschuss  des  Deutschen 
Geographentages  wird  Prof.  A.  Kirchhoff- Halle,  der 
demselben  bereits  früher  angehört  hat,  gewählt.  Ausser 
ihm  gehören  ihm  an:  Geil.  Admiralitätsrath  Neumayer- 
Hamburg  und  Hauptmann  a.  D.  Kol  Im -Berlin. 

3.  Die  bisherige  Centralcommission  für  wissen- 
schaftliche Landeskunde  von  Deutschland  wird 
wiedergewählt. 

4.  Der  geplante  Verein  für  Deutsche  Landes- 
kunde kann  noch  nicht  ins  Leben  treten.  Der  Central- 
ausschuss soll  aber  darauf  hin  arbeiten,  dass  dieser  Verein 
bei  der  nächsten  Tagung  zu  Stande  kommt. 

5.  Prof.  Dr.  E.  Brückner- Bern  berichtet  sodann 
über  das  auf  dem  letzten  internationalen  Geographischen 
Congress  zu  Bern  angeregte  Project  einer  einheit- 
liclien  Erdkarte  im  Maassstab  von  1:1  Million, 
und  zwar  im  Namen    des   Präsidiums    der  in  Bern  1891 


eingesetzten  internationalen  Commission. 


Die  Herstellung 


einer  solchen  Karte  war  1891  auf  Antrag  von  Professor 
Penck-Wien  für  wünschenswerth  erklärt  und  für  die 
Vorarbeiten  eine  internationale  Commission  eingesetzt  wor- 
den; dieselbe  soll  das  Project  discutiren,  die  Nonnen  für 
die  Herstellung  angeben  und  die  Regierungen  der  ver- 
schiedenen Staaten  zur  .Mitwirkung  anregen.  Bis  jetzt 
hat  zwar  nur  eine  schriftliche  Discussion  stattgefunden, 
doch  hat  dieselbe  bereits  eine  recht  erfreuliche  Einigung 
hinsichtlich  der  Prineipien  des  Kartenentwurfs  ergeben. 
Allgemein  wird  die  Noth wendigkeit  einer  solchen  Karte 
betont,  auch  über  die  Project ion  ist  man  einig,  indem 
allerseits  eine  polyedriscbe  Darstellung,  sei  es  durch 
Projection  auf  ein  der  Erdkugel  ein-  oder  umgeschriel>enes 
Vieleck,  sei  es  durch  eine  solche  auf  den  Mantel  von  ein- 
oder  umgeschriebenen,  den  Breitengraden  entsprechenden, 
abgestumpften  Kegeln,  als  das  Richtige  erkannt  worden 
sei.  Bei  den  Regierungen  sind  zwar  noch  keine  offi- 
ciellen  Schritte  gethan  worden,  doch  liegen  bereits  Zu- 
sagen für  die  Betlieiligung  an  diesem  grossen  Kartenwerke 
vor:  so  sind  die  Vereinigten  Staaten  dazu  bereit,  des- 
gleichen Spanien.  Die  niederländische  Regierung 
hat  beschlossen,  nach  den  von  der  internationalen  Com- 
mission aufzustellenden  Normen  eine  Karte  ihrer  Colonien 
in  dem  bezeiehneten  Maassstab,  d.  h.  1  mm  der  Karte 
gleich  1  km  der  Wirklicldvcit  herauszugeben;  die  kais. 
russ.  geographische  Gesellschaft  sammelt  bereits 
Material  für  die  Karte  und  erwägt  die  Herausgabe  von 
Probeblättern.  Hiernach  besteht  die  begründete  Hotfnung, 
dass  das  grossartige  Werk  zu  Stande  konmieu  wird. 

In  der  sich  anschliessenden  Discussion  erklärt  Dr. 
Brackebusch-Cordoba,  da.ss  er  bei  seiner  demnächstigen 
Rückkehr  nach  Argentinien  bei  der  dortigen  Regierung- 
Schritte  thun  werde 
Grenzfestlegun 

heitlichen  Karte  entgegenstehenden  Hindernisse  hinweg 
zuräumen.  Prof.  Penck  giebt  der  Hotfnung  Ausdruck, 
dass  die  zur  Zeit  noch  vorhandenen  grossen  Schwierig- 
keiten zu  überwinden  sein  werden:  die  Karten  der  Erde 
befänden  sieb  heute  noch  etwa  in  dem  Zustande,  wie  die- 
jenigen von  Mitteleuropa  im  Zeitalter  des  Ortelius. 

6.  Prof.  Dr.  Löczy- Budapest  legt  die  soeben  voll- 
endete deutsche  Ausgabe  des  grossen  Werkes  vor, 
welches  die  Ergebnisse  der  Expedition  des  Grafen 
Bela  Szecheny  in  Ostasien  enthält,  mit  dem  dazu  ge- 
hörigen reichen  Kartenmaterial.  Prof.  F.  v.  Rieb tliol'en 
weist  auf  die  grosse  Bedeutung  dieses  Werkes  hin  und 
wünscht  Dr.  Loczy  Glück  zu  dessen  nunmehriger  \'oll- 
endung. 

7.  Ebenfalls  auf  Antrag  des  Freiherrn  F.  v.  Richt- 


uni    die   dort   durch  die  schwierige 
der   Durehfülirung   einer  derartigen    ein- 


188 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  19. 


hofen  wird  die  von  Prof.  W.  Koppen  gewünsciite  Com- 
mission  zur  Erzielung  einer  möglichst  einheit- 
lichen Schreibweise  geographischer  Namen  vom 
Geographentag  ernannt;  in  dasselbe  werden  aufgenommen: 
1)  das  KaiserHch  Hydographische  Amt,  2)  die  Gesellschaft 
für  Erdkunde  zu  Berlin,  3)  das  Institut  von  Justus  Perthes 
in  Gotha.  Die  Ergebnisse,  zu  welchen  diese  mit  dem 
Rechte  der  Cooptation  eingesetzte  Commission  gelangen 
werden,  sind  dem  nächsten  deutschen  Geographentag  und 
sodann  dem  nächsten  internationalen  Geograjihen-Congress 
zu  London  (1895)  zur  Begutachtung  event.  zur  Beschluss- 
fassung zu  unterbreiten. 

8.  Hierauf  erfolgt  der  Schluss  des  Geographen- 


tages 


Geh,  Regierungsrath  Prof.  Dr.  H.  Wagner- 
Göttingen  spricht  noch  herzliche  Worte  des  Dankes  für 
alles  Dargebotene;  derselbe  dankt  noch  besonders  dem 
Ehrenpräsidenten  der  diesmaligen  Tagung  Sr.  Hoheit 
dem  Prinzen  von  Weimar,  welcher  gleich  dem  Fürsten 
Karl  von  Urach  sämmtlichen  Sitzungen  beigewohnt 
habe,  sowie  dem  Ortsausschuss,  dem  Grafen  K.  von  ^ 
Linden  und  dem  Prof.  Dr.  Lampert  für  ihre  grosse  ■ 
Mühewaltung.  Nachdem  er  noch  besonders  der  inter- 
essanten,  die  geographischen  Leistungen  Württend)ergs 
so  trefflich  zum  Ausdruck  bringenden  geographischen 
Ausstellung  gedacht,  schliesst  er  mit  einem  Hoch  auf 
die  gastliche  Stadt  Stuttgart! 


Eine  Studie  über  die  verwandtschaftlichen  Verhält- 
nisse des  Eslvimohundes  veröffentlicht  Nicolaus  Ku- 
tagin  in  Moskau.  („Mittheilungen  über  die  Hunderasse 
Laika  (Eskimohunde)  in  Russland."  Zool.  Jahrb.  Abth. 
f.  Syst,  etc.  B.  C.  S,  435,)  Die  Laika  sind  als  eine  der 
ältesten  Rassen  anzusehen,  wie  das  einmal  aus  ihrer  Ver- 
breitung bei  Völkern  niedriger  Cultur,  sodann  aber  auch 
aus  der  Aehnlichkeit  ihrer  Erscheinung  mit  wilden  Caniden 
hervorgeht.  Ausser  einigen  Schädeln  konnte  Verf.  ein 
im  Moskauer  Zoologischen  Garten  lebendes  Thier  unter- 
suchen; seine  Abbildung  ist  dem  vorliegenden  Aufsatze 
beigegeben.  Die  Laika  sind  hauptsächlich  in  Nordruss- 
land und  Sibirien  verbreitet;  dort  dienen  sie  zum  Jagen, 
hier  ausserdem  zum  Fahren  und  Rennthierhüten.  Die 
„Vorspannlaika"  sind  die  grössten  Vertreter  unserer  Rasse, 
und  haben  stark  entwickelte  Füsse.  Es  folgen  die  „Jagd- 
laika"  und  am  kleinsten  sind  die  .,Rennthierlaika".  — 
Nach  Anutsehin  lebten  in  Russland  während  der  Stein- 
periode zwei  Hunderassen,  Canis  familiaris  palustris  lado- 
gensis,  die  dem  westeuropäischen  Dorfhunde  nahe  steht, 
und  C.  fam.  inostranzewi.  Der  letztere  hatte  alle  Eigen- 
schaften eines  Jagdhundes  und  ist  dem  Can.  matris  opti- 
mae  Icitt,  aus  der  westeuropäischen  Bronzezeit  ähnlich. 
Diesem  C.  inostranzewi  steht  nun  der  Eskimohund  nahe 
und  er  eignet  sich  in  seiner  Form  der  Jagdlaika  auch 
vortrefflich  zum  Jagen  von  Bär,  Elenthier,  Reh  u.  s.  w. 
Zum  Schluss  schliesst  sich  Verf.  der  Ansicht  Nehrings  an, 
dass  C.  inostranzewi  und  C.  matris  optimae  von  Canis 
pallipes  Sykes,  einer  dem  gewohnlichen  Wolf  nahestehenden 
Form,  abstammen.  Damit  in  Uebereinstimmuug  steht  die 
Thatsache,  dass  viele  Jäger  zwischen  dem  Wolf  und 
gewissen  Jagdlaika   eine  grosse  Aehnlichkeit  linden. 

Dr.  C,  M. 


Die  von  uns  bereits  in  Bd.  VII,  S.  474  und  475  be- 
sprochene Anregung  des  Geheim-Rath  Prof.  F.  E.  Schulze 
in  Betreff  der  Ausdrücke  zur  Bezeichnung  der  Lage 
und  Richtung  im  Thierkörper  hat  Verfasser  im  Bio- 
logischen Centralblatt  XIII.  Bd  No.  1  mit  einigen  Modi- 
ficationen  erweitert. 

Zu  dem  ersten  Grundsatz  (vgl.  Bd.  VII  S.  474,  1.) 
bemerkt  der  Verfasser,  dass  die  zunächst  geradlinig  ge- 
dachte Haupt-  oder  Principalaxe  auch  etwaige  Biegungen 
des  Körpers  als  Führnngslinie  mitmachen  und  so  zu  einer 
gebogenen  Linie    umgewandelt  werden  kann. 

Ausserdem  ist  es  auch  zulässig,  die  Axen  auf  einzelne 
bestimmte  Organsysteme  —  nicht  nur  auf  die  äussere 
Gestalt  —  zu  beziehen  und  dementsprechend  zu  constru- 
iren.  Jedoch  muss  dies  stets  besonders  hervorgehoben 
und  durch  die  Bezeichnung  der  Axe  bestimmt  ausgedrückt 
werden.  So  wird  man  z.  B.  in  einer  ausschliesslich  das 
Skeletsystem  des  Wirbelthierkörpers  berücksichtigenden 
Beschreibung  die  Principalaxe  in   die  Führungslinie   der 


Chorda  legen  dürfen,  aber  dann  als  Chordoprincipalaxe 
zu  bezeichnen  haben.  Bei  einer  Darstellung  des  Nerven- 
systems der  Wirbelthiere  wird  man  die  Principalaxe  in 
die  Führungslinie  des  Rückenmarksrohres  saramt  Gehirn- 
erweiterung legen  können,  aber  dann  als  Neuroprincipalaxe 
besonders  bezeichnen  müssen. 

Als  sechsten  und  siebenten  Grundsatz  fügt  er  noch 
hinzu : 

6.  Die  Bezeichungen  sollen  correct  gebildet,  mög- 
lichst kurz,  flexibel  und  einigermaassen  wohllautend  sein. 

7.  Es  empfiehlt  sich,  für  die  verschiedenen  Begriflfs- 
kategorien  durchgängig  bestimmte  eigenthümliche  Adjectiv- 
und  Adverbial-Endungen  festzuhalten;  z.  B.  alle  Adverhial- 
bezeichnungen  der  Lage  auf  — al  fresp.  —an),  diejenigen 
der  Richtung  dagegen  nach  dem  Vorgange  von  Clealand 
Wilder  u.  a.  auf  — ad  enden  zu  lassen. 

Bis  auf  diese  letzte  Aenderung,  dass  die  Richtungs- 
bezeichnuug  von  der  Lagebezeichnung  getrennt  wird, 
stimmt  das  Folgende  mit  dem  in  dem  früheren  Artikel 
angegebenen  überein. 

Die  beiden  differenten  Enden  der  Principalaxe  der 
Sympeden  nennt  Verfasser  nicht  mehr  proral  und  caudal, 
sondern  rostral  und  caudal.  x.  Z. 


Die   Polarregionen    und    die   Eisbildung.  —  Am 

2(1  Februar  sprach  Professor  Dr.  Pechuel  -  Loesehe  in 
der  Geographischen  Gesellschaft  für  Thüringen  zu  Jena 
über  die  Polarregionen.  Wir  entnehmen  diesem  Vortrag 
Folgendes : 

Die  Polarregionen  sind  die  grössten  unbekannten  Ge- 
biete der  Erde,  denn  das  nördliche  Polargebiet  umfasst 
6  Millionen,  das  südliche  16  Millionen  Gkm.  Nur  Muth- 
maassungen  über  diese  Gebiete  sind  möglich,  aber  wir 
können  doch  einige  Schlüsse  ziehen,  wie  etwa  die  Haupt- 
theile,  auch  die  innersten  Gebiete  um  die  Pole  beschallen 
sein  mögen.  Das  nördliche  Polargebiet  besteht  grössten- 
theils  aus  Land  oder  ist  wenigstens  von  Land  umschlossen. 
Nur  drei  Zugänge  führen  zum  Pol:  1)  das  Meer  zwischen 
.Skandina\nen  und  Grönland,  2)  die  Davisstrasse,  3)  die 
Behringstrasse.  Das  Eismeer  ist  eigentlich  nur  ein  An- 
hängsel des  nordatlantischen  Oceans  und  ganz  von  ihm  ab- 
hängig, namentlich  in  Bezug  auf  die  Meeresströmungen.  Das 
südliche  Polargebiet  dagegen  ist  ganz  von  Wasser  um- 
schlossen. Nur  selten  sind  Seefahrer  in  diese  Gegenden 
gedrungen,  sie  fanden  Inseln,  den  Melbourneberg  und  zwei 
hohe  Vulcane  (Erebus  und  Terror),  im  übrigen  fuhren  sie 
an  einer  30 — 50,  ja  80  m  hoch  aufragenden  Eisschranke 
entlang. 


Das  nördliche  Polargebiet  muss  ein  Kontinentalklima 
haben,  da  das  Land  überwiegt.  Im  Landgebiet  wirkt 
die  Erwärmung  durch  die  Sonne  ganz  anders  als  im 
Wassergebiet:  schnelle  Erwärmung  und  Abkühlung.  Ausser- 


Nr.  19. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


189 


ordentliche  Schwankuntjen  des  Luftdrucks  und  der  Tem- 
peratur sind  die  P^'oige.  Im  nordliehen  Polargebiet 
schwanken  die  Tempcraturditferen/.en  etwa  um  60  Grad, 
der  Barometerstand  etwa  um  60  nna  (zwischen  783  und 
722  mm),  in  verliältnissmässig  kurzer  Zeit  kann  eine  solche 
Differenz  eintreten.  Weiterhin  herrschen  in  jenem  Gebiet 
hauptsächlich  kalte  und  trockene  Nordwinde^  das  arktische 
(iebiet  ist  verhältnissniässig-  trocken.  Wenn  dort  kein  Eis 
wäre,  keine  Gletscher  sich  bildeten,  so  würden  jene  Gebiete 
initer  wannen  Verhältnissen  wie  Innerasien  oder  die  Sa- 
hara aussehen,  sie  würden  wüst  und  leer  sein.  Diese 
Nordwinde  haben  sehr  bedeutenden  Einfluss  auf  die  Eis- 
verhältnisse. In  Folge  der  niedrigen  Tenii)eratur  sclniielzen 
die  Gletscher,  die  sich  in  ganz  ungeheurer  Ausdehnung 
dort  bilden,  nicht  ab,  obgleich  sie  nicht  viel  Niederschläge 
erhalten.  Herrschte  dieser  Mangel  an  Niederschlägen 
nicht,  so  würden  die  Gletscher  weit  nach  Süden  vor- 
dringen. Nur  in  Grönland  und  Siiitzbergen  erreichen 
sie  noch  das  Meer,  im  nordwestliciien  Amerika  nur  bis 
zum  60sten  Grad  n.  Br.,  in  Norwegen  schneiden  sie  bei 
60  '4  Grad  schon  300  m  über  dem  Meere   ab. 

Im  Süden  herrscht  ein  Seeklima,  die  Schwankungen 
der  Temperatur  und  des  Luftdrucks  sind  daher  gering: 
etwa  10 — 15°  und  10 — 1.5  mm.  Da  das  Wasser  sich  lang- 
samer als  das  Land  erwärmt  und  abkühlt,  sind  die  Winter 
hier  verhältnissniässig  warm,  die  Sommer  verhältnissniässig 
kühl.  Der  sehr  niedrige  Barometerstand  (etwa  zwischen  735 
und  740  mm)  bewirkt,  dass  von  allen  Seiten  Luftströ- 
mungen dort  hinziehen  und  zwar  wegen  der  Drehung  der 
Erde  als  stürmische  Westwinde.  Sic  blasen  über  un- 
geheure Wasserflächen,  sind  feucht,  umkreisen  den  Pol 
und  erheben  sich.  Dieses  Aufsteigen  der  feuchten  Luft 
bewirkt  fortwährende  Bewölkung  und  wahrscheinlich  sehr 
reichen  Schneefall.  Diese  Niederschläge  erklären,  dass 
dort  und  in  umliegenden  Gebieten  ganz  andere  Verhält- 
nisse als  im  arktischen  Gebiete  herrschen.  Im  Feucrland 
dringen  die  Gletscher  bis  ins  Meer  vor,  ebenso  in  West- 
Patagonien  bis  etwa  46\'o°  s.  Br.,  obgleich  seine  mittlere 
Jahrestemperatur  der  von  Wien  entspricht,  in  Neusee- 
land (43Vo°  s.  Br.),  die  der  von  Nordspanien  und  Nord- 
italien entspricht,  schneiden  die  Gletscher  erst  etwa  in 
230 — 250  m  über  dem  Meere  ab.  Man  hat  über  die 
Beschaftenhcit  der  unbekannten  Theile  der  Südpolar- 
region viele  Vermuthungen  aufgestellt.  Die  einen  nehmen 
einen  sechsten  Kontinent,  die  Antarktis,  an,  dessen  Ränder 
die  Eismauern  und  die  einzelnen  Landstücke  bilden,  die 
man  hier  und  dort  sah,  die  andern  behaupten,  es  könne 
dort  ein  Kontinent  nicht  vorkommen,  denn  das  Eis, 
welches  von  dort  ausgeht,  sei  derart  beschaffen,  dass  es 
sich  auf  dem  Meere  gebildet  haben  müsse  (Tafelförmig- 
keit, horizontale  Schichtung,  Freiheit  von  Gesteinsbrocken 
und  Schinutz).  Sie  nehmen  daher  einen  ungeheuren 
Gletscher  an,  der  zwischen  theilweise  sehr  hohen  Inseln 
sowie  auf  Flachland  und  in  Flachsee  ruhe.  Beide  An- 
sichten haben  viel  für  sich. 

Wie  geht  nun  auf  dem  Meere  überhaupt  die  Eisbil- 
dung vor  sichV  Drei  Hauptarten  finden  sich:  1)  Gletscher- 
eis, 2)  Flächeneis,  3)  ins  Meer  geführtes  Südwasser- 
eis. Von  letzterem,  dessen  Masse  unbedeutend  ist,  sieht 
Redner  ab. 

1)  Genau  in  derselben  Weise  wie  in  den  Hochge- 
birgen bilden  sich  auch  in  den  Polargegenden  schon  in 
niederen  Regionen  Gletscher.  Man  nimmt  an,  dass  ein 
grosser  Theil,  vielleteht  ganz  Grönland,  von  einem  Eis- 
mantel überdeckt  ist,  also  einem  ungeheuren  Gletscher 
gleicht.  Dies  Eis  ist  nicht  unbeweglich,  alle  seine  klein- 
sten Theile  sind  in  fortwährender  Bewegung,  veranlasst 
durch  Temperaturunterschiede,  den  Druck  der  höher  lie- 
genden Massen  und  durch  die  Schwere.     So  bewegt  sich 


das  Elis  uiiauflnirlich  abwärts  mit  sehr  verschiedener 
Schnelligkeit  (3 — 10,  auch  20  —  25  m  in  24  Stunden).  In 
Grönland  kommen  Gletscher  von  10—100  km  Breite 
dutzendweise  vor,  ungeheure  Eismassen  schieben  sie  zum 
Meere  hinab.  Da  dies  Eis  porös  und  mürbe  ist,  ist  es 
leichter  als  Meerwasser  (im  Durchschnitt  um  ^/-'),  es  wird 
also,  wenn  es  ins  Meer  dringt,  schwimmen,  doch  hängt 
es  so  lange  mit  der  Hauptmasse  zusammen,  bis  der  Auf- 
trieb des  Wassers  gross  genug  wird,  um  ein  Stück  abzu- 
brechen. Das  abgebrochene  vStüek  steigt  empor  und  wälzt 
sich  umher,  bis  es  sein  Gleichgewicht  findet.  Man  nenni 
diesen  ganzen  Vorgang  „kalben".  Bei  der  ungeheuren 
Ausdehnung  der  Gletscher  entstehen  ununterbrochen  Eis- 
berge, oft  tausende  an  einem  Tage.  Hauptgebiet  der  Eis- 
berge ist  das  Meer  westlich  und  östlich  von  Grönland,  im 
Norden  der  Behringstrasse  giebt  es  gar  keine  Eisberge, 
da  das  Meer  dort  zu  flach  ist,  auch  im  nördlichen  Archipel 
von  Amerika  kommen  nur  ganz  kleine  vor.  Finden  sie 
sich  sonstwo,  so  sind  sie  durch  Meeresströmungen  oder 
Winde  dahin  geführt. 

Der  Eisberg  wird  selbstverständlich  mancherlei  Wand- 
lungen seiner  Gestalt  erleiden.  Manchmal  zerstören  ihn 
rasch  die  Temperaturdifferenzen  im  Eise  selbst.  Im  Innern 
herrscht  zuweilen  noch  eine  Kälte  von  30°,  bei  der  er 
entstand,  während  aussen  0 — 5°  herrschen,  das  erzeugt 
gewaltige  Spannungen,  die  das  Eis  auseinandersprengen: 
der  Berg  „platzt".  Es  wirken  ferner  die  Temperatur- 
difterenzen  zwischen  Tag  und  Nacht.  Am  Tage  schmilzt 
durch  Sonnenbestrahlung,  warme  Luft  und  Regen  ein 
Theil  des  Eises,  das  Schmelzwasser  sammelt  sich  in 
Höhlungen.  Nachts  gefriert  es  und  sprengt  Stücke  des 
Berges  ab.  Werden  die  unteren  Theile  zu  leicht,  so 
sucht  er  wohl  eine  neue  Lage:  er  „kippt  um." 

Die  „Berge"  sind  gar  nicht  so  gross,  die  meisten 
haben  nur  die  Grösse  von  Häusern,  sie  sind  zunächst 
formlose  Klumpen,  werden  dann  modellirt.  Da  sie  nun 
Vt  leichter  sind,  als  Meereswasser,  so  nimmt  man  an, 
dass  V7  '*'on  ihnen  übers  Wasser  ragt,  '^/^  unter  Wasser 
liegen,  wobei  es  jedoch  nur  auf  die  Masse,  nicht  auf  die 
Höhe  ankommt.  Die  durchschnittliche  Höhe  der  P^isberge 
über  Wasser  beträgt  wohl  20 — 40  m,  selten  50 — 80  m; 
100  m  kommen  schwerlich  vor.  Alte  Eisberge  imponiren 
mehr  durch  ihre  wunderbare  <iestalt,  als  durch  Hrdie. 

Im  südlichen  Eismeer  haben  die  Berge  nicht  so 
wunderbare  Formen,  da  die  Temperaturdift'ercnzen  dort 
nicht  so  gross  sind,  die  Berge  daher  nicht  so  schnell  um- 
gewandelt werden  können.  Sie  bewahren  hier  länger  ihre 
eigentliche  Gestalt  und  treiben  blockförmig  im  Meere  um- 
her. Diese  Blöcke  sind  mehr  nach  der  Seite  als  nach 
der  Höhe  ausgedehnt,  solche  von  70—80  m  Höhe  können 
etliche  Quadratkilometer  gross  sein. 

2)  Das  Flächcncis  wirkt  nicht  durch  bizarre  Formen, 
sondern  durch  unabsehbare  Ausdehnung.  Wochenlang 
kann  man  an  einem  solchen  Eisfeld  entlang  fahren.  Der 
Seefahrer  unterscheidet  zwei  Haujitformen  des  Flächeueises: 
a)  das  aus  übcreinandergethttrmten  Schollen  bestehende 
Packeis,  b)  das  Treibeis,  dessen  Schollen  einzeln  schwim- 
men. Im  Treibeis  kann  man  zur  Noth  herumfahren,  im 
Packeis  miiss  man  sich  niittreiben  lassen. 

Das  Flächeneis  bildet  sich  auf  dem  Meere  selbst, 
doch  überzieht  sich  nicht  das  ganze  arktische  Meer 
gleichzeitig  mit  einer  Eisfläche,  sondern  nur  die  gegen 
Winde,  Stnimungen  und  Seegang  geschützten  Theile  ge- 
frieren. Auch  der  Salzgehalt  erschwert  das  Frieren,  denn 
Salzwasser  gefriert  viel  schwieriger  als  Süsswasser,  nicht 
bei  0°,  sondern  erst  bei  — 272°  C-  (bei  einem  Salzgehalt 
von  3,5  Vo)-  Zunächst  überziehen  sich  die  geschützten 
Buchten  u.  s.  w.  mit  einer  ganz  dünnen  Eisdecke,  die  sich 
*ehr  allmählich  verdichtet,  denn  das  Wasser  muss  seinen 


190 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  19. 


Salzgehalt  immer  erst  an  benachbarte  Wasscrtheilchen  ab- 
geben, ehe  CS  gefrieren  kann.  Selten  überschreitet  die 
Dicke  des  Eises  2  oder  2Vo  m. 

Zuweilen  kommt  es  vor,  dass,  wenn  die  Kälte  ganz 
allmählicli  eintritt,  wenn  die  Luft  ganz  still,  das  Meer  durcli 
nichts  bewegt  ist,  das  Wasser  sich  unter  den  (ietVier- 
punkt  abkühlt,  ohne  sich  in  Eis  zu  verwandeln.  Es 
herrscht  dann  eine  gewisse  Spannung,  aber  ohne  Eisbil- 
dung, bis  dann  in  Folge  einer  Erschütterung  plötzliche  Er- 
starrung eintritt.  Es  ist  dann  ganz  unmöglich  für  die 
Wassertheilchen,  ihr  Salz  nach  unten  abzugeben,  sie 
müssen  es  behalten,  oder  vielmehr  die  Eiskrystalle  schliessen 
zwischen  sich  Wassei-theiichen  ein,  welche  ilir  Salz  noch 
zu  dem  eigenen  hinzubekommen  haben  und  nun  um  so 
schwerer  gefrieren.  Dieser  Vorgang  setzt  sich  fort,  bis 
schliesslich  das  Wasser  so  salzig  wird,  dass  es  überhaupt 
nicht  mehr  gefriert.  Die  Verdunstung  muss  dann  hinzu- 
treten, das  Salz  blüht  an  der  OlierfläcJie  aus,  an  der  man 
es  dami  wohl  händeweise  sannncln  kann.  Weil  dieses  so 
rasch  gebildete  Eis  zwischen  sich  Wassertheilchen  ein- 
schliesst,  ist  es  biegsam  und  beweglich,  es  krümmt  sich 
mit  dem  Wellengang,  mit  einem  Stock  kann  man  durch 
dieses  „Filzeis"  hindurchstossen,  den  Menschen  jedoch 
trägt  es,  wenn  er  auch  Fusstapfen  darin  zuiiicklässt'.  Erst 
wenn  der  Rest  des  Wassers  verdunstet  ist,  wird  auch 
dieses  Eis  spröde  und  hart  und  unterscheidet  sich  dann 
nur  durch  seinen  grossen  Salzgehalt  von  anderem  Eis. 

Das  Eis  bleibt  nicht  ruhig  liegen.  Strömungen,  Winde 
vmd  schon  in  Bewegung  l)ctindlichc  Eisfelder  suciien  die 
Decke  zu  zerstören,  sie  wird  gesprengt,  die  Theile  werden 
über-  und  untereinandergeschoben,  es  entstehen  Wälle 
und  Hügel  von  beweglichen  Sehollen,  die  dann  oft  wieder 
vollständig  fest  verkittet  werden:  das  l'ackeis.  Wie  dick 
dieses  Eis  werden  kann,  lässt  sich  schwer  bestimmen, 
denn  wie  es  oben  bald  flach  und  glatt,  bald  hoch  auf- 
gethürmt  ist,  so  auch  unten;  es  ist  möglich,  dass  es  zu- 
weilen 20 — ,50  m  unter  Wasser  reicht. 

Kein  Theil  des  Polarmeeres  ist  dagegen  gesichert, 
dass  seine  Eisdecke  zersprengt  wird  und  sich  ablöst. 
Fortwährend  ist  das  Eis  in  Bewegung,  es  „arbeitet". 
Liegt  ein  Schiff'  im  Eise,  so  hört  man  auf  demselben  die 
ununterbrochenen  Bewegungen  des  Eises,  liervorgerufen 
durch  Temiicraturdirt'erenzen,  eingeklenmite  Schollen,  Ver- 
schiedenheit des  Druckes  etc.  Zu  diesen  kleinen  Bewegungen 
kommen  grössere:  Spaltbildungen,  deren  Breite  einen  Fuss, 
aber  auch  mehrere  kra  betragen  kann.  Die  Hauptbewe- 
gung tritt  ein  durch  Druck  der  Winde  und  Strömungen 
und  durch  die  Eismassen,  die  schon  Winden  und  Strö- 
nuingen  geliorchen.  Der  Wind  hat  vielleicht  den  grössten 
Einfluss,  denn  auch  das  schwerste  Packeis  schwimmt  oft 
gegen  eine  Strömung,  wenn  der  Wind  stark  genug  ist. 
Zusammenstössc  kommen  vor,  weil  oft  ein  Eisfeld  noch  in 
Bewegung  bleibt,  nachdem  der  Wind  aufgehört  hat  oder 
wenn  ein  Eisfeld  mit  grossem  Tiefgang  einer  Strömung, 
ein  anderes  dem  Winde  gehorcht.  Es  tritt  dann  gegen- 
seitige Zertrümmerung  ein,  nicht  durcli  den  ersten  Zu- 
sammenstoss,  sondern  durch  die  Drehung,  in  der  sich  die 
Eisfelder  befinden.  Denn  das  Eis  schwimmt  nicht  einfach 
in  der  Richtung  des  Windes,  sondern  wegen  der  vielen 
Unebenheiten  bewegt  sich  die  eine  Seite  viel  schneller 
als  die  andere,  und  es  entsteht  eine  drehende  Bewegung. 
Dreht  sich  nun  das  andere  Eisfeld  vielleicht  in  entgegen- 
gesetzter Richtung,  so  zermalmen  sie  sich  gegenseitig  zu 
lauter  einzelnen  Schollen:  Treibeis.  Schiffe,  die  etwa 
dazwischen  gefangen  werden,  sind  meist  rettungslos  ver- 
loren. 

Redner  wendet  sich  gegen  Diejenigen,  die  daheim  Ex- 
peditionswege aussinnen  und  den  Polarfahrern  rathen.  die 
„Eisschranken  zu  durchbrechen".     Kompacte  Massen  Pack- 


eis zu  durchbrechen  ist  nicht  minder  schwierig  als  mit 
dem  Kopfe  eine  Mauer  zu  durchbrechen.  Die  Polar- 
expeditiouen  müssen  immer  mit  den  Eisverhältnissen 
rechnen,  die  sich  aber  von  Tag  zu  Tag,  sicher  aber 
von  Jahr  zu  Jahr  ändern,  vielleicht  giebt  es  auch  Pe- 
rioden von  30  —  36  Jain-en.  Auch  im  stärksten  Winter 
gicbt  es  offene  Stellen  im  Eismeer,  das  zeigen  die 
Erlebnisse  mancher  Polarfahrer,  die  mitten  im  Winter 
mit  dem  Eise  zu  Schilf  oder  auf  treibenden  Schollen 
Wege  von  500 — 2500  km  zurücklegten.  Das  Eis  ist  eben 
immer  in  Bewegung.  Man  darf  daraus  nicht  schliessen, 
dass  etwa  an  gewissen  Stellen  sich  immer  offenes  Meer 
befände,  in  wenigen  Tagen  kann  sich  das  ändern.  Bei 
Expeditionen  kommt  es  dann  auf  Glück  an,  ihr  Gelingen 
hängt  nicht  von  den  Wünschen  ab.  In  diesem  Jahre 
wird  Nansen  eine  Nordpolfahrt  unternehmen,  wir  werden 
sehen,  ob  er  das  Glück  hat,  eisfreie  Stellen  zu  finden, 
auf  denen  er  weiter  kommt,   als  irgend  Jemand  vor  ihm. 

X. 


Feber  die  Bieliden  von  1892  schreibt  Herr  Th.  Bre- 
dichin,  Pulkowo,  an  die  Astronomischen  Nachrichten 
(No.  3154  vom  25.  Februar  1893)  8.  Die  Beobachtungen 
der  Bieliden  am  23.  November  1892  in  Amerika  haben 
gezeigt,  dass  die  Begegnung  des  dritten  Theils  dieses 
Schwarms  mit  der  Erde  im  vergangenen  Jahre  fast  um 
4  Tage  früher  als  im  Jahre  1885  stattgefunden  hat,  d.  h. 
dass  der  absteigende  Knuten  des  Stroms  während  des 
Zeitraums  von  Ende  1865  bis  Ende  1892  fast  um  4°  nach 
West  zurückgewichen  ist. 

Es  zeigt  sich,  dass  dieses  Zurückweichen  durch  von 
dem  Ju])iter  auf  diejenigen  Theilchcn  des  Schwarmes  aus- 
geübte Störungen  bedingt  worden  ist,  welche  eine  gleiche 
(oder  nahezu  gleiche)  mittlere  tägliche  Bewegung  besitzen 
wie  früher  der  Biela'sche  Komet. 

Merklich  gross  wurden  die  Störungen  Ende  1889  und 
dauerten  bis  Mitte  1891  an,  ihren  Maximalwerth  im  Juli 
1890,  bis  306°  heliocentrischer  Länge  des  Jupiter,  er- 
langend, als  der  letztere  dem  ( )rte  des  früheren  Kometen 
bis  auf  eine  Entfernung  von  1,24  (Einheit  des  Erdbahn- 
halbmessers) nahe  kam. 

Die  genäherte  Berechnung  der  speciellen  Störungen 
für  den  ganzen  Zeitraum  der  bedeutenden  Einwirkung 
des  Jupiter  ergiebt  in  Sumnm  für  das  Zurückweichen  des 
Knotens  etwas  über  4°,  bei  einer  Abnahme  der  Neigung 
um  0°,6. 

Zur  richtigen  Beurtheilung  aller  Umstände  der  Er- 
scheinung fügt  Herr  Bredichin  noch  hinzu,  dass  die  Er- 
scheinung der  Meteore,  in  schwächerem  Auftreten,  wenig- 
stens bis  zum  27.  November  fortgedauert  hat.  In  Pul- 
kowo wurden  am  25.  November  im  Laufe  von  IV2  Stunden 
8  Bieliden  in  die  Karte  eingetragen:  auf  der  Odessaer 
Sternwarte  sind  am  27.  November  ihrer  über  30  ver- 
zeichnet worden.  In  Archangelsk  wurde  am  26.  November 
ein  leuchtender  Bolide  beobachtet,  der  sich,  nach  Berech- 
nung der  eingegangenen  Beobachtungen,  direct  auf  den 
Bieliden-Radianten  zurückführen  lässt.  Grs. 


Ueber  die  Geschwindigkeit  des  (-rookes'schen 
Kathodeiistroms.  —  In  dem  am  10.  Februar  d.  J.  aus- 
gegebenen Hefte  der  Proceedings  of  the  Royal  Society 
findet  sich  eine  kurze  Notiz  Lord  Kelvin 's  über  das  be- 
zeichnete Thema.  Es  sei  erinnernd  bemerkt,  dass  der 
englische  Physiker  Crookes  schon  vor  Jahren  den  sogen. 
Kathodenstrom  entdeckte,  unter  welchem  Namen  er  die  Er- 
scheinungversteht, dass  in  einer  ni(iglichst  luftleer  gemachten 
Glasröhre,  die  der  Einwirkung  elektrischer  Kraft  uuterworfeu 


Nr.  19. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


191 


wird,  ein  vcni  der  Kathode  ausstrahlender  Strom  sich  l)ihk't. 
Crookes  fand,  dass  wenn  der  Strom  (oder  ein  Theil  des- 
selben) so  gerichtet  ist,  dass  er  auf  eine  Fläche  von  2  bis 
3  qcni  der  Röhre  auftrift't,  er  diesen  Theil  derselben  äusserst 
schnell  ganz  erlieblich  erwärmt,  und  zwar,  wie  Crookes 
mehrfach  beobaclitete,  um  20()  bis  300°  ('.  über  die  Tem- 
peratur  der  Umgebung. 

Die  Frage  nach  der  Geschwindigkeit,  mit  der  dieser 
Strom  sich  ausbreitet,  ist  von  ludicni  Interesse.  Lord 
Kelvin  geht  folgenden  Weg  zu  ihrer  Berechnung.  Es  sei 
■V  diese  Geschwindigkeit  (Centimeter  pro  Seeunde)  und 
Q  die  Menge  Materie,  welche  durch  alle  in  einem  von  dem 
Strom  passirten  Cubikcentimeuter  enthaltenen  Molecüle 
gegeben  ist.  Die  Crookes'schen  Experimente  machen  es 
nun  in  hohem  Grade  wahrscheinlich,  dass  die  \on  dem 
Strome  mitgerissenen  Molecüle  auf  die  Wand  der  Köhre 
so  auftrcrt'cn,  als  ob  sie  unelastische  Körper  wären,  und 
alle  ihre  translatorische  Energie  zur  Erhitzung  des  (xlases 
verwandt  werde.  Diese  so  in  Wärme  umgesetzte  Be- 
wegungsenergie ist  i)ro  Quadratcentimcter  der  getroffenen 
Fläche  und  pro  Zeitsecunde  gegeben  durch  den  Ausdruck 

^pi''';    in  Wärmeeinheiten    (Gramm,    Wasser,    Ceutigrad) 

entspricht  diesem  der  äquivalente  Ausdruck  -  pr'* :  42  000  000. 

Diese  Energiemenge  wird  nun  anfänglich  das  Glas  um 
den  Betrag 


42.10''-ö-a 

erwärmen,  wenn  a  die  specifische  Wärme  des  Glases  und 
a  die  Stärke  der  Röhrenwand  ist,  an  der  Stelle,  wo  die- 
selbe von  dem  Strome  getroffen  wird.  Ist  ferner  f  die 
Summe  des  Emissionsvermögens  der  inneren  und  des- 
jenigen der  äusseren  Oberfläche  der  Röhrenwand  an  der 
betrachteten  Stelle,  so  ist  der  Grenzwerth,  bis  zu  welcher 
auf  diese  Weise  die  Temperatur  des  Glases  gebracht  wird 

~e' 

Nun  ist  es  allerdings  wahrscheinlich,  dass  o  beträcht- 
lich verscliieden  ist  von  der  mittleren  Dichtigkeit  der 
trotz  der  Verdünnung  noch  in  der  Röhre  enthaltenen  Luft. 
Lord  Kelvin  nimmt  indessen,  um  ein  Beispiel,  eine  Ueber- 
schlagsrechnung  geben  zu  können,  q  =  10^*,  ein  Werth, 
der  also  die  mittlere  Dichtigkeit  der  erwähnten  Luftmenge 
darstellt,  wenn  die  Röhre  bis  zu  dem  durch  1U~''  gege- 
benen Theile  der  gewöhnlichen  Dichtigkeit  der  Luft  aus- 
gepumpt ist. 

Ferner  macht  der  Lord  noch  die  Annahme,  dass 
V  =  100  000  '^■"  pro  Seeunde  sei;  es  entspricht  dieser 
Werth  etwa  der  doppelten  mittleren  Geschwindigkeit  der 
Molecüle  der  Luft  unter  gewöhnlichen  Verhältnissen. 
Endlich   kann   für   die   gebräuchliclien   Glasröhren   gesetzt 

werden  ca  =  „  cm,  und  die  Annahme  £  =  1  :  3000  wird 

sieh  von  der  Wahrheit  nicht  weit  entfernen. 

Mit  diesen  numerischen  Annahmen  erhalten  wir  nun 
aus  den  ölten  gegebenen  Ausdrücken,  in  runden  Zahlen, 
1°  C  pro  Seeunde  für  die  anfängliche  Temperaturzunahme 
und  375°  C  für  die  endgiltige  erreichte  Temperatur.  Es 
sind  dies  Resultate,  welche  nur  wenig  abweichen  von  den 
durch  Crookes  selber  gefundenen. 

Der  Druck  eines  Kathodenstromes  von  den  hier  an- 
genommenen Geschwindigkeits-  und  Dichtigkeitsverhält- 
uissen  ist  ov" ,  d.  i.  100  Dyn  pro  Quadratcentimcter,  was 
sehr  gut  mit  Crookes'  mechanischen  Ergebnissen   stimmt. 

Aus  der  angestellten  üeberschlagsrechnung  geht  nun, 
wie  wir  aus  der  Ueberciustimmung  mit  den  Heobachtungs- 


resultaten  sehen,  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  her\or, 
dass  in  der  That  die  Geschwindigkeit  des  Kathodenstroms 
sich  nicht  erheblich  von  dem  Betrage  eines  Kilometers 
unterscheidet.  Diese  sehr  massige  Geschwindigkeit  er- 
klärt es  hinreichend,  warum  die  Erscheinung  sich  nicht 
auch  in  optischer  Beziehung  durch  Farbenverschiebung 
wahrnehmbar  machen  kann. 


Die    Einwürfe,    welche    man 


•n   die  Cronkes'sclie 


Theorie  eben  aus  der  Al)wesenheit  solcher  oj)tisehen  Be- 
gleiterscheinungen hat  hernehmen  wollen,  krmiien  daiier 
nach  der  ^Meinung  Lord  Kelvin's  wohl  nicht  mehr  auf- 
recht erhalten  werden.  Grs. 

Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben. 

Es  wurden  ernannt:  Professor  Penzoldt  zum  Directpr  der 
medicinischen  Poliklinik  in  Erlangen.  —  Dr.  Schotten,  Privat- 
docent  dei  Chemie  an  der  Heiliner  Universität,  zum  Tit.-Prof'essor.  — 
Privatdociait  Dr.  Nevinny  in  Wien  zum  ausserordentiiclien  I-'ro- 
fessor  der  Pharmakologie  und  Pharmakognosie  an  der  Univer- 
sität Innsbruck. 

Der  Professor  der  l^hysik  Dr.  Friedrich  Narr  von  der 
Universität  in  München  legt  aus  Gesundheitsrücksichten  sein  Lehr- 
amt nieder.  —  Der  Psychiater  Professor  VV  ernicke  hat  den  Ruf 
nach  Wien  abgelehnt. 

Es  sind  gestorben :  Der  Professor  der  pathologischen  Anatomie 
Dr.  Kundrat  in  Wien.  —  Dr.  Heinrich  Durege,  ordentlicher 
Professor  für  Mathematik  an  der  deutschen  Universität  Prag.  — 
Der  Ürnithologe  Francis  Orpen  Morris  zu  Nunburnholme 
(Yorkshire). —  Der  Reisende  und  Sammler  Henry  Whitely  im 
iiiuern  von  Britisch  Guayana.  —  Professor  Dr.  Eduard  Stein- 
acker,  Oberlehrer  für  Xaturwissenschaften  und  .Mathematik  am 
Kealgymnasium  zu  Braunschweig.  —  In  Kopenhagen  Dr.  Wilhelm 
Budde,  Redacteur  der  „Ugeskrift  for  Läger"  (.\\'ochenschrift  für 
Aerzte).  —  In  München  Dr.  J.  N.  Bischoff,  früher  Professor 
der  Mathematik  und  ( »bcrbibliothekar  an  der  Münchener  tech- 
nischen Hochschule.  —  In  Berlin  der  Geh.  .Medicinal-Rath  Dr. 
W  olf  f  C  oh  n.  —  In  München  der  Kgl.  bayerische  Generalarzt  a.  D. 
Dr.  Franz  v.  Sicherer.  —  lu  Folkestone  der  Geolog  und  Meteo- 
rolog  Henry  Francis  Blanford.  —  In  Leipzig  Oberstabsarzt 
Dr.  Heinrich  Balmer.  —  In  Ascherslebeu  Sanitätsrath  Dr. 
Emil  Otto  Gründler,  bekannt  durch  mikroskopische  Unter- 
suchungen über  die  niedrigsten  Lebewesen.  —  In  Paris  Dr.  Louis 
Desuos,  Präsident  der  Sociiite  nuidicale  des  höpitaux.  —  In  Paris 
der  Chirurg  Dr.  Paul  Horteloup.  —  In  Karlsruhe  der  Professor 
für  mechanische  Technologie  und  allgemeine  .Maschinenlehre  an 
der  technischen  Hochschule  Heinrich  Richard.  —  In  Ant- 
werpen der  belgische  Elektrotechniker  und  Physiker  Franz  van 
Ry  sselberghe.  —  In  Rudolstadt  der  Hofzahnarzt  Dr  med. 
Ad.  Härtung  —  In  Hannover  der  Director  des  zoologisclien 
Gartens  Christian  Kuckuck.  —  In  Lissabon  der  Chemiker  Dr. 
Agostino  Vicento  Louren(;o.  —  In  Rom  der  Leibarzt  des 
Papstes  Alessandro  Ceccarelli. —  In  Petersburg  der  Director 
der  Maximilian- Heilanstalt  und  Ordinator  des  Elisabeth -Kinder- 
Hospitals.  Wirklicher  Staatsrath  Dr.  Friedrich  Karlowitsch 
Arnheim.  —  In  Chicago  der  emer.  Professor  am  Rush-.Medical- 
College  Dr.  G  rah  am  F  i  tsch.  —  In  Sidney  der  Botaniker  Ro- 
bert Fitzgerald.  —  In  San  Salvador  der  Gynäkolog  Dr.  Rafael 
Izaguirre. —  In  Bahia  der  emer.  Professor  der  Geburtshilfe  und 
Gynäkologie  Dr.  Alves  de  Lima.  —  In  New -Orleans  der  Pro- 
fessor der  Anatomie  Dr.  Samuel  Logan.  —  In  Rom  der  Syphili- 
dolog  Professor  Casimiro  Manassei.  —  In  Port-Louis  (Insel 
Mauritius)  der  Conchyliolog  V.  de  Ro  bi  1  lard.  —  In  Tqkio  (Japan) 
der  Chemiker  Dr.  Gottfried  Wagner. 

Die  Jahresversammlung  der  American  Medical  Association 

wird  vom  6.  bis  9.  Juni  1893  in  Milwaukee  (Wisconsin)  stattfinden. 


Der  bei  Gelegenheit  der  oüOjährigen  Jubelfeier  des  Botanischen 
Gartens  der  Universität  Montpellier  stattfindende  internationale 
Botaniker-Congress   findet  erst  vom   10.  bis  18.  Juni  statt. 


Der    21.  Deutsche  Aerztetag    wird    in    Breslau    am   2(!.   uml 
27.   Juni  abgehalten   werden. 


L  i  1 1  e  r  a  t  u  r. 

Ernst  Haeckel,  Der  Monismus,  als  Band  zwischen  Religion 
und  Wissenschaft,  (.ilaubensbekenntuiss  eines  Naturforschers, 
vorgetragen  am  9.  October  1892  in  Altenburg  beim  75jährigen 
.lubiläum  der  Naturforschenden  Gesellschaft  des  Osterlandes. 
Verlag  von  Emil  Strauss.     Bonn  1892. 


192 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  19. 


Der  vorliegende  Vortrag  bietet  eine  kurze  Zusammenfassung 
der  naturphilosophisclien  Grund- Ansichteu  Haet-liel's,  die  dem 
freundlichen  Leser  aus  den  für  einen  grösseren  Kreis  berechneten 
Schriften  des  genannten  Geleln-ten  namentlicli  aus  seiner  natür- 
lichen Schöpfungsgeschichte  im  Grossen  und  Ganzeu  bekannt  sind. 
Vor  Allem  will  Haeckel  (seinem  Vorworte  gemäss)  erstens  der- 
jenigen Weltanschauung  Ausdruck  geben,  welche  durcli  die  neue- 
ren Fortschritte  der  Xaturkenntniss  geboten  ist,  und  zweitens 
möchte  er  ein  Band  zwischen  Religion  und  Wissenschaft  knüpfen! 
versöhnen.  Dass  eine  Versöhnung  von  Gemüth  und  Verstand 
überhaupt  nothwendig  ist,  scheint  dem  Referenten  hoher  Beach- 
tung werth :  es  zeigt  dies  eben,  dass  aus  den  Resultaten  der  reinen 
Wissenschaft  allein  eine  volle  Befriedigung  unseres  ganzen  Seins 
nicht  zu  erreichen  ist.  Seinen  Standpunkt  bezeichnet  H.  bekannt- 
lich als  Monismus,  und  seine  Rede  ist  daher  eine  Darlegung  des 
Monismus.  Wie  an  Allem,  was  H.  sehreibt,  ist  auch  an  der  vor- 
liegenden Rede  Klarheit  der  Gedanken   zu  rühmen. 


N.  Zograf,  Les  types  anthropologiques  des  Grands-Busses  de 
Gouvernements  du  centre  de  la  Russie.     Moskau  18112. 

Im  Auftrage  der  kaiserlichen  Gesellschaft  der  Freunde 
der  Naturwissenschaften  in  Moskau  hat  Zograf  in  den- 
jenigen Theilen  Russlands,  in  welchen  mau  die  ursprüng- 
lichen Wohnsitze  der  Begründer  des  heutigen  Zarenreiches 
erblickt,  niimlich  in  den  Gouvernements  Wladimir,  Jaroslaw 
und  Kostroma,  sehr  ausgedehnte  anthropometrische  Unter- 
suchungen angestellt.  Dieselben  sind  in  einer  ausserordentlich 
fleissigen,  leider  russisch  geschriebenen,  Monographie  niedergelegt, 
welche  177  Seiten  in  Grossquartformat  füllt  und  der  auf  über 
40  Seiten  Tabellen,  16  Karten  und  13'2  lithographische  Portraits 
beigegeben  sind.  Ein  unter  dem  obigen  Titel  angeführter  Auszug 
ermöglicht  es,  über  den  Inhalt  Folgendes  zu  berichten.  Fast 
"29  OOU  Untersuchungen,  für  welche  auch  die  ofticiellen  Aushebungs- 
listen benutzt  werden  konnten,  Hessen  erkennen,  dass  sich  die  be- 
treffende Bevölkerung  nach  der  Grös.se  in  drei  Gruppen  scheidet, 
in  eine  kleine  von  1610  bis  IÜ20  mm  Höhe,  eine  mittlere  von 
1650  mm  Höhe  und  eine  grosse  von  UiöO  bis  1690  mm  Höhe.  Die 
Kleinen  und  die  Grossen  unterscheiden  sich  auch  durch  eine  ganze 
Anzahl  von  anderen  anthropologiseheu  Merkmalen,  während  sich 
die  Mittleren  ganz  unzweifelhaft  als  ein  Mitclitypus  erweisen, 
welcher  einer  Kreuzung  der  beiden  anderen  Typen  seine  Ent- 
stehung zu  verdanken  hat.  Die  Kleinen  sind  dunkeläugig  mit 
überwiegend  braunen  oder  dunkelkastanienfarbigen  Haaren.  Ihre 
Kopfhöhe  und  ihr  Kopfumfang  sind  im  Verhältniss  grösser,  als 
bei  dem  grossen  Typus;  sie  sind  überwiegend  brachycephal,  bis- 
weilen mesocephal,  aber  niemals  doliehocephal,  auch  sind  sie 
chamiiprosop  (breitgesichtig),  jedoch  nahe  der  Grenze  der 
Leptoprosopie,  und  niesorhin,  manchmal  sogar  platyrhin.  Der 
innere  bianguläre  Durehmesser  ist  sehr  entwickelt  und  nähert 
sich  in  seiner  Gröfse  demjenigen  der  Völker  von  mongoloidem 
Ursprung.  Die  Länge  der  Unterextremitäten  entspricht  un- 
gefähr der  halben  Körpergrösse  und  somit  sind  sie  relativ 
küi-zer  als  diejenigen  der  Grossen ,  auch  sind  ihre  Hände 
und  Füsse  relativ  grösser  als  bei  diesen,  und  ein  bei  Russen  an 
und  für  sich  schon  grösseres  Maass,  gegenüber  anderen  Völkern, 
nämlich  der  Abstand  des  inneren  Knöchels  vom  Fussboden  ist 
ebenfalls  bei  den  Kleinen  grösser  als  bei  den  Grossen. 

Die  Grossen  haben  hellkastanienfarbiges  und  in  vielen  Fällen 
sogar  blondes  Haar.  Ihre  Schädel  sind  subbrachycephal  bis 
mesocephal,  bisweilen  sogar  doliehocephal,  ihre  Gesichter  lepto- 
prosop  (schmalgesichtig),  aber  nahe  der  Grenze  der  Chamae- 
prosopie ;  dabei  sind  sie  leptorhin,  jedoch  nahe  der  Grenze  der 
Mesorhinie.  und  ihr  innerer  biangulärer  Durchmesser  ist  zwar  wohl 
entwickelt,  aber  nicht  von  demjenigen  anderer  europäischer  Völker 
verschieden.  DieUnterestremitäten  übc-rtrett'en  an  Länge  beträchtlich 
die  halbe  Körpergrösse.  Sie  sind  daher  auch  relativ  länger  als  bei 
den  Kleinen  und  ihre  Hände  und  Füsse  sind  kleiner  als  bei  diesen. 
Dieser  grosse  Typus  ist  am  deutlichsten  in  den  West- 
districten  des  Gouvernements  Jaroslaw,  die  dem  Gouvernement 
Nowgorod  benachbart  sind.  In  lUesem  Letzteren  sitzen  die 
Nachkommen  der  Begründer  des  russischen  Reiches,  der  Now- 
goroder Slaven.  Der  kleine  Typus  tritt  am  besten  in  dem 
Nordosten  des  Gouvernements  Kostroma  auf.  Diesem  benach- 
bart ist  das  in  seinen  Ostdistricten  von  Zj'rianen  bevölkerte 
Gouvernement  Wologda  und  das  in  seinen,  Kostroma  benach- 
barten Theilen,  von  den  Wotjäken  bevölkerte  Gouvernement 
Wiatka.  Auch  in  den  Districten  von  Suzdal  und  Juriewdes 
Gouvernements  Wladimir,  welche  einst  von  den  M  eriane  n  oder 
Meria,  einem  wahrscheinlich  Uralo- AI  taisch  en  Volke  besiedelt 
waren,  sowie  in  dem  einst  von  einer  gleichen  Bevölkerungsgruppe, 
den  Muromiern  oder  Muroma  bewohnten,  dem  unteren  Laufe 
der  (Jka  benachbarten  Gebieten  desselben  Gouvernements  beob- 
achtet man  ebenfalls  den  kleineu  Typus  häufig. 

Zograf  erkennt  in  dem  kleinen  Typus  die  Nachkommen  der 
alten    U  ralo- Altaier,   der  antiken,    eingeborenen    Bevölkerung, 


welche  von  den  vom  Westen,  von  den  Ufern  des  Dnieper 
hier  kolonisirend  vordringenden  Slaven  vorgefunden  wurden.  Die 
Nachkommen  dieser  Slaven  oder  dieser  Slavo-Li  thau  er, 
welchen  auch  die  in  den  Kurganen  repräsentirte  Bronzecultur  zu- 
geschrieben wird,  sind  in  dem  grossen  Typus  wiederzuerkennen. 
Somit  bestätigen  auch  diese  anthropometrisehen  Untersuchungen, 
dass  diese  Gross-Russen  ein  Mischvolk  darstellen,  das  aus  zwei 
Bevölkerungsgruppen  vou  slav  o-li  thau  ischeni  und  uralo- 
altaiscbem  Ursprung  hervorgegangen  ist.  Max  Bartels. 


Joseph  Müller,  TJeber  Oamophagie.  Ein  Versuch  zum  weiteren 
Ausbau  der  Theorie  der  Befruchtung  und  Vererbung.  Vei'lag 
von  Ferd.  Enke.     Stuttgart  1892.  —  Preis  1,60  Mark. 

Die  sehr  interessante  Broschüre  baut  die  von  Weismann  be- 
gründete Lehre  von  der  „Amphimixis"  aus,  die  in  der  „Naturw. 
Wochenschr."  Bd.  VII.  S.  141  tF.  eingehender  zur  Darstellung  ge- 
kommen ist.  Weismann  ist  zu  dem  Resultat  gekommen,  dass  das 
Wesentliche  der  Befruchtung  in  der  Vereinigung  zweier  Ver- 
erbungstendenzen, in  der  Vermischung  der  Eigenschaften  zweier 
Individualitäten  zu  suchen  ist.  Jede  Keimzelle  (wie  schon  die  in 
manchen  Fällen  bekannte  Parthenogenese  von  Eizellen  andeutet), 
sowohl  ilie  weibliche  als  auch  die  männliche,  enthält  die  Anlagen 
für  sämnitliche  Organe.  Bei  geschlechtlicher  Vereinigung  der- 
selben, einer  männlichen  mit  einer  weiblichen  muss  daher  die 
Hälfte  der  Anlagen  eliminirt  Werden.  Weismann  meinte,  dass  die 
Bildung  der  „Richtungskörperchen"  als  eine  solche  Eliminirung 
aufzufassen  sei;  jedoch  findet  die  Bildung  derselben  bekanntlich 
vor  der  Vermischung  der  Geschlechtszellen  statt.  Müller  macht 
nun  darauf  aufmerksam,  dass  die  Reduction  des  Keimstoffs  vor 
der  Befruchtung  nicht  die  entscheidende  Reduction  sein  kann, 
nicht  die,  die  der  Verdoppelung  dieses  Keimstoft'es  durch  die 
Amiiliimixis  das  Gleichgewicht  hält,  vielmehr  kann  die  Ausschaltung 
der  überflüssigen  Organanlagen  erst  nach  erfolgter  Vereinigung 
der  beiden  Keimzellen  stattfinden. 

,.Je  zwei  homologe  (»rgananlagen  (oder  homologe  Elemente 
solcher)  treten  nach  vollzogener  Befruchtung,  nach  der  Vereinigung 
von  Spermakern  und  Eikein  zum  Furchungskern,  miteinander  in 
unmittelbaren  Kontakt  und  in  Stotfwechselbeziehungen,  nämlich 
in  eine  Konkurrenz  um  die  Nahrung  ein,  die  für  beide  in  dem 
auf  sie  entfallenden  Tlieile  der  passiven,  plasmatischen  Substanz 
der  Eizelle  gegeben  ist.  Sie  treten  so  miteinander  in  einen 
Kampf  ums  Dasein  ein.  In  diesem  Kampfe  siegt  das  kräftigere 
der  beiden  Elemente,  seine  Entwickelung  schreitet  ungehemmt 
vorwärts,  seine  Structur  beharrt  und  drückt  dem  entsprechenden 
fertigen  Theil  des  neuen  Wesens  den  Stempel  seiner  Vererbungs- 
tendenz auf.  Das  minder  kräftige  der  beiden  Elemente  bleibt  in 
diesem  Wettbewerb  zurück,  es  unterliegt  im  Kampf  ums  Dasein, 
in  der  Concurrenz  um  die  Nahrung,  seine  Entwickelung  bleibt 
stehen,  seine  Vitalität,  sein  Vermögen  der  Assimilation  muss  er- 
löschen. Schliesslich,  nachilem  seine  Activität  zum  Stillstande 
gekommen  ist,  sinkt  es  zur  passiven  Rolle  der  plasmatischen  Ele- 
mente des  Eies  herab,  es  wird  zum  blossen  Bau-  und  Nährmateriale 
und  als  solches  vom  anderen  homologen  Elemente  endlich  assi- 
milirt.  Seine  Structur,  die  festen  Lagerungsverhältnisse  seiner 
Molecüle,  und  damit  seine  Vererbungsfäbigkeit,  nniss  dabei  ver- 
loren gehen,  es  geht  als  blosser  Stotf  in  die  Organisation  seines 
Gegners  über,  lagert  seine  Molecüle  in  die  durch  des  Gegners 
Structur  gegebenen  Formen  ein  —  kurz:  von  je  zwei  homo- 
logen Elementen  der  vereinigten  Keim  Substanzen  be- 
siegt schliesslich  das  eine  das  andere,  assimilirt  es, 
zehrt  es  auf." 

Diesen  Vorgang  nennt  M.  „Gamophagie". 

„Der  Zweck  der  Gamophagie  ist,  dem  Kampf  ums 
Dasein  einen  günstigen  Kampfplatz  anzuweisen,  die 
zweigeschlechtliche  Zeugung  zu  einem  Mittel  der  Se- 
lection  zu  machen." 

Da  das  Heft  ausser  dieser  kurzen  Andeutung  seines  Haupt- 
inhaltes noch  so  viel  Beachtenswerthes  enthält,  und  da  wir  aus 
Platzrücksichten  hier  die  triftigen  Begründungen  des  Autors  ausser 
Acht  lassen  müssen,  so  wird  der  Interessent  ein  Studium  der 
Original-Arbeit  nicht  umgehen  können. 


Breluns  Thierleben.  Dritte,  neubearbeitete  Auflage,  von  Prof. 
Dr.  Pechuel-Loesche,  Dr.  W.  Haacke,  Prof.  Dr.  0.  Boettger, 
Prof.  Dr.  E.  L.  Taschenborg  und  Prof.  Dr.  W.  Marshall.  Gr. 
8°.  Mit  1900  Abbildungen,  12  Karten  und  179  Tafeln  in  Holz- 
schnitt u.  Farbendruck.  10  Bände.  Leipzig  und  Wien.  Biblio- 
graphisches Institut,  1892  —  1893.  —  Preis  ä  Band  geb.  15  Mk. 
Bd.  X.  Die  niederen  Thiere.  Von  Prof.  Dr.  Oskar  Schmidt. 
Neubearbeitet  von  Prof.  Dr.  W.  Marshall.  Mit  496  Abbil- 
dungen im  Text,  16  Tafeln  und   1  Karte. 

Mit  dem  vorliegenden  Bande  ist  die  neue  Auflage  von  Brehms 

Thierleben  abgeschlossen.     Wir  haben  schon  in  Bd.  V  S.  440  un- 


Nr.  l!t. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


193 


serer  Freude  darüber  Ausdruck  gegeben,  dass  die  Neubearbeitung 
desselben  von  Prof.  W.  Marshall  übernommen  worden  ist,  der  wie 
Wenige  es  versteht,  Wissenschaftlichkeit  zu  verbinden  mit  populärer 
Darstellung.  An  dem  Abschnitt,  der  die  Weichthiere  behandelt,  fand 
Marshall  fast  nichts  zu  ändern,  da  hier  mehr  auf  den  Gebieten  der 
Anatomie  und  Entwicklungsgeschichte,  dicnaturgemässindem  Werk 
zurücktreten,  in  den  letzten  10  Jahren  Fortschritte  zu  verzeichnen 
sind.  Die  Tiefseethiere,  die  wir  erst  in  der  Zeit  seit  dem  Er- 
scheinen der  2.  Aufl.  eingehender  kennen  gelernt  haben,  sind  ge- 
bührend berücksichtigt  worden,  und  auch  sonst  sehen  wir  die 
neueren  Erkenntnisse  überall  verwerthet.  Die  Abbildungen 
wurden  um  5  farbige  Tafeln,  drei  schwarze  Vollbilder,  7:i  Text- 
abbildungen und  eine  farbige  Karte  der  Erde,  welche  die  Ver- 
breitung wichtiger,  niederer  Thiere  veranschaulicht,  vermehrt. 
—  Das  stattliche  zehnbändige  Werk,  eine  Zierde  jeder  Bibliothek, 
wird  zweifellos  auch  fernerhin  wesentlich  dazu  beitragen,  natur- 
wissenschaftliche Kenntnisse  im  Volke  zu  verlireiten. 

Dr.  F.  Hock,  Nadelwaldflora  Norddeutschlands.  Eine  |)ttanzen- 
geogi-aidiische  Studie.  (Forschungen  zur  deutschon  Landes-  und 
Volkskunde  herausgegeben  von  Prof.  A.  Kirchhotf,  VII.  Band, 
Heft  4.)  Mit  einer  Karte.  Verlag  von  J.  Engelhorn.  Stuttgart 
1893.  —  Preis  3  M. 

Verf.  giebt  nach  einer  Uebersicht  über  die  fünf  norddeutschen 
Nadelhölzer,  der  Eibe  (unveröffentlichte  Notizen  von  Conwentz  über 
das  Vorkommen  in  Ostpreussen  und  Pommern),  der  Kiefer,  der 
Fichte,  der  Tanne  und  des  Wacliholdcrs  eine  Aufzählung  der 
wichtigsten  Begleitpfianzen  (incl.  Kryptogameu)  der  Kiefern-  und 
dann  der  Tannen-  und  Fichtenwälder.  Diese  Pflanzenarten  sind 
nach  biologischen  Gesichtspunkten  geordnet  und  im  Anschluss  an 
die  Kernersche  Terminologie  als  Gehölz,  Gesträuch,  Gestände, 
Gekraut,  (nicht  perennire'nde  Dikotylen),  Gehälm  (grasartige), 
Geblätt  von  Farnen,  Geäs  (mit  diesem  von  Hock  eingeführten 
Namen  werden  sowohl  phanerogamische  Parasiten  als  epiphytische 
Pilze  belegt)  und  Gefilz  (Moose  und  Flechten)  bezeichnet.  Hier- 
auf folgt  als  Haupttheil  der  Arbeit  eine  Aufzählung  der  charakte- 
ristischen Kiefernwaldbegleiter,  welche  ebenso  wie  die  Kiefer  in 
der  nordwestdeutschen  Ebene  fehlen.  Diese  Liste  ist  vom  Verf. 
soeben  noch  einmal  in  wesentlich  verbesserter  Gestalt  in  den  Be- 
richten der  Deutschen  Botanischen  Gesellschaft  (März  1893)  ver- 
öffentlicht worden.  Kürzer  bespricht  Verf.  das  Vorkommen  der- 
jenigen Kiefernwaldpflanzen,  welche  das  Gebiet  des  Scliutzbauines 
'beträchtlich  überschreiten  und  zum  Theil  gar  keine  Ueberein- 
stimmung  mit  dessen  Verbreitung  zeigen. 

Ueber  die  Begleitpflanzen  der  Fichte  und  Tanne,  welche  na- 
mentlich letztere  "einen  ziemlich  kleinen  Theil  des  Gebietes  be- 
wohnen, konnten  nur  kurze  und  zum  Theil  problematische  An- 
deutungen gegeben  werden.  An  der  Hand  der  bisher  verzeich- 
neten Thatsachen  legt  Verf.  hierauf  dai-,  wie  er  sich  die  Geschichte 
.  der  Einwanderung  der  Nadelwaldflora  vorstellt,  von  welcher  ein 
beträchtlicher  Theil  sicher  zugleich  mit  der  Kiefer  zu  seinen 
jetzigen  Wohnsitzen  gelangt  ist.  In  Betreff  der  interessanten  auch 
in  diesen  Blättern  bereits  berührten  Frage,  weshalb  die  in  einer 
geologisch  jungen  Vorzeit,  wie  die  zahlreichen  Moorfunde  beweisen, 
vorhanden  gewesene  Kiefer  (und  Fichte)  aus  einem  beträchtlichen 
Theile  des  nordwestlichen  Europas  verschwunden  ist,  erklärt 
sich  Verf.  wohl  mit  Recht  gegenüber  der  ethnographischen  Auf- 
fassung Ernst  H.  L.  Krauses  für  klimatische  Gründe.  Den  Be- 
schluss  macht  eine  tabellarische  Zusammenstellung  der  Verbreitung 
der  wichtigsten  Begleitpflauzen  der  Kiefer  in  einigen  Grenzge- 
bieten derselben.  Ein  glücklicher  Gedanke  ist  die  Bezeichnung 
der  grösseren  oder  geringeren  Uebereinstimmung  durch  Zahlen; 
in  noch  instructiverer  Weise  sind  diese  theils  positiven,  theils 
negativen  Werthe  in  einer  gleichzeitig  im  Bot.  Centralbl.  1892  er- 
schienenen Skizze  über  die  wichtigsten  Begleiter  der  Buche  zu 
Gesammtwerthen  verbunden.  Auf  der  lieigegebenen  Karte  sind 
die  Verbreitungsgrenzen  resp.  die  zerstreuten  Fundorte  der  Eibe, 
sowie  die  Grenzlinie  der  hauptsächlichsten  Kiefernwaldbegleiter  in 
übersichtlicher  Weise  dargestellt.  Der  Verfasser  hat  es  bei  der 
Bearbeitung  dieses  schwierigen  Themas  an  Scharfsinn,  Fleiss  und 
Gewissenhaftigkeit  nicht  fehlen  lassen  und  hat  mithin  eine  höchst 
werthvolle  und  zuverlässige  Arbeit  geliefert.  In  Anerkennung 
der  vielfachen  Hilfe,  welche  ihm  Prof.  P.  Ascherson  dabei  ge- 
leistet, ist  die  Abhandlung  „dem  unermüdlichen  Erforscher  der 
Flora  Norddeutschlands"  gewidmet.  P.  Graebner. 


Prof.  Dr.  A.  Peter,  Wandtafeln  zur  Systematik,    Morphologie 
und  Biologie  der  Pflanzen  für  Universitäten    und  Schulen. 

Tafel  I— V.     Verlag  von  Theodor  Fischer  in  Cassel.     1892— ISi);;. 

Preis  k  Tafel  2  M. 

Das  auf  100  Tafeln  geplante  Unternohmen  bildet  eine  treff- 
liche Ergänzung  zu  den  meisterhaften  Kny 'sehen  Wandtafeln 
vorwiegend  anatomischen  Inhalts.  Die  vorliegenden  b  Tafeln 
sind  geschickt   und    zweckmässig    zusammengestellt.     Obwohl   die 

Objecte  im  Allgemeinen  nur  in        oder  etwas  grösser  oder  kleiner 


zur  Darstellung  gebracht  sind,  so  reicht  die  Grösse  doch  voll- 
kommen für  einen  massig  grossen  Hör-  oder  Schulraum  aus,  denn 
die  gewählten  lebhaften  Farben  lassen  die  einzelnen  Theile  der 
Darstellungen  gut  hervortreten.  ,  .      t^ 

Tafel  1  bietet  eine  J  und  eine  Q  Blume  von  Cucurbita  l  epo 
und  die  Frucht  von  Cyclanthera  e.xplodens,  Tafel  II  erläutert  den 
Blumen  und  Fruchtbau  der  Viola  tricolor.  Taf,  III  denjenigen 
der  Papaveraceen,  Tafel  IV  denjenigen  der  Liliaceen  und  Ainarylli- 
daceen  und  Taf.  V  denjenigen  der  Palmen.  Zu  jeder  Tafel  gehört 
eine  kurze  Text-Erläuterung,   die  auf  das  Wichtigste  aufmerksam 

macht.  ,.     ,r     ,  i  li    •    I 

Es  erscheint  sehr  zweckmässig,  dass  die  Verlagsanstalt  jede 
Tafel  einzeln  abgiebt,  sodass  sich  jeder  nach  seinen  Bedürtnissen 
und  Geldmitteln  die  ihm  passend  scheinende  Tafel-Zusammen- 
stellung anschaffen  kann. 


Richard  Andree's    allgemeiner  Handatlas.     3.    völlig  neubear- 
beitete,  stark  vermehrte  Aufl.  herausgegeben    von   der  geogra- 
phischen Anstalt  des  Verlages  von  Velhagen  &  Klasmg  in  Biele- 
feld und  Leipzig.     1892.  1893.  —  2.-(;.  Abtheilung  ä  2  M. 
Seit  unserer  letzten  Besprechung  des  hübschen  grossen  Atlasses 
von  Richiird  Andree  auf  Seite  325  Bd.  VII  der  Naturw.  Wochen- 
schrift sind  5  weitere  Abtheilungen  (im  Ganzen  24  Lief,  ä  50  M.) 
erschienen,    das    ist    genau    die    Hälfte    des   auf   12  Abtheilungen 
(48  Lief.)  berechneten  Werkes.    Wie  die  früheren  bieten  auch  die 
Karten    der    vorliegenden   Abtheilungen    sehr    viel   und    trotzdem 
sind  sie  überraschend  klar.     Im  Ganzen  sind  bis  jetzt  46  Doppel- 
blätter zur  Ausgabe   gelangt.      Wir   beschränken    uns    heute    aut 
diese  Angaben  in  der  Absicht,  nach  dem  vollständigen  Erscheinen 
des  tri'tt'lichen  Werkes  d.asselbe  eingehender  zu  besprechen. 

Geheimrath  Dr.  Wilhelm  Kunge,  Das  Ruhr-  Steinkohlen- 
becken. Mit  ;;  Tafeln  in  Schwarzdruck  und  9  farbigen  Tafeln. 
Berlin   l!-92.     Berl.  Lithogr.  Iiist.   Julius  Moser.  —    Preis  30  M. 

D.as  Erscheinen  dieses  Werkes  kann  nur  mit  Freuden  begrusst 
werden,  da  es  einem  seit  langer  Zeit  empfundenen  Mangel  ab- 
hilft. Die  Litteratur  über  die  Westfälische  Steinkohlenablagerung 
hat  mit  der  gewaltigen  Entwicklung  des  Bergbaues  und  unserer 
dadurch  vermehrten  Erkenntniss  der  ganzen  unterirdischen  V  er- 
hältnisse  nicht  gleicdien  Schritt  gehalten  ;  seit  Lottner's  .,Geog- 
nostischer  Skizze"  aus  dem  Jahre  1859  ist  eine  übersichtliche  Dar- 
stellung des  Westfälischen  Steinkohlengebirges  nicht  wieder  ge- 
liefert Worden.  Wenn  in  dein  Runge'schen  Werk  auch  keine 
grösseren  Ergebnisse  eigener  wissenschaftlicher  Forscliuug  nieder- 
gelegt sind,  so  hat  der  Autor  es  doch  verstanden,  das  umfang- 
reiche Material  übersichtlich  zu  ordnen  und  unser  jetziges  Wissen 
liber  die  mannigfaltigen,  oft  complicirten  Verhältnisse  des  Ruhr- 
kohlenbeckens in  klarer  Weise   zur  Anschauung  zu  bringen. 

Das  371  Seiten  umfassende  Werk  gliedert  sich  in  drei  Theile. 
Im  ersten  allgemeinen  Theil  werden  die  allgemeinen  geologischen 
Verhältnisse  der  Steinkohlenablagerung,  die  Beziehungen  des 
Carbons  zu  älteren  und  jüngeren  Formationen,  die  Lagerungsver- 
hältnisse mit  ihren  Falten  und  Störungen  und  die  Gliederung  der 
Schichtenfolge  behandelt.  Eine  kurze  Besprechung  der  bisher 
noch  ganz  ungenügend  bearbeiteten  organischen  Reste,  nament- 
lich der  fossilen  Pflanzen,  bildet    den  Schluss    des   ersten   Theils. 

Den  Inhalt  des  zweiten  Theils  bildet  eine  eingehende  Dar- 
stellung der  speciellen  Verhältnisse  in  den  einzelnen  Flötzgruppen 
und  Mulden.  Eine  Reihe  vortrefflicher  Profile,  sowie  eine  schon 
früher  von  demselben  Verfasser  herausgegebene  Flötzüliersichtskarte 
erleichtern  das  Verständniss  der  oft  verwickelten  Verhältnisse  un- 
gemein. Die  einzelnen  Flötzpartien  (von  uuten  nach  oben  die 
magere,  Ess-,  Feit-,  Gas-  und  Gasflammkohlenpartie)  werden  be- 
sprochen, die  wichtigeren  darin  auftretenden  Plötze  nach  Be- 
schaffenheit und  Ausdehnung  dargestellt,  die  Lagerungsverhält- 
nisse der  Schichten,  die  Beschaffenheit  des  Nebengesteins,  das 
Auftreten  charakteristischer  Schichten  geschildert,  kurz,  eine  bis 
ins  kleinste  gehende  Darstellung  der  gesanimten  bis  heute  be- 
kannten Verhältnisse  unseres  Steinkohle  führenden  Carbons  ge- 
geben. Einen  besonderen  Wertli  hat  Runge  auf  die  Ermittelung 
des  Verhältnisses  zwischen  bauwürdiger  Kohle  und  der  Mächtig- 
keit des  Nebengesteins  für  die  einzelnen  Flötzgruppen  gelegt. 
Aus  einer  Durdischnittsrechnung  für  das  ganze  Revier  ergiebt 
sich,  dass  die  Anzahl  der  bis  jetzt  bekannten  l)auwürdigen  Flötze 
höchstens  91  beträgt  mit  einer  Gesammtmächtigkeit  von  69  m 
reiner  Kohle. 

Der  dritte  Theil  ist  allgemeinen  technischen  und  wirthschaft- 
lichen  Verhältnissen  des  Steinkohlenbergbaues  gewklmet.  Die 
Entwicklung  dieses  Bergbaues  bis  zu  seiner  jetzigen  Grösse,  seine 
Beziehungen  zu  andern  Industrien,  sein  Verhältniss  zu  wirthschaft- 
lichen  Faktoren  (z.  B.  Kanalbauten,  die  Lage  der  Arbeiter  u.  s.  w.) 
werden  einer  mehr  oder  weniger  eingehenden  Besprechung  unter- 
zogen. Den  Schluss  des  Werkes  bildet  ein  interessanter  Versuch, 
den  noch  vorhandenen  Kolilenvorrath  des  Westfälischen  Reviers 
zu  berechnen.  Der  Verf.  konmit  hierbei  zu  dem  Resultat,  dass 
bis    zu    einer    Tiefe    von     lOUO    m    noch    18    Milliarden    Tonnen 


194 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  ly. 


Steinkohlen    anstehen,    deren    Erschöpfung    unter    gewissen    Vor- 
aussetzungen in  etwa  300 — 500  Jahren  erfolgt  sein  würde. 

Die  Ausstattung  des  Werkes  (Druck,  Papier,  Karten  etc.)  ist 
vorzüglich.  Allen  denen,  die  sich  eingehender  mit  den  Verhältnissen 
des  Westfälischen  Steinkohlenbergbaues  bekannt  machen  wollen, 
muss  Runge's  Werk  in  erster  Linie  empfohlen  werden. 

Dr.  Leo  Cremer. 


The  Ibis,  a  öuarterly  Journal  of  Ornithology.  Heraus- 
gegeben von  Philip  Lutley  Sclater.  Verlag  von  Gurney  ad 
Jackson.  1.  Paternoster  Kow;  London  1893.  Jährlich  4  Hefte. 
Subscriptionspreis  Lstr.  1,  1  s.  G.  Serie,  Band  5,  No.  17  (Preis  6  s). 
Von  dem  reichen  Inhalte  nennen  wir  G.  E.  Schelley:  Verzeich- 
niss  der  von  Alexander  Whj'te  in  Nyassaland  gesammelten  Vögel. 
Die  Sammlung  ist  wichtig  für  die  Beantwortung  der  Frage,  wie 
weit  die  südafrikanische  zoologische  Subregion  sich  im  Osten  des 
Continents  erstreckt.  Im  Westen  desselben  wird  sie  durch  den 
eine  markante  Grenze  bildenden  Quanza-Fluss  abgeschlossen,  im 
Osten  reicht  sie  nordwärts  bis  zum  10.  Grad  s.  Br.  und  umfasst 
östlich  noch  den  Rand  des  Hochlandes  zwischen  Nyassa-See  und 
Ostküste.  Von  den  134  Arten,  unter  denen  12  neu  sind,  .sind  47 
beinahe  über  ganz  Afrika  verbreitet,  4.5  werden  auch  in  der  süd-, 
19  in  der  ostafrikanischen  Subregion  angetroffen  und  23  sind 
charakteristisch  für  den  Zambesi-  und  Shire-District.  Hierzu 
3  Tafeln.  —  Frank  E.  Beddard:  lieber  die  Osteologie,  Ptery- 
glosis  und  Muskel-Anatomie  von  Heliornis  surinamensis.  (Ver- 
gleichende Untersuchungen  über  den  Bau,  besondeis  der  Muskeln, 
der  Gattungen  Heliornis  und  Podica  der  Heliornithidae.  —  R.  Ly- 
dekker:  Ueber  die  ausgestorbenen  Riesenvögel  Argentiniens. 
Die  in  den  Tertiärschichten  Argentiniens  vorkommenden  Reste 
von  Riesenvögeln  werden  auf  ihre  Gattungscharaktere,  ihre  Zu- 
gehörigkeit zu  den  Ratiten  untersucht,  und  verglichen  mit  den 
Moas  Neu-Seelands  und  den  Tertiärvögeln  Europas.  -  Henry  See- 
bohm:  Ueber  die  Vögel  der  Loo-Choo-Inseln  (Japan).  —  F.  W. 
Styan:  Ueber  !)  augenscheinlich  neue  Vogel-Species  von  Heinan 
(China).  H.  E.  Barnes:  Ueber  die  Vögel  Adens.  Der  Verfasser,  ein 
lange  Zeit  in  Aden  stationirt  gewesener  Offizier,  theilt  allgemeine 
Beobachtungen  über  die  Lage,  das  Klima,  die  Fauna  und  andere 
Verhältnisse  der  bekannten  englischen  Station  mit  und  beschreibt 
alsdann  in  dem  vorliegenden  Aufsatze,  dem  noch  weitere  folgen 
sollen,  63  Arten  von  Vögeln.  1  Kartenskizze.  —  R.  W.  Schu- 
feid: Vergleichende  Notizen  über  die  Trochiliden  und  Gypseliden. 
Nach  einer  sehr  sorgfältigen  Untersuchung  der  Lebensverhältnisse, 
Osteologie  und  Anatomie  der  beiden  Subordnungen  kommt  der 
Verfasser  zu  dem  Schlüsse,  dass  dieselben  morphologisch  nicht 
mit  einander  verwandt  sind.  —  R.  C.  L.  Perkins  :  Sammelnotizen 
aus  dem  KonaBezirk  auf  Hawaii.  Kurze  Mittheilungen  über  die 
Natur,  das  Pflanzenleben,  besonders  aber  die  Fauna  des  Kona- 
Bezirkes  (westlicher  Theil  Hawaiis).  —  Walter  Rothschild: 
Beschreibung    dreier    neuen    Vögel    von    den  Sandwich-Inseln.  — 

F.  K. 


Zeitschrift  für  Krystallographie  und  Mineralogie.  Bd.  21, 
Heft  3.  Leipzig  1893.  —  Brögger:  Sundtit,  ein  neues  Mineral 
von  Oruro  in  Bolivia.  Kr3'stallographische  und  Chemische  Be- 
schreibung eines  neuen  Silbererzes,  welches  in  holoedrischen 
Formen  des  rhombischen  Systems  krystallisirt.  Baum  hau  er: 
Krystallographische  Notizen.  Krystallographische  Beschreibungen 
dreier  seltener  Krystall vorkommen:  Gelber  Diopsid  von  Grau- 
bünden; deutlich  hemiedrische  Binnitkrystalle  vom  Lengenbache; 
ein  Zwillingskrystall  von  Joi'danit  (Binnenthal).  Goldschmidt: 
Goniometer  mit  zwei  Kreisen.  Verfasser  stellt  das  schon  lange 
zur  Bestimmung  der  Sternörter,  sowie  der  Punkte  an  der  Erdober- 
fläche benutzte  Instrument  dar,  und  hält  dasselbe,  besonders  wenn 
noch  einige  von  ihm  beabsichtigte  Verbesserungen  daran  vorge- 
nommen sind,  zu  Krystallmessungen  (Krystallmessung  durch  Orts- 
bestimmung) sehr  geeignet.  Zu  dieser  nnd  der  vorhergehenden 
Abhandlung  gehört  eine  Tafel.  Fock:  Krystallographisch-che- 
mische  Untersuchungen.  13.  Reihe,  Beschreibung  einer  Anzahl 
künstlich  dargestellter  Krystalle  nach  den  beiden  Richtungen  hin. 
Igel  ström:    Melanostibian,    ein   neues  Mineral  von  der  Mangan- 


erzgrube Sjögrufvan,  Kirchspiel  Grythyttan,  Gouvernement  Crebro, 
Schweden.  Wesentlich  chemische  Untersuchungen  eines  neuen 
Antimonininerals.  Wulff:  Ueber  die  Vertauschung  der  Ebene 
der  sternographischen  Projection  und  deren  Anwendungen.  Der 
Verfasser  entwickelt  eine  sehr  einfache,  leicht  anzuwendende  Con- 
structionsuiethode  zwecks  Vertauschung  der  sternograj^hischen 
Projectionsebene,  was  bisher  noch  nicht  versucht  worden  ist. 
Einige  kürzere  Originalmittheilungen  und  Notizen,  sowie  zahl- 
reiche Auszüge  von  Arbeiten  aus  den  Gebieten  der  Krystallogra- 
phie und  Mineralogie  bilden  den  weiteren  Inhalt  des  Heftes. 

F.  K. 

Botanische  Jahrbücher  für  Systematik,  Fflanzengeschichte 
und  Pflanzengeographie,  herausgegeben  von  A.  Engler.  Leipzig, 
lb92.  Band  15.  Heft  5.  —  Robert  Keller:  Beiträge  zur  Kennt- 
niss  der  bosnischen  Rosen.  Der  Verfasser  unterzieht  die  in  Bos- 
nien heimische  Rosa  Malyi  Kerner,  sowie  die  von  ihr  abgetrennten 
Varietäten  einer  kritischen  Besprechung  und  untersucht,  ob  die 
Hauptform  als  eine  der  Rosa  alpina  coordinirte  Art  gelten  darf. 
A.  Engler,  Beiträge  zur  Flora  von  Afrika.  IV.  (Aufzählung  und 
kurze  Beschreibung  von  Gattungen  und  Arten.)  Enthält  folgende 
Abschnitte:  J.  Müller:  Die  in  den  verschiedenen  deutschen  afri- 
kanischen Schutzgebieten  gesammelten  Eichenen  und  Revision 
der  Stein'scheu  Uebersicht  über  die  von  Dr.  Hans  Meyer  in  Ost- 
Afrika  gesammelten  Flechten.  F.  Fax:  Afrikanische  Eu])horbia- 
ceen  I  (Phyllanthoideae  und  Crotoneae).  O.  Hoffmann:  Afri 
kanische  Compositen.  —  H.  Harms;  Ueber  die  Verworthung 
des  anatomischen  Baues  für  die  Umgrenzung  und  Eintheiluug  der 
Passifloraceae.  Der  Verfasser  untersucht  die  von  Beutham  und 
Hooker  als  Farn,  der  Passifloraceae  angesprochenen  Formen  auf 
ihre  Zusammengehörigkeit  und  kommt  zu  dem  Schlüsse,  dass  dazu 
nur  die  Gruppen  der  Passifloreae  im  Sinne  de  Candoll's  und  der 
Acharieae  zu  stellen  seien;  die  Malesherbieae  bilden  dagegen  eine 
eigene  Farn,  der  Malesherbiaceae,  während  man  die  Paropsieae 
entweder  auch  als  selbststandige  Familie  betrachten,  oder  in  die 
Nachbarschaft  der  Sauiydeae  zu  den  Flacurtiaceae  stellen  kann. 
1  Tafel.  —  Dem  Hefte  ist  No.  38  des  „Beiblattes  zu  den  Bot, 
Jahrb.  angefügt,  welche  unter  mehreren  Abhandlungen  eine 
solche  von  Ascher  so  n  enthält:  Die  Nomenclaturbewegung  von 
1892.  Es  wird  darin  der  gegenwärtige  Stand  der  Discussion  und 
Verhandlungen  über  die  botanische  Nomenclatur  besprochen, 
welche  durch  Kuntze's  „Revisio  generum  plantarum"  angeregt 
worden  sind.  F.  K. 

August,  E.  F.,  Vollständige  logarithmischo  und  trigonometrische 
Tafeln.     18.  Auflage.     Leipzig.     I,(i0  M. 

Baumert,  G.,  Lehrbuch  der  gerichtlichen  Chemie  mit  Berück- 
sichtigung sanitätspolizeilicher  und  mcdicinisch  -  chemischer 
Untersuchungen.     2.  (Schluss-)  Abthedung.     Braunschweig  5  M. 

Beobachtungen,  Deutsche  überseeische  meteorologische.  5.  Heft. 
10  Mark. 

Blasius,  W.,  Der  Vielfrass.     Wien.     0,40  M. 

Bohl,  P.,  Ueber  die  Darstellung  von  Functionen  eigener  Variabein 
durch  trigonometrische  Reihen  mit  mehreren  eigenen  Variabein 
proportionalen  Argumenten,     Dorpat.     1   M, 

Böhm,  A.  u  A.  Oppel,  Taschenbuch  der  mikroskopischen 
Technik.     2.  Aufl.     München.     3  M. 

Borgmeyer,  J. ,  Geometrische  Untersuchung  über  den  Ort  der 
Fusspunkte  der  Lote,  welche  von  einem  Punkte  auf  die  Strahlen 
einer  linearen  Congruenz  gefällt  werden.     Hildeshelm.     1,20  M, 

Brehm's  Thierleben,     10.  (Schluss-)  Band.     Leipzig.     15  M. 

Brenner,    J.    Frhr.    v.,    Besuch    bei    den    Kannibalen    Sumatras. 

2  Heft.     1  M. 

Celakovsky,  L.,  Ueber  das  Verhältniss  des  Rumex  acetoselloides 

Balansa  zum  ßumex  angiocarpus  Murbeck.     Prag.     20  M. 
Fialkowski,  N.,  Die  vollständige  Trisection  des  Winkels.     Wien. 

3  M. 

Finger,  J. ,  Ueber  jenes  Massenmoment  eines  materiellen  Punkt- 
systems.    Leipzig.     50  M. 

Fischer,  C.  Th.,  Untersuchungen  auf  dem  Gebiet  der  alten  Länder- 
und Völkerkunde.     1.  Heft.     Leipzig.     3  M. 

Fischer,  F.,  Handbuch  der  chemischen  Technologie.  Leipzig. 
15  M, 


Inhalt:  Prof.  Dr.  Fr.  Regel:  Der  zehnte  Geographentag  in  Stuttgart  (5.--7.  April  1893).  —  Die  verwandtschaftlichen  Verhältnisse 
des  Eskimohundes.  —  Ausdrücke  zur  Bezeichnung  der  Lage  und  Richtung  im  Thierkörper.  —  Die  Polarregionen  und  die  Eis- 
bildung. —  Ueber  die  Bieliden.  —  Ueber  die  Geschwindigkeit  des  Crookes'scheu  Kathodenstroms.  —  Aus  dem  wissenschaftlichen 
Leben,  —  Litteratur:  Ernst  Haeckel:  Der  Monismus,  als  Band  zwischen  Religion  und  Wissenschaft.  —  N.  Zograf:  Les  types 
anthropologiques  des  Grands-Russes  de  Gouvernements  du  centre  de  la  Russie.  —  Joseph  Müller:  Ueber  Gamophagie.  — 
Brehms  Thierleben.  —  Dr.  F.  Hock:  Nadelwaldflora  Norddeutschlands.  —  Prof  Dr.  A.  Peter:  Wandtafeln  zur  Systematik, 
Morphologie  und  Biologie  der  Pflanzen  für  Universitäten  und  Schulen.  —  Richard  Andree's  allgemeiner  Handatlas,  —  Ge- 
heimrath  Dr.  Wilhelm  Runge:  Das  Ruhr-  und  Steinkohlenbecken.  —  The  Ibis,  a  Quarterly  Journal  of  Ornithology.  —  Zeit- 
schrift für  Krystallographie  und  Mineralogie.  —  Botanische  Jahrbücher  für  Systematik,  Pflanzengeschichte  und  Pflanzen- 
geogaphie.  —  Liste. 

Verantwortlicher  Redakteur:  Dr.  Henry  Potonie,  Berlin  N.  4.,  Invalidenstr.  40/41,  für  den  Inseratentheil:  Hugo  Bernstein  in  Berlin.  — 
Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12.  —  Druck:  G.  Bernstein.  Berlin  SW.  12, 


Nv.  19. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


XXXVII 


An  unsere  Leser! 


Auf  Grund  unserer  Bitte  in  No,  16  um  Mittheilmig  der  Ansichten  aus  dem  Leserkreise  üjjer 
die  geplante  Vergrösserung  der  „Naturwissenscliaftliclien  Wochenschril't"  und  in  Folge  dessen  Er- 
höhung des  Abonnements  um  1  M.  für  das  Quartal  sind  bis  jetzt  im  Ganzen  nur  104  Aeusserungen 
eingelaufen,  von  denen  96  dem  Plane  zustimmen,  während  ö  die  , Naturwissenschaftliche  Wochen- 
schrift" in  dem  bisherigen  Umfang  erhalten  sehen  möchten.  Wir  bitten  die  geehrten  Leser  um 
weitere  Kundgebungen. 


Die  Redaetion: 
Dr.  H.  Potonie, 

Berlin  N.  4,  Invalidenstrasse  40  41. 


Der  Verlag": 
Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung, 

Berlin  SW.  VI,  Zimmcrstrasse  94. 


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Dr.  Th.  Elkan,         j 

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SiiMin  S.diomKvmianitmh,  23. 


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:  Dr.  Robert  Muencke  ♦ 


Luisenstr.  58.       BERLIN  NW.       Luiseiistr.  58. 


♦  Techni.sches  Institut  für  Anfertigung  wissenscliaftlicher  Apparate  ♦ 
J  und  Geräthschaften  im  Gesammtgebiete  der  Naturwissenschaften.  J 
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♦        Diu  ,,Yost"-Schreilniiascliiiie  ist  die  jüngste,  iS89(r  ♦ 
i  8chienene   und   aiierkauiit    lii'-^tc  Con.struction    Yost's,    des  Er-  ^ 


A.  Beyevlen  A[  C*o. 

Berlin  W.,   Leipzigerstr.  104. 
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Anders  der  „Ke-  ^ 
Miington"-  (1873  ♦ 
bis  78)  und  „Cali-  ♦ 
graph."  -  Scdireib-  ^ 
masehine  (1881t),  ♦ 
und  übertrifft  J 

diese  wie  alle  ^ 
aiidereii  Sy.stenie  ♦ 
sowohl  in  media-  J 
nischer  wie  prak-  ^ 
tisclierBozieliiiiii;  ♦ 
und  wird  von  T 
jedem  Fachinanne  ^ 
als  das  Ideal  ♦ 
einer  Schreib-  T 
masehine  br-  ^ 

tr.iiditi't.  ♦ 

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XXXVIII 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  19. 


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nn5>cK.t«n^ör5e 


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Ferd,  Diininilers  Verlagsöuclitidlg. 

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►-  vi^^?*^       Redaktion;         7         Dr.  H.  Potonie. 

Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12,  Zimmerstr.  94. 


VIII.  Band. 


Sonntaa-,  den  14.  Mai  1893. 


Nr.  20. 


Abonnement:  Man  abonnirt  bei  allen  Buchhandlungen  und  Post- 
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bei  allen  Annoncenbureaux,  wie  bei  der  Expedition. 


Abdruck  ist  nnr  mit  vollständiger  C^uellenangabe  gestattet. 


Was  sind  Blumen? 


Von  H.  Potonie  *). 


Wie  sehr  die  Kinder  Floras  die  Lieblinge  des  ganzen 
Volkes  sind,  liisst  sich  überzeugend  schon  allein  unserer 
Sprache  entnehmen:  so  sprechen  wir  von  den  Blüthen 
der  Kunst,  von  dem  Keim  der  Liebe  und  Freundschaft, 
und  wir  wissen  keinen  besseren  Vergleich  für  das  Schönste, 
das  uns  die  Erde  bietet,  zu  finden,  als  es  mit  der  Ge- 
sammtheit  des  Pflanzenreiches  zu  vergleichen,  indem  wir 
von  dem  Flor  der  .Tungfrauen  reden. 

So  also  spricht  unser  Gefühl;  doch  wir  müssen 
unserem  Verstände  die  Zügel  überlassen,  der  uns  den 
Weg  weisen  soll,  unsere  Lieblinge  zu  erkennen. 

Es  ist  si)eciell  das  Fortpflanzungssystem,  jenes  System, 
das  der  Erhaltung  der  (Tcschlechter  gewidmet  ist,  das  uns 
beschäftigen    soll,    und    zwar    deshalb,    weil    hierher    die 


*)  Wie  in  No.  16  niitgi.'tlieilt  wurde,  hat  der  Artikel  de.s  Herrn 
Prof.  Kiroliner  über  Christian  Konrad  Sprengel  in  No.  12  einige 
der  geehrten  nichtljotanischen  Leser  veranlasst,  der  Redaetioii 
vorzuschlagen,  in  der  „Naturw.  AVochensehr."  einen  Aufsatz  üljer 
die  Grundzüge  der  heutigen  Blumentheorie  zu  veröffentlichen.  Da 
—  wie  itdi  dort  sagte  —  ein  solcher  Aufsatz  natürlich  mir  ganz 
elementare,  jedem  Botaniker  bekannte  Dinge  bringen  könnte,  die 
„Naturw.  Wochenschrift"  jedoch  im  Wesentlichen  die  Aufgabe  hat, 
über  die  Fortschritte  in  der  Naturwissenschaft  zu  berieliten, 
so  wagte  ich  es  nicht,  allein  auf  Grund  der  wenigen  vor- 
liegenden Aeusserungen,  eine  Auseinandersetzung  über  den  ge- 
nannten Gegenstand  zu  bringen.  Es  haben  sich  nun  aber  in  Folge 
dieser  Mittheilung  in  No.  16  aus  dem  freundlichen  Leserkreis  noch 
eine  grössere  Anzahl  Stimmen  eingefunden,  die  ebenfalls  den  Wunsch 
geäussert  haben,  eine  solche  populäre  Darstellung  der  Blumen- 
theorie in  der  „Naturw.  Wochenschr."  zu  lesen.  Ich  zögere  daher 
nunmehr  nicht  länger,  diesem  Wunsche  nachzukommen.  —  Der 
obige  Artikel  ist  ein  Theil  der  soeben  erschienenen,  mit  Hrn.  Prof. 
Kirchner  gemeinsam  herausgegebenen  Jubiläums-Schrift  („Die 
Geheimnisse  der  Blumen",  Ferd.  Dümmler's  Verlagsbuchh.)  zum 
Andenken  an  Chr.  K.  Sprengel.  Der  dort  gebotene  Aufsatz 
schliesst  sich  in  erweiterter  Form  an  einen  von  mir  wiederholt 
vor  wenigen  Jahren  in  dem  populär-wissenschaftlichen  Theater 
„Urania"  zu  Berlin  gehalteneu  Vortrag  an.  Er  möchte  also  dem 
Laien  nach  dem  lieutigen  Stande  der  Wissenschaft  das  interessante 
Gebiet  erschliessen,  für  welches  der  bewunderungswürdige,  seiner 
Zeit  weit  voi-auseilende,  grosse  Gelehrte,  der  einfache  Schulmeister 


Blüthen  gehören  und  insbesondere  diejenigen  Blüthen,  die 
wegen  der  Schönheit  ihrer  Formen,  Färbungen  und  wegen 
ihrer  Wohlgerüche  unser  Wohlgefallen  in  hohem  Maasse 
verdienen,  und  die  wir  durch  den  besonderen  Namen 
Blumen   auszeichnen. 

Die  einfachsten  Gewächse  pflanzen  sich  auch  in  ein- 
fachster Weise  fort;  sobald  ein  solches  Wesen  eine  be- 
stimmte Grösse  und  Ausbildung  erreicht  hat,  zerfällt  es 
in  zwei  gleiche  Theile,  die  heranwachsen  und  wiederum 
eine  einfache  Thcilung  eingehen  und  so  fort.  Als  Beispiel 
nehme  ich  die  einzellige,  kugelige  Alge,  die  auf  unserer 
Abbild.  1  bei  I  veranschaulicht  wird.  Sobald  sie  aus- 
gewachsen ist,  entsteht  eine  Wand,  welche  den  proto- 
plasmatischen Inhalt    in  2  Theile    sondert.      Die    so   ent- 


Christian Konrad  Sprengel  in  .Spandau,  einen  breiten  Grund  ge- 
legt hat.  Der  in  der  genannten  Schrift  folgende  Aufsatz  des  Hrn. 
Prof.  Kirchner,  einer  Autorität  auf  dem  Gebiete  der  Blumen- 
Biologie,  ist  daher  die  eigentliche  Veranlassung  zur  Veröfl'ent- 
lichung  meines  Aufsatzes.  Er  ist  also  eine  Einleitung,  die  dem 
Laien  ein  volles  Verständniss  der  Biographie  Sprengel's  ermög- 
lichen soll,  und  es  finden  in  demselben  daher  alle  wissenschaft- 
lichen Termini,  die  Herr  Prof.  Kirchner  benutzen  musste,  ihre 
elementare  Erläuterung.  In  der  Schi'ift  „Die  Geheimnisse  der 
Blumen"  schliesst  sich  an  die  Biographie  der  gewissenhafte  Mit- 
mann'sche  Auszug  aus  der  einzigen  Quelle,  welche  uns  über  den 
wichtigsten  Lebensabschnitt  Sprengel's  einige  Auskunft  giebt,  an; 
er  ist  ebenfalls  zuerst  in  der  „Naturw.  Wochenschr.''  erschienen.  Ich 
glaubte  ihn  in  der  erwähnten  Schrift  nicht  weglassen  zu  sollen;  denn 
sind  diese  Tagebuch-Aeusserungen  über  Spreugel  von  Seiten  eines 
seiner  Mitlebenden  auch  sehr  individuell  gefärbt,  weil  der  Verfasser 
des  Tagebuches,  ein  Theologe,  der  ausschliesslich  in  seinem  Berufe 
aufging,  den  grossen  Naturforscher  nicht  verstehen  konnte,  so  ge- 
winnt man  doch  den  Eindruck,  dass  sie  mit  ehrlichem  Hei-zen 
niedergeschrieben  wurden.  Von  dem  Kampf,  der  sich  zwischen 
dem  übrigens  tlurchaus  gläubigen  Naturforscher  Sprengel  und  dem 
Theologen  in  des  letzteren  Tagebuch  offenbart,  hat  jeder  di'r 
Leser  gewiss  mit  Interesse  Kenntniss  genomnuie'  Sprengel  rück 
uns  durch  diese  unmittelbaren  Aeusserungen  über  ihn  menschlicu 
näher,  als  es  irgendwie  anders  möglich  ist:  wir  vernehmen  den 
Hauch  seiner  Zeit;  ein  Stückchen  Kulturgeschichte  thut  sich  in 
demselben  auf. 


196 


Natnvwissenschaftliche  Woehenscbrift. 


Nr.  20 


standeiien  beiden  Zellen  beginnen  sicli  zu  individnalisiren 
(II),  indem  sie  sich  von  einander  abschnüren.  Die  Ein- 
schnürung nimmt  mehr  und  mehr  zu  und  cndiieii  werden 
die  beiden  Zellen  frei:  trennen  sich  von  einander:  III. 

Es  entstehen  also  hier  neue  Wesen  einfach  durch  das 
Zerfallen  eines  der  ursprünglichen  in  mehrere.  —  Ein 
weiterer  Schritt  ist  es  schon,  wenn  an  einer  bestinunten 
Stelle  des  Pflanzenleibes  Gebilde  hervorspriessen,  die  sich 
vom  Mutterkörper  loslösend,  neue  Individuen  erzeugen, 
wie  das  z.  B  bei  der  in  der  .,Naturwissenschaftlichen 
Wochenschrift"  Band  VII,  S.  '  78 
abgebildeten     Alge     der     Fall     ist. 

Auch    dieser    Vorgang    ist    eine 
einfache  Theilung  des  Mutterkörpers, 
aber  der  letztere  bleilit  in  seiner  In- 
dividualität erkennbar  und  der  kleine 
Theil,   den  er  als  Keimkörper  abge- 
stossen    hat,    bedarf   einer    längeren 
Wachsthumsperiode,     um    das     Aus- 
sehen  und    die    Grösse    des   Mutter- 
körpers   zu    erreichen.     Auch    manche    höheren    Pflanzen 
können    sich    durch    Bildung    von    Keimkörpern    der    be- 
zeichneten Art    fortpflanzen.     AVir    brauchen    hier  nur  an 
die    Kartoffel    zu    denken,    deren    Knollen    unterirdische 
Steugelanschwellungen  sind,  die  sich  durch  Absterben  der 
verbindenden,  dünnen  Stengel- 
theile   von    der    Mutterpflanze 
trennen,    neue    Individuen    zu 
erzeugen.     Ihnen  sind  für  die 
Dauer     ihrer     ersten     Jugend 
reichliche    Nährstoffe    in     der 
Knolle    gegeben.      Denn    die 
Knollen    sind    Speisekammern, 
die  wir  uns  ja  bekanntlich  zu 
Nutze     machen :      Vorrathsbe- 
hälter    namentlich    für    Stärke 
und  Wasser,  welche  Producte 
die     sorgsame     Mutterpflanze 
ihren  Kindern  als  ersten  Lebens- 
unterhalt bietet.  —  Allein  nur 
die     allereinfachsten    Pflanzen 
begnügen    sich    mit   der   ge- 
schilderten    Fortpflanzuugsart, 
alle  übrigen  Gewächse  besitzen 


noch  eine  andere  Weise  der 
Fortpflanzung,  die  sehr  vielen 
höheren  Wesen  sogar  aus- 
schliesslich eigen  ist.  Hier 
werden  zweierlei  Sorten  von 
Zellen  erzeugt,  die  einzeln, 
für  sich,    nicht  entwickelungs- 


Auflösung  der  trennenden  Wand  eine  ofl'ene  Konimuni- 
cation  zwisciien  den  beiden  Zellen  iier.  Der  eigen- 
thüraiich  gestaltete,  sehleimig-fliissige  (])rotoplasmatische) 
Inhalt  jeder  Zelle  mitsannnt  dem  grünen  Spiral Ijande  hat 
sich  zu  einer  Kugel  zusamnieugeballt,  und  der  Inhalt  der 
einen  ist  schliesslich  in  die  andere  Zelle  durch  den  ent- 
standenen Kanal  hinübergewandert,  nm  hier  mit  der 
Protoplasma-Kugel  dieser  Zelle  zu  verschmelzen.  Bei  r 
ist  der  Inhalt  der  Zelle  links 
Zelle  rechts    und  Vereinigung 


begrifl:en. 


Bei 
und 


vollzogen 
toplasmatisclie 
sich  dann  (III) 
Dieses  Gebilde  (III) 
din"un. 


günstigen  B( 


auf  der  Wanderung   in  die 

mit    dem    Inhalt   derselben 

d  ist  die  Vereinigung 

das  entstandene  ])ro- 

Gebilde    Sp    umgiebt 

mit  einer  festen  Haut. 

nun  wächst  unter 

nachdem 


;en  und 


Figur 

Einzellige  Alge  (Pleurococcus  vulgaris)  in  etwa 
40uiaclier  Vergrösserung. 


des 
zu 


es  eine  Ruiieperiode  im  (gründe 
Gewässers  durchgemacht  hat, 
einem  neuen  Algenfaden  aus. 

Nur  soviel  über  die  Fortiiflanzung 
Gewächse.  —  Wir  wollen  nach  dieser  Vor- 
einer näheren  Betrachtuni;-  der  hiiheren  ein- 


der  niederen 
bereitung  zu 
gehen,  um  zur  IjcantwortunK' 


nachdem 
solcher 
vereinigt 


Diese  beiden  Zellen  sind 
durchaus  gleich,  in  der 
eine  kleiner,  die  andere 
zu  machen,  will 


fähig    sind    und    erst,    nnoliflpm  Spirogyra. 

der      Inhalt      zweier 

Zellen  sich  materiell 

bat,  keimfähige  Gebilde  liefern 

entweder    in  Form    und  Grösse 

Älehrzahl    der  Fälle  jedoch   die 

grösser.    Um  das  Gesagte  verständlicher 

ich  ein  Beispiel  vorführen. 

Unsere  Abbildung  2  zeigt  bei  II  ein  vier-  und  ein 
fünfzelliges  Stück  gewisser  Algenfäden  aus  unseren 
Teichen  nebeneinander  liegend  und  in  eigenthümlicher 
Weise  miteinander  verwachsen.  Ursprünglich  war  jeder 
dieser  beiden  Fäden  frei:  sie  haben  sich  ihrer  Länge 
nach,  parallel  an  einander  gelegt  und  die  gegen- 
über liegenden  Zellen  der  Fäden  haben  zuerst  kleine 
Aussackungen,  die  gegen  einander  gerichtet  sind,  ge- 
bildet, wie  dies  bei  a  und  h  zu  sehen  ist.  Diese  Aus- 
sackungen   stellen    —    wie    c    veranschaulicht    —    durch 


unserer  Frage  zu  gelangen: 
Was  sind  Blumen?  Wir  wollen  also  wissen,  was  sie 
in  der  freien  Natur  sind,  sie,  die  unser  Leben  schmücken 

den  Dichter  zur  Begeisterung 
anfachen  und  bei  ihrer  Schön- 
heit und  doch  so  schnellen 
Vergänglichkeit  dem  Sorgen- 
losen ein  Sinnbild  sind,  die 
flüchtige  Gegenwart  zu  ge- 
niessen  und  der  Dornen  nicht 
zu  achten,  die  doch  selbst  der 
Königin  unter  den  Blumen, 
der  Kose,  nicht  fehlen! 

Bei  den  höheren  Pflanzen 
sind  nicht  alle  Zellen  im 
Stande  sich  zu  vereinigen,  wie 
bei  den  vorgeführten  Algen- 
fäden, sondern  nur  ganz  be- 
stimmte Zellen  des  Pflanzen- 
körpers vermögen  eine  Ver- 
schmelzung einzugehen ,  um 
eine  einzige,  neue  Zelle  zu 
bilden,  aus  der  dann  ein  neues 
Indi\iduum  hervorgeht.  Die 
bestimmten  Körperstellen,  in 
denen  diese  Zellen  erzeugt 
werden,  sind  nun  die  Blüthen, 
und  die  wunderbaren  Einrich- 
tungen, welche  diese  aufweisen, 
haben  den  ausschliesslichen 
Zweck,  die  Verschmelzung  jener 
beiden  Sorten  von  Zellen  her- 
beizuführen. Aber  der  Vorgang  ist  nur  verständlich, 
wenn  wir  wissen,  wie  eine  Blüthe  gebaut  ist,  und  so  muss 
ich  denn  den  Blüthenbau  zuvörderst  an  einem  Beispiel 
erläutern.  Ich  habe  es  leicht,  da  es  sich  nur  um  eine 
kurze  Recapitulation  von  AlUickanntem  handelt.  Wir 
wählen  eine  Blüthe,  die  einfache  Verhältnisse  zeigt  und 
schauen  hinein.  Unsere  Abbildung  3  stellt  eine  Blüthe  der 
Nieswurz  dar.  Sie  zeigt  uns  zu  äusserst,  beziehungsweise  zu 
Unterst  fünf  Lappen:  das  sind  fünf  Blätter  der  sogenannten 
Blüthen  decke,  Bd.  Sie  umgeben  in  einem  Kreise 
stehend  die  anderen  Blüthenorgane.  Im  Innern  unserer 
Blüthe  erblicken  wir  eine  Anzahl  Fäden,  die  an  ihrem  Gipfel 
je  einen  Beutel,  den  Staubbeutel,  <S'/,  tragen;  derselbe 
öffnet  sich  zu  gelegener  Zeit  und  entlässt  ein  äusserst  feines 
Pulver,   den  Blüthenstaub  (Pollen).     Staubbeutel   und 


Figur  2. 

-  Stark  ver 


Nr.  20. 


Natnrwisscnscliai't liehe  Woehensclirif't. 


l'.iT 


Staubfaden  zusaminenseiiomnieii  inaehcn  ein  Staubblatt 
aus.  Den  Mittelpunkt  der  Blütiie  nehmen  die  so^-enannten 
Stempel  ein.  die  am  Grunde  eine  bauchii;e  Erweiterung-, 
den  Fruehtknoten,  Fr,  zeigen.  Der  Fruehtknoten  trägt 
ein  stieltiirniig-es  Gel)ilde,  den  Griffel,  <!.  der  an  seinem 
Gipfel  in  ein  klcl)rig-feuchtes  Ende,  die  sog-enannte 
Narbe,  Na,  ausläuft.  Nicht  immer  ist  die  Blüthendecke 
einfach,   wie  in   unserm  Fall,   häufig:  scheidet  sie  sieh  in 


einen    äusseren,    meist  kleineren 
Keleli,    und  in    einen   zarten, 
prächtig-    gefärbten,    g-rösseren 
Theil:  die  Krone. 

Man  hat  in  dem  von  mir 
gewählten  Falle  der  Nieswurz 
triftigen  Grund  anzunehmen, 
dass  die  in  unseren  Figuren 
mit  Ne  bezeichneten  tüten- 
förmig-en  Gebilde,  die  einen 
süssen  Saft,  den  „Nectar'-,  oder 
weniger  gut  „Honig-",  aus- 
sondern und  enthalten,  im 
Laufe  der  Generationen  aus 
der  inneren  Blüthendecke  her- 
vorgegang-eu  sind,  sodass  dem- 
nach der  einzige  Kreis  der 
Blüthendecke  Bd  dem  Kelch 
entsprechen        würde.  Die 

zwischen  Bd  und  den  Staub- 
blättern St  eingeschalteten 
Tüten  bezeichnet  man  als 
Xectarien,  weniger  gut  als 
llonigbehälter  oder  -Gefässe 
oder  mit  Sprengel  als  Saft- 
drüsen: auf  die  hohe  Wichtig- 
keit dieser  Organe  im  Leben 
der  Blumen  werden  wir  gleich 
eingehen. 

Durchschneiden  wir  den 
Fruchtknoten  Fr  z.  B.  der 
Länge  nach,  so  sehen  wir  ihn 
hohl  und  eine  Längsseite 
trägt  kleine,  eiförmige  Körper 


und  g-rtinen  Theil :     den 


niütlic  der  Nieswurz,  Hellelioriis  iiiger. 


E,  aus  denen  unter  ge- 
wissen Bedingungen  die  Samen 
werden,  also  jene  Gebilde, 
die  in  den  Erdboden  gebracht, 
zu  neuen  Pflanzenindividuen 
auswaehsen.  Damit  aber  diese 
eiförmigen  Gebilde  —  der  Bo- 
taniker nennt  sie  Samenknospen 
oder  Eichen  —  damit  also  die 
Eichen  zu  Samen  werden,  d.  h. 

damit  sie  keimfähig,  reif  werden,  ist  eine  vorbereitende 
Arbeit  noth wendig.  Es  muss  nämlich  Blütbenstaub  auf 
die  Narbe  des  Stempels  gelangen.  Jedes  einzelne,  nur 
bei  sehr  starker  Vergrösserung  sichtbare  Körnehen  des 
Blüthenstaubes,  von  denen  jedes  aus  einer  einzigen  Zelle 
besteht,  wächst  —  auf  die  Narbe  gebracht  —  zu  einem 
mikroskopisch-feinen  Schlauch  aus,  der  durch  den  Griffel 
des  Stempels  hindurchwächst,  liis  er  den  Fruehtknoten  und 
in  demselben  die  Eichen  erreicht.  Diesen  giebt  er  etwas 
von  seinem  protoplasmatischen  Inhalt  al)  und  erst  dann 
vermögen  die  Eichen  zu  Samen  zu  werden,  dann  erst 
sind  sie  in  der  Lage  zu  reifen.  Die  Uebert ragung  des 
Blüthenstaubes  auf  die  Narbe  nennt  man  Bestäubung. 

Die  Bestäubung  der  Narben  mit  Blütbenstaub  hat 
aber  nur  dann  eine  zweckentsprechende  Wirkung,  wenn 
eine  Kreuzbestäubung  stattgefunden  hat,  d.  h.  wenn 
der  Blütbenstaub   einer   fremden  Pflanze  (^natürlich    der- 


selben Pflanzen-Art)  auf  die  Narbe  gebracht  wird,  sodass 
eine  Bestäubung-  der  Narben  mit  Blütbenstaub  derselben 
Blüthe,  oder  —  anders  ausgedrückt  —  sodass  eine  Selbst- 
bestäubung, Selbstbefruchtung-,  in  vielen  Fällen  unwirk- 
sam oder  doch  weniger  wirksam  ist. 

Die  für  die  Fortpflanzung  der  Gewächse  so  wichtige 
Uebertragung  des  Blüthenstaubes  auf  eine  fremde  Narbe 
wird    nun   in    der    verschiedensten    Weise    bewerkstelligt, 
und  es  ist  leicht  ersichtlich,  dass  die  Pflanzen  hierzu  be- 
sonderer    üebertragungsmittel 
bedürfen.      Solche     Vermittler 
der      Bestäubung      sind      der 
Wind,    das   Wasser  und  die 
T liiere    und    zwar    meist    In- 
seeten,   und  man  unterscheidet 
hiernach  Wind-,  Wasser-  und 
insectenl)lüthigePflanzen; 
letztere  allein  tragen  Blumen, 
d.  ii.  auffallende,  meist  farben- 
prächtige Blüthen. 

Bleiben   wir  zunächst    bei 
den  Blumen. 

Rüstet  sich  —  nach  einem 
Goethe'schen  Ausdruck  —  die 
Pflanze  in  ihren  Blüthen  zu 
den  Werken  der  Liebe,  so 
liegt  es  nahe,  in  den  farben- 
prächtigen Blättern  der  Blüthen- 
decke das  Hochzeitskleid 
zu  erblicken.  Ein  Hochzeits- 
kleid ist  aber  nur  ein  Schmuck, 
der  besonders  verführerisch 
machen  soll;  bei  den  Blumen 
kann  nun  allerdings  hiervon 
nicht  recht  die  Rede  sein.  Nur 
insofern  lassen  sich  die  farben- 
prächtigen Blütheudecken  als 
Hochzeitskleider  bezeichnen, 
als  sie  wie  diejenigen  im 
Thierreich  ebenfalls  in  offen- 
barem Zusannnenhange  mit 
..den  Werken  der  Liebe"  stehen 
und  insofern  sie  ebenfalls  anzu- 
locken bestimmt  sind,  aber 
Liebhaber  ganz  anderer  Art 
als  das  Hochzeitskleid  der 
Thiere:  sie  sind  nämlich 
Wirthshausschilder  für  die 
Insecten  in  des  Wortes 
F'S""-  3.  strengster      Bedeutung.        Ein 

Wirthshausschild  soll  den 
Wanderer  anlocken,  muss  also 
autfallen  und  ihm  melden,  dass  Nahrung  zu  haben  ist. 
Genau  dieselbe  Aufgabe  haben  die  farbigen  Blätter  der 
Blüthenregion,  und  in  der  That  Ijieten  auch  die  Blumen 
den  angelockten  Thierchen  Nahrung  und  zwar  meist  in 
der  Form  süssen  Saftes,  des  Nectars.  Wie  aber  die 
Blumen  in  dieser  Weise  den  Insecten  einen  Dienst  leisten, 
so  verlangen  sie  gleichsam  als  Entgelt  von  den  Thierchen 
den  schon  angedeuteten  wichtigen  Gegendienst. 

Diese  besorgen  unbewusst  die  Bestäubung,  wodurch 
ja  erst  die  Samen-  und  Fruchtbildung  ermöglicht  wird. 
Auch  die  Wohlgerüche  und  die  für  uns  unan- 
genehmen Düfte  der  Blumen  stehen  im  Dienste  der 
Bestäubungs  -  Vermittelung,  denu  sie  sind  ein  weiteres 
Lockmittel  für  die  Thierchen. 

Also  die  Farben  und  die  Düfte,  aber  auch  die  oft 
in  den  Blumen  vorhandenen  Nectar- Abson derungen 
und    —   bei    fehlenden    Nectarien    —    der    ebenfalls    als 


Dieselbe  von  der  Seite  gesehen  nach  Wegnahme  der 
vorderen  Hälfte. 


198 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  20. 


Wirthshausschilder    ent- 


ans 


Bestäubung- 


Figur  4. 

Einige  Male  ver- 
grösserte  männliche 
IJIüthe  der  Trauer- 
weide 
(Salix  babylonica  L.) 


Nahrung    dienende    Blüthen staub    sind    die  Lockmittel 
der  Blumen. 

Es  kommt  auch  vor,  dass  Blumen  durch  täuschende 
Mittel  lusecten  anlocken.  Ein  vortreffliches  Beispiel  dafür 
bietet  die  in  schattigen  Laubwäldern  anzutreffende  Ein- 
beere, welche  keinen  Honig-  absondert.  Der  dunkel- 
purpurne  Fruchtknoten  glänzt  aber  so  wirksam,  als  wäre 
er  feucht.  Hierdurch  werden  fliegenartige  Insecten  ver- 
anlasst, den  Fruchtknoten  zu  belecken,  wobei  sie  leicht 
mit  den  Staubbeuteln  und  mit  den  Narben  in  Berührung 
kommen. 

Farbige  Aushängeschilder , 
behrende  Pflanzen,  die  Wind- 
und  Wasserblüthler,  besitzen 
durchaus  unscheinbare  Blüthen, 
da  farbenprächtige  Blätter  in 
der  Blüthenregion  hier  offenbar 
nutzlos  wären.  Auch  fehlen 
den  Blüthen  der  Wind-  und 
Wasserblüthler  naturgemäss  be- 
sondere Gerüche,  und  Nectarien 
werden  nicht  entwickelt. 

Die  Blumen  sind  in  ihrem 
Bau  bestimmten  Insecten-Arten 
angepasst.  Wir  sehen,  dass 
die  Grösse  der  Blumen  durch- 

dei-jenigen  der  für  ihre 
nothwendigen  In- 
secten entspricht,  dass  beide: 
Insecten  und  Blumen  sich 
durchaus  einander  angepasst 
haben.     Besonders    auffallend 

erscheint  zunächst,  rein  äusserlich  betrachtet,  der  bequeme 
Sitz,  den  die  Blume  ihrem  Freunde  bereitet,  der  oft  in 
entsprechender  Grösse  und  so  angelegt  ist,  dass  das  lu- 
sect  eine  bestimmte,  für  den  B 
Stellung  einnimmt. 

Die  Grundfarbe  der  Blüthendecke  zeigt  oft  zarte,  ab 
weichend  gefärbte  Zeichnungen,  namentlich 
in  Strichform:  die  Saftmale,   welche  von 
den   aussen  leicht  sichtbaren   Theilen  der 
Blüthendecke    bis    zu    den    Honiggefässen 
oder  den    den  Nectar 
haltern    reichen    und 
Weg    zur    Honigquelle 
Blume     des     Stiefmütterchens     sind 
dunklen  in  das  Innere   der  Blume  weisen- 
den Striche    auf  den    Blumenblättern    die 
Saftmale    oder    besser  Wegweiser  für  die 
Insecten:  sie  zeigen  den  Weg  zum  Nectar. 
Beim  Stiefmütterchen   sind   die  Nectar  ab- 
sondernden   Organe  tief  im   Innern   der  Blume   versteckt. 
Bei    anderen    Blumen    sind   sie   aber  von  aussen  deutlich 
sichtbar.     Schauen  wir  z.  B.  in    die    Blume    der    Kaiser- 
krone,   so    bemerken    wir   am    Grunde    eines  jeden    von 
den  6  Blättern  der  Blüthendecke    eine   kreisförmige   helle 
Stelle,    die    von    einem    schwarzen  Ring    umgeben  wird. 
Es  sind  das  kleine,  flache  Schüsseln,  die  einen  honigsüssen 
Saft    enthalten,    den    sie    den   besuchenden   Insecten  dar- 
bringen.    Sie    geben    sich  so  als  Nectarien  zu  erkennen. 

Beim  Sammeln  des  Neetars  vermitteln  nun  die  Thiere 
die  Kreuzbestäubung,  indem  sie  beim  Aufsuchen  der 
Nectarien  durch  besondere  Blütheneinrichtungen  gezwungen 
werden,  die  Staubbeutel  beziehungsweise  die  Narben  zu 
streifen,  wobei  sie  an  bestimmten  Körperstellen  den  meist 
klebrigen  Blüthenstaub  aufnehmen,  den  sie  beim  Besuch 
einer  anderen  Blume  unbewusst  an  die  klebrige  Narbe 
abgeben.  —  Eine  Selbstbestäubung  wird  überdies  häufig 
durch    besondere  Vorkehrungen    verhindert.     Die    Staub- 


achtungen 


gelegt 
estäubungsvorgang  nützliche 


Figur  5. 

Einige  Male  ver- 

grüsserte  weibliche 

Bliithe,  Stempelblüthe, 

der  Trauerweide 

(Salix  babylonica  L.) 


sammelnden  Saft- 
deu  Insecten  den 
weisen.  Bei  der 
die 


Figur  6. 

Schwach  vergiös??erte  Uliimen  von 

Primuhi  elütior  ini  l.jinj^öscbnitt. 


und  Fruchtblätter  erlangen    nämlich   in   derselben   BiUtiie 
oft  zu  ganz  verschiedenen  Zeiten  ihre  Reife.     Man  nennt 
solche  Blüthen  dichogame  im  Gegensatz  zu  den  homo- 
ganien,  bei  denen  das  Reifestadium  der  Staubblätter  mit 
der  Empfängnissfähigkeit  der  Narben  zusammenfällt.    Er- 
langen die  Staubblätter  vor  den  Fruchtblättern  die  Reife, 
so  verwelken  die  Staubblätter,  wenn  die  Narben  empfäng- 
nissfähig-werden  („]irotandrische"  Blütheni,  während 
bei  anderen  Blüthen   die  Staultbeutel  sich   erst   zu   öffnen 
beginnen,    wenn    die    Narben    bereits    ausgedient    haben 
(„protogynische"     Blüthen).       Diesbezügliche     Beob- 
können  wir  leicht  im  Garten  oder  an  unseren 
Blumentöpfen        im       Zimmer 
maclieii.      Nehmen    wir    z.    B. 
eine     erst     kürzlich     erblühte 
Nelken-Blume  zur  Hand,  so  er- 
blicken wir  die  Staubblätter  mit 
ihren  Beuteln  aus  dem  Innern 
der  Blume  hervorragen.    Nach 
einer     gewissen     Zeit    welken 
die  Staubblätter,  verlieren  ihre 
Functionsfähigkeit     und      ver- 
schwinden;    wir     sehen    dann 
allmählich    ein    fadenförmiges 
Gebilde       aus      dem      Innern 
zwischen    den    Blumenblättern 
hervorwachsen,     welches     die 
Stelle     der    Staubblätter     ein- 
nimmt,    aber     keinen     Staub- 
beutel trägt.    Dieses  neue  Ge- 
bilde   spaltet    sich   der  Länge 
nach    in    2    Theile,    die    bald 
auseinanderklaffen  und  sich,  wenn  wir  diese  beiden  faden- 
förmigen Theile   nach    unten   hin  verfolgen,    durch   einen 
Griffel    mit    dem    Fruchtknoten    verwachsen    zeigen :    sie 
geben  sich  hierdurch   als  die  Narben   zu  erkennen.     Im 
ersten  Stadium   befindet  sich  die  Nelken -Blume  somit  im 
Reifezustand  der  Staubblätter,  im  zweiten  im  Reifezustand 
des   Stempels;  wenn  die  Narben    da  sind, 
fehlen    die    Stauliblättor    und    umgekelirt: 
eine    Selbstbestäubung    ist    somit    gänzlich 
unmöglich.    Das  Gleiche  ist  der    Fall  z.  B. 
bei  den  Malven-Blumen.    Zuerst  sehen  wir 
hier    im    Innern    ein    Bündel     zahlreicher 
Staubblätter,      deren     Beutel     zu      einem 
Köpfchen     zusammensteilen       später     ver- 
welken      die       Staubblätter,       sie       ver- 
schrumpfen     und      biegen      sich     zurück, 
und     an    Stelle     derselben    wachsen    eine 
grosse  Anzahl  Narben  hervor:   das  zweite 
Reifestadium    der    Blume    anzeigend    und 
bereit,    den    Besuch    eines    mit    Blüthenstaub    bciadenen 
Insectes  zu  empfangen,  das  eben  eine  Blume,  die  sieh  in 
ihrem  ersten  Entwickelungsstadium  befindet,  verlassen  hat. 
Fliegt  also  ein  Inseet  von  einer  Blume,  die  sich  im  erst- 
beschriebenen (männlichen^  Stadium  befindet,  auf  eine  im 
zweiten    (weiblichen)  Stadium    befindliche   Blume,    so    ist 
eine  regelrechte  Kreuzbestäubung  unvermeidlich. 

Die  Blüthen  der  Weiden,  die  ich  als  weiteres  Bei- 
spiel wähle,  enthalten  entweder  nur  Staubblätter  (Fig.  4) 
oder  nur  Stempel  (Fig.  5);  sie  sind  sehr  einfach  gebaut. 
Sie  sitzen  in  den  Winkeln  von  Schuppen  S,  welche  die 
steife  Achse  der  Blüthenstände,  der  sog.  Kätzchen,  be- 
kleiden. Die  Stempel-Blüthen  liestehen  aus  einem  gestielten 
Fruchtknoten  Fr,  der  am  Grunde  des  Stieles  eine  Honig- 
drüse .V  aufweist.  Die  abgebildete  Staubblattblüthe  (Fig.4) 
besitzt  an  Stelle  des  Fruchtknotens  2  Staubblätter  St, 
an  derem  Grunde  ebenfalls  eine  Honigdrüse  N'  bemerk- 
bar ist.     Die  Kätzchen  tragen  immer  nur  einerlei  Blüthen 


Nr.  20. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


199 


und  die  ganze  Pflanze  trägt  immer  nur  einerlei  Kätzclicn, 
sodass  eine  Kreuzbestäubung-  zur  Nothwendigkeit  wird. 

Die  Hummeln  und  Bieneu  kriechen  lebhaft  auf  den 
steifen  Kätzchen  herum,  nach  dem  reichlichen  Honig 
suchend,  und  bürsten  förndich  hierbei  nnt  ihrer  behaarten 
Baucliseite  ßliithenstaub  heraus,  den  sie  beim  Besuch  von 
Kätzchen  mit  Stempelldüthen  unbewusst  an  die  klebrig- 
feuchten Narben  abgeben. 

Als  ferneres  Beispiel  nehme  ich  die  l'rimel.  Wenn 
wir  verschiedene  Pflanzenstöcke  einer  Primel  untersuchen, 
so  wird  uns  bald  auffnllcn,  dass  —  wie  die  Abbild.  Fig.  6 
zeigen  (die  2  der  Länge  nach  aufgeschlitzte  IMumeu  von 
2  verschiedenen  Stöcken  nach  Wegnahme  der  vorderen 
Hälften  \eranschauliciien)  —  die  einen  kurzgrifflige  (1  in 
der  Figur),  die  anderen  lauggrifflige  Fruchtknoten  (2)  be- 
sitzen und  dass  in  den  Blumen  erster  Art  die  Staub- 
blätter an  der  Spitze  der  Kroneuröhre,  im  anderen  Falle 
in  der  Mitte  der  Röhre  eingefügt  sind.  Das  Eigeu- 
thümliche  ist  nun,  dass  der  Blüthcnstaub  der  höher 
stehenden  Staubblätter,   auf 


kurzgrift'liger 


nicht 
doch 
Ergeb- 


\r 


die     Narben 
Blumen      gebracht, 
fruchtbar    wirkt    oder 
kein  sehr  günstiges 
niss    liefert,    während     die 
langgriffligen  Blumen  durcii 
solchen    Blüthcnstaub    voll- 
kommen befruchtet  werden. 
Ebenso  bleibt  der  Blüthcn- 
staub   der   tiefer   stehenden 
Staubblätter  auf  die  Narben 
langgritfliger     Blumen     ge- 
bracht,   mein-    oder    nnnder 
unwirksam,    befruchtet   hin- 
gegen  kurzgrifflige  Blumen 
vollkommen.  Die  Bestäubung 
ist    also    nur  dann  günstig, 
wenn    sie    nach  Andeutung 
der  beiden  Pfeile  in  unserer 
Figur  zweier 
dieser     Blumen 

oder    Be- 
stäubung von  Blumen    des- 
selben   Stockes   untereinander  ist 
doch     fast    resultatlos,     während 
den  l)esten  Folgen   in   Hinsicht   auf   die 
Anzahl    der    Samen    begleitet    ist.      Es 


Längsschnitte 
geschieht. 


Figur  7. 

Blüthenstand  von 

Arum  maeulatum 

verkleinert. 


dalier   resultatlos 
Kreuzbestäubuug 
Ausbildung 
commt    bei 


oder 
von 
und 
der 
zum 
die- 


üebertragung  des  Blüthenstaubes  von  einem  Stock 
andern  in  Betracht,  dass  ein  Inseet  in  den  Blumeu 
selbe  Stellung-  einzunehmen  pflegt.  Es  wird  hierdurch 
die  Kreuzl»estäubung  begünstigt,  indem  dieselbe  Körper- 
stelle des  Thieres,  welche  vorher  mit  Blüthenstaul)  in 
Berührung  kam,  beim  Besuch  einer  anders  gestaltigen 
Blume  derselben  Art  nothwendig  mit  der  fraglichen  Körper- 
stelle die  ohngefähr  an  demselben  Ort  befindliche  Narbe 
berühren  wird. 

Eine  sehr  leicht  venständliehe  Einrichtung  zeigt  aucii 
der  bei  uns  in  schattigen,  feuchten  Laubwäldern  vorkom- 
mende Aron  (Arum  nuiculatum  L.),  von  welcher  Pflanze 
ich  in  der  Figur  7  einen  Blüthenstand  zur  Darstellung 
bringe,  von  welchem  die  zugekehrte  Hälfte  der  tüten- 
förmigen,  unten  kesselartig  erweiterten  Hülle  wegge- 
schnitten wurde,  um  einen  Einblick  in  den  eigenthüni- 
liehen  Apparat  zu  gewähren. 

Die  Achse  des  Blüthenstandes  trägt  zu  Unterst 
Stempelblüthen  iv,  darüber  Staubblattldttthen  m  und  dar- 
über nach  abwärts  gerichtete  starre  Fäden  /',  welche  die 
gerade  an  dieser  Stelle  enge  Hülle  /;  derartig  absehliessen, 
dass  zwar  Insecten,  die  theils  durch  die  Aushängefahne  /;, 


tliciis  durcli  den  urinösen  (u-rucli  angezogen  werden, 
durch  die  oben  sehwarzrotiie  Leitstange  l  liinabgeführt, 
in  den  die  Blütlien  enthaltenden  Kesseltheil  der  Hülle 
liinein,  aber  nicht  wieder  hinaus  können.  Haben  die 
Insecten  Blüthcnstaub  mitgebracht,  so  vermögen  sie  die 
Stempelblüthen  während  des  llernnikriechens  zu  bestäuben. 
Die  Staubblatt  -  Blüthcn  beginnen  dann  zu  reifen  und 
lassen  ihren  Blüthcnstaub  in  den  Kesselgrund  fallen,  so 
dass  sicii  die  Insecten  mit  neuem  Blüthcnstaub  beladen 
und,  nachdem  in  einem  weiteren  Stadium  die  abschliessen- 
den Fäden  f  crschlatt't  sind,  ihr  Gefänginss  aufgeben 
können,  um  eine  neue  Aronpflanze  aufzusuchen. 

Während  des  Reifestadiums  der  Staubblätter  soudei-ii 
die  nunmein-  welkenden  Narben  der  Stempel  je  ein  Ncctar- 
tröpfehen  aus  und  bieten  so  den  Insecten  (aus  der  Gruppe 
der  Mücken)  Nahrung. 

Die  Vorrichtung  zum  Fangen  der  Thierchen  ist,  wie 
man  sieht,  dieselbe,  wie  sie  der  ^Mensch  in  den  Mause- 
fallen und  Fischreusen  zur  Anwendung  bringt. 

Nur  noch  ein  Beispiel: 
es  betrifft  die  Wiesen-Salbei. 
Die  Abbildung  Figur  S  zeigt 
bei  1  die  Blume  der  in  Rede 
stehenden    Pflanzenart    von 
der     Seite     gesehen.       Die 
Kronenoberlippc    überdeckt 
die     beiden     eigenthündicli 
gestalteten         Staubblätter, 
welche  punktirt  in  ihrer  ge- 
wöhnlichen      Lage       unter 
ihrem      Schutzdach      ange- 
deutet wurden.      Fahre  ich 
—    wie    das    der  Pfeil   an- 
deutet  —   mit  einem  zuge- 
spitzten   Gegenstand,    z.  B. 
mit  einer   Bleistiftspitze,    in 
die  Kronenröhre  von  ihrem 
Schlünde     aus    hinein,     so 
treten  die  Staubblätter,   die 
bis    dahin    in   der   Höhlung 
der     Oberlippe      verl)orgen 
waren,   plötzlich   hervor,  so 
dass    sie    die    bei    b    ange- 
einnehmen.     Wenn  sieh   nun   eine   Hummel 
auf    den    iin-    bereiteten    Sitz    der    Unterlippe    /    nieder- 
lässt    und    mit    ihrem   Kopf   und    Rüssel   in   die    Kronen- 
röhre eindringt,  wie  vorher  die  Bleistiftspitze,  um  den  im 
tiefsten    Grunde    der  Röhre   vorhandenen   Honigsaft    auf- 
zusaugen, so  treten  also  die  Staubbeutel,  wie  gezeigt,  her- 
aus, fallen  auf  den  behaarten  Rücken  des  Thierchens  und 
lassen  dort  reichlich  Blüthcnstaub  zurück.    Hört  der  Druck 
des  Rüssels  auf  den  am  Grunde  der  Staubblätter  betind- 
lichen  Hebclmechanismus  auf,   so  kehren  die  Staubbeutel 
wieder  in  ihre  geschützte  Lage  zurück. 

Abbildung  2  in  f^igur  8  stellt  den  Staubblattapparat 
für  sich  dar.  Mit  /'  sind  die  beiden  an  ilireui  freien  Ende 
der  Krone  ansitzenden  Staubfäden  bezeichnet,  die  am 
anderen  Ende  gelenkig  mit  den  beiden  Balken  jt  h  ver- 
bunden sind,  p  ist  das  den  Eingang  der  Kronenröhre 
gewöhnlieh  versperrende  plattenförmige  Organ,  b  sind  die 
Staubbeutel. 

Wie  beschrieben  verhält  sich  also  eine  im  Rcife- 
zustande  der  Staubblätter  befindliche  Blume;  tritt  dieselbe 
in  den  Reifezustand  der  Stempel  ein,  so  verlieren  die 
Staubblätter  ihre  Lebensfäingkeit,  und  die  Spitze  des 
Griffels  senkt  sich  so  weit  im  Bogen  hinab,  dass  die  nun- 
mehr auseinander  klaffenden  beiden  klebrigen  Narben- 
zipfel n  ])ci  einem  jetzt  erfolgenden  Inscetenbesueh  ihrer- 
seits den  Rücken  des  Thierchens  berühren  müssen  und  so 


Figur  8. 

Blume  der  Wie.sen-SaU)ei  fSalvia 
pratensis),  scliwach  vergrüssert. 


gebene  Laye 


200 


Naturwissenschaftlic-he  Wochenschrift. 


Nr.  20. 


den  init.i;-elirat'hten  Iilütliciistaul)  anfiu'limen  krmnen.  Der 
nach  unten  liiu  weisende  Narl)enschenkcl  ist  länsor  als 
der  obere,  gleiclisani  ein  besonders  vorgestreckter  Finger, 
der  sicli  eifrig  bemüht,  einen  bcstinnnten  Gegenstanil  zu 
berühren. 

In  der  gcseliilderten  Jüume  der  Wiesen -.Salbei  sind 
sowohl  Staubblätter  (niännliche  Geschlechtsorgane)  als 
auch  weibliche  Geschlechtsorgane  vorhanden;  solche  Blumen 
nennt  der  Botaniker  zweigeschlechtig,  zwitterig  oder 
herniaphroditisch.  Ausser  Stöcken,  welche  ausschhess- 
lich  wie  beschrieben  hermaphroditische  Blumen  tragen, 
kommen  bei  der  genannten  l'Hanzenart,  wenn  auch  weniger 
zahlreich,  Stöcke  \t)Y,  l)ci  denen  die  Stauljbliittcr  mehr  oder 
minder  verkümmert  und  functionsunfähig,  die  weiblichen 
Organe  jedoch  durchaus  erapfängnissfäliig  sind,  wie  in  den 
hermaiihroditischen  Blumen.  Solche  Arten  nennt  man 
gyuodiöcisch.  Natürlich  ist  bei  den  rein  weiblichen 
Blumen  sogar  eine  Bestäubung  von  Blumen  desselben 
Stockes  untereinander  unmöglich  gemacht,  so  dass  die 
Kreuzbestäubung  hier  absolut  sicher  erreicht  wird. 

Die  AViesen-Salbei  ist  eine  „Hummel  blume",  d.  h. 
ihre  Blumen  sind  ihrem  Baue  und  ihrer  Grösse  nach 
durchaus  Hunnneln  angepasst;  sie  allein  vermögen  eine 
Bestäubungsvermittelung  zu  vollziehen.  Aehnlich  unter- 
scheidet man  Bienen-I51unien,  Tagfalter-  und  Nacht- 
falter-Blumen, Schwärmer-  B 1  u  m  e  n ,  W  e  s  p  e  n  -  B 1  u  - 
men  u.  s.  w.  Während  solche  Blumen  also  bestimmten 
Besueherkreisen  angepasst  sind,  gicbt  es  eine  grosse  An- 
zahl anderer,  die  in  dieser  Hinsicht  weit  weniger  beschränkt 
sind;  das  Extrem  der  Reihe  bilden  die  „offenen  Honig- 
blumen'- und  die  meisten  „Pollenblumen", —  welche 
letzteren  des  Honigs  entltehren,  dafür  aber  eine  grosse 
Zahl  polleureicher  Staubblätter  besitzen,  weil  sich  in 
diesem  Pralle  die  Besucher  mit  dem  Blüthenstaub  als 
Nahrung  begnügen  müssen,  —  bei  denen  der  Nektar  be- 
ziehungsweise der  Pollen  auf  das  bequemste  ausgebeutet 
werden  kann,  weshalb  auch  hier  die  mannigfaltigsten 
Insecten-Arten  für  die  Bestäubungs-Verniittelung  in  Betracht 
kommen.  Von  den  oft'enen  Honigblumen  gelangen  wir 
durch  die  Blumen  mit  theilwciser  Honigbergung 
zu  solchen  mit  völliger  Honigbergung,  zu  denen,  wie 
aus  der  Beschreibung  hervorgeht,  die  Wiesen-Salbei  gehcirt. 

Bei  Pflanzen-Arten  mit  völliger  Honigbergung  ist  der 
Nektar  besonders  vorsichtig  vor  äusseren  Einwirkungen, 
namentlich  Regen  und  Thau,  geschützt,  aber  auch  in  den 
oft'enen  Honigblumen  finden  sich,  wo  es  Noth  thut,  als 
besondere  Scliirmvorrichtungen  über  den  Nektarien  oft 
„Saftdecken"  in  der  Form  von  Lappen,  Haarbüscheln 
u.  dergl.  Bei  der  Wiesen- Salbei  im  Speciellen  schützt 
die  innere  Blüthendecke,  die  Blumenkrone,  diu-ch  ihre 
Ausbildung  nicht  nur  das  Nektarium  vor  dem  Nasswerdeu 
durch  Regen  und  'Jliau,  sondern  durch  die  schirmartige 
Ausbildung  ihrer  Oberlippe  auch  die  Staubbeutel:  ein 
Schutz,  der  geboten  erscheint,  da  auch  der  Blüthenstaub 
durch  Feuchtigkeit  leicht  verdirbt. 

Schutzmittel  besonderer  Art  in  und  ausserhall)  der 
Blumen  finden  sich  oft  zur  Abhaltung  „unberufener 
Gäste"  unter  den  Insecten,  um  diese  von  der  Ausnutzung 
der  Nährmaterialien  für  die  eigentlichen  Bestäubungs- 
Vermittler  abzuhalten. 

„Unberufene  Gäste"  nennt  man  also  solche  Insecten, 
welche  zwar  die  Blumen  behufs  Einsammelns  von  Honig 
oder  Blüthenstaub  besuchen,  jedocli  bei  dem  Befrnchtungs- 
act  keine  Hilfe  leisten,  vielmehr  die  Blumen  durch  ihr 
Herumkriechen  in  denselben  nicht  selten  zu  schädigen  im 
Stande  sind,  weil  sie  ihnen  nicht,  wie  die  richtigen  Be- 
stäubungs-Vermittler, in  ihrem  Baue  angepasst  erscheinen. 

Schutzmittel  gegen  aufkricchende  unberufene  Gäste 
sind    meist    ausserhalb,    solche   gegen    anfliegende   In- 


secten meist  im  Innern  der  Blumen  —  oft  wie  Gitter  ab- 
speriende  Haare  und  Fransen  —  angebracht. 

Zunächst  ist  leicht  einzusehen,  dass  die  mit  ihren 
unteren  Theilen  im  Wasser  stehenden  Gewächse  besonderer 
Schutzmittel  der  angedeuteten  Art  —  wenigstens  gegen 
aufkriechende  Thiere  —  nicht  bedürfen,  die  sie  in  der 
That  auch  nicht  besitzen,  da  das  Wasser  den  nicht  fliegen- 
den Thieren  meist  ein  unüberwindliches  Hinderniss  ent- 
gegensetzt. Manche  auf  trockenem  Boden  stehende  Arten, 
wie  eine  Enzian- Art,  Gentiana  lutea,  und  eine  mit  der  Weber- 
karde verwandte  Pflanze,  Dipsacus  laciniatus,  verschanzen 
ihre  Blumen  hinter  eigenen  Gräben,  indem  die  gegen- 
ständigen Blätter  mit  ihrem  Grunde  derartig  verwachsen, 
dass  um  den  Stengel  herum  ein  Becken  gebildet  wird, 
welches  sich  bei  jedem  Regen  mit  Wasser  füllt.  In  diesen 
Behältern  ertrinken  viele  aufkricchende  und  auch  an- 
fliegende Insecten,  welche  sonst  vielleicht  in  die  Blumen 
zu  gelangen  suchen  würden,  um  dort  „unberufen"  vom 
Honig  oder  Blüthenstaub  zu  naschen. 

Bei  der  auf  sonnigen  Hügeln,  trocknen  Wiesen  und 
in  Laubwäldern  nicht  seltenen  Pechnelke  (Viscaria  vul- 
garis) schützen  sich  die  Blumen  durch  die  pechig-klebrige 
BeschaÖ'enheit  der  oberen  Steugeltheile  unter  den  Ansatz- 
stellen der  Blätter  vor  einer  Beraubung  durch  alle  der 
Pflanze  nicht  nützlichen,  ungeflügelten  Gäste:  gerade 
wie  der  ]\Iensch  seine  Waldungen  vor  Paupenfrass  zu  be- 
wahren sucht,  indem  er  die  unteren  Stammtheile  der 
Bäume  mit  Pechringen  versieht,  welche  das  Hinaufkriechen 
der  auf  dem  Erdboden  befindlichen  Raupen  verhindert. 
Häufig  sind  es  eng  zusannnenstehende,  einen  klebrigen 
Stoft'  ausscheidende  Drüsen  oder  auch  rückwärts  gerichtete 
Stacheln,  welche  ungeflügelten  Besuchern  den  Zutritt  ver- 
wehren. Eigcnthündich  verhält  sich  eine  giftige  Lattich- 
Art  (Lactuca  virosa),  deren  in  der  Blüthenregion  befind- 
liche Hochblätter  während  der  Blüthezeit  bei  der  leisesten 
Berührung  Tröpfchen  eines  dicken,  milchigen  Saftes  aus- 
spritzen, wodurch  kleine  Thiere,  wenn  sie  beim  Empor- 
kriechen die  Hochblätter  berühren,  vermittels  des  ausge- 
schiedenen, schnell  zu  einer  festen  Substanz  eintrocknenden 
Milchsaftes  festgeklebt  (und  vergiftet?)  werden. 

Allein  nicht  immer  sind  die  Pflanzen  so  grausam; 
denn  bei  manchen  Arten  .sind  nicht  nur  die  Blumen,  son- 
dern auch  die  Laubblätter  mit  Nektarien  ausgestattet, 
welche  die  Insecten,  z.  B.  Ameisen,  von  den  Blumen  ab- 
lenken. Dies  ist  vorzüglich  bei  manchen  Wicken  (Vicia- 
Arten)  der  Fall,  deren  Neljcnblätter  Ilonigbehälter  tragen, 
welche  Insecten,  die  beim  Befruchtungsvorgange  keine 
Rolle  zu  spielen  vermögen,  von  den  Blumen  altziehen. 
Die  zu  den  Blumen  hinaufkriechenden  Thierchen  müssen 
an  den  dicht  am  Stengel  befindlichen  Nebenblatt-Nectarien 
vorbei,  wo  sie  schon  unterwegs  Honig  in  reichlicher 
Menge  vorfinden.  Die  Insecten  beuten  die  so  leicht  ge- 
fundene Nahrungsquelle  aus,  ohne  sich  weiter  zu  den 
Blumen  zu  bemühen. 

Wenigstens  werden  die  ausserhalb  der  Blumen  vcn-- 
konnnenden  Nektarien  bei  gewissen  Arten  in  der  be- 
schriebenen Weise  von  manchen  Botanikern  gedeutet  und 
in  bestimmten  Fällen  wird  auch  diese  Deutung  zutreft'end 
sein;  bei  der  Wicke  speciell  wird  auch  die  Autfassung  ver- 
treten, dass  die  von  den  Nebenblatt-Nektarien  angelockten 
Ameisen  nicht  eigentlich  von  den  Blumen  abgelenkt,  son- 
dern durch  ihr  Vorhandensein  einen  directen  Schutz  gegen 
Raupen  und  sonst  der  Pflanze  schädliche  Thiere  gewähren. 
Sicher  erwiesen  ist  das  für  manche  tropische  Arten,  und 
wir  dürfen  oder  müssen  wohl  ein  Gleiches  für  solche 
Pflanzen-Arten  annehmen,  die  überhaupt  keine  zu  schützen- 
den Blumen  besitzen,  wie  z.  B.  unser  Adlerfarn.  In  der 
Jugend  finden  sich  bei  dieser  Art  an  gewissen  Stellen 
der  Wedelspiudel  Nektarien,  —  welche  auch,  wie  unsere 


Nr.  20. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


201 


Figur  3  auf  S.  402,  Bd.  VI  der  „Naturw.  Wochcnsclir." 
veraHSchanliciit,  oft  noch  im  Alter  sich  durch  dunklere 
Färbung  niarkiren,  —  die  sich  vorläufig  nur  in  der  ge- 
dacliteu  Weise  erklären  lassen. 

Wenden    wir   uns   nunmehr    mit    wenigen    Worten    zu 

indblüthl  ern.     Wasser  und   Wind 

keine  Augen    und   keinen  (Seruehs- 

der  Wasser-  und  Windblüthler  sind 


angedeutet 


den  Wasser-  und  W 
haben  keinen  Magen, 
sinn,  und  die  Hlütheu 
daher  —  wie  schon 
honiglos,  unscheinbar,  klein  und  be- 
sitzen keinen  auffälligen  Geruch. 
Als  Heispiel  eines  Wasserl)liithlers 
führe  ich  in  der  A))bildung  !•  die  in 
südeuroiiäisehen  Gewässern  anzu- 
treffende Vallisnerie  vor.  Die  kurz- 
gestielten .Staubblattblüthen  dieser 
Phanzen  lösen  sich  —  sobald  sie  reif 
sind  —  vollständig  von  ihrem  Mutter- 
stock los:  sie  gelangen  vermöge 
ihres  geringen  specifischen  Gewichtes 
an  die  Oberfläehe  des  Wassers,  wo 
sie  sich  öffnen.  Hier  schwimmen  sie 
— •  von  Wind  und  Wellen  getrieben 
—  wie  kleine  Nachen  frei  und) er 
und  bestäuben  die  Stempelblüthen, 
die  an  langen,  fadenförmigen,  spi- 
raligen Stielen  ebenfalls  die  Wasser- 
oberfläche erreichen.  Nach  erfolg 
Bestäubung 


anii-ewiesen.     Vor   Allem 


ter  Bestäubung  ziehen  sich  diese 
langen  Stiele  spiralförmig  zusaunnen, 
sodass  die  Frucht  unter  Wasser  reift. 

Was  nun  die  Windblüthler  anbetrifft,  so  besitzen 
diese  also  natürlich  ebensowenig  wie  die  Wasserblüthler 
eine  auffallende  Blüthendecke.  Sie  sind  also  liehufs  Be- 
stäubung auf  die  bewegte  Lufl 
fällt  auf,  dass  die  Windblüthler 
einen  stäubenden,  in  der  Luft 
sich  leicht  verbreitenden 
Blüthenstaub  besitzen,  während 
den  insectenblüthigen  Pflanzen 
ein  zusammenhängender,  kleb- 
riger Blüthenstaub  zukommt. 
Sodann  fällt  auch  die  grosse 
Masse  des  Blüthenstaubes  auf, 
welche  gerade  die  Wind- 
blüthler erzeugen.  Schüttelt 
man  zur  Blüthezeit  einen 
Haselstrauch,  eine  Kiefer  oder 
die  Aehre  eines  Grases,  so 
löst  sich  der  Blüthenstaub  in 
AVolkenform  von  den  Aesten 
ab  und  verbreitet  sich  weit- 
hin in  die  Luft.  Diese  massen- 
hafte Loslösung  und  Weiter- 
fuhrung des  Blüthenstaubes 
hat  ihren  Grund  in  bestimmten 
Einrichtungen  der  Blflthe.    Die 

reifen  Staubbeutel  ragen  z.  B.  bei  den  Gräsern  weit 
aus  der  Blüthe  hervor;  sie  sitzen  an  langen  bieg- 
samen Fäden  und  schaukeln  ausserhalb  der  Blüthe 
hin  und  her.  Von  solchen  an  zarten  fadenförmigen 
Fäden  hängenden,  durch  die  Luft  hin  und  her  be- 
wegten Staubbeuteln  wird  begreiflicherweise  der  Blüthen- 
staub leicht  ausgeschüttelt.  In  anderer  Weise  wird 
das  Ausstäuben  begünstigt  bei  den  Birken,  Erlen,  Hasel- 
sträuchern,  Pappeln  u.  s.  w.,  wo  sich  die  Staubblattblüthen 


Figur  9. 

Vallisneria  spiralis.  Links  eine  noch  ge- 
schlossene, reclits  eine  geöffnete  männliche 
niütlie,  welche  letztere  die  weihliclie  be- 
fi'uchtet.    Vergrössert. 


Figur  10. 

llaselnuss  (Uorylus  Avellana). 


Die    BJüthenstäudc    mit   den   Stempelljlütlieu   hal)en    diese 
leichte  Beweglichkeit  nicht  nothwendig.    Bei  dem  Fig.  10 
abgebildeten   Zweigende   der   Haselnuss  mit   zwei   Staub- 
blattblüthen-Kätzchcn    m    befindet    sich    ein   Blüthenstand 
mit  den  Stemi)ell)lütiieii   in    Form  eines  Knöspchens,   aus 
welchem    die    rothen    Narl)cn    hervorragen    bei    ic.      Die 
Narlten  vieler  windblüthiger  Pflanzen  sind  zum  Auffangen 
des  Blüthenstaubes  dadurch  besonders  geeignet,   dass   sie 
—  wie   dies  z.  B.  die  meisten  Gras- 
blüthen  in  auffälliger  Weise  zeigen  — 
reichlich  von  zumeist  starren,  ausein- 
andergespreizten Haaren,  den  Fang- 
haaren,   bedeckt  sind.      Wir  sehen 
gleichzeitig    an    solcher   Blüthe,    wie 
ungemein    unscheinbar    die    die    (ie- 
schlechtsorgane    umhüllenden    Blätter 
sind. 

Das  wogende  Kornfeld  ist  das 
i)este  Beispiel  für  einen  Windl)lüfhler: 
wenn  sicii  kein  Lüftchen  regt,  vermag 
das  Korn  auch  nicht  zu  reifen.  Wir 
wissen  jetzt:  warum. 

Um  den  Unterschied  zwischen 
Wind-  und  Insectenblttthler  recht 
augenfällig  zu  erkennen,  brauchen 
wir  nur  ein  Bouquet  aus  Windblüth- 
lern  mit  einem  solchen  aus  Insecten- 
blüthlern  zu  vergleichen.  Die  Blüthen 
der  Windblüthler  sind  zwar  zierlich, 
aber  klein,  unscheinbar  und  eintönig, 
ohne  Auffälligkeit  gefärbt:  nur  wenn 
sie  zu  Tausenden  und  Abertausenden  zu  Blüthenständen  ver- 
einigt beisammen  stehen,  lassen  wir  sie  uns  als  Makart- 
sträusse  gefallen.  Wie  ganz  anders  wirkt  ein  echter  Blumen- 
strauss  auch  nur  weniger  Blumen  mit  seiner  Farbenpracht, 

seinem  Wohlgeruch  und  seiner 
unvergleichlichen  Schönheit ! 
Soll  ich  es  wagen,  hierüber 
ein  Wort  zu  verlieren,  wo 
unser  Gefühl  redet  und  wo  die 
Dichtkunst  Herrschaft  hat"? 

Doch  bevor  ich  zum 
Schluss  komme,  eine  kurze 
Bemerkung  aus  der  Geschichte 
der  wissenschaftlichen  Er- 
kenntniss  unseres  Gegenstandes. 
Es  ist  ja  erklärlieh,  dass 
die  Blüthen  und  besonders  die 
bunten  Blumen  wegen  ihrer 
Eigenthümlichkeiteu,  also  ihres 
Reichfhnms  an  lebhaften 
Farben,  welche  sich  vom  Grün 
der  Laubblätter  deutlich  ab- 
heben,   wegen    ihrer    Mannig- 


Natürliche  Grösse. 


fältigkeit    und   ihrer 


an  langgestreckten, 


biegsamen , 


leicht  in  Bewegung  zu 
versetzenden  Kätzchen  befinden,  welche  selbst  durch 
schwache  Luttströuumgcn  hin  und  her  geworfen  werden. 


die  Luft 
durchwürzenden  Gerüche,  die 
besondere  Aufmerksamkeit 
auch  des  denkenden  Menschen  auf  sieh  lenken  mussten. 
Nichtsdestoweniger  standen  sie  ihm  Jahrtausende  hin- 
durch als  ungelöste  Räthsel  da,  und  diese  Thatsache, 
dass  also  die  Gelehrten  nichts  Wesentliches  über  sie  zu 
sagen  wussten,  hat  gewiss  nicht  wenig  dazu  beigetragen, 
die  Ansicht  zu  bestärken,  sie  seien  ausschliesslich  dem 
Menschen  zur  Freude  erschaffen. 

Eine  aufmerksame  Beachtung  des  praktischen  Lebens 
hätte  nun  allerdings  dem  Naturforscher  den  riclitigen  Weg- 
weisen  können. 

Die  Dattelpalme,  der  „gesegnete  Baum"  der  Araber, 
der  einen  Theil   Arabiens   zum    „glücklichen"   gestempelt 


202 


Naturwissenschaftlicbe  Wochenschvift. 


Nr.  20. 


bat,  wird  seit  uiideiiklit'hen  Zeiten  seiner  Früehte  wegen 
cultivirt;  aber  nur  gewisse  Bäume  tragen  Frücbte,  andere 
können  dies  nicbt.  Jetzt  bezeiebnet  man  die  ersteren 
als  weibbcbe,  die  letzteren  als  niännlicbe  Bäume:  beide 
nntersclieiden  sieb  nur  durch  die  Verscbiedeubeit  in  der 
Gestaltung  ibrer  ijlütbeu  von  einander  und  stimmen  im 
Uebrigen  durchaus  überein.  Sebon  im  grauesten  Alter- 
tbum  wussten  die  Besitzer  von  I)atteli)fianzungeu,  dass 
aus  den  Blütben  der  weiblieben  Bäume  nur  dann  reite, 
geniessbare  Datteln  erwaebsen,  wenn  die  Blütben  der 
männlicben  Bäume  einen  Einüuss  auf  dieselben  ausgeübt 
haben,  und  um  diesen  zu  sichern,  brachten  sie  abge- 
schnittene Blüthenrispen  der  männlieben  Bäume  in  die  un- 
ndttelbare  Nähe  der  an  den  Bäumen  belassenen  weiblichen 
Blüthenrispen.  Die Geseldecbtsunterscbiede  des  Thierreielies 
finden  sich  eben  im  Ptianzenreiche  wieder.  Die  Wissen- 
.schaft  freilich  erkannte  diese  Tbatsache  verbältnissmässig- 
recht  spät,  denn  erst  lüyi  l)is  1698  wies  Camerarius,  ein 
deutscher  Arzt  und  Botaniker,  durch  Versuche  die  Notb- 
wendig'keit  des  in  den  Staubblättern  der  Blütben  erzeugten 
Blüthenstaubes  bei  der  Erzeugung  der  .Samen  nach.  Der 
Blütbenstaub  muss  ja  auf  die  Fruchtblätter  gelangen,  welche 
erst  dann  Früehte  bildend  zur  Samenreife  gelangen. 

Inwiefern  aber  die  Farben,  die  Woblgerüche  und 
andere  Besonderheiten  der  „Blumen"  —  so  nennt  also  der 
Pflanzenkundige  die  auffallenden  Blütben  —  den 
Pflanzen  sell)st  von  Nutzen  sind,  blieb  auch  dann  noch 
lange  ein  ungelöstes  (ieheinndss. 

Erst  im  Jahre  1793  —  also  gerade  vor  100  Jahren  — 
hat  also  —  wie  schon  ausführiieli  in  der  „Naturwissen- 
schaftlichen Wochenschrift"  niitgetheilt  worden  ist  — 
ein  Schulmeister,  der  Rector  Christian  Kom-ad  Sprengel 
in  Sjiandau,  durch  Veröffentlichung  eines  Meisterwerkes 
auch  diesen  Schleier  gelüftet,  indem  er  scharfsinnig  und 
in  genialer  Weise  die  Bedeutung  der  Blumen-(Jrgane, 
namentlich  der  bunten  Blütbeidjlätter  in  dem  Sinne,  wie 
ich  es  dargestellt  habe,  erläuterte. 

Die  von  ihm  gefundenen  Ergebnisse  waren  ihm  selbst 
so  überraschend,  dass  er  seinem  Buch  den  Titel  gab:  „Das 
entdeckte  Gebeinmiss  der  Natur  im  Bau  und  in  der  Be- 
fruchtung der  Blumen."  In  der  That  ist  die  Entdeckung- 
Sprengers,  der  den  Floristen  seiner  Zeit  den  einfachen 
aber  guten  Rath  gab,  die  Pflanzen  hübsch  in  der  freien 
Natur  zu  beobachten  und  sich  nicht  mit  dem  todten  Her- 
barium im  Studirzinnner  zu  begnügen,  von  so  ausserordent- 
licher Tragweite  für  die  wissenschaftliche  Auffassung  der 
Blütbenorgane,  dass  es  unbegreiflich  erscheint,  wie  dasbeute 
noch  mustergiltige  und  durchaus  noch  des  Studiums  werthe 
Buch  Sprcngel's  so  gänzlich  übersehen  werden  konnte. 
Es  ist  unglaublich  aber  wahr,  dass  das  geniale  Buch  bis 


1862  so  gut  wie  vollständig  unbeachtet  und  verschollen 
blieb;  erst  der  grosse  englische  Naturforscher  Charles 
Darwin,  der  sieb  gerade  mit  dem  Gegenstande  beschäftigte 
und  dessen  Genius  hier  eine  mächtige  Förderung  bewirkte, 
zog  das  grundlegende  Werk  Sprengel's  in  dem  ange- 
gebenen Jahre  wieder  ans  Licht. 

Fragen  wir  uns  nun  zum  Schluss  nach  der  Bedeu- 
tung der  geschilderten  eigentluunlicben  Fortpflanzungs- 
weise gegenüber  der  einfachen  Tbeilung.  nacii  dem  \'or- 
theil,  welchen  die  Vereinigung  zweier  verschiedener  Zellen 
fremder  Indi\iduen  mit  sich  bringt,  so  sehen  wir  zu  un- 
serem Verdruss  bald,  dass  die  Wissenschaft  zur  Zeit  noch 
keine  gänzlich  befriedigende  Auskunft  zu  geben  vermag.*) 
Das  grosse  Räthsel  der  Liebe  hat  der  Naturforscher  also 
bisher  noch  nicht  endgiltig  zu  lösen  vermocht.  Muss  die 
Naturforschung  aber  zugestehen,  dass  ein  Vorgang  in  der 
Lebewelt,  auf  den  sich  so  Vieles  zuspitzt,  der  vollen  Er- 
kenntniss  seiner  Bedeutung  bis  jetzt  getrotzt,  von  seiner 
Wunderbarkeit  also  nicht  viel  verloren  hat,  dann  werden 
wir  gemahnt,  dass  die  Erforschung  der  Natur  bescheiden 
machen  sollte :  der  Mensch  lernt  hierbei  die  Schwäche  seiner 
geistigen  Fähigkeiten  kennen.  Der  im  Busen  des  wahren 
Forschers  wühlende  Trieb:  erkennen  zu  wollen,  was  die 
Welt  im  Innersten  zusammenhält,  wird  niemals  zu  voller 
Befriedigung  gelangen.  Ewige  Wunder  werden  uns 
bleiben,  theils  unlösbar,  weil  unser  endlicher  Geist  die 
„Unendlichkeit"  nicbt  zu  erfassen  vermag,  und  weil  ge- 
wiss nur  der  kleinste  Theil  der  Naturerscheinungen  durch 
das  Thor  unserer  spärlichen  Sinne  uns  zum  Bewusstsein 
kommt.  Diese  Erkenntniss  betrübt  aber  nur,  wer  ein- 
seitig im  Verstände  lebt:  nicht  unser  Verstand  allein,  auch 
das  Gemüth  fordert  bei  dem  ganzen  Menschen  mächtig 
Befriedigung.  Der  Glaube  setzt  ein,  wo  die  Verstandes- 
kräfte nicbt  ausreichen:  das  Herz  füllt  sich  und  trägt  uns. 
Nur  die  ungezügelte  Phantasie  vermag  die  Brücke  zu 
bilden  zwischen  dem,  was  wir  erkennen  können  und 
dem,  was  wir  erkennen  möchten.  Die  Philosophie  betritt 
diese  unsichere,  schwanke  Brücke,  die  naturwissenschaft- 
liche Forschung  muss  zurückbleiben  und  ehrlich  gestehen: 
ich  weiss  nicht  weiter.  Aber  was  sie  aufgiebt  —  müssen 
wir  mit  Scbwendener  sagen**)  —  an  weltumfassenden  Ideen 
und  an  verlockenden  Gebilden  der  Phantasie,  wird  ihr 
reichlich  ersetzt  durch  den  Zauber  der  Wirklichkeit,  der 
ihre  Schöpfungen  schmückt. 


*)  Am  bcachtenswortlu-'steii  scheint  mir  die  Auffassung  Weis- 
m.ann'.i,  nach  welcher  das  Wesentliche  der  Befruchtung  in  der  Ver- 
einigung zweier  Vererbungstendenzen,  in  der  Vermischung  der 
Eigenscliaften  zweier  Individualitäten  zu  suchen  ist.  —  Vergleiche 
„Naturw.  Woehenschr."  Bd.  VII,  Nr.  15  S.  141  tt. 
**)  Vergl.  das  Motto  der  „Naturw.  Woehenschr." 


Fragen  und  Antworten. 


Ist  die  Morchel,  Helvella  esculeiita,  giftig.' 

Herr  Professor  Pen f ick  in  Breslau  trat  vor  einigen 
Jahren  gegen  die  Morchel  in  die  Schranken.  Er  ver- 
öft'entlicbte  in  der  deutschen  Medicinal- Zeitung  die  Re- 
sultate seiner  Untersuchungen,  die  folgendermaassen  lauten: 

„Es  sind  in  der  Litteratur  eine  ganze  Menge  von 
Fällen  veröffentlicht,  bei  denen  nach  dem  Genuss  von 
Morcheln  Vergiftungserscheinungen  eintraten.  Verfasser 
stellte  nun  eine  Anzahl  Versuche  nut  der  Helvella  es- 
culenta  an,  um  deren  Giftigkeit  zu  prüfen.  Als  Versuchs- 
thiere  dienten  fast  ausnahmslos  Hunde.  Das  Ergebniss 
war  folgendes:  Rohe  Morcheln  sind  durchaus  giftig,  und 
zwar  wirken  sie  durch  eine  Desorganisation  des  Blutes, 
Zerfall  der  rothen  Zellen,    welche  ihrerseits  eine  schwere 


diffuse  Nephritis  nach  sich  zieht.  Ebenso  intensiv  giftig 
wirkt  das  Decoct  frischer  Morcheln,  während  die  heissen 
Traber  unschädlich  erschienen.  Das  kalte  Estraet  (Ma- 
cerationsflüssigkeit)  zeigt  einen  sehr  wechselnden  Grad 
von  Schädlichkeit  je  nach  der  Dauer  der  Durchknetung 
und  der  Energie  des  Ausquetschens.  Die  kalten  Traber 
sind  an  sich  entschieden  giftig,  doch  bedarf  es  der  4  bis 
6  fachen  Mengen  wie  bei  unversehrten  frischen  Morcheln. 
Wäscht  man  frische  ]\Iorcbeln,  welche  nicht  zerkleinert, 
sondern  unversehrt  geblieben  sind,  in  kaltem  Wasser,  so 
erweist  sieh  die  kalte  Wascbflussigkeit  als  unschädlich. 
Heisse  Waschflüssigkeit  erweist  sich  als  durchaus  giftig, 
während  den  heiss  gewordenen  Morcheln  eine  zwar  un- 
verkennbare, jedoch  wesentlich  geminderte  Leistungs- 
fähigkeit innewohnt.  Das  Spülwasser  nimmt  etwa  die 
Hälfte  oder  ein  Drittel  der  giftigen,   von  dem  Schwamm- 


Nr.  .'0. 


Natiuwis.scnscliaf'llic'hc  Wocheiiscliiift. 


203 


gewebc  beherbergten  Substanz  auf,  während  dieses  selbst 
die  entsprochende  Menge  einbüsst.  Wässeriges  und  allco- 
holischcs  Extraet  aus  frischen  Seliwännncu  erwies  sich 
nach  dem  Abdampfen  als  durchaus  indifferent.  Frische 
getrocknete  Morcheln  besitzen  noch  eine  herabgesetzte 
Giftigkeit,  72  Jahr  resp.  1  Jahr  nach  dem  Trocknen  sind 
sie  ganz  unschädlich. 

Für  die  Hygiene  ergeben  sich  daraus  folgende  Schluss- 
folgerungeu : 

Die  Helvella  esculenta  ist  an  und  für  sich  selbst  ein 
in  hohem  Maasse  gefährlicher  Pilz,  da  er  ein  Blutgift 
enthält.  Dieselbe  darf  darum  niemals  anders,  als  unter 
strengster  Beachtung  bestimmter  Vorsiclitsniaassregeln  ver- 
werthet  werden: 

A.  Frisch  gesammelt. 

1.  Es  ist  unter  allen  Verhältnissen  unstatthaft,  sie 
roh  zu  essen. 

2.  Gekocht  darf  sie  nur  nach  vorherigem  wieder- 
holten Aufsieden  und  erneutem  Ueberspfllen  mit  hcissem 
Wasser  in  Gebrauch  genommen  werden,  mit  der  Maass- 
gabe, dass  nicht  nur  die  Brühe  völlig  abgegossen,  son- 
dern auch  alle  Flüssigkeit,  welche  den  auf  dem  Siebe 
zurückgebliebenen  Schwämmen  etwa  noch  anliaften  mag. 
durch  Schütteln  oder  Drücken  entfernt  werden  muss. 

3.  Diese  Brühe,  als  die  verderblichste  Quintessenz 
des  ganzen  Giftpilzes,  nuiss  zum  Schutz  von  Mensch  und 
Thier  sofort  vernichtet  werden. 

4.  Waschen  in  kaltem  Wasser  hilft  gar  nichts,  ein- 
faches Uebergiessen  mit  heissem  nur  ganz  ungenügend, 
ein  mehrmaliges  Aufsieden  der  Pilze  ist  unerlässlich. 

B.  Gedörrt. 

1.  Jüngere  Stücke  sind  innerhalb  der  ersten  14  Tage 
noch  immer  recht  gefährlich,  weniger,  aber  doch  unver- 
kennbar, innerhalb  des  ersten  und  zweiten  Monats,  um 
von  da  ab  bis  zum  vierten  ihre  deletären  Eigenschaften 
mehr  und  mehr  zu  verlieren. 

2.  Halbjährige,  jährige  oder  noch  ältere  Stücke  sind 
durchaus  unschädlich  und  können  ohne  alle  weiteren  Vor- 
sichtsmaassregeln  getrost  verspeist  werden." 

E.  Jaco hasch  hat  auf  Grund  dieser  Auslassung 
die  eventuelle  (iiftigkeit  der  Morchel  an  sich  selbst  besonders 
geprüft  und  seine  Resultate  in  den  ^'erhandlungen  des 
botanischen  Vereins  Bd.  XXV  verötfentlicht.  Er  sannnelte 
eine  Portion  l\Iorcheln  und  verzehrte  grössere  Stücke  der- 
selben roh.  Aber  auch  nicht  die  geringste  Spur  von  Un- 
behagen stellte  sich  ein.  Die  übrigen  liess  er  einen  Tag 
liegen,  um  zu  selien,  ob  sich  vielleicht  dadurch  das  Gift 
entwickele,  und  verspeiste  des  andern  Tages  wieder 
mehrere  Stücke  roh.  Aber  wiederum  zeigte  sich  keine 
Spur  von  Vergil'tung.  Den  Rest,  eine  zur  Sättigung  aus- 
reichende Portion,  liess  er  sich  zubereiten:  Sie  wurden 
in  kaltem  Wasser  abgewaschen,  um  Sand  und  sonstige 
Unreinigkeiten  zu  entfernen  (nicht  erst  in  kochendem 
Wasser  abgebrüht,  wie  Prof.  Pontick  verlangt)  und,  da- 
mit das  Aroma  nicht  verloren  gehe,  nur  wenig  in  Butter 
gebraten,  mit  den  nöthigen  Znthaten  (Salz,  Pfeffer,  ge- 
hackter Petersilie)  verseTien  und  dann  verspeist.  Aber 
nicht  die  geringste  üble  Wirkung  stellte  sich  ein. 

Krombholz  erklärt  in  seinem  Werke:  Naturgetreue 
Abbildungen  und  Beschreibungen  der  essbaren,  schäd- 
lichen und  verdächtigen  Schwämme,  mit  einer  einzigen 
Ausnahme  sämmtliche  Helvellen  für  essbar,  und  diese 
eine,  die  Helvella  suspecta  Krmbh.,  hält  Lorinser  für 
identiscii  mit  Helvella  esculenta.  Er  sagt  darüber:  „Pro- 
fessor Krombliolz  besehreibt  zwar  in  seinem  grossen  Werke 
über  die  Schwämme  eine  verdächtige  Lorchel  (Helvella 
suspecta  Krmbh.),  welche  in  der  Gegend  von  Dobrisch 
und  Prihrani    in   Böhmen   wächst,    und    erzählt,    dass    im 


Jahre  1829  nach  einem  aus  solchen  Lorcheln  bestehenden 
Mahle  eine  Mutter  sammt  ihren  vier  Kindern  an  Er- 
brechen und  reissenden  Unterleibsschmerzen  erkrankt,  und 
dass  die  Mutter  sammt  ihrem  siebenjährigen  Sohne  unter 
Krämpfen  und  Bewusstlosigkeit  gestorben  sei.  Allein  da 
sich  zwischen  der  von  Krombholz  beschriebenen  ver- 
dächtigen Lorchel  und  der  gewöhnlichen  Früh-  oder 
Speiselorchel  (Helvella  esculenta)  kein  wesentlicher  Unter- 
schied nachweisen  lässt,  da  ferner  diese  verdächtige 
Lorchel  bei  Dobrisch  selbst  ganz  unbekannt  ist,  Ver- 
giftungsfälle daselbst  nicht  vorkommen,  und  die  dort  in 
Menge  wachsenden  Speiselorcheln,  darunter  auch  solche, 
welche  mit  der  von  Krombholz  beschriebenen,  verdächtigen 
Lorchel  genau  übereinstinnnen,  allgemein  gegessen  und 
sowohl  in  Pribram  als  in  Prag  auf  den  Jlarkt  gebracht 
werden,  so  dürfte  wohl  diese  verdächtige  Lorchel  nichts 
anderes  als  die  gewöhnliche  Früh-  oder  Speiselorchel  ge- 
wesen sein,  und  wenn  die  Erkrankung  und  der  Tod 
jener  Mutter  und  ihres  Sohnes  nicht  durch  andere  Ein- 
flüsse erfolgt  ist,  so  dürften  jene  Lorcheln  wahrscheinlich 
schon  verdorben  und  jedenfalls  im  üebermaasse  genossen 
worden  sein.  Nach  genauen  Berichten  aus  Dobrisch 
kommen  Erkrankungen,  namentlich  Erbrechen  und  Leib- 
schmerzen, dort  auch  nach  dem  übermässigen  (ienusse 
von  ganz  guten  essbaren  Schwämmen  (z.  B.  Morcheln) 
vor,  weil  die  Arbeiter,  insbesondere  die  Kohlenbrenner, 
in  den  ausgedehnten  Wäldern  oft  nichts  anderes  als 
Schwämme  geniessen  und  damit  ihren  Hunger  stillen. 
AUerdintfs  pflegt  man  dort  die  Lorcheln  zuerst  mit  Wasser 
abzubrühen  oder  zu  kochen  und  dieses  Wasser  weg- 
zuschütten, allein  dies  geschieht,  um  die  in  den  Falten 
verborgenen  Insecten  zu  tödten  und  zu  entfernen.  Die 
Lorcheln,  welche  in  Dobrisch  im  Gebiete  der  Grauwacke 
und  des  Granits  häufig  vorkonnnen,  besonders  auf  alten 
Kohlenmeilcrstätten  sehr  zahlreich  (jedoch  nie  auf  l'hon- 
schiefer)  getroffen  werden,  hält  man  dort  nur  dann  für 
schädlich,  wenn  dieselben  bei  sehr  regnerischem  Wetter 
an  ihrer  Oberfläche  grüne  Warzen  (vielleicht  Pilze?)  be- 
kommen. Auch  l)einerkte  schon  Krombholz,  dass  die 
Substanz  der  verdächtigen  Lorchel  wässerig,  ihr  Geschmack 
anfangs  morchelartig,  später  süss  und  widerlich  sei." 

So  halten  auch  alle  Pilzkenner  die  Helvellen  für 
essbar,  und  Jacobasch's  vorhin  angeführten*)  Versuche  und 
der  seit  Jahrhunderten  allgemeine  Genuss  dieses  Pilzes 
bestätigen  dies. 

Dass  Ponflck  liei  seinen  Untersuchungen  die  Speise- 
morchel mit  einer  andern  Pilzai't  verwechselt  hat,  ist  wohl 
nicht  anzuneinnen;  es  wachsen  zur  Zeit  des  Vorkommens 
der  Morchel  andere  ähnliche  Pilze  nicht,  und  ausserdem 
macht  sich  die  Morchel  durch  ihre  eigenthündiche  Gestalt 
leicht  kemitlich.  Auch  dass  verdorbene  Morcheln  ver- 
wendet sein  könnten,  ist  nicht  gut  möglich.  Der  alleinige 
Grund,  dass  die  Untersuchungen  des  Herrn  Prof.  Ponflck 
ein  anderes  Resultat  ergaben,  scheint  nur  darin  zu  be- 
ruhen, dass  dieselben  an  Thieren,  hauptsächlich  an  Hun- 
den, ausgeführt  wurden.  Thiere  verhalten  sich  aber  viel- 
fach ganz  anders  gegen  Stoffe,  die  dem  Menschen  giftig 
sind,  als  der  letztere,  und  umgekehrt.  Fressen  nicht 
Schnecken  und  andere  Thiere  selbst  die  gifstigsten  Pilze 
mit  Begierde  und  ohne  Nachtheil?  H.  0.  Lenz  sagt 
z.  B.:  „Eichhörnchen  habe  ich  im  Freien  Fliegenschwännne 
fressen  sehen,  und  drei  Waldmäuse,  welche  ich  rohe 
Stückchen  mit  Milch  und  Semmel  fressen  liess,  litten 
keinen  Schaden."  Von  den  Rennthieren  lichauptet  Steller, 
dass  diese  Pilzliebhaber  auch  den  Fliegenschwamm  öfters 
geniessen  und  davon  nur  wie  betrunken  werden.  Der 
Pantherschwamm,    Amanita  pantherina  DC,    der  für  die 

*)  und  seitdem  alljiUiriieh  enieuerteu 


204 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  20. 


Menschen  Gift  ist,  wirkte  nach  Krombholz'  Versuchen  auf 
Meerschweinchen  und  Vögel  auch  giftig,  Hertwig  aber 
fand,  dass  er  einem  Hunde,  dem  er  davon  zu  fressen 
gab,  nichts  schadete.  Sämmtliche  Species  der  Gattung 
Lactarius  sind  mit  Ausnahme  des  Lactarius  volemus  Fr. 
und  L.  deliciosus  L.  giftig  oder  doch  verdächtig,  be- 
sonders die  scharfschmeckeuden.  Nach  Fries  sollen  aber 
die  Ziegen  selbst  die  scharfschmeckenden  verzehren.  Wird 
ein  Hund  gezwungen,  wie  dies  durch  Prof.  Ponfick  ge- 
schehen, ^/g  7o;  j^-  IV2  Vo  seines  Körpergewichts  frische 
Morcheln  zu  verzehren,  so  ist  es  kein  Wunder,  wenn  das 
arme  Thier  dabei  zu  gründe  geht. 

„Mein  Urtheil  —  sagt  J.  —  geht  dahin:  Aus  den 
Untersuchungen  des  Herrn  Prof.  Ponfick  geht  hervor,  dass 
die  Morchel  für  Hunde  ein  heftiges  Gift  ist.  Für  den 
Menschen  aber  ist  und  bleibt  sie  ein  gesundes,  nahrhaftes 
und  wohlschmeckendes  Nahrungsmittel." 

Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben. 

Es  wurden  eniaiiut:  Dr.  Wilhelm  De  ecke  zum  ausserordent- 
liclien  Professor  der  Geologie  und  Piilaeontologie  an  der  Univer- 
sität Greifswald.  —  Der  Leipziger  Universitäts-Professor  der  Mo- 
dicin  Dr.  med.  Curschmann  zum  Nachfolger  Kahler's  in  Wien. 
—  Der  Agronom  Professor  Dr.  Albert  Orth  zum  Geheimen 
Regieruugsrath. 

Es  hat  sich  habilitirt:  Unser  Mitarbeiter,  der  Botaniker  Pro- 
fessor Dr.  Karl  Schumann  an  der  Universität  in  Berlin. 

Es  sind  gestorben:  Professor  Dr.  Joh.  Passerini,  Director 
des  botanischen  Gartens  der  Universität  Parma.  —  Der  Zoologe 
Julian  Iwanowitsch  Ssimaschko  in  St.  Petersburg.  —  Der 
Botaniker,  Reverend  Dr.  Williams  Woolls  in  Sydney.  —  Der 
Mediciner  an  der  Wiener  Universität,  Professor  Dr.  Johann 
Schnitzler.  —  Der  Afrika-Reisende  William  Cotton  Oswell 
in  Tunbridge  Wells. 

In  Washington  hat  sich  eine  „Geologioal  Society  of  Washing- 
ton" constituirt.  —  Präsident:  C.  D.  VValcott;  Vice-Präsidenten: 
S.  F.  Emmons  und  W.  H.  Holmes;  Secretaire:  J.  S.  Diller  und 
Whitmann  Gross;  Schatzmeister:  Arnold  Hague;  Council:  G.  F. 
Becker,  G.  H.  Eldridge,  G.  K.  Gilbert,  G.  P.  Mersill  und  T.  M. 
Chatard.  

Der  5.  Cong^ess  der  Deutschen  Oesellschaft  für  Gynäkologie 

findet  vom  '-'5.  bis  '2.1.  Mai  in  Breslau  statt.  —  Vorsitzender: 
Geh.  Medicinal-Rath  Prof.  Dr.  Fritsch  in  Breslau. 


L  1 1 1  e  r  a  t  u  r. 

Dr.  Johannes  Fickel,  Die  Litteratur  über  die  Thierwelt 
des  Königreichs  Sachsen.  (Sonderabdruck  aus  dem  Programm 
des  Wettiner  Gymnasiums  zu  Dresden.)  1893.  —  Verf.  hat  sich 
der  grossen  Mühe  unterzogen,  die  zoologische  Litteratur  des 
Königreichs  Sachsen  (mit  Voigtland  und  Lausitz)  zu  sammeln  und 
führt  dieselbe  nach  dem  zoologischen  System  geordnet  auf.  Das 
Vei'zeichniss  umfa.sst  664  No. ;  die  Litteratur  über  die  Haus-  und 
Zuchtthiere,  sowie  über  die  Schmarotzer  konnte  nicht  aufgenommen 
werden.  Vielleicht  giebt  Verf.  später  hiervon  das  wichtigste, 
zumal  da  er  etwaige  Lücken  des  vorliegenden  Verzeichnisses 
durch  Angaben  von  Interessenten  zu  ergänzen  bestrebt  ist.  Zur 
leichteren  Auffindung  der  Autoren  und  Ortsnamen  sind  besondere 
Register  gegeben  und  bei  solchen  Schriften,  aus  deren  Titel  der 
Inhalt  nicht  oder  nicht  deutlich  hervorgeht,  eine  kurze  Inhalts- 
angabe beigefügt.  In  dem  Abschnitt  „Niedere  Thiere"  hätte  Verf. 
auf  die  Arbeiten  von  Haase,  Simrot  und  Weise  in  der  Art  auf- 
merksam machen  können,  wie  er  es  bei  Ludwig  und  Meyer  ge- 
than  hat.  Weltner. 

Flora  oder  Allgemeine  Botanische  Zeitung.  Jahrgang  1892. 
Ergänzungsband.  Marburg.  —  Von  dem  reichen  Inhalte  seien 
folgende  Abhandlungen  genannt:  E.  Reich:  Der  Grasembryo. 
Das  Scutellum  und  Epiblast  werden  auf  ihre  Bedeutung  und  ihr 
Vorkommen  hin  untersucht.  4  Tafeln.  A.  Binz:  Beiträge  zur 
Morphologie  und  Entstehungsgeschichte  der  Stärkekörner.  Der 
moleculare   Aufbau    der   Stärke,    sowie    die    Entstehung   und   das 


Wachsthum  der  Stärkekörner,  worüber  unsere  Kenntniss  nocli 
unzureichend  ist,  oder  die  Ansichten  auseinandergehen,  sind 
Gegenstand  der  Untersuchungen.  Hauptuntersuchungsobject  ist 
Pellionia  Davoauana,  daneben  hat  der  Verf.  aber  noch  eine  Menge 
anderer  Pflanzen  studirt.  Seine  Resultate  sprechen  für  die  Appo- 
sitionstheorie, jedoch  fehlt  zu  deren  vollem  Beweise  noch  die  ge- 
naue Kenntniss  der  Entstehung  der  Schichtung.  Die  Stärkebildner 
sind  als  Leukoplasten  schon  im  Vegetationskegel  vorhanden,  sind 
den  Chloroplasten  homologe  Gebilde  und  können  sich  unter  dem 
Einfluss  des  Lichtes  direct  in  diese  umwandeln.  Ihre  Vermehrung 
durch  Theilung  hat  nicht  überall  beobachtet  werden  können. 
Zusammengesetzte  Stärkekörner  entstehen  entweder  dadurch,  dass 
mehrere  Stärkebildner  zu  gleicher  Zeit  auftreten  oder  mehrere 
anfänglich  getrennte  zu  Gruppen  sich  vereinigen.  3  Tafeln. 
K.  Goebel:  Archegoniatenstudien.  Der  Verfasser  stellt  Unter- 
suchungen über  die  einfachste  Form  der  Moose  an  und  speciell 
über  die  zu  den  Laubmoosen  gehörende  Gattung  Buxbaumia, 
deren  männliche  Pflanzen  die  einfachste  bis  jetzt  bekannte  Form 
der  ganzen  Ordnung  darstellen.  Der  zweite  Theil  der  Arbeit 
behandelt  die  Geschlechtsgeneration  der  Hymenophyllaceen. 
Weitere  Abhandlungen  werden  folgen.  4  Tafeln.  Loew  und 
Bokorn}':  Zur  Chemie  der  Proteosomen.  K.  Giesenhagen: 
Ueber  Hexenbesen  an  tropischen  Farnen.  Die  meist  stiftförmigen, 
oft  auch  geweihartig  verästelten  Auswüchse  an  den  Fiedern  von 
Aspidium  aristatum  und  die  buschigen  Gebilde  an  Pteris  quadri- 
aurita  werden  auf  ihren  Ursprung,  leider  jedoch  nur  an  (aller- 
dings zahlreichem)  trockenem  Materiale  untersucht.  In  beiden 
Fällen  sind  die  Auswüchse  von  Pilzliyphen  durchzogen,  welche  zu 
neuen  Arten  gehören  —  bei  Aspidium  aristatum  venn-sacht 
Taphrina  Cornu  cervi  Giesenh.,  bei  Pteris  quadriaurita-Taphrina 
laurencia  Giesenh.  die  Auswachsungen.  Bei  beiden  Farnen 
dürfte  der  Vorgang  derartig  sich  vollziehen,  dass  durch  den  in  Folge 
des  Eindringens  des  Pilzes  in  den  gesunden  Wedel  erzeugten 
Reiz  sich  eine  Knospe  an  der  betreffenden  Stelle  bildet,  welche 
weiterwächst,  indem  gleichzeitig  der  von  ihr  beherbergte  Pilz 
Schritt  hält.  2  Tafeln.  Giesenhagen:  Ueber  hygrophyle  Farne. 
Von  der  biologischen  Farngruppe,  welche  befähigt,  ja  darauf  an- 
gewiesen ist,  direct  durch  die  Oberfläche  ihrer  Blattzellen  Wasser 
und  darin  gelöste  Nährstoffe  aufzunehmen,  werden  die  dem  tro- 
l)ischen  Südamerika  angehörenden  Formen  des  Adiantum  delica- 
tuluni,  Asplenium  obtusifolium,  L.,  und  die  neue  Art  Trichomanes 
Goebelianum  Giesenh.  besprochen.  Ausführltch  wird  Asplenium 
obtusifolium  behandelt,  welches  der  Verfasser  in  seinem  bisherigen 
Umfange  als  Sammelart  bezeichnet,  deren  verschiedene  Formen 
er  kritisch  beleuchtet  und  neu  gruppii-t.  Celakowsky  jun. 
Ueber  die  Aufnahme  lebender  und  todter  verdaulicher  Körper 
in  die  Plasmodien  der  Myxomyceten.  Hauptversuchsobject  waren 
die  Plasmodien  von  Chrondrioderma  diftorme.  Einerseits  ist  das 
Verhalten  lebender  Körper  (.Staubfadenhaare  von  Tradescantia, 
SUsswasseralgen,  Protozoen,  Myxomyceten,  Pilze,  Bacterien)  im 
Protoplasma  und  in  den  Vacuolen  der  Plasmodien,  andererseits 
die  Stärke-  und  Eiweissverdauung  im  Innnern  derselben  beobachtet 
worden.  Leon  Wehrli:  Ueber  einen  Fall  von  „vollständiger 
Verweiblichung"  der  männlichen  Kätzchen  von  Corylus  avellana, 
L.  Diese  Abnormität  wurde  Ende  April  und  Anfang  Mai  bei 
Arau  an  einem  Strauche  beobachtet.  F.  Noll:  Die  Orientirungs- 
bewegungen  dorsiventraler  Organe.  Entgegnung  auf  die  Arbeit 
von  Schwendener  und  Krabbe:  Untersuchungen  über  die  Orien- 
tirungstorsionen  der  Blätter  und  Blüthen  (Abh.  d.  Kgl.  Pr?uss. 
Akademie  der  Wissensch.  zu  Berlin  1892.)  F.  K. 


Berichtigung. 

In  dem  Absatz  „Zu  Anmerk.  15"  seiner  „Entgegnung  u.  s.  w." 
in  No.  16  dieser  Zeitschrift  bemerkt  Herr  Dr.  Klein,  dass  ich 
gesagt  habe,  „die  in  seinem  (Dr.  Klein's)  Innern  sich  abspielen- 
den Vorgänge  seien  für  mich  (Jordan)  relativ  unbe wuss te." 
Das  habe  ich  nicht  gesagt;  sondern  (vgl.  No.  15  dieser  Zeit- 
schrift, „Anmerk.  15"):  „Die  geistigen  Vorgänge  z.  B.,  die  sich 
im  Innern  des  Herrn  Dr.  Klein  abspielen,  sind  mir  nicht  be- 
wusst,  sie  sind  also  relativ  unbcwusst".  Hier  steht  nicht: 
sie  sind  mir  oder  für  mich  relativ  unbewusst,  sondern:  sie 
sind  für  mich  überhaupt  nicht  bewusst,  d.  h.  für  mich  un- 
bewusst —  dasselbe,  was  Herr  Dr.  K.  gegen  mich  ins  Feld  zu 
führen  sucht.  Relativ  unbewusst  sind  sie  insofern,  als  sie  Hrn. 
Dr.  K.  bewusst,    mir   aber  nicht  bewusst  sind.*) 

Dr    K.  F    Jordan. 


*)  Unseres  Erachtens   ist   die  „Berichtigung"    des  Hrn.  Dr.  J. 
für  die  Auseinandersetzung  des  Herrn  Dr.  Klein  völlig  ohne  Belang. 

IJ.mI.  " 


Inhalt:  H.  Potonic:  Was  sind  BlumenV  —  Fragen  und  Antworten.  —  Ist  die  Morchel,  Helvella  esculenta,  giftigV  —  Aus  dem 
wissenschaftlichen  Leben.  —  Litteratur:  Dr.  Johannes  Fickel:  Die  Litteratur  über  die  Thierwelt  des  Königreichs  Sachsen.  — 
Flora  oder  Allgemeine   Botanische  Zeitung.  —    Berichtigung. 

Verantwortlicher  Redakteur:  Dr.  Henry  Potonie,  Berlin  N.  4.,  In validenstr.  40/41,  für  den  Inseratentheil:  Hugo  Bernstein  in  Berlin.  — 
Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12.  —  Druck:  G.  Bernstein,  Berlin  SW.  12. 


Nr.  20. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


XXXIX 


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Die  lnsekten»Borse 

jetzt  vereinigt  mit  der   „Sammler -BÖrSG" 


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Mineraliensammlung 

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von  einer  solchen  vor  mehreren 
Jahren  GOO  Mark  geboten  waren, 
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Näheres d.  d  Exped.  d. Z  sub.  S.  D.  25. 


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tisclterßeziehiing  ♦ 
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XL 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  20. 


/»crftcr'frfje  ^crfafls^ttnöfunfl,  ^^•vctßttvg  ttn  33ret§gau 

©oeBen  tft  erfc^iencn  itnb  burd)  attc  SJu(f)f)anbIungen  ju  begießen: 

Jira^,  Dr.  TO.,  iiub  Dr.  §.  l'auboii^,  Sc^ibiict)  für 
bcn  lllltcrridjt  in  t>ev  9Jotuibcfrf)rcttiiut!j.  Isüv  öh;in= 
naficit,  Sicalgijmnaficn  imb  aiibcrc  (jöftere  S'cfjranftaltcn  6c= 
arbeitet,     gr.  S". 

3roeiter  Xci(:    Scl)rbnd)  für   itcn  Untcrrtdit 

IM  i>Cr  ©Otrtttit.  giiit  27.j  eingchrucrtnt  3(bbilbungeii. 
Srittc,  iiad)  ben  neuen  S  cf)rpliincn  ncrbcffcrte  3litflage. 
(XVI  u.  292  ©.)  .1/.  3;  geb.  AJ.  3.40.  —  ?ivüi)cr  \\t  erfdjienen: 
tSrfter  Jeil:  .fcßrliuifi  für  den  2lnlcrriifil  in  bcr  BooCogic.    »B!it21S  ciii- 

gctnicfteii  Sfbtnlbiiiiaeii.     Tritte,    reitcfjci  tc  SliifKiae.    (XVI  mit' 

340  ©.)  /!/.  :S.3i) ;  oel'.  .1/  S  70. 
iTittct  Seil  iSdiliiB):  ^cBrBmS  für  bcn  ^Ititcrridit  in  >cr  saincraCogii'. 

93iit  108    eingctnictten    Sl'bt'iltuiigcii    iinb    3  Safelii  .«iHitiiUfotmeuuc6c. 

(X  u.  128  ®.)  M.  1.60;  .leb.  M.  1.95. 

•iWtünd),  Dr.  %,  ücifvbndt  bcr  "^Mitjfif.  mu  einem  3(n= 
ftonge:  2'ie  ©riiiiblclircii  bor  Cliciiüe  iiiib  bcr  iiintlKuintiiilicu 
IScogrnpljic.  i'iit  327  in  ben  Scjt  gebructten  Slbbilbungen  unb 
einer  Spettraltafel  in  5"''i^6'^"'5i-'w*-  3<^6"*i^'  uerbefferte 
3(itttrtge.     gr.  8".     (.\VI  «.  4.52  ©.)  .)/.  4;  geb.  .1/.  4,4-5. 

JKcinl)ciuu*r,   '■?(,,   Vcitfnbcn   tev   sSotnuif.    Mr  bie 

untern  ftloffen  fiöfterer  i'ebranftolten.  Stritte,  oerniefjrte 
unb  £)  erb  eiferte  3(uflage.  3Jiit  120  in  ben  Jejt  gebrucftcn 
Slbbilbungcn.     gr.  8».     (IV  n.   96  @.)     M.  1  20;    geb.  M.  1.55. 


Im  Verlage  von  R.  Friedläiider  &  Sohu,  B(>rliii  NW., 
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«ölit  143  'älbbllbuiigcn.    <|.Ucis  11  9J!nvf,  Btbuubcn  i:?  ÜHoit. 

^udi  {11  kjiciicii  in  37  ficfcnniscii  a  30  |)f. 


In  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung  in  Berlin  .'^ind  erschienen: 


Allgemein  -verständliche  naturwissenschaftliche  Abhandlungen. 


Heft  1. 


(Separat ahdrücke  aus  der  „Naturwisseiischat'tlicheii  Woelieiisehrift.'') 


Ueber   den  sogenannten  vierdimensionalen   Raum 

von  Dr.  V.  Schlegel. 

Das  Rechnen  an  den  Fingern  und  Maschinen  von 

Prot.   Dr.   A.  Schubert. 

Die  Bedeutung  der  naturhistorischen,  insonderheit 

der  zoologischen  Museen  von  Professor  Dr.  Karl 

Kraepelin. 

Anleitung    zu    blütenbiologischen    Beobachtungen 

von  Prof.  Dr.  E.  Loew. 

Das  „glaziale"  Dwykakonglomerat  Südafrikas  von 

Dr.  F.  M.  Stapf}'. 

Die  Bakterien  und  die  Art  ihrer  Untersuchung  von 

Dr.  Hol).  :Mittniann.     .Mit  S   iIolz.'<chnitten. 

Die  systematische  Zugehörigkeit  der  versteinerten 

Hölzer  (vom  Typus  Araucarioxylon)  In  den  palaeo- 

lltischen  Formationen  von  Dr.  H.  Potonie.     Mit 

1   Tafel. 

lieber  die  wichtigen  Funktionen  der  Wanderzellen 

im    thierlschen    Körper    von    Dr.    E.    Korscheit. 

Mit   10  Holzschnitten. 

Ueber  die  Meeresprovinzen   der  Vorzeit   von  Dr. 

F.  Frech.     Mit  Abbildungen  und  Karten. 


I 


Heft   10.    Ueber  Laubfärbungen  von  L    Kn}-. 
schnitten. 


.Mit  7  Holz- 


11.  Ueber  das  Causalitätsprincip  der  Naturerschei- 
nungen mit  Bezugnahme  auf  du  Bois-Reymonds 
Rede:  .,Die  sieben  Weltpäthsel"  von  Dr.  Eugen 
Dreher. 

12.  Das  Räthsel  des  Hypnotismus  von  Dr.  Karl  Friedr. 
Jordan. 

13.  Die  pfianzengeographische  Anlage  Im  Kgl.  bota- 
nischen Garten  zu  Berlin  von  Dr.  H.  Potonie. 
Mit  2   Tafeln, 

14.  Untersuchungen  über  das  Ranzigwerdender  Fette 

\on  Dr.   Ed.  Ritsert. 

15.  Die  Urvierfüssler  (Eotetrapoda)  des  sächsischen 
Rothliegenden  von  Prof.  Dr.  Hermann  Crcdner 
in  Loijizig.     .Mit  vielen  Abbildun.;en. 

l(j.    Das  Sturmwarnungswesen  an  den  Deutschen  Küsten 

von   Prof.  Dr.  W.  J.  van  Bebber.    Mit    i  Tafel 
und  5  Holzschnitten. 


Preis:    Heft  1    4  a  50  Pf..  Heft  5—16  a  1  M. 


Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12,  Zimmerstr.  94. 


VIII.  Band                    Sonntag,  den  21. 

Mai  1893. 

Nr.  21. 

Abonnement:  Man  aboniiirt  bei  allen  Buclihandlungeii  und  Post-             j 

anstauen,  wie  bei  der  Expedition.    Der  Vierteljahrspreis  ist  M  :i.—            (SS> 

Bringegeld  bei  der  Post  Ih    •)  extra                                           JL 

Inserate:  Die  viergespaltene  Petitzeile  40  ^.    Grössere  Aufträge  ent- 
sprechenden Rabatt.  Beilagen  nach  üebereinkunft.  Inseratenannahme 
bei  allen  Annoncenbureaux,  wie  bei  der  Expedition. 

.4lidriic*k   ifiit  nur  mit  vollMtiiii4li{>-oi 

•  4{aellenangabe  gestattet. 

Zur  Phylogenese  der  Säugethiere. 

Nach  den  Untrrsuehiingon  des  Prof.  Willy  Kti  li  enthal.*) 


Profes.soi-  Willy  Kükentlial  bat  zwei  Vorträge  vci- 
üffentlicht,  die  deu  Titel  führen:  „Ueber  den  Ursprunj;' 
und  die  Ent  Wickelung  der  Säus'etbierzähne" 
(Jenai.sclie  Zeitschv.  f.  Naturw.  XXVI.  N.  F.  XIX,  1892) 
und  „Uel)er  die  P^ntstebung-  und  Entwiokelung- 
des  Säug'etbierstammes"  (Biolog.Ceiitralhl.XII  No.  13, 
1892),  welcbe  bemerkenswertlie  Beiträge  zur  Piiylogenese 
der  Säugetbiere  bieten. 

Wir  geben  zunächst  einen  Au.szug  aus  dem  ersten 
der  genannten  Aufsätze. 

Während  bei  den  ältesten  Wirbelthieren,  den  Hai- 
fischen, Zahiigebilde  nicht  nur  auf  den  Kiefern,  stnidern 
auf  der  ganzen  Körperoberfläche  vorkommen,  hat  sich  bei 
den  höher  organisiiten  die  Bezahnung  mehr  und  mehr 
auf  die  Kiefer  beschränkt.  Der  Bau  der  einzelnen  Zähne 
wurde  aber  mit  der  Abnahme  der  Zahl  complicirter,  auf 
Grund  der  verschiedenen  und  erhöhten  Anforderungen, 
die  an  die  einzelnen  Zahngebilde  gestellt  wurden. 

In  unserer  Jugend,  zwischen  das  6.  und  IS.  Jahr 
fallend,  hat  bei  uns  allen  ein  eigenthttinlichcr  Process 
stattgefunden,  den  man  als  Zalmwechsel  bezeichnet.  Die 
20  Zähne,  welche  wir  bis  dahin  besessen  hatten,  waren 
nacheinander  ausgefallen  und  durch  neue  ei-setzt  worden, 
ausserdem  waren  aber  noch  neue  Zähne  hinten  in  jedem 
Kiefer  erschienen,  3  in  jeder  Kieferhälfte,  von  denen  der 
letzte,  der  sogenannte  Weisheitszahn,  erst  spät,  im  1  't.  bis 
30.  Lebensjahre,  in  vielen  Fällen  (in  42  Procent  bei  uns, 
in  nur  19  Pi'oeent  bei  niederen  Passen)  überhaupt  nicht 
durchbricht. 

Die  Serie  der  zuerst  erscheinenden  Zähne  nennen 
wir  Milchzähne,  die  später  darauf  folgenden,  bleibende 
oder  Ei'satzzähne.  Besonders  ausge])rägt  tindeii  wir  diesen 
Process  des  Zahnwechsels  bei  den  höheren  Säugethieren, 
die  niederen  zeigen  im  allgemeinen  entweder  nur  einen 
sehr  beschränkten  oder  gar  keinen  Zahnwechsel. 


*)  Herr  Prof.  Kükenthal  hat  die  Güte  gehabt,  die  Correcti 
des  obigen  Aufsatzes  zu  lesen. 


Als  einfachster  Typus  der  Säugethierbezahnung  wird 
vielfach  der  der  Zahnwale  angesehen. 

Während  im  allgemeinen  bei  den  Säugethieren  eine 
Ditifercncirang  des  Gebisses  in  meisselförmige  Schneide- 
zähne,- spitze  Eckzähne  und  breite,  mit  mehreren  Höckern 
oder  Falten  versehene  Backzähne  erfolgt  ist,  sehen  wir 
bei  den  Zahnwalen  keine  Verschiedenheit  in  der  Form. 
Vordere  wie  hintere  Zähne  sind  einfach  konisch  zugespitzt 
und  sitzen  in  meist  grosser  Anzahl  in  jedem  Kiefer,  ein 
jeder  vom  andern  gleichweit  entfernt.  Das  Gebiss  wird 
dadurch  dem  der  Reptilien  sehr  ähnlich,  es  wird  als  ein 
gleieliartiges,  homodontcs  Gebiss  bezeichnet. 

Es  giebt  indessen  Zahnwale,  deren  Gebiss  recht  be- 
deutend von  diesem  homodonten  Typus  abweicht,  so  der 
Narwal  mit  seinen  als  kolossale  Stosszähne  entwickelten 
oberen  Eckzähnen,  oder  wie  die  Entenwale  und  Ver- 
wandte, bei  denen  im  Unterkiefer  ein  Zahnpaar,  vermuth- 
lich  ebenfalls  die  Eckzähne,  sehr  stark  entwickelt  sind, 
während  von  den  anderen  Zähnen  sich  nur  noch  Eudi- 
mente  vorfinden.  Von  den  25  in  jeder  Kiefei'hälfte  vor- 
handenen Zähnen  eines  Embiyos ,  des  Braunfisches ,  Pho- 
caena  communis,  sind  ferner  äie  ersten  18  durchaus 
gleichartig  zugespitzt,  die  hinteren  7  dagegen  sind  rund- 
licher, einzelne  von  ihnen  sogar  mit  zwei  und  drei  deut- 
lichen Höckern  versehen.  In  diesem  Falle  ist  also  die  Un- 
gleichartigkcit  der  Bezahnung,  die  Heterodontie,  ganz 
deutlich  ausgesprochen.  Bei  den  Zahnwaleu  lassen  sich 
also  noch  Spuren  eines  einstmalig  ungleichartigen  Ge- 
bisses auffinden. 

Als  feststehend  wird  ganz  allgemein  die  Thatsache 
betrachtet,  dass  die  Zähne  der  Zahnwale  der  zweiten, 
also  der  permanenten  Dentition  angehören,  und  dass  ein 
Milchgebiss  nie  auftritt.  Die  Zahnwale  werden  damit  als 
monophyodonte  den  mit  zwei  Zahnserien  verseheneu 
diphyodonten  Säugern  gegenübergestellt. 

K.  aber  behauptet,  dass  das  Zahnwalgebiss  ein 
echtes  Milchgebiss  ist,  also  der  1.  Dentition  angehört, 
welche    nicht    durch    eine   zweite  Dentition    ersetzt   winl. 


206 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  -21 


vielmehr  persistirt.  Ein  untrügliches  Merkmal  ist  ihre  Ent- 
stehung. Die  zweite  Dentition  entwickelt  sich  stets  nach 
innen  zu  von  der  ersten,  aber  unabhängig  von  derselben 
aus  einer  beiden  gemeinsamen  Epitheleinsenkung. 

Die  Behauptung  K.'s,  dass  das  Gebiss  der  Zahnwale 
der  ersten  Dentition  angehört,  lässt  sich  unwiderleglich 
durch  die  an  einer  grösseren  Anzahl  von  Embryonen  ver- 
schiedener Species  gefundene  Thatsaeiie  beweisen,  dass 
die  zweite  Dentition  ebenfalls  angelegt  wird,  aber  nur 
embryonal,  und  später  verschwindet.  Die  Anlagen  der 
aus  der  siebartig  durchlöcherten  Zahnleiste  entspringenden 
Ersatzzähne  sind  bedeutend  kleiner  als  die  der  ersten 
Dentition,  sie  zeigen  ein  rudimentäres  Aussehen,  doch 
kann  man  deutlich  eine  Schraelzkaiipe  und  Andeutungen 
der  darin  befindlichen  charakteristischen  Schmelzpulpa 
unterscheiden. 

Weshalb  der  Zahnwechsel  bei  den  Zahnwalen  unter- 
bleibt, und  die  erste  Dentition  persistirt,  ist  eine  noch 
offene  Frage,  es  lässt  sich  vielleicht  darüber  folgende 
Vermuthung  aufstellen.  Die  meisten  Zahnwale  nähren 
sich  von  Fischen,  die  sie  in  grosser  Anzahl  verschlucken; 
die  Thätigkeit  der  Zähne  beruht  also  nicht  in  Kau- 
functionen,  sondern  nur  darin,  die  glatte  Beute  fest- 
zuhalten. Besondere  Verrichtungen  kommen  keinem  der 
Zähne  zu,  sie  sind  daher  gleichmässig  gross  und  stehen 
in  gleichweiten  Abständen  von  einander.  Eintretender 
Zahnwechsel  würde  die  Schwierigkeit  des  Ergreifens  und 
Festhaltens  der  Beute  sehr  vergrösseru.  Dieser  Mangel 
besonderer  Functionen  macht  es  erklärlich,  dass  die  Zähne 
vieler  Zahnwale  im  Alter  hinfällig  werden  und  z.  B.  bei 
älteren  Weisswalen  gar  ausfallen.  Andere  Zahnwale  sind 
keine  Fischfresser,  sondern  nähren  sich  ausschliesslich  von 
weicherer  Kost,  von  Tintenfischen.  Bei  diesen  verkümmern 
die  Zähne  noch  mehr,  die  harten  Kieferränder  übernehmen 
deren  Function,  und  wenn  z.  B.  beim  Entenwal  in  ver- 
einzelten Fällen  ein  unterer  Eckzahn  noch  durchbricht, 
so  functionirt  er  doch  nicht  mehr. 

Der  geringen,  aber  andererseits  ganz  gleichmässigen 
und  andauernden  Inanspruchnahme  der  einzelnen  Zähne 
ist  es  vielleicht  zuzuschreiben,  dass  der  Zahnwechsel  bei 
den  Zahnwalen  unterbleibt. 

Die  Ordnung  der  Bartenwale  zeichnet  sich  aus  durch 
den  Mangel  an  Zähnen  und  an  Stelle  derselben  den  Be- 
sitz von  eigenthümlichen  Hautgebilden,  den  Barten,  welche 
zu  beiden  Seiten  des  Oberkiefers  in  die  Mundhöhle  hinab- 
hängen und  bei  ihrer  grossen  Anzahl,  dichten  Stellung 
und" Zerfaserung  ihrer  Sulistanz,  des  Fischbeins,  als  Filter 
wirken,  in  welchem  sich  die  Nahrung,  Millionen  kleiner 
pelagiseher  Mollusken  und  Krebse,  fängt. 

Im  Kiefer  jüngerer  Embryonen  der  Bartenwale  finden 
sich  eine  grosse  Zahl  deutlicher  Zahnanlagen. 

Mit  Recht  erblickt  man  darin  ein  geradezu  klassisches 
Beispiel  für  die  langandauernde  Vererbungsfähigkeit  nutz- 
los gewordener  Organe;  denn  niemals  treten  diese  Zähne 
in  Function. 

Eschricht  fand  Zähne  im  Ober-  wie  im  Unterkiefer 
nicht  nur  des  grönländischen  Wales,  sondern  auch  bei 
Buckel-  und  Finnwalen.  Die  9  vorderen  Zähne  erschienen 
ihm  schmaler  cylindrischer,und  er  stellte  sie  daher  Schneide- 
zähnen gleich,  im  Gegensatz  zu  den  übrigen,  welche 
breiter  und  in  der  Mitte  bauchiger  waren.  Es  wurde  da- 
nach von  ihm  und  späteren  Forschern  Heterodontie  an- 
genommen. 

Eine  derartige  Differenz  zwischen  den  9  ersten  und 
den  übrigen  Zähnen  vermag  K.  nicht  aufzufinden;  wo  er 
ferner  an  den  hinteren  Zähneu  konische  Tuberkeln  fand, 
zeigte  es  sich,  dass  dieselben  stets  von  dem  an  der  Spitze 
beginnenden,  unrcgelmässig  fortschreitenden  Rcsorptions- 
process  herrührten.    K.  hält  die  Bartenwalbezahnung  trotz- 


dem für  ursprünglich  heteroddut,  aber  ausschliesslich  auf 
Grund  der  Thatsache,  dass  sieh  in  unregelmässiger  Weise 
noch  Zähne  vorfinden,  die  als  aus  2  oder  3  Einzel- 
zähnen zusammengesetzt  ei-scheinen.  Derartige  zusammen- 
gesetzte Zähne  kommen  aber  auch  zwisclienden  9  eisten 
vor,  so  dass  also  von  einem  morphologischen  Gegensatze 
der  letzteren    zu    den    übrigen  nicht  die  Rede  seui  kann. 

Gegen  eine  secundäre  Verschmelzung  spricht  die  Er- 
wägung, dass  die  Kiefer  der  Bartenwale  ganz  enorm  ver- 
längert sind,  ein  Zustand,  den  sie  embryologisch  nach- 
weisbar erst  im  Laufe  ihrer  Entwickeliing  als  Wale  er- 
worben haben.  Demgeniäss  können  auch  die  Zähne  nicht 
nüt  einander  nachträgiicii  verwachsen  sein;  entweder  be- 
iiieiten  sie  ilnx-  gegenseitige  Lage  wenigstens  annähernd 
bei,  oder  sie  rückten  weiter  auseinander.  Die  Annahme, 
dass  die  zusammengesetzten  Zähne  primitive  Zustände 
darstellen,  das  heisst  Backzähne  sind,  ist  also  die  wahr- 
scheinlichere; denn  eine  Serie  von  7  verschieden  grossen 
Emi)ryonen  einer  Bartenwalspecies  zeigte  nändieh,  dass 
die  Zahl  der  Doppelzähne  mit  zunelimendcm  Waclisthum 
beträchtlich  alniimnit,  während  die  Zahl  der  einzelnen 
Zahnsi)itzen  constant  in  jeder  Kieferhälfte  ö3  beträgt. 
In  den  jüngsten  Stadien  sind  9,  ja  15  Zäime  mit  ein- 
ander verschmolzen,  in  den  darauf  folgenden  5,  4  und  3 
und  in  den  ältesten  niii-  noch  2.  Dasselbe  Resultat  ergab 
sich  aus  Vergleichung  von  jüngeren  und  älteren  Embryonen 
anderer  Bartenwalarten.  Daraus  folgt,  dass  die  ver- 
schmolzenen Zälnie  ein  ursprüngliches  Verhalten  darstellen, 
und  dass  aus  Backzähnen  durch  Theilung  derselben  ein- 
spitzige kegelförmige  Zähne  entstehen. 

Wir  haben  die  Erscheinung  kennen  gelernt,  dass  bei 
Säugethieren.  deren  Kiefer  sich  verlängern,  die  Back- 
zähne sich  in  eine  Mehrheit  von  konisch  zugespitzten, 
reptilienzahnartigcn  Gebilden  theilen;  sind  nicht  die  Back- 
zähne auch  umgekehrt  so  entstanden,  dass  bei  der  ein- 
tretenden Verkürzung  der  Kiefer,  welche  die  Vorfahren 
der  heutigen  Säuger  bei  ihrer  Umwandlung  aus  Reptilien 
erlitten,  je  eine  Anzahl  einfacher  konischer  Reptilienzähne 
zur  Bildung  eines  Säugethierbackzahns  zusammentraten? 
Die  ältesten  bekannten  Säugethiere,  z.  B.  Triconodon  aus 
dem  oberen  Jura,  zeigen  Backzähne  von  je  drei  gleich- 
artigen, hintereinander  liegenden  konischen  Kronentheilen, 
die  mit  einander  verschmolzen  sind.  Von  diesem,  dem 
trieonodonten  und  tritubercularen  Typus  aus,  lassen  sich 
die  Backzähne  aller  andern  Säugethiere  ableiten.  Zweifel- 
los ist  das  Gebiss  der  Bartenwale  wie  der  Zahnwale  als 
eine  Anpassung  an  das  Wasserleben  zu  betrachten,  es 
lässt  sich  daher  vermutheu,  dass  auch  bei  anderen 
pelagischen  Säugethieren  eine  ähnliche  Umwandlung  ein- 
getreten ist,  und  in  der  That  können  wir  in  der  Ord- 
nung der  Robben  derartiges  beobachten. 

Bei  den  Bartenwalen,  und  sicherlieh  auch  bei  den 
Zahnwalen,  ist  als  mechanischer  Grund  der  Vermehrung 
der  Zähne  in  erster  Linie  die  enorme  Vergrösserung  der 
Kiefer  zu  nennen,  die  Theilung  der  Backzähne  in  ihre 
Elemente,  einspitzige  Zähne,  wurde  aber  nur  durch  den 
gewissermaassen  gelockerten  Bau  derselben  ermöglicht. 
In  letzter  Linie  ist  es,  wie  wir  es  auch  bei  der  Barten- 
robbe sehen,  mangelhafte  Verkalkung,  welche  die  Um- 
änderungen ermöglicht  hat. 

Verringerte  und  verlangsamte  Verknöcherung  ist  eine 
pelagischen  Säugern  ganz  allgemein  zukommende  Er- 
scheinung, die  uns  verständlich  wird,  wenn  wir  deren 
Lebensweise  ins  Auge  fassen.  Für  Thiere,  welche,  auf 
hohem  Meere  lebend,  als  Lungenathmer  gezwungen  sind, 
sich  fast  stets  auf  der  Oberfiächc  zu  halten,  ist  die  Ver- 
ringerung des  speeifischen  Gewichtes  eine  unerlässliche 
Bedingung,  und  wie  könnte  ihr  besser  entsprochen  werden, 
als   durch    eine  verringerte  Ablagerung    von  Kalksalzen! 


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Naturwissenschaftliche-  Wochenschrift. 


207 


Skelette  von  Zahnwalen,  Bartenwalen  und  auch  manchen 
Robben  zeigen  dies  aufs  deutlichste. 

Bei  den  Zahnarmen  ist  ein  Zahnwechsel  bei  ein  paar 
Gürteltierarten  seit  langem  bekannt,  und  K.  fand  die 
Anlagen  bei  der  Dendition  auch  bei  einer  anderen 
Species. 

Bezüglich  der  Heutelthiere  steht  jetzt  widerspruchs- 
los fest,  dass  ihre  in  Schneidezähne,  Eck-  und  Back- 
zähne wohlgegliederten  Gebisse  keinen  oder  nur  bei  einem 
Backzahne  Zahnwechsel  besitzen.  K.  hat  nun  im  Gegen- 
satze zu  der  bis  dahin  herrschenden  Ansiclit  gefunden, 
dass  das  Beutelthiergebiss  nicht  zur  zweiten  Dentition, 
sondern  zur  ersten  gehört.  Der  einzige,  später  auf- 
tretende Zahn  gehört  dagegen  der  zweiten  Dentition  an. 
Der  Beweis  wird  geführt  durch  die  Tiiatsache,  dass  in 
einem  gewissen  Stadium  der  Entwickelung  neben  Anlagen 
der  bleibenden  Zähne  noch  Anlagen  von  diesen  ent- 
sprechenden Ersatzzähnen  auftreten.  Sie  treten  als  Ver- 
dickungen der  nach  innen  von  den  l)leii)enden  Zähnen 
\erlaufenden  Zahnleiste  auf. 

Eine  öfters  von  verschiedenen  Forschern  ausgesprochene 
Ansicht  ist  die  ])oly]ihylctische  Abstannuung  der  riaeental- 
thiei-e  von  den  einzelnen  Beutelthierordnungeu.  Die  Raub- 
thiere  z.  B.  sollen  also  von  den  Raubbeutlern,  die  Nage- 
thiere  von  den  Nagebeutlern  abstammen.  Soweit  sich 
diese  ))olyphyletische  Hypothese  auf  die  anscheinend  gleich- 
artige Bezahnung  stützt,  und  sie  thut  es  in  hervorragendem 
Maasse,  lässt  sie  sich  nicht  mehr  halten,  denn  es  geht 
natürlich  nicht  au,  die  erste  Dentition  der  Beutler,  welche 
das  persistirende  Gehiss  darstellt,  mit  der  das  persistirende 
Gebiss  bildenden  zweiten  Dentition  der  höheren  Pacental- 
thiere  zu  homologisiren.  Die  Aehnlichkeiten  der  Gebisse 
sind  Convergenzerscheinungen. 

Innerhalb  der  Säugetliierklasse,  von  den  niedersten 
bis  zu  den  höchsten  Formen  aufsteigend,  sehen  wir  nun, 
wie  die  zweite  Dentition  in  Bezug  auf  Form  und  Leistung 
mehr  und  mehr  die  Oberhand  gewinnt,  während  bei  den 
niederen  die  erste  überwiegt.  Indem  eine  Dentition  unter- 
druckt wird,  kommt  es  zur  Monophyodontie,  die  also 
gleichfalls  wie  die  Homodontie  als  eine  secundäre  Er- 
scheinung aufzufassen  ist.  Ferner  lässt  sich  die  Frage, 
welche  von  beiden  Zahnreihen  der  Säugethiere  die  ältere, 
also  die  primitive,  und  welche  die  secundäre  war,  in  der 
Weise  beantworten,  dass  innerhalb  der  Klasse  der  Säuge- 
thiere beide  Dentitionen  in  ihrer  Anlage  gleichwerthig 
sind.  Die  Entwickelungsgeschichte  giebt  durchaus  keinen 
Anhalt  für  die  oft  ausgesprochene  Behauptung  von  der 
Abhängigkeit  einer  Dentition  von  der  andern,  l)eide  sind 
Schwestern,  deren  Mutter  die  einfache  Epitheleinstülpung 
im  Kiefer  ist,  die  wir  als  Zahnleiste  bezeichnen.  Natürlich 
ist  die  erste  Dentition  als  die  ältere,  die  zweite  als  die 
jüngere  Schwester  aufzufassen. 

Prinei|)ielle  Unterschiede  zwischen  Reptilien-  und 
Säugethierzähnen  tinden  sich  nicht  vor,  es  können  eben- 
sowohl Reptilienzähne  Eigenthümlichkeiten  der  Säugethier- 
zälme  aufweisen  (so  verschiedene  Form  der  Zähne  des- 
selben Kiefers,  oder  Einpflanzen  in  Alveolen),  andererseits 
können  letztere  durch  mancherlei  Reductionen  typischen 
Reptilienzähnen  ganz  gleich  werden.  Ferner  findet  sieh 
auch  bei  Reptilien  ein  Zahnersatz  vor,  dersell)e  ist  sogar 
bei  weitem  ausgeprägter  als  der  der  Säugethiere,  da 
nicht  nur  zwei,  sondern  mehrere  Dentitionen  aufeinander 
folgen  können. 

Bei  den  Haien  sitzen  die  Zähne  nicht  nur  auf  den 
Kieferrändern,  sondern  über  die  ganze  Körperoberifäche 
zerstreut,  es  sind  Hautproducte  von  denkbar  einfachstem 
Bau.  Sind  die  auf  dem  Kiefer  stehenden  Zähne  al»ge- 
nützt,  so  rucken  von  der  Innenseite  her  neue  Zähne  nach, 
um  die  ersteren  zu  ersetzen.    Dieser  Ersatz  ist  ein  unbe- 


grenzter. Die  einzelnen  Zähne  sind  durchaus  noch  nicht 
specialisirt,  ihre  Jlenge  ist  dafür  um  so  grösser. 

Die  zweite  Stufe  der  Zahnentwickelung  repräsentiren 
die  Amphibien  und  besonders  die  Reptilien.  Von  der 
Hautoberfläche  sind  in  diesen  Klassen  die  Zähne  ver- 
schwunden, sie  haben  sich  auf  die  Kiefer  concentrirt. 
Auch  der  unbegrenzte  Ersatz  der  abgenützten  ist  einge- 
schränkt worden,  es  finden  sich  nur  noch  einige  wenige 
Reihen  nach  innen  von  der  ersten.  Mit  der  zunehmenden 
Specialisirung,  die  besduders  bei  höheren  Reptilien  ein- 
tritt, nimmt  die  Zahl  der  Zähne  ab. 

Von  den  mehrfachen  Reihen  zeitlich  aufeinander  fol- 
gender Zahnserien,  wie  sie  bei  den  Reptilien  angetroffen 
werden,  sind  bei  den  Säugethicren  durch  theilweise  Ver- 
schmelzung dersell)en  nur  noch  zwei  übrig  gebliel)en: 
Milchgebiss  imd  bleibendes  Gebiss,  oder  besser  erste  und 
zweite  Dentiti(m,  von  denen  die  letztere  sich  genau  wie 
bei  den  Reptilien  nach  innen  von  der  ersteren  anlegt. 

Mit  der  nunmehr  erfolgenden  höheren  Specialisirung 
der  Zähne,  die  sich  den  verschiedensten  Functionen  an- 
zupassen hatten,  kam  es  zu  einer  Verminderung  ihrer 
Zahl.  Die  Umwandlung  der  Reptilienzähne  in  Säugethier- 
zähne  kann  man  sich  folgendermaassen  vorstellen.  Bei 
der  eintretenden  Verkürzung  der  Kiefer  rückten  die  Zahn- 
keime der  einspitzigen  Reptilienzähne  näher  und  näher 
aneinander  und  verschmolzen  gruppenweise  zu  mehr- 
spitzigen Zähnen,  den  ursprünglichen  Backzähnen  der 
ersten  Säugethiere.  Durch  die  infolge  verschiedener  phy- 
siologischer Leistungen  geforderten  Umformungen  bildeten 
sich  die  Backzähne  aus,  wie  wir  sie  bei  den  jetzt  leben- 
den Säugethicren  kennen.  Besonders  durch  Heranziehen 
paläontologischer  Funde  sind  wir  heutzutage  im  Stande, 
die  einzelnen  Höcker  der  Backzähne  bei  den  verschieden- 
sten Säugethicren  mit  eben  derselben  Sicherheit  homolo- 
gisiren   zu    können,    wie   wir  etwa  die    einzelnen   Finger 


innerhalb     der 


Säugethierklasse 


zu    homologisiren    ver- 


In  dem  zweiten  am  Eingange  dieses  Artikels  ge- 
nannten Aufsatz  Kükenthal's  „Ueber  die  Entstehung  und 
Entwickelung  des  Säugethierstannues"  haben  die  vor- 
stehend mitgetheilten  Resultate  wesentlich  als  Grundlage 
gedient. 

Unter  allen  Wirbelthieren  treten  die  Säugethiere  zu- 
letzt auf  der  Erde  auf,  ihre  ersten  spärlichen  Reste  finden 
wir  in  triassischen  Formationen.  Während  sie  sich  im 
Laufe  der  Zeit  die  Herrschaft  sicherten,  so  dass  wir  unser 
geologisches  Zeitalter  als  das  der  Säugethiere  bezeichnen 
können,  hatte  vor  ihrem  Auftreten  der  Stamm  der  Saurop- 
siden  das  Uebergewicht.  Es  ist  daher  ganz  natürlich, 
mit  der  Betrachtung  dieses  Stammes  zu  beginnen,  wenn 
wir  der  Frage  nach  der  Entstehung  der  Säugethiere  näher 
treten  wollen. 

Von  dem  ausserordentlichen  Formenreichthum  der 
Reptilienklasse  vermögen  wir  uns  keine  Vorstellung  zu 
machen,  wenn  wir  die  jetzt  lebenden  Eidechsen,  Schlan- 
gen, Schildkröten  und  Krokodile  heranziehen.  Sie  sind 
nur  die  letzten  kümmerlichen  Sprossen  eines  einst  weit- 
verzweigten Baumes,  der  über  die  doppelte  Anzahl  von 
(Ordnungen  enthielt,  welche  uns  die  Erdschichten  auf- 
bewahrt hal)en.  Auf  Grund  der  ))aläontologischen  Funde, 
welche  sich  von  Jahr  zu  .Jahr  mehren,  sind  wir  in  den 
Stand  gesetzt,  die  Stammesgeschichte  der  Reptilien,  wenig- 
stens in  ihren  Hauptzügen,  mit  einiger  Sicherheit  zu  ver- 
folgen. 

Man  nimmt  meist  die  paläozoische  Reptilien-Ordnung 
der  Theroniorphen  als  Säugethiervorfahren  an,  da  sie  die 
grösste  Aehnlichkeit  mit  ihnen  aufzuw^eisen  haben.  In  der 
That  zeigt  eine  Vergleiehung  der  Skelette,  nach  denen 
allein  wir    gehen  können,    da  uns  keine   anderen  Reste 


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Naturwissenscliaftliclie   Wochenschrift. 


Nr.  21. 


überkonimeu    sind,    eine    grössere    Anzahl    der    gleichen 
Merkmale  bei  beiden  Gruppen. 

Besonders  auffällig  ist  die  Aehnlichkeit  in  der  Dif- 
fereneirung  des  Gebisses.  Wie  bei  den  Säugetliieren,  so 
finden  wir  auch  liei  den  Theroniorphen  eine  morphologische 
Verschiedenheit  innerhalb  der  Zahnreihe;  auch  hier  können 
wir  von  Schneidezähnen,  Eck-  und  Backzähnen  sprechen, 
zum  Unterschiede  von  anderen  Reptilien,  wo  nur  gleich- 
massige  konische  Zähne  im  Kiefer  stehen. 

Von  den  4  Unterordnungen  der  Theromorphen  zeigen 
die  Fareiasaurier  in  ihrer  liezahnung  noch  die  meisten 
Anklänge  an  die  anderen  Reptilien.  Alle  Zähne,  deren 
Zahl  ziemlich  hoch  war  (bei  Pareiasaurus  bombidens:  76), 
wurden  zu  ziemlich  gleichmässiger  Function  herangezogen, 
und  zeigen  demgemäss  in  ihrem  Bau  nur  geringe  Ver- 
schiedenheiten. Nach  innen  von  der  Zahnreihe  sind  bei 
allen  beschriebenen  Gattungen  (Tapinocephalus,  Pareia- 
saurus und  Anthodon)  deutliche  Ersatzzahnkeime  vor- 
handen. 

Viel  weiter  differencirt  ist  das  Gebiss  der  Therio- 
dontia,  deren  Zähne  nach  dem  Raubthiertypus  gebaut 
sind.  Von  Ersatzzahnanlagen  ist  bei  keinem  dieser  Ranb- 
reptilien  etwas  gefunden  worden. 

Die  beiden  anderen  Unterordnungen  haben  ein  sein- 
abweichend  gestaltetes  Gebiss;  die  Anomodontia  bcsassen 
nur  ein  paar  mächtige  Fangzähne  im  Oberkiefer  (ähn- 
lich den  Stosszähnen  vom  Walross)  oder  waren  gänzlieli 
zahnlos. 

Die  Placodontia,  deren  Zugehörigkeit  zur  Ordnung 
der  Theromorphen  indess  nicht  sicher  steht,  waren  noch 
sonderbarer  ausgestattet,  indem  vorn  Sclineidezähne,  hinten 
im  Oberkiefer  rundliche  Backzähne,  im  Unterkiefer  grosse 
Pflasterzähne  standen,  und  der  Gaumen  ausserdem  mit 
grossen  Pflasterzähnen  bedeckt  war.  Eine  ganz  ähnliciie 
Bezahnung  findet  sich  übrigens  bei  fossilen  Fischen,  den 
Pycnodonten,  zu  denen  diese  Reptilien  zuerst  gestellt 
wurden. 

Lassen  wir  die  beiden  letzterwähnten  Gruppen  zu- 
nächst bei  Seite  und  betrachten  wir  Pareiasauria  und 
Theriodontia,  so  fällt  besonders  auf,  dass  wir  hier  nicht, 
wie  es  bei  anderen  Reptilien  der  Fall  ist,  eine  Aufein- 
anderfolge mehrerer  Dentitionen  vor  uns  haben,  die  bei 
Fossilien  vortrefflich  erhalten  sein  können,  sondern  dass 
.  hier  nur  ein  einmaliger  oder  überhaupt  kein  Ersatz  statt- 
findet, letzteres  bei  den  am  meisten  specialisirten  Gebissen. 
Innerhalb  der  Theromorphenordnung  geht  also  mit  der 
höheren  Specialisirung  der  einzelnen  Zähne  die  Bildung 
von  Ersatzzähnen  verloren. 

Ganz  analoge  Verhältnisse  finden  wir  bei  den  Säuge- 
thieren  wieder,  wie  weiter  oben  geschildert  worden  ist. 

Betrachten  wir  also  die  l)es])rochenen  Gruppen  mit 
unbefangenem,  nicht  durch  phylogenetische  Hyi)othesen 
voreingenommenem  Blicke,  so  sehen  wir,  wie  bei  Thero- 
morphen, Marsupialiern  und  Placentaliern  der  ursprüng- 
liche Zustand  des  Gebisses  der  polyphyodonte,  respective 
diphyodonte  war,  wie  aber  durch  die  gleiche  Ursache, 
Specialisirung  der  einzelnen  Zähne,  bei  den  Theroniorpheai, 
alle  Dentitionen  ))is  auf  die  erste  unterdrückt  wurden, 
bei  den  Marsupialiern  wenigstens  ein  Zahn  der  zweiten 
Dentition  zum  Durchln-uch  kam,  bei  den  Placentaliern 
aber  trotz  der  Specialisirung  beide  Dentitionen  erscheinen. 
AVir  haben  also  in  den  drei  Gruppen  der  Thero- 
morphen, Marsupialier  und  Placentalier  drei  verschieden 
hohe  Stufen  der  Zahncntwickelung  vor  uns,  die  sich  nach 
denselben  Gesetzen,  aber  von  immer  höherer  Basis  aus 
bildeten. 

Es  macht  den  Eindruck,  als  ob  die  Höhe  der  Gebis.s- 
entwickelung  jedesmal  der  Höhe  der  Organisationsstufe 
der  betreffenden  Thiergruppen  entspräche,    ein  Gedanke, 


der  ja  durch  das  Princip  der  Correlation  der  Organe 
durchaus  wahrscheinlich  gemacht  wird.  Damit  ist  zugleich 
ausgesprochen,  dass  die  Aehnliclikeiten,  welche  sich  in 
den  drei  verschieden  hoch  entwickelten  Gebissformen 
finden,  auf  Conv«rgenzerscheinungen  beruhen  und  zu 
phylogenetischen  Verknüpfungen  nicht  verwandt  werden 
können.  In  der  That  sehen  wir,  wie  das  Gebiss  der 
Theriodontier  wohl  dem  der  Raubbeutler  und  Raubplacen- 
talier,  nicht  aber  dem  der  niedersten  Säugethiere  ähnlich 
ist,  welche  wir  durch  jialaeontologische  Funde  kennen, 
und  zu  deren  Betrachtung  wir  nunmehr  übergehen 
wollen. 

Die  ältesten  Reste  der  Säugethiere  kennen  wir  aus 
der  Trias,  und  zwar  weisen  sie  schon  eine  grosse  räum- 
liche Verbreitung  auf,  da  man  vereinzelte  Zähne  oder 
unvollständige  Schädel  in  Schwaben,  Nordkarolina,  im 
Basutoland  und  im  Caplandc  gefunden  liat.  Dies  allein 
spricht  schon  für  ein  höheres  Alter  des  Säugethierstammes 
und  macJjt  seine  Entstehung  im  Palaeozoicum  wahrschein- 
lich. Bei  der  Untersuchung  der  triassischen  Säuger  sind 
wir  fast  ausschliesslich  auf  die  Zähne  angewiesen,  deren 
Bau  ein  höchst  eigenthümlicher  ist.  Zwar  sind  sie  in 
mancher  Hinsicht  noch  reprilienähnlich,  besonders  durch 
die  geringe  Ausbildung  der  Wurzel,  es  tritt  aber  nicht 
nur  eine  Specialisirung  des  Gebisses  in  Schneidezähne, 
Eckzahn  und  Backenzähne  ein,  sondern  letztere  sind  auch 
höchst  auffällig  gebaut.  Ein  jeder  Backzahn  setzt  sich 
nämlich  zusammen  aus  zahlreichen  Höckern,  die  in  zwei 
oder  drei  Reihen  geordnet  und  durch  Längsthäler  ge- 
trennt sind.  Man  hat  diesen  alten  Säugethieren  deshalb 
den  Namen  ,,Multitul)erculaten"  gegeben. 

Sind  die  Multituberculatenbaekzäiine  —  wie  oben  be- 
gründet —  durch  gi'M]ipenwcise  verschmolzene,  ursprüng- 
liche, konische  Reptiiicnzähne  enstandcn,  so  müssen  sie 
in  sehr  geringer  Zahl  vorhanden  sein,  da  ja  jedesmal  ein 
Zahn  einer  ganzen  Anzahl  einfacher  Reptiiicnzähne  ent- 
spricht. In  der  That  finden  sich  in  jeder  Kieferhälfte 
nur  1  oder  2  ^Molaren,  von  den  ähnlich  gebauten  Prä- 
nnilaren  iKlchstens  4,  meist  weniger  \or.  Wie  der  Process 
der  Verschmelzung  vor  sich  gegangen,  ist  schwer  zu  ver- 
stehen, da  er  aus  der  Verkürzung  der  langen  Reptilien- 
kiefer zu  kurzen  Säugethierkiefern  allein  nicht  zu  erklären 
ist;  dennoch  ist  die  Verschmelzung  von  Zähnen  bei  den 
Wirbelthiercn  nach  K.  eine  Thatsaciic,  und  daher  durch- 
aus nicht  mit  Zahnbildungsvorgängen  bei  niederen  Wirbel- 
thieren  in  Widei'sprueh. 

Die  Backzälnie  der  theromorphen  Reptilien  sind  nur 
homolog  einem  einfachen  Reptilienzahne,  oder  aber  es 
kommt,  wie  bei  den  Theriodontiern,  zu  einer  Verschmel- 
zung. Diese  Verschmelzung  aber  betrifft  stets  nur  den  ein- 
zelnen Zahn  und  seine  entsprechenden  Ersatzzahnanlagen, 
welche  in  der  Zahnleiste  cntlialtcn  sind.  Die  Backzähne 
der  Säugethiert'  dagegen  stellen  viel  complicirtcre  Gebilde 
dar,  sie  sind  entstanden  aus  Verschmelzung  einer  grösseren 
oder  geringeren  Anzahl  konischer  Reptilienzähne,  die 
hinter  einander  liegen ,  und  meist  treten  dazu  noch  die 
entsprechenden  Zahm-eihen  der  zweiten  eventuell  der 
dritten  Dentition  hinzu.  Der  Process  der  Kieferverkürzung 
muss  bei  diesem  Processe  ein  wiciitiges  meciianisciies 
Moment  gewesen  sein. 

K.  stellt  für  die  Entwickeluug  der  Zähne  innerhall) 
der  gesammten  Wirbelthierreihe  das  Princip  auf,  dessen 
hypothetischen  Charakter  er  indessen  ausdrücklich  betont, 
dass  die  Ausbildung  der  Zähne  in  erster  Linie  auf  die 
Verschmelzung  von  Einzelzähnen  zurückzuführen  ist. 

Als  ursprüngliches  Element  ist  der  einfache  Dentin- 
zahn der  Fische  anzusehen.  Wie  durch  das  Verwachsen 
der  Basalplatten  dieser  Elementargebilde  die  Belegknochen 
der  Mundhöhle  entstanden  sind,  so  haben  sich  auch  durch 


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Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


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Verschmelzung  der  Zähne  selbst  complicirtere  Zahnformen 
gebildet. 

Dieser  Vorgang  lässt  sich  bei  Selacbiern  vergleichend- 
anatomisch verfolgen.  So  hat  z.  B.  Oladodus,  eine  der 
ältesten  Haifischformen,  folgenden  Zahnbau  aufzuweisen; 
auf  einer  langgestreckten  Basis  erheben  .sich  eine  Anzahl 
konischer  Spitzen,  von  denen  die  mittelste  und  die  beiden 
äusseren  die  längsten  sind.  Die  Entstehung  dieses  Zahn- 
gebildes würde  ganz  unverständlich  sein,  wenn  wir  an- 
nehmen wollten,  dass  es  durch  allmähliche  Differeucirung 
einer  einzigen  Zahnspitze  entstanden  sein  soll;  es  erscheint 
vielmehr  ganz  selbstverständlich,  diese  Bildung  aus  einer 
Reihe  verschmolzener  Einzclzähne  bestehend  anzunehmen. 
Durch  immer  inniger  werdende  Verschmelzung  der  Einzel- 
elemente sind  dann  die  anderen  Zahnformen  entstanden. 
Es  ist  ja  dabei  keineswegs  ausgeschlossen,  dass  auch 
ohne  Verschmelzung  einzelne  Zähne  in  Folge  erhöhter  In- 
anspruchnahme an  Grosse  zunehmen,  nur  lassen  sich  daraus 
nicht  die  mehrspitzigen  Zähne  erklären.  K.  stellt  also 
den  ursprünglichen  Einzelzahn  der  Fische  als  Zahn  erster 
Ordnung  den  durch  Verwachsung  mehrerer  entstandenen 
Gebilden,  wie  innerhalb  der  Fischklasse,  als  Zähnen 
zweiter  Ordnung  gegenüber.  Mit  dieser  Complication 
erfolgt  naturgemäss  eine  ^'erringerung  in  der  Zahl  der 
sich  anlegenden  Dentitionen.  Bei  Fischen  ist  im  allge- 
meinen der  Zahnwcchsel  unbegrenzt,  er  hört  aber  bereits 
innerhalb  dieser  Klasse  bei  Ausbildung  sehr  grosser  Einzel- 
zähne, also  bei  eintretender  Specialisirung  auf  (z.  B.  bei 
Chimaera  oder  Ceratodus). 

Auch  bei  den  Reptilien  ist  die  Zahl  der  Dentitionen 
eine  begrenzte.  AVollen  wir  den  Einzelzahn  eines  Reptiles 
mit  den  Zähnen  der  Fische  vergleichen,  so  werden  wir 
sie  besser  mit  den  Zähneu  zweiter  Ordnung  zusaninieu- 
stellen.  Wie  diese,  so  zeigen  auch  manche  Reptilien- 
zähne Coniplicationen,  die  auf  eine  ehemals  erfolgte  Ver- 
schmelzung hindeuten. 

Zu  einer  nochmaligen  Verschmelzung  kam  es  bei  der 
Entstehung  der  Säugethiere  aus  reptilienähnlichen  Vor- 
fahren. Die  Backzähne  der  Säugethiere  sind  also  Zähne 
dritter  Ordnung,  entstanden  durch  Verschmelzung  von 
Reptilienzähnen.  In  schönster  Ausbildung  zeigt  sich  das 
Resultat  dieses  Processes  bei  den  ältesten  bis  jetzt  be- 
kannten Säugethieren,  den  Multituberculaten. 

Einfacher  Fisehzahn,  Reptilienzahn  und  Säugethier- 
backzahn  sind  also  miteinander  nicht  homologisirbar.  Dem- 
zufolge ist  also  eine  phylogenetische  Verknüpfung  der 
betreffenden  Formen  auf  Grund  der  Bezahnung  durchaus 
unzulässig. 

Die  Frage  nach  dem  Ursprünge  der  Säugethiere  be- 
antwortet K.   nunmehr  folgendermaassen.     Die  Vorfahren 


der  Säugethiere  waren  nicht,  wie  meist  angenommen, 
theroniorphe  Reptilien,  sondern  uralte  zur  palaeozoischen 
Zeit  lel)cnde  Formen  (von  denen  ja  die  Theromorphen 
ebenfalls  ihren  Ausgang  genonunen  haben  können)  mit 
weniger  specialisirtem,  noch  aus  glcichmässigen  konischen 
Zähnen  bestehendem  Gebiss.  Aus  ihnen  heraus  ent- 
wickelten sich  zuerst  Säugethiere  mit  Mnltitubereulaten- 
gebiss. 

Die  jetzt  lebenden  Säugethiere  werden  in  drei  Unter- 
klassen eingetheilt,  die  Monotremen,  die  Beutelthiere  und 
die  Placentalthiere.  Der  KöriJcrbau  der  noch  eierlegenden 
Monotremen  zeigt,  obwohl  durch  Specialanpassung  rnannig- 
facii  modifieirt,  so  primitive  Charaktere,  dass  wir  sie  als 
Al)könnnlinge  der  primitivsten  Säugethiere  ansehen  müssen. 
Es  müssten  nun  nach  dem  Vorausgehenden  die  Mono- 
tremen Nachkommen  der  alten  Multituberculaten  sein. 
Diese  Annahme  hat  vor  kurzem  eine  Bestätigung  erfahren 
durch  die  Entdeckung,  dass,  während  die  erwachsenen 
iK'iden  Formen,  das  Sehnabcithier  und  der  Ameisenigel, 
zahnlos  sind,  die  jungen  Schnabelthiere  unterm  Zahn- 
tieisch  verborgen  zwei  Backzähne  besitzen,  welche  einen 
deutlichen  multitul)ereularen  Bau  aufweisen.  Die  Mono- 
tremen scheinen  also  in  der  That  ein  speeialisirter  Seiten- 
zweig der  Mnltitul)erculaten  zu  sein. 

Die  ^'ertreter  der  zweiten  Unterklasse,  die  Beutel- 
thiere, haben  sich  schon  sehr  frühzeitig  von  diesem  alten 
Stamme  abgezweigt,  ihr  Gebisstypus  lässt  sich  auf  eine 
Modification  des  Multitubcreulatentypus  zurückführen.  Ihr 
Körperbau  zeigt  im  allgemeinen  eine  zwischen  Monotremen 
und  Placentalthieren  stehende  Ausbildung,  und  man  sieht 
sie  als  ein  mittleres  Säugethierstadinm  an,  aus  dem  sich 
die  letzteren  entwickelten.  Nach  manchen  Autoren  stam- 
men die  einzelnen  Ordnungen  der  Placentalthiere  von  den 
entsprechenden  Beutelthierordnungen  ab,  sind  also  poly- 
pliyletisch  entstanden,  nach  anderen  nahm  die  Unterklasse 
der  Placentalier  von  einem  mehr  generalisirten  Beutelthier- 
typus  aus  ihren  Ursprung.  Die  bis  jetzt  für  eine  directe 
Ableitung  der  Placentalier  von  den  Beutelthieren  ins  Feld 
geführten  (iründe  sinil  aber  sännntlich  nicht  stichhaltig, 
wohl  aber  giebt  es  dagegensprechende. 

Es  lässt  sich  wohl  denken,  dass  die  Placentalier  ihren 
Ursprung  von  dem  alten  Säugethierstamme  nahmen,  der  in 
den  Monotremen  noch  am  wenigsten  verändert  fortlebt, 
und  dass  einzelne  ihrer  Ordnungen  die  Placeuta  un- 
aldiängig  von  einander  erworben  haben.  Ein  den  Pla- 
centaliern  parallel  laufender,  ebenfalls  aus  dem  Haupt- 
stamme entstandener  Zweig  sind  die  Beutelthiere. 
Die   Aehnlichkciten    innerhalb    der    einzelnen    Ordnungen 


beider     Unterklassen 
erseheinungen. 


wären      dann     nur     Convergenz- 


Eine  neue  Gattung  der  Laboulbeniaceen,  einer 
Familie  der  Ascomyceten,  deren  etwa  32  Arten  .sämmtlich 
auf  Käfern  oder  Fliegen  wohnen,  beschreibt  Alfred 
Giard  unter  dem  Namen  Thaxteria  Kflnekeli.  (Compt. 
rend.  de  la  Soc.  de  Biol  de  Paris.  S.  9.  T.  4.  S.  156.) 
Dieser  Pilz  fand  sich  zu  Perak  auf  dem  ostindischen  Lauf- 
käfer Mormolyce  phyllodes  Hagenbaeli  Die  Laboul- 
beniaceen sind  bisher  nur  aus  Europa  und  Amerika  be- 
kannt. Die  vorliegende  Form  übertriftt  alle  Verwandten 
an  Grösse;  sie  wird  3  —  4  mm  hoch.  Sie  überzieht  den 
Thorax  und  die  Flügeldecken  mit  einem  Wald  zierlichster 
Palmen.  Bemerkenswerth  ist  die  Verwandtschaft  dieser 
neuen  Art  zu   den  fliegenbewohnenden  Familiengenossen. 

M. 


Eine  interessante  Analyse  der  Sehn  imnibewegnngen 
des  Rochen  veröflentlieiit  Marey  in  den  Comptes  rendus 

der  Acadcnne  zu  Paris  (1893,  "S.  77—81.)  Vermittels 
geeigneter  Vorriciitungen  war  ein  Versuchsthier  orientirt 
worden,  so  dass  die  beiden  Serien  photographischer  Auf- 
nahmen hergestellt  werden  konnten,  welche  die  neben- 
stehende Figur  zeigt.  Die  Bewegungen  geschehen  mittels 
der  Seitenflossen  und  sind  vertikal  wellenförmig,  d.  h. 
jeder  Punkt  des  Flossenrandes  hebt  uud  senkt  sich  ab- 
wechselnd. Sie  beginnen  am  Vorderrande  der  Flossen, 
indem  sich  derselbe  emporhebt,  schreiten,  gleichzeitig 
griisser  werdend,  nach  hinten  fort  und  enden  am  Hinter- 
rande in  ähnlicher  Weise,  wie  sie  am  vorderen  begannen. 
Die  einzelnen  Phasen  sind  am  besten  aus  der  neben- 
stehenden Figur  ersichtlich,  in  welcher  No.  1  jedesmal 
das  Anfani;stadium  darstellt.     Bevor    die  eine  Welle  am 


210 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  21. 


Hinterrande  verlaufen  ist,  erscheint  eine  neue  bereits  am 
Vorderrande.  In  der  von  der  Seite  dargestellten  Reihe 
(zuerst  aufgenommen)  besteht  die  Welle  aus  8  Phasen, 
in  der  von  vorn  geselienen  nur  aus  6;  im  ersteren  Falle 
beanspruchte  sie  '^^q,  im  zweiten  nur  "/lo  einer  Secuude. 
Grosse  Aehnlichkeit  zeiat  die  Reihe   der  Vorderansichten 


mit  gleichen  Darstellungen   des  Vogelfiuges. 


lu  gleicher 


Weise,  wie  die  Flügel  des  Vogels,  wenn  sie  am  stärksten 
nach  unten  gebeugt  sind,  einen  Halbkreis  beschreiben, 
dessen  mittleren  und  höchsten  Theil  der  Körper  einnimmt, 
stellen  sich  auch  die  Seitenflossen  zum  Körper  des  Rochen 
(Vorderansicht  No.  6).  Wenn  der  Flügel  des  Vogels  von 
dem  erreichten  höchsten  Punkte  aus  sich  abwärts  zu  beugen 
beginnt,  kann  der  aus  biegsamen  Federn  bestehende 
hintere  Rand  desselben,  in  Folge  des  Widerstandes  der 
Luft,  der  Bewegung  nicht  so  schnell  folgen  und  wird  auf- 
wärts gekrümmt-,  ebenso  geschieht  es  beim  Rochen  (Vorder- 
ansicht No.  3 — 5)    durch    den   Widerstand    des  Wassers. 

Dr.  F.  K. 


DieMitwirkuiiff  der  atmosphärisclieuNiederschläge 
bei  der  Gestaltung  des  festen  Landes.  —  Ein  bemerkens- 
werthes  Beispiel  für  diese  Erscheinung  hat  Herr  John 
Thomson  auf  der  Insel  Fcirmosa  beobachtet.  Im  Jahre 
1634  sind  dort  von  den  Holländern  zwei  Forts  angelegt 
worden,  deren  eines,  Ft.  Providence,  damals  an  der  Jlün- 
dung  des  Formosaflusses  gelegen  war.  Gegenwärtig  ist 
dieser  Punkt  aber  nicht  weniger  als  fünf  englische  Meilen 
von  der  Küste  entfernt.  Das  andere,  Ft.  Tai  Wan,  ist 
aber  seit  langer  Zeit  völhg  ins  Innere  der  Insel  gerückt. 
Herr  Thomson  erklärt  die  Erscheinung  folgenderniaassen. 
Die  Luft,  welche  über  die  Kuru  Sliiwo  Strömung  hinweg- 
streicht, belädt  sich  mit  reichlicher  Feuchtigkeit.  Die 
solcher  Gestalt  mit  Wasserdampf  gesättigten  Wolken  wer- 
den während  des  Nordost  -  Monsuns  (Ende  October  bis 
April)  gegen  die  bis  über  3000  m  ansteigenden  Höhenzüge 
der  Insel  angetrieben,  dort  aber  festgehalten  und  lösen 
sich  dann  in  starke  Regengüsse  auf.  Diese  letzteren 
werden  grosse  Mengen  Materials  von  dem  Gebirge  los- 
reissen,  das  sich  dann  in  einer  Entfernung  von  15  engl. 
Meilen  dem  Boden  angliedert,  der  ohnehin  durch  die 
stete  Anschwemmung  der  Wasserläufe  der  Insel   gebildet 


wird.  Auf  diese  Weise  hat  sich  eine  vollkommen  bewohn- 
bare Alluvialebene  gebildet,  die  von  Jahr  zu  Jahr  in  Folge 
der  Regengüsse  eine  immer  weitere  Ausdehnung  erhält. 
In  der  That  ist  also  aus  diesem  Beispiele  zu  ersehen, 
dass  die  atmosphärischen  Niederschläge,  auf  einer  be- 
grenzten Fläche,  die  Gestaltung  des  Bodens  wesentlich 
moditiciren  können,  indem  sie  auf  Kosten  des  Meeres  eine 
Ebene  schaffen  und  erhalten,  die  wohl  geeignet  ist  zur 
dauernden  Wohnstätte  und  zum  dauernden  Unterhalt  einer 
Zahl  beträchtlichen  Bevölkerung.  Grs. 


an 


Anfänge  epiphytischer  Lebensweise  bei  Gefäss- 
pflanzen  Norddeutschlands  betitelt  sich  ein  Aufsatz  aus 
der  Feder  von  Prof.  E.  Loew  in  den  V^erhandlungen  des 
Botanischen  Vereins  der  Provinz  Brandenburg.  XXXIII, 
dem  wir  das  Folgende  entnehmen.  —  In  den  ..pflanzen- 
biologischen Schilderungen"  Goebel's  wird  der  Reichthum 
der  Tropen  an  epiphytischen  Pflanzen  im  Gegensatz  zu 
der  Armuth  unserer  gemässigten  Zone  an  derartigen  Ge- 
wächsen hervorgehoben.  Dagegen  beschränken  sich  die 
einheimischen  Epiphyten  in  der  Regel  auf  rinden- 
bewohnende Flechten  und  Moose;  auch  treten  bisweilen 
Farne  (Polypodium  vulgare)  in  unseren  feuchten  Gebirgs- 
wäldern  und  an  der  See  epiphytisch  auf.  Bei  näherer 
Umschau  lässt  sich  aber  z.  B.  innerhalb  des  norddeutschen 
Florengebiets  nicht  verkennen,  dass  gelegentlich  auch  bei 
uns  eine  grössere  Zahl  von  Gefässpflanzen  ihren  Standort 
auf  Baumstämmen  zu  nehmen  und  daselbst  den  Kreislauf 
ihres  Lebens  von  der  Keimung  bis  zur  Fruchtreife  zurück- 
zulegen vermag;  es  thun  dies,  nicht  bloss  krautartige, 
sondern  selbst  Holzgewächse.  Wo  derartige  Vorkommnisse 
zur  Beobachtung  gelangen,  rufen  sie  leicht  den  Eindruck 
des  Zufälligen  hervor,  so  dass  sie  von  den  Floristen  meist 
nicht  weiter  beachtet  wurden.  Es  knüpfen  sich  jedoch 
an  diesen  gelegentlichen  Epiphytismus  einige  biologische 
Fragen,  die  dem  Verf.  Veranlassung  gaben,  der  iu  Rede 
stehenden  Erscheinung  etwas  näher  zu  treten. 

Eine  reiciilicher  entwickelte  Epiphyten -Flora  inner- 
halb des  norddeutschen  Florengebiets  fand  er  im  Sommer 
1890  in  Travemünde  an  der  Ostsee  —  und  zwar  daselbst 
nur  an  einer  engbegrenzten  Localität.  Vom  dortigen 
Badestrande  führt  unweit  des  sog.  Seetempels  ein  ca. 
1,1  km  langer,  mit  alten  Kopfweiden  umpflanzter  Feldweg 
auf  die  Fahrstrasse  nach  Brodten.  Die  von  einem  flachen 
Graben  begleiteten  Seiten  dieses  Weges  sind,  wie  vielfach 
in  der  Gegend,  zum  Schutz  der  angrenzenden  Felder  und 
Viehtriften  mit  einer  dichten  Gesträuchhecke  umzogen,  die 
von  Corylus  Avellana  L.,  Carpinus  Betulus  L.,  Populus 
tremula  L.,  Salix  Caiirea  L.  und  aurita  L.,  Prunus  spinosa 
L.,  Rosa  canina  L.,  Rubus-Arten,  Acer  campestre  L., 
Frangula  Alnns  Mill.,  Ribes  Grossularia  L.,  Evonymus 
europaea  L.,  Cornus  sanguinea  L.,  Fraxinus  excelsior  L. 
u.  a.  gebildet  wird.  Die  Kopfweiden  (vorwiegend  Salix 
alba  L.),  deren  Alter  ein  ziemlich  bedeutendes  sein  muss, 
da  einzelne  Exemplare  derselben  durch  Vermoderung 
bereits  in  zwei,  fast  völlig  getrennte  Stammreste  zerfallen 
waren,  trugen  auf  ihrem  gekappten  Stammende  zwischen 
den  eigenen,  lutbenförmigen  Trieben  ganze  Büschel  dort 
angesiedelter  „Ueberpflanzen"  (nach  Kerner's  Bezeich- 
nung). Auch  dem  Laien  pflegten  auf  diesem  Wege  u.  a. 
die  Erdbeeren  aufzufallen,  deren  Früchte  man  hier 
von  den  Bäumen  ablesen  musste  und  welche  —  gleich 
der  neben  ihnen  wachsenden  Nepeta  Glechoma  Benth.  — 
ihre  langen  Ausläufer  nach  Art  von  Ampelpflanzen  von 
der  Höhe  herabhängen  Hessen.  Auch  Himbeersträucher 
waren  häufig  auf  dem  ungewöhnlich  hoch  gelegenen  Stand- 
ort anzutreffen  und  entwickelten  bereits  hier  und  da  ihre 
Früchte.     Vereinzelt  traten  ferner  rein  vegetative  Stamm- 


I 


Nr.  21. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


211 


cheu  von  Ribes  rubrum  L.  und  Pirus  aucui)aria  Gacrtu. 
auf;  von  ersterem  fand  sich  ein  Exemplar,  dessen  Stamm 
einen  Durchmesser  von  etwa  1,8  cm  besass,  von  letzterer 
ein  4 jähriges  Individuum,  dessen  Wurzel  mehr  als  1,6  dm 
tief  in  das  vermoderte  Holz  des  Wirthstannnes  einge- 
drunju-en  war.  An  Liancnbildung-  erinnerten  die  windenden 
Stänune  des  reichlich  blüiienden,  wilden  Geisblatts  und 
Exemplare  von  Solanum  Dulcaniara  L.,  deren  Wurzeln 
zum  Theil  ebenfalls  der  fremden  Unterlage  aufsasseu. 
Als  Repräsentant  der  bodenständigen  Epiphyten  trat  ferner 
nicht  selten  Hedera  Helix  L.  auf  Zu  den  genannten 
Gewächsen,  die  mit  Ausnahme  von  Fragaria  sänuntlieli 
Holzpflanzen  sind,  gesellte  sich  endlich  eine  ganze  Schaar 
von  baumbewohnenden  Kräutern  und  (iräsern  unter  denen 
sich  auch  der  ^•on  Goebel  genannte  Farn  (Polypodiuni 
vulgare  L.)  befand.  Das  specielle  Verzeichniss  der  übrigen 
Arten  folgt  weiter  unten. 

Die  sich  zunächst  darbietende  JVage  betrifft  die 
Aussäungseinrichtungen  dieser  auf  den  Weidenstämmen 
epiphytisch  auftretenden  Pflanzengenossenschaft.  Denn 
wenn  A.  F.  W.  Schimper  nachgewiesen  hat,  dass  die 
tropischen  Epiphyten  vorwiegend  zu  solchen  Ptlanzen- 
familien  gehören,  deren  Früchte  oder  Samen  für  die  Ver- 
breitung- durch  Thiere  oder  den  Wind  eingerichtet  sind, 
während  Pflanzen  aus  Familien  mit  grossen  und  schweren 
Samen  nicht  zu  atmosphärischer  Lebensweise  überzugehen 
pflegen,  so  könnten  vielleicht  Andeutungen  dieses  biologi- 
schen Zusammenhanges  zwischen  epiphytischem  Vorkommen 
und  der  Art  der  Sauienausrüstung  sich  auch  in  unserer 
einheimischen  Flora  nachweisen  lassen.  Von  diesem  Ge- 
sichtspunkte aus  stellte  Verf  die  von  ilini  auf  den  Weiden- 
stämmen bei  Travemünde  beobachteten  Pflanzen  nach 
ihrer  Verbreitungsausrüstung  in  Gruppen  zusammen.  Es 
ergab  sich  so  folgende  Liste,  in  welcher  zugleich  An- 
gaben über  die  Häutigkeit  der  betreffenden  Art,  sowie 
über  die  Aussäungsform  aufgenommen  sind. 

Gruppe   1.     Früchte  beerenartig. 

1.  Rubus  Idaeus  L.     (Häufig.)     Nach    Foeke    durch   Vögel    ver- 
breitet. 

2.  Pirus  auciiparia  Gaertn.  (Vereinzelt.)  Nach  Piccone  durch 
Vögel  verbreitet. 

3.  Fragaria  vesca  L.  (Häufig.)  Nach  Piccone  durch  Vögel  ver- 
breitet. 

4.  Ribes  rubrum  L.     (Vereinzelt.)     Wie  vorige. 

5.  Hedera  Helix  L.  (Häufig,  nur  bodenständig  beobachtet;  ob 
immerV)     Durch  Vögel  verbreitet  (Piccone). 

6.  Lonicera  Periclymenum  L.     (Vereinzelt.) 

7.  Solanum  Dulcainara  L.     (Vereinzelt.) 

Gruppe  2.     Früchte  mit  Klettborsten. 

8.  Galium  Aparine  L.  (Vereinzelt  )  Frucht  hakig-borstig.  Nach 
Huth  zugleich  „WoU-  und  Kletterklette". 

Gruppe  3.     Samen   oder  Früchte,    resp.  deren  Anhaugs- 
theile   mit  Flugapparat. 

9.  Epilobium  parviHorum  Schreb.  (Vereinzelt.)  Samen  mit 
Haarschopf. 

10.  Taraxacum  vulgare  Schrk.  (Sehr  vereinzelt.)  Frucht  mit 
Haarkrone. 

11.  Hieracium  boreale  Fr.     (Sehr  vereinzelt.)     Desgl. 

12.  Rumex  Acetosa  L.  (Vereinzelt.)  Die  Verbreitungs- Ausrüstung 
besteht  nach  Hildebrand  in  den  Flügeln  des  Perigons,  das 
die  Frucht  einschliesst. 

Gruppe  4.     V  e  r  ra  e  h  r  u  n  g  s  o  r  g  a  n  e    (F  r  ü  c  li  t  e  ,    Samen    oder 
Sporen)  klein  und  leicht. 

13.  Moehringia  trinervia  Clairv.  (Häufig.)  Die  kleinen  Samen 
der  Caryophylleen  nach  Hildebrand  leicht  durch  den  Wind 
verbreitet. 

14.  Cerastium  caespitosura  Gil.     (Vereinzelt.)    Wie  Moehringia. 

15.  Stellaria  Holostea  L.     (Vereinzelt.)    Desgl. 

16.  Artemisia  vulgaris  L.  (Vereinzelt.)  Frucht  nach  Hildebrand 
wegen  ihrer  Kleinheit  leicht  durch  den  Wind  verbreiet. 

17.  Aehillea  Millefolium  L.  (Sehr  vereinzelt.)  Wie  Artemisia. 
Vgl.  Hildebrand. 


18.  Campanula  rotundifolia  L.  (Sehr  vereinzelt.)  Die  kleinen 
Samen  der  Campanulaceen  nach  Hihlebrand  leicht  durch  den 
Wind  verbreitet. 

\'.>.  Prtica  dioica  L.  (Häufig.)  Frucht  nach  Hildebrand  durcli 
den  Wind  verbreitet,  nach  Harz  1.4 — 1,46  mm  lang,  von  2  vcr- 
grösserten  etwas  borstigen  Perigon-Abschnitten  eingeschlossen. 
Möglieherweise  spielt  auch  die  nacli  der  Reife  der  Frucht 
durch  Wasserzufnhr  aufquellendi'  Schleimschicht  (vgl.  Harz) 
eine  Rolle  bei  der  .\ussäung.     ( Klebt'rucht?) 

20.  Poa  nemoralis  L.  (Häufig.)  Die  besjjelzte  Frucht  3  mm  lang, 
mit  geringer  Behaarung  (.Jessen),  nach  Hildebrand  durch  den 
Wind  verbr(<itet. 

21.  Dactylis  glomerata  L.  (N'ereinzelt  )  Die  bespelzte  Friiclit 
D  mm  lang,  mit  rückwärts  borstiger  Granne  von  1 — 3  mm 
Länge  (nach  Jessen).  Verbreitung  nach  Hildebrand  wie  bei 
Poa;  vielleicht  dient  die  Granne  auch  als  Klettvorrichtung. 

-'2.  Holcus  lanatus  L.  (Vereinzelt.)  Die  bespelzte  Frucht  3  mm 
lang,  bisweilen  noch  ein  unfruchtbares,  hakig  begranntes 
Plütlii-hen  tragend  (Jessen).  Die  Verbreitung  findet  nach 
Hildebrand  wie  bei  Poa  durch  den  Wind  statt;  vielleicht 
dient  die  Hakengranne  auch  als  Klettvorrichtung. 

23.    Polypodium  vulgare  L.     (Häufig.)     Mit  Sporen. 

Gruppe  5.     Früchte    mit  S  c  hie  udermecli  an  ismus. 

21.  Geranium  Robertianum  L.  (Häufig.)  Die  Samen  werden  beim 
Abschleudern  der  Thoilfrüchte  aus  diesen  herausgeschnellt. 
(Vgl.  Hildebrand  und  (tlbers.) 

Gruppe  (5.     V  e  r  Ij  r  e  i  t  u  n  g  s  a  u  s  r  ü  s  t  u  n  g  u  n  d  e  u  1 1  i  c  h 
oder  zweifelhaft. 

2.'i.  Antliriscus  silvestris  Hoffm.  (Vereinzelt)  Fruclit  kurzgeschnä- 
belt, glatt.  Die  Theilfrüchte  werden  möglicherweise  beim 
Austrocknen  ähnlich  wie  bei  Scaiidix  (  Hildebraml)  vom  Frucht- 
träger  fortgcschnellt. 

26.  Hypericum  pcrforatum  L.  (Vereinzelt.)  Kapselfrucht  mit  klei- 
nen Samen.     Windverbreitung. 

27.  Verbascnm  thapsiforme  Schrad.  (Sehr  vereinzelt.)  Die  Kapsel 
wird  bei  der  Reife  noch  von  dem  wolligen  Kelcli  umgeben. 
Huth  zählt  Verbascum  wegen  seiner  dichtfilzigen' Behaarung 
zu  den  Klettpflanzen  und  führt  i'ineu  Fall  von  Verschleppung 
zahlreicher  Arten  durch  Wolle  an. 

28.  Galeopsis  Ladanum  L.  (Vereinzelt.)  Mit  glatten  .Spalt- 
friiehten.    Kelch  mit  stechenden  Zähnen.    (Klettvorricbtiing?) 

29.  Nepeta  Glechoma  Benth.  (Vereinzelt.)  Mit  glatten  Spalt- 
früchten, Kelch  mit  stachelspitzigen  Zähnen.  (Klettvorrich- 
tung?) 

30.  Chrysanthemum  Tanacetum  Karsch.  (Vereinzelt.)  Frucht 
punktirt,  mit  kurzem  Hautsaum.     (Wind Verbreitung ?) 

31.  Galium  Mollugo  L.  (Vereinzelt.)  Frucht  körnig.  (Klett- 
vorrichtung?) 

Hiernach  finden  sich  unter  den  30  auf  Weidenbäumen 

wurzelnden  Ueberpflanzen  (nach  Abzug  der  bodenständigen 

Hedera  Helix  L.): 

Durch  den  Wind  verbreitete 

Arten 16  oder  SS'/g  Vo  (Gruppe  3— 5) 

Durch    Thiere    verbreitete 

Arten 7    „     231/3  »/„  (Gruppe  1  u.  2) 

Arten  mit  zweifelhafter  Aus- 
säungsform   7    ,,     23^3  'Vo  (Gruppe  6) 

Arten  30  od.  100  «/o- 

Im  Ganzen  l)ot  also  die  ganz  überwiegende  Zahl 
(76^  3  "/o)  der  aufgezählten  Pflanzengenossenschaft  eine  Form 
der  Aussäung,  die  sie  zu  epiphytischem  Auftreten  besonders 
befähigt  und  ihr  mit  den  tropischen  Ueberpflanzen  gemein- 
sam ist;  auch  die  der  Ausrüstung  nach  zweifelhaften  Arten 
der  Gruppe  6  können,  wie  aus  ihrem  thatsäehliehen  Stand- 
ort hervorgeht,  doch  nur  durch  den  Wind  oder  durch 
Thiere  dahin  gelangt  sein.  Besonders  bemerkenswerth 
erseheint,  dass  sämmtliche  auf  den  A\'eidenbäumen  als 
Ueberpflanzen  auftretende  Holzgewäehse  din-ch  beereu- 
artige  Früchte  ausgezeichnet  sind  und  wahrscheinlich  durch 
Vögel  an  die  ungewöhnliche  Wohnstätte  gebracht  wurden. 
Unter  denselben  befanden  sich  allerdings  zwei  Arten 
(Pirus  aueuparia,  Ribes  rubrum),  die  nur  in  vegetativem 
Zustande  beobachtet  wurden,  und  welche  wahrscheinlich 
auch  niemals  an  der  angegebenen  Stelle  zum  Blühen  und 
Fruchten  gelangen  werden;  die  übrigen  Holzpflanzen,  wie 


212 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  21. 


auch  sämuitliche  ausdauernde  (20  Arten)  und  bapaxantlie 
Krautgewächse  (einjährige:  4  Arten,  zweijährig:  1  Art) 
wurden  dagegeu  theils  iu  bliihbarem,  theils  in  fructifici- 
rendem  Zustande  angetroffen.  Da  es  überwiegend  per- 
ennireiide  Pflanzen  sind,  so  kann  l'iir  dieselben  zum  Thcil 
wohl  eine  längere  Dauer  des  epiphytischen  ^'(■rhältnisses 
angenommen  werden.  Auch  ist  zu  berücksichtigen,  dass 
fast  alle  oben  aufgezählten  Pflanzen  an  dem  beschriebeneu 
Weidenwege  ausserdem  in  bodenständigen  Exemplaren 
vorkommen,  so  dass  ihre  Früchte  oder  Samen  stets  in 
Menge  an  der  betreffenden  Loealität  vorhanden  waren 
und  sieh  um  so  leichter  vom  Boden  auf  die  Räume  ver- 
breiten konnten.  Dieser  Umstand  erklärt  wenigstens  theii- 
weise  die  Reichliehkeit  der  geschilderten  Epiphyten- 
vegetation. 

Eine  zweite  in  Betracht  kommende  Frage  ist  die,  in 
welcher  Weise  die  gelegentlich  als  Ueberpflanzen  der 
Weidenbäume  auftretenden  Gewächse  ihre  Bedürfnisse  an 
Bodcnljestandfheilen  und  Wasser  zu  decken  vermögen. 
Nach  beiden  Richtungen  hin  entwickeln  bekanntlich  die 
tropischen  Epiphyten  eigenartige  EiiH'ielitungen,  z.  B.  ein 
mächtig  entwickeltes  Wassergewebe,  wasseraufsaugende 
Luftwurzeln  oder  vogclnestartige  Wurzelmassen  und  Blaft- 
rosctten  zur  Ansanmilung  von  Humiisstoffen.  Allein  von 
derartigen  Einrichtungen  lässt  sich  bei  den  oben  aufge- 
zählten Pflanzen  nichts  wahrnehmen,  wenn  nicht  eine 
spätere,  genaue  anatomische  Untersuchung  bei  einigen 
etwa  eine  stärkere  Entwickelung  von  wasseraufspeicheru- 
dem  Gewebe  nachweisen  sollte.  Der  ihren  Wurzeln  zu 
Gebote  stehende  Nährboden  bestand  fast  ausschliesslich 
aus  der  vermoderten,  lockeren  und  feuchten  Weidenholz- 
masse,  die  von  spärlichen,  durch  den  Wind  aufgewehten 
festen  Mineralpartikelcheu  des  Bodens  i)edeckt  und  häufig 
auch  von  einer  Moosdecke  überzogen  wurde.  Letztere 
bietet  in  den  ihr  anhaftenden  Erdbestandtheilen  wohl  für 
niedere,  kleinwurzlige  und  einjährige  Pflanzen  wie  Moeh- 
ringia  trinervia  u.  a.  hinreichende  Nährstoffe  dar,  allein 
eine  grössere  Zahl  der  oben  genannten  Holzpflanzeu  und 
Stauden  besitzt  tiefer  gehende  Wurzeln  und  Ehizome,  so 
dass  die  Annahme  einer  ganz  oberflächlichen  Anheftung 
derselben  ausgeschlossen  erscheint.  Vielmehr  Hess  sich 
feststellen,  dass  Wurzeln  mehrfach  bis  zu  einer  Tiefe  von 
1  —  2  dm  in  das  Innere  der  vermoderten  Stämme  einge- 
drungen waren  und  sieh  aus  denselben  nur  mit  Anwendung 
grösserer  Kraft,  sowie  unter  Abreissen  der  jüngeren  Seiten- 
verzweigungen herausziehen  Hessen.  Unter  diesen  Um- 
ständen liegt  der  Gedanke  an  eine  besondere  Art  der 
Ernährung  —  etwa  durch  Mykorrhizabildung  —  nahe. 
Nach  den  Untersuchungen  von  Frank  ist  letztere  „ab- 
hängig von  dem  Vorhandensein  unzersetzter,  in  Humus 
übergehender  Pflanzenabfälle  im  Erdboden".  Zumal  der 
Baumhumus  bedingt  die  Anwesenheit  der  Mykorrhizapilze. 
Nun  ist  allerdings  die  Eberesche,  deren  Wurzeln  ich,  wie 
oben  angegeben,  tief  in  die  vermodernde  Holzsubstanz 
eindringen  sah,  nach  den  Beobachtungen  von  Frank  in 
normalen  Fällen  von  Wurzelpilzeu  frei,  allein  es  fragt 
sich,  ob  sie  unter  veränderten  Standortsbedingungeu  nicht 
doch  Ansätze  von  Mykorrhizabildung  zu  machen  vermag. 
Einige  feine  Seitenwurzelu  schienen  in  der  That  das 
charakteristische,  korallenartig  verzweigte  Wachsthum  der 
Mykorrhiza  zu  zeigen,  allein  eine  genauere  mikroskopische 
Untersuchung  derselben  konnte  nicht  vorgenommen  werden. 
Sicher  leben  dagegen  die  Wurzeln  einiger  anderer,  in  dem 
AVeidenhumus  beobachteter  Pflanzenarten  in  Vergesell- 
schaftung mit  Pilzen,  es  sind  dies  nach  Schlicht  die 
Wurzeln  folgender  8  Species:  Fragaria  vesea,  Eubus 
Idaeus,  Epilobium  parviflorum,  Geranium  Robertianum, 
Hypericum  perforatum,  Achillea  Millefolium,  Taraxaeum 
vulgare   und  Holcus  lanatus;   die  Pilzmycelien   treten  bei 


diesen  Pflanzen  nach  genanntem  Beobachter  an  den  feinsten, 
bisweilen  nur  0,04  mm  dicken  Wurzelfäsern  auf.  Be- 
inerkenswerth  ist  vor  allem  die  Zugehörigkeit  von  Fragaria 
vesea  und  Rubus  Idaeus  zu  der  Mykorrhiza- bildenden 
Gruppe,  da  diese  Pflanzen  bei  ihrem  gelegentlich  epiphy- 
tischen Auftreten  sich  sehr  kräftig  entwickelten.  Es 
scheinen  daher  vorzugsweise  solche  Gewächse  zum  Schein- 
schmarotzen auf  Baunistännnen  übergehen  zu  können, 
welche  durch  Mykorrhizabildung  von  vornherein  für  die 
directe  Aufnahme  organischer  Substanz  ausgerüstet  sind. 
Es  ist  hier  auch  daraufhinzuweisen,  dass  in  der  temperirten 
Region  des  östlichen  Himalaya  (z.  B.  bei  Darjecling  in 
Sikkim  zwischen  4  und  6000'  nach  Schimper)  zahlreiche 
Pflanzentypen  der  gemässigten  Zone  —  darunter  Hedera 
Helix,  Vogelbeerbäume  (Pirus  foliolosa  und  rhamnoides), 
ein  Ribes  (R.  glaciale)  und  andere  Arten  —  epiphytisch 
auftreten,  d.  h.  also  Gewächse,  die  mit  den  bei  uns  auf 
Weidenbäumen  gelegentlich  wachsenden  Pflanzen  zum  Theil 
gattungsverwandt  sind.  Auch  gehören  zahlreiche  Epiphyten 
der  temperirten  Region  des  Himalaya  (Ericaceen,  Orchideen) 
zu  Familien,  von  denen  bei  uns  lebende  Arten  nach  den 
Untersuchungen  von  Frank  als  mykorrhizabildend  bekannt 
sind.  Der  Zusammenhang  zwischen  Mykorrhizabildung  und 
epiphytischer  Lebensweise  seheint  mir  demnach  einer 
näiieren  Prüfung  werth  zu  sein.  Eine  Pflanze,  welche  bei 
ihrem  ^^'achsthum  auf  Waldboden  bereits  die  Fähigkeit 
der  Aufnahme  von  Humusstoffen  durch  Beihilfe  der  My- 
korrhizapilze erworben  hat,  wird  bei  Ansiedlung  auf 
schadhaften,  dem  Vermodern  und  der  Humifieirung  aus- 
gesetzten Baumstellen  viel  leichter  weiter  zu  existiren  ver- 
mögen, als  eine  auf  gewöhnliehe  Weise  sich  ernährende 
Art.  Je  besser  dann  Frucht  oder  Samen  für  die  Ver- 
schleppung durch  Thiere  oder  die  Verbreitung  durch  den 
Wind  ausgerüstet  sind,  und  je  günstiger  die  Feuchtigkeits- 
verhältnisse des  betretfenden  Wohngebiets  sich  verhalten, 
desto  häufiger  wird  die  betrett'ende  Species  gelegentlich 
epiphytisch  auftreten.  Schimper  hebt  in  letzterer  Be- 
ziehung gewiss  mit  Recht  hervor,  dass  die  epiphytische 
Lebensweise  keineswegs  an  tropische  Hitze  gebunclen  ist, 
sondern  überall  „da  eintritt,  wo  der  Dampfgehalt  der 
Luft  und  die  Regenmenge  gross  genug  sind,  um  terrestri- 
schen Gewächsen  das  Gedeihen  auf  Bäumen  zu  ge- 
statten". 

In  dem  geschilderten  Falle  wird  den  Weidenbaum- 
überpflanzen  von  Travemünde  der  nothwendige  Ueber- 
schuss  von  Feuchtigkeit  offenbar  von  der  in  nächster  Nähe 
befindlichen  Ostsee  zugeführt,  deren  Nachbarschaft  zugleich 
auch  eine  etwas  grössere  Regenmenge  bedingt  als  an 
weiter  binnenwärts  gelegenen  Punkten.  Dicht  am  Meere 
gelegene  Orte  verhalten  sich  in  den  Befeuchtungsverhält- 
nissen ihrer  Vegetation  fast  wie  Gebirgsgegenden,  sofern 
nur  hinreichender  Schutz  vor  der  Einwirkung  der  Stürme 
und  des  Dünensandes  vorhanden  ist.  Das  Auftreten 
von  Ueberpflanzen  in  der  feuchten,  baltischen  Küsten- 
zone lässt  sich  somit  auf  ähnliche,  nur  in  beschränkterem 
Grade  wirkende  klimatische  Factoren  zurückführen,  wie 
sie  in  grösserem  Maassstabe  in  der  temperirten  Region 
des  Himalaya  herrsehend  sein  mögen.  Wenn  selljst 
dort  nach  Schimper  „ausgesprochene  Anpassungen  an 
epiphytische  Lebensweise  nicht  eingetreten  sind",  und 
die  auf  Baumstämme  übertretenden  Gewächse  gleich- 
zeitig stets  auch  in  bodenständigen  Exemplaren  vor- 
kommen, so  dürfen  wir  in  unseren  norddeutschen  Klimaten 
kein  anderes  Verhältniss  erwarten.  Dass  auch  einzelne 
einheimische,  in  der  Regel  nur  als  Erdpflanzen  auf- 
tretende Arten  Neigung  zu  dem  fremdartig  erscheinenden 
Baumleben  besitzen,  lässt  sich  nicht  bestreiten.  Wahr- 
scheinlich gehen  zu  letzterem  vorzugsweise  solche  Ge- 
wächse   über,    denen    der    von    Pilzmycelien    durchsetzte 


Nr.  21. 


Naturwissenscbaftliche  Wochenschrift. 


213 


Humus    der    modernden    Baumsubstanz    als    Näbrsubstrat 
ebenso  zusagt,  wie  der  humöse  Erdboden. 

Den  ersten  Ansätzen  der  epiphytischen  Lebensweise 
innerhalb  des  lieimathlichen  Florengebiets  nachzuspüren, 
ist  ohne  Zweifel  eine  zukünftige  Aufgabe  der  Biologie. 
Vielleicht  könnten  die  oben  über  die  Weidenbaumbewohner 
mitgetheilten  Beobachtungen  in  besagter  Richtung  einigen 
Anstoss  geben.  Zunächst  wird  es  sich  darum  handeln, 
in  möglichst  zahlreichen  fioristischeu  Gebieten,  besonders 
auch  in  Gebirgsgegenden  und  an  geeigneten  Orten  der 
Meeres-  und  Binneuseeufer,  diejenigen  Gefässpflanzen  fest- 
zustellen, welche  gelegentlich  auf  Bäume  übergehen;  die 
Zahl  derselben  wird  sich  gewiss  als  noch  ansehnlicher 
herausstellen  als  in  obiger  Liste  der  Weidene])iph3'ten. 
Dabei  wird  sich  vielfach  Gelegenheit  ergeben,  nebenher 
auch  die  Verbreitungsform  der  betreft'enden  Pflanze  näher 
zu  prüfen  und  die  Art  ihrer  Aussäung  von  Fall  zu  Fall 
zu  controlliren;  wegen  des  abnormen  Standorts  ist  ja  Ver- 
breitung durcii  Tliicre  oder  Wind  von  vornherein  als 
sicher  vorauszusetzen.  Weiter  wäre  zu  ermitteln,  welche 
Pflanzen  unter  den  gelegentlichen  Epipiiytcn  die  Symbiose 
ihrer  Wurzeln  mit  Pilzmycelien  einzugchen  vermögen:  es 
würde  sich  dann  zeigen,  ob  die  oben  mit  einiger  Reserve 
ausgesprochene  Vermuthung  über  den  Zusammenhang  von 
epiphytischer  Lebensweise  und  der  Fähigkeit  von  Mykor- 
rhizabildung  richtig  ist;  auch  lassen  sich  über  letztere 
weitere  Aufschlüsse  bezüglich  ihres  Vorkonnnens  und  ihrer 
Verbreitung  erwarten.  Vielleicht  nimmt  der  eine  oder 
andere  Florist  aus  diesen  Andeutungen  Veranlassung,  den 
in  seinem  Beobachtungsgebiete  gelegentlich  auftretenden 
Baumgästen  etwas  mehr  Aufmerksamkeit  zu  schenken  als 
bisher.*) 

Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben. 

Es  wurden  eni.iniit:  Der  itiisserordentlichc  Professor  der  Me- 
ilicin  an  der  Universitiit  Bonn  Hans  Leo  zum  ordentlichen  Pro- 
fessor. —  Dr.  N.  Wille  in  A.'is  zum  ordentliehen  Professor  der 
BotMnik  an  der  UniverfitiU  und  Director  des  botainschcn  Garton.s 
in  Cliristiania.  —  Stalismzt  \)v.  Kurtli  zum  Director  der  liakt''rio- 
logisclien  Staatsanstalt  in  Bremen.  —  Der  Privatdocent  der  Chemie 
an  der  Universität  Hallo  Dr.  Thiele  zuni  ausserordentlichen 
Professor  der  Universität  München.  —  F.  V.  Coville  zum 
Director  der  botanischen  Abtheilung  der  United  States  De- 
partement  of  Agricultur  in  Washington. 

Es  haben  sich  habilitirt:  Dr.  Paul  Samassa  für  Zoologie 
und  Dr.  Landsberg  für  Mathematik  an  der  Universitiit  Heidel- 
berg. —  Dr.  Fried.  Krasser  an  der  Universität  Wien  für 
Botanik. 

Geh.  Obermedicinal -Rath  Professor  Gustav  Veit  an  der 
Universität  in  Bonn  legt  wegen  vorgerückten  Alters  seine  Pro- 
fessur nieder. 

Es  sind  gestorben:  Der  Florist  Professor  em.  Stefan  Koren 
in  Szarvas  in  Ungarn.  —  Der  Erfinder  des  künstlichen,  schwer 
zerstörbaren  Steines  Frederick  Ransomc  in  London.  —  Der 
als  Verfasser  des  Sylloge  florae  europaeae  bekannte  Botaniker 
Carl  Friedr.  Nyman  in  Stockholm.  —  Der  Chemiker  Hugo 
Ullrich  in  Breslau.  —  Der  Kliniker  Prof.  Arnoldo  Cantani 
in  Neapel. 


*)  Nachträglicher  Zusatz  des  Verf.  —  Aus  dem  Botan.  .Jahres- 
bericht für  1883  (IL  S.  281)  ersehe  ich,  dass  eine  Zusammen- 
stellung von  weidenbewohnenden  Ueberpflanzen  bereits  von 
Preuschoff  in  einem  Aufsatze:  Ansiedler  auf  fremdartigen 
Substraten  aus  der  Pflanzenwelt  (Schrift,  der  Naturforsch.  Ge- 
sellschaft zu  Danzig,  Neue  Folge  Bd.  V.  Danzig,  1883).  vcrötfent- 
lieht  ist.  Nach  dem  citirten  Referat  zählt  dieser  Beobachter  49 
auf  fremdartigem  Substrat  d.  h.  ausser  auf  Weiden  auch  auf 
Mauern,  Dächern  u.  s.  w  auftretende  Pflanzen  auf.  Wichtig  er- 
scheint ferner  eine  nachträgliche  Bemerkung  von  Herrn  Dr.C.  Bolle 
zu  meinem  Aufsatz,  nach  der  noch  mehrere  andere  beerentragende 
Holzpflanzen  wie  .Sambucus  nigra,  Ribes  Grossularia  und  Loni- 
cera  Xylosteum  mehr  oder  weniger  häuflg  als  Ueberpflanzen  be- 
obachtet sind.  Von  krautigen  Pflanzen  sind  Cbelidoniuin  niajus, 
Epilobium  augustifolinm  (nach  Hrn.  Dr.  Bolle)  und  Lamium  album 
(von  Hrn.  Graebner  bei  Tasdorf  1892  beobachtet)  der  obigen  Liste 
hinzuzufügen.  Loew. 


Die  Jahresversammlung  des  Vereins  der  deutschen  Irren- 
ärzte wird  zu  Frankfurt  a.  M.  am  2.5  und  26.  Mai  im  Senken- 
berg'schen  Institut  stattfinden. 


Die  Versammlung  der  sUdwestdeutschen  Neurologen  und 

Irrenärzte  findet  am  3.  u.  4.  Juni  in  Baden-Baden  statt.  —  Geschäfts- 
führer:  Prof.  Kraepelin   und  Director  Fischer. 


L  i  1 1  e  r  a  t  u  r. 

Prof.  Dr.  Hermann  Hagen,  Antike  Gesundheitspflege.  (Gemein- 
verständl.-wissenschaftl.  Vorträge  herausgegelien  von  \'irchow 
u.  Holtzendorft'.  X.  F.  7.  Serie,  Heft  166).  Verlagsanstalt  und 
Druckerei  A.  G.  (vorm.  J.  F.  Richter),  Hamburg  1892.  — 
Preis  0,80  M. 

Verf.  behandelt  sein  Thema  von  historisch-philologischem 
Gesichtspunkte  aus.  Ein  Vergleich  der  hygienischen  Veranstal- 
tungen und  Mittel  des  Alterthums  mit  denjenigen  von  heute  bietet 
lies  Interessanten  und  Anregenden  genug. 


Dr.  J.  Holfert,  Volksthümliche  Arzneimittelnamen.  Eine 
Sammlung  der  im  \'olksmvinde  gebräuchlichen  Benennungen  der 
Apothekerwaaren.  Nebst  einem  Anhang;  Pfarrer  Kneipp'a  Heil- 
mittel. Unter  Berücksichtigung  sämmtlicher  Sprachgebiete 
Deutschlands.  Verlag  von  Julius  Springer.  Berlin  1892.  — 
Preis  3.  M. 

Die  Holfert'sche  Sammlung  volksthümlicher  Arzneimittelnamen 
ist  hervorgegangen  aus  dem  im  Jahrbuch  des  Pharniaceutischen 
Kalenders  vom  .Jahre  1886  enthaltenen  Synonymenverzeichniss. 
Der  Verfasser  ergänzte  dasselbe  zunächst  aus  seinen  eigenen, 
während  mehrjähriger  Pra.\is  in  verschiedenen  Theilen  Deutsch- 
lands gesammelten  Erfahrungen  und  benutzte  sodann  die  werth- 
x  ollen  Beiträge,  welche  auf  Veranlassung  des  damaligen  Heraus- 
gebers des  Pharniaceutischen  Kalenders  als  Berichtigungen  u.  s.  w. 
zu  jenem  Verzeichnisse  eingelaufen  waren.  Auch  eine  grössere 
handschriftliche  Sammlung  des  Herrn  Apotheker  Seybold  in 
Potsdam  wurde  dem  Verfasser  zur  Benutzung  überlassen.  Es  wurde 
natürlich  auch  die  gedruckte  Litteratur,  soweit  diese  zuverlässig 
erschien,  berücksichtigt.  Ausserdem  haben  37  praktische  Apotheker 
Hrn.  H.  unterstützt.  Es  ist  eine  Sammlung  von  nahezu  7O0O  Arznei- 
mittel benennungeii  zu  Stande  gekommen;  dieselbe  umfasst  nach 
Möglichkeit  alle  diejenigen  Termini,  welche  heutigen  Tages  als 
Arzneimittelnamen  in  den  einzelnen  Apotheken  Deutschlands  vor- 
zukommen pflegen. 

Karl  Groos,  Einleitung  in  die  Aesthetik.  J.  Rieker'scbe  Buch- 
handl.     Giessen  1892.  —  Preis  7  M. 

Das  Buch  entwickelt  die  Fundamentalbegriffe;  es  will  die 
wichtigsten  Grundlagen  der  Aesthetik  untersuchen  und  feststellen. 
Es  ist  anregend  geschrieben,  liest  sich  angenehm  und  bietet 
manches  Neue,  sodass  es  demjenigen,  der  sich  specieller  für  das 
Gebiet  interessirt,  wohl  empfohlen  werden  kann.  Der  1.  Theil 
behandelt  den  ästhetischen  Sehein  und  die  monarchische  Ein- 
richtung des  Bewusstseins,  womit  Verf.  die  Eigenthümlichkeit  be- 
zeichnet, auf  diejenigen  Eigenschaften  der  Dinge  die  Aufmerk- 
samkeit zu  richten,  die  uns  zufällig  den  grössten,  ersten  Eindruck 
machen.  Der  2.  Theil  ist  „Der  ästhetische  Schein  und  die  innere 
Nachahmung",  der  3.  „Die  ästhetischen  Moditicationen"  über- 
schrieben. 

Prof.  Dr.  Leonhard  Sohncke.  Gemeinverständliche  Vorträge 
aus  dem  Gebiete  der  Physik.  Mit  27  Te.\t-Abbildungen. 
(iustav  Fischer,  Verlagsbuchhandlung.  Jena  1892.  —  Preis 
4  Mark. 

Die  neun  in  dem  Buche  wiedergegebenen  Vorträge  sind  der 
Mehrzahl  nach  schon  früher  an  verschiedenen  Stellen  zur  Ver- 
öft'entlichung  gelangt,  jedoch  erscheinen  sie  hier  meist  neubear- 
beitet, wie  das  namentlich  bei  solchen,  die  vor  längerer  Zeit  ent- 
standen sind,  durch  den  Fortschritt  der  Wissenschaft  erforderlich 
war.  Der  erste  Vortrag  „Was  dann'?''  behandelt  die  Frage,  wie 
werden  die  Menschen  die  einst  erschöpften  Steinkohlenvorräthe 
ersetzen?  Der  Inhalt  der  übrigen  Vorträge  ergiebt  sich  ohne 
Weiteres  aus  den  Ueberschriften,  nämlich  2.  Ueber  den  Zustand 
der  Ziele  der  heutigen  Physik,  3.  Ueber  Wellenbewegung,  4.  Die 
Umwälzung  unserer  Anschauungen  vom  Wesen  der  elektrischen 
Wirkungen,  5.  Aus  der  Molecularwelt,  6.  Einige  optische  Er- 
scheinungen der  Atmosphäre,  7.  Ueber  das  Gewitter,  8.  Neuere 
Theorien  der  Luft-  und  Gewitter-Elektricität,  9.  Wandernde 
Berge.  Der  Name  des  Herrn  Verf.  ist  zu  bekannt,  als  dass  ein 
Wort  der  Empfehlung  des  vorliegenden  Buches  noch  besonders 
nöthig  wäre. 


214 


Naturwissenscliaf'tliclie  Wocheuselirift. 


Nr.  21. 


Dr.  Fritz  Eisner,  Die  Praxis  des  Chemikers  bei  Untersuchung 
von  Nahrungsmitteln  und  Gebrauchsgegenständen.  Handels- 
producten,  Luft  Boden,  Wasser,  bei  bacteriologischen  Unter- 
suchungen, sowie    in    der  gerichtlichen    und  Harn-Analyse. 

Ein  HiltVliuch  für  Chemiker,  A])Otlieker  und  Gesundheits- 
beanite.  5.  umgearbeitete  und  vermehrte  Auflage.  Mit  zahl- 
reichen Abbildungen  im  Te.xt.  Verlag  von  Leopold  Voss.  Ham- 
burg und  Leipzig  1893.    -   Preis   10  M. 

Von  dem  längst  bewährten  Elsner'schen  Handbuch  erschien 
die  I.  Aufl.  im  .Jahre  1880;  es  hat  sich  mit  Recht  gut  eingeführt 
und  der  Verf.  benutzt  in  jeder  neuen  Aufl.  mit  so  sachverständigem 
Geschick  die  neuen  Errungenschaften  seines  Gebietes,  dass  es  in 
gewissen  Kreisen  fast  nothwendig  geworden  ist,  von  jeder  neuen 
Aufl.  Kenntniss  zu  nehmen.  Aber  nicht  nur  die  Interessenten 
aus  der  Praxis,  auch  der  reine  Chemiker,  Botaniker  und  Zoologe 
fühlt  oft  das  Bedürfniss,  in  die  Pra.xis  einen  Blick  zu  werfen,  und 
wir  müssen  sagen,  dass  wir  speciell  für  die  Gegenstände,  welche 
das  Elsner'sche  Buch  behandelt,  den  genannten  Gelehrten-Kreisen 
kein  besseres  Buch  empfehlen  könnten.  Die  Kürze  des  Buches 
ist  für  diese  ein  besonderer  Vorzug  (es  umfasst  incl.  Register  in 
8"  622  S),  da  es  mehr  nebensächliche  Einzelheiten,  die  nur  das 
Wesentliche  zu  verbergen  im  Stande  wären,  unberücksichtigt  lässt 
Man  kann  sich  darauf  verlassen,  dass  der  Verf.  die  besten  Me- 
thoden erläutert:  steht  er  doch  selbst  seit  langem  in  der  Praxis, 
die  ihm  die  beste  Gelegenheit  geboten  hat,  dieselben  zu  prüfen. 
Für  diejenigen,  die  das  Buch  noch  nicht  kennen,  wollen  wir 
noch  angeben,  dass  nach  einer  Einleitung,  die  einzelnen  Nahrungs-, 
Genussmittel  und  Gebrauchsgegenstände  behandelt  werden,  dann 
geht  es  zu  den  hygieinischen  Untersuchungen  über  und  bringt 
endlich  einen  Abschnitt  über  die  gerichtliche  Chemie  und  eineo 
über  die  Untersuchung  des  Harns  und  der  Harnkrankheiten. 
In  einem  Anhang  bespricht  Verf.  die  Einrichtung  des  Labora- 
toriums, Taxfragen  und  führt  auch  die  in  Frage  kommenden 
Gesetze  auf. 

Dr.    J.   Winkelmann,    Die    Moosflora    der    Umgegend   von 

Stettin.  (Beilage  zum  Programm  des  .Sc-hiller-Realgyniuasiums  zu 
Stettin  1893.)  Verf.  führt  die  Verbreifung  und  die  Fundorte  der 
Laub-  und  Lebermoose  der  Stettiner  Flora  auf,  aus  der  bis  jetzt 
341  Arten  bekannt  geworden  sind. 


Engler  und  Prantl,  Die  natürlichen  PflanzenfamiUen.  AVil- 
heim  Engelmann.  Leipzig  1898.  —  Lief.  82  bringt  den  Schluss  der 
Ochnaceen  (bearbeitet  von  E.  Gilg),  die  Caryocaraceen,  Marcgra- 
viaceen  (Ign.  v.  Szyszylowicz),  Quinaceen  (Engler),  Chlaenaceen 
(Schumann),  Theaceen  (Ign.  v.  Szyszylowicz)  und  den  Anfang 
der  Stachyuraceen  (Gilg),  Lief.  83  den  Schluss  der  Scrophularia- 
ceen  (v.  Wettstein),  die  Lentibulariaceon  (Katnienski),  Orobancha- 
ceen  (Beck)  und  den  Beginn  der  Gesneriaceen  (Fristcb),  Lief.  84 
den  Schluss  der  Hippocrateaceen  (Lösener).  die  Stackhousiaceen 
(Pax),  Icacinaceen  (Engler),  Staphyleaceen  (Pax)  und  den  Beginn 
der  Aceraceen  (von  dems.) 

Jahresbericht  der  Gesellschaft  filr  Anthropologie  und  Ur- 
geschichte der  Oberlausitz.  2.  Heft.  Görlitz,  Förster'sche  Buch- 
luindlung  (E.  R.  Sinogowitz)  „1892-'  (in  Wirklichkeit  1893).  — 
Kühuel,  Der  Xame  Schlesien.  —  v.  H  op  ff  garte  n-He  idler, 
Hügelgräber  in  Noskow.  —  Fej'crabend,  Ein  Heiligthum  aus 
heidnischer  Zeit.  —  Buschan,  Ein  Blick  in  die  Reiche  der 
Vorzeit.  —  

Xiibrairie  francaise  de  Rodolphe  Jasse  ä  Berlin.  Catalogue 
No.  I.  Die  Librairie  francaise  führt  sich  durch  Herausgabe 
eines  Cataloges  über  Erscheinungen  der  letzten  Jahre  aus  allen 
Gebieten  ein.  

Dr.  F.  Kranz,  Rheinisches  Mineralien-Contor  Catalog  No.  4, 
1893.  Gesteine  ujid  Dünnschliffe.  Der  dreisprachig  (deutsch, 
französisch  und  englisch)  abgefasste  Catalog  enthält  zunächst  eine 
systematische  Zusanuiienstellung  der  vorräthigen  Gesteine,  deren 
Anordnung  Herr  Privatdocent  Dr.  VV.  Bruhns  für  die  krystallinen 
Gesteine     Herr   Professor   Dr.  Pohlig    für  die   Sedimentärgesteine 


au.sgefülirt  hat.  Die  den  meisten  krystallinen  Gesteinen  beige- 
fügten Litteraturangabon  erleichtern  die  Identificirung  der  be- 
treffenden Vorkommnisse,  was  bei  dem  aut'serordentlichen  Wechsel 
der  Gesteinstypen  von  besonderem  Werthe  sein  dürfte.  —  Der 
zweite  Theil  enthält  mehr  oder  weniger  ausgedehnte  Sammlungen, 
die  nach  verschiedenen  Gesichtspunkten  zusammengestellt  sind: 
allgemeine  Sammlungen  für  Schulen,  Sammlungen  nach  den  be- 
kanntesten Lehrbüchern  der  Petrographie,  Sammlungen  von  Boden- 
arten, Sammlungen  für  Forschungsreisende  etc.  Besonders  hin- 
zuweisen ist  auf  die  Localsammlungen :  Zusammenstellungen, 
die  den  petrogr.aphischen  Charakter  verschiedener  Landestheile 
in  übersichtlicher  und  möglichst  vollständiger  Weise  zum  Aus- 
druck bringen,  ferner  auf  die  nach  speciellen  Angaben  von 
Professor  Koch  aufgestellte  Bauniaterialen-.Sammlung,  sowie  auf 
die  zur  Erläuterung  der  allgemeinen  Eigenschaften  und  der  Makro- 
struktur der  Gesteine  dienende  Sammlung.  Der  dritte  Theil  be- 
handelt die  DünnschliflFe,  die  sowohl  von  eingesandtem  als  auch 
von  eigenem  Material  hergestellt  werden  können.  Die  letzteren 
unterliegen,  ehe  sie  abgeliefert  werden,  einer  fachmännischen 
Durchsicht  unter  dem  Mikroskop.  Bei  der  Ausdehnung  des  Lagers 
und  den  weitverzweigten  Verbindungen  ist  das  Geschäft  auch 
im  Stande,  Material  für  ispecielle,  wissenschaftliche  Arbeiten  zu 
liefern.  —  Ein  alphabefi.'^ches  Sach-  und  Ortsregister  erleichtert 
die  Benutzung  des  Cataloges,  der  auch  noch  eine  Zusammenstellung 
verschiedener  zu  petrographischen  Arbeiten  nöthiger  Appai-ate 
und  Utensilien  enthält. 


Fricker,  K.,  Die  Entstehung   und  Verbreitung  des  antarkti■^chen 

Treibeises.     Leipzig.     5  M. 
Fritsoh,  A.,    Fauna  der  Gaskohle  und    der  Kalksteine  der  Perm- 
formation  Böhmens.     III.  Band.     2    Heft.  Prag.     32  M. 
Garbowski,  Th.,  Materialien  zu  einer  Le])idopterenfauna  Galiziens. 

Leipzig      2,20  M. 
Gauss,    F.    G. ,    Die    trigonometrischen    und    |jolygonometrischen 

Kechnungen   in   der   Feldmesskuust.     2.   Aufl.     Halle.     B7,r)0  M. 
Geigenmüller,  B.,  Elemente  der  höheren   Mathematik.    IL  Band. 

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Geinitz,  E.,   XIV.  Beitrag  zur  Geologie  Mecklenburgs,     Güstrow. 

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Berichtigung. 


Herr  Prof.  Dr.  Fritz  Kur 
sendet  die  folgenden  Berichtigu 
Dr.  O.  Kuntze  „Botan.  Excurs: 
Formationen  nach  den  Cordill 
„Naturw.  Wochenschr." 
Seite  5,  Spalte  1,  Zeile  9  von 
„  12,  „  I,  „  6  von 
12,         „      2,       „       13  von 


tz  in  Cordoba  (Argent.  Republik) 

ngen    zu   dem    Artikel    des  Herrn 

durch    die   Pami)as    und   Monte- 

ei-en"    in     diesem    Jahrgange    der 


„       13,         „       1,       ,      29  von  oben: 


.       13, 
„      14, 

„      14, 


1, 


32  von  oben: 


IG  von  unten: 


S    24,    Pflanzen    vom   Arroy 
Verbenacee  ist  Neo sparton, 
riscium  poly  cephal  u  m  Gill 
sind  Azorella  sp.  (höchst  wah 


oben    1  Hj'alis       argentea      Don 

unten  |  (nicht  Hyaloseris). 

oben:  Pascalia  glauca;  wird 
ein  Podöphyllum  sein 
(meine  Expl.  habe  ich  ver- 
loren). 

Dinoseris  argentea 
ist  H  y  a  1  o  s  e  r  i  s  cinerea 
Griseb. 

unten:  Atriplex  pamparum 
Griseb.  non  Moq.-Tand. 
Flotouia  Hystrix  ist 
Chuquiragua  erina- 
cea  Don. 

V  erbe  na  flavescons 
ist  V.  s  u  1  p  h  u  r  e  a  Sweet. 

o   Papagoyos.     Die  ephedraartige 
lie  dornige  Umbellifere  ist  Aste- 

et  Hook.,  die  Saxifragaceenrasen 
rscheinlich  A.  Gilliesii  Clos.) 
Dr.  Fritz  Kurtz. 


Inhalt:  Prof.  Willy  Kükenthal:  Zur  Phylogenese  der  Säugethiere. —  Neue  Gattung  der  Laboulbeniaceen.  —  Eine  interessante 
Analyse  der  Schwimmbewegungen  des  Rochen.  (Mit  Abbild.)  —  Die  Mitwirkung  der  atmosphärischen  Niederschläge  bei  der  Ge- 
staltung des  festen  Landes.  —  Anfänge  epiphytisclier  Lebensweise  bei  Gefässpflanzen  Norddeutschlands.  —  Aus  dem  wissenschaft- 
lichen Leben.  —  Litteratur:  Prof.  Dr.  Herm.  Hagen:  Antike  Gesundheitspflege.  —  Dr.  J.  Holfert:  Volksthümliche  Arzneimittel- 
namen. —  Karl  Groos:  Einleitung  in  tlie  Aesthetik.  —  Prof.  Dr.  Leonhard  Sohncke:  Gemeinverständliche  Vorti'äge  aus 
dem  Gebiete  der  Physik.  —  Dr.  Fritz  Eisner:  Die  Praxis  des  Chemikers  bei  Untersuchung  von  Nahrungsmitteln  und  Ge- 
brauchsgegenständen, Handels])roducten,  Luft,  Boden,  Wasser,  bei  bacteriologischen  Untersuchungen,  sowie  in  der  gerichtlichen 
und  Harn-Analyse.  —  Dr.  J.  Winkelmann:  Die  Moosflora  der  Umgegend  von  Stettin.  —  Engler  und  Prantl:  Die  natür- 
lichen PflanzenfamiUen.  —  Jahresbericht  der  Gesellschaft  für  Anthrojjologie  und  Urgeschichte  der  Oberlausitz.  —  Librairie 
francaise.  —  Dr.  F.  Kranz:  Rheinisches  Mineralien-Contor,    Catalog  No.  4.    Gesteine  und   Dünnschlitt'e.  —  Liste.  —  Berichtigung. 

Verantwortlicher  Redakteur:  Dr.  Henry  Potonie,  Berlin  N.  4.,  Invalidenstr.  40/41,  für  den  Inseratentheil:  Hugo  Bernstein  in  Berlin.  — 
Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.   12.  —  Druck:  G.  Bernstein,  Berlin  SW.  12. 


Nr.  21. 


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der  belehrenden  Artikel  sowie  seiner  internationalen  und  grossen  Verbreitung  betreffs 
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und  die  Verlags-Buehhandlung  Frankenstein  &  Wagner,  Leipzig,  Augustusplatz  1. 
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in  \\k  itmiUjtlfflic  OBfinuctrb 


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maschine  be-  ^ 

I  rächtet.  ♦ 


§^  1 ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ 


XLII 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  21. 


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aJlit  143  »llbbilöuiiBcn.    ipiciS  11  Worf,  gcbunbcn  13  Wort. 
^iiJ)  ;u  bf{icl|ni  in  37  Cicfcruitgen  ä  30  |lf. 


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'lllillliliillllflhllllllilliilllinlllilllllllllilinilllliniuilllilllininiliiii^iillllliiilimiillllliliii 


IllllllllllHIHilllllllllllllllllf 


Redaktion:         7         Dr.  H.  Potonie. 
Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12,  Zimmerstr.  94. 


VIII.  Band. 

Sonntag,  den  28.  Mai  1893. 

Nr.  22. 

Abonnement:  Man  al>onnirt  bei  allen  Bucliliandlungen  und  Post-             v             Inserate:  Die  viergcspaltene  Petitzelle  40  ^.    Grössere  Auftrage  ent- 
austalten,  wie  bei  der  Expedition.    Der  Vierteljahrspreis  ist  .^^  3.-            G;j3           sprechenden  Rabatt.  lieilagen  nach  Uebereinkunft.  Insoratenaiiuahnie 
Bringegeld  bei  der  Post  l.'i  -^  extra.                                          JL                            bei  allen  Annoncenbureaux,  wie  bei  der  Expedition. 

Ab<li-ii4-k  ist  iinr  mit  \oil!ttäii<li8;er  <{ael]enaiii;abe  gestattet. 

Mathematische  Spielereien  in  kritischer  und  historischer  Beleuchtung*). 

Von   Prüf.   Dr.   H.  Schubert. 


VII.   Ucber  magische  Quadrate. 

A.  Einleitendes.  —  Auf  dem  „Meiaiiclinlie"  g'e- 
iiannten  Holzschnitt  des  berühmten  Nürnbei-ger  Malers 
Albrecht  Dürer  betindet  sicii  als  Attribut  u.  a.  das 
folgende  Quadrat: 


1       14 

15  1    4 

1-2 

7 

G 

9 

8 

11 

10 

5 

IP.  1    2 

O 
'-► 

IG 

Diese  Anordnung  der  IG  Zahlen  von  1  bis  Iß  hat  die 
merkwürdige  Eigenschaft,  dass  sich  stets  dieselbe  Summe  34 
ergiebt,  gleichviel,  ob  man  die  4  in  einer  horizontalen 
Keihe  stehenden  Zahlen  addirt,  oder  ob  mau  die  4  Zahlen 
einer  verticalen  Reihe  oder  auch  die  4  Zahlen  in  jeder 
der  beiden  Diagonalen   zusammenzählt.     Man  nennt  eine 


*)  Naclitras  zu  dem  Problem  der  15  Pensionats- 
Dainon  (Bd.  VII  S.  307  ff.)  —  Naebtraulich  les»  icli  in  den 
„Itiicre.ations"  V(m  E.  Lucas,  dafs  das  genanute  Prolilom  im  Jahre 
1851  zuerst  gestellt  sein  soll,  und  zwar  von  Kirclimann,  demselben 
Matliomatiker,  der  sich  um  das  Pascarsclie  He.vagrammum  mysti- 
cum  grosso  Verdienste  erworben  hat.  Nachdem  der  englische 
Matliematiker  C'avley  und  der  amerikani.sclie  Mathematiker  Syl- 
vc'Sti'r  darüber  kleine  Untersuchungen  veröffentlicht  hatten,  gab 
Herr  Frost  im  ,,(,!uaterly  .Journal  of  iiure  and  apjilied  Matliematics" 
(No.  41,  Cand)ridge  1870)  eine  methodische  Lösung,  die  aui-h  auf 
alle  Fälle  passt,  wo  ilie  Zahl  der  Damen  um  1  kleiner  ist,  als 
eine  Potenz  von  2  mit  gera<lem  Kx|)onenten.  Doch  würde  die 
Mittheilung  dieser  Lösung  hier  zuviel  Kaum  kosten.  In  anderer 
Weise,  als  Frost,  hatte  auch  Benjamin  Peirce,  Professor  an  der 
Harvard-Universität,  das  Problem  gelöst  und  seine  Lösung  ISfiO 
in  dem  „Astrononncal  .lournal  de  Gould",  Band  G,  S.  IG!)  bis  174. 
veröffentlicht. 


solche  Anordnung  von  Zahlen  ein  magisches  Quadrat, 
und  das  obige  Quadrat  ist  das  erste  magische  Qua- 
drat, das  im  christlichen  Abendlandc  auftritt. 

Wie  das  Schachspiel  selbst  und  viele  der  auf  die 
Figur  des  Schachbretts  bezüglichen  Aufgaben  i.st  auch  die 
Aufgabe,  ein  magisches  Quadrat  herzustellen,  wahrschein- 
lich auf  indischem  l'.oden  gewachsen.  Von  da  gelangte 
die  Aufgabe  zu  den  Arabern,  und  von  ihnen  zu  den  Ost- 
römern. Endlich  haben  sich  seit  Albrecht  Dürer  auch 
die  west-curoi)äischen  Gelehrten  mit  den  Methoden  zur 
Herstellung  solcher  Quadrate  beschäftigt.  Das  älteste  uud 
einfachste  magische  Quadrat  besteht  in  der  quadratischen 
Anordnung  der  9  Zahlen  von  1  bis  9,  so  dass  die  Summe 
in  jeder  horizontalen,  verticalen  oder  diagonalen  Reihe 
stets  dieselbe,  nämlieh  15,  wird.  Dieses  Quadrat  sieht 
so  aus: 


2 

7 

6 

9 

5 

1 

4 

3 

8 

In  der  That  kommt  immer  15  heraus,  gleichviel  ob 
man  2  und  7  und  (5,  oder  9  und  5  uud  1,  oder  4  und  .'! 
und  8,  oder  2  und  9  und  4,  oder  7  und  5  und  3,  oder 
G  und  1  und  8,  oder  2  und  5  und  8,  oder  G  und  5  und  4 
addirt.  Es  liegt  die  Frage  nahe,  ob  diese  Medingung 
der  überall  gleichen  Summe  auch  dann  erfüllt  werden 
kann,  wenn  man  den  Zahlen  andere  Plätze  anweist. 

Es  lässt  sich  jedoch  zeigen,  dass  nothwendiger  Weise 
5  die  Mitte  Ijilden  muss,  und  dass  die  geraden  Zahlen 
in  den  Ecken  stehen  müssen.  Dadurch  sind  noch  weitere 
7  Anordnungen  miiglich,  die  sich  aber  von  der  obigen 
und  unter  einander  nur  dadurch  unterscheiden,  dass  man 
die  Reihen  oben,    links,    unten,    rechts  mit  einander  ver- 


2  in 


Natiijwisscnschaftliclic  Woclicnsclivift. 


Nr.  ■2-2 


tausclit  und  sicli  zu  .jeder  Anordnuiii;'  noch  das  Spiegel- 
bild liinzudcnkt.  Aiieii  aus  dem  Dürer'sclien  (Quadrat  von 
4  mal  4  Feldern  lassen  sich  durch  Umsetzungen  nocli  eine 
ganze  Reihe  neuer  riclitiger  (Quadrate  bilden.  Auf  ein- 
fachste Weise  bildet  man  ein  magisches  (Quadrat  der 
4  mal  4  Zahlen  von  1  bis  16  folgcndermaassen.  Man 
schreibt  sieh  die  Zahlen  von  1  bis  Iß  in  natürlicher 
Reihenfolge  in  die  Felder  ein,  also  so: 


1 

2 

i3 

4 

5 

6 

7 

8 

9 

10 

11 

12 

1.3 

14 

15 

IG 

Dann  lässt  man  die  Zahlen  in  den  4  Eckfeldern, 
also  1,  4,  13,  16  ebenso  wie  die  Zahlen  in  den  4  Mittel- 
feldern, also  6,  7,  10,  11  an  ihrer  alten  Stelle;  statt  der 
übrigen  8  Zahlen  schreibt  man  aber  ihre  Ergänzungen 
zu  17,  also  15  statt  2,  14  statt  3,  12  statt  5,  9  statt  8, 
8  statt  9,  5  statt  12,  3  statt  14  und  2  statt  IT).  So  er- 
hält man  das  magische  Quadrat: 


''t. 


% 


1 

15 

14 

4 

=  34 

12 

G 

7 

9 

=  34 

8 

10 

11 

5 

=  34 

13 

3 

2 

16 

=  34 

34      34      34      34 

aus  dem  sich  überall  dieselbe  Summe  34  ergiebt.  inter- 
essant ist  an  diesem  Quadrat,  dass  auch  immer  4  Zahlen, 
welche  um  die  Mitte  herum  ein  Rechteck  oder  ein  Qua- 
drat bilden,  die  Sunnne  34  liefern,  z.  B.  1,  4,  13,  16, 
sowie  6,  7,  10,  11,  sowie  15,  14,  3,  2,  sowie  12,  9,  5,  8 
oder  auch  15,  8,  2,  9  oder  14,  12,  3,  5.  Man  überzeugt 
sich  leicht,  dass  dieses  Quadrat  aus  dem  von  Albrecht 
Dürer  hervorgeht,  wenn  man  die  beiden  mittleren  Ver- 
ticalrcihcn  mit  einander  vertauscht. 

B.  Aeltere  Bildungsweisen  für  ungerade 
Feld  erzähl.  —  Schon  seit  alter  Zeit  kennt  man  Vor- 
schriften, um  magische  Quadrate  auch  von  mehr  als  3  mal  3 
oder  4  mal  4  Feldern  zu  bilden.  Zunächst  lässt  sich  leicht 
die  Summe  berechnen,  die  sich  bei  einer  gegebenen  Zahl 
von  Feldern  aus  jeder  Reihe  ergeben  muss.  Liegt 
nämlich  an  jeder  Seite  des  auszufüllenden  Quadrats  eine 
gewisse  Zahl  von  Feldern,  so  hat  man  diese  Zahl  mit  sich 
.selbst  zu  multipliciren,  1  hinzuzuzählen,  die  erhaltene  Zahl 
wieder  mit  der  Felderzahl  an  jeder  Reihe  zu  multipliciren 
und  dann  die  Hälfte  zu  nehmen.  So  ergiebt  sich  bei 
4  mal  4  Feldern:  4  mal  4  sind  16,  16  und  1  sind  17, 
und  die  Hälfte  von  17  mal  4  giebt  34.  Ebenso  konnut 
bei  5  mal  5  Feldern:  5  mal  5  sind  25,  1  dazu  giebt  26, 
dann  die  Hälfte  von  2()  mal  5  giebt  65.  Weiterhin  kommt 
für  6  mal  6  Felder:  111  als  Sunmie,  für  7  mal  7  Felder:  175, 
für  8  mal  8  Felder:  260,  für  9  mal  9  Felder:  369,  für  10  mal 
10  Felder:  505  u.  s.  w.  Die  indische  Vorschrift  für  die 
Herstellung  solcher  magischer  Quadrate,  die  'eine  un- 
gerade Anzahl  von  Feldern  an  jeder  Seite  des  Quadrats 
haben,  lässt  sich  folgendcrmaassen  aussprechen:  Mau 
schreibe  1  in  die  Mitte  der  obersten  Reihe,  dann  2  als 
unterste  Zahl    der   rechts  daneben  befindlichen    Vertical- 


reihe  und  schreibe  dann  die  weiteren  Zahlen  in  ihrer 
natürlichen  Reihenfolge,  diagonal  nach  rechts  oben  so  ein, 
dass  man  nach  Erreichung  des  rechten  Randes,  am  linken 
Rande  in  der  darüber  befindlichen  Reihe  fortfährt,  und 
nach  Errcichiuig  des  oberen  llandes,  am  unteren  Rande 
in  der  rechts  daneben  befindlichen  Reihe  die  Zählung 
weiterführt,  wobei  nur  noch  zu  beachten  ist,  dass  man, 
wenn  man  auf  ein  schon  besetztes  Feld  stösst,  statt  dessen 
das  Feld  ausfüllt,  das  unter  dem  zuletzt  ausgefüllten  sich 
befindet.  Auf  diese  AVcise  ist  z.  B.  das  folgende  magische 
(^)nadrat  von  7  mal  7  Feldern  gebildet,  in  dem  man  die 
Zahlen  in  ihrer  natürlichen  Reihenfolge  verfolgen  mochte: 


<(- 


175 

I7r) 

175 
175 
17.5 
175 
175 


175    175    175    175    175    175    175 

Eine  weitere  Förderung  der  Theorie  der  magischen 
Quadrate  und  der  Methoden  zu  ihrer  Herstellung  ver- 
danken wir  dem  Byzantiner  Moschopulos  im  14.  Jahr- 
hundert, ferner  noch  AIhrecht  Dürer,  der  um  1.500  lebte, 
dem  berühmten  Rechenmeister  Adam  Riese  und  dem 
Mathematiker  Michael  Stifel,  die  um  1550  lebten.  Im 
17.  Jahrhundert  beschäftigten  sich  mit  den  magischen 
Quadraten  Bachet  de  Meziriac  und  Athanasius  Kircher. 
Um  1700  endlich  förderten  die  Theorie  erheblich  die 
französischen  Jlathematiker  De  la  Hire  und  Sauveur.  In 
neuerer  Zeit  bekümmerten  sich  die  Mathematiker  weniger 
um  die  magischen  Quadrate,  wie  ül)erhaupt  um  derartige 
Unterhaltungsaufgaben.  Doch  fasste  in  jüngster  Zeit  der 
Braunschweiger  Mathematiker  Scheft'lcr  seine  und  Anderer 
Studien  über  magische  Quadrate  in  eleganter  Weise  zu- 
sammen. Am  bekanntesten  von  den  verschiedenen  Me- 
thoden, magische  Quadrate  mit  ungerader  Felderzahl  zu 
formircn,  ist  das  folgende.  Man  schreibe  die  Zahlen  nach 
einander  in  folgender  Weise  diagonal : 


30 

39 

48 

1 

10 

19 

2S 

38 

47 

7 

9 

18 

27 

29 

4G 

e 

8 

17 

26 

35 

37 

5 

14 

16 

25 

34 

36 

45 

13 

15 

24 

33 

42 

44 

4 

21 

23 

32 

41 

43 

3 

12 

22 

31 

40 

49 

2 

11 

20 

5 

6 

7 
13 

14 

21 

4 

12 

20 

28 

3 

11 

19 

27 

35 

2 

10  1 

18 

26 

34 

42 

1 

9 

17 

25 

33 

41    49 

8 

16 

24 

32 

40 

48 

15 

23' 

31 

39 

47 

22 

30 

38 

46 

' 

29 

36 

37 
43 

44 

45 

Nr. 


Niiliuwisseiisuliaftliclic  Woclieusclirift. 


217 


Nachdoiii  man  so  25  Felder  dei  zu  tülleiidcii  <hia- 
drats  von  4',t  Feldern  au.sj;e füllt  hat,  setze  man  die  an 
jeder  Quadratseite  ausserhalb  bctindlieheu  ü  Zahlen,  ohne 
die  Fii;ur  derselben  zu  ändern,  genau  in  die  an  der  Gegen- 
seite l)elindlieheu  leer  gebliebenen  Felder.  Nach  dieser 
von  liachet  de  Meziriae  herrührenden  iMetliode  entsteht 
das  folgende  niagisehe  Quadrat  der  Zahlen  von  1  bis  49: 


4 

2'J 

12 

37 

20 

45 

28 

35 

11 

36 

19 

44 

27 

3 

10 
41 

42 

18 

43 

2(! 

2 

34 

17 

49 

25 

1 

33 

9 
40 

16 

48 

24 

7 

32 

8 

47 

23 

6 

31 

14 

39 

15 

22 

5 

30 

13 

o>< 

21 

ungerade 


C  Neuere  llildungsweisen  für 
Felderzahl.  —  Mit  Recht  wird  der  Leser  fragen,  ob  es 
nicht  noch  richtige  magische  Quadrate  giebt,  die  auf 
audcre  Weise,  als  auf  die  eben  angegebene,  gebildet 
werden,  und  ob  es  niciit  Bildungsverfaliren  giebt,  die  auf 
alle  (lenkl)ar('n  niagisclien  Quadrate  von  bestinnnter  Felder- 
zaid  führen.  Für  ungerade  Felderzald  ist  ein  solches 
allgemeines  IJildungsvertahren  zuerst  von  De  la  Hire  an- 
gegeben und  jüngst  von  Herrn  Schefi'ler  vervollkonnnnet. 
Um  dieses  Verfahren  kennen  zu  lernen,  wählen  wir  das 
Beis])iel  von  5  mal  5  Feldern.  Zunächst  formiren  wir  zwei 
nilfs(iuadrate.  In  das  erste  schreil)en  wir  fünf  mal  die 
Zahlen  von  1  bis  5,  in  das  zweite  die  Vielfachen  von 
fünf:  U,  f),  lü,  li"),  20.  Es  ist  nun  klar,  dass  durch  Ad- 
direu  jeder  der  Zahlen  von  1  bis  5  mit  jeder  der  Zahlen 
0,  5,  10,  15,  20  alle  25  Zahlen  von  1  bis  25  entstehen. 
Es  handelt  sich  also  bloss  noch  darum,  die  Zahlen  so 
einzuschreiben,  dass  durch  Addition  der  beiden  Zahlen  in 
zwei  entsjirechend  liegenden  Feldern  auch  wirklich  jede 
Zusaninienstellung  einmal  und  auch  nur  ciimial  heraus- 
kommt, und  dass  ferner  in  jeder  horizontalen,  verticalen 
und  diagonalen  Reihe  in  jedem  Hilfsquadrat  jede  Zahl 
auch  wirklich  erscheint.  Dann  muss  die  erforderliche 
»Summe  65  erscheinen,  weil  die  Zahlen  von  1  bis  5  zu- 
sanniien  15  und  die  Zahlen  0,  5,  10,  15,  20  zusammen  .50 
ergehen.  Mim  erreicht  die  eribrderliclic  Art  der  Ein- 
schreibung dadurch,  dass  man  sich  die  Zahlen  1,  2,  3,  4,  5 
(oder  0,  5,  10,  15,20)  cyldisch  denkt,  d.  h.  auf  5  folgend 
wieder  1,  und  dass  man  nun,  von  irgend  einer  Zahl  aus- 
gehend, entweder  keine,  oder  immer  eine,  otler  immer 
zwei  u.  s.  w.  Zahlen  überspringt.  8o  entstehen  Cyklen 
der  ersten,  zweiten  u.  s.  w.  Ordnung,  z.  B.  3,  4,  5,  1,  2 
ist  ein  Cyklus  erster  Ordnung,  2,  4,  1,  3,  5  ist  zweiter 
Ordnung,  1,  5,  4,  3,  2  ist  vierter  Ordnung.  Man  hat  nun 
bei  beiden  Hilfsquadraten  nur  darauf  zu  achten,  dass 
horizontal  in  allen  Reihen  dieselbe  Cyklus-Ordnung  fest- 
gehalten wird,  dass  dasselbe  auch  in  den  verticalen  Reihen 
geschieht,  dass  aber  die  Cyklus-Ordnung  horizontal  und 
vertical  verschieden  ist.  Endlich  hat  man  nur  noch  darauf 
zu  achten,  dass  zu  denselben  Zahlen  des  einen  Hills- 
(|uadrats  in  dem  andern  Hilfsciuadrat  nicht  gleiche 
Zahlen,  sondern  verschiedene  Zahlen  zugehoren,  d.  h. 
in  ebenso  liegenden  Feldern  stehen.  Möglich  sind  also 
etwa  folgende  llilfsquadrate: 


3 

4 

5 

1 

2 

5 

1 

2 

3 

4 

2 

3 

4 

5 

1 

4 

5 

1 

2 

3 

1 

2 

3 

4 

5 

II  II  <I 


Adtlirt  man  ilie  in  gleichlicgenden  Feldern  stehenden 
beiden  Zahlen,  so  erhidt  man  das  richtige  maj^isehe 
Quadrat : 


(J 

10 

20 

5 

ir, 

5 

15 

0 

10 

20 

10 
15^ 

20 

5 

15 

0 

0 

10 

20 

5 

20 

5 

15 

0 

10 

O 

14 

25 

6 

17 

10 

16 

2 

13 

24 

12 

23 

9 

20 

1 

19 

5 

11 

22 

6 

21 

7 

18 

4 

15 

Man  erkennt,  dass  man  so  eine  grosse  Menge  von 
magischen  Quadraten  von  5  mal  5  Feldern  bilden  kann, 
wenn  man  die  Zahlen  in  den  beiden  Hilfsquadraten  auf 
alle  nniglirlie  ^\'eise  variirt.  Zudem  haben  die  so  ent- 
stehenden Quadrate  noch  die  besondere  Eigenthümlichkeit, 
dass  je  5  Zahlen,  welche  zwei  Reihen  ausfüllen,  die  einer 
Diagonale  parallel  sind  und  auf  verschiedenen  Seiten  der- 
selben liegen,  auch  die  coustante  Sunnne  65  liefern,  z.  B. 
3  und  7,  11,  20,  24  oder  10,  14  und  18,  22,  1.  Es  ent- 
steht also  die  Sunnne  65  im  fianzen  aus  20  Reihen  oder 
Reiheupaaren.  Mit  dieser  Eigenthündichkeit  hängt  zu- 
sammen, dass,  wenn  man  neben  oder  über  oder  unter  ein 
solches  (Quadrat  dasselbe  immer  nochinal  wieder  angesetzt 
denkt,  beliebig  viele  (|ua(lratisch  geordnete  Felder  der- 
artig erscheinen,  dass  immer  das  Quadrat  aus  je  25  von 
diesen  Feldern  ein  richtiges  magisches  Quadrat  bildet, 
wie  aus  folgender  Figur  ersichtlich  ist: 


2 

13 

24  10  1  16  2  13  1  24  10  j  16 

2 

9 

20  1 

12 

23  9 

20  1  12  23 

;i 

1122 

8 

19 

5 

11 

22  8  1  19  5 

11 

18 

4 

15 

21  7 

18 

4  15 

21 

7 

18 

25 

6 

17 

3 

14 

25 

6 

17 

3 

14 

25 

2 

13 

24 

10  IG 

2  13 

24 

10 

16 

2 

9 

20 

1  12 

23 

9  20 

1  12|23 

;i 

11 

18 

22 

8 

19  5 

11 

22 

8  j  19|  5  1  ll| 

4 

15 

21 

7 

18 

4 

15 

21 

7  isl 

25 

6 

17 

3 

14 

25  6 

17 

3 

14 

25 

2  13 

24  10 

k; 

2  13 

24  10 

16 

2 

9  20 

1 

12  23  9 

20 

.  1  12  23 

9 

11 

22  8 

19 

5  11  22 

8  1  19 

5  1  11 1 

Jedes  Quadiat  von  je  25  dieser  Zahlen,  wie  z.  B. 
die  beiden  fett  um/.iiunten  (^»uadrate,  hat  die  EigenschafI, 
dass  beim  Zusannnenziihlen  der  horizontalen,  verticalen 
und  diagonalen  Reihen  dieselbe  Summe  65  herauskommt. 

Um  auch  ein  Beispiel  für  eine  höhere  Anzahl  von 
Feldern  zu  geben,  folgt  hier  noch  ein  aus  zwei  llüfs- 
quadraten  nach  der  allgcnu'inen  JEethode  von  De  la  Hire 
gebildetes  magisches  t^uadrat  von  11  null  11  Feldern; 


218 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  -22. 


1 

2 

3 

4 

5 

6 

7 

8 

9 

10 

11 

3 

4 

5 

6 

7 

8 

9 

10 

11 

1 

2 

5 

6 

7 

8 

9 

10 

11 

1 

2 

3 

4 

7 

8 

9 

10 

11 

1 

2 

3 

4 

5 

6 

9 

10 

11 

1 

2 

3 

' 

5 

6 

7 

8 

11 

1 

2 

3 

4 

5 

6 

7 

8 

9 

10 

2 

3 

4 

5 

6 

7 

8 

9 

10 

11 

1 

4 

5 

6 

7 

8 

9 

10 

11 

1 

2 

3 

G 

' 

8 

9 

10 

11 

1 

2 

3 

4 

5 

8 

9 

10 

11 

1 

2 

3 

4 

5 

6 

7 

10 

11 

1 

2 

^ 

4 

' 

6 

7 

8 

9 

und 

0 

11 

22 

33 

44 

55 

66 

77 

« 

09 

11(1 

33 

44 

55 

66 

77 

88 

99 

HO 

0 

11 

22 

66 

77 

88 

99 

110 

0 

11 

22 

33 

44 

55 

99 

110 

0 

11 

22 

33 

44 

55 

66 

77 

88 

11 

22 

33 

44 

55 

66 

77 

88 

99 

110 

0 

44 

55 

66 

77 

88 

99 

HO 

0 

11 

22 

33 

77 

88 

99 

HO 

0 

11 

22 

33 

44 

55 

66 

110 

0 

U 

22 

33 

44 

55 

66 

77 

88 

99 

22 

33 

44 

55 

66 

77 

88 

99 

HO 

0 

11 

55 

66 

77 

88 

99 

HO 

0 

11 

22 

33 

44 

88 

99 

110 

0 

11 

22 

33 

44 

55 

66 

77 

Aus  diesen  beiden  Hilfsquadraten  entstellt  durch  Ad- 
dition der  beiden  Zahlen  in  zwei  gleichliegendcn  Feldern 
das  folgende  magische  Quadrat,  bei  welchem  jede  Reihe 
dieselbe  Summe  671  ergiebt: 


1 

13 

25 

37 

49   61 

73  1  85 

97 

100 

121 

36 

48 

60 

72 

84 

96 

108  120  11 

12 

24 

71 

83 

95 

107 

119  10 

22 

23 

35 

47 

59 

106 

118 

9 

21 

33 

34 

46 

58 

70 

82  1  94 

20 

32 

44 

45 

57 

69 

81 

93 

105 

117 

8 

55 

56 

68 

80 

92 

104 

116 

7 

19 

31 

43 

79 

91 

103 

115 

6 

18 

30 

42 

54 

66 

67 

114 

5 

17 

29 

41 

53 

65 

77 

78 

90 

102 

28 

40 

52 

64 

76 

88 

89 

101 

113 

4 

16 

63  1  75 

87 

99 

100 

112  3 

15 

27 

39 

51 

OS 

110 

111   2  1  14 

1 

26  3S  '  r,o 

(;2 

74 

86 

I).  Gerade  Felderzahl.  — •  Bisher  haben  wir  von 
magischen  Quadraten  mit  gerader  .Stellenzahl  nur  das 
von  4  mal  4  Feldern  kennen  gelernt.  Um  solche  mit 
einer  höheren  geraden  Stellenzahl  zusammenzusetzen, 
dienen  andere  und  complicirtere  Methoden  als  für  un- 
gerade Stellenzahl.  Doch  geht  man  auch  hier,  wie  bei 
4  mal  4  Feldern,  von  der  natürlichen  Zahlenreihe  aus  uud 
hat  dann  theils  Ergänzungen  zu  einer  gewissen  Zahl  (wie 
17  bei  4  mal  4),  theils  Vertauschungen  von  Zahlen  vor- 
zunehmen. Um  z.  B.  ein  magisches  Quadrat  von  6  mal 
(5  Feldern  zu  bilden,  hat  man  in  die  zwölf  Diagonalfelder 
die  Zahlen  einzuschreiben,  welche  dort  nach  der  natür- 
lichen Reihenfolge  wirklich  hingehören,  dann  in  die  übrigen 
Felder  die  P]rgiinzuiigen  der  dorthin  gehörigen  Zahlen 
zu  37  hinzusehreiben  und  endlich  6  Vertauschnngen  vor- 
zunehmen, nämlich  die  Zahlen  33  und  3,  2;')  und  7,  20undl4, 
IS  und  13,  10  und  'j,  sowie  5  mal  2  zu  vertausclieu.  So 
entsteht  das  magische  Quadrat: 


1 

35   34 

3   32 

6 

30 

8 

28 

27 

11 

7 

24 

23   15 

16   14 

19 

13 

17  21 

22 

20 

18 

12 

26 

9 

10 

29   25 

31  !  2 

4   33   5 

30 

Man  kann  dieses  (Quadrat  auch  nach  der  Methode 
des  De  la  Hire  aus  zwei  Hilfs(|uadraten  mit  den  Zahlen 
1,  2,  3,  4,  .5,  6  und  mit  den  Zahlen  0,  6,  12,  IS,  24,  3Ü 
zusammensetzen.  Dann  müssen  jedoch  bei  dem  einen  die 
Verticalreihcn,  bei  dem  andern  die  Ibirizontalreihen  je 
3  gleiche  Zahlen  so  enthalten,  dass  die  Summe  21  ))ezw 
90  erhalten  bleibt.  So  entsteht  z.  B.  das  obige  magische 
Quadrat  aus  den  beiden  folgenden  Hilfs(iuadraten : 


1 

5 

4 

3 

2 

6 

6 

2 

4 

3 

5'. 

1 

6 

5 

3  1  4  2 

I 

1 

5  1  3 

4 

2 

6 

6 

2 

3 

4 

5 

1 

1   2  1  4   3   5  1  6  1 

und 


0 

30  30 

0 

30 

0 

24 

6  |24 

24  6  1  6  j 

18  18  12  12 

12  18 1 

12 

12 

18 

18 

18 

12 

24 

6 

24 

G 

6 

24 

30 

0 

0 

30 

0  |30| 

Hierzu  ist  zu  bemerken,  dass  es  ebenso,  wie  bei  un- 
gerader Felderzahl,  gelingt,  die  Zahlen  von  1  bis  G  sechs- 
mal so  einzuschreiben,  dass  in  jeder  horizontalen,  verti- 
calen  und  diagonalen  Reihe  jede  Zahl  einmal  und  nur 
einmal  vtu'konunt,  wie  z.  B.  auf  folgende  Weise: 


1 

2 

3 

4 

5 

6 

2 

4 

6 

1 

3 

5 

3 

6 

5 

2 

1 

4 

5 

3 

1 

6 

4 

2 

6 

5 

4 

3 

2 

1 

4 

1 

2 

5 

6 

3 

Nr.  22. 


Naturwissciisclialt liehe  Woelieusclirift. 


219 


Wenn  man  nun  aber  ver.suclit,  die  andere  Zalden- 
gnij)|)e  Ü,  6,  12,  18,  24,  30  in  ein  zweites  iiilt's(iuadrat 
auf  iilniliehe  Weise  so  einzufü.ucn,  dass  jede  Zahl  des 
ersten  llilts(|uadrats  mit  jeder  Zahl  des  zweiten  einmal 
und  nur  einmal  in  entsjireehenden  Feldern  steht,  so  er- 
geben sich  alle  Versuche,  diese  zweite  Hedingung  gleich- 
zeitig' zu  erfüllen,  als  erfolglos.  Deshalb  ist  es  nütliig, 
s(dche  Ililfsquadrate,  wie  die  beiden  obigen,  zu  wählen. 
Eigenthündieh  ist  es,  dass  nur  bei  6  mal  ß  Feldern  die 
Erfüilnng  der  zweiten  Bedingung  unmöglieii  ist,  dass  aber 
z.U.  bei  4  mal  4  oder  S  mal  S  Feldern  zwei  llilfs(iuadrate, 
wie  die  Methode  des  De  la  llire  sie  verlangt,  möglieh 
sind,  nämlich  bei  4  mal  4  Feldern : 


1 

2  3  4 

4 

3 

2 

1 

2 

1 

4 

3 

3 

4 

1 

2 

0  4  1  8  12 

8 

12 

0  4  1 

12 

8 

4 

0 

4 

0 

12 

8 

Das  hieraus  resultirendc  magische  Quadrat  wird  sieh 
der  Leser  selbst  bilden  können.  Die  Existenz  dieser  beiden 
llilfs(|uadratc  verursacht  die  Lösbarkeit  einer  hübschen 
Karten- Aufgabe.  Ersetzt  man  nändieh  die  Zahlen  1,  2,  3,  4 
durch  Ass,  König,  Dame,  Üube,  und  die  Zahlen  0,  4,  8,  12 
durch  die  Farben  Tretf,  Pitiue,  ('oeur,  Caro,  so  erkennt 
man,  dass  es  gelingen  muss,  die  4  Ass,  die  4  Könige, 
die  4  Damen  und  die  4  Buben  quadratisch  so  anzuordnen, 
dass  in  jeder  horizontalen,  verticalen  und  diagonalen  Keilie 
jede  der  vier  Farben  und  jeder  der  vier  Werthe 
gerade  einmal,  also  auch  nur  einmal,  vorkonnnt.  Die 
obigen  Hilfsquadrate  ergeben  folgende  L<isung  dieser 
Aufgabe: 


Um  die  Lösung  dem  Gedäehtniss  einzuprägen,  beachte 
man,  dass  von  jeder  Ecke  aus  jede  Farbe  ebenso,  wie 
jeder  Wcrtli  in  einem  Rösselsprung,  gelegt  werden  nuiss. 
Legt  mau  die  4  Karten  einer  Reihe  fest,  so  giebt  es  nur 


zwei  Möglichkeiten,  die  andern  Karten  so  hinzulegen, 
dass  in  jeder  Reihe  jede  Farbe  und  jeder  Werth  vor- 
konnnt. 

Bisher  haben  wir  von  magisciien  (Quadraten  mit  gerader 
Stellcnzahl  nur  solche  von  -1  mal  4  und  von  ti  mal  (>  Feldern 
kennen  gelernt.  Der  Vollständigkeit  wegen  lassen  wir 
hier  noch  eins  mit  8  mal  8  und  eins  nnt  lU  mal  lü  Feldern 
folgen.  Die  Bildungsweise  dieser  Quadrate  ist  ähnlich 
der  oben  bei  niederer  gerader  Feldcrzahl  erörterten 
Methode. 


1 

63 

62 

* 

5 

59 

58 

8 

56 

10 

11 

53 

52 

14 

15 

49 

48 

18 

19 

45 

44 

22 

23 

41 

25 

39 

38 

28 

29 

35 

34 

32 

33 

31 

30 

36 

37 

27 

26 

40 

24 

42 

43 

21 

20 

46 

47 

17 

IG 

50 

51 

13 

12 

54 

55 

9 

:>1 

7 

= 

60 

c, 

3 

■' 

G4 

1 

99 

3 

97 

96 

5 

94 

8 

92 

10 

90 

12 

88 

14 

86 

85 

17 

83 

19 

11 

SO 

79 

23 

77 

25 

26 

74 

28 

22 

71 

31 

69 

68 

34 

66 

65 

37 

33 

62 

40 

60 

42 

58 

57 

45 

46 

44 

53 

49 

51 

50 

52 

43 

47 

55 

56 

54 

48 

59 

41 

61 

32 

38 

64 

36 

35 

67 

63 

39 

70 

21 

29 

73 

27 

75 

76 

24 

78 

72 

30 

20 

82 

18 

84 

15 

16 

87 

13 

89 

81 

91 

9 

93 

4 

6 

95 

7 

98 

2  100 

Die  so  gebildeten  magischen  Quadrate  mit  gerader 
Stellenzahl  sind  nicht  die  einzigen;  es  giebt  vielmelu- noch 
viele,  die  andern  Bildungsgesetzen  geliorchen.  8o  hat 
man  berechnet,  dass  bei  4  mal  4  Feldern  S8ü,  bei  (>  mal  (3 
Feldern  al)cr  schon  viele  Millionen  verschiedener  magischer 
Quadrate  möglich  sind.  Sehr  gross  wird  auch  die  Zahl 
der  nach  De  la  Ilire's  Methode  formirtcn  magischen  Qua- 
drate mit  ungerader  Stellenzahl.  Deren  giebt  es  bei 
7  mal  7  Feldern  schon  .'Ük!  Millionen  und  '.Hl')  SOG.  Noch 
ungeheurer  wird  die  Anzahl  der  Möglichkeiten  bei  Iniiierer 
Felderzahl.  (Fortsetzung  folgt.) 


Ueber  die  Si»lieiiopli,vUaceeii  sind  im  vorigen  Jahre 
wichtige  Untersuciiungen  vcrötfcntlicht  w(n-den,  die  über 
die  systematische  Stellung  dieser  cigenthiindichcn  (irui)|)e 
etwas  mehr  Aufsehluss  zu  geben  in  der  Lage  sind,  als 
unsere  bisherigen  Kenntnisse.  Zur  Orientirung  über  diese 
l'flanzcn  ist  sehr  zu  empfehlen  Solnis-Laubach's  Einleitnng 
in  die  Palaeoi)liyt(dogie  von  1887  (S.  352— 304),  in  wid- 
chem   Werk    die   wichtigste   Litteratur    bis   188G    berück- 


sichtigt und  angegeben  ist.  Nach  dem  Erscheinen  des 
Solms-Lauliach'sclu'n  Buches  haben  aber  Zeil  1er  und 
WilliamsonMittheilung  engebraeht,  die  einen  ganz  wesent- 
lichen Fortschritt  in  unserer  Kenntniss  der  genannten 
Gruppe  bedeuten.  Zeiller's  Abhandlung  erschien  in  den 
Goni.  rend.  de  l'Acad.  des  sc.  in  Paris  im  Juli  18il2  und 
Wdliamson  giebt  in  der  englischen  Wochenschrift  „Naturc" 
vom  3.  November  18Ü2  (S.  11 — 13)  eine  kurze  Zusannnen- 


220 


Naturvvi«sciisclial'tlirlic   Wocliciiselirif't. 


Nr.  22. 


l']iu  Bhittwirtcl  von   Sphciio- 
lihyllum   cuneifblium  in    [■ 

Kin  eiuzclu.  Blatt  von  Sjtheno- 
l)hyllnni  cimeifolinni  in  etwa  j . 


fassuug-  unserer  Kenutuissc  unter  tleni  Titel:    „The  yeiius 
kSpheuopliylluiii". 

Die  nur  fu^isii  (;ius  dem  Piiiaeozoi'cum)  IjeUanuten 
Sphen(ii)iiylhieeen  waren  kleine  Gewächse  mit  (fuirii;;- 
jj;estellten,  .snper])(inirten  IMättern.  Die  Zahl  der  Ülätter 
in  jedem  Quirl  ))(träi;t  (1  otUr  Multipla  von  3  (Fig.  1). 
Ihre  Gestalt  ist  im  Ganzen  keiliürmig;  sie  sind  sitzend; 
die  Spreite  ist  ganz  oder  ein-  bis  niehrfaehgabelig  zer- 
theilt.  Die  Nerven  sind  wiederholt  gegabelt,  Fig.  2. 
Der  Stengel  wird  von 
einem  centralen,  triarcheu 
Xylemstrang  im  AVesent- 
lichen  aus  IIofkü|)el- 
tracheiden  durchzogen, 
der  später  —  worauf 
wir  (vgl.  Azolla  weiter 
unten)  besonders  auf-  Figur 
merksam  machen  —  einen 
secundäreu  Zuwachs  er-  „  2 
hält.  Die  Rinde  ist  ver- 
hältnissmässig  dick.  Die 
Fortpflanzuugsorgane  treten  an  den  Enden  der  Sprosse 
als  äln-enförmige,  gestreckt-cylindrische  Bliithen  auf  Die- 
selben bestehen  aus  einer  centralen  Stengelachse,  a  Fig.  o, 
welche  wirtelig  stehende  Sporophyllc  trägt.  —  Fig.  b.  — 
Die  Sporophyllc  eines  Wirteis  sind  am  Grunde  seitlich  mit 
einander  verwachsen.  Jedes  Spoi-ophyll  trägt  auf  seiner 
Obertläche  auf  der  das  Sporophyll  der  Länge  nach  hal- 
birenden  Linie  eine  Zeile  weniger  Sporangicn.  Diese  sind 
gestielt,  und  durch  den  Stiel  verläuft  ein  Leitbiindel  mit 
Xylemelementen.  p]s  sind  in  den  Sporangien  zahlreiche 
Sporen  constatirt  worden;  jedoch  konnte  nicht  entschieden 
werden,  ob  die  Si)henophyllaceen  isospor  oder,  was  wahr- 
scbeinlieher  ist,  heterospor  sind.  Renault  behauptet,  sie 
seien  heterospor,  jedoch  sind  seine  Präparate  nicht  be- 
weisend. Die  typischen,  sicheren  Spheuophyllum-Arten 
kommen  vom  mittleren  Carbon  bis  zum  Unter- Roth- 
liegenden vor. 

Durch  den  von  einem  Leitbiindel  durchzogenen  Spo- 
raugiuüistiel   erinnern    die  Spheimphyllaceen    an  die  Sal- 


Figur  3. 

Scliematischc  r'ar.stelUuig  eines  Stiickehens  der  Blüthe  von 
Sphcnüi)hyHuni  cnneifoiium  (naeli  WillianisonJ.  a  =  Achse, 
a  =  Sporaiigium,  liurch  dessen  Stiel  als  einfaehe  Linie  an- 
gedeutet ein  Leitbiindel  verläuft.  In  dem  links  von  diesem 
Sporaugium  belindliclicn  Sporanglum  siml  die  Sporen  an- 
gedeutet.   (Vergrössert.) 


viniaceen  aber  auch  Marsiliaceen,  bei  denen  freilich  der 
Stiel  eine  coniplicirt  geljaute,  die  Sporangien  enthaltende 
Kapsel  trägt.  Jedenfalls  aber  ist  die  bisher  übliche 
Stellung  der  Sphenophyllaceen  zu  den  Lycopodineen,  nach- 
dem nunmehr  etwas  mehr  über  den  Pdätlienbau  bekannt 
geworden  ist,  sehr  erschüttert,  da  ähnliciie  Spor(ii)hylle, 
wie  diejenigen  der  Si)heuoi)hyllaceen  bei  den  Lyeojjodineen 
nicht  bekannt  sind.    Da  allerdings  die  einzelnen  Blüthen- 


theile  und  die  vegetativen  Urgane  der  Sphenophyllaceen 
auch  von  den  übrigen  reeenten  Pteri(loi)iiytengruppen 
autfallend  genug  abweichen,  so  dürfte  es  geratlien  sein, 
die  in  Rede  stehenden  fossilen  Pflanzen  bis  auf  Weiteres 
wie  bisher  als  besondere  Abtheilung  bestehen  zu  lassen. 
Icii  würde  sie  vorläufig  in  die  Nähe  der  Ilydroptcrides 
bringen;  ich  erinnere  dabei  daran,  dass  auch  bei  den 
Salviniaceen  die  Blätter  zu  dreien  in  (freilich  alterni- 
renden)  Wirtein  stehen,  und  dass  die  Sporangienbehälter 
))ei  den  Ilydropteridcs  an  der  niorjiliologischen  Oberseite 
der  Blätter  sitzen  (j\[arsiliaceen),  wie  die  Sporangien  von 
Sphenophylluni,  oder  randständig  sind  (Salviniaceen). 
Endlich  ist  auch  iiiciit  unbeachtet  zu  lassen,  dass  E.  Stras- 
burger (üeber  Azolla,  Jena  1873,  Taf.  I,  Fig.  24)  im 
Umkreise  des  fertia'cn,  centralen  Stanmibündels  von  Azolla 


„Oainbium"     anhiebt.       Man    könnte    —    wenn 


ein 

A.  Engler's  Bezeichnungen  benutzen 


wir 


die  Pteridophyten 

2.  llydropterides. 


gruppiren  in: 

I.   CI;is.Mo:  Filicalos,   1.  Filicos, 
II.  Classe:  Sphunoiiliylltileo. 

III.  Cliisse:  Equisctiiles. 

IV.  Classe:  Lycopodiales. 

Berücksichtigen  wir  die  neueste  Classification  der  Fili- 
cincn,  diejenige  K.  Prantl's  (vgl.  diesen  Jalirgang  der 
„Naturw.  Woelienschr."  No.  15  S.  150),  S(i  müssten  wir 
die  Sphenupliyllaceen  zu  den  „Pteridales"  stellen.  Prantl 
macht  darauf  aufmerksam,  dass  den  Arten  dieser  Gruppe 
meist  als  Basis  der  Sori  ein  von  einem  besonderen 
Tracheideiibündel  durchzogenes  „Receptaculum"  zukommt, 
welches  seiner  zweiten  Gruppe,  den  „Osmundales",  dureh- 
gehends  fehlt.  Die  Salviniaceen  besitzen  ebenfalls  ein 
solches  Receptaculum,  und  er  rechnet  diese  daher  —  trotz 
der  Heterosporie  —  zu  den  Pteridales  und  meint,  dass 
aus  gleichem  Grunde  die  Zugehörigkeit  sogar  der  Mar- 
siliaceen zu  den  Pteridales  zu  vermuthen  sei.  Der  von 
trachcalen  Elementen  durchzogene  Sporangium-Stiel  von 
Sphenophylluni  würde  dem  „Reeeptaculuin",  entsprechen, 
wir  müssten  S(niacli  hier  die  Sporangien  —  wie  der  theo- 
retische Morphologe  sagen  würde  —  als  monangische  Sori 
annehmen  wie  die  9  Sori  bei  der  Salviniaceeii-Gattung  Azolla. 
Wie  wir  auch  aus  diesem  ersehen,  haben  die  Spheno- 
])liyllaceen  ihre  nächste  Verwandtschaft  unter  den  lebenden 
Pteridophyten  bei  den  Salviniaceen,  in  deren  unmittel- 
barer Nälie  ich  dieselben  wenigstens  vorläufig  unterbringen 
würde. 


In  Prantl's  Gliederung   würde 
phyllen  wie  folgt  unterbringen: 

Pteridales 

(  Hyinenophyllaceeu 
Isospor  I   Cyathcaceen 
I  Polypodiaceca 
Heterospor?     Splieuoph3'llaceeii 

,j   ,  I    Salviniaeueii 

Heterospor    ,    jiarsiliaeeon 


ich    also  die  Spheno- 


O  s  m  11  n  d  a  1  e  s 

iSchizaeaceeii 
Gleiclieniaceeu 

Osmiindaceen 

Opliioglossaceeu 

Marattiaceeu 

Die  Gliederung  von  Spheiiopliyllum-Arten  kann  nur 
auf  Grund  der  Verscliiedenheiten  in  den  Blattturmen  der 
Reste  erfolgen.  Von  den  Arten  nenne  ich  als  Beispiele  nur: 
1.  Sphenophylluni  cuneifolium  (Steriiberg)  Zeiller  (-Spheno- 
phylluni erosum  Lindh'y  et  Hutton)  (Fig.  1)  mit  breitkeil- 
förniigen,  am  Gijjfel  gestutzten,  gezähnelten  bis  wiederholt 
gabeiig-getheilten  Blättern;  besonders  häufig  im  mittleren 
Horizont  des  pniductiven  Carbons.  2.  Sphenophylluni 
emarginatumBrongniart  mit  gekerbtem,  elienfalls  gestutztem, 
breitem  Gii»fel  der  Blätter,' und  3.  Sphenophylluni  Thonii 
Mahr,  besonders  aus  dem  Unter-Rotbliegcnden,  mit  ver- 
hältnissmässig  grossen,  am  abgerundeten  Vorderrande 
fransigen  Blättern.  P- 


Nr.  22. 


Naturwissenscbaftliclic  Wochenschrift . 


221 


Devoii-Kolilc  iii  der  Eifel.  —  Des  Ocf'teren  scIkhi 
lialtoii  die  in  den  (irauwaekeuschiefcrn  der  oberen  Coblcuz- 
Schichten  (Unter-Devon)  der  Eifel  nicht  gerade  seltenen, 
kleinen  Koldenjiartien  nnbes'ründete  Iloffniinf;cn  wach- 
i;-enifcn  uihI  \'cranlassinij;'  zu  mehr  oder  minder  kost- 
s])ieiii;-en,  stets  \erg'el)lichen  Scliürl'versuchen  g-ei;'('l)cn. 
Das  ü'Ci^cn  dcrartii;-e  Funde  und  ihre  Anpreisuni;-  rcservirtc 
Verhalten  der  fachmännischen  Kreise,  auch  ein  in  der 
Trierisclien-Zeitnnf?  (No.  362)  im  ,Iain-c  1^84  veröffentlichter 
Hinweis  des  Landesgcologen  Herrn  Grabe  auf  die  Un- 
MKiglichkeit  des  Vorkonnnens  bauwürdiger  Steinkohle  in 
der  Grauwackcuformation  der  Eitel  haben  nichts  ge- 
fruchtet. So  durfte  es  denn  aucli  nicht  Wunder  nelimen, 
als  vor  einiger  Zeit  die  überraschende  Nachricht  durcli 
die  Tagesblätter  ging,  dass  bei  dem  Dorfe  Neunkirclien, 
westlich  der  Kreisstadt  Dann,  in  der  Eifel  eine  „Antln-acit- 
Kettk(dde'-  gefunden  worden  sei.  Beim  Niederbringen 
eines  Versuclis-Schachtes  war  man  hier,  ebcntivlls  im 
Niveau  der  oberen  Coblenz-Schichtcn  auf  zwei  H)  resp. 
IT)  cm  dicke  Kohlensidinntze  gcstossen,  die  sich  in 
einer  Tiefe  von  9  m  zu  einem  75  cm  mäcbtigen,  vertikal 
stehenden  Flötze  vereinigen.  Letzteres  theilt  sich  bei 
14  m  Tiefe  wieder  und  umschliesst  als  Zwischenmittel 
graue,  mürbe  und  sandige  Schiefer-  und  Lettenschichten, 
welche  ganz  erfüllt  sind  von  Pfianzenrestcn.  Die  Mächtig- 
keit von  75  em  war  bei  einem  Kohlenvorkonnnen  in 
diesem  Horizonte  noch  nicht  beobachtet  worden  und  setzte 
auch  die  fachmännischen  Kreise  in  Erstaunen;  indessen 
lehrte  das  baldige  Auseinandergehen  desselben  in  zwei 
Schmitzen,  dass  auch  dieser  Fund  keine  Aussichten  auf 
erfolgreichen  Abbau  biete.  Herr  Grebe,  welcher  das 
\'orkonniien  in  verschiedenen  Stadien  der  Erschliessung 
untersuejit  und  es  „anfangs  als  lirandscliiefer,  durch 
Kolilenpartikelchen  intensiv  schwarz  gefärbt,  zum  Theil 
lebhaft  glänzend",  theils  aucli  als  „zu  thonig- lettiger 
Masse  zersetzten  Schiefer,  ebenfalls  durch  Kohlen- 
|)artikelchen  intensiv  schwarz  gefärbt'-,  und  nur  zum 
kleinen  Theil  als  anthracitische  Kohle  bezeichnet,  auch 
Ürennproben  damit  vorgenommen  hatte,  empfahl  die 
Ueberseudung  geeigneten  Slaterials  an  die  Königl.  Geo- 
logische Landesanstalt  nach  Berlin.  Im  Schniiedefeuer 
unter  Anwendung  von  Gebläse  brannte  die  Kohle  mit 
Icbhattcr  Flannne,  machte  einen  4  em  starken  Eisenstab 
weissgliihend,  brachte  denselben  zum  Schweissen  und 
hinterliess  ea.  20  "/„  an  Asche  und  Schlacke  (Grebe:  Der 
Kohlenfund  in  der  Eifel;  Kölidsche  Zeitung  ISOS,  Nr.  239). 
Ueber  die  Ergebnisse  der  Untersuchungen  an  dem  nach 
Berlin  eingesandten  Materiale  berichtete  Herr  Geh.  ()l)cr- 
Bergrath  Dr.  Hauchecorne  unter  Vorlegung  von  Probe- 
stücken in  der  April-Sitzung  der  Deutschen  Geologischen 
Gesellschaft.  Die  oft  stark  glänzende  Kohle,  welche 
allerdings  auf  den  ersten  Blick  an  Anthracit  erinnert,  ist 
sehr  mürbe  und  zerbröckelt  leicht.  Sie  ist  eine  bitu- 
minöse, backkohleuartige  Kohle,  welche  nach  der  Analyse 
49  Vä  o/o  Asche,  Vg  7o  Wasser  und  50 Va  ^o  Kohlcnsubstanz 
enthält.  Letztere  besteht  aus  etwa  83  "/o  Kohlenstoff, 
13  "/o  Sauerstoff  und  5  %  Wasserstoff.  Nach  dem  er- 
folgreichen Vcrkokungsprozess  könnte  man  die  Kohle 
als  eine  leidlich  gute  Kokeskohle  (Seheibe,  Referat  des 
Vortrages  des  Herrn  G.-R.  Hauchecorne  in  der  Zeitschr. 
f.  Prakt.  Geolog.,  1893,  S.  214)  ansehen,  indessen  schliesst 
ihr  hoher,  etwa  die  Hälfte  betragender  Aschengehalt  die 
technische  Verwerthung  aus.  —  Der  geringe  Sauei'stidf- 
gehalt  der  Eifel-K(dden  könnte  vielleicht,  wie  auch  in  der 
Diskussion  in  der  genannten  Sitzung  bemerkt  wurde,  auf 
eine  der  Bogheadkohle  analoge  Zusammensetzung  hin- 
deuten und  eine  Verwerthung  ermöglichen;  jedoch  steht 
diesem  der  viel  geringere  Aschengehalt  der  letzteren  ent- 
gegen, welcher,  wenn   eine   Verwendung   überhaupt  mög- 


lich sein  S(dl,  nicht  20  "  „  üliersteigen  darf.  Für  die 
Wissenschaft  ist  dies  Kcdilenvorkommen  nicht  unwichtig, 
da  es  eines  der  im  Allgemeinen  nicht  gerade  häufigen 
unterdevonischen  i.st,  wenigstens  in  der  (d)en  nngc- 
gebencn  Mächtigkeit,  also  ein  bedeutend  Iniliei-cs  .\lter 
besitzt,  als  die  eigentliche  StcinkdIdc  der  nach  ihr  be- 
nannten Formation;  die  interi^ssante,  viel  umstrittene 
Fiage  über  das  Vorkonmien  echter  'l'angkoble,  d.  h.  einer 
Kohle,  welche  durch  die  Ablagerung  grosser  autochthoner 
Tangmassen  gebildet  worden  ist,  hat  aber  auch  durcdi 
diesen  Fund  keineswegs  ihre  definitive  Lösung  gefunden. 
Allerdings  erfüllt  nach  der  Bestimnunig  des  Herrn  l)i-. 
Potonie  Halj'serites  Dechenianus  Göpp.  das  Zwisehen- 
mittcl,  den  Schieferthon,  ganz  und  gar;  indessen  ist  die 
Deutung  derselben  als  Alge,  speciell  als  Tang,  durchaus 
nicht  über  allen  Zweifel  erhaben.  Hn'c  Keste  stellen  lange, 
stengclförmige,  schmale,  sieh  gabelnde  (Jebilde  dar,  welche 
freilieh  an  eine  Fucoidec  erinnern ,  und  die  in  der  Glitte 
einen,  vielleicht  als  Leitbiindel  zu  deutenden,  längs  ver- 
laufenden Strang  zeigen.  Die  Stellung  zu  den  Algen  ist 
eine  durchaus  provisorische.  Als  Leitfossil  ist  Ilalyserites 
Dechenianus  für  das  ganze  rheinische  Unterdevon  lange 
bekannt.  Dass  an  einen  Abbau  der  Eifelkohle  garnieht 
zu  denken  ist,  haben  die  Untersuchungen  jetzt  bewiesen, 
und  damit  dürften  denn  die  Hoffnungen  aller  derjenigen, 
welche  dem  neuen  Vork<nnmen  so  hohe  materielle  Be- 
deutung beilegten,  endgiltig  zerstört  sein  und  die  vielen 
vergeblichen  Abbauversuche,  w'elche  auf  die  zahlreichen 
unterdevonischen  Kohlenschmitze  der  Eifel  unternommen 
worden  sind,    für  innner  aufgegeben  werden.  F.  K. 


Uiitersnclnnig  über  das  Atoiiigewiclit  dos  Kupfers 

von  Th.  W.  Richards  (Zeitschritt  für  anorgan.  Chemie 
I,  150  u.  187).  Der  Verfasser  ist  in  Verfolgung  früherer 
Versuche  durch  sorgfältige  Bestimmungen  und  unter 
Nachweis  der  Feblcr(iuellen  bei  den  früheren,  dem  bisher 
gültigen  Atomgewicht  (53,33  (0  ^=  16)  zu  Grunde  liegenden 
Ermittelungen  zu  der  Zahl  63,604  gelangt.  Sj). 

Fr.  W.  Somiiiler:  Ueber  Canipherarten ,  welclie 
die  Ketoiigrii|»i)e  CO(!H;,  eiitlialteu.,  (Deutsch.  Chem. 
Ges.  Ber.  XXV,  3343.)  Diese  Arbeit  bedeutet  einen  wesent- 
lichen Fortsehritt  in  unserer  Kenntniss  der  Ter|)ene,  indem 
sie  die  Constitution  einer,  wie  es  scheint,  sehr  verbreiteten 
Klasse  von  Cainpheiarten  aufklärt.  Es  ist  Sennnler  ge- 
lungen, aus  dem  ätherischen  Oel  des  Rainfarns  (Tanaeefum 
vulgare)  durch  Ausschütteln  mit  Natriunibisulfitlösung  eine 
schön  krystallisirte  Doppclvcrhindung  zu  erhalten,  welche 
bei  der  Zersetzung  nnt  Natriumcarbonat  ein  farbloses  Oel 
von  der  Zusammensetzung  Q^^y\{^^■0  liefert.  Dasselbe  hat 
sich  durch  eine  Reihe  von  Rcactionen  zweifellos  als  ein 
Keton  erwiesen  und  dementsprechend  den  Namen  Tana- 
ceton  erhalten.  Es  eondensirt  sich  mit  Hydroxylamin  zu 
einem  Oxim,  CmHio^NOH;  durch  Natrium  wird  es  in 
alkoholischer  Lösung  zu  Tanacetylalkohol,  CioH,sO,  re- 
ducirt,  welcher  sich  als  vollständig  gesättigt  erweist.  Durch 
entsi)recliende  Reduction  des  Öxinis  gelangt  man  zum 
Tanacetylamin,  Cinlli^-NH.,,  dessen  Chlorhydrat  bei  der 
trockenen  Destillation  einen  ivohlenwasserstoft'  von  der 
Formel  C,oHig,  das  Tanaeetogen,  liefert.  Durch  Einwirkung 
von  Brom  in  Alkalihydrat  lässt  sich  aus  dem  Tanaccton 
mit  grösster  Leichtigkeit  Bromoform  abspalten,  wodurch 
sich  dasselbe  als  ein  Methylketon  kennzeichnet.  Daneben 
entsteht  eine  Monocarbonsäure,  die  Tanacetogensäure, 
von  der  Formel  CyH,.j-C(  >oH,  so  dass  die  Formel  des 
Tanacetons  zweifellos  aufzulösen  ist  in  C'sHij-CO-CHa.  Da 
nun  aber  sowohl  Tanaceton  als  die  daraus  entstehenden 
Verbindungen  Tanacetylalkohol  und  Tanacetogensäure,  wie 
ihr  N'erhalten  gegen  Brom  zeigt,  vollständig  gesättigt  sind, 


999 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  -li. 


so  müssen  in  ilnien  zweifach  rini^-förmig  geschlossene 
Kohlcnstott'atoniketten  vorhanden  sein.  Diesen  Anforde- 
rungen werden  die  folgenden  Constitutionsformehi  gerecht: 


/ 


CO-CH, 


,CH-OH-CHo 


C 


c 


HoC/ 
II,C\ 


\C: 


/ 


CH, 


/ 


"OH, 


/CHo 


HaCx 


C 
H 

Tanaceton 


\ 


\c: 


.011, 


"OH, 


/CH2 


0 
H 


/ 


Tanacetylalkoiiol 
00„H 


0 


H.O/ 
H.,C\ 


\c: 


/OH, 


HJH. 


/ 


/CHg 


C 
H 

Tanacetogensäure. 

In  Uebereinstimniung  damit  steht  das  Verhalten  des 
Tanacetons  gegen  Kalinmi)ermanganatl('isnng.  Hierbei  ent- 
steht eine  Ketonsäure  von  der  Formel  CiuH|i;03,  Tanacct- 
kctoearbonsäurc,  welche,  wie  aus  der  Al)S])altung  von 
Bromoform  bei  der  Behandlung  mit  Brom  und  Alkali  her- 
vorgeht, die  Gruppe  OO^CHa  unverändert  enthält  und 
deren  chemisches  Verhalten  in  jeder  Beziehung  die  An- 
nahme eines  unangegriffenen  Tetramethylenringes  recht- 
fertigt, die  also  wahrscheinlich,  den  obigen  Formeln  ent- 
sprechend, die  Oonstitution 

O-OO-OH3 


H,C/ 


HX\ 


\OHv 


/OH, 


OH., 


0- 
H 


COoH 


besitzt.  Wird  diese  Verbindung  nnt  Brom  in  Natronlauge 
behandelt,  so  entstellt  neben  Br<inioform  eine  Tanacetogeu- 
dicarbonsänre,  welcher  die  Formel 

/CH3 
^\0H3 
OHo  •  0  •  OOoH 


OHo 


0  •  OO2H 
H 


zukommen  müsste.  Dieselbe  liefert  beim  Erhitzen  mit 
Essigsaure  ein  Anhyilrid  von  der  Formel  0,,H,.i():j  und 
>eht,  ebenso  wie  dieses,  beim  Schmelzen  mit    Kalihydrat 


glatt  in  Pimelinsäure   über,    deren  bekannte   Oonstitution 
HO.,C-0H2-0h(0H(^^}J-^)-CO.,H  mit  den  obigen  Oonsti- 


tutionsformeln  im  besten  Einklang  steht. 

Durch  die  beschriebenen  Derivate  hat  das  Vorkommen 
des  Tanacetons  ausser  im  Rainfarnöl  bereits  im  Absinth-, 
Salbei-  und  Thujaöl,  möglicherweise  in  Form  von  Raum- 
isomeren, erwiesen  werden  können.  Sj). 


lieber  die  bei  der  Coiideiisatioii  von  Wasserdaini»!" 
auf treteudeii Farben  hat  Herr  0.  Barus  Beoachtungen  an 
gestellt,    über  die  er  im  Februarheft  des  „American  Jour- 
nal of  Science"  (vol.  XLV.   S.  150)  einige   Mittheilungen 


macht.     Danach    ergiebt  sich. 


wenn   gesättigter  Wasser- 


damiif  ph'itzlicli  von  einer  hölicren  zu  einer  niederen 
Temperatur  üliergetüin-t  wird,  im  durchfallenden  weissen 
Lichte  folgende  Farbenfolge  Itei  wachsender  Diffe- 
renz der  Temperaturen:  Schwach  grün,  scliwach  Itlau, 
bleich  violett,  bleich  violett-roth,  bleich-roth,  schmutzig 
braun-orange,  stroligelb,  grünlich-gelb;  grün,  blau-grün, 
grau-blau,  intensivblau,  indigo,  intensiv  dunkel-violett, 
schwarz;  intensiv  braun,  intensiv  orange,   gelb,  weiss. 

Im  retiectirtcn  Licht  erscheint   der  Dami)f  stets  von 
stumpfer,  weisser  Farbe. 

Es  ist  nun  zu  beachten,  dass  die  aufgezählten  Farben 
—  aber  in  umgekehrter  Folge,  mit  weiss  beginnend  — 
vollkommen  identisch  sind  mit  den  Interferenzfarben 
1.  und  2.  Ordnung,  welche  dünne  Blättchen,  im  durch- 
fallenden  weissen  Lichte,  bei  normaler  Incidenz  des- 
selben, zeigen.  Damit  gewinnt  die  Frage  ein  Interesse, 
ob  kleine  Wasserbläschen,  wenn  weisses  Licht  in  nor- 
maler Incidenz  durch  sie  hindurchgeht,  sich  in  der  That 
wie  dünne  Blättchen  verhalten.  Ist  nun  für  eine  gegebene 
homogene  Farbe  ./  die  Intensität  des  einfallenden  Lichts 
und  k  der  ReMcxionscocffieient  (0,04  bis  0,05),  so  sind 
nach  einem  einzelnen  Durchgang  die  Intensitäten  der 
Interferenz-Maxima  und  Minima  gegeben  durch  ])ezw. 
(1— fc2)(H-/.-2)J  und  (1—^2)  (1— /.'V,  untersclieiden  sich 
also  nur  wenig  von  einander.  Wenn  aber  eine  beliebig 
grosse  Zahl  von  Tlieilchen  gleicher  Grösse  vorhanden 
ist,  so  wird  dieser  Interfercnzprocess  ebenso  oft  wieder- 
holt bezw.  vervielfältigt,  der  Art  also,  dass  das  farbige 
Licht  nicht  ausgelöscht,  das  weisse  aber  immer  mehr  ge- 
färbt wird.  Nach  einer  hinreichend  grossen  Zahl  auf 
einander  folgender  Durchgänge  wird  also  der  endlieh 
aus  (lern  Aggregat  von  Bläsehen  heraustretende  Strahl 
intensiv  gefärbt  erscheinen  müssen. 

Fürreflcctirtes  Licht  wird  die  Sache  sich  gerade 
umgekehrt  verhalten.  Die  Interferenz  wird  dann  für 
jedes  einzelne  Theilciien  sehr  voUkonnnen  sein,  also  es 
vi'ird  keine  beliebig  häufige  Wiederholung  —  also  auch 
keine  Sunnnirung  von  Wirkungen  —  eintreten  können, 
da  nach  jeder  Reflexion  die  Richtung  des  Strahles  ge- 
ändert ist.  Durch  diese  steten  Richtungsänderungen  des 
Strahles  wird  das  Licht  gemithigt  worden  sein,  die  ein- 
zelnen Theilehen  (einer  gewissen  Schicht)  des  Aggregates 
zu  durchlaufen,  sodass  also  in  letzter  Linie  es  auch  als 
durchfallendes,  nicht  nur  als  refleetirtes  Lieht  interferirt; 
seine  Farl)c  wird  daher  nothwendig  bis  zu  dem  erwähnten 
stumpfen  weiss  herab  ausgelöscht  werden. 

Das  Auftreten  von  Dunkelheit  oder  schwarz  zwischen 
braun  und  dunkel  violett  der  ersten  Ordnung  ist  unschwer 
zu  verstehen.  Man  muss  sich  dazu  erinnern,  dass  an 
dieser  Stelle  der  Interferenzerscheinungen  bei  einer  nur 
ganz  geringen  Zunahme  der  Dicke  der  Pdättchen  die  Farbe 
sehr  schnell  übergeht  von  braun  durch  roth,  carmin,  dunkel 
rothbraun  zu  violett.  Bei  der  sieher  nicht  überall  voU- 
konnnen gleichen  Anordnung  innerhalb  eines  Aggregates 
von  Dampfbläsehen,  ist  die  Annahme  vollkommen  am  Platze, 
dass  die  eben  genannten  Interferenzfarben  zur  gegenseitigen 
Deckung  gebracht  werden,  und  so  vereint  also  die  Dunkel- 
heit, d.  h.  schwarz,  hervorliringen. 

Also  auch  dieser  Punkt  widerspricht  nicht  der  Mei- 
nung des  amerikanischen  Physikers,  dass  die  Farben, 
welche  bei  wolkenartiger  Oondensation  auftreten,  als  ein 
besonderer  Fall  des  interferenzphänomens  zu  betrachten 
sind,  wie  wir  es  als  Farben  dünner  Blättehen,  Newton'sche 
Ringe  etc.  kennen. 


Nr. 


Niitufwisseiiscliaftlk-Iie  VVofheiisclirift. 


•223 


Herr  Barus  wird  seine  Untersuchungen  noch  in  einigen 
linderen,  allgemein  |ihysikalisch  intcressirenden  Bezieiiun,:;cn 
turtsetzen  und  vervollkunimncn.  Ucber  die  beahsiclitigten 
Wege  macht  er  a.  a.  0.  nur  kurze  Angaben,  verspricht 
aber  eine  eingehendere  Mitthciluiig  für  das  Märzhot't  des 
American  Mcteorulogical  Journal,  nach  dem  ich  dann  s:  Zt. 
bericiiten   werde.  Grs. 


Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben. 

Es  wurden  ernaunt:  Ddr  Forstbotanikfr  Dr.  Dietfich  Bran- 
dis  in  Bonn  zum  Protcs-sor.  ^  Mr.  Charles  Chree  vo~in  Iving's 
Collofre  in  CamliridEjc  zum  Vorstelicr  des  Ke\v-<  llisorvatoriums. — 
Dor  Matliomatiker  Prot'.  Lindemann  in  Königsberg  zum  Pi-o- 
tV.ssor  au  der  Univci-sität  Münclien.  —  Der  I^rofessor  J.  Mark 
Baldwin  an  der  Universität  Toronto  zum  Pr<it'essor  der  Psyelio- 
logie  an  der  Universität  Princeton.  —  Der  bisherige  eomm.  Docent 
an  der  Kgl.  Bergakademie  Bergassessor  Georg  Frauke  zum 
Professor  der  Bergliau-  und  Salineukunile. 

Professor  der  Biologie  Martin  an  der  John-Hopkinsllniver- 
sität  legt  in  Folge  andauernder  Kränklielikeit  seine  Professur 
nieder. 

Es  sind  gestorben:  Der  ordentlieli(>  Professor  der  Mathematik, 
Geh.  Kegierungsrath  Dr.  Ernst  Eduard  Kummer  an  der 
Universität  Berlin. —  Der  Conchyliologe  G.  W.  Lie  ht  entli  ale  r 
in  San  Fraucisco. 

Kinr  Gesellschaft  zur  Förderung  der  uaturhistorischen 
Erforschung  des  Orientes  ist  in  Wien  in  Bildung  begriÖ'en.  — 
Vorstand  des  vorbereitenden  Comites:  G.  v.  Beck,  F.  Brauer  und 
Th.  Fuchs. 


L  i  1 1  e  r  a  t  u  r. 

Dr.  Eugene  Rey,  Altes  und  Neues  aus  dem  Haushalte  des 
Kuckucks.  (Zoologisehe  Vorträge,  herausgegeben  von  W.  Mars- 
hall. 11.  Heft.)  Richard  Freese.  Leipzig  1892.  —  Preis  1  M. 
Aus  ilem  Inhalt  der  vorliegenden,  von  ausserordentlich 
eingeliender  Kenntniss  des  Gegenstandes  zeugenden,  wichtigen 
Schrift  haben  wir  bereits  S.  171  interessante  Punkte  mitgetlieilt. 
Wir  haben  dort  gesehen,  dass  Verf.  namentlich  über  die  Fort- 
])flanzung  des  Kuckucks  ganz  neue,  wesentliche  Thatsachen  bei- 
bringt. Der  als  Autorität  auf  zoologischem  Gebiet  geltende  Verf. 
zeigt,  dass  entgegen  bisheriger  Annahme  nur  3,6  "/o  ^'^r  Eier  des 
Kuckucks  denjenigen  der  Nesteigenthümer  ähnlich  gefärbt  sind. 
Er  bespricht  Färbung,  Zeichnung,  Form,  Grosse  und  Gewicht  der 
Eier  und  die  Festigkeit  ihrer  Schale.  Der  Kuckuck  entfernt  bei 
der  Eiablage  ein  oder  mehrere  Nesteier,  zuweilen  schon  einen 
Tag  vor  dem  Legen,  naclilier  kümmert  er  sich  nicht  mehr  um  die 
Brut.  Zu  ihrer  Entwicklung  bedürfen  die  Eier  keineswegs  längere 
Zeit  als  diejenigen  anderer  Vögel;  auch  ist  eine  Anomalie  im  ganzen 
Ei-Apparat  des  Kuckucks  nicht  zu  constatiren.  Die  Eiablage  er- 
folgt einen  Tag  um  den  anderen;  im  Jahre  werden  über  20  ge- 
legt, und  die  Brutzeit  richtet  sich  nach  derjenigen  der  Nestvögel. 


Julius  Sachs,  Gesammelte  Abhandlungen  über  Pflanzen- 
Physiologie.  2.  Bd.  Abhandl.  XXX  l)is  XLIIl.  Mit  10  litlio- 
grapliischen  Tafeln  und  80  Textabbildungen.  Wilhelm  Engel- 
mann.   Leipzig  1893.  —  Preis  13  M. 

Der  2.  Band  der  Sachs'schen  Abhandlungen  enthält  vorwiegend 
diejenigen  über  Wachsthum,  Zellbildnng  unil  Reizbarkeit.  Welche 
Arbeit  steckt  in  den  43  Abhandlungen  beider  Bände!  Jede  ein- 
zelne hat  ihre  hohe  Bedeutung  in  der  Wissenschaft !  Wir  können 
nur  wiederholen,  dass  wir  Sachs  sehr  dankbar  sein  müssen,  dass 
er  noch  selbst  —  wie  einst  Hugo  von  Mohl  —  seine  Abhandlungen 
in  einer  Sammlung  so  bequem  zugänglich  gemacht  und  hier  und 
da  mit  neuen  Anmerkungen  versehen  hat.  Nur  wenige  Botaniki'r 
sind  so  fruchtbar  gewesen  wie  Sachs,  seine  Leistungen  muss 
jeder  Botaniker  kennen.  Beide  Bände  sind  liei|uem  fortlaufend 
]iaginirt;  der  vorliegende  beginnt  mit  S.  677  und  reicht,  incl.  einem 
Register,  bis  S.  1243.  In  der  43.  Abhandlung,  der  Fortsetzung 
des  Aufsatzes,  „Stoft'  und  Form  der  Pflanzenorgane''  bietet  Sachs 
einen  kurzen  Zusatz,  welcher  die  „Continuität  der  embryonalen 
Substanz"  behandelt,  in  welchem  er  einigo  Sätze  aus  seinen  Vor- 
lesungen über  Pflanzen-Physiologie  nochmals  zum  Abdruck  bringt, 
mn  zu  zeigen,  dass  er  den  von  Weismann  1885  betonten  Unter- 
schied zwischen  „somatischen"  Zellen  und  Geweben  und  „Kt^im- 
plasma"  der  Sache  nach  schon  1882  klar  hervorgehoben  hat. 


Sitzungsberichte  der  Kaiserl.  Akademie  der  Wissenschaften, 
Mathem.-naturw.  Classe.  Wien  1MI2.  Band  101,  lieft  8  und 'J., 
Abtiieilung  I,  enthalten  u.  a.  Hering:  Zur  Kenntniss  der  Alcio- 
jiiden  von  Messina.  tj  Tafeln,  v.  iSIujsiso vics:  Die  Hallstätter 
Entwicklung  der  Trias,  auf  Grunil  seiner  seit  1874  bctriidxMien 
Forschungen,  wonach  die  bisherigen  Ansieliten  theilwi'ise  zu  modi- 
ficiran  sind.  Entgi'gcn  der  bis  jetzt  üblichen  Annahme,  dass  die 
Hallstätter  Entwicklung  nur  eine  besondere  Facies  der  (Jjereu 
Trias  sei,  zeigt  v.  M  ,  dass  dieselbe  sich  auf  den  ganzen  Umfang 
der  oberen  und  mittleren  Abtheilung  dieser  Formation  erstreckt. 
Sie  beginnt  in  f^eringor  Höhe  über  den  Werfener  Schichten,  um- 
fasst  den  ganzen  Muschelkalk  und  die  verschiedenen  Stufen  (hir 
obvren  Trias  nn<|  wird  vom  unteren  Lias  überlagert.  Ihre  Ge- 
biete sind  räundich  beschränkt  und  bilden  „vereinzelte  kleine 
Gebirgsgruppen  oder  Gebirgsabsclinitte  inudtten  der  grössere 
Räume  beherrschenden  Wetterstein-  und  Dachstein-Entwi<'klungen". 
WiUn'end  die  letzteren  eine  Mächtigkeit  von  l.')00 — 2000  m  er- 
reichen, beträgt  dieselbe  bei  di'r  Hallstätter  Trias-Facies  im 
Ma.ximum  nur  200  m.  Die  Altersfcdge  der  verschiedenen  Faunen- 
Hcirizonti'  ist:  I.  .Iura  —  Unterer  Lias  (Hangendes).  —  II.  Trias. 
A.  Hallstätter  Entwicklung:  1.  Fossilienarme  Kalke  (Rhätische 
Stufe);  2.  Linsen  mit  Cyrtopleurites  bicrenatus;  3.  Graue  Kalke 
mit  Pinacoceras  Metterniclii;  4.  ZlambachSchichten ;  5.  Rothe 
<iastero)Kiden-Kalklinsen  mit  Cladiscites  ruber;  6.  Rothe  und  bunte 
Kalklinsen  mit  Sagenites  Giebeli  (2. — 6.  Juvavische  Stufe); 
7.  Linse  mit  Thisbites  Agricolae;  8.  Zone  des  Tropites  subuUatus 
—  a)  oberes,  b)  unteres  Niveau  — ;  9.  Zone  des  Trachyceras 
Aonoides  —  a)  Linsen  mit  Tr.  AonoVdes  und  Lobites  ellipticus, 
b)  Linse  mit  Tr.  Austriacum  —  (7—9  Karnische  Stufe);  10.  Zone 
des  Ceratites  trinodosus  (Muschelkalk).  —  B.  Werfencr  Scliicliton 
(Liegendos).  Haberland:  Anatomisch -iihysiologische  Unter- 
suchungen über  das  tropische  Laubbhitt.  Im  Botanischen  Garten  zu 
Buitenzorg  auf  Java  angestellte  Untersuchungen  —  sollen  fort- 
gesetzt worden  — .  über  die  wir  bereits  ausführlich  mitgetlieilt  haben. 
J.  Luksch:  Vorläutiger  Bericht  über  die  physikalisch-oceano- 
graphischen  Arbeiten  im  Sommer  1892  vom  Meridian  von  Rliodus 
bis  zur  syrischen  Küste.  (Ausgeführt  vom  Kriegsschifio  Pola.) 
I  Kartenskizze.  Claus:  Die  Antennen  der  Pontelliden  und  das 
( iestaltungsgesctz  der  männlichen  Greifantenne.  (Untersuchungen 
über  die  Entstehung  und  Bedeutung  der  Antennen,  sjieciell  der 
männlichen  Greifauti-nni'.  Werden  fortgesetzt  und  auf  andere 
Formen  ausgedehnt  werden).  Garbowski:  Materialien  zu  einer 
Lepidopteren-Fauna  Galiziens,  nebst  systematischen  und  Vjiolo- 
gischen  Beiträgen.  Die  Arbeit  ist  um  so  willkommener,  als  die 
verhältnissmässig  reiche  Lepidopteren-Fauna  nur  ganz  mangelhaft 
bekannt  ist.  Nach  kurzer  iihysiographischer  Schilderung  des 
Landes  wird  Vorkommen,  Verbreitung,  Lebensweise,  Entwicklung 
und  Systematik  und  endlich  in  einem  umfangreichen  speciellen 
Tlieile  ein  bedeutendes  Material  galizischer  Lepidopteren  behandelt. 
Hilber:  Fauna  der  Pereiraia-Sehichten  von  Bartelmae  in  Unter- 
Krain.  (Angabe  der  Litteratur,  Fundpunkte  und  in  den  Pereiraia- 
Sehichten  genannter  Lokalität  vorkommenden  Petrefacten.)  Zwei 
Tafeln.  Zoebel  und  Mikosch:  Die  Function  di-r  Grannen  der 
Gerstenähre.  Ueber  die  Bedeutung  der  Grannen  der  Gramineen- 
früchte für  die  lebende  Pflanze  ist  mit  Ausnahme  einer  kurzen 
Notiz  bei  A.  v.  Kerner  nichts  veröfl'eiitlicht  worden.  Aus  zahl- 
reichen von  denVerfassern  an  Gersteuiiflanzen  augestellten  Versuchen 
geht  hervor,  dass  die  Grannen  bei  diesen  Pflanzen  Trans()irations- 
organe  sind.  Die  Transpiration  der  Gerstenpflanze  ist  eine  vom 
Lichte  beeinflusste,  jieriodische  Thätigkeit,  welche  bei  norm.aler 
Begrannung  unter  den  gleichen  Verhältnissen  4-  bis  5-mal  so  stark 
ist,  als  nach  Entfernung  der  Grannen.  Der  Antheil  der  Aehre  an 
d<'r  Transpiration  entspricht  etwa  der  Hälfte  der  Gesammt- 
traiispiration  der  Pflanze  und  ist  am  intensivsten  zur  Zeit  der 
stärksten  Entwicklung  des  Kornes.  Die  starke  Transpiration  der 
Granne  scheint  demnach  zur  Stoft'wanderung,  mithin  zur  normalen 
Entwicklung  der  Frucht  in  Beziehung  zu  stehen. 


Sitzungsberichte  der  Kaiserl.  Akademie  d.  Wissenschaften. 
Mathem.-naturw.  Classe.  Wien  1892.  Bd.  101  Abtheilung  IIa 
enthält  die  Aliliandlungen  aus  dem  Gebiete  der  MatluMiiatik, 
Astronomie,  Physik,  Meteorologie  und  Mechanik,  von  denen  hier 
genannt  seien:  F.  E.xner:  Electrochemische  Untersuchungen. 
3.  Mittheil.  Es  werden  die  bei  der  Reaction  zwischen  Säuren 
und  Basen  auftretenden  Potentialdift'erenzen  besprochen.  Elster 
und  Geitel:  Elmsfeuerbeobachtungen  auf  dem  .Sonnblick.  Wir 
kommen  auf  diese  Arbeit  an  einer  anderen  Stelle  der  „N.  W." 
zurück.  Weyr:  Drei  Abhandlungen  „Ueber  algebraische  Invulu- 
tionen."  Tuinlirz:  Die  Dichte  der  Erde,  berechnet  aus  der 
Schwerebeschlennigung  und  der  Abplattung.  Tuma:  Luftelek- 
tricitätsmessungen  im  Luftballon.  Bei  den  Untersuchungen, 
welche  der  Verfasser  auf  einer  dazu  am  15.  Sept.  v.  J.  unter- 
nommenen Ballonfahrt  ausgeführt  hat,  fand  er,  dass  das  Potential- 
gefälle in  der  Luft  mit  wachsender  Hölie  zunimmt  und  in  ;illen 
bisher  erreichten  Höhen  positiv  ist.     Schmidt;   Das  periodische 


224 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  22. 


Gesetz  (Untersuchungen  über  den  Satz:  Die  Eigenschaften  der 
Elemente  sind  periodische  Functionen  ihrer  Atomgewichte). 
Liznar:  Eine  neue  magnetische  Aufnahme  Oesterreichs.  (Vor- 
läufige Mittheikmg  der  Resultate  der  von  Mitte  Juni  bis  Mitte 
September  auf  21  Stationen  vorgenommenen  Messungen  )  Kolben- 
hey er:  Untersuchungen  über  die  Veränderlichkeit  der  Tages- 
temperatur. Der  Verfasser  beschäftigt  sich  beinahe  ausschliess- 
lich mit  der  durch  die  grosse  Veränderlichkeit  ihrer  Tages- 
temperaturen ausgezeichneten  meteorologischen  Station  Bielitz. 
Mahler:     Der  Kalender  der  Babylonier. 


Sitzungsberichte  der  Kaiserl.  Akademie  d.  Wissenschaften. 
Mathem.-naturw.  Classe.  Wien  1892.  Band  101.  Abtheilung  IIb 
enthält  die  Abhandlungen  aus  dem  Gebiete  der  Chemie.  Abth.  III 
enthält  die  Abhandlungen  aus  den  Gebieten  der  Anatomie,  Pliy- 
siologie  und  theoretischen  Medicin,  von  denen  wir  die  folgenden 
nennen:  Kreidl:  Weitere  Beiträge  zur  Physiologie  des  Ohrlaby- 
rintlies.  Eiste  Mittheil.  Versuche  an  Fischen.  Untersuchungs- 
objecte  waren  zwei  Haifischspecios,  Scyllium  canicula  und  catulus, 
welche  in  normalem  Zustande  und  nach  Zerstörnng  des  Labyrinthes 
beobachtet  wurden.  Verfasser  unterwarf  Thiere  beider  Stadien 
Rotationsbewegungen  und  stellte  Beobachtungen  über  den  Einfluss 
der  Centrifugalkraft  an.  Knoll:  Zur  Lehre  von  den  Structur- 
und  Zuckungsverschiedenheiten  der  Muskelfasern.  Die  Arbeit  zer- 
fällt in  3  Theile.  Zunächst  stellt  der  Verfasser  Untersuchungen 
an  Lamellibranchiaten  darüber  an,  ob  und  in  welcher  Weise  die 
Structurverschiedenheiten  am  Schliessnuiskel  in  den  Zuckungen 
desselben  bei  verschiedenen  Formen  zum  Ausdruck  gelangen. 
Versuchsthiere  sind  mehrere  Arten  von  Pecten,  Area  Noae,  Venus 
verrucosa,  Lima  inflata,  Cardiuin  edule.  Scrobicularia  peperata. 
Alsdann  untersucht  er  nach  derselben  Richtung  den  Mantel  von 
Eledone  und  endlich  die  weisse  und  rothe  Musculatur  von  Cistudo 
europaea.  Knoll:  Zur  Lehre  von  den  doppelt  schräg  gestreiften 
Muskelfasern.  Ueber  die  Stellung  der  doppelt  schräg  gestreiften 
Muskelfasern  innerhalb  des  Muskelgewebes  gehen  die  Ansichten 
auseinander.  Engelmann  u.  a.  sehen  sie  als  eine  Abart  der 
librillären  glatten  Muskelfasern  an,  wogegen  Schwalbe  und  meh- 
rere Forscher  sie  als  eine  durch  schräge  Anordnung  der  dopjielt 
brechenden  Theilchen  char.akterisirte  Abart  der  gestreiften  Muskel- 
fasern betrachten.  Nach  seinen  an  zahlreichen  Lamellibranchiaten 
(Lima  intlata,  hians,  squamosa;  Pecten  Jacobaeus,  varius,  glaber; 
Venus  verrucosa,  Unio  pictorum,  Cardiura  edule  u.  a.  m.)  und 
Cephalopodcn  (Eledone)  angestellten  Untersuchungen  gelangt 
Verfasser  zu  einem  Ergcbniss,  dass  für  die  Engelmann'sche  An- 
sicht spricht,  die  jedoch  dahin  zu  modificiren  ist,  dass  die  Streifen 
der  doppelt  schräg  gestreiften  I'^asern  nicht  als  homogene  Fibrillen 
aufgefasst  werden  dürfen.  3  Tafeln.  Pfaundler:  Zur  Anatomie 
der  Nebenniere.  Wir  werden  auf  diese  Arbeit  noch  an  anderer 
Stelle  der  „N.  W."  zurückkommen.  F.  K. 


Slittheilving'en    aus  der  Firma    „Dr.   Houdek  &  Hervert." 

(Inhaber  Prof.  Dr.  Houdek.)  Fabrik  ])hysikali.scher  Apparate  und 
geometrischer  Modolle.  Heft  1—7.  Selbstverlag,  Prag  1892—1893. 
In  den  Heften,  die  fortgesetzt  werden,  finden  sich  320  physika- 
lische Apparate  und  geometrische  Modelle  beschrieben  und  abge- 
bildet, die  von  der  Firma  geliefert  werden.  Allen,  die  Unterricht 
zu  ertheilcn  haben,  bei  welchem  solche  Lehrmittel  gebraucht 
werden,  dürften  diese  Mittheilungen  dienlich  sein. 


Gumprecht,  O.,  Die  geographische  Verbreitung  einiger  Charakter 

pflanzen  der  Flora  von  Leipzig.     Leipzig.     1,20  M. 
Hampe,  W.,  Tafeln  zur  fpiaiitativen  chemischen  Analyse.    3.  Aufl. 

Clausthal.    4,50  M. 
Heumann,   K. ,   Anleitung   zum   Experimentiren   bei   Vorlesungen 

über  anorganische  Chemie.     2.  Aufl.     Braunschweig.     16  M. 
Hilgard,  E.  W.,  Ueber  den  Einfluss   des  Klimas  auf  die  Bildung 

und  Zusammensetzung  des  Bodens.     Heidelberg.     2  M. 
Hoernes,  K.,  Erdbebenkunde.     Leipzig.     10  M. 
Jäger,  G.,  Ueber  die  Temperaturfunction   der  Zustandsgieichung 

der  Gase.     Leipzig.     0,30  M. 
Kant's,    I.,   Prolegomena  zu   einer  jeden   künftigen  Metaphysik. 
Keller,    C,    Die    Thierwelt    in    der    Landwirthschaft.      Leipzig. 

1»  M. 
Kobert,  B..,  Lehrbuch  der  Intoxikationen.     Stuttgart.     16  M. 


Eoll,  O.,  Die  Theorie  der  Beobaclitungsfehler  und  die  Methode 
der  kleinsten  Quadrate  mit  ihrer  Anwendung  auf  die  Geodäsie 
und  die  Wassermessungen.     Berlin.     11,20  M. 

König,  J.,  Chemie  der  menschlichen  Nahrungs-  und  Genussmittel. 
2.  Tliid.     Berlin.     30  M. 

Koeppen,  W.,  Die  Schreibung  geographischer  Namen.  Hamburg. 
1,20  M. 

Krafft-Ebing,  B.  v.,  Psychopathia  sexualis  mit  besonderer  Berück- 
sichtigung der  conträren  Sexualempfindung.  8.  Aufl.  Stuttgart- 
10  M. 

Krause,  K.  Ch.  F.,  Abriss  der  Geschichte  der  griechischen  Philo- 
sophie.    Berlin.     2,50  M. 

Küpper,  C,  Bestimmung  der  Minimalgruppen.     Prag.     20  M. 

Kux,  H.,  Gasvolumetrische  Bestimmung  organischer  Säuren  und 
der  Jodsänre.     Wiesbaden.     1,50  M. 

Lang,  E.,  Vorlesungen  über  Pathologie  und  Therapie  der  vene- 
rischen Krankheiten.     2.  Theil.     Wiesbaden.     4,80  M. 

Lange,  J. ,  Synthetische  Geometrie  der  Kegelschnitte  nebst 
Uebungsaufgaben.     Berlin.     1,20  M. 

Lustig,  A.,  Diagnostik  der  Bakterien  des  Wassers.  2.  Auflage. 
Jena.     3  M. 

Messtischblätter  des  Preussischen  Staates.  1:25,000.  No.  920. 
Karcilinnnsiel.  —  No.  1012.  Wcstermarsch.  —  No.  15G8.  Eich- 
berg. —  No.  1700.  Fürstenfelde.  —  No.  1706.  Lipke.  —  No.  1776. 
Dechsel.  —   1854.  Pinne.  —  2059.  Borui.     Berlin.     1   M. 

Schenk,  H.,  Beiträge  zur  Biologie  und  Anatomie  der  Lianen,  im 
Besonderen    der    in    Brasilien    einheimischen    Arten.      2.  Tbeil. 

Möbius,  P.  J.,  Abriss  der  Lehre  von  den  Nervenkrankheiten. 
Leipzig.     4, .00  M. 

Mollat,  G.,  Mittlieilungen  aus  Leibnizens  ungedruckten  Schriften. 
Leipzig.     2,40  M.         _ 

Monchamp,  G. ,  Notification  de  la  condamnation  de  Galilee. 
Köln.     1   M. 

Mönnichmeyer,  Allgemeine  Störungen  der  Themis  durch  Mars 
und  Saturn.     Berlin.     1,60  M. 


Briefkasten. 

Herrn  Dr.  K.  —  Von  dem  Frank'schen  umfangreichen  Lehr- 
buch der  Botanik,  dessen  1.  Bd.  vorliegt  und  der  auf  S.  499  Bd. 
VII  besprochen  wurde  soll  der  2.  Bd.  Anfang  diesHS  Jahres  er- 
scheinen. Das  Werk  ist  entstanden  durch  eine  an  Frank  ergangene 
Aufforderung,  das  bekannte  Sachs'sche  Lehrbuch  der  Botanik  neu 
zu  bearbeiten.  Die  letzte,  14.  Auflage  des  Sachs'schen  Lehrbuches 
erschien  1874.  Als  sich  eine  Neu-Äuflage  nöthig  erwies,  konnte 
sich  Sachs  nicht  entschliessen,  eine  Umarbeitung  tles  gesammteu 
Textes  vorzunehmen.  Er  bearbeitete  nun  den  physiologischen 
Theil  neu,  und  zwar  nicht  nur  inhaltlich,  sondern  auch  der  ge- 
sammten  Darstellungsweise  nach;  diesen  Theil  gab  er  1882  unter 
dem  Titel  „Vorlesungen  über  Pflanzen-Physiologie"  heraus,  ein 
Werk,  das  1887  in  2.  Aufl.  erschien.  Die  „Vorlesungen"  richten 
sich  nicht  allein,  wie  das  ursprüngliche  „Lehrbuch"  an  Studirende 
und  Fachgenossen,  sondein  an  das  gebildete  Publicum  überhaupt 
und  sind  demgemäss  möglichst  gemeinverständlich  gehalten.  (Ein 
Hinweis  auf  die  Vorlesungen  findet  sich  in  der  „Naturwissensch. 
Wochenschrift"  Bd.  VI  S.  285).  Für  eine  von  dem  Verlag  ge- 
wünschte Neubearbeitung  der  anderen  Theile  des  Lehrbuchs  hatte 
Sachs  den  Prof.  K.  Goebel  vorgeschlagen,  und  aus  dessen  Feder 
erschienen  denn  auch  1882  seine  „Grundzüge  der  Systematik  und 
speciellen  Pflanzenmorphologie  nach  der  4.  Aufl.  des  Lehrbuchs 
der  Botanik  von  J.  .Sachs."  Dieses  Buch  ist  aber  ganz  Lehrbuch 
geblieben  und  ist  insofern  kein  Gegenstück  zu  den  „Vorlesungen." 
In  beiden  Beziehungen  einheitlich  ist  nun  naturgemäss  das  neue 
Lehrbuch  von  Frank:  es  ist,  wie  der  Titel  besagt,  durchaus  wieder 
„Lehrbuch." 

Nach  einer  nur  zwei  Seiten  umfassenden  Einleitung  sind  die 
Hauptabschnitte  des  669  (-1-  X)  Seiten  nnifas.seuden  Buches,  wie 
folgt,  überschrieben:  I.  Lehre  von  der  Pflanzcnzelle,  IL  Lehre  von 
den  Geweben  der  Pflanze,  Pflanzenauatomie,  III.  Pflanzenphysio- 
logie (S.  229  bis  669  also  besonders  umfangreich).  Der  Pflanzen- 
physiologie  geht  eine  kurze  Einleitung  voraus  und  wird  gegliedert 
in  1.  Die  allgemeinen  äusseren  Lebensbedingungen  der  Pflanzen, 
2.  Physikalische  Physiologie:  die  physikalischen  Eigenschaften 
und  Erscheinungen  der  Pflanzen,  3.  Chemische  Physiologie:  der 
Stoffwechsel  der  Pflanzen,  4.  Die  Vermehrung  der  Pflanzen. 


Inhalt:  Prof.  Dr.  H.  Schubert:  Mathematische  Spielereien  in  kritischer  und  historischer  Beleuchtung.  —  Ueber  die  Spheuo- 
phyllaceen.  (Mit  Abbildungen.)  —  Devon-Kohle  in  der  Eifel.  —  Untersuchung  über  das  Atomgewicht  des  Kupfers.  — 
Fr.  W.  Semmler:  Ueber  Campherarten,  welche  die  Ketongruppe  CO.CH3  enthalten.  —  Ueber  die  bei  der  Condensation  von 
Wasserdampf  auftretenden  Farben.  —  Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben.  —  Litteratur:  Dr.  Eugene  Rey:  Altes  und  Neues  aus 
dem  Haushalte  des  Kuckucks.  —  Julius  Sachs:  Cicsanmielte  Abhandlungen  über  Pflanzen-Physiologie.  —  Gesellseliaft  zur 
Förderung  der  naturhistorischen  Erforschung  des  Orientes.  —  Sitzungsberichte  der  Kaiserl.  Akademie  der  Wissenschaften, 
Mathematisch -naturwissenschaftliche  Classe.  —  Mittheilungen  aus  der  Firma   ,Dr.  Houdek  &  Hervert".  Liste.  —  Briefkasten. 

Verantwortlicher  Redakteur:  Dr.  Henry  Potonitj,  Berlin  N.  4.,  Invalidenstr.  40/41,  für  den  Inseratentheil:  Hugo  Bernstein  in  Berlin,  — 
Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12.  —  Druck;  G.  Berustein,  Berlin  SW.  12, 


Nr.  22. 


Naturwissen.st'liaftlichc  Wochenschrirt. 


XLIII 


gterb.  pümmriTö  '?tcria!\ötiud)l)ait&lunti  in  ^ierlin  SW.  Vi. 


(ftnlcihmg 

in  Mr  nmtli)tifrl)c  OBrxtmctrif 


llllb 


in  iiii^  idju  m\i  Dmi  J'U*ijcl)diutttnt. 

Dr.  ^.  gvfcr, 

lUofctfor  uiib  Dberlcftrct  am  Äöiiial.  *l>äbaao9ium  tci  SiiHicftau. 
ilit  inner  tfafcl  in  StfinSrurt!. 

^nititc   ucrmclirte   <inb   ufrUtITcrtt   ^^tiflagc. 

5prei§   i  3Jlar!. 


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VIII. 

Band.                  Sonntag,  den  4. 

Juni  1893. 

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Abonnement:  Man  abonnirt  bei  allen  Bucbhandlungen  und  Post-             v 

anstalten,  wie  bei  der  Expedition.    Der  Vierteljahrspreis  ist  M  3.—            Gp 

Bringegeld  bei  der  Post  15  ^  extra.                                       JL 

Inserate:  Die  viergespaltene  Petitzeile  40  A.    Grössere  Aufträge  ent- 
sprechenden Rabatt.  Beilagen  nach  Uebereinkunft.  Inseratenannahme 
bei  allen  Annoncenbureaux,  wie  bei  der  Expedition. 

Abdrnck  ist  nur  mit  vollständiger  C^nellenangabe  gestattet. 

Physikalische  Erklärung  von  Formverhältnissen  organischer  Skelettbildungen. 


Von  Dr.  Friedlich  Dreyer.*) 


Die  Ehizopoden,  speciell  diejenigen  des  Meeres,  die 
beiden  Hanpt-  undSchwesterabtiieilungcn  der  kalkschaligen 
Thalamoplioren  (Foraniiniferen)  und  der  kieselsehaligen 
ßadiolarien,  zeichnen  sich  bekanntlich  durch  eine  Formen- 
mannigfaltigkeit und  -differeuciruug  der  Schalen  und 
Skelette,  der  Gerüstbildung  aus,  wie  es  sonst  im  Reiche 
der  Lebewesen  nicht  annähernd  wieder  zu  finden  ist. 

Es  scheint  dies  mit  der  primitiven  Natur  des  aus 
unditi'erencirtem  Protoplasma  bestehenden  Weichkörpers 
dieser  Protisten  im  Widerspruch  zu  stehen,  das  Paradoxon 
löst  sich  jedoch  in  der  folgenden  Weise.  — 

Das  Protoplasma  derRhizopodenkörper  besitzt  flüssigen 
Aggregatzustand,  also  müssen  auch  bei  ihm  die  in  der 
anorganischen  Natur  geltenden  Gesetze  der  Flttssigkeits- 
raechanik  zu  Recht  bestehen. 

Wenn  wir  uns  weiter  die  Protoplasmakörper  der 
Rhizopoden  etwas  näher  ansehen,  so  constatiren  wir  die 
bekannte  Thatsache,  dass  Wasserblasen.  Vacuolen,  in 
ihnen  zu  den  häufigsten  Vorkommnissen  gehören  und  dass 
speciell  die  Protoplasmakörper   der  pelagiseh,    auf  hoher 

*)  In  vorliegendom  Artilcel  komme  ich  einer  Aufforderung 
des  geehi'ten  Herrn  Rediictems  dieser  Zeitschrift  nach,  ein  Referat 
über  meine  „Ziele  nnd  Wege"  zu  verfassen.  Mein  in  Rede  stehen- 
des neuerdings  erschienenes  Buch  (Ziele  und  Wege  biologischer 
Forschung,  beleuchtet  an  der  Hand  einer  Gerüstbildungsmechanik. 
—  Mit  (i  lithographischen  Tafeln.  —  Jena,  Verlag  von  Gustav 
Fischer,  1892)  zerfällt  in  zwei  Theile,  einen  ersten  speciellen  und 
einen  zweiten  allgemeinen  Theil.  Der  erste,  specielie  Theil  ent- 
hält eine  Darstellung  des  Wichtigsten  der  Resultate  meiner  nunmehr 
zu  einem  gewissen  Absehluss  gekommenen  Studien  über  die  Skelett- 
resp.  Gerustbildung  bei  Rhizopoden,  Spongien  und  Echinodermen, 
der  zweite  allgemeine  Theil  bringt  einen  kritischen  Kssay  über  die 
Ziele  und  Wege  biologischer  Forschung.  Der  Zusaunnenhang  der 
beiden  Theilo  ist  ein  <lerartiger,  dass  sich  der  zweite,  allgemeine 
Theil  an  den  ersten  als  ein  specielles  Beispiel  der  I<^orschung  an- 
lehnt. Hieraus,  —  wie  es  auch  schon  in  der  Formulirung  des 
Titels  ausgedrückt  ist,  —  geht  hervor,  dass  der  Sehworijuidvt  der 
Schrift  in  den  methodologisch -theoretischen  Erörterungen  des 
zweiten  allgemeinen  Theiles  liegt.  Gleichwohl  wird  das  oben- 
stehende Referat  die  metliodologisch- theoretischen  Gedankengänge 


See  lebenden  Rhizopoden,  also  besonders  der  Radiolarieu, 
von  dicht  gedrängten  Flüssigkeitsblasen  völlig  durchsetzt 
und  mächtig  aufgebläht  erscheinen  (Fig.  19).  Hier  werden 
demnach  auch  die  speciell  für  blasig  resp.  schanmig  ge- 
baute Flüssigkeitskörper  in  Betracht  kommenden  Gesetze 
der  FlUssigkeitsmechanik,  der  Oberflächenspannung,  eine 
Hauptrolle  spielen;  es  würde  also  zunächst  in  unserer 
Aufgabe  liegen,   uns   über  diese  etwas   zu   informiren.   — 

Das  für  die  Stellung  der  Wände  eines  Blasengerüstes 
fundamentale  Prineip,  aus  dem  sich  alle  Einzelfälle  ab- 
leiten lassen,  ist  das  Prineip  der  kleinsten  Flächen.  Die 
Lamellensysteme  ordnen  sich  so  an,  die  einzelnen  Lamellen 
krümmen  sich  in  der  Weise,  dass  die  Summe  der  Ober- 
flächen aller  unter  den  gegebenen  Verhältnissen  ein  Mi- 
nimum wird.  Die  treibende  Kraft  ist  die  Spannung,  die 
in  den  flüssigen  Oberflächen  ihren  Sitz  hat. 

Hieraus  ergeben  sich  für  die  Gestaltung  jedes  Blasen- 
werkes folgende  Hauptregeln: 

In  jeder  Kante  stossen  3  Wände  znsammen,  welche 
ebensoviele  Blasenräume   scheiden.     In   jedem   Eckpunkt 

dieses  zweiten  Theiles  nicht  berühren  und  sich  nur  mit  dem  spe- 
cielleren  Inhalte  des  ersten  Theiles  beschäftigen.  Die  Ersteren 
.sind  so  abgefasst,  dass  ein  auszugsweises  kürzendes  Referiren, 
ohne  Charakter  und  Sinn  des  geschlossenen  Gedankenganges  mehr 
oder  weniger  zu  beeinträchtigen,  nicht  gut  angeht ;  und  gerade  in 
Bezug  auf  derartige  Principientragen  kann  man  nicht  vorsichtig 
genug  sein.  Immerhin  dürfte  aber  auch  der  speciellere  Inhalt  des 
ersten  Theiles  noch  von  allgemeinem  Interesse  und  daher  geeignet 
sein,  dem  Leserkreise  dieser  Zeitschrift  vorgeführt  zu  werden, 
denn  wir  haben  in  demselben  einen  der  bis  jetzt  noch  seltenen 
Fälle,  wo  es  uns  gelungen  ist,  einen,  und  gerade  einen  sehr  ver- 
zweigten und  anscheinend  sehr  complicirten  Complex  von  Be- 
funden dem  Dunkel  der  uns  als  „Leben"  entgegentretenden  Ge- 
schehnisse abzugewinnen  und  durch  Zurückführung  auf  elementare 
chemisch-physikalische  Proco.sse  und  Gesetze  einem  befriedigenden 
e.\acten  Verständniss  zugänglich  zu  machen.  Natürlich  kann  auch 
hier  eine  referirende  Blüthenlesn  die  zusammenhängende  Dar- 
stellung des  Gegenstandes  nicht  ersetzen,  sondern  nur  das  In- 
teresse wecken;  weiter  bezwecken  ja  aber  die  obigen  Zeilen 
auch  Nicht». 


226 


Naturwissenscbaftliclie  Wocbcnscbvift. 


Nr.  23 


stossen    4    Blasenräume,    6    Wände    und    4   Kanten    zu- 


sammen. 


Als  besonders  s'ceignet  zur  Beobacbtunj. 


dieser  Ver- 


bältnisse   erweisen  sieb   wegen    ibrei 


verbältnissmässigeu 


cialfall,  die  Construction  eines  Complcxes  von  4  gleicb 
grossen  Blasen,  wie  sieb  ein  solelier  unter  Anfbebnng  der 
Sebwerkraft  frei  schwebend  darstellen  würde),  sind  die 
Wände  eben  ausgespannt,  verlaufen  die  Kanten  geradlinig 


Einfachbeit  und  klaren  Durobschaubarkeit  Gruppen  grosser 
Seifenblasen.  Figur  8  gielit  einen  derartigen  nacb  der 
Natur  gezeicbneten,  auf  der  Oberfläcbe  der  Seifeulösung 
scbwinnneudcn  Seifenblasencomplex  wieder. 

Wenn    die    4    einen    Eckpunkt    undagernden    Blasen 
gleich  gross  sind  (Fig.  2  zeigt  eineu  solchen  idealen  Spe- 


und  sind  die  Winkel,  welche  die  Wände  zwischen  sich 
fassen,  gleich,  und  zwar  betragen  sie  120°;  die  Winkel, 
welche  die  Kanten  mit  einander  bilden,  gleich,  und  zwar 
betragen  sie  109°  28'  16,4";  und  endlich  die  Winkel, 
welche  je  eine  Kante  mit  je  einer  Wand  bildet,  einander 
gleich  und  betragen  125° 


15'  52".    Die  von  dem  gemein- 


Nr.  23. 


Naturwissenspliaftliche  Woehcnsclirift. 


227 


samen  Eck-  und  ^littelpunkt  als  ihrem  Radiationspunkt 
ausgelienden  Kanten  entsprechen  den  Achsen  des  regulären 
Tetraeders. 

Mit  Grössendititerenzen  der  Blasen  gehen  entsprechende 
Veränderungen  der  Winkel  und  der  Krünuiiung  der  Wände 
Hand  in  Hand.  Naeli  einem  grösseren  lilasenraume  zu 
sind  die  Winkel  grosser  und  die  Wände  c(nivex  ge\v(ill)t, 
nach  einem  kleineren  die  Winkel  kleiner  und  die  Wände 
concav  gewölbt.  Durch  das  Verhalten  der  Wände  werden 
die  Krünnnung  und  die  Winkel  der  Kanten  hestinnnt: 
jede  Kante  ist  die  Resultante  der  o  in  ihr  zusannnen- 
stossendcn  W^ände,  diese  sind  die  o  Componenten  von 
Kriininnnig  und  Verlauf  der  Kante.  —  Die  einen  Hlasen- 
eoniplex  nach  aussen  abschliessenden  Wände  sind  am 
stärksten  gewölbt.  Wir  können  dies  als  einen  Special- 
fal!  den  für  die  Formation  des  Wandgeriistes  innerhalb 
eines  Complexes  aufgestellten  Regeln  unterordnen,  wenn 
W'ir  die  ganze  Aussenwelt  als  einen  Blasenraum  von  un- 
endliciier  Grösse  auffassen.  —  (Fig.  1,  8.) 

Zur  Beobachtung  der  Wirkungsweise  der  Blasen- 
spannnng  ist  noch  ein  sehr  einfaches  und  probates  Mittel 
zu  empfehlen.  Man  braucht  nur  aus  einer  Bierflasclie 
das  Bier  theilwcise  oder  ganz  auszugiessen,  so  bleibt  in 
dem  entleerten  Räume  das  schönste  Blasengeriist  zurück, 
an  dem  sicii  die  elien  angegebeneu,  sich  aus  der  Blasen- 
spannung ergebenden  Gesetzmässigkeiten  der  Formation 
des  Wandsystenis  und  Kartengerüstes  sehr  gut  beobachten 
lassen. 

In  ihrer  activen  Wirksamkeit  treten  die  Spannungs- 
kräfte hervor,  sobald  in  einem  Blasenwerke  eine  Blase 
platzt.  r)ie  benachliarten  Wände  verschieben  sich  dann 
augenblicklicli  so,  dass  sie  unter  den  neu  gel)ildeten 
Raumverhältnissen  dem  Princip  der  Minimalflächen  wieder 
Rechnung  tragen;  erst  dann  ist  ihr  Gleichgewicht  wieder 
hergestellt. 

Bis  jetzt  haben  wir  die  Stärke  der  Blasenwände  ver- 
nachlässigt; wir  betrachteten  die  Wände  als  mathematische 
Flächen,  die  Kanten  als  Linien  und  die  Pocken  als  Punkte. 
Dies  können  wir  uns  auch  gestatten,  sobald  wir  es  mit 
grossen  Blasen  zu  thun  haben,  deren  Wände  aus  einer 
dünnflüssigen  Substanz  bestehen.  Gleich  nach  der  Bil- 
dung eines  solchen  Blasensystems,  wie  eben  unserer  Seifen- 
blasengruppen oder  des  Blasengerüstes  in  einer  Bierflasche, 
läuft  die  überschüssige  Flüssigkeit,  der  Schwerkraft  fol- 
gend, in  den  Wänden  nach  unten  ab  und  nur  gerade  so 
viel  wird  durch  die  Oberfläeiienspannung  zurückgehalten, 
als  zur  Bildung  dünnster  Wandhäutchen  nrithig  ist.  — 
Die  Verhältnisse  ändern  sich,  sobald  die  Flüssigkeit  dick- 
flüssiger und  zäher  und  die  Blasen  kleiner  sind.  Dann 
bleibt  in  den  Blasenwänden,  wenn  anders  solches  vor- 
iianden  ist,  mehr  Material  haften.  Dassell)C  vertheilt  sich 
jedoch  nun  nicht  mehr  gleiclnnässig  in  den  Wänden,  um 
diese  etwa  zu  gleichmäs.sig  dicken  Platten  zu  verstärken, 
die  scharfkantig  aneinanderstossen  um  die  Formverhält- 
nisse der  dünnen  Blaseuhäute  zu  bewahren,  sondern  die 
Vertheilung  und  Anlagerung  des  überschüssigen  Materiales 
geschit'iit,  in  Bezug  auf  die  Formation  dünner  Blasen- 
wände wenigstens,  ungleiciniiässig,  wenn  gleich  streng 
gesetzmässig,  insofern,  als  in  erster  Linie  die  Ecken,  in 
zweiter  Linie  die  Kanten  als  Attractionsceutra  der  An- 
lagerung wirken.  Mit  anderen  Worten  —  und  dies  er- 
giebt  sich  auch  ans  dem  Princip  der  Mininialflächen,  denn 
die  Kugelform  hat  bei  einem  gegebenen  Volumen  die 
kleinstmögliche  Oberfläche  — ,  die  Blasenränme  sind  con- 
tinuirlieii  bestrebt,  sich  abzurunden.  Eine  gegenseitige 
Abrundung  ist  unmöglich,  solange  die  gemeinsamen 
Zwischenwände  noch  minimal  dünn  sind;  sobald  jedoch 
mehr  Wandmaterial  zur  Verfügung  steht,  wird  dasselbe 
an  den  Stellen  angelagert,   wo   sich   die  151asenräume  am 


meisten  von  der  Kugelform  entfernen,  imd  dies  sind  in 
erster  Linie  die  Ecken,  in  zweiter  Linie  die  Kanten. 
Durch  diesen  Modus  der  planvollen  Anlagerung  werden 
die  Blasenränme  der  Kugelform  so  weit  genähert,  wie  es 
bei  der  vorhandenen  Menge  des  Wandmateriales  möglich 
ist.  —  Das  mor))hologischc  Resultat  dieser  Vertheilung 
des  Wandmateriales  kann  man  sich  an  der  Construction 
unserer  Figur  4  vergegenwärtigen.  Stellen  wir  uns  vor, 
einem  Zwischenwandsystem  gleich  demjenigen  von  Figur  2 
flösse  mehr  Material  zu,  so  würde  dasselbe  zunächst  dessen 
Ecken  ausrunden  und  es  würde  hierdurch  um  den  Ra- 
diationspunkt der  Kanten  ein  Tetraeder  mit  eingebauchten 
Flächen  entstehen;  bei  weiterem  Zufluss  würde  die  Ma- 
terialanlagernng  und  Ausruudung  in  entsprechender  Weise 
längs  der  Kanten  fortschreiten,  das  Tetraeder  würde  zu 
einem  Vierstrahler  mit  dreikantigen  Armen  und  etwas 
eingebogenen  Flächen,  bis  endlich  bei  eventuellem  fort- 
gesetzten Materialzuflusse  die  Ausrundung  sich  auch  über 
die  Wände  erstrecken  und  so  zum  Abschluss  kommen 
würde.  — 

Dies  ans  dem  Gebiete  der  Flüssigkeitsmechauik  ge- 
nügt zunächst  für  unseren  Zweck.  Wenn  wir,  die  vor- 
stehenden Gesetze  der  Blasenspannung  im  Gedächtniss 
behaltend,  an  die  Betrachtung  der  Skclettbildung  der 
Ilhizopoden  herangehen,  so  wird  uns  in  überraschend  ein- 
facher Weise  ein  einheitliches  eausales  Verständuiss  der 
mannigfaltigen  uns  hier  entgegentretenden  Formen  aufgehen. 

Wie  schon  bemerkt,  ist  der  Sarcodekörper  gerade 
der  für  uns,  d.  h.  in  Bezug  auf  Skelettbildung,  in  erster 
Linie  in  Betracht  konnuenden  pelagisch  lebenden  Rhizo- 
poden,  also  besonders  der  Radiolarien,  von  Wasserblasen 
{vom  biologischen  Sprachgebrauch  „Vacuolen"  genannt) 
vollständig  durchsetzt.  Der  Kfirper  ist  durch  die  dicht 
gedrängten  Flüssigkeitsblasen  mächtig  aufgebläht,  das 
eigentliche  lebende  Protoplasma  erscheint  als  das  Zwischen- 
wandmaterial des  blasig- schaumigen  Körpers  und  folgt 
als  solches  den  Gesetzmässigkeiten  der  Flüssigkeits- 
mechanik rcsp.  Blasenspannung  ebenso  wie  die  Blasen- 
gerüste der  leblosen  anorganischen  Schaumkörper.  Es 
ist  dies  nach  der  Allgemeingültigkeit  der  Naturgesetze 
schon  a  priori  zu  erwarten  und  lässt  sich  denn  auch  durch 
directe  Beobachtung  überall  bestätigen.  Die  Anwendung 
auf  die  Skelettbildung  ergiebt  sich  nun  von  selbst:  Die 
Skelette  entstehen  durch  Verkalkung,  Verkieselung  oder 
Verhornung  organischer  Theile,  die  Skelettsubstanz  wird 
von  und  in  der  lebenden  Sarcode  abgeschieden;  da  nun 
diese  bei  unseren  Rhizopoden  in  ihrem  morphologischen 
Aufbau  in  ausgiebigem  Maassc  durch  die  Blasenspannung 
beherrscht  wird,  so  werden  auch  die  Skelette,  die  die 
ihrer  Bildung  zu  Grunde  liegenden  Sarcodepartien  und 
deren  Formen  gleichsam  in  versteinertem  Zustande  con- 
serviren,  nach  den  Gesetzen  der  Blasenspannung  gebaut 
sein.  Wir  werden  sehen,  dass  sich  dieser  Schluss  voll- 
ständig bestätigt  und  somit  zu  einem  exacten,  physikalisch- 
causalen  Verständuiss  der  in  Betracht  gezogenen  Skelett- 
formen gelangen.  — 

Die  in  schaumigen  Sarcodekörpern  entstan- 
denen Skelette  repräsentiren  durch  die  Abschei- 
duug  von  Skelettsubstanz  versteinerte  Partien 
des  protoplasmatischen  Blaseugerüstes. 

Nur  theilwcise  versteinern  die  Sarcodegerüste  durch 
die  Skelettbildung  schon  deshalb,  weil  eine  Versteinerung 
der  ganzen  Protoplasmawaben  zur  Bildung  von  allseitig 
geschlossenen  Kammern  und  somit  zur  Aufhebung  der 
Möglichkeit  eines  Stoft'austausches  im  Rhizopodenkcirper 
führen  würde,  und  zwar  ist  es  Regel,  dass  durch  die 
Skelettbildung  in  erster  Linie  stets  die  Kanten  der  Proto- 
plasmawaben begünstigt  werden.  Das  Verständuiss  hier- 
für linden  wir  darin,  dass,  wie  wir  schon  kennen  lernten, 


228 


Naturwissenschaftliclie  Wochenschrift. 


Nv.  23. 


die  Ecken  und  Kanten  eines  Blasencomplexcs  durch  die 
Materialaulagerung  zunächst  begünstigt  werden,  denn  es 
ist  leicht  verständlich,  dass  da,  wo  die  Sarcode  am  stärk- 
sten angesammelt  ist,  auch  die  Lebensenergie,  die  Pro- 
cesse  des  Stoffwechsels,  die  Secretion  von  Skelettsubstanz 
am  kräftigsten  sind,  dass  also  bei  den  uns  vorschweben- 
den Verhältnissen  die  Skelettbildung  in  dem  Gerüst  der 
stärkeren  Kanten  eher  stattfindet,  wie  in  den  zarten 
Zwischenwänden  der  Vacuolenblasen. 

Kieselgerüste,  welche  den  Weichktirper  mehr  oder 
weniger  allseitig  als  unregelmässiges  Schwammwerk  durch- 
setzen und  auf  den  ersten  Blick  als  versteinerte  Kanten- 
gerüste schaumiger  Körper  imponiren,  kommen  sehr 
häufig  und  in  den  verschiedensten  Radiolarienabthei- 
lungeu  vor. 

Hie  und  da  findet  es  sich  allerdings  auch,  dass  die 
Protoplasmawaben  nicht  nui'  in  ihren  Kanten,  sondern 
vollständig  verkieseln,  was  dann  eben  zur  vollständigen 
Versteinerung  des  Schaumvverkes  und  zur  Bildung  von 
allseitig  geschlossenen  Wabcnkannnern  führt.  Solchen 
Befunden  begegnen  wir  aber  nur  da,  wo  es  sieh  um 
eircumscripte  Schalen,  nie  aber  um  ein  den  ganzen  Khizo- 
podenkörper  durchsetzendes  Skelett  handelt.  Als  Beispiel 
vergleiche  Figur  9,  die  Darstellung  einer  Partie  aus  der 
Schale  einer  Phäodarie  (Radiolarienabtheilung). 

Ist  die  Disposition  zur  Abscheidung  von  Skelettsubstanz 
geringer,  so  findet  die  Skelettbildung  im  Sarcodekörper 
nur  an  einzelnen  Stellen  des  Kantengerüstes  der  Proto- 
plasmawabeu  statt.  Dies  führt  zur  Bildung  von  isolirten 
Spiculis,  wie  sie  besonders  für  die  beloiden  Spuniellarien 
charakteristisch  sind.  (Fig.  19.)  In  der  Regel  nimmt  der 
Process  der  Spiculunibildung  von  einem  Radiationspunkte 
des  Kantensystems  seineu  Ausgang;  greift  er  auf  alle  4 
von  hier  ausgehenden  Kanten  über,  so  entsteht  ein  vier- 
strahliges  Spiculum,  werden  nur  o  Kanten  in  Mitleiden- 
schaft gezogen,  so  entstehen  Dreistrahler.  Häufig  spielt 
sich  der  Process  der  Verkieselung  aber  auch  nur  im  Ver- 
laufe einer  Kante  ab,  ohne  einen  Radiationspunkt  zu 
überschreiten:  es  entstehen  dann  Stabnadeln.  Die  Länge 
der  einzelnen  Stacheln  der  Spicula  ist  natürlich  einmal 
in  der  Länge  der  Blasenkanten  gegel)en,  in  denen  sie 
sich  bilden,  dann  aber  auch  durch  die  Länge  der  Strecke, 
auf  welcher  Abscheidung  von  Skelettsubstanz  stattfindet, 
da  eine  Kante  nicht  immer  in  ihrer  ganzen  Länge  an  der 
Skelettbildung  betheiligt  zu  sein  braucht.  Die  Winkel, 
welche  die  Stacheln  eines  Spiculums  mit  einander  bilden, 
ebenso  wie  eventuelle  Krümmungen  der  Straiden,  kurz 
die  hieraus  resultirende  Gestaltung  des  ganzen  Spiculums 
ist  natürlich  bedingt  durch  die  Gestaltung  des  Kanten- 
systems, welches  seiner  Bildung  zu  Grunde  lag.  f^ine 
grössere  Energie  der  Skelettbildung  ist  schon  bei  den- 
jenigen Spiculis  zu  constatiren,  deren  Bildung  über  das 
Gebiet  eines  Radiationspunktes  des  Kantengerüstes  hinaus- 
geht. Als  bei  den  beloiden  Spumellarien  besonders  häufige 
und  typische  Form  sei  hier  der  Doppelvierstrahler  ge- 
nannt, ein  Stab,  der  an  jedem  Ende  in  drei  Stacheln 
ausläuft,  d.  h.  mit  anderen  Worten  zwei  einen  Zwilling 
bildende  Vierstrahler,  denen  ein  Strahl  gemeinsam  ist. 
Der  Bildung  eines  solchen  Doppelvierstrahlers  liegen  im 
AVeicldvörper  2  benachbarte  Radiationspunktc  nut  den  von 
ihnen  ausgehenden  Kanten  zu  (irunde.  Zuweilen  sind 
nicht  alle  von  den  beiden  Radiationspuukten  ausgehenden 
Kanten  durch  Skelettbildung  verkörpert,  so  dass  dann  von 
einem  oder  auch  von  beiden  Enden  des  Mittelstabes  nur 
2  Stacheln  ausgehen.  Auch  2  solcher  Formen  finden  sich 
unter  den  Spiculis  des  in  Figur  19  dargestellten  Sectors 
eines  Radiolarienkörpers.  —  Die  verschiedenen  Spiculum- 
formen  kann  man  sich,  um  die  Anschaulichkeit  der  Form- 
verhältnisse zu   unterstützen,    leicht  in  ein  Kautensystem 


eines  Seifenblasencomplexes  (Figur  2,  8)  eingezeichnet 
denken.  — 

Von  einheithchen  zusammenhängenden  Skeletten 
hatten  wir  bereits  der  den  Weichkörper  als  unregel- 
mässiges Schwammwerk  allseitig  durchsetzenden  Kiesel- 
gerüste gedacht.  Dieselben  sind  zwar,  wie  sclion  bemerkt, 
sehr  verbreitet,  werden  aber  in  allgemeiner  Verbreitung 
und  Häufigkeit  von  den  gleichmässig  flächenhaft  ent- 
wickelten, der  Gestalt  ihrer  Rbizopodenkörper  conformen 
Schalen  (Fig.  12,  16 — 18)  noch  übertroffen.  Dies  wird 
dadurch  leicht  verständlich,  dass  sich  diese  Schalen- 
bildung auf  eine  allgemeine  Eigenschaft  der  Zelle,  und 
zwar  auf  deren  Schichtung  zurückführt.  Die  concen- 
trische  Schichtung  tritt  uns  bei  den  Zellen  der  thierischen 
und  pflanzlichen  Gewebe  ebenso  wie  bei  den  Zellkörpern 
der  Protisten  sehr  häufig  entgegen,  und  wir  hal)en 
Grund,  sie  für  eine  hauptsächliche  Eigenschaft  der  Zelle 
zu  halten.  Gerade  ganz  besonders  charakteristisch  ist 
jedoch  der  concentrische  Bau  des  Sarcodekörpers  für 
Heliozoen  und  Radiolarien  (Fig.  19).  Die  Schichtung  be- 
ruht auf  verschiedener  chemischer  und  morphologischer 
Beschaft'eidieit  und  verschiedenen  i)hysiologischen  Fähig- 
keiten der  Protoplasmalagen.  Von  der  chemischen  Be- 
schatt'enheit  der  Schichten  sind  die  in  ihnen  stattfindenden 
Entmischungs-  und  Secretionsprocesse  abhängig  und,  da 
durch  diese  die  Vacuolenbildung  bedingt  und  geregelt 
wird,  aucli  der  morphologische  Bau  der  Schichten.  Ge- 
rade durcii  die  Vacuolen  tritt  bei  den  Rhizopoden  die 
Schichtung  meist  erst  deutlich  hervor.  Die  Vacuolen  sind 
einmal  selbst  in  Schichten  angeordnet  und  zeigen  weiter 
in  den  verschiedenen  Protoplasmalagcu  verschiedenes  Ver- 
halten :  man  kann  Schichten  mit  gleich  grossen  Vacuolen 
und  solche  mit  Vacuolen  von  ungleicher  Grösse;  gross- 
und  kleinblasige,  vacuoleureiche,  vacuolenarnie  und  solide 
Protoplasmaschichten  untei-scheiden.  —  Manche  Schichten 
des  Radiolarienkörpers  zeichnen  sich  durch  Seeretion  von 
Oeltropfen  aus,  in  anderen  wieder  finden  die  symbion- 
tischen  gelben  Zellen  die  ihren  Lebensbedürfnissen 
zusagenden  Veriiältnisse;  eine  ganz  bestimmte  Schicht  hat 
die  Fähigkeit,  die  Membran  einer  Ceutralkapsel  zu  bilden; 
ebenso  findet  in  einer  bestimmten  Sciiiclit  vermöge  des 
specifischen  Chemismus  derselben  die  Aufspeicherung  und 
Secretion  von  Kieselsäure  statt,  in  ihr  kommt  es  zur  Bil- 
dung einer  Kieselschale  (resp.  bei  den  Akantharien  einer 
hornigen  Akanthinschale,  bei  den  Thalamophoren  einer 
Kalkscliale).  —  Die  einzelnen  Schichten  eines  kugel- 
runden Sarcodekörpers  und  mithin  auch  eine  in  einer 
solchen  Schicht  abgeschiedene  Sehale  bilden  Hohlkugeln. 
Andere  Schalenformen,  wie  die  discoiden  Schalen  mit 
einer  verkürzten,  die  prunoiden  Schalen  nut  einer  ver- 
längerten promorphologischen  Hauptachse,  die  nionaxon- 
heteropolen  Seluilen  mit  einer  Ilauptmündungsöft'nung 
am  einen  Pole  der  Schale  (Fig.  lo,  22 a)  ergeben  sich 
von  selbst  aus  entsprechenden  Formen  des  Weichkörpers:*) 
Die  Schichten  werden  im  Grossen  und  (ranzen  der  äusseren 
Form  ihres  Weichkörpers  parallel  laufen,  woraus  sich 
dann  die  Conformität  von  (einer  in  einer  dieser  Schichten 
gel)ildeten)  Schale  und  Weicldvörper  ergiebt. 

Das  Netz  der  in  die  skeicttogene  Sarcodeschicht 
fallenden  und  von  dieser  ([uergetrofieneu  Wände  der 
Protoplasniawaben  ist  für  die  Mori)hologic  der  Gitter- 
schale maassgebend:  bei  eintretender  Verkieselung  über- 
tragen sich  seine  Formen  auf  die  resultirende  Schale. 

Um  der  Anschaulichkeit  zu  Hülfe  zu  kommen,  gel)en 
wir  die  Construction   der  Figur  20.     Dieselbe    möge    die 


*)  Die  Bildungsnieohanik  dieser  Gesamintfonn  ist  wieder  ein 
Gegenstand  für  sieh,  hier  handelt  es  sich  für  nna  zunächst  um 
die  Bildunpsmeehauik  der  Struetiir-,  vgl.  die  hierauf  bezügliche 
Bemerkung  gegen  das  Ende  des  Artikels. 


Nr.  23. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


229 


äusserste*)  Blasenschicht  eines  vacuolisirten   Rhizopoden- 

*)  Es  soll  natürlich  nicht  gesagt  sein,  dass  die  Skeletthildung 
immer  gerade  im  Bereiche  der  äussersten  Vaciiolcnlage  stattfindet, 
im  Gegentheil  scheint  es  uns  wahrscheinlich,  dass  dies  häufig 
einige  Vacuolenlagen  weiter  nach  innen  geschieht.  Wir  haben 
für  unsere  Figur  nur  deshalb  eine  äusserste  Blasenschiclit  gewählt, 
weil  \\  ir  in  derselben  auch  einige  für  eine  solche  eigentluindiche 
Skclettbildungeu  [a,  h)  unterbringen  wollten. 


körpcr.s  darstellen.     Nach  aussen  können  sich  die  Vacuolen 
als    runde   Kuppeln    frei    iiervorwölben,   seitlich    drücken 


sie  sich  gegenseitig  iiach, 
die  skelettogene  Schiciit 
etwas  weiter  nach  unten 
Vacuolenschicht  folgen. 


unten  ist  das  Netz  der  in 
teilenden  Wandpartien,  noch 
würde    dann    die   nächstinnere 


(Schliiss  folgt. 


Mathematische  Spielereien  in  kritischer  und  historischer  Beleuchtung. 

Von  Prof  Dr.  IL  Sc  hu  bort. 
(Fortsetzung.) 


E.  Magische  Jahreszahl-Quadrate.  —  Die  bis- 
her betracliteten  Zaubenjuadrate  enthielten  inuner  nur  die 
natürliclien  Zahlen  von  1  an  aufwärts.  ]\lan  kaiui  jedoch 
ans  einem  richtigen  magischen  Quadrate  leielit  andere  ab- 
leiten, bei  denen  ein  anderes  Gesetz  in  der  Reihenfolge 
der  einzuschreibenden  Zahl  niaassgebend  ist.  Beispiels- 
weise könnte  man  nur  die  ungeraden  Zaiden  einsehreiben. 
Von  derartig  abgeleiteten  Zauber(iuadraten  wcdlen  wir 
hier  nur  diejenigen  kennen  lernen,  bt'i  denen  zwar  auf- 
einanderfolgende Zahlen  eingeschriel)en  sind,  als  .Summe 
der  Reihen  aber  eine  gewisse  gewiinsciite  Zahl,  etwa  eine 
Jahreszahl,   erscheint. 

Dann  hat  man  einfach  zu  den  Zaiüen  des  ursprüng- 
lichen Quadrats  eine  bestinnnte  zu  berechnende  Zahl  hin- 
zuzuzählen, damit  die  verlangte  Summe  herauskommt.  Ist 
dieselbe  durch  drei  theilbar,  so  giebt  es  immer  magische 
Quadrate  mit  dreimal  drei  Feldern,  die  diese  Summe  er- 
geben. Dann  liat  man  die  letztere  durch  drei  zu  divi- 
diren,  und  von  dem  Resultat  5  abzuziehen,  um  die  Zahl 
zu  erhalten,  die  man  zu  jeder  Zahl  des  ursprünglichen 
Quadrats  hinzuzuzählen  hat.  Ist  die  gewünschte  Summe 
gerade,  aber  nicht  durch  4  theilbar,  so  hat  man  34  ab- 
zuziehen, und  dann  den  vierten  Theil  zu  nehmen,  um  die 
Zahl  zu  erlialten,  die  man  überall  addiren  nuiss.  Will 
man  also  z.  B.  die  Jahreszahl  1890  als  Summe  jeder 
Reihe  erhalten,  so  hat  man  464  zu  jeder  Zahl  eines  ge- 
wrdiniiehen  magischen  Quadrats  mit  viermalvier  Feldernzu 
addiren,  mit  andern  Worten,  man  hat  statt  der  Zahlen  von 
I  bis  16,  die  von  465  bis  480  in  die  Felder  einzufügen. 
Da  die  jetzige  Jahreszahl  1892  durch  11  theilbar  ist^  so 

Zauberquadrat  über  die  Jahreszahl  1892. 


18;)2 

1892 

is;)2 

18i)2 
18U2 
18;)2 
1892 
1892 
1892 
189-2 
1892 


112 

124,  136  1  148 

16Ü.|  172 

184 

196 
231 

208 
122 

220  232 

147  j 159 

171 

183 

195 

207 

219 

123 j 135 

182 

194 

206 

218  230]  121 

133  134 

146  158  j  170 

217 

229  120 

132 

144 

145 

157  169 

181 

193 

205 

131 
166 

143 

155 

156 

168 

180 

192 

204 j 216 

228 

119 

167  179  191  203 

215 

227  118 

130 

142 

154 

190 
22r. 

202  214 

226  117  129 

141  158 

165 

177 

178 

116 

128  140 

1.52 

164 

176 

188 

189 

201 

213 

139 

151  '  168  175 

1    1- 

187  199 

200 

212 

224 j  115 

127 

174 

186 

198 

210 

2H 

223 

114  [  126 

138 

150 

162 

209 

221 

222  113 

125'  137 

149'  161  173 

18Ö  197 

1892  1892  1892  1882  1892  1892  1892  189J  1892  1892  1892 


muss  es  gelingen,  aus  dem  am  Schluss  von  C  von  uns 
fiirmirten  Zauberciuadrate  ein  solches  altzuleiten,  bei  dem 
jede  Reiiie  von  11  Feldern  die  Jahreszahl  1892  er- 
giebt.  Wir  ziehen  zu  diesem  Zweck  die  Summe  des  Ori- 
ginalquadrats 671  von  1892  ab,  und  dividiren  den  Rest 
durch  11,  wodurcii  wir  111  erhalten  und  daraus  erkennen, 
dass  die  Zahlen  von  112  bis  232  in  die  Felder  einzu- 
sclirciben  sind.  So  entsteht  das  folgende  Quadrat, 
aus  welchem  44  mal  ein  und  dieselbe  Summe, 
nämlich  1892  erlialten  werden  kann,  nämlich 
erstens  aus  jeder  der  11  horizontalen  Reihen, 
zweitens  aus  jeder  der  11  vertikalen  Reihen, 
drittens  aus  den  beiden  diagonalen  Reihen  und 
viertens  noch  20mal  aus  je  zwei  Reihen,  die, 
einer  Diagonale  parallel,  zusammen  11  Felder 
haben  und  auf  versehi edenen  Seiten  dieser  Dia- 
gonale liegen,  wie  z.  B.  196,  122,  158,  205,  131,  167, 
214,  140,  187,  223,  149. 

F.  Ineinanderliegende  magische  Quadrate. 
Der  Scharfsinn  der  Mathematiker  hat  auch  magische  Qua- 
drate gefunden,  welche  die  Eigenthümlichkcit  haben,  dass, 
wenn  man  nacheinander  am  Rande  je  eine  Reihe  fort- 
ninmit,  das  übrig  bleiliende  kleinere  Quadrat  noch  immer 
ein  magisciies  ist,  d.  h.  die  Eigenschaft  hat,  dass  alle 
Reihen  dieselbe  Sunnne  ergeben.  Es  mag  hier  genügen, 
von  solchen  Quadraten,  die  ein  komplizirteres  Bildungs- 
gesetz haben,  zwei  Beispiele  zu  liefern,  von  denen  das 
erste  7  mal  7,  das  zweite  8  mal  8  Felder  hat.  Die 
Zahlen  in  jeder  Unn-ahmung  bilden  um  die  Mitte  herum 
Quadrate,  die  wieder  für  sich  magisch  sind. 


4 

5  6 

13  39 

38 

40 

49 

15  IG  3:;  30 

31 

1 

4S 
47 
8 
9 

:!7 
18 

22  j  27  -iC, 

13 

*> 

29 

25 

21 

28 

14 
32 

42 
41 
46 

24 

23 

19 

31  I  17  1 20 

33 

10 

l.'i  11  7  11 

12 

1  56  55 

11  .53 

13  1  14 

57 

(;3 
(■i2 
4 

15  147 

22  '  42 

24  45 

2 
3 

61 
60 
6 

49 
18 
44 

25 

28 

4,0  34 

31 

10 
17 
21 
46 

37  35 

30 

39 

26  32 

38 

59 
58 
8 

19 

38 

27|29 

36 

20 

18 

43  1  23 

41 

50 

7 
r,i 

;i  10 

54  1  12 

.r-'  .".1 

Bei  dem  ersten  dieser  Quadrate  enthält  das  inwendige 
Quadrat  von  3  mal  3  Feldern  die  Zahlen  von  21  bis  29 
derartig,  dass  jede  Reihe  die  Summe  75  ergiebt.  Dieses 
(Quadrat  liegt  in  einem  grösseren  von  5  mal  5  Feldern, 
welches  die  Zahlen  von  13  bis  37  derartig  enthält,  dass 
jede  Reihe  die  Summe  125  liefert.  Endlich  ist  dieses 
Quadrat  wieder  Theil  eines  Quadrats  mit  7  mal  7  Feldern, 
das  die  Zahlen  von  1  bis  49  derartig  enthält,  dass  jede 
Reihe  die  Summe  175  ergiebt. 


230 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  23. 


Bei  dem  zweiten  Quadrat  enthält  das  inwendige 
Quadrat  von  4  mal  4  Feldern  die  Zahlen  von  25  bis  40 
derartig-,  dass  jede  Reihe  die  Summe  130  ergiebt.  Dieses 
Quadrat  ist  die  Mitte  eines  Quadrats  von  6  mal  6  Fel- 
dern, das  die  Zahlen  von  15  bis  50  derartig-  enthält,  dass 
jede  Reihe  die  Summe  195  liefert.  Endlicii  ist  dieses 
Quadrat  wieder  die  Mitte  eines  gewöhnlichen  magischen 
Quadrats  der  Zahlen  1  bis  64. 

G.  Magische  Quadrate  mit  magischen  Thcilen. 
Zerlegt  mau  ein  Quadrat  von  8  mal  8  Feldern  durch 
die  beiden,  den  Seiten  parallelen  Mittellinien  in  4  Theile 
von  je  4  mal  4  Feldern,  so  kann  man  die  Aufgabe 
stellen,  die  Zahlen  von  1  bis  64  so  einzufügen,  dass  nicht 
allein  das  Ganze  ein  magisches  Quadrat  vorstellt,  sondern 
dass  auch  jeder  der  4  Theile  für  sich  magisch  ist,  d.  h. 
dieselbe  Summe  aus  jeder  Reihe  liefert.  Auch  diese  Auf- 
gabe hat  man  zu  lösen  vermocht,  wie  folgendes  Beis])icl 
zeigt. 


1  1  4 

63  62 

5 

8  59 

.'-8 

64  61  2  3 

60|57 

6 

7 

42  43 

24  21 

34 

35 

32 

29 

2:;  22 

41 

44 

31 

30 

33 

36 

13 

16 

51  50 

0 

12 

55 

54 

52 

49 

14 

15 

56 

53 

10 

11 

38 

39  28 

25 

46 

47 

20 

17 

27  26  37  40 

19 

18  46 

48 

Hier  liefern  die  vier  Zahlen  in  jeder  Reihe  eines 
Theil-Quadrats  die  Summe  130,  sodass"  die  Summe  jeder 
Reihe  des  grossen  Quadrats  260  ergiebt.  Endlich  bieten 
wir  noch  unsern  Lesern  ein  ganz  merkwürdiges  Quadrat 
der  Zahlen  von  1  bis  81.  Dasselbe  ist  durch  Parallelen 
in  neun  Theile  zerlegt,  deren  jeder  neun  aufeinanderfol- 
gende Zahlen  enthält,  die  ein  magisches  Quadrat  für  sich 
bilden : 


31  36  29 

7G|81 

74 

13  18  11 

30  32 

34 

75|77 

79 

12 

14 

16 

35 

28  33 

80  73  78 

17 

10 

15 

22 

27  1  20 

40  1  45 

38 

58 

(53  1  56 

21  23  1  25 

39  41 

43 

57 

59  61 

26  19  24 

44 

37  1  4-.' 

62  i  .^.5  60 

67  ,  72  1  65 

4,9,2 

49  54  47 

66 

68|70 

3,57 

48 

50 

52 

71  64  69 

8   1   6 

53  46  51  1 

So  wunderbar  die  Eigenschaften  dieses  Quadrats  er- 
scheinen, so  einfach  ist  das  Gesetz,  nach  welchem  der 
Verfasser  dieses  Quadrat  gebildet  hat.  Man  hat  nämlich 
nur  die  neun  Theile  als  die  neun  Quadrate  eines  magischen 
Quadrats  der  Zahlen  I  bis  IX  anzusehen  und  dann  in  das 
mit  I  bezeichnete  Quadrat  die  Zahlen  von  1  bis  9,  in  das 
mit  II  bezeichnete  Quadrat  die  Zahlen  ^on  10  bis  18  u.  s.  w. 
magisch  einzuschreiben.  Dann  entsteht  das  obige  Quadrat 
aus  folgendem  grundlegenden  Quadrate: 


IV 

IX 

11 

III 

V 

VII 

VIII 

I 

VI 

H.  Magische  Quadrate,  die  zugleich  Rössel- 
sprünge sind.  Wer  von  den  Lesern  kennt  nicht  die  in 
den  Ünterhaltungs-Zeitschriften  enthaltenen  Aufgaben,  bei 
denen  es  darauf  ankommt,  8  mal  8  quadratisch  geord- 
nete Silben  zu  einem  Verse  zusammenzusetzen,  dass  je 
zwei  aufeinanderfolgende  Silben  in  zwei  Feldern  stehen, 
die  derartig  zu  einander  liegen,  dass  der  Springer  des 
Schachspiels  von  dem  einen  zu  dem  andern  springen 
darf?  f]rsetzt  man  dabei  die  aufeinanderfolgenden  64 
Silben  durcii  die  Zahlen  von  1  bis  64,  so  erhält  man 
einen  Zahlen-Rösselsprung.  Es  giebt  zwar  auch  Me- 
thoden, derartige  Rösselsprünge,  die  dann  die  Grundlagen 
zu  den  Aufgaben  in  den  Zeitschriften  bilden,  zusammen- 
zusetzen. Doch  werden  die  meisten  solcher  Rösselsprünge 
mehr  durch  Probiren  als  methodisch  geschaffen.  Ist  es 
nun  schon  eine  harte  Geduldsprobe,  durch  Probiren  einen 
Rösselsprung  zu  formiren,  so  ist  es  natürlich  eine  noch 
viel  härtere  Geduldsprobe,  zugleich  dafür  zu  sorgen,  dass 
die  den  Rösselsprung  bildenden  64  Zahlen  auch  noch  ein 
magisches  Quadrat  darstellen.  Dieser  Geduldsprobe  hat 
sich  ein  auf  dem  Lande  lebender  mährischer  pensionirter 
Beamter,  namens  Wenzelides,  vor  mehreren  Dezennien 
unterzogen.  Nach  Jahre  hindurch  dauernden  Versuchen 
ist  es  ihm  gelungen,  in  die  64  Felder  des  Schachl)retts 
die  Zahlen  \on  1  bis  64  so  einzuschreiben,  dass  die  auf- 
einanderfolgenden Zahlen,  und  auch  64  und  1,  immer  um 
einen  Springerzug  abstehen,  und  dass  ausserdem  die  hori- 
zontalen und  die  vertikalen  Reihen  immer  dieselbe  Summe 
260  ergeben.  Er  fand  schliesslich  mehrere  solcher  Qua- 
drate, welche  die  Berliner  Schachzeitung  veröffentlichte. 
Das  eine  dieser  Quadrate  sieht  so  aus: 


47  1  10  23  1  64 

49  2  59  6 

22  63  48 

9  |60 

5  |50 

M 

11  |46 

61 

24  1  1 

52  1  7  j58| 

62  21  12  45 1  8 

57 

4 

51 

19|36 

25 

40 

13  1  44  1  53 

30 

26  1  39  20 

33  56 

29  14  43 1 

35 

18  37  28  4l|l6 

31  54J 

38 

27  34  17 

32 

55 

42 

15  1 

Man  beachte  also  sowohl  den  Rösselsprung  wie  auch 
die  Gleichsummigkeit  der  horizontalen  und  der  vertikalen 
Reihen.  Was  die  diagonalen  Reihen  anbetrifft,  so  geben 
sie  nicht  die  Summe  260.  Vielleicht  verlockt  es  einen 
unserer  Leser,  der  Zeit  und  Geduld  dazu  hat,  Wenzelides 
noch  zu  übertreffen,  indem  er  einen  Rösselsprung  schmiedet, 
der  nicht  allein  in  den  horizontalen  und  den  vertikalen, 
sondern  auch  in  den  beiden  diagonalen  Reihen  die  Summe 
260  liefert. 

I.  Magische  Polygone.  Bis  jetzt  haben  wir  nur 
solche  Erweiterungen  des  dem  magischen  Quadrate  zu 
Grunde  liegenden  Gedankens  besprochen,  bei  denen  die 
geometrische  Figur  des  Quadrats  festgehalten  ist.  Man 
kann  jedoch  auch  Erweiterungen  schaffen,  bei  denen  statt 
eines  Quadrats  ein  Rechteck  oder  ein  Dreieck,  Fünfeck 
n.  s.  w.  auftritt.  Ohne  auf  die  Methoden  zur  Bildung 
solcher  Figuren  näher  einzugehen,  wollen  wir  hier  nur 
einige  von  Herrn  Schcff'ler  gelieferte  Beispiele  solcher 
magischen  Polygone  anführen : 

1.  Die  Zahlen  von  1  bis  32  lassen  sich  zu  4  mal  8 
so  in  ein  Rechteck  schreiben,  dass  die  langen  horizontalen 
Reihen  die  Summe  132  und  die  kurzen  vertikalen  Reihen 
die  Summe  66  geben,  nämlich: 


Nr.  23. 


Naturwissen.seliaftliclie  Woclienscliril't. 


2.31 


1 

10  j  11  29  28  19.  18  16 

9  1  2  30  12  20  27  1  7  1  25 1 

24 

31  3  1 21 1  13  6  26  8 

32 

23 1  22  4   5  14|  15  17 

2.  Die  Zahlen  von  1  bis  27  lassen  sich  um  einen 
Punkt  als  gemeinsames  Ceutiutn  zu  drei  regulären  Drei- 
ecken gruppiren,  so  dass  jede  Seite  des  äussersten  Drei- 
ecks G  Zahlen  mit  der  Summe  96  und  jede  Seite  des 
mittleren  Dreiecks  vier  Zahlen  mit  der  Summe  61  ergiebt, 
wie  folgende  Figur  zeigt: 


26  —  3^6—10—24 
\     20  —  9  —  11 


-27 


^■/ 


\    \       16      17       /   / 
\   15       \    /         8    / 


22     \  I         /  / 

\   7  12  13    / 

\  19       / 

1  14 


3.  Die  Zahlen  von  1  bis  80  lassen  sich  um  einen 
Punkt  als  gemeinsames  Centrum  zu  vier  Fünfecken  for- 
miren,  sodass  jede  Seite  des  von  innen  ersten  Fünfecks 
zwei  Zahlen,  des  zweiten  Fünfecks  vier  Zahlen,  des  dritten 
Fünfecks  sechs  Zahlen,  des  äussersten  vierten  Fünfecks 
acht  Zahlen  enthält.  Die  Summe  der  Zahlen  jeder  Seite 
des  zweiten  Fünfecks  beträgt  122,  jeder  Seite  des  dritten 
Fünfecks  248  und  jeder  Seite  des  vierten  Fünfecks  254. 
Dazu  kommt,  dass  auch  die  Summe  von  je  vier  Eckzahlen, 
die  mit  dem  Centrum  in  gerader  Linie  liegen,  dieselbe  ist, 
nämlich  92. 


31 


'  \ 
26  54 


15. 


49 


\ 


10  '^\  80 

76^  3C  44,  Xg 

50  /  ifi  \  ^2 

/  71  /■^°\  66  ^ 

/  .45  /'  K^  37^  2 

\  11  /'^  60  -\  14  / 

30  20  17  /  53 

\  40  \  56         59  /  43  / 

35  \  21  *  64  /  48 

\  69  \  57    58  /  73  / 

6  \  62  23  /  79 

\  75  \  /  67  / 

77  \  19  —  22-63—18  /  8 

\  41  38  / 

46  \  33 

\  12-39-68—74  —  42—13  / 

51  28 

\  / 

4—29  —  34—  7  —78  —  47  —  52—3 


4.  Die  Zahlen  von  1  bis  73  lassen  sich  um  ein  Cen- 
truni,  in  das  die  Zahl  37  geschrieben  wird,  zu  drei  Sechs- 
ecken gruppiren,  welche  beziehungsweise  3,  5,  7  Zahlen 
in  jeder   Seite    enthalten    und    folgende     hübsche    Eigen- 


schaften haben.  Jedes  Sechseck  liefert  nicht  allein  durch 
seine  sechs  Seiten,  .sondern  auch  durch  seine  sechs  Eck- 
Durchmesser  und  seine  sechs  auf  den  Seiten  senkrechten 
Durchmesser  immer  dicsell)e  Sunnne,  welche  für  das  von 
innen  erste  Sechseck  111,  für  das  zweite  185  und  für  das 
dritte  259  beträgt. 


Magisches  Sechseck. 


1  —  5  —  6  — 70  — 60- 59  — .58 


16-69  —  68—  4  —14-15  —  73 


K.  Magische  Würfel.  Mehrere  Forscher,  nament- 
lich Koschansky  (1686),  Sauveur  (1710),  Hügel  (1859)  und 
Scheffler  (1882)  haben  das  Priueip  der  magischen  Qua- 
drate von  der  Ebene  auf  den  Raum  ausgedehnt.  Man 
denke  sich  einen  Würfel  durch  Ebenen,  die  parallel  den 
Seitenflächen  gehen  und  gleichen  Abstand  von  einander 
haben,  in  lauter  würfelförmige  Fächer  getheilt,  und  dann 
denke  man  sich  die  Aufgabe  gestellt,  den  Fächern  die 
aufeinanderfolgenden  natürlichen  Zahlen  so  einzufügen, 
dass  jede  Reihe  von  links  nach  rechts,  jede  von  vorn 
nach  hinten,  jede  von  oben  nach  unten,  jede  Diagonale 
eines  Quadrats  und  auch  jede  durch  das  Centrum  des 
Würfels  gehende  Hauptdiagonale  Zahlen  enthält,  deren 
Summe  immer  dieselbe  bleibt.  Für  dreimaldreimaldrei 
Fächer  lässt  sich  kein  solcher  magischer  Würfel  herstellen. 
Für  viermalviermalvier  Fächer  kann  man  es  erreichen,  dass 
jede  einer  Würfelkante  parallele  Reihe  und  jede  Haupt- 
diagonale die  Summe  1.30  liefert.  Um  einen  nuigischen 
Würfel  mit  64  Fächern  darzustellen,  denken  wir  uns  die 
in  die  Fächer  gehörigen  Zahlen  oben  auf  dieselben  auf- 
geschrieben, und  dann  je  16  Zahlen  schichtenweise  von 
oben  nach  unten  abgehoben.  So  erhalten  wir  vier  Quadrate 
von  je  16  Feldern,  die  zusammen  den  magischen  Würfel 
darstellen,  wie  folgendes  Beisi)iel  zeigt: 


Erste  Seilicht  von  oben.         Zweite  Schiofit  von  oben. 


1 

48 

32 

49 

60 

21 

37 

12 

56 

25 

41 

8 

13 

36 

20   61 

63 

18 

34 

15 

6 

43 

27 

54 

10 

39 

23 

58 

51  1  30  46  1  3 

232 


Natnrwissenscliat'tliclie  Wdolieusclinft. 


Nr. 


Dritte  Schicht  von  oben. 


Unterste  Schicht. 


62 

19 

35 

14 

4 

45 

29 

52 

7 

42 

26 

55 

57 

24 

40 

y 

11 

38 

22 

59 

53 

28 

44 

5 

50 

31 

47 

2 

16 

33 

n 

64 

Es  ersclieint  liier  dieselbe  Summe  130  uiclit  wenig-er 
als  52  mal,  nämlich  erstens  aus  16  Reihen  von  links  nach 
rechts,  zweitens  aus  16  Reihen  von  vorn  nach  hinten, 
drittens  aus  16  Reihen  von  oben  nach  unten,  und  auch 
noch  aus  den  vier  Reihen,  die  zwei  Gegenecken  des 
Würfels  verbinden,  nämlich  aus  den  Reihen  1,  43,  22,  64; 
49,  27,  38,  16;  13,  39,  26,  52;   61,  23,  42,  4. 

Für  einen  Würfel  mit  fünf  Fächern  an  jeder  Kante 
lässt  es  sich  schon  erreichen,  dass  alle  75  Reihen,  die  einer 
Kante  parallel  sind,  dass  alle  30  in  einer  Quadrat-Diagonale 
liegenden  Reihen  und  dass  alle  vier  eine  Hauptdiagonale 
bildenden  Reihen  eine  und  dieselbe  Sunune,  nämlich  315, 
bilden.  Sowie  die  magischen  Quadrate  mit  ungerader 
Felderzahl  aus  zwei  Hilfsquadraten  gebildet  werden 
können,  so  können  auch  die  magischen  Würfel  mit  un- 
gerader Fächerzahl  aus  drei  Hilfswürfeln  formirt  werden. 
Auf  diese  Weise  ist  der  folgende  magische  Würfel  mit 
ftlnfmalfüDfmalfünf  Fächern  gebildet,  bei  dem  überdies 
die  mittelste  Zahl  zwischen  1  und  125,  nämlich  63  in  das 
mittelste  Fach  gestellt  ist,  wodurch  den  vier  Hauptdiago- 
nalen und  den  30  Nebendiagonalen  die  Erhaltung  der 
Summe  315  gesichert  wird.  Die  Bedingung,  dass  auch, 
wie  bei  den  magischen  Quadraten,  die  den  Nebendiago- 
nalen parallelen  Diagonalen-Paare  die  Summe  315  liefern, 
ist  hier  noch  nicht  erreichbar,  wohl  aber  bei  grösserer 
Fäeherzahl. 


Erste  Schicht  von  obe 


121 

27 

83 

14  j.70. 

10 

61 

117 

48 

79 

44 

100 

1 

57 

113 

53 

109 

-40 

91   22 

s, 

18  1  74  105 

31 

Dritte  Soliiclit  von  oben. 


33 

89 

20 

71  1 102 

67 
76 

123 

29 

85 

11 

7 

63 

119 

50 

115 

24 

41 

97 

3 

59 

55 

106 

37  j  93 

Zweite  Schicht  von  oben. 


2 

58 

114  45 

96 

36 

92 

23 

54 

110 

75 
84 

101 

32 

88 

19 

15 

66. 

122 

28  _ 

118 

49   80 

6 

62 

Vierte  Schicht  von  oben. 


64  120 '  46 

77 

8 

98 

4 

60 

Uli  42 

1 

107 
16 

38 

94 

25 

51 

72 

103 

34 

90 

30 

81 

12 

68 

124 

Unterste  Scliicht. 


95  1  21 

52 

108 

39 

104  35 

86 

17 

73 

13 

69  125 

26 

82 

47 

78 

9 

65 

116 

56 

112 

43 

99   5 

(Wird  fortgesetzt.) 


„Ueber  die  Cholera  von  1892  in  Hamburg  nnd  über 
Schntzniaassregeln"  hat  Prof.  Max  v.  Pettenkofer  *) 
in  München  eine  neue  Streitschrift  zur  Cholerafrage  ver- 
öffentlicht (Archiv  für  Hygiene).  Sie  enthält  keine  wesent- 
lich neuen  Gesichtspunkte,  sondern  ist  darauf  gerichtet, 
der  kontagiouistischen  Choleratheorie  gegenüber  eine 
Reihe  von  Thatsachen  aufzuführen,  welche  diese  Lehren 
vollkommen  unerklärt  lässt,  und  anderseits  die  Beweis- 
kraft dieser  Theorie  vielen  epidemiologischen  Erfahrungen 
gegenüber  als  hinfällig  zu  erweisen.     Pettenkofer  knüpft 


an 
Dr. 


die 
J. 


Schlussfolgerungen     an,     welche    Medizinalrath 


Reinke    in    Hamburg 


auf 


Grund    seiner    Beob- 


achtungen über  die  Verbreituugsweise  der  Cholera  ge- 
zogen hat.  Reinke  hat  das  Trinkwasser  der  Hamburger 
Wasserleitung  als  Verbreitungsmittel  angeschuldigt.  Petten- 
kofer hält  den  Beweis  nicht  für  erbracht  und  weist  auf 
die  Verhältnisse  in  der  französischen  Hafenstadt  Ilavre 
während  der  Choleraepidemie  1892,  wo  die  Seuche  die 
von  ein  und  derselben  Quelle  mit  Wasser  versorgten 
Stadttheile  in  sehr  ungleichmässiger  Weise  ergrift'en  hat. 
So  wird  z.  B.  das  Wasser  der  St.  Laurent-Leitung,  in  deren 
Bereich  viele  Choleraerkrankungeu  vorgekommen  sind, 
auch  in  einer  Kaserne,  wo  1200  Soldaten  untergebracht 
sind,  und  in  eiuem  Gefängnisse  mit  500  Insassen  getrunken, 
und  in  beiden  Anstalten  ist  kein  einziger  Cholerafall  vor- 
gekommen. Daraus  schliesst  Pettenkofer,  dass  das  Wasser 
nicht  als  Trinkwasser,  sondern  als  Nutzwasser,  womit 
Haus  und   Hof,   der   Fussboden   der  Zimmer  u.  s.  w.  ver- 


»)  Vergl.  „Natur«-.  Wocheuschr."  Bd.  VII,  S.  501  ff.       Red. 


unreinigt  sind,  den  Cholerakeim  verbreite.  Erst  im 
Schmutze  finden  die  Kommabazillen  den  geeigneten  Nähr- 
boden zu  ihrer  Entwickelung  und  bleiben,  wenn  das 
Wasser  längst  verdunstet  ist,  an  den  festen  Tlieileu  haften. 
Des  Weiteren  bekennt  sieh  Pettenkofer,  was  in  ärztlichen 
Kreisen  nicht  geringe  Ucberraschung  hervorrufen  wird, 
zu  der  in  Hamburg  von  Laieuseite  aufgestellten  Behauptung, 
dass  Cholerakranke  am  besten  im  eigenen  Hause  verpflegt 
werden,  weil  mit  dem  Trausport  in's  Krankenhaus  für  sie 
:  die  Lebensgefahr  wächst.  Dafür  spricht  scheinbar  die 
Thatsache,  dass  die  Mortalität  in  den  Hamburger  Kranken- 
häusern eine  viel  höhere  war  als  in  der  Privatpraxis. 
Diese  Thatsa,che  wird  voraussichtlich  wohl  eine  andere 
Deutung  erfahren.  Im  weiteren  Verlauf  seiner  Darstellung 
führt  Pettenkofer  von  Neuem  statistische  Zahlen  mit  gra- 
phischen Aufzeichnungen  zum  Beweise  seiner  Autfassung 
an,  dass  der  epidemische  Charakter  der  Cholera  von  der 


Gegenwart 


der    Kommabazillen    allein    nicht 


abgeleitet 


werden  kann.  Der  fast  gleichmässige  Verlauf  der  meisten 
Epidemieen  lässt  auf  gemeinsame  örtliche  und  zeitliche 
Dispositionen  schliessen,  die  in  den  abnormen  Verhältnissen 
des  Regens  und  des  davon  abhängigen  Grundwasserstandes 
zu  suchen  sind.  Die  sogenannte  Durchseuchung  des  Fluss- 
wassers, deren  hypothetische  Annahme  zu  der  Einrichtung 
von  Beobachtungsstationen  in  den  deutschen  Flussgebieten 
geführt,  zweifelt  Pettenkofer  an,  weil  sich  in  der  Ver- 
breitung der  Cholera  keine  regelmässigen  Beziehungen 
zur  Stromrichtung  nachweisen  lassen.  Die  Kommabazillen 
gelangen  nur  vom  Lande  aus  in  das  Flusswasser  hinein, 
und  gehen  dort  bald  zu  Grunde.    Nicht  der  Cholerakranke 


Nr.  23. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


233 


ist  der  Ansteciiungsherd,  sondern  der  Cholera-Ort.  Der 
Cholerakranke  trägt  ausser  seinem  Kommabazillus  auch 
noch  etwas  anderes  und  so  viel  vom  Cholera-Ort  fort, 
dass  es  noch  zur  Infection  einer  oder  einiger  Personen 
hinreicht,  die  alsdann  nicht  weiter  inticirend  wirken,  ob- 
schon  auch  sie  massenhaft  Kommabazillen  ausscheiden.  (?) 
Manche  Orte  und  Gegenden  werden  nicht  epidemisch  er- 
griffen, obwohl  sporadische  Fälle  von  f!holera  dort  vor- 
gekommen sind.  Der  Cholerakeim  kann  gegenwärtig 
sein,  ohne  Epidemieen  zu  erzeugen.  Deshalb  nöthigen 
nach  Pettenkofer  die  epidemiologischen  Thatsachen  zu 
der  Annahme  eines  „latenten  Stadiums  der  Epidemieen". 
Er  hat  die  Ueberzengung,  dass  das  vom  Ort  zeitweise 
ausgehende  disponirende  Moment  von  den  Bacteriologcn 
schliesslich  entdeckt  werden  wird,  wie  der  Kommabazillus 
von  Koch.  —  Den  letzten  Theil  der  Pettenkofer'schen 
Arbeit  bildet  eine  Kritik  der  jetzt  in  Deutschland  ge- 
planten „Schutzmaassregeln  gegen  die  Cholera".  Die  unter 
Führung  der  Koch'schen  Schule  empfohlenen  Schutzmaass- 
regeln beginnen  immer  erst  mit  dem  Nachweis  des  Komma- 
bazillus bei  einem  Kranken.  Dieser  Nachweis  hat  keinen 
praktischen  Werth,  weil  er  immer  zu  spät,  post-festum, 
kommt,  und  nur  ein  Beweis  dafür  ist,  dass  der  Keim  be- 
reits eingeschleppt  ist.  Nur  ein  vollständiges  Aufheben 
jedes  Verkehrs  mit  einem  verseuchten  Ort  könnte  gegen 
die  Einschleppung  schützen.  Bei  der  Cholera  müsste  vor 
Allem  jeder  Verkehr  mit  Indien  aufhören.  Trotz  aller 
Quarantänen  und  Verkehrshemmungen  kommt  so  viel 
Keim  über  die  Grenzsperren,  als  zum  Entstehen  von  Epi- 
demieen notliwendig  ist,  wo  die  örtlichen  und  zeitlichen 
Bedingungen  gegeben  sind.  „Bei  Menschensenchen  kann 
man  sich  auf  furchtlose  Pflege  und  gute  Behandlung  der 
Kranken  und  auf  Schaffung  guter  hygienischer  Verhält- 
nisse für  die  Gesunden  beschränken.  Es  ist  kein  Nihi- 
lismus, wie  manche  sagen,  sondern  ein  sehr  praktisches 
Vorgehen,  welches  bleibende  Vortheile  schafft,  während 
die  kontagionistischen  Maassregeln  blos  Mühe  und  nutzlose 
Plackereien  sind,  welche  viel  Geld  kosten,  wovon  man 
gar  nichts  hat,  wenn  die  Epidemieen  vorüber  sind.  Das 
Publikum  soll  man  nicht  mit  Furcht  vor  Bazillen  in 
Schrecken  setzen,  sondern  darauf  aufmerksam  machen, 
dass  es  gelingt,  auch  für  Cholera  empfängliche  Orte  durch 
Assanirungswerke  unempfänglich  zu  machen,  z.  B.  London". 
Die  Epidemie  in  München  1836,  wo  das  Königl.  Bayerische 
Ministerium  die  Cholera  für  nicht  ansteckend  erklärte, 
und  den  Verkehr  vollkommen  frei  gewähren  Hess,  hat  ge- 
zeigt, dass  es  nichts  schadet,  wenn  man  während  der 
Dauer  einer  Epidemie  kontagionistisch  gar  nicht  vorgeht, 
sondern  alles  dem  einst  hochverehrten  Genius  epidemicus 
überlässt.  Die  enorme  Entwickelung  des  Verkehrs  in  den 
letzten  Jahrzehnten  durch  Eisenbahnen,  Dampfschitfc  u.s.  w. 
hat  die  Verbreitung  der  Cholera  weder  schneller  noch 
allgemeiner  gemacht.  „Vom  lokalistischen  Standpunkte 
aus  giebt  es  sehr  viel  gegen  Cholera  zu  thun,  allerdings 
nicht  so  viel  während  des  Herrschens  einer  Ortsepidemie, 
als  schon  vorher.  Die  Assanirung  der  menschlichen 
Wohnorte  ist  das  Hauptmittel  gegen  Cholera. 
Orte,  welche  durch  gute  Hausentwässerung,  reines  Wasser, 
durch  Drainagevorrichtungeu  und  Abfuhr  ihren  Boden 
rein  gemacht  haben  und  rein  erhalten,  haben  wenig  zu 
fürchten,  wenn  ihnen  auch  die  Cholera  eingeschleppt 
wird.  Ich  bin  für  vollständige  Freigebuug  des  mensch- 
lichen Verkehrs,  weil  er  doch  nie  pilzdicht  zu  gestalten 
ist,  und  die  Prohibitivmaassregeln  im  Ganzen  mehr  schaden 
als  nützen".  Dr.  A. 


Die  Schmidt'sche  Sonnentheorie,  tiber  welche  wir 
S.  460  des  vorigen  Bandes  referirten,  ist  neuerdings  von 
Dr.  0.  Knopf  in  Jena  mathematisch  weiter  ausgebaut  und 
aufs  lebhafteste  vertheidigt  worden.  Der  genannte  Gelehrte 
zeigt  in  seiner  Habilitationsschrift*)  zunächst,  dass  schon 
der  berühmte  Kummer  bei  seinen  Untersuchungen  über  die 
atmosphärische  Strahlenbrechung  zu  Resultaten  gelangt 
war,  aus  denen  sich  die  Folgerungen  Schmidt's  als  sehr 
nahe  liegende  Anwendungen  ergeben.  Jedoch  hat  Kummer 
die  Uebcrtragung  seiner  Ergebnisse  auf  die  Sonne,  ver- 
muthlich  im  Banne  der  Kirchhoff'schen  Auffassung  dieses 
Gestirns  als  eines  glühend  -  flüssigen  Körpers,  unter- 
lassen und  Schmidt  war  die  Ausbeute  der  Theorie  unter  der 
V^oraussetzuug  eines  durch  und  durch  gasförmigen  Sonucn- 
korpers,  die  heutzutage  nicht  mehr  als  unwahrscheinlich 
gilt,  vorbehalten.  Der  wesentlichste  Theil  der  Knopf- 
schen  Arbeit  sucht  nun  die  beobachteten  Linienver- 
schiebungen im  Sonnenspectrum  vom  Standpunkte  der 
Schmidt'schen  Theorie  aus  zu  interpretiren.  Dabei  stellt 
sich  heraus,  dass  die  beobachteten  Verschiebungen  bei 
Annahme  jener  Theorie  weit  unsicherer  zu  deuten  sind, 
als  nach  den  bisherigen  Vorstellungen,  da  man  die  Stelle, 
an  welcher  sich  das  die  Linie  erzeugende  Gas  befindet, 
nicht  mehr  mit  Bestimmtheit  anzugeben  vermag.  Dem- 
gemäss  würden  die  Messungen  jener  Verschiebungen  viel 
von  dem  ihnen  bisher  beigemessenen  Werth  zur  Be- 
stimmung der  Rotatiousdauer  der  Sonnenoberfläche  ver- 
lieren. Andererseits  erhöht  sich  aber  das  Interesse  an 
diesen  Verschiebungen  dadurch,  dass  sie  ims  vielleicht 
eine  von  innen  nach  aussen  erfolgende  Abnahme  der 
Rotationsgeschwindigkeit  im  Sonnengasball  verrathen. 
Kbr. 

Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben. 

Es  wurden  ernannt:  Der  Privatdocent  für  Frauenheilkunde  in 
Marburg  Dr.  Ernst  Fraenkel  zum  Professor  an  der  Universität 
Breslau.  —  Dr.  Hermann  v.I  he  ring  zum  Director  der  zoologischen 
Abtheilung  des  Museums  in  Sao  Paolo  (Brasilien).  —  Dr.  Edward 
J.  Bles  B.  Sc.  zum  Director  der  biologischen  Station  in  Plymouth. 
—  Der  Botaniker  Gymnasiallehrer  Dr.  O.  E.  K.  Zimmermann 
in  Chemnitz  zum  Professor. 

Es  hat  sich  habilitirt:  Der  Assistent  Siegmund  Feit  1er 
für  physikalische  und  theoretische  Chemie  an  der  technischen 
Hochschule  in  Brunn. 

Es  sind  gestorben:  Der  Elektrotechniker  Dr.  Math.  Hipp 
in  Zürich.  —  Der  Hofintendant  Christian  Due,  Begleiter  Han- 
steen's  nach  Sibirien,  in  Drontlieim.  —  Der  Professor  der  Biologie 
Jacob  Moleschott  in  Rom.  —  Der  Entomologe  J.  C.  Martin- 
dale  zu  Camden,  New  Jersey.  —  Der  bekannte  französische 
Graveur  naturwissenschaftlicher  Illustrationen  Philibert  Picart 
in  Paris.  —  Di-.  Friedrich  Heyer,  Docent  für  Obstbaulehre 
und  Cultur  exotischer  Nutzpflanzen  am  landwirthschaftlichen  In- 
stitute der  Universität  Halle  („Die  Natur",  Jahrg.  42,  No.  22).  — 
Leibarzt  Dr.  v.  Teuf  fei  in  Stuttgart.  —  Der  als  Botaniker 
bekannte  Obergärtner  am  Kais,  botanischen  Garten  Ernst  Ender 
in  St.  Petersburg.  

L  i  1 1  e  r  a  t  u  r. 

Sitzungsberichte  der  Mathem. -Physik.  Cl.  der  Königl. 
Bayer.  Akademie  der  Wissenschaften  zu  Slünchen.  18H2, 
Heft  3.  Das  Schlusslieft  des  .Jahrganges  bringt  ausser  den 
Sitzungsberichten  vom  5.  und  lü.  November  und  3.  December, 
drei  Abhandlungen:  L.  Boltzmann:  III.  Theil  der  Studien  über 
Gleichgewicht  der  lebendigen  Kraft.  L.  So  büke:  Ueber  wissen- 
schaftliche Luftfahrten  des  Münchener  Vereins  für  Luftschift'fahrt. 
Der  vor  etwa  3  Jahren  gegründete  Verein  zählt  bereits  363  Mit- 
glieder, darunter  6  Prinzen  des  königlichen  Hauses,  und  erfreut 
sich  grosser  Popul.arität.  Eine  Anzahl  von  Auffahrten  mit  dem 
Vereins-Ballon  sind  wissenschaftlich  vorbereitet  und  durchgeführt 
worden  und  haben  recht  gute  Resultate  ergeben,  so  dass  man  sie  auch 


*)  Die  Schmidt'sche  Sonnentheorie  und  ihre  Anwendung  auf  die 
Methode  der  spektroskopischen  Bestimmung  der  Rotationsdauer 
der  Sonne. 


234 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  23. 


in  Zukunft  fortzusetzen  gedenkt  und  bereits  das  Studium  mehrerer 
wichtigen  Fragen  spociell  in  Aussicht  genommen  hat.  Die  gleich- 
zeitige Ablesung  von  Barometer  und  Thermometer  soll  dadurch 
noch  vervollständigt  werden,  dass  man  die  drei  neben  einander 
aufgestellten  Instrumente  (Aneroid,  Thermometer  und  Uhr)  auf 
dieselbe  Platte  photographirt.  Zur  Beobachtung  von  Luft- 
temperaturen bei  Nacht  sollen  Nachtfahrten  von  Mitternacht  bis 
zur  Morgendämmerung  ausgeführt  werden.  Zum  Schlüsse  be- 
spricht der  Verfasser  das  Zusammenwirken  der  beiden  Vereine  in 
München  und  Berlin.  E.  Lammel:  Sichtbare  Darstellung  der 
äquipotentialen  Linien  in  durchströmten  Platten.  Erklärung 
des  HalFschen  Phänomens.  F.  K. 


Annalen   der  Hydrographie  und  Maritimen  Meteorologie, 

herausgegeben  von  der  Deutschen  Seewarte  in  Hamburg.    21.  Jahr- 
gang, 1893,  Heft  1-3,  Berlin,  Fr.  Mittler  &  Sohn. 

Aus  dem  reichen  Inhalt  der  ersten  drei  Hefte  im  laufenden 
Jahrgang  heben  wir  für  die  Leser  dieser  Zeitschrift  als  haupt- 
sächlich wichtig  folgende  Aufsätze  und  Mittheilungen  hervor: 

Heft  I:  1)  Die  tägliche  Variation  der  Deklination 
zu  Wilhelmshaven,  im  Mittel  aus  den  Jahren  1883  bis 
1888,  (S.  2—4);  die  Jahresmittel  der  Deklination  betrugen  von 
1883  ab:  14°  4,„';  13°  57„';  13°  52,3':  13°  46,,,';  13°40,e';  13°  34,8'; 
die  jähiliche  Aenderung  mithin  seit  1884:  — 6,5';  —b,i';  — 6,0'; 
. — 5,,';  — 5,7'.  2)  Rückblick  auf  das  Wetter  in  Deutsch- 
,land  im  Jahre  1892  von  Dr.  W.  J.  van  Bebber  (S.  7—15); 
3)  Ausgewählte  tropische  Wirbelstürine  im  südlichen 
Indischen  Ocean  von  Kapt.  Carl  H.  Seemann  und  Prof. 
Dr.  W.  Koppen  (Fortsetzung  vom  Jahrgang  1892,  S.  361 — 375; 
S.  16—2.5  und  Schluss  in  Heft  III,  S.  81— '.U).  Angaben  von 
geographischem,  Interesse  enthält  auch  der  Keisebor.ich t  des 
Kapt.  J.  G.  Nichelson  (S.  28 — 36),  welcher  mit  der  Bark 
„Theodore'  im  .Januar  1892  von  Mexiko  zur  Ladung  von  Gelbholz 
'nach  San  Pedro  und  Ciudad  de  David,  Provinz  Chiriqui,  Co- 
lumbia, reiste;  die  „Theodore"  (680  Reg.  Tons)  gelangte  als  erstes 
grösseres  Seeschiff  den  Rio  David  oder  Chiriqui  bis  Ciudad  de 
David  im  Schlepptau  eines  Dampfers  liinBuf;  hier  konnte  Nichelson 
interessante  Beobachtungen  über  die  dortigen  Indianer  sammeln. 
Heft  II:  1)  L.  E.  Dinklage,  Treibeis  in  südlichen 
Breiten  (S.  41— -54).,  Der  Verfasser  berichtet  hier  auf  Grund 
sehr  zahlreicher,  aus  allen  erreichbaren  Schiffsjournalen,  Briefen 
und  Zeitungsberichten  zusammengebrachten  Nachrichten  über 
■  eine  grosse  Eistrift  im  Südatlantischen  Ocean;  dieselbe 
ist  vielleicht  das  hervorragendste  Naturereigniss  des  Jahres  1892, 
jedenfalls  in  seiner  Art  ein  Vorkommen,  wie  es  in  den  Annalen 
der  Schiff  fahrt  bisher  wohl  noch  nicht  berichtet  worden  ist:  diese 
gewaltige  Trift  zeigte  sich  nach  vorhergehendem  Auftreten 
einzelner  Eisberge  im  November  und  Dezember  1891  zuerst  An- 
fangs April  1892  in  voller  Mächtigkeit  auf  der  Route  der  rund 
Kap  Hörn  kommenden  Segelschiffe  und  hat  bis  in  die  letzte  Zeit, 
so  weit  die  eingegangenen  Nachrichten  reichen,  d.  h.  bis  Ende 
October  fortgedauert,  ohne  dass  während  dieser  7  Monate  die 
kolossale  Massenhaftigkeit  des  Eises  erheblich  nachgelas.sen  hätte. 
Seinen  Ort  hat  das  Eis  in  dieser  Zeit  nur  wenig  verändert;  die 
Hauptmasse  befand  sich  zuerst  (April)  in  45°  S.  Br.  und  35°W.  Lg., 
zuletzt,  (October)  in  43°  S.  Br.  und  ol  °  W.  Lg.  Anfänglich  bildete 
die  Trift  eine  compacte,  in  Winkel-  oder  Hufeisenform  gestellte 
Eismauer,  deren  Winkel  erst  nach  NO,  später  mehr  nach  0  ge- 
richtet war  und  deren  Schenkel  eine  Länge  von  über  70  See- 
meilen hatten.  Später  hat  sich  das  Eis  mehr  und  mehr  nach  N 
und  NO  hin  ausgebreitet;  einzelne  Eisberge  drangen  über  die 
gewöhnliche  Grenze  hinaus  bis  37°  S.  Br.  vor.  2)  Mittheilungen 
über  den  Walfischfang  (S.  63 — 67,  dieselben  werden  an  anderer 
Stelle  dieser  Zeitschrift  mitgetheilt). 

Heft  III  enthält  einen  Aufsatz,  betitelt  „Neue  Seekanäle"; 
derselbe  bespricht  zunächst  den  1891  eröffneten  Seekanal  Liver- 
pool-Manchester als  ein  Beispiel  solcher  Anlagen,  welche  grosse 
Binnenstädte  direct  mit  der  See  in  Verbindung  zu  bringen 
streben,  sodann  in  kurzer,  sachkundiger  Zusammenfassung  die 
technischen  Arbeiten  und  die  wirthschaftlichen  Gesichtspunkte, 
welche  beim  Nordostseekanal,  dem  durch  finanzielle  Schwierig- 
keiten vorläufig  unvollendet  gebliebenen  Kanal  von  Korint h 
und  dem  1889  begonnenen  Nicaragua-Kanal  (von  ersterem  und 
letzterem  sind  Skizzen  beigefügt)  von  besonderem  Interesse  sind. 


Sodann  wird  ein  näherer  Bericht  erstattet  über  die  Ergeb- 
nisse einer  E.\pedition  vom  Juni  1892  unter  Freg.-Kapt.  E.  Correa 
nach  der  Bai  von  San  Sebastian,  welche  in  der  Umgebung  des 
östlichen  Eingangs  der  Magellau-Strasse  hydrographische 
Arbeiten  ausgeführt  hat;  weiter  folgen  kürzere  Berichte  über 
einzelne  Seereisen  nach  Ostasien  u.  s.  w.,  ein  Aufsatz  über 
das  Klima  von  Madras  und,  wie  bei  jedem  Heft,  der  herkömm- 
liche Bericht  über  die  Witterung  an  der  deutsch  en  Küste 
vom  vorangehenden  Monat,  hier  also  vom  Februar  1893 
nach  den  Aufzeichnungen  an  den  Normal-Beobachtungstationen 
der  Seewarte.  Fr.  Regel. 


Eine  neue  Zeitschrift  für  e.xperimentale  und  theoretische 
Physik  „The  Physical  Review",  geleitet  von  Edward  L.  Nichols 
und  Ernest  Merritt,  wird  Seitens  der  Cornell  University  durch  die 
Herren  Macmillan  u.  Co.,  New-York  und  London,  herausgegeben 
werden.  No.  1  soll  am  1.  Juli  erscheinen.  Monatlich  2  mal,  jede 
Nummer  wenigstens  64  Seiten  stark.  Hauptsächlich  Original- 
Aufsätze. 


Neubner   E.,  Untersuchungen   über  den  Thallus  und  die  Frucht- 

anfäuge  der  Calycieen.     Köln.     3  M. 
ITeumann,  B.,    Studien   über   den  Bau   der  Strombetten  und  das 

Baersche  Gesetz.     Königsberg.     2  M. 
Neumann,  C,  Beiträge  zu  einzelnen  Theilen  der  mathematischen 

Physik.     Leipzig.     10  M. 
Offner,  M.,  Die  Psychologie  Charles  Bonnet's. 
Ohmeyer,  G-. ,    Beiträge    zur  Kenntniss    der   chemischen  Bestand- 

theile  der  Ratanhiawurzel.     Leipzig.     1  M. 
Ostwald,    W.,     Lehrbuch     der    allgemeinen    Chemie.      2.    Band. 

2.  Auflage.     Leipzig.     18  M. 
Pantocsek,  J. ,    Beiträge    zur  Kenntniss    der    fossilen    Bacillarien 

Ungarns.     III.  Theil.     Berlin.     90  M. 
Pasig,  W.,  Spinoza's  Rationalismus  und  Erkenntnisslehre  im  Lichte 

des  Verhältnisses  von  Denken  und  Ausdehnung.    Leipzig.     1   M. 
Philippi,  R.  A  ,    Tertiärversteinerungen    aus    der    argentinischen 

Kepublik.     Leipzig.     5  M. 
Sachs,  J.,   Gesammelte  Abhandlungen   über   Pflanzen-Physiologie. 

2.  (Schluss-)  Band.     Leipzig.     2  M. 
Sarasin,  P.,  und  F.  Sarasin,   Ergebnisse  naturwissenschaftlicher 

Foi-schungen    auf  Ceylon    in  den  Jahren    1884 — 1886.     3.  Band. 

6.  (Schluss-)  Lieferung.     Wiesbaden.     24  M. 
Schenck,   H.,    Beiträge    zur  Biologie   und   Anatomie   der   Lianen. 
Schirmer,    A.    M.,    Beitrag    zur    Geschichte    und    Anatomie    des 

Pankreas.     Tübingen.     2,40  M. 
Scholl,   R. ,   Entwicklungsgeschichte   und    kritisch-experimenteller 

Vergleich  der  Theorien  über  die  Natur  der  sogenannten  Knall- 
säure und  ihrer  Derivate.     München.    2.40  M. 
Schweigger,    C,    Handbuch    der    Augenheilkunde.      6.    Auflage. 

Berlin.     12  M. 
Stern,    P.,    Ergebnisse    zwanzigjähriger    meteorologischer    Beob- 
achtungen   der   Station   Nordhausen   am   Harz.     Leipzig.      1    M. 
Thoma,  R.,    Untersuchungen    über    die    Histogenese    und    Histo- 

mechanik  des  Gefässsystems.     Stuttgart.     4  M. 
Treves,  F.,  Handbuch  der  chirurgischen  Operationslehre.    2.  Band. 

Jena.     12  äI. 
Weygandt,  W.,  Entstehung  der  Träume.     Leipzig.     1  M. 
Wislicenus,  'W.  F. ,  Tafeln  zur  Bestimmung   der  jährlichen  Auf- 

und  Untergänge  der  Gestirne.     Leipzig.     6  M. 
Ziehen,  Th.,  Leitfaden  der  physiologischen  Psycliologie  in  15  Vor- 
lesungen.   2.  Auflage.     Jena.    4,50  M. 


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Natrium-Silicat  mit  feinem  Sande  gemischt  und  in  die  gewünschte 
Form  gebracht.  So  lange  er  weich  ist,  wird  der  Stein  in  eine 
Lösung  von  Chlorcalcium  gebracht  und  diese  durch  Anwendung 
von  Druck  in  seine  Poren  gepresst.  Nachdem  er  in  klarem  Wasser 
abgespült,  ist  der  Stein  zum  Gebrauch  fertig.  F.  K. 


Inhalt:  Dr.  Friedrich  Dreyer:  Physikalische  Erklärung  von  Formverhältnissen  organischer  Skclettbildungen.  —  Dr.  H.  Scliuber|t: 
Mathematische  Spielereien  in  kritischer  und  historischer  Beleuchtung.  —  Ueber  die  Cholera  von  1892  in  Hamburg  und  über 
Schutzmassregeln.  —  Die  Schmidt'sche  Sonnentheorie.  Aui  dem  wissenschaftlichen  Leben.  —  Litteratur:  Sitzungsberichte  der 
Mathem.-Physik.  Cl.  der  Königl.  Bayer.  Akademie  der  Wissenschaften  zu  München.  —  Annalen  der  Hydrographie  und  Maritimen 
Meteorologie.  —  Liste.  —  Briefkasten. 

Verantwortlicher  Redakteur:  i.  V.  Dr.  Friedrich  Kaunhowen,  Berlin  N.  4.,  Invalidenstr.  44,  für  den  Inseratentheil:  Hugo  Bernstein  in 
Berlin.  —  Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12.  —  Druck:  G.  Bernstein,  Berlin  SW.  12. 


Nr.  23. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


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XLVI 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  23. 


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5 11  in    3Inbciifen    an 
von 

}lroff(|for  Dr.  (!).  |iit(l)itcr  unb  Dr.  g.  |)otonie. 

3{Ut  22  Sfruflrationcn.    ^— 

81  ©citcn  gr.  8". 
$)rEt6   1  M. 

3^cr  iincnblid)  grofjen  ^ai)l  bcr  Slunienfrcuitbc  iinrb  bicfc  Sdirift, 
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ftügt  burd)  trcffticOc  S'IufH'd'ione "-  bcii  Scfcr  in  baS  gcf)eininii;= 
ooüe  i'cbcii  bcr  Sluincninclt  cinfüljrt,  einen  großen  ©cnuf;  bereiten.  Sic 
tft  juglcid)  bem  Slnbcnfen  bc'j  ocrbicnftoollen  iöotanifer^S  6J)r.  ßoitrnb 
Sprengel  gcmibniet,  bcffen  SBiogrnpbtc  oiigcfrfjloffcn  ift  unb  ber  ©c^rtft 
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In  Ferd.  Dümmlers  Verlag-sbuchhandlung  in  Berlin  sind  erschienen: 


Allgemein-verständliche  naturwissenschaftliche  Abhandlungen. 


(Separatabdriicke  aus  der  „Naturwi.ssenst'liaftliclieii  Wochenschrift.") 


Heft  1. 


lieber   den  sogenannten  vierdimensionalen   Raum 

von  Dr.  V.  Schlegel. 

Das  Rechnen  an  den  Fingern  und  Maschinen  von 

Prot.  Dr.  A.  .Schubert. 

Die  Bedeutung  der  naturhistorischen,  insonderheit 

der  zoologischen  Museen  von  Professor  Dr.  Karl 

Kraepelin. 

Anleitung    zu    blütenbiologischen    Beobachtungen 

von  Prof.  Dr.  E.  Loew. 

Das  „glaziale"  Dwykakonglomerat  Südafrikas  von 

Dr.  F.  M.  Stapft-. 

Die  Bakterien  und  die  Art  ihrer  Untersuchung  von 

Dr.  Rob.  Mittmann.     Mit  8  Holzschnitten. 

Die  systematische  Zugehörigkeit  der  versteinerten 

Hölzer  (vom  Typus  Araucarioxylon)  in  den  palaeo- 

litischen  Formationen  von  Dr.  H.  Potonie.     Mit 

1  Tafel. 

lieber  die  wichtigen  Funktionen  der  Wanderzellen 

im    thierischen    Körper    von    Dr.    E.    Korscheit. 

Mit  10  Holzschnitten. 

lieber  die  Meeresprovinzen  der  Vorzeit  von  Dr. 

F.  Frech.     Mit  Abbildungen  und  Karten. 


1 


Heft  10.    lieber  Laubfärbungen  von  L.  Kny.    Mit  7  Holz- 
schnitten. 

„  II.  Ueber  das  Causalitätsprincip  der  Naturerschei- 
nungen mit  Bezugnahme  auf  du  Bois-Reymonds 
Rede:  „Die  sieben  Welträthsel"  von  Dr.  Eugen 
Dreher. 

„     12.    Das  Räthsel  des  Hypnotismus  von  Dr.  Karl  Friedr. 

Jordan. 

„  lo.  Die  pflanzengeographische  Anlage  im  Kgl.  bota- 
nischen  Garten  zu    Berlin    von   Dr.   H.  Potonie. 

Mit  -2  Tafeln. 

„     14.    Untersuchungen  über  das  Ranzigwerdender  Fette 

von  Dr.   Ed.  Ritsert. 

„  15.  Die  Urvierfüssler  (Eotetrapoda)  des  sächsischen 
Rothliegenden  von  Prof.  Dr.  Hermann  Credner 
in  Leipzig.     Mit  vielen  Abbildungen. 

„     16.    Das  Sturmwarnungswesen  an  den  Deutschen  Küsten 

von  Prof.  Dr.  W.  J.  van  Bebber.    Mit    1  Tafel 
und  5  Holzschnitten. 


Preis:    Heft  1-4  ä  50  Pf..  Heft  5—16  ä  1  M. 


Redaktion:         7         Dr.  H.  Potonie. 
Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12,  Zimmerstr.  94. 


VIII.  Band.                 Sonntag,  den  11. 

Jnni  1893. 

Nr.  24. 

Abonnement:  Man  abonnivt  bei  allen  Buchhandlungen  und  Post-             y 

anstalten,  wie  bei  der  Expedition.    Der  Vierteljahrapreis  i3t  Jt  3.—            eS 

Bringegeld  bei  der  Post  15  ^  extra.                                       JL 

Inserate :  Die  viergespaltene  Petitzeile  40  -A.   Grössere  Auftrüge  ent- 
sprechenden Rabatt.  Beilagen  nach  Uebereinkunft.  Inseratenannahmc 
bei  allen  Ännoncenbureaux,  wie  bei  der  Expedition. 

Abdrnok  iiüt  nnr  mit  vollständiger  t^aellenangabe  gestattet. 

Ueber  das  Strömen  von  Flüssigkeiten. 


Von  Regierungsbaumeister  K.  S  c  li  m  i  d  t. 


Die  Bewegung  frei  fliessender  Flüssigkeiten  wird 
durch  deren  Schwere  hervorgerufen  und  müsste,  sofern 
nicht  andere  Kräfte  eine  Gegenwirkung  hervorbräeliten, 
eine  gJeichförmig  be.sclileunigte  sein.  Darüber,  wie  der 
Kampf  der  sich  widerstreitenden  Kräfte  vor  sich  geht, 
sind  wir  noch  im  Unklaren. 

Die  folgenden   Zeilen   beschäftigen    sich    mit  diesem 
Gegenstande;     es    sollen    in    ihnen    nur    Bilder    flüchtig 
umrissen     werden,     welche     geeignet     sein     dürften,     in 
manchen    Fällen    als    An- 
schauungsmittel zu  dienen. 

Den  Ausgangspunkt 
hierbei  bilden  beobachtete 
Thatsacben: 

Wir   wissen,    dass    in  

jedem  strömenden  Quer- 
profil die  Geschwindigkeit 
in  einem  Punkt  wenig  unter 
der  Oberfläche  im  Strom- 
strich am  grössten  ist  und 
von  dort  allmählich  nach 
dem  Umfange  des  Protiles 
abnimmt.  Diese  Thatsache 

ist  bereits  eine  Folge  des  Widerstreites  der 
indem  wir  von  ihr  ausgehen,  sind  wir  in  der 
von  dem  Wirken  jeder  Einzelkraft  absehen  zu  können; 
wir  müssen  nur  noch  voranschicken,  dass  zwischen  den 
Molecülen  jeder  Flüssigkeit  Cohäsionskräfte  bestehen, 
welche  sich  einer  Verschiebung  der  einzelnen  Theile  gegen- 
einander entgegenstellen,  so  also,  dass  dort,  wo  Ver- 
schiebungen 


HU     ^ 


Figur 


Kräfte; 
Lage, 


angestrebt     werden,     nothwendiger    Weise 


innere  Spannungen  in  der  Flüssigkeit  auftreten  müssen. 
Wir  betrachten  nun  drei  Wasserfäden,  von  denen  der 
eine  im  Längeuschnitt  des  Flusses  parallel  zum  Stromstrich, 
die  beiden  anderen  im  Querprofil  und  zwar  der  eine  in  einer 
Wagereehten,  der  andere  in  einer  Lothrechten  liegen  soll. 
In    dem   erstgenannten   Falle,    in   dem  also  alle  Molecüle 


^7f      5^ 


der  Stromrichtung  nach  hintereinander  gelagertsind,  können 
wir  unter  den  gemachten  Voraussetzungen  keine  Kraft 
finden,  welche  auf  eine  Verschiebung  der  Molecüle  gegen 
einander  hinarbeitet.  Anders  ist  es  bei  den  Fäden  des 
Querprofiles,  in  denen  die  Molecüle  über  bezw.  neben 
einander  gelagert  sind.  Denken  wir  uns  diese  Fäden 
erst  im  Ruhezustand,  dann  bei  eintretender  Bewegung 
(Fig.  1  und  2),  so  bemerken  wir,  dass  sie  das  Streben 
zu  stetiger  Verlängerung  haben.    Es  müssen  also  in  ihnen 

Zugspannungen  auftreten. 
Die  Darstellungen  der 
Fäden  sind  aber  gleich- 
zeitige Projectiouen  des 
fortschreitenden  Querpro- 
files; wir  müssen  deshalb 
schliessen,  dass  sieb  Flä- 
chenspannungen ausbilden 
und  dass  eine  vorwärts- 
schreitende Querprofils- 
ebene sich  verhalte  wie 
ein  vom  Winde  geblähtes 
Segel,  das  das  Bestreben 
hat,  immer  mehr  Raum 
einzunehmen.  Diese  Eigenthümlichkeit  ist  allen  Quer- 
profilen des  Stromes  gemeinsam;  wir  können  uns  des- 
halb fernerhin  vorstellen,  dass  dasselbe  sicli  bilde  durch 
eine     Ineinanderschachteluni 


Figur  2. 


einzelner     Häutchen, 
seinen    Vorgänger    wie 


von 
ein 


denen    jedes    einzelne    auf 

Keil  auseinanderpressend   und  ausdehnend  wirkt. 

Eine  Delinbarkeit  der  Fäden  bezw.  Häutchen  ist  luii 
allein  denkbar,   wenn  wir  denselben   eine   n'cwisse  räum 


liehe 


Ausdehnung 
unter 


beilegen,    und   wir  dürften 


hierzu  be- 
dass  eine 


rechtigt  sein  unter  der  weiteren  Voraussetzung, 
Anzahl    von     Molecülen,     deren    Bewegungsbedingungen 
augenscheinlieh  nicht  allzu  weit  von  einander  verschieden 
sind,  sich  auch  zu  gemeinsamer  Bewegung  verbinde. 

Die   Verlängerung    der    Häutchen    müssten    wir    uns 


236 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  24 


dann  derart  vor  sich  gehend  denken,  dass  in  ihnen  eine 
Undagerung  der  Molecüle  stattfände,  dass  also  die  Wand- 
stärke stellenweise  geschwächt  würde.  Nebenher  wird 
auch  eine  andere  Formänderung  der  Häutchen  denkbar 
sein.  Die  in  der  Ruhestelle  wagerecht  gespannte  obere 
Seite  des  Segels  nimmt  im  geblähten  Zustande  die  Form 
einer  durchhängenden  Parabel  an;  ebenso  sinkt  die  01)er 


Flüssigkeit 


bei    freier 


fläche    der 
strich  ab 

Die  Undagerung  der  Molecüle 
dazu  fuhren,    dass  schliesslich 
die  Wandstärke  des  Häutchens 
gleich    der  eines  Molecüls  ist. 

Bei  noch  weiter  fortschrei- 
tendem Bedürfniss  zur  Blä- 
hung oder  Ausbauchung,  müssen 
wir  annehmen,  dass  nunmehr 
das  liäutchcn  seine  Stellung 
gegenüber  seineu  Nachbarn 
verändert.  Es  wird  gewisser- 
maassen  zwischen  ihnen 


Strömung 


im    Strom- 


kann  aber   höchstens 


Figur  3. 


herausgezogen. 


Dabei  muss  es 
nothwendiger  Weise  sich  von  der  Sohle  oder  der  Luft 
abreissen.     (Fig.  3.) 

In  ersterem  Falle  entstände  gewissermaassen  ein  luft- 
leerer Raum,  der  sofort  durch  höherliegende  Wassertheile 
ausgefüllt  werden  müsste.  Wir  können  annehmen,  dass 
sich  dadurch  die  Herstellung  des  Längengefälles  anbahne. 

Im  zweiten  Falle,  wenn  das  Häutchen  an  der  Sohle 
haftet,  an  der  Luft  allein  abreisst,  wird  uns  die  Her- 
stellung  des  Längengefälles  noch  anschatilicher  gemacht. 

Wie  immer  wir  uns  aber  auch  das  Herausziehen  ein- 
zelner Häutchen  vor  sich  gehen  denken,  so  müssen  wir 
doch  auf  jeden  Fall  ein  Aneinander-Hergleiten  von  Häut- 
chen mit  verschiedener  Geschwin- 
digkeit feststellen.  Hierbei  tritt 
Reibung  auf  und  es  ist  bewiesen, 
wie  letztere  unbedingt  dazu  führt, 
dass  Wirbel  entstehen.  Vorerst  wird 
es  aber  bei  der  blossen  Neigung 
zur  Wirbelbildung  sein  Bewenden 
haben,  denn  die  sich  aneinander 
fortbewegenden  Schichten  stehen 
unter  dem  Druck  der  folgenden 
Häutchen  und  dem  Gegendruck 
der  vorhergehenden.  Die  Reibungs- 
widerstände werden  vorerst  nur 
die  Vorwärtsbewegung  zu  hemmen 
suchen,  wodurch  sich  die  Span- 
nungen im  Häutchen  vergrfissern. 
Wirbelbewegungen  wird  die  Reibung 
erst  erzeugen  können,  nachdem 
diese  Spannungen  so  gross  geworden 
sind,  dass  die  Cohäsionskräfte  nicht 
mehr  zu  widerstelien  vermögen.  In 
letzterem  Falle  wird  das  Häufchen 
reissen.  Das  Platzen  eines  Häut- 
chens    wird     nothwendiger     Weise 

sich  auf  eine  grössere  Anzahl  seiner  Nachfolger  über- 
tragen, denn  in  dem  folgenden  Häutchen  herrscht  auch 
bereits  eine  erhebliche  Spannung.  Im  Augenblick  des 
Springens  wäre  das  nächstfolgende  Häutchen  berufen,  den 
entstehenden  luftleeren  Raum  sofort  mit  seineu  benach- 
barten Theilen  auszufüllen.  Dadurch  würde  eine  plötz- 
liche Steigerung  der  Spannung  in  ihm  kervorgerufen, 
welche  es  nicht  auszuhaken  vermag.  So  überträgt  sich 
das  Springen  nach  rückwärts,  bis  wir  zu  Häufehen  ge- 
langen, welche  noch  wenig  gespannt  sind  und  deshalb 
noch  eine  ph'ifziiehe  Verlängerung  vertragen.  Die  letz- 
teren werden   nun  versuchen  sich,  da  ihnen  das  Streben 


Figur  4. 


nach  Beschleunigung  noch  erhalten  ist,  durch  die  vor 
ihnen  liegenden  Theile  der  zerrissenen  Häutchen  hindurch- 
zudrängen und  sie  bei  Seite  zu  schieben.     (Fig.  4.) 

Alle  abgerissenen  Fäden  sind  ungespannt,  die  Reibung 
tritt  an  ihnen  frei  auf  und  der  Wirbelbewegung  setzt 
sich  bei  ihnen  keine  Kraft  mehr  entgegen.  Die  zur  Seite 
geschobenen  Fäden  werden  naturgemäss  immer  neue  Ge- 
bilde in  ihrem  bisherigen  Gleichgewicht  stören,  ebenso 
die  nach  der  Sohle  zu  ausweichenden  Theile.  Die  nach 
der  Oberfläche  gedrückten  Häutchenrestc  aber  werden 
vorläufig  auf  den  noch  zusammenhängenden  Häufchen 
gewissermaassen  schwimmen.  Gerade  sie  sind  es.  welche 
der  bewegten  Flüssigkeit  das  Gepräge  der  Unruhe  auf- 
drücken. Sie  irren  umher  und  suchen  die  Gelegenheit 
sich  mit  Gebilden  ähnlielier  Art  wieder  zu  neuen  Häutehen 
zu  verbinden.  Jedes  neue  Zerreissen  von  Häufchen,  dass 
sich  unter  Umständen  an  der  01)erfläche  durch  ein  leichtes 
Aufwallen  der  Flü.ssigkeif  zu  erkennen  giebt,  liefert  hierzu 
eine  neue  Gelegenheit. 

Wenn  wir  Öel  auf  bewegtes  Wasser  ausgiessen,  thun 
wir  nichts,  wie  den  Druck,  welcher  früher  die  Häutchen 
zusammenhielt  und  der  beim  Platzen  gestört  wurde,  wieder 
herstellen. 

Nach  dem  Gesagten  könnte  man  sicii  dass  Strömen 
der  Flüssigkeiten  in  folgende  Abschnitte  zerlegt   denken: 

L  Die  Zeit  des  Drängens  und  Pressens,  in  der  eine 
Umlagerung  der  Molecüle  vor  sich  geht. 

2.    Die  Zeit  des  Einhergleitens  der  Häufchen. 

Es   er 


Der  Reibung  stehen 


Die  Reibung    ist   kleiner  wie   die  Cohäsion 
folgt  die  Ausbildung  des  Längengefälles. 

3.  Das  Platzen  der  Häufchen 
keine  Cohäsionskräfte  mehr  entgegen;  es  bilden  sieh 
Wirbelbewegungen  aus.  Ein  Theil  der  noch  gespannten 
Häufchen  presst  sich  durch  die  schon  gesprungenen 
hindurch. 

4.  Die  zerrissenen  Häutehen  schliessen  sieh  zu  neuen 
Gebilden  zusammen.  Es  folgt  wieder  die  Zeit  des  Drängens 
und  Pressens. 

Die  vorstehende  Erklärung  wird  man  vielleicht  für 
recht  zähflüssige  Massen  ohne  Bedenken  anerkennen, 
aber  von  diesen  aus  können  wir  auf  die  Bewegung  des 
Wassers  schliessen. 

Die  Grundgesetze  und  Erscheinungen  müssen  in  beiden 
Fällen  die  gleichen  sein,  doch  nur  bei  trägen  Flüssigkeiten 
können  wir  beobachten.  In  jedem  Wasserlauf  wird  sich 
natürlich  nicht  ein  einzelnes  System  vorwärtsbewegen, 
das  sieh  bildet,  auflöst  und  von  neuem  bildet,  vielmehr 
werden  wir  es  mit  vielen  Systemen  zu  thun  haben,  die 
sich  gegenseitig  beeinflussen  und  die  die  verzögernde 
Einwirkung  der  Adhäsion  von  den  Rändern  des  Profiles 
nach  dem  Stromstrich  übertragen. 

Im  Uebrigen  wird  das  Wasser  möglicher  Weise  ganz 
wohl  im  Stande  sein,  grössere  Spannungsflächen  auszu- 
bilden. Treiben  wir  mit  einem  Strohalm  Luft  in  stehendes 
Wasser,  so  können  wir  Blasen  von  Grösse  der  Hühner- 
eier erzeugen,  die  allerdings  geneigt  sind,  schnell  zu  zer- 
springen; mischen  wir  etwas  Seife  dem  Wasser  bei,  so 
erzeugen  wir  aus  einem  Tropfen  elastische  Blasen  von 
ganz  erheblicher  Grösse.  In  diesen  Fällen  gehen  wir 
höchst  gewaltsam  vor.  Der  Luftdruck  in  der  Blase  ist 
ein  viel  grösserer  wie  ausserhalb  derselben.  Beim  strö- 
menden Wasser  hingegen  bestehen  die  gepressfen  Häuf- 
chen aus  derselben  Materie,  wie  die  pressenden,  sie  haben 
dieselben  Daseinsbedingungen  und  jedem  Druck  steht  ein 
Gegendruck,  hervorgebracht  wiederum  von  ganz  gleich- 
artigen Gebilden,  entgegen.  Unter  diesen  Bedingungen 
ist  es  wohl  denkbar,  dass  sich  Spannungshäufchen  in 
viel  grösserem  Umfange  ausbilden,  wie  wir  im  Allgemeinen 


Nr.  24. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


237 


zu  ii'iauben  geneigt  sind;  wir  selien  stets  nur  die  Ober- 
tläeiie  des  Wassers,  welclie  wir  uus  nach  dem  vorher 
Gesagten  gerade  gel)ildet  denken  müssen  aus  den  Bestand- 
theilen  bereits  zerstörter  Häutchen. 


Der  Versuch, 


die    Vorgänge   bei 


der  Bewegung  des 


Wassers,  wie  oben  gcsciiildert,  zu  erlvlären,  ist  gewagt  auf 
Grund  vielfacher  Beobachtungen,  von  denen  indessen  nur 
das  I 'olgende  angeführt  sei: 

Wenn  man  unter  Anwendung  des  sogenannten 
„Tourenzählers"  Wassergeschwindigkeiten  misst,  bemerkt 
man  allgemein,  dass  die  Bewegungsart  in  demselben 
Punkt  nicht  gleichmässig  ist,  sondern  sich  vielfach  ver- 
ändert. In  grossen  Profilen,  in  denen  nur  geringe  Wasser- 
mengeu  zum  Abfluss  gelangen,  steht  der  Flügel  oft  minuten- 
lang still  und  dreht  sich  dann  erst  plötzlich  mit  ganz 
erheblicher  Geschwindigkeit,  um  auf  einmal  wieder  in  die 
Ruhestellung  über  zu  gehen.  Wollte  mau  eine  Parallelität 
der  Wasserfäden,  wie  dies  meist  geschieht,  annehmen, 
so  wäre  diese  Thatsache  nicht  zu  erklären.  Bei  Annahme 
der  obigen  Ausdeutung  könnte  man  sich  vorstellen,  dass 
die  plötzlich  auftretende  Bewegung  durch  platzende 
Häutchen  iu  sonst  ruhende  Wasserschichten  getragen  sei. 

Beiläufig  sei  hier  erwähnt,  dass  bei  allen  Wasser- 
messungen, bei  denen  es  sieh  nicht  um  sehr  grosse  Ge- 
schwindigkeit handelt,  der  T(un'enzähler  in  Auweudung 
kouunen  sollte,  da  die  sonst  gebräuchlichen  „Glockena]ipa- 
rate"  nur  nach  50  oder  100  Umdreliungen  einZeichen  geben, 
während  sich  mit  dem  Tourenzähler  jede  einzelne  Um- 
drehung der  Flügelwelle  und  somit  auch  jede  Störung 
in  der  Bewegung  beobachten  lässt.  Zudem  wirkt  das 
häufig  wiederkehrende  Tönen   der  Glocke  überaus  ermü- 


dend   und    abspannend;    auch    ist 
Glocke   ein 


bei    Verwendung    der 


lutegriren"  d.  h.  ein  unmittelbares  Messen 
der  mittleren  Geschwindigkeit  in  einer  Lothrechten  aus- 
geschlossen. 

Als  eine  fernere,  für  Jedermann  sichtbare  Thatsache 
seien  weiterhin  die  Fadenbildungen  angeführt,  welche  wir 
auf  langsam  fliessendem  Wasser  bemerken,  auf  welchem 
Staub  oder  (unterhalb  von  Wehren)  Wasserschaum 
schwimmt.  Es  bilden  sich  dort  Gebilde  aus,  welche  mit 
den  in  Fig.  4  dargestellten  Aehnlichkeit  haben.  Den 
Vorgängen  an  der  Oberfläche  müssen  aber  diejenigen  in 
irgend  einem  anderen  Längenschnitt  des  Flusses  ent- 
sprechen. 

Bei  Annahme  der  versuchten  Erklärung  ist  ein  Auf- 
schluss  über  den  Ersatz  des  im  Stromstrich  schneller  als 
in  den  übrigen  Theilen  des  Querschnittes  zum  Abfluss 
gelangenden  Wassers  von  selbst  gegeben,  der  sich  bei 
Voraussetzung  paralleler  Fadenbewegung  nicht  beibringen 
lässt.  In  dem  ersten,  zweiten  und  vierten  Abschnitt 
der  Wasserbewegung  tindet  ein  Zufluss  vom  Umfang  des 
Profiles  nach  dem  Stromstrieh  statt,  während  im  dritten 
Abschnitt  eine  Abgabe  des  Wassers  von  dort  nach  dem 
Umfange  vor  sich  geht. 

Wichtiger  dürfte  es  sein,  dass  unter  den  bisherigen 
Annahmen  sich  eine  Erklärung  für  die  Wechselwirkung 
zwischen  Gefälle  und  Stromgeschwindigkeit  finden  lässt; 
dieselbe  würde  etwa  lauten:  „Bei  grösserer  Geschwindig- 
keit werden  die  Häufchen  schneller  aus  dem  Zusannuen- 
haug  gerissen,  dadurch  bildet  sich  wiederum  schneller  ein 
grösseres  Gefälle  aus." 

Hierbei  dürften  noch  einige  Worte  über  den  Ueber- 
gang  von  einem  starken  zu  einem  schwächeren  Gefälle 
zu  sagen  sein.     Wir  werden  anuehmeu  müssen,  dass  sieh 

ang  abspielt,  wie  beim 
giiiig  vuii  uci  jxiiue  z,ur  Bewegung.  Die  einzeluen 
Häutchen,  welche  in  diesem  Falle  meist  plötzlich  einen 
grösseren  Querschnitt  ausfüllen  müssen,  werden  das 
Streben    zeigen,    sich   wieder    aufzurichten.     Wir  werden 


bei  ihm  der  entgegengesetzte  Vor 
Uelierg-ang  von   der  Ruhe  zui 


vielleicht  sogar  annehmen  müssen,  dass  hierbei  durch 
JloIecUl- Verschiebung  gewissernmassen  auch  eine  Auf- 
stauchung des  Häutchens  stattfinde,  bei  der  eine  Wand- 
verstärkung des  Iläutchens  einträte.  Vor  allem  wird  hier 
das  früher  erwähnte  Durchhängen  des  Häutclieus  an  der 
(•berfläche  Inrtfallen.  Durch  die  Spannungen  im  Häutchen 
und  durch  die  Stauchung  desselben  wird  an  der  Luft- 
grenze vorerst  wieder  eine  wagerechte  Oberfläche  her- 
gestellt werden.  Aehnlich  verhält  sich  das  Segel,  wenn 
der  Wind  aufhört  zu  wehen.  Wo  starke  Flusskrümmuugen 
oder    Wehre    plötzliche    Stnuwirkung    hervorrufen,     wird 

unter  Umständen  sogar 
eine  üeberhöihung  der 
Oberfläche  im  Stromstrich 
eintreten. 

Um  zu  zeigen,  dass 
die   Vorstellung    schwim- 
mender   Häutchen     ganz 
allgemein  für  unsere  An- 
Figur 5.  schauung    über    die  Vor- 
gänge im  bewegten  Was- 
ser   bequem    ist,     seien 
ferner  die  Erscheinungen  besprochen,  die  beim  Schliessen 
eines  Trommelwehrs  auftreten. 

So  lange  das  Wehr  niedergelegt  ist,  strömt  das 
Wasser  über  dasselbe  in  langgezogenen  Häutchen.  Bei  dem 
Hochgehen  des  ersteren  wird  die  Bewegung  plötzlich  ge- 
hemmt, die  Häutchen  erhalten  sämmtlich  das  Streben  sich 
aufzurichten.  Während  der  Anfwärtsbewegung  des  Wehres 
sind  aber  zahlreiche  Lagen  von  Häutchen  zerrissen  worden. 
(bei  A  und  B   Fig.  5.) 

Wir  köimen  uns  denken,  dass  das  Wasserpolster  bei 
B  den  Uebergang  zu  steilerer  Lage  in  den  unteren 
Theilen  des  Flusslaufes  hindere.  Die  Wirkung  hiervon 
auf  die  mittleren  Theile  wird  sich  äussern  wie  ein  Gegen- 
strom; die  abgeschnittenen  Häutchen  bei  A  hingegen 
werden  von  den  folgenden  sich  aufrichtenden  Häutchen 
in  die  Luft  geworfen,  und  zwar  wird  die  Kraftrichtung 
wechseln,  je  nach  der  sich  ändernden  Lage  des  Häutchens, 
auf  dem  sie  senkrecht  steht.  Die  ausgeworfenen  Wasser- 
theilchen  prallen  am  Wehr  ab  und  leiten  an  der  Oberfläche 
eine  Wogenbewegung  ein,  die  verstärkt  wird  durch  die 
besprochenen  Verdrückungen  der  Iläutehen  an  der  Sohle 
(Fig.  6). 

Je  plötzlicher  der  Stau  auftritt,  desto  schneller  werden 
die  Formänderungen  im  Häutchen  vor  sich  gehen  müssen. 
Wir  können  uns  denken,    dass  der  Druck  der  folgenden 

Wassermasse  die  oberen 
Theile  des  einzelnen 
Häufchens  so  schnell  auf- 
richtet, dass  es  über  die 
derzeitige  Oberfläche  hin- 
ausragt, wobei  dann 
selbstredend,  weil  ein 
Gegendruck  fehlt,  der 
Zusammenhang  der  ein- 
zelnen Wassertheile  aufgehoben  wird. 

Diese  Anschauung  dürfte  der  Augenschein  bestätigen. 
Das  Aufhöhen  des  Wasserstandes  vollzieht  sich,  ohne  dass 
man  eine  nennenswerthe  Fortbewegung  des  Wassers  in 
der  Stromriehtung  wahrnimmt.  Es  springen  unzählige 
kleine  Spitzen  aus  dem  AVasser  empor,  deren  Wege  im 
einzelnen  zu  verfolgen  man  ausser  Stande  ist;  es  findet 
ein  Aufquellen  aus  dem  Inneren  des  Wassers  statt,  wäh- 
rend gleichzeitig  ein  Hin-  und  Herwogen  der  Wassermasse 
an  der  Oberfläche  bemerkbar  ist. 

Bei  Wehren  mit  grosser  Stauhöhe  tritt  oft  viele  Mi- 
nuten nachdem  das  VVasser  bereits  den  höchsten  Stau 
erstiegen  hat,  noch  die  sogenannte  Rückstau  welle  in  sehr 


Figur  6. 


'23S 


Naturwisscnscliaftlii'lic  Wocliciischrift. 


Nr.  24. 


auffälliger  Weise  auf.  Diese  Erscheinung  kann  leider  in 
die  Betrachtung  nicht  einbezogen  werden,  wegen  Mangel 
au  Gelegenheit  zur  Beobachtung. 

Dass  bei  allen  vorgeführten  Betrachtungen  Jiur  das 
Gerippe  zu  einer  Erklärung  gegeben  werden  soll,  und 
dass  die  Vorgänge  in  der  Natur  unendlich  verwickelter, 
wie  hier  geschildert,  sind,  braucht  nicht  weiter  ausgeführt 
zu  werden,  ist  doch  jede  einzelne  Bewegung  die  Ursache 
zu  immer  neuen  Bewegungen. 

Es  sei  gestattet,  weiterhin  darauf  aufmerksam  zu 
machen,  dass  bei  sehr  grossen  Gefällen  die  Möglichkeit, 
Häutchen  auszubilden,  überhaupt  fortfallen  kann. 

Der  Charakter  des  Stromes  wird  dann  ein  ganz  ver- 


änderter sein.  Er  wird  sich  lebhafter  bewegen,  Hinder- 
nisse werden  nicht  mehr  umspült  werden,  sondern  sie 
werden  heftige  Stösse  erzeugen-,  dabei  wird  das  Gefälle 
sich  vornehmlich  nach  der  Beschaffenheit  der  Sohle  richten. 
Wirbelbilduugen  werden  an  allen  Stellen  des  Querschnittes 
auftreten  und  die  einzelnen  Wirbel  werden  sich  gegen- 
seitig durchdringen,  aufheben  und  verstärken. 

Mögen  diese  Zeilen  dazu  dienen,  die  Aufmerksamkeit 
auf  noch  der  Klärung  bedürftige  Fragen  über  die  Bewe- 
guug  des  Wassers  hinzuleiten.  Wenn  sie  zur  15ekannt- 
machung  besserer  Erklärungen  wie  die  vorstehend 
versuchten  beitragen,  so  haben  sie  ihren  Zweck  er- 
füllt. 


Physikalische  Erklärung  von  Formverhältnissen  organischer  Skelettbildungen. 


Von  Dr.  Friedrich  Dreyer. 


(Schluss.) 


Sind  die  protoplasmatischen  Zwischenwände  dünn, 
so  dass  die  Vacuolcnblasen  sich  gegenseitig  scharf- 
kantig abplatten,  so  entsteht  bei  der  Skelettbildung  eine 
Gitterschale  mit  polygonalen  Maschen  und  dünnen  Balken 
(Fig.  20  d,  12  äusserste  Schale).  Findet  auch  in  den 
senkrechten  resp.  radial  nach  aussen  verlaufenden  Kanten 
Verkieselung  statt,  so  führt  dies  zur  Bildung  von  von 
den  Knotenpunkten  des  Gitters  aufstrebenden  Radial- 
stacheln (Fig.  20e,  17  äusserste  Schale).  Von  der 
Grösse  der  Vacuolen  hängt  die  absolute  und  relative 
Grösse  und  die  Form  der  Gittermaschen  ab;  waren  die 
Vacuolen  von  ungleicher  Grösse,  so  sind  auch  die  Maschen 
des  Kieselnetzes  ungleich  gross  und  unregelmässig  poly- 
gonal; waren  die  Vacuolen  gleich  gross,  so  bilden  die 
Maschen  reguläre  Sechsecke.  Letzteres  ist  eine  sich  aus 
den  Regeln  der  Blasenspannung  ergebende  geometrische 
Consequenz:  wir  hatten  gesehen,  dass  die  Zwischenwände 
eines  aus  gleich  grossen  Blasen  bestehenden  Complexes 
mit  einander  Winkel  von  120°  bilden;  weiter  haben  wir 
uns  klar  gemacht,  dass  die  Gitterung  einer  Schale  dem 
Netze  der  in  die  skelettogene  Schicht  fallenden  Partien 
der  protoplasmatischen  Vacuolenzwischen wände  entspricht; 
da  nun  das  reguläre  Sechseck  diejenige  reguläre  Figur 
ist,  bei  der  die  Winkel  120°  betragen,  so  müssen  auch 
die  Masehen  einer  in  einer  Lage  gleich  grosser  Vacuolen 
gebildeten  Gitterschalc  gleich  grosse  reguläre  Sechsecke 
sein. 

Die  Radialstaeheln  der  Gitterschalen  sind,  wenn 
sie  überhaupt  kantig  sind,  dreikantig  (Fig.  12,  16—18). 
Es  ergiebt  sich  dies  aus  der  dreikantigen  Form  der  Be- 
rührungskanten eines  Blasensystems  (Fig.  1,  2,  4,  8,  20). 

Ist  mehr  Zwischenwandmaterial,  also  mehr  Proto- 
plasma zwischen  den  Vacuolen  vorhanden,  so  dass  sich  diese 
abrunden  können,  so  erhält  aucli  die  Gitterschale  dem  ent- 
sprechend ausgerundete  Poren,  die  wieder  den  Vacuolen- 
blasen  entsprechend  regelmässig  kreisrund  oder  unregel- 
mässig rundlich,  von  gleicher  oder  ungleicher  Grösse  sein 
können.  Natürlich  können  auch  hier  die  Schalen  mit  Radial- 
stacheln versehen  sein  oder  nicht,  je  nachdem  die  Ver- 
kieselung auf  die  senkrechten  Blasenkanten  übergreift 
oder  nicht.  In  dem  Grade  der  Ausrundung  der  Maschen 
kommen,  wie  zu  erwarten,  alle  Uebergänge  von  poly- 
gonalen Masehen  mit  dünnen  Zwischenbalken  bis  zu  runden, 
in  grösserer  Entfernung  von  einander  stehenden  Poren 
vor  (Fig.  12,  innere  Schalen;  Fig.  16  und  17  innere 
Schale). 

Ist  die  Sarcode  zwischen  den  Vacuolen  reichlich  vor- 
handen, so  dass  sich  diese  mehr  oder  weniger  ausrunden 


können  und  sich  die  Ausrundung  und  Verstärkung  von 
den  Kanten  auch  theilweise  auf  die  Wände  erstreckt,  so 
erstreckt  sich  oft  auch  die  Abscheiduug  von  Skelettsubstanz 
in  der  Richtung  der  radialen  Wände  mehr  oder  weniger 
weit  nach  aufwärts.  Demgemäss  entstehen  dann  Schalen, 
die  sich  im  Umkreis  ihrer  runden  Poren  zu  Leistenwällen 
erheben,  die  sich  an  den  Ecken,  entsprechend  den  radialen 
Zwischenkanten  der  Vacuolenlage,  eventuell  wieder  zu 
Radialstacheln  ausziehen  können  (Fig.  18,  20  f,  g; 
vgl.  auch  Fig.  16  äussere  Schale  u.  Fig.  20a). 

Ist  das  Protoplasma  in  der  skelettogenen  Sphäre 
eines  Rhizopodenkörpers  so  reichlich  vorhanden,  dass  es 
unterhalb  einer  vacuolösen  Schicht  eine  stärkere  solide  Lage 
bildet,  so  kann  sich  innerhalb  der  Letzteren  eine  massive 
Schale  bilden,  auf  deren  Oberfläche  die  darüber  lagernden 
Vacuolen  muldenförmige  Eindrücke  hinterlassen.  Die 
kleinen  BlaseneindrUcke  sind  dann  nicht  tief  genug,  um 
einen  Durchbruch  der  Schalenwand  und  die  Bildung  von 
Poren  veranlassen  zu  können.  Ein  Beispiel  eines  solchen 
durch  Vacuoleneindrücke  gebildeten  Oberflächenreliefs  der 
Schale  möge  die  in  Fig.  13  dargestellte  Thalamophoren- 
schale  geben.  Bei  derselben,  einer  Lagena,  wird  das 
die  Schale  überziehende  Protoplasma  augenscheinlich 
nur  an  der  aboralen  Hälfte  vacuolisirt  gewesen  sein. 

Oft  sind  die  runden  Poren  einer  Sehale  nicht  in  gleichen 
gegenseitigen  Abständen  über  diese  vertheilt,  sondern  ein- 
ander gru}»penweise  genähert.  Zwischen  den  Poren 
solcher  Gruppen  kommt  es  dann  häufig  zur  gegenseitigen 
Verschmelzung,  die  man  bei  den  verschiedensten  Poly- 
cystinenformen  in  allen  Stadien  beobachten  kann.  So 
giebt  Figur  5  eine  Partie  einer  Schale  wieder,  deren 
Poren  sich  in  den  verschiedensten  Stadien  der  gruppen- 
weisen Annäherung  und  Verschmelzung  befinden.  Bei 
Fig.  10  ist  die  Verschmelzung  der  Poren  so  weit  ge- 
diehen, dass  die  zu  einer  Gruppe  gehörigen  Poren  nur 
noch  durch  zarte  Kieselbrücken  gegen  einander  al)gegreuzt 
sind.  Figur  14  endlich  zeigt  eine  Schalenpartic,  bei 
der  die  Verschmelzung  der  Poren  innerhall)  ihrer  Gruppen 
überall  vollendet  ist;  aus  jeder  Porengruppe  ist  eine  grosse, 
unregelmässig  gestaltete  Pore  mit  ausgebogtem  Rande 
entstanden.  Der  Befund  der  Porenverschmelzung  erklärt 
sich  aus  einem  entsprechenden  Verhalten  der  Vacuolen 
der  skelettogenen  Schicht  zur  Zeit  der  Schalenabscheidung. 
Wenn  die  der  Pdrenbildung  zu  Grunde  liegenden  Vacuolen 
gruppenweise  nahe  aneinanderrücken,  so  werden  ihre 
Zwischenwände  immer  schwächer  und  lassen  in  demselben 
Maasse  auch  in  der  Energie  des  Chemismus  der  Kiesel- 
abscheidung  nach.    Zunächst  bilden  sich  in  denselben  nur 


Nr.  24. 


NaturwisscnsL' halt  liehe   VVoehenschrif't. 


239 


noch  dünne  Kicsclbriicken  (Fig.  10),  und  sind  sie  noch 
zarter,  so  betheilijj'cn  sie  sich  an  der  Al)scheidung  von 
Sivelettsubstanz  überhaupt  niciit  mehr.  Den  einzigen  An- 
halt zur  Beurtheilung  der  Blasengruppe  liefern  dann  nur 
noch  die  Ausbuchtungen  des  Randes,  nach  ihnen  kann 
man  sich  das  Blasenbild  reconstruiren,  wie  ich  dies  in 
Figur  14  bei  einer  Pore  angedeutet  habe.  Sind  die  Va- 
cuolen  einer  Gruppe  gleich  gross  und,  was  sich  dann  aus 
den  Gesetzen  der  Blasensjjannung  von  selbst  ergiebt, 
regelmässig  angeordnet,  so  können  sehr  regelmässige 
rosettenförmige  Poren  mit  ausgebuchtetem  Rande  ent- 
stehen (Fig.  11,  auch  hier  ist  in  einer  Pore  die  Blasen- 
gruppe reconstruirt).  Diese  Poren  zusammengesetzten  Ur- 
sprungs verhalten  sich  dann  als  Ganzes  wieder  wie  ein- 
heitliche Blasen,  indem  auch  sie  sich  unter  eiuander  den 
Regeln  der  Blaseuspannung  entsprechend  anordnen;  in 
dem  von  ihnen  gebildeten  Gitterwerk  stossen  immer  drei 
Gitterbalken  zusammen  und  von  den  Knotenpunkten  dieser 
erheben  sich,  wie  bei  unserem  Beispiele  (Fig.  11),  kegel- 
förmige Stachelspitzen,  was  seinen  Theil  zur  Bereicherung 
des  Reliefs  noch  beiträgt. 

Auf  den  ersten  Anblick  einer  solchen  Schale  hin 
bewundert  man  unwillkürlicli  ihre  zierliche  und  verliält- 
nissmässig  complicirte  Ausführung  und  ist  erstaunt,  eine 
solche  Bildung  von  einem  so  primitiven  Organismus  er- 
zeugt zu  sehen.  Nunmehr  sehen  wir  aber,  dass  wir  auch 
hier  mit  unserem  Princip  der  Blasenmechanik  auskommen, 
dass  auch  die  Bildung  eines  solchen  Schalenbaues  un- 
gezwungen auf  dieselben  einfachen  physikalischen  Gesetze 
zurückführbar  ist.  Diese  sind  die  hauptsächlichen  Bil- 
dungsfactoren und  der  Organismus  selbst  kann,  wenn 
man  sich  so  ausdrücken  darf,  gar  nichts  dazu,  dass  ihn 
eine  so  schöne  Schale  schmückt. 

Geeignet,  zu  denselben  Betrachtungen  herauszufordern, 
ist  ein  interessanter,  bei  Polycystinen  hie  und  da  auf- 
tretender Schalenbau.  Als  Beispiel  möge  (die  äussere 
Schale  bei)  Figur  16  dienen.  An  der  eigentlichen  Schale 
ist  zunächst  nichts  Aussergewohnliches  zu  bemerken:  ihre 
Poren  sind  ausgerundet  und  von  hohen,  an  ihrem  oberen 
Rande  ausgeljogten  Leistenwällen  umgeben,  die  sich  von 
den  Ecken  des  Scbalengitters  aus  zu  radialen  Stäben 
erheben.  Diese  Radialstäbe  nun  zeigen  ein  eigenartiges 
Verhalten,  indem  sie  sich  an  ihrem  oberen  Ende  in  drei 
Gerüstbalken  gabeln,  die  sich  im  Bogen  zu  den  drei  be- 
nachbarten Radialstäben  hinüberspannen,  mit  anderen 
Worten,  die  Radialstäbe  treten  durch  Bogen  unter  ein- 
ander in  Verbindung.  Es  entsteht  hierdurch  über  der 
Schale  ein  zierliclies  Arkadenwerk,  bei  dem  man  die 
Möglichkeit  der  Zurückführung  auf  einfache  mechanische 
Bildungsursachen  zunächst  auch  nicht  vcrmutliet,  und  doch 
ist  gerade  dieser  Schaleubau  das  klassischste 
Beispiel  einer  Harmonie  einer  Gerüstform  mit  den  Ge- 
setzen der  Blasenmechanik.  Um  sich  hiervon  zu  über- 
zeugen, hat  man  nur  nötbig,  in  die  Poren  und  die  diese 
überspannenden  Arkaden  sich  Blasen  hineinzudenken,  die 
Ucbcreinstimmuug  ist  dann  eine  vollkommene,  das  Gerüst 
erweist  sich  als  ein  getreuer  Abguss  einer  äussersten 
Vacuolenschicht  (Fig.  20a).  Die  Poren  mit  ihren  Wällen 
geben  die  protoplasmatische  Zwischenmasse  am  Grunde 
der  Vacuolenlage  wieder,  die  senkrecht  emporstrebenden 
Radialstäbe  entsprechen  den  radialen  Kanten  der  seit- 
lichen Zwischenwände  und  die  Arkadenbogen  den  tangen- 
tialen Kanten  zwischen  den  nach  aussen  vorgewölbten 
Blasenkuppeln.  Das  von  den  radialen  Stäben  getragene 
Arkadenwerk  lässt  sich  mit  einer  nächst  äusseren  Schale 
vergleichen,  der  Unterschied  zwischen  einem  Arkadenwerk 
und  einer  gewöhnlichen  Schale  ist  nur  der,  dass  die  die 
Letztere  bildenden  Balken  zwischen  den  radialen  Stütz- 
balken (Radialstacheln)  gerade  ausgespannt  sind  und  so  eine 


Vacuolenschicht    gebildet    wurde 


ebene  Kugelschale  bilden,  hier  dagegen  sich  nach  aussen 
emporwölben;  die  Ursache  ist  die,  dass  eine  ebene  Kugel- 
schale im  Netz  der  durch  die  skelettogenc  Schicht  quer- 
getroflfenen  Zwischenwände  einer  tieferen  Vacuolenlage, 
ein  Arkadenwerk  dagegen  in  dem  oberflächlichen  Kanten- 
netz einer  äussersten 
(vergl.   Fig.  20). 

Systeme  concentrischer  Kugelschalen  sind  für  die 
Radiolarien  überaus  charakteristisch  (Fig.  12,  16,  17). 
Hie  und  da  wird  es  wohl  vorkommen,  dass  gleichzeitig 
und  in  derselben  skeletfogenen  Schicht  zwei  dicht  über 
einander  liegende  Schalen  gebildet  werden,  so  wie  es  bei 
den  eben  besi)rochencn  Arkadenbogen  anzunehmen  ist, 
im  Allgemeinen  haben  wir  jedoch  Grund  anzunehmen, 
dass  die  concentrischen  Schalensysteme  successive,  dem 
Wachsthum  des  Radiolarienkörpers  entsprechend,  gebildet 
werden. 

Findet  die  Schalenbildung  spät  statt,  nachdem  der 
Rhizopode  seine  endgültige  Grösse  schon  ganz  oder  nahezu 
erreicht  hat,  so  kommt  es  nur  zur  Abscheidung  einer 
Schale  (Fig.  18).  Anders  ist  es,  wenn  die  erste  Schale 
schon  frühzeitig  angelegt  wird.  Der  Zellkörpcr  dehnt 
sich  dann  durch  Wachsthum  weiter  aus  und  wächst,  da 
ihm  die  einnnvl  gebildete  Sciiale,  die  als  starres  Kiesel- 
gebilde einer  nur  durch  intussusceptionelles  Wachsthum 
möglichen  tangentialen  Ausdehnung  nicht  fähig  ist,  im 
Wachsthum  nicht  folgen  kann,  durch  die  Schale  hin- 
durch, die  so  mehr  und  mehr  in  das  Innere  des  Weich- 
körpers, in  centrale  Partien  desselben,  zu  liegen  kommt, 
während  die  kieselabscheidende,  skeleftbildende  Schicht 
als  sich  stetig  vergrössernde  Hohlkugel  peripherwärts 
über  sie  hinauswächst.  Hat  sich  in  der  skelettogenen 
Schicht  dann  wieder  eine  genügende  Menge  von  Skelett- 
substanz angesammelt,  so  wird  diese  als  eine  zweite,  der 
nunmehrigen  Lage  und  Ausdehnung  der  skelettogenen 
Sphäre  und  somit  dem  ganzen  Rhizopodenkörper  wieder 
entsprechende  Schale  abgeschieden.  Durch  öftere  Wieder- 
holung dieses  Vorganges  können  dann  Systeme  von  zahl- 
reichen concentrischen  Kugclschalen  gebildet  werden.  Die 
feste  Verbindung  der  Schalen  zu  einem  einheitlichen 
Gerüstwerk  wird  von  einer  geringeren  oder  grösseren 
Anzahl  dem  radialen  Wachsthum  des  Radiolars  folgender 
Stacheln  übernommen  (Fig.  12,  16,  17). 

Es  ist  einleuchtend,  dass  eine  solche  ruckweise 
Schalenbildung  eine  nothwendige  Vorbedingung  concen- 
trischer Schalensysteme  ist,  denn  nur  so  können  nur  in 
je  einer  Kugelfläche  entwickelte,  durch  skelettlose 
Zwischenräume  von  einander  getrennte  Skelettplatten  ent- 
stehen. Würde  die  Skclcttbildung  von  ihrem  Beginne  an 
bis  zur  Beendigung  des  Wachsthums  des  Weichkörpers 
gleichmässig  fortdauern,  so  würde  ein  zusammenhängendes, 
den  Sarcodekörper  gleichmässig  durchsetzendes  Gerüst- 
werk resultiren,  wie  es  bei  den  spongiösen  Gerüsten  auch 
thatsächlich  der  Fall  ist.  —  Wie  haben  wir  es  uns  aber 
verständlich  zu  machen,  dass  bei  unseren  Rhizopoden  in 
so  überaus  grosser  Verbreitung  das  allmäldiche  Wachs- 
thum des  Weichkörpers  von  einer  ruckweisen  Bildung  des 
Skelettes  begleitet  wird?  Nur  ganz  ausnahmsweise  konnnen 
unvollendete  Kugelschalen  zur  Beobachtung.  Wir  müssen 
hieraus  schliessen,  dass  die  Bildung  einer  Scliale  sehr 
schnell  vor  sich  geht,  ja  Häckel  redet  sogar  von  einem 
Loricationsmoment.  —  Es  ist  bekannt,  dass,  wenn  man  eine 
iieisse,  übersättigte  Lösung  eines  Salzes  langsam  erkalten 
und  ungestört  steilen  lässt,  sich  l)ci  vielen  Salzen  ohne 
Weiteres  noch  kein  Salz  abscheidet.  Es  bedarf  jedoch 
nur    eines   geringfügigen,    zufällig    eingreifenden  Insultes, 


einer  kleinen  Erschütterung  oder  des  Hineiufallens  enies 
festen  Gegenstandes,  um  das  sofortige  Auskrystallisiren 
des  überschüssigen  Salzes  einzuleiten.      Wir  vergleichen 


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Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  24. 


einiger   Entfernung    von    der   ersten 


dies  mit  der  Schalenabschcidung  der  Radiolarien  zunächst 
nur,  um  dem  Verständnis«  formal  zu  Hülfe  zu  kommen, 
um  zu  zeigen,  dass  auch  anderwärts,  in  der  anorganischen 
Natur,  analoge  Processe  vorkoiumen;  ob  der  Vergleich 
vielleicht  auch  reale,  erklärende  Bedeutung  besitzt,  müssen 
wir  vorläufig  dahingestellt  sein  lassen  — :  In  der  ske- 
lettogcnen  Schicht  sammelt  sich  Kieselsäure  bis  zur 
Capacitätsgrenze  der  Sarcode  an;  ist  diese  erreicht,  so 
findet  auf  einen  geringen  Anstoss  hin  die  Abscheidung 
statt,  das  in  die  skelcttogenc  Schicht  fallende,  mit  Kiesel- 
säure gesättigte  Netz  des  protoplasmafischen  Wabenvverkes 
versteinert  phitzlich,  etwa  wie  an  einem  Fenster  Eis- 
blumcn  anschiessen.  Ist  die  Sarcode  hierdurch  entlastet, 
so  kann  die  Ansammlung  von  Skelettmaterial  von  neuem 
beginnen;  unterdessen  wächst  der  Sarcodekörper  und  mit 
ihm  seine  skelettogene  Schicht  weiter,  so  dass  nach  aber- 
maliger Erreichung  des  Maximums  der  Ansammlung  die 
zweite  Schale  in 
entsteht. 

Die  Producte  der  auf  einander  folgenden  GerUst- 
bilduugsetappen,  die  in  einander  geschachtelten  Kugel- 
schalen, zeigen  zwar  oft  übereinstimmenden  Bau,  noch 
häufiger  jedoch  sind  sie  verschieden  structurirt  (Fig.  12, 
16,  17).  Wir  finden  dies  leicht  verständlich,  wenn  wir 
bedenken,  dass  das  Sarcodegerüst  des  Rhizopodenkörpers 
während  der  Entwickelung  des  Letzteren  sich  verändert, 
ebenfalls  eine  Entwickelung  durchläuft;  im  Verlaufe  der 
Stoftwechselprozesse  verändern  sich  die  Vacuolen  und  jede 
Skelettbiidungsetappe  findet  einen  anderen  morphologischen 
Ausbau  des  Sarcodegerüstes  vor  und  tixirt  ihn.  —  Ferner 
können  wir  im  (ilrossen  und  Ganzen  als  Regel  konstatiren, 
dass  die  Grösse  der  Poren  absolut  und  auch  relativ,  im 
Verhältniss  zu  der  Stärke  der  Balken  der  Gitterschaleu, 
zunimmt  (vgl.  die  drei  angegebenen  Figuren).  Auch  dies 
fügt  sich  einer  natnrgemässen  Erklärung  im  Hinblick  auf 
die  secundäre  Natur  der  Vacuolen.  Der  primäre  Zustand 
ist  der  des  soliden  Protoplasniakcirjiers;  durcli  Ent- 
mischungsvorgänge entstehen  die  Vacuolen,  zunächst  als 
kleine  Secrettropfen ,  die  dann  während  des  weiteren 
Verlaufs  des  Stoffwechsels  an  Grösse  zunehmen  und  den 
Weichkörper  mehr  und  mehr  auf  l)lähen.  Dies  trifft  nicht 
nur  für  die  Rhizopoden  zu,  sondern  wir  finden,  wo  Ul)er- 
haupt  Vacuolenbildung  eine  Rolle  siiielt,  bekanntlich  das- 
selbe Verhalten  bei  der  Histogenese  der  Tliiere  und 
Pflanzen.  In  den  kleinen  soliden  Zellkörpern  des  Ur- 
meristems  der  Pflanzen  treten  kleine  sich  allmählich  ver- 
grössernde  Vacuolen  auf,  die  endlich  zu  einem  grossen 
Vacuolenhohlrauni  confluiren,  der  den  Zellköriier  unver- 
hältnissniässig  aufbläht  und  dessen  Protoplasma  als  dünnen 
Wandbelcg  zur  Seite  drängt;  ganz  analog  ist  die  Lage 
der  Dinge  bei  den  thierischen  Fett-  und  Blasenzelleu.  — 
Ist  bei  unseren  Riiizopoden  diese  Zunahme  der  Grösse 
der  Vacuolen  im  Verhältniss  der  protoplasmatischen 
Zwischenmasse  gut  ausgeprägt,  so  ist  eine  Folge  hier- 
von ein  im  Verlaufe  der  Succession  der  Gerüstbildungs- 
etappen sich  kundgebendes  Hinstreben  von  kleinen  runden 
Poren  zu  grossen  polygonalen  Gittermaschen  mit  dünnen 
Zwischenbalken  (Fig.  12,  16,  17).  Diese  Tendenz  kommt, 
wie  auch  unsere  Figurenbeispiele  zeigen,  ihrem  Ziele  bald 
weniger,  bald  mehr  nahe,  zuweilen  erreicht  sie  es  aber 
so  vollständig,  dass  die  jüngste  letzte  Schale  ein  aus 
haarfeinen  Kieselfäden  gebildetes  Netz  mit  grossen  po- 
lygonalen Maschen  darstellt  (Fig.  12),  welches  eher  einem 
Spinngewebe  als  einer  Schale  gleicht. 

Wenn  das  Kautenwerk  einer  äussersten  Vacuolen- 
schicht  nicht,  wie  bei  den  Arkadenschalen,  in  seiner  Ge- 
sammtheit,  sondern  nur  in  einzelnen  radialen  Kanten  mit 
den  drei  in  diese  ühergehenden  tangentialen  und  ge- 
wölbten Kanten  in  die  Skelettbildung  eingeht,  so  entstehen 


dreiarmige  Anker  (Fig.  20b,  15,  vergl.  auch  die  äusseren 
Radiationsstellen  des  Kanteusystems  der  Seifenblasen- 
komplexe  Fig.  2,  8).  Dieselben  kommen  bei  den  ver- 
schiedensten Radiolarienabthcilungen  vor  und  zwar  in  den 
peripheren,  äussersten  Partien  der  Gerüste,  an  den 
distalen  Enden  der  radialen  Stachelgebilde,  also  eben  da, 
wo  wir  sie  ihrer  Bildungsmechanik  nach  zu  erwarten 
haben.  Betheiligen  sich  nur  zwei  von  den  tangentialen 
Zwischenkanten  au  der  Skelettabscheidung,  so  entstehen 
zweiarmige  Anker  (siehe  auch  hierzu  Fig.  20b),  die  eben- 
falls bei  Radiolarien  verschiedentlich  vorkommen. 

Kommt  es  bei  einer  auf  einer  Sehalenoberfläche 
secundär  aufgetretenen  Vacuolensehicht  nur  in  den  Ecken 
resp.  Knotenpunkten  des  von  den  der  Schalenfläche  auf- 
stehenden Zwischenwänden  gebildeten  Grundrissnetzes  zur 
Abscheidung  von  Skelettsubstanz,  so  müssen  kleine,  der 
Schalenoberfläche  aufsitzende  Tetraeder  mit  eingebauchten 
Flächen  entstehen,  wie  dies  Figur  20c  veranschaulicht 
(vergl.  auch  Fig.  4).  Wir  begegnen  dieser  Erscheinung 
bei  der  von  Mob  ins  beschriebenen  und  abgebildeten,  von 
uns  in  unserer  Figur  22  wiedergegebenen  Entosoienia 
aspera.  Bei  dieser  Thalamophore  wird  das  die  Schale 
aussen  überziehende  Exoplasma  blasigen  Bau  besessen, 
verrauthlich  eben  etwa  wie  unsere  Figur  20  c  es  darstellt, 
einer  Vacuolenlage  entsprdchen  halK-n. 

Endlich  wollen  wir  noch  eine  höchst  interessante  Er- 
scheinung herausgreifen,  bei  der  uns  die  Blasenspannung 
bei  Radiolarienschalen  als  Bildnerin  des  Gesammtbau- 
planes  entgegentritt.  —  Ein  in  einem  Medium  frei 
schwebender,  (entsprechend  Fig.  2)  aus  vier  grossen 
Blasen  bestehender  Blasenkomplex,  dem  noch  eine  kleine 
Blase  eingefügt  ist,  zeigt  die  in  Figur  1  dargestellte 
Formation.  Es  giebt  nun  eine  Gruppe  von  Nasseilarien, 
deren  Schalen  genau  dem  Zwischeuwandsystem  eines 
derartigen  Blasencomplexes  entsprechen;  Figur  6  führt 
eine  solche  Form  als  Beispiel  vor:  Die  Cephalis  oder  das 
Köpfchen  entspricht  der  centralen  kleinen  Blase  und  die 
von  ihr  ausgehenden  Gitterplatten  den  Zwischenwänden 
der  anstossenden  vier  grossen  Blasen.  Ein  Vergleich 
unserer  beiden  Figuren  1  und  6  lehrt  auf  den  ersten 
Blick,  dass  die  üebereinstimmung  eine  völlig  exacte  ist, 
dass  die  Form  des  Radiolariengerüstes  ohne  weiteres  dem 
Zwisehenwandsystem  des  Blasenkomplexes  (die  Zwischen- 
wände unserer  Blasenkomplexe  sind  der  Deutlichkeit 
halber  theils  schraffirt)  substituirt  werden  kann.  Stellen  wir 
uns  den  Weichkörper  einer  solchen  Form  vor,  so  vertritt 
die  Centralkapsel  die  Stelle  der  mittleren  kleinen  Blase; 
die  vier  grossen  Blasen  werden  dagegen  vier  wirklichen, 
im  Verhältniss  riesigen  Vaeuolenblasen  entsprechen,  die 
die  extracapsuläre  skelettogene  Sarcode  nur  in  Form  ihrer 
Zwischenwände  dulden.  — • 

Die  soeben  besprochenen  Gesetzmässigkeiten  kommen 
nun  nicht  nur  innerhalb  der  Sarcodeleiber  der  Rhizopoden 
zur  Geltung,  sondern  ihre  Herrschaft  ist  eine  weit  ver- 
breitete universelle  auch  innerhalb  der  Gewebe  der  mehr- 
zelligen Organismen,  der  Thiere  und  Pflanzen,  überall  da, 
wo  die  Bedingungen  zu  ihrem  Inkrafttreten  gegeben  sind. 
Blasiger 


Bau  ist  eine  allgemeine  Eigenschaft  der  Ge- 
webe, wir  können  in  den  organisirten  Körpern  blasigen 
Bau  in  dreifacher  Hinsicht,  blasige  Elemente  von  drei 
verschiedenen  histologisch-morphologischen  Wertben  unter- 
scheiden: 1.  die  Zellen,  2.  die  im  Protoplasmakrirper  der 
Zellen  auftretenden  Vacuolen  und  3.  das  wabig  gebaute 
Protoplasma  selbst.  Ueberall  begegnet  die  Beoljachtung 
denselben  Gesetzmässigkeiten.  Als  ein  besonders  schönes 
Beispiel  wollen  wir  nur  die  Pollentetraden  herausgreifen. 
Die  in  Figur  7  dargestellten  Pollentetraden  eines  Rhodo- 
dendron entsprechen,  wie  der  erste  Blick  lehrt,  einer 
Gruppe  von  vier  Blasen,  wie  wir  sie  in   unserer  Figur  2 


Nr.  24. 


Natnrwissenschaftliche  Wochenschrift. 


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dargestellt  hatten;  wegen  seiner  Eint'acliheit  ist  dieses 
Beispiel  besonders  instnictiv. 

Im  Hinblick  hierauf  erscheint  es  natürlich,  dass  auch 
bei  niein-zelligcu  Organismen,  wo  es  unter  solchen  I5c- 
dingungen  zur  Skelettbildung  kommt,  dieselben  nutrpho- 
logisclien  Gesetzmässigkeiten  zur  Geltung  kommen. 

Hauptsächlich  sind  hier  die  beiden  sich  durch  Skclett- 
bildung  besonders  auszeichnenden  Abtheilungen  der 
Spongien  und  Echinodermen  zu  nennen. 

Der  morphologische  Grnndzug  der  Skelettbildung 
der  Spongien  ist,  wie  auch  schon  lange  erkannt  war, 
der  Yierstrahlertypns,  und  das  typische  vierstrahligc 
Spiculuni  selbst  gehört  bei  den  Spongien  (Fig.  3),  seien 
es  nun  Kiesel-,  Kalk-  oder  Hornschwämme.  zu  den 
häutigsten  Skelettelementcn. 

Bei  den  Echinodermen  kommt  der  Vierstrahlcrtypus 
hauptsächlich  bei  der  ersten  Anlage  der  Skclcttelemeute 
in  Betracht.  Als  ein  Beispiel  greifen  wir  die  Anlage 
eines  Skelettelementes  bei  einer  Seeigellarve  heraus.  Es 
kommt  hier  zunächst  zur  Bildung  eines  Tetraeders  mit 
etwas  eingebauchten,  concaven  Flächen  (Fig.  21),  genau 
derselben  Form,  die  wir  oben  aus  den  Gesetzen  der 
Blasenspannung  ableiteten  (Fig.  4)  und  dann  bei  einer 
Thalamophore  verkörpert  fanden  (Fig.  22,  20 et.  Diese 
Tetraeder  wachsen  bei  den  Echinodermen  dann  weiter  zu 
einem  Vier-  oder  Dreistrahler  aus. 

Der  Factor  der  Blaseuspannuug  ist  für  den  inneren 
Aufbau  der  vacuolisirteu  Sarcodekörper  der  Rhizopoden 
gesetzgebend  und  hierdurch  auch,  wie  wir  an  einer  Reihe 
von  Beispielen  zeigten,  für  den  elementaren  Auf-  und  Aus- 
bau, für  die  Structur  der  Skelette;  für  die  Gestaltung  der 
freien,  an  das  umgebende  iledium  grenzenden  Ubertiäche 
der  Sarcodekörper  und  die  hierdurch  bedingte  äussere 
Gesammtform  der  Rhizopodenkörper  und  -Schalen  sind 
andere  Verhältnisse  der  Flüssigkeitsmechanik  maass- 
gebend,  wenn  wir  aber  diese  in  Betracht  ziehen,  so  cr- 
öfi'net  sich  uns  auch  für  dieses  Capitel  der  Formgestaltung 
ein  überraschendes  Verständniss.  Wir  können  jedoch 
hierauf  hier  nicht  weiter  eingehen,  ebensowenig  wie  auf 
die  sich  ergebenden  interessanten  theoretischen  Gedanken- 
gänge und  Perspectiven.  Unser  referirender  Artikel,  ohne- 
hin schon  lang  genug  geworden,  würde  sonst  den  Raum 
vorliegender  AVochenschrift  zu  sehr  in  Anspruch  nehmen, 
wir  beschliessen  also  unsere  Zeilen  noch  mit  folgender 
Erwägung: 

Wir  hatten  an  einer  Auswahl  von  Beispielen  ge- 
sehen, dass  die  Flttssigkeitsmechanik,  in  den  augeführten 
Fällen  speciell  die  Blasenspannung,  als  Bildnerin  der  so 
mannigfaltigen  Formen  der  Rhizopodengerüste  auftritt; 
wie  haben  wir  nun  diesen  Bildungsfactor  in  Bezug  auf 
sein  Vcrhältniss  zum  Organismus  aufzufassen":'  Ist  er 
denn  überhaupt  noch  mit  zu  den  Lebenserscheinungen 
und  sein    Werk,    der    Gerüstbau,    zu    den  Producten    der 


Lebensthätigkeit  des  Organismus  zu  rechnen?  Sind  nicht 
die;  A'acuolen  unorganisirte  leltlose  Secrettropfen  und 
drängen  sie  lucht  vermöge  der  Kraft  der  Blasenspannnng 
das  lelKMide.  <lic  Gerüstsubstanz  abscdieidcnde  Proto])lasma 
niilens  volens  in  die  den  festen  Gesetzen  der  Flüssigkeits- 
mechanik entsprechenden  Formen  hinein  ?  Können  wir 
hier  nicht  sagen,  die  Rhizopoden  können  gar  nichts  dazu, 
dass  sie  so  schöne  Skelette  haben?  Sind  wir  hier  nicht 
Zeugen  des  seltsamen  Schauspiels,  dass  der  Organismus 
selbst  nur  Handlangerdienste  versieht,  indem  er  das  Bau- 
material nur  l)eseliafft  und  zubereitet,  während  eine  ele- 
mentare physikalische  Kraft,  ein  fremder  Eindringling  von 
aussen,  die  Rolle  eines  intelligenten  Baumei.sters,  eines 
Künstlers  spielt,  und  Formen  hervorzaubert,  die  an 
Formenrcichthum  und  Zierlichkeit  alles  in  der  organischen 
Welt  Vorhandene  bei  weitem  überbieten?  Dies  wunder- 
bare Symbiosevcrhältniss  —  wenn  dieser  Ausdruck  hier 
noch  erlaubt  ist  —  zwischen  Organismen  und  unorgani- 
schen Kräften  der  Aussenwelt,  kraft  dessen  in  der  Tiefe 
des  Meeres  innerhalb  der  Sarcodeleiber  primitivster  Lebe- 
wesen, Schneekrystallen  vergleichbar,  eine  ganze  Formen- 
weit  von  ungeahntem  Reichthum  ersteht,  scheint  allen 
bisher  gewonnenen  Regeln  der  Erfahrung  zuwiderzulaufen. 
—  Bevor  wir  uns  in  dieser  Frage  entscheiden,  stellen  wir 
die  Gegenfrage:  Was  verstehen  wir  unter  Leben?  Im 
Grossen  und  Ganzen  können  wir  sagen:  Unter  „Leben" 
verstehen  wir  einen  Complex  von  Erscheinungen,  deren 
elementare  Ursachen  wir  nicht  kennen,  aber  in  einem 
höchst  verwickelten  Knäuel  chemisch-physikalischer  Kräfte 
vermuthen.  Ist  es  uns  nun  einmal  ausnahmsweise  ge- 
lungen, eine  dieser  elementaren  Kräfte  gesondert  zu  er- 
kennen, so  sind  wir  im  Zweifel,  ob  wir  sie  noch  zum 
Leben  zu  rechnen  haben  und  fühlen  uns  eher  versucht, 
sie  den  entsprechenden  Gebieten  der  Chemie  oder  Physik 
zuzuweisen.  —  In  dieser  Lage  befinden  wir  uns  augen- 
blicklich mit  unserem  in  Rede  stehenden  Gegenstand,  der 
Flüssigkeitsmechanik  resp.  Oberflächenspannung  und  den 
durch  sie  bewirkten  Formverhältnissen.  Der  Umstand, 
dass  wir  in  dieses  Dilemma  kamen,  ist  ein  Zeichen  davon, 
dass  wir  mit  unseren  Untersuchungen  an  der  Grenze 
zwischen  organischen  und  anorganischen  naturwissen- 
schaftlichen Disciplinen  angelangt  sind,  dass  es  uns  ge- 
lungen ist,  eine  organische  Erscheinungsgruppe  auf  ihre 
elementare  anorganische  causa  efficiens  zurückzuführen. 
Wenn  es  uns  mit  der  Zeit  gelingt,  mehr  und  mehr  von 
den  Erscheinungen,  die  uns  an  Organismen  entgegentreten, 
in  dieser  Weise  zu  erklären,  d.  h.  ihre  bewirkenden  Ur- 
sachen aus  dem  Knäuel  der  „Lebenskraft"  herauszulösen, 
so  wird  auch  die  Unterscheidung  zwischen  Lebens- 
erscheinungen und  chemisch -physikalischen  Prozessen, 
zwischen  Organismen  und  Anorganen,  ilie  man  jetzt  noch 
mit  grosser  Schärfe  durchzuführen  gewohnt  ist,  mehr  und 
mehr  ihre  Bedeutung  verlieren. 


Den  Farbeiiweclisel,  dem  die  Wanderheuschrecke 

während  ihrer  Eutwickelung  unterliegt,  schildert  der  1891 
behufs  Untersuchungen  über  dieses  schädliche  lusect  in 
Nordafrika  gewesene  J.  Kunckel  d'Herculais.  („Le 
Criquet  pölerin,  Schistocerca  peregrina  Ohr,  et  ses 
changements  de  coloration.  Role  des  pigments  dans  les 
phenomenes  d'histolyse  et  d'histogenese  cpü  accompagnent 
les  mues  et  la  metamorphose."  C.  r.  de  la  Soc.  de  Biol. 
de  Paris.  S.  9,  T.  4,  S.  56.  1892.)  Die  jungen  Thiere 
häuten  sich  sofort  nach  dem  Ausschlüpfen  aus  dem  Ei 
und  sind  grünlichweiss.  Bald  bräunen  sie  sich,  bis  sie 
schwarz  mit  weissen  oder  gelblichen  Flecken  sind.    Nach 


der  zweiten  Häutung  erscheinen,  namentlich  an  den  Seiten 
des  Körpers,  rosa  Farben.  Diese  vermehren  sich  nach 
der  dritten  Häutung  und  überwiegen  nach  der  vierten. 
Allmählich,  bis  nach  der  sechsten  Häutung,  mischen  sich 
gelbe  Töne  ein,  so  dass  das  erwachsene  Thier  zart  rosa 
erscheint.  Jedesmal  ist  das  Rosa  nach  der  Häutung  am 
lebhaftesten  und  vergilbt  allmählich.  In  der  Sonne  wird 
das  Gelb  am  lebhaftesten,  so  dass  der  Einfluss  des  Lichtes 
deutlich  ist.  Die  gelbe  Farbe  ist  ofi'enbar  ein  Phänomen 
des  Alterns.  Matzdorfl'. 


242 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  24. 


Eine  Reihe  Versuche  über  die  Aiisteckungsmöglich- 

keit  der  auf  der  Anwesenheit  der  Jülbe  Sarcoptes  minor 
berulienden  Krätze  der  Kaninchen  und  Katzen  stellte 
A.  Railliet  an.  (s.  C.  r.  de  la  Soc.  de  Biol.  de  Paris. 
S.  9,  T.  4,  1892,  8.  315.)  Uebertragungsversuche  vom 
Kaninehen  auf  andere  Artgeuossen,  sowie  auf  Ratten, 
Hunde  und  Katzen  blieben  gänzlich  erfolglos.  Sehr  leicht 
steckten  Katzen  andere  Katzen  an,  und  auch  der  Ver- 
such, von  einer  Katze  aus  Kaninchen  zu  inficiren,  gelang, 
weun  auch  die  Incubatiouszeit  eine  sehr  lauge  war. 

Matzdorff. 

lieber  eine  eigentliiiniliche  Sclinietterlings-Inva- 
sion  berichtet  „The  Entomologist "  (No.  359,  8.  128,  nach 
„Liverpool  Echo"  vom  6.  Mäi-z  1893).  Am  22.  Februar 
dieses  Jahres  waren  die  Bewohner  von  Salins  im  Jursx- 
Departcment  nicht  wenig  erstaunt,  bei  einem  Schneesturm 
zugleich  mit  den  Flocken  Unmassen  lebender  Schmetter- 
linge in  allen  Grössen  zu  Boden  fallen  zu  sehen.  Als 
das  Unwetter  vorüljergezogen  war,  lagen  dieselben  zu 
Tausenden  an  der  Erde.  Ueber  den  Ursprung  dieses 
ganz  aussergewöhnlichen  Vorkommens  herrscht  Meinungs- 
verschiedenheit. Am  verbreitetsten  ist  die  Ansicht,  dass 
der  schwere  Südweststurm  die  Insectenscharen  von  fern- 
her herbeigeführt  habe,  vielleicht  von  Madeira,  den  Ca- 
naren,  Azoreu  oder  Capverde'schen  Inseln.  F.  K. 

Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben. 

Es  wurden  ernannt:  Der  Privatdoceut  für  Zoologie  an  der 
Universität  Breslau  Dr.  Rohde  zum  ausserordentlichen  Professor. 

—  Prof.  Dr.  Ulli  ig  zum  ordentlichen  Professor  für  Minei-alogie 
und  Geologie  an  der  deutschen  technischen  Hochschule  in  Prag.  — 
Prof.  Dr.  M.  Moebius  in  Heidelberg  zum  zweiten  Bibliothekar  und 
Director  des  botan.  Gartens  desMuseum  Senekenbergianum  iii  Frank- 
furt a.  M.  —  An  den  Universitäts-Anstalten  Berlins :  Zum  Assistenten 
au  der  Augenklinik  Dr.  Roecker,  —  an  der  Frauenklinik  in  der 
Artilleriestrasse  Dr  Heuck,  —  an  der  chirurgischen  Klinik  der 
Charitee  Dr.  Olshausen,  —  an  der  Frauenklinik  iler  Charitee 
Privatdocent  Dr.  Nagel,  —  am  physiologischen  Institut  Dr. 
Albert  Neumann  für  Chemie,  —  am  hygienischen  Institut 
Stabsarzt  Dr.  Davids,  —  am  physikalischen  Institut  Dr.  Schmidt, 

—  am  zweiten  chemischen  Institut  Dr.  Bernd  t,  —  am  meteoro- 
logischen Institut  Dr.  Klitzkowski. 

Prof.  Dr.  Filehue,  ordentlicher  Professor  für  Arzneimittel- 
lehre in  Breslau,  ist  zu  einer  wissenschaftlichen  Reise  nach  Nord- 
Amerika  auf  l'/j  Jahr  beurlaubt  worden  und  wird  während  dieser 
Zeit  durch  Prof.  Dr.  Geppert  aus  Bonn  vertreten.  —  Dr.  Wil- 
helm Haacke,  bisher  wissenschaftlicher  Director  des  Frankfurter 
zoologischen  Gartens,  hat  diese  Stellung  aufgegeben  und  ist  nach 
Darmstadt  übergesiedelt,  um  sich  als  Docent  für  Zoologie  an  der 
technischen  Hochschule   der   akademischen  Laufbahn  zu  widmen. 

Der  Professor  der  Botanik  Dr.  Johann  M.  C.  Lange  an 
der  landwirthschaftlichen  Hochschule  zu  Kopenhagen  ist  in  den 
Ruhestand  getreten. 

Es  sind  gestorben:  Der  Sanitätsrath  Dr.  Paul  Guttmann, 
dirigirender  Arzt  dos  Krankonhauses  Moabit,  in  Berlin.  —  Der 
erst  kürzlich  zum  Director  der  zweiten  AbtUeilung  der  physi- 
kalisch-technischen Reichsanstalt  berufene  Professor  Dr.  Franz 
Steuger  in  Berlin.  —  Der  als  populär- naturwissenschaftlicher 
Schriftsteller  bekannte  Geheime  Hofrath  Dr.  Hermann  Masius, 
Professor  der  Pädagogik  und  Didaktik  an  der  Universität  Leipzig. 

—  Der  Elektrotechniker  Sir  James  Anderson  in  London.  — 
Der  Professor  der  Chemie  Mariano  Herrera  y  Gutierrez  in 
Mexiko.  —  Der  durch  zahlreiche  Erfindungen  bekannte  Ingenieur 
E.  A.  Cowper  in  London.  —  Der  Professor  der  gerichtlichen 
Medicin  an  der  deutschen  Universität  Prag  Dr.  Arnold  Pal  tauf 
in  Neuhaus  bei  CiUi.  —  Der  Professor  der  Astronomie  Charles 
Pritchard  in  Ü.\ford.  —  Der  Professor  der  Zoologie  Karl 
Semper  in  Würzburg.        

Der  11.  internationale  medicinische  Kongress  findet  laut 
Beschluss  des  Komitees  vom  24.  Septbr.  bis  1.  Uktbr.  d.  J.  in 
Rom  statt.  

Dil/  Freie  Vereinigung  der  Vertreter  für  angewandte 
Chemie  in  Bayern  wird  iiue  heurige  Jaliresversammlung  am 
31.  Juli  und  1.  August  in  Lindau  abhalten. 


L  i  1 1  e  r  a  t  u  r. 


Forschungsberichte  aus  der  Biologischen  Station  zu  Plön. 
Theil  I  Faunistische  und  biologische  Beobachtungen  am 
Grossen  Plöner  See.  Von  Dr.  Otto  Zacliarias.  Mit  1  Tafel. 
Verlag  von  R.  Fricdländer  &  Sohn.  Berlin  1893.  —  Preis 
•2,50  Mark. 

Die  ersten  umfassenden  Untersuchungen  eines  Binnengewässers 
verdanken  wir  Forel.  (Genfer  See.)  Das  Vordienst,  biologische 
Stationen  zur  Erforschung  der  Thier-  und  Pflanzenwelt  ins  Leben 
gerufen  zu  haben,  gebührt  den  Herren  Fritsch  und  Zacharias. 
Wie  wir  aus  der  Vorbemerkung  zu  dem  1.  Theil  der  wissenschaft- 
lichen Mittheilungen  aus  der  Plüner  Station  erfahren,  ist  kürzlich 
auch  in  Finnland  ein  solches  Institut  gegründet  und  in  anderen 
Ländern  ist  man  bestrebt,  solche  zu  errichten.  Es  dürfte  bekannt 
sein,  dass  am  Müggelsee  bei  Berlin  die  Gründung  eines  biologi- 
schen Observatoriums  geplant  wird. 

Der  vorliegende  Forschungsbericht  von  Dr.  Zacharias  enthält 
nur  einen  Theil  der  Ergebnisse  seiner  emsigen,  seit  dem  1.  April 
vorigen  Jahres  begonnenen  Studien  am  Grossen  Plöner  See. 
Verfasser  hat  zunächst  das  faunistische  Inventar  des  Sees  aufge- 
nommen und  giebt  eine  Liste  von  226  Arten,  unter  denen  13  neue 
Formen.  Diese  Fauna  vertheilt  sich  wie  folgt:  lU  Rhizopoden 
(1  neu),  8  Heliozoen  (1  neu),  lö  Mastigophoren  (1  neu),  44  In- 
fusorien (2  neu),  1  Coelenterat,  13  Turbellarien  (1  neu),  5  Nema- 
toden, G  Hirudineon,  5  Oligochaeten,  37  Rotatorieu  (7  neu), 
3  Gastrotrichen,  21  Cladoceren,  1  Ostracode,  12  Copepoden,  1  Am- 
phipodo,  1  Isopode,  7  Hydrachniden ,  1  Coleopter,  5  Lamelli- 
branchiaten,  10  Gastropoden  und  20  Pisces.  Aus  dieser  Uebersicht 
ersieht  man,  mit  welchem  Eifer  der  Leiter  der  Station  und  seine 
Mitarbeiter  in  dem  ersten  Jahre  des  Bestehens  der  Station  thätig 
gewesen  sind.  Die  Liste  ist  natürlich  noch  unvollständig  und 
wird  noch  bedeutend  vermehrt  werden.  Interressant  ist  der  Nach- 
weis, dass  dem  bis  G6  m  tiefen  See  eine  eigene  Tiefenfauna  ab- 
geht. Der  Grund  hierfür  liegt  nach  Verfassers  Meinung  darin, 
dass  zur  Ausbildung  einer  solchen  Fauna  Tiefen  bis  zu  mehreren 
hundert  Meteru  ein  unbedingtes  Erforderniss  sind. 

Das  zweite  Capitel  des  Berichtes  ist  der  Beschreibung  der 
neuen  Formen  gewidmet,  auf  die  ich  verweisen  muss.  Nur  eins 
sei  hervorgehoben.  Unter  den  neuen  interessanten  Rotatorien  wird 
eins  als  Hudsonella  picta  Zach,  und  Calnuin  n.  g.  n.  sp.  aufgeführt. 
Diese  Form,  bemerkt  Verfasser,  sei  kurz  vor  Beendigung  seiner 
Arbeit  von  Calman  unter  der  Bezeichnung  Notops  pygmaeus  be- 
schrieben. Um  „unliebsamen  Prioritätsstroitigkeiten  vorzubeugen" 
nennt  Zacharias  das  Thier  Hudsonella  picta  und  fügt  als  Aut^jr 
seinen  und  den  Namen  Calman  hinzu.  Dies  Verfahren  ist  nicht 
zu  billigen,  denn  Calman  hat  die  Priorität,  und  die  Form  könnte 
höchstens  Hudsonolla  pygniaea  (Calman)  hoissen. 

Die  biologischen  Mittheilungen  machen  das  dritte  Capitel 
aus.  Verfasser  hat  Gelegenheit  genommen,  in  demselben  noch 
zwei  neue  Diatomeen  zu  beschreiben  (Rhizosolenia  und  Atlieia), 
deren  Angehörige  fast  ausschliesslich  marin  sind.  —  Man  ist  bisher 
gewohnt  gewesen,  die  Lebewelt  eines  grösseren  Süsswasserbeckens 
in  littorale  und  lininetische  (pelagische)  einzutheilen.  'V*erfasser 
spricht  sich  entschieden  gegen  die  Äufrechterhaltung  dieses  Gegen- 
satzes aus:  er  hat  mit  dem  Handkäscher  vom  Lande  aus  viele 
Thiere  erbeutet,  die  er  auch  auf  der  Höhe  des  Sees  gefunden 
hat  und  glaubt,  dass  sich  allerdings  die  littorale  Region  gegen  die 
lininetische  ziemlich  scharf  abgrenzt,  dass  dies  aber  nicht  umge- 
kehrt der  Fall  ist.  Die  limnetische  Fauna  dringt  mit  Ausnahme 
weniger  auf  das  tiefe  Wasser  beschränkten  Formen  vielmehr  bis 
dicht  ans  Ufer  vor,  und  weiter:  ,Die  lininetische  Fauna  wird  so- 
mit nicht  dadurch  charakterisirt,  dass  sie  in  ihrem  Vorkommen 
auf  eine  bestimmte  Seeregion  beschränkt  ist,  sondern  vielmehr 
dadurch,  dass  die  ihr  angehörigen  Gattungen  und  Arten  die 
Fähigkeit  besitzen,  sich  andauernd  im  freien  Wasser  schwebend 
zu  erhalten."  Es  lassen  sich  aber  in  jedem  grösseren  Binnensee 
zwei  Organismengruppen  unterscheiden,  wovon  die  eine  Wesen 
mit  geringerer,  die  andere  solche  mit  grösserer  Schwebefähigkeit 
umfasst  Da  nun  die  Ausbildung  der  Schwebefähigkeit  für  das 
Leben  im  freien  Wasser  eine  unerlässliche  Bedingung  ist,  so  er- 
örtert Verfasser,  wie  diese  Eigenschaft  zu  Stande  gekommen  sein 
kann.  Er  erblickt  als  Mittel  hierzu  vornehmlich  die  Vergrösserung 
der  Körperoberfläche  und  die  Erzeugung  von  Fett  im  Innern  des 

Körpers.  „     ,      .      ,      .....    .        , 

Aus  verschiedenen  Angaben,  die  von  Zacharias  bestätigt  und 
vermehrt  werden,  wissen  wir,  dass  es  unter  den  littoral  lebenden 
Formen  solche  giebt,  die  auch  polagisch  zu  leben  im  Stande  sind. 
Man  hat  daher  die  jjolagische  Welt  in  eupelagische  (echt  pelagi- 
sche), passiv  pelagische  und  tychopelagische  (zufällig  |)elagische) 
gesondert.  In  manchen  Seen  sind  sogar  sonst  nur  littoral  lebende 
Thiere  in  der  limnetischen  (pelagischen)  Region  sehr  häufig. 
Diese  Thatsache  bespricht  der  Verfasser  und  zieht  aus  ihr  und 
anderen  den  Schluss,  dass  wir  wohl  berechtigt  seien,  die  lim- 
netische Fauna  unserer  Seen  von  der  littoralen  herzuleiten. 

Es    ist    interessant,    bei    dem    Streite    der    Meinungen    über 


Nr.  24. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


243 


gleiclimässifije  oder  ungleichmässige  Vertheilung  der  Orgaiiisnicii 
im  Meere  das  Resultat  des  Verfassers  über  die  Vertheilung  der 
Lebewelt  in  dem  Grossen  Plöner  See  zu  hören.  Die  von  ihm 
entnouinienen  Proben  haben  gezeigt,  dass  die  Vertheilung  eine 
i;leicliinässige  ist  und  dass  eine  Zusammenrottung  der  Individuen 
limnetischer  Arten  zu  „Schwärmen"  niemals  bemerkt  werden 
konnte.  Auch  Apstein  ist  zu  dem  Resultat  gekommen  iBiol. 
Centralbl.  Bd.  12,  1892),  dass  die  Vertheilung  des  Planktons  in 
einem  grösseren  Siisswasserbecken  eine  recht  gli^ichmässige  ist, 
dass  sich  aber  unter  gewissen  Bedingungen  Organismen  zu  An- 
sammhingen zusammenfinden. 

Auch  in  diesem  Forschungsberichte  hat  Zacharias  der 
Variabilität  der  Art  sein  Interesse  zugewandt.  Von  den  be- 
sprochenen Formen  sind  Arten  der  Gattungen  Ceratium,  Bosmina 
lind  Ilyalodaiihnia  der  Variabilität  besonders  fähig  und  sie  sind 
deshalb  und  weil  leicht  zu  erlangen,  für  weitere  Studien  lie- 
sonders  belehrend.  Aus  den  Untersuchungen  von  Zacharias, 
Lilljeborg  und  Lauterborn  (Ueber  Periodizität  im  Auftreten  und 
in  der  FortpHanzung  einiger  pelagischen  Grganismen  des  Rheins 
und  seiner  Altwasser.  Verh.  Naturh.  Med.  Ver.  Heidelberg,  N.  F. 
5.  Bd.  1Ä93)  an  Ceratium  und  Bosmina  geht  hervor,  dass  die 
Variabilität  von  der  Beschaffenheit  des  Gewässers,  der  Jahreszeit, 
des  Alters  und  der  Individuen  abhängig  ist. 

Den  Schluss  der  Arbeit  bildet  ein  kurzer  Abriss  über  dii^ 
Periodizität  der  Planktonorganisinen.  Verfolgt  man  die  Zu- 
sammensetzung des  Planktons,  so  ergiebt  sich,  dass  sie  im  Laufe 
des  Jahres  wechselt,  so  zwar,  dass  einige  Arten  während  des 
ganzen  Jahres  zu  finden  sind,  andere  verschwinden  und  wieder- 
kehren. Zu  demselben  Resultat  war  auch  Aiistein  (cf.  Tabelle 
S.  .'lOO — 501  I.  c.)  gekommen  und  gleichzeitig  mit  dem  Forsehungs- 
bericht  von  Zacharias  ist  von  Lauterborn  die  oben  eitirte  ein- 
gehende Studie  über  diese  Seite  der  Planktologie  erschienen. 

Woltner. 

Dr  Karl  Eckstein,  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Ge- 
biete der  Forst  und  Jagdzoologie.  1.  Jahrg.  180U.  Frank- 
furt a.  M.     (Weber)   1892.  —  Preis  1,(J0  Rm. 

„Selten  findet  aus  der  reichen  Litteratur  der  rein  wissenschaft- 
lichen Zoologie  eine  Mittheilung  den  Weg  in  die  forstlichen  Zeit- 
schriften, und  ebenso  vereinzelt  ist  das  allgemeinere  Bekanntwerden 
der  in  diesen  veröffentlichten  Darstellungen  und  Beobachtungen". 
Aus  diesen  dem  V^orwort  zu  dem  vorliegenden  Berichte  ent- 
nommenen Worten,  sowie  daraus,  dass  die  For-stzoologie  in  den 
Jahresberichten  über  Zoologie  nicht  nur  unvollkommene  Berück- 
sichtigung findet,  sonderii  auch  unter  der  Menge  der  dort  gebotenen 
Referate  nur  mit  Mühe  herauszufinden  ist,  erhellt  die  Wichtigkeit 
der  von  Eckstein  begründeten,  das  ganze  Gebiet  der  Forst-  und 
Jagdzoologie  behandelnden,  ausführlichen  Berichte,  sowohl  für 
ilen  Forst-  und  Jagdzoologen,  als  auch  für  den  Zoologen  im  wei- 
teren Sinne.  —  Die  Anordnung  des  Stoffes  ist  dem  System  der 
Zoologie  angepa.sst  (Mammalia,  Aves,  Reptilia,  Amphibia,  Pisces, 
Vermes,  Insecta,  Allgemeines  und  die  einzelnen  Ordnungen);  die 
Zeitschriften  für  Forstwirthschaft  und  .Jagdwesen  sowie  Ver- 
schiedenes sind  in  besonderen  Kapiteln  behandelt.  Die  „Berichte" 
sollen  in  Zukunft  im  Januar  des  folgenden  Jahres  erseheinen. 

Weltner. 

Privatdocent  Dr.  H.  Schenck,  Beiträge  zur  Biologie  und  Ana- 
tomie  der  Lianen,    im  Besonderen    der   in  Brasilien  einhei- 
mischen Arten.     I.    Theil.     Beiträge   zur  Biologie   der  Lianen. 
Mit  7  Tafeln.     Gustav  Fischer  in  Jena  1892.  — '  Preis   15  M. 
Der  vorliegende  Band  bildet    das  4.  Heft   der  „Botan.  Mitth. 
aus  den  Tropen",   herausgegeben   von    Prof.  A.  F.  W.  Schimper ; 
er  umfasst  "253  Seiten. 

Die  Lianen,  Kletterpfianzen,  wurzeln  im  Erdboden  und  be- 
dienen sich,  da  sie  sich  selbstständig  nicht  aufrecht  zu  erhalten 
vermögen,  anderer  feststämmiger  Pflanzen  als  Stützen,  um  ihr  Lauli 
ans  Licht  zu  bringen;  sie  besitzen  daher  lange  luternodien.  Der 
tropische,  immergrüne  Wald,  den  sie  verstricken  und  stellenweise 
unentwirrbar  machen,  ist  ihre  eigentliche  Heimath.  Schenck  theilt 
die  Lianen  auch  in  I.  Rankenpflanzen,  2.  Windepflanzen,  3.  Wurzel- 
kletterer, 4.  Spreizklimnier. 

Die  ersten  mit  ihren  reizliaren  Ranken  unterscheiden  sich  in 
a)  Blatt-  und  b)  Achsen-Rnnkenpflanzeii;  die  Blatt-Rankenpflanzen 
wieder  in  f<)  Blattkletterer  mit  deutlich  entwickelter,  breiter 
Spreite  und  Blattstiel,  welche  beide  wie  Ranken  reizbar  die 
Function  dieser  Organe  mit  übernehmen  und  also  fremde  Theile 
activ  zu  umgreifen  vermögen,  und  in  ß)  Blattranker  mit  faden- 
förmigen, echten  Ranken.  Die  Achsen-Rankenpflanzen  werden 
gesondert  in  et)  Zweigklimmer,  bei  denen  Zweige  Contactreizbar- 
keit  besitzen  und  auch  Ranken,  die  pholongenetisch  aus  Zweigen 
hervorgegangen  sind,  das  Klettern  besorgen,  in  ß)  Hakenklimmer, 
welche  kurze,  hakenförmige  Achseiiorgane  zum  Klettern  be- 
nutzen, in  y)  Uhrfederranker,  bei  denen  uhrfederartig  gerollte 
Ranken  vorhanden  sind,  in  denen  sich  die  stützenden  Organe  der 
fremden  Pflanzen  fangen,  die  dann  vermöge  der  Reizwirkung  fest 


umgriffen  werden,  und  in  J)  Fadenranker  mit  zunächst  geraden, 
erst  in  Folge  eines  Contactes  sich  spiralig  rollenden  Ranken,  die 
hier,  wie  auch  meist  in  den  drei  vorausgehenden  Fällen,  aus 
Blüthenstandachsen  hervorgegangen  sind. 

Die  Windepflanzen  entbehren  der  Contactreizbarkeit:  das 
Winden  kommt  bekanntlich  nach  Ansicht  der  Autoren,  die  das 
Problem  des  Vorganges  zu  lösen  versucht  haben,  durch  Cir- 
cumnutation  der  Sprossspitze  und  negativen  (Geotropismus  der- 
selben zu  Stande. 

Die  Wurzelkletterer,  zu  denen  ja  auch  der  Epheu  gehört, 
befestigen  sich  mittelst  Wurzeln  an  die  Stützen,  und  die  Spreiz- 
kliminer  endlich  entwickeln  einfach  langgestreckte  Stengel  und 
Zweige,  die  durch  ihre  Auseinanderspreizung  und  oft  Entwicklung 
von  Stacheln  oder  Dornen  eine  Stütze  in  dem  fremden  Geäst 
finden. 

Meist  sind  die  Lianen  Holzgewäcbse,  seltener  bleiben  sie 
krautig.  Aiifi'alleiid  ist  die  häufige  LTebereinstimmung  der  äusseren 
Gestalt  der  Laiibblätter  der  Lianen  in  den  verschiedensten 
Familien;  diese  Blätter  sind  nämlich  von  nieren-,  herz-,  oder  pfeil- 
förmiger  Gestalt,  die  Nerven  meist  fingerig  verzweigt  und  die 
Spreiten  schräg  von  ihren  Stielen  nach  abwärts  gerichtet. 

Prof.  Dr.  Richard  Lepsius,  Geologie  von  Deutschland  und  den 
angrenzenden  Gebieten.  1.  Tlieil:  Das  westliche  und  südliche 
Deutschland.  Mit  einer  geologischen  Karte,  einer  Tafel  farbiger 
Profite  und  mit  13G  Profilen  im  Te.xt.  Verlag  von  J.  Engelhorn. 
Stuttgart  1887—1892.  —  Preis  32,.50  M. 

Eine  umfassende  geologische  Beschreibung  von  Deutschland, 
welche  in  knapper,  aber  vollständiger  Form  die  gew'altige  Menge 
der  bisherigen  Forschungen  kritisch  gesichtet  zur  Darstellung 
bringt,  ist  ein  dringendes  Erforderniss.  Unser  rühmlichst  be- 
kannter westdeutscher  Geologe  hat  sich  dieser  Riesenarbeit  unter- 
zogen. Sein  Werk  wird  sich  in  drei  Theile  gliedern:  I.  Das 
westliche  und  südliche  Deutschland;  II.  Das  nördliche  und  öst- 
liche Deutschland;  III.  Die  deutschen  Alpen.  Hiervon  liegt  uns 
der  erste  Theil  vor.  Es  ist  ein  stattlicher,  766  Textseiten  um- 
fassender, vorni'hni  ausgestatteter  Band.  Eine  genaue,  dein  Texte 
vorangesehickte  Inhalts- Angabe  gestattet  eine  sofortige  (Jrientirung, 
und  ein  sorgfältiges  Verzoichniss  einerseits  der  angeführten  Ver- 
steinerungen, andererseits  der  vorkommenden  Berg-  und  Ortsnamen, 
erleichtert  die  Benutzung  des  Werkes  ganz  ungemein.  Die  wei- 
tere Ausstattung  des  Bandes  besteht  in  10  Uebersichts-Tabellen 
der  wichtigsten  und  typischsten  Formationsentwickelungeu,  einer 
geologischen  Karte  und  einer  farbigen  Profiltafel  des  behandelten 
Gebietes  und  endlich  lo(i  Profilen  im  Texte. 

Das  im  vorliegenden  Bande  geschilderte  Gebiet  ist  dasjenige, 
auf  welchem  der  Herr  Verfasser  seit  länger  als  zwanzig  Jahren 
selbst  hervorragend  thätig  gewesen  ist  und  für  dessen  Kenntniss 
er  als  Autorität  ersten  Ranges  allgemein  bekannt  ist.  Die  ganze 
Darstellung  zeigt  denn  auch  den  genialen  Forscher  und  gründ- 
lichen Kenner  in  jeder  Zeile.  Wie  der  Titel  bereits  andeutet,  hat 
er  sich  nicht  in  der  Schilderung  durch  politische  Grenzen  binden 
lassen,  sondern  führt  uns  die  von  seiner  Feder  gezeichneten  Ge- 
biete als  morphologische  Einheiten  in  ihrer  gesammten  Ausdeh- 
nung vor.  Diese  Einheiten  werden  alsdann  nach  jeder  Richtung 
von  ihm  besprochen,  und  so  finden  wir  denn  nicht  die  einzelnen 
Formationen  in  ihrem  Ge.sammtvorkommen  durch  das  ganze  Ge- 
biet geschildert,  sondern  in  der  Weise,  wie  sie  heute  an  der  Zu- 
sammensetzung der  natürlichen  Haupttheile  desselben  sich  be- 
theiligen. Als  die  natürlich  umgrenzten,  von  einander  gut  ge- 
treniiVcu  Theile  des  westlichen  und  südlichen  Deutschland  stellt  der 
Heil  \'erfasser  die  beiden  um  den  Hauptfluss  desselben,  den  Rhein, 
sich  grnppirenden  grossen  GiOiirgspartien  dar:  I.  das  nieder- 
rheinische  Schiefergebirge,  II.  das  oberrheinische  Gebirgssystem. 
Von  beiden  giebt  er  nach  einer  jedesmaligen  orograjibischen 
Uebersicht  eine  meisterhafte  Darstellung  der  an  ihrem  Aufbau 
betheiligten  Schichtousysteme  und  der  in  ihnen  auftretenden 
Eru])tivgesteine.  Dies  ist  im  Grossen  die  Disposition  des  vor- 
liegenden ersten  Theiles.  Höften  wir,  d.ass  der  Herr  Verfasser 
die  wissenschaftliche  Welt  recht  bald  mit  der  Fortsetzung  seiner 
bewundernswerth  fleissigen  und  gewissenhaften  Arbeit  erfreut, 
die,  wenn  auch  in  erster  Linie  jedem  deutschen  Geologen  ein 
unentbehrliches  Handbuch  werden  wird,  so  doch  ganz  wesent- 
lichen Nutzen  auch  den  Fachgenossen  der  Nachbarreiche  bringen 
muss.  Bibliotheken,  die  auch  nur  einigen  Werth  auf  den  Besitz 
der  hauptsächlichsten  und  wichtigsten  naturwissenschaftlichen 
Handbücher  legen,  können  —  wenn  sie  wirklich  zu  wissenschaft- 
lichen Zwecken  benutzt  werden  —  die  Anschaft'ung  des  Lepsius- 
sclien  Werkes  kaum  umgehen.  Einen  unschätzbaren  Vortheil 
bringt  das  Werk  allen  denen,  die  abseits  von  grösseren,  umfang- 
reichen Bibliotheken  geologisch  arbeiten  möchten;  in  gewiss  manchen 
solcher  Fälle  wird  das  in  dem  Lepsius'schen  Werk  Gebotene  als 
Grundlage  des  Studiums  die  trefflichsten  Dienste  leisten,  und  wo 
auch  ein  tieferes  Eindringen  gewünscht  wird,  findet  der  Leser 
reiche  Litteratur-Angaben. 


244 


Natiirwisscusclial'iÜL'lic   Woeliciisclii'in. 


Nr.  -24. 


G.  Krüss,  Specielle  Methoden  der  Analyse.  Anleitung  zur  An- 
wendung physikalischer  Methoden  in  der  Chemie.  Mit  32  Te.xt- 
Abbildungen.  Leopold  Voss.  Hamburg  und  Leipzig,  1892.  — 
Preis  3,.5Ö  Mk. 

Der  Verfasser,  der  besonders  auf  dem  Gebiete  der  Spectral- 
Analyse  grosse  Erfolge  aufzuweisen  hat  und  somit  das  beste  Bei- 
spiel für  den  Nutzen,  den  die  Anwendung  physikalischer  Methoden 
dem  Chemiker  gewährt,  liefert,  hat  iu  dem  vorliegenden  kleinen 
Buche  überaus  Dankenswerthes  geleistet.  Die  Gasanalyse  und  die 
Analyse  durch  Elektrolyse  ist  von  der  Besprechung  ausgeschlossen, 
da  diese  bereits  von  A.  Winkler  und  A.  Classen  in  vorzüglichen 
Lehrbüchern  behandelt  sind.  .Jedes  andere  phj'sikalische  Hilfs- 
mittel, dessen  der  Chemiker  bedarf,  ist  aber  in  vorzüglicher  Weise 
erörtert.  Die  Methoden  sind  aufs  Klarste  geschildert  und  die  Be- 
schreibung der  Apparate  ist  durch  treffliche  Abbildungen  erläutert. 
Ganz  besonders  werthvoll  ist  es,  dass  an  Stelle  breiter  theoretischer 
Erörterungen,  über  welche  doch  der  Anfänger  meist  hinwegliest, 
durch  sinnreich  eingestreute  Fragen  zum  Nachdenken  und  zum 
Vertiefen  in  die  Theorie  angeregt  wird.  So  wird  dieses  Buch 
dem  Jünger  der  Chemie  ein  treft'licher  Förderer,  jedem  Forscher 
aber  ein  treuer,  fast  unentbehrlicher  Freund  werden.      Spiegel. 


Bruno  Kolbe,   Einführung  in  die  Elektricitätslehre.     Vorträge. 

1.  Statische  Elektricität.  iMit  75  Textfiguren.  Julius  Springer 
in  Berlin  und  R.  Oldenbourg  in  München,  1893.  —  Preis  2,40  Mk. 
In  sechs  Experimental  -  Vorträgen  werden  vom  Verfasser  die 
Erscheinungen  der  statischen  Elektricität  in  geradezu  meister- 
hafter Vollendung  dargestellt.  Nicht  bloss  für  den  Neuling,  son- 
dern auch  für  den  Fortgeschrittenen  muss  das  Buch  wegen  seiner 
bewundcrnswerthen  Klarheit  und  wegen  der  schwungvollen  Dar- 
stellungsweise vom  grössten  Nutzen  sein,  denn  viele  Begriffe, 
welche  beim  gewöhnlichen  Studium  gern  in  einem  gewissen  Halb- 
dunkel bleiben,  werden  liier  in  treffendster  Weise  zur  völligen 
Bestimmtheit  gebracht.  Es  sei  z.  B.  nur  die  schöne  Erläuterung 
der  Begriffe  Elektricitätsmenge,  Capacität,  Potential  u.  s.  w.  hervor- 
gehoben, welche  den  Abschluss  der  sechs  Vorträge  bildet.  Auch 
jedem  Lehrer  ist  das  Büchlein  angelegentlichst  zu  empfehlen 
wegen  der  vielen  schönen,  noch  nicht  allgemein  bekannten  Ver- 
suche, die  hier  beschrieben  und  durch  vorzugliche  Illustrationen 
so  veranschaulicht  werden,  dass  man  danach  die  wenigen,  ein- 
fachen Apparate  leicht  selbst  anfertigen  kann,  wofern  man  es 
nicht  vorzieht,  sie  von  den  im  Anhang  angeführten  Firmen  direct 
zu  beziehen.  Hoffentlich  erfreut  uns  der  Verf.  recht  bald  auch 
mit  dem  zweiten,  die  dynamische  Elektricität  beliandelnden  Theil 
seines  Buches.  Wenn  wir  für  diesen  auf  eine  kleine  Aeusser- 
lickkeit  aufmerksam  machen  dürfen,  so  möchten  wir  die  Häufig- 
keit des  Gebrauchs  der  Worte:  „Sie  seilen"  eingeschränkt  wissen. 
Schon  beim  Anhören  eines  Vortrages  macht  sich  diese  fortwährende 
Wiederholung,  welche  die  meisten  Experimentatoren  an  sich  haben, 
unangenehm  bemerkbar;  aber  noch  viel  ermüdender  wirken  solche 
eigentlich  doch  ganz  überflüssige  Worte  bei  der  Leetüre  eines 
gedruckten  Buches.  F.  Kbr. 

Strobel,  Namenregister  zu  den  Beiblättern  zu  Wiedemann's 
Annalen.  —  Bei  der  Bedeutung,  welche  die  Beiblätter  zu  Wiede- 
mann's Annalen  für  die  physikalische  Gelehrtenwelt  besitzen, 
wird  das  vorliegende  Namenregister  eine  erwünschte  f^rgänznng 
zn  dem  grossen  Register  der  Annalen  selbst  sein.  Auch  solche, 
welche  die  Zeitschrift  vielleicht  nur  in  Bibliotheken  einsehen 
können,  werden  durch  das  Register  eine  wesentliche  Erleichterung 
der  Benutzung  empfinden. 


Proceedings  of  the  Royal  Society.  London  1896.  Die  vor- 
liegende Nummer  (31'J)  bringt  die  Berichte  über  die  Sitzungen 
vom  19.  und  26.  Januar  und  folgende  Artikel:  Discon:  E.xplosions- 
fähigkeit  der  Gase.  (Auszug?)  Verfasser  giebt  eine  gedrängte 
Uebersicht  der  Bedingungen,  welche  eintreten  müssen,  um  eine 
Explosion  in  Gasen  hervorzurufen.  Pickering:  Ueber  die 
Physiologie  des  embryonalen  Herzens.  Es  wird  die  Frage  über 
die  Bedeutung  der  beiden  Factoren   der  Herzthätigkeit,  des  con- 


tractilen  Gewebes  und  der  Nervenelemente  behandelt.  Verfasser 
hat  zu  diesem  Zwecke  mit  Herzen,  an  denen  der  Nerven-Mecha- 
nisnius  noch  nicht  entwickelt  war,  unter  verschiedenen  Bedingungen 
Versuche  angestellt.  Versuchsobjecte  bildeten  die  Herzen  von 
Huhnembryonen,  welche  72  Stunden  bei  38"  C.  bebrütet  worden 
waren.  Matthey:  Weitere  metallurgische  Untersuchungen  des 
Wismuthes.  Es  wird  die  Scheidung  des  Wismuthes  von  Arsen 
und  Antimon  beschrieben.  Dem  Andenken  zweier  verstorbener 
Mitglieder  der  Gesellschaft,  Dr.  Hirst  und  Ed.  Calver,  sind  warme 
Nachrufe  gewidmet.  F.  K. 


The  Journal  of  the  Linnean  Society.  Botany.  Band  29, 
No.  20.3.  London  1893.  —  Das  Heft  enthält  allrin  eine  Arbeit 
von  F.  N.  Williams:  Eine  Monographie  der  Gattung  Dinnthus, 
Linn.  Nach  einer  Besprechung  der  äusseren  ( )rgane  stellt  der 
Verfasser  das  Verwandtschafts-Verhältniss  des  Genus  Dianthus  zu 
anderen  Genera  durch  das  folgende  Diagramm  dar,  worin  die 
grössere  Zahl  der  Striche  die  stärkere  Divergenz  der  Geschlechter 
von  einander  andeuten  soll.     Die  Gattung  Dianthus  wird  in  drei 

Velezia  Allochrusa 


Dianthus 


Tunica 


Acanthophyllum 


Gypsophila. 


iVaccaria 


Saponaria 


Subgenera  zerlegt  —  Carthusianastrum,  Caryoidivllastrum  uml 
Proliferastrum  — ,  von  denen  die  beiden  ersten  wiederum  in  meh- 
rere Sectionen  und  Subsectionen  zerfallen,  das  letzte  in  ,z>vei 
Gruppen,  welche  auf  die  Beschaffenheit  der  Bracteen,  des  Kelches 
und  der  Samen  gegründet  wei'den.  Er  bespricht  im  Ganzen  238 
Species,  bringt  alsdann  eine  Liste  der  Hybriden-Formen  und  be- 
handelt in  einer  kui'zen  Schlussliemerkung  die  im  de  Candolle'schen 
Prodromus  aufgeführten  .Arten,  von  denen  er  nur  66  anerkennt. 
Das  sehr  genaue  alphabetische  Verzeichniss  enthält  nicht  allein 
die  in  der  Abhandlung  genannten  Formen,  sondern  auch  deren 
vorstehend  noch  nicht  erwähnten  Synonyma    —  F.  K. 


Das  akademische  Berlin.  Sommer-Halbjahr  1893.  Mayer  u. 
Müller.  Berlin  1893.  —  Preis  0,80  M.  Das  Büchelchen  dürfte  jedem, 
der  in  akadeudschen  Kreisen  Bi'rüns  zu  thun  hat,  nicht  nur  dein 
Studircnden,  für  den  es  in  erster  Reihe  bestimmt  ist,  sondern 
auch  dem  Docenten  erwünscht  sein.  Es  orientirt  über  die  Uni- 
versität, Akademie  der  Wissenschaften,  Akademie  der  Künste, 
Militärärztliche  Bildungsanstalten,  Technische  Hochschule,  Geolog. 
Landesanstalt  und  Bergakademie,  Landwirthschaftliche  Hoch- 
schule, Tliierärztliche  Hochschule  u.  a.  Den  Bibliotheken  ist  ein 
besonderer  Abschnitt  gewidmet,  den  Schluss  bildet  ein  Personal- 
Register. 

Amnion,  O.,  Die  natürliche  Auslese  beim  Menschen.    Jena.    M.  7. 
Bittner,  A. ,  Decapoden  des  pannonischcn  Tertiärs.    Leipzig.     I   M. 
Boys,  C.  V.,  Seifenblasen.     Leipzig.     3  M. 
Bücking,  H.,  Der  nordwestliche  Spessart.     Berlin.     10.  M. 
Cloetta,     A.,     Lehrbucli    der     Arzneimittellehre     und     Arzneiver- 

(iidnungslehre.     8.  Autlage      Freib.     7  M. 
Dickhuth,  M.,  Ueber  einige  Imligo-Derivate.     Jena      I   M. 
Dahl,   F.,    «.    Die    Halobates  Ausbeute    der    Plankton-Expedilion. 

Kiel 
Goldbreck,     E.,     Descartes'     mathematisches     Wissenscliaftsideal. 

Berlin.      1   M. 
GUntsche,  R.,  Beitrag    zur  Integration    der  Dift'erentialgloichung 

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Inhalt:  K.  Schmidt:  Ueber  das  Strömen  von  Flüssigkeiten.  (Mit  Abbild.)  —  Dr.  Friedrieh  Dreyer:  Physikalische  Erklärung 
von  Formverhältnissen  organischer  Skeh'ttbildungen.  (Schluss.)  —  Farbenweclisel,  dem  die  Wanderlienschrecdve  unterliegt.  — 
Die  Ansteckungsmögliclikeit  der  Krätze  der  Kaninchen  und,  Katzen.  —  Ueber  eine  eigentliüniHche  .Sidimetterlings-Invasiou.  — 
Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben.  —  Litteratur:  Dr.  Otto  Zacharias:  Forschungsbericlite  aus  der  Biologischen  Station  zu 
Plön.  Theil  I.  Faunistische  und  biologische  Beobachtungen  am  Grossen  Plöner  See.  —  Dr.  Karl  Eckstein:  Bericht  über 
die  Leistungen  auf  dem  Gebiete  der  Forst-  und  Jagdzoologie.  —  Privatdocent  Dr.  H.  Schenck:  Beiträge  zur  Biologie  und 
Anatomie  der  Lianen,  im  Besonderen  der  in  Brasilien  einheimischen  Arten.  —  Prof.  Dr.  Richard  Lepsin  s:  Geologie  von 
Deutschland  und  den  angrenzenden  Gebieten.  -  G.  Krüss:  Specielle  Methoden  der  Analyse.  —  Bruno  Kolbe:  Einführung 
in  die  Elektricitätslehre.  —  Strobel:  Namenregister.  —  Proceedings  of  the  Royal  Society.  —  The  Journal  of  the  Linnean 
Society.     Botany.  —  Das  akademische  Berlin.  —  Liste. 

Verantwortlicher  Rodakteur:  i.  V.  Dr.  Friedrich  Kaunhowen,  Berlin  N.  4.,  Invalidenstr.  44,  für  den  Inseratentheil:  Hugo  Bernstein  in 
Berlin.  —  Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  -SW.   12.  —  Druck:  G.  Bernstein,  Berlin  SW.  12. 


Nr.  24. 


Natur wisscnschaftliphc  Wochenschrift. 


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Die  Insekten-Borse 

jetzt  vereinigt  mit  dei    „Sammler -BÖrSG" 


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üffsrlcnblatt 
'ienste  aller  Sammi 


Interessen 


ist  für  „Entomologen"  und  „Sammler"  das  hervorragendste  Blatt,  weLLes  Wcgeu 
der  belehrenden  Artikel  sowie  seiner  internationalen  und  grossen  Verbreitung  betreffs 
Ankauf,  Verkauf  und  Umtausch  aller  Objekte  die  weitgehendsten  Erwartungen  erfüllt 
wie  ein  Probeabonnement  lehren  dürfte.  Zu  beziehen  durch  diePost(ZeitungslisteNo.3135) 
und  die  Verlags-Buchhandlung  Frankenstein  &  Wagner,  Leipzig,  Augustusplatz  1. 
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XL  VIII 


Naturwissensch 


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ändernngen  der  Meerestiefe.  —  Die  Fläche  des  Meeres  —  Wellen  und  Brandung. 
—  Die  Abrasion.  —  Tektoiu'si  lie  \'er;inderungen  der  Meercsbetken.  —  Temperatur 
des  Wassers.  —  Treibeis  uimI  Ki^tierge.  —  Ltie  Farbe  de^  Meeres.  —  Der  8alz- 
prehalt.  —  Zirkulation  inid  Struuuuigen.  —  Die  Organismen  des  Meeres.  —  Die 
Meiris]itiaiizen.  —  Die  Fauna  der  Flachsee.  —  Die  Thiere  des  Plankton.  —  Die 
Koraleiirilfe.  —  Die  Bewohner  der  Tiefsee  —  Ilie  Wirbeltliiere  des  Meeres.  — 
Die  Sedimente  der  Flachsee.  —  Die  Sedimei^te  der  Tiefsee.  —  Vulkanische  Inseln. 
—  Inselleben.  —  Landengen  und  Meerengen.  —  Geschichte  des  Meeres. 


Verzeichnis  der  früher  orsoliienenen  Bünde  <ler  Natumisseiischaftlichen  Bibliothek. 

Die  Vorfahren  der  Säugetiere  in  Europa. 

Voll  Albert  Gaudry. 

Aus  dem  Franz  Jsischen  übersetzt  von    Wiliinni  Marfihati. 
Mit  40   in  den  Te.\t   gedruckten  Abbild.  —    Preis  in  Original- Leinenband  3  !Mark. 

Die  Bakterien. 

Von  Dr.  W,  Migula. 

Mit  .12  in   den  Te.\t  gedruckten  Abbild.  —  Preis  in  Original-Leinenhand  3  Mark. 

Die  Sinn?  und  Sinnesorgane  der  niederen  Tiere. 

Vou  E.  Jourdan. 

Aus  dem  Französischen  übersetzt  von    WillUitn  nnmhnll. 
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Die  geographisclie  Verbreitung  der  Tiere. 

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Von  Alex.  Junghänel  und  J.  G. 
Scherz.  Sechste  Auflage.  Bearb. 
von    Alex.    Junghänel.      1,60  M. 

III.  Abt.  Für  Oberklassen. 
Von  Ale.x.  Junghänel  und  J.  G 
Scherz.  Sechste  Auflage.  Bearb. 
von  J  u  n  K  h  ä  n  e  1.    2.40  Xl. 

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Junghänel.    Zweite  Aufl.    2,so  M. 

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erlernen  kann.  Von  Bernliard 
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läuterndenAnmerkungen  imd  einigen 
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sprache, nebst  einer  besonderen 
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Bernhard  Schmitz.  3.  Autlage. 
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hard Schmitz.  1'..  Auflage.  3  M., 
geb.  3,50  M. 

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Vorbemerkungen  über  Methode 
und  Aussprache.  Von  Bernhard 
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zösisch.Sprache.  11.  Aufl.  besorgt 
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Uehungsbuch  für  mittlere  Klas- 
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zösischen Sprache.  Vierte  Auflage 
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Kurator  der  Universität  Halle. 
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Karl  Gustav  von  Gossler,   Kanzler 

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Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12,  Zimmerstr.  94. 


Vin.  Band.                 Sonntag,  den  18. 

Juni  1893. 

Nr.  25. 

Abonnement:  Man  abonnirt  bei  allen  Buchhandlungen  und  Post-             j 

ansialten,  wie  bei  der  Expedition.    Der  Vierteljahrspreis  ist  Jl  3.—            GÖ 

Brinsegeld  bei  der  Post  15  -j  extra.                                          JL 

Inserate:  Die  viergespaltenc  Petitzeile  40  ^.,    Grössere  Aufträge  ent- 
sprechenden Rabatt.  Beilagen  nachUebereinkunft,  Inseratenannahnic 
bei  allen  Annoncenbureaux.  wie  bei  der  Expedition. 

Abdruck  i»it  nur  mit  vollstäiiilis^er  ({acllcnaugabe  gestattet. 

Ueber  die  künstliche  Darstellung  des  Diamanten. 


Im  Jahre  IGiJö  wurde  in  der  Akademie  zu  Florenz 
von  Averaiiii  und  Targioni  der  erste  Diamant  im  Foeu.s 
eines  ,i;-rossen  IJreimspiegels  veiflüclitigt.  Die  wi.sseu.scliaft- 
lielie  Welt  nahm  staunend  Notiz  von  dieser  Thatsache, 
und  doeh  war  es  inög-lich,  dass  noch  80  Jahre  S|)äter  der 
kostbare  Edelstein  für  eine  besonders  schöne  Art  von 
Berg'krystall,  d.  h.  für  Kieselsäure  gehalten  wurde.  Man 
darf  sieii  darülier  nicht  allzusehr  wundern,  denn  die  da- 
maligen Vorstellungen  über  die  Natur  der  Verbrennung, 
sowie  die  gänzliche  Unkenntniss  der  Methoden,  welche 
die  chemische  Analyse  heute  anwendet,  waren  der  Lösung 
des  Problems  nichts  weniger  als  günstig.  Lavoisier  und 
seiner  Schule  war  es  vorbehalten,  auch  hier,  wie  auf  so 
vielen  anderen  Gebieten  der  chemischen  Wissenschaft,  Auf- 
klärung zu  schaffen.  Man  erkainite,  dass  der  Diamant  bei 
hoher  Temijeratnr  wirklich  verbrannte,  dass  <lai)ei  Kohlen- 
säure auftrat,  und  dass  reiner  Kohlenstoff  oder  Graphit  bei 
der  Verbrennung  gerade  so  viel  Kohlensäure  lieferten,  als 
diesell)e  Gewichtsnienge  Diamant.  Daraus  ergab  sich 
schon,  dass  letzterer  nichts  anderes  sein  konnte,  als  reiner 
krystallisirter  Kohlenstoff,  eine  Thatsache,  welche  1814 
von  Davy  endgültig  bestätigt  wurde. 

Amori»her  Kohlenstoft",  Grapliit  und  Diamant  sind  also 
chemisch  identisch,  sind  „ailotrope  Moditieationen"  des- 
selben Grundstoftes,  die  sich  nur  jjhysikalisch  von  ein- 
ander unterscheiden.  Der  gew<'ilinliche  Kohlenstoff  ist  ein 
sclnvarzes  amorphes  Pulver,  der  Graphit  zeigt  ein  glän- 
zendes krystallinisches  Gefüge,  der  Diamant  krystailisirt 
in  wasserklaren,  stark  lichtbreehenden  Oetaedeni.  Mit 
diesem  Fortschritt  von  der  formlosen  Substanz  zur  Sym- 
metrie des  Krystalles  geht  eine  wachsende  Verdichtung, 
d.  h.  eine  Steigerung  des  speeilischen  Gewichtes  und  ebenso 
eine  Steigerung  der  Härte  Hand  in  Hand.  Der  Diamant 
ist  so  hart,  dass  er  Rubin  zu  ritzen  vermag,  weshalb  er 
auch  nur  mit  Diainantpulver  geschliffen  werden  kann. 
Sein  specitisches  Gewicht  ist  ?>,;')  bis  3, .55. 

Nachdem  die  chemische  Natur  des  Diamanten  zweifel- 


los   festgestellt  war,    wurde 


uaturgemäss 


sehr    bald    die 


Frage  aufgeworfen,  oh  es  nicht  gelingen  könne,  das 
seltene  Mineral  künstlich  aus  Kohlenstoff  darzustellen. 
Man  durfte  hoffen,  durch  eine  solche  Reproduction  einen 
Einl)lick  in  die  Arbeitsweise  der  Natur  zu  erhalten,  d.  h. 
die  Frage  nach  dem  natürlichen  Bildungsprocess  des 
Diamanten,  welche  im  Laufe  der  Zeit  zu  mancherlei  Hypo- 
thesen Veranlassung  gegeben  hatte,  endgültig  zu  ent- 
scheiden. . 

Im  Januar  dieses  Jahres  machte  der  franzüsische 
Chemiker  Moissan  in  einer  Sitzung  der  Akademie  der 
Wissenschaften  zu  Paris  die  Mittheilung,  dass  ihm  die 
künstliehe  Darstellung  des  Diamanten  gelungen  sei;  seine 
Versuche  sind  in  den  Berichten  der  französischen  Akademie 
veröfif'entliciit.  Bevor  wir  jedoch  auf  dieselben  eingehen, 
müssen  wir  uns  mit  denjenigen  Thatsachen  und  Ideen 
beschäftigen,  deren  logische  und  conscquente  Verfolgung 
schliesslich  zu  dem  erstrebten  Ziele  geführt  hat. 

Die  einfachste  und  einleuchtendste  Anschauung,  welche 
man  sich  über  die  natürliche  Bildung  des  krystailisirten 
Kohlenstoffs  machen  kann,  ist  die,  dass  derselbe  direct 
aus  amorphem  Kohlenstotf  entstanden  ist,  den  ja  die  Natur 
in  ihren  gewaltigen  Kohlenlagern  in  ungeheurer  Menge 
zur  Verfügung  hatte.  Pflichten  wir  dieser  Anschauung 
bei,  so  entsteht  die  weitere  Frage:  Wie,  das  heisst,  unter 
welchen  Eintiü-ssen  ist  die  Krystallisation  vor  sich  ge- 
gangen? Feste  Körper  krystallisiren  erfahrungsgemäss  bei 
dem  Uebergange  aus  dem  flüssigen  in  den  festen  Aggregat- 
zustand; sie  müssen  sehr  hoch,  zum  Schmelzen  oder  auch 
bis  zum  Verdampfen  erhitzt  werden,  um  dann  beim  Erkalten 
sich  zu  Krystallen  zu  verdichten.  Bei  gewissen  mineralischen 
Substanzen  liegt  nun  der  Schmelzpunkt  ausserordentlich 
hocli;  die  Krystallisation  kann  also  erst  bei  sehr  luiher 
Temperatur  vor  sich  gehen.  Die  in  der  Natur  vorkommende 
amorphe  Modification  des  koiilensauren  Kalkes,  die  Kreide, 
kann  künstlich  in  die  krystallisirte  Jloditication,  den  .Mar- 
mor,   überi;eführt   werden,    wenn    man  sie    in .  einem   ge- 


246 


Natnrwisscnscliaftliclie  Woclicnsclirift. 


Nr.  -25 


schlosseiien  Stahlrohr  auf  1020°  erhitzt.  Andere  Sub- 
stanzen bedürfen  noch  höherer  Temperaturen,  um  zu 
krystalli.^iren.  Erst  vor  Kurzem  liat  Moissan  gezeigt,  dass 
gebrannter  Kalk,  den  man  bisher  nicht  krystallisirt  er- 
halten konnte,  bei  einer  Temperatur  von  2500  bis  3000° 
schmilzt,  leiehtflilssig  wie.  Wasser  wird  und  sich  beim  Er- 
kalten zu  schön  ausgebildeten  Krvstallen  verdichtet. 

Eine  andere  Art  der  Krystallisation  konmit  zu  Stande, 
wenn  ein  fester  Körper  sich  aus  der  bei  höherer  Tem- 
])eratur  gesättigten  Lösung  irgend  eines  Lösungsmittels 
beim  Erkalten  ausscheidet,  oder  bei  ungesättigten  Lösungen, 
wenn  der  Ueberschuss  des  Lösungsmittels  verdunstet  wird. 
Es  sprechen  nun  eine  ganze  Reihe  von  Thatsachen  datlir, 
dass  die  natürliche  Krystallisation  des  Koldenstoft's  „auf 
trockenem  Wege"  vor  sich  gegangen  ist.  Der  Kohlenstoff 
ist  ja  in  allen  bekannten  Lösungsmitteln  unlöslich  und  die 
au  sich  interessante  Hypothese  von  Semnder:  der  Diamant 
sei  aus  flüssiger,  durcirstarken  Druck  verdichteter  Kohh'ii- 
säure  auskrystallisirt,  ist  mit  den  beol)achtcten  Erschei- 
nungen nicht  recht  in  Einklang  zu  bringen.  Danacli  müssen 
wir  annehmen,  dass  der  diamantbildcnde  Kohlenstoff  durch 
vulkanische  Actionen  auf  eine  ausserordentlich  hohe  Tem- 
peratur gebracht  wurde,  und  dass  der  Diamaut  beim  Ab- 
kühlen krystaliisirte.  Vcriiält  sich  das  so,  dann  niüsste 
es  gelingen,  durch  Erliitzen  von  Kohlenstoff  auf  holte 
Tem])eratur  und  bei  Luftabsehluss  den  Diamanten  dar- 
zustellen. Derartige  Versuche  sind  schon  früher  von 
Despretz  angestellt  worden;  die  Resultate  lassen  aber 
nicht  mit  Sicherheit  erkennen,  ob  mit,  ob  ohne  P]rfolg. 
Für  die  Beurtheilung  dieser  Frage  kommen  noch  andere 
physikalische  Momente  in  Betracht.  Die  bei  hohen  Tem- 
peraturen sich  l)ildenden  Modificationen  sind  meist  auch 
nur  bei  hohen  Temperaturen  beständig  und  zeigen  die 
ausgesiirochene  Tendenz,  sowie  die  Abkühlung  eine  be- 
stimmte untere  Grenze  überschritten  hat,  in  eine  andere, 
bei  niedriger  Temperatur  iteständige  Modification  über- 
zugchen. So  verhält  sich  z.  B.  der  sogenannte  „weiche" 
Schwefel,  welcher  sieh  in  die  octaedriselie  Form  umlagert, 
so  verhält  sich  nach  den  höchst  interessanten  Unter- 
suchungen von  Osmond  und  Roberts- Austen  auch  die 
it?-Mo(litication  des  Eisens,  welche  i)eim  Abkühlen  in  die 
beständigere  «-Modification  übergeht.  Dürfen  wir  diese 
Erfahrungen  auf  die  Modificationen  des  Kohlenstoffs  über- 
tragen, so  wäre  der  Diamant  die  normale  und  beständige 
Form  liei  einer  sehr  hoiien  Temperatur.  Beim  Erkalten 
würde  sich  diesellie  dann  in  die  bei  niedriger  Temperatur 
beständige  ^ioditicati<ui,  den  (4ra])hit,  verwandeln.  Es 
giebt  nun  aber  Mittel,  welche  geeignet  sind,  diese  Um- 
lagernng  zu  hindern;  als  solclie  kommen  in  Betracht: 
Ein  hoher  Druck,  eine  sehr  schnelle  Al)kühlnng  und  die 
Gegenwart  von  Körpei'u  mit  kleinerem  Atomvolumen. 
Nehmen  wir  an,  dass  diese  drei  Factoren  auch  bei  der 
Bildung  des  Diamanten  eine  Rolle  gespielt  haben,  so  er- 
giebt  sich  für  die  Auffassung  des  geologischen  Vorganges 
Folgendes: 

Auf  sehr  hcdie  Temjieratur  erhitzter  Kohlenstoff  unter- 
lag einer  i)lötzliehen  und  sehr  schnellen  Abkühlung,  und 
zwar  fand  dieselbe  unter  sehr  hohem  Druck  und  bei 
Gegenwart  eines  Körpers  von  kleinerem  Atomvolum,  d.  h. 
in  diesem  Falle  bei  Gegenwart  von  Wasserstoffgas  statt. 

Wir  haben  in\'orstehendem  die  jüngste  Theorie  über  die 
Genesis  des  Diamanten  wiedergegeben,  welche  Werth  erst 
kürzlich  in  den  Berichten  der  französischen  Akademie  ver- 
ötfcntlicht  hat.  Tiiatsächlich  lässt  sie  sieh  mit  allen  bis- 
her beobachteten  Erscheinungen  recht  gut  vereinbaren. 
Sehen  wir  aber  selbst  von  der  immerhin  noch  problemati- 
schen Mitwirkung  des  Wasserstoffs  ab,  welche  darauf 
hinweisen  würde,  dass  der  Diamantkohlenstoff  ursi)rüng- 
lich  durch  Zersetzung  dampfförmiger  oder  flüssiger  Kohlen- 


wasserstoffe entstanden  ist,  wovon  die  in  der  Nachbar- 
schaft von  Diamantfeldern  aufgefundenen  Petroleumquellen 
Zeugniss  ablegen  krmnten,  so  dürfen  wir  doch  mit  einem 
hohen  Grade  von  Wahrscheinlichkeit  l)ehaupten,  dass  ein 
hoher  Druck  und  schnelle  Abkühlung  tiiatsächlich  für  die 
Krystallisation  des  Kohlenstoffs  maassgebend  gewesen  sind. 

Eü  war  bisher  ausserordentlich  schwierig,  für  die 
Beurtheilung  des  natürlichen  Processes  der  Diamantbildung 
einigermaassen  sichere  Anhaltspunkte  zu  gewinnen,  weil 
mau  nicht  mit  Sicherheit  sagen  konnte,  ob  das  Gestein, 
in  welchem  der  Diamant  an  den  verschiedenen  P^nulorfen 
vorkommt,  wirklieh  das  „Muttergestein"  des  Minerals 
darstellt,  d.  h.  ob  es  mit  ihm  oder  in  ihm  entstanden  ist, 
oder  ob  sein  Vorkonnnen  dort  nur  ein  zufälliges,  durch, 
vulkanische  Umwälzungen  bedingtes  ist. 

Vor  einiger  Zeit  entdeckte  nun  Mallard  im  Innern 
eines  Meteoreisens,  welches  bei  Cafion  Diablo  in  Arizona 
niedergefallen  war,  Kohlenstoff,  Graphit  und  Diamanten, 
und  zwar  unter  Umständen,  welche  mit  voller  Sicherheit 
den  Schluss  gestatteten,  dass  dieses  Eisen  sphärischen 
Ursprungs  tiiatsächlich  das  Muttergesteiu  des  ^linerals 
gewesen  ist.  Eine  eingehende  chemische  und  mikro- 
skopische Untersuchung,  welche  Moissan  und,  unabhängig 
von  ihm,  Friedcl  vornahm,  bestätigte  diese  Beobachtung 
vollständig.  Die  Arbeitsweise  der  Natur  war  in  diesem 
Falle  leielit  verständlich:  Das  sehr  hoch  erhitzte,  wahr- 
scheinlich geschmolzene  Eisen  hatte  eine  gewisse  Menge 
Kohlenstoff  gelöst,  welcher  beim  schnellen  Erkalten  der 
Masse  unter  hohem  Druck  zum  Theil  in  Diamant  über- 
gegangen war.  Moissan  hat  diesen  Vorgang  in  einer  sehr 
geistvollen  Weise  nachgeahmt  und  damit  das  Pr(d)lem  der 
künstlichen   Darstellung  des  Diamanten  gelöst. 

Gnsseisen  absorbirt  bei  seiner  Schmelztemperatur, 
welche  zwischen  IIOO  und  1200°  liegt,  eine  nicht  unbe- 
trächtliche Menge  Kohlenstoff".  Lässt  man  das  so  er- 
haltene Kohlenstoffeisen  erkalten,  so  scheidet  sieh  ein 
Theil  des  Kohlenstoffs  in  der  ursprünglichen  amorphen 
Form  ab,  ein  anderer  Theil  ist  zu  Graphit  verdichtet 
worden.  Wurde  dagegen  die  Sättigung  des  Eisens  mit 
Kohlenstoff"  bei  .3000°  vorgenonnncn,  so  wurde  nach  dem 
Erkalten  kein  amorpher  Kohlenstoff'  mehr  gefunden,  son- 
dern nur  Graphit,  und  zwar  in  sehr  schönen  schwarzen, 
spiegelglänzendcn  Krystallcn.  In  den  Ergebnissen  dieser 
beiden  Versuche  prägt  sieh  der  „verdichtende'"  Einfluss 
der  gesteigerten  Anfangstemperatur  sehr  deutlich  aus.  Die 
Verdichtung  führte  aber  nur  bis  zum  Graphit,  nicht  bis 
zum  Diamant.  Brachte  man  aber  die  beiden  Factoren  in 
Anwendung,  deren  Einfluss  wir  oben  besprochen  haben, 
nämlich  einen  starken  Druck  und  schnelle  Abkühlung, 
so  wurde  eine  kleine  Menge  des  Kohlenstoff's  als  Diamant 
krj'sfallisirt  vorgefunden. 

Zur  Erzeugung  eines  hohen  Druckes  während  des 
Erstarrens  der  geschmolzenen  Eisenmasse  benutzte  Moissan 
in  einfacher  Ausbeutung  einer  längst  bekannten  physi- 
kalischen Thatsache  das  Eisen  selbst.  Während  sieb 
nämlich  fast  alle  Körper  bei  dem  Uebergange  aus  dem 
flüssigen  in  den  festen  Aggregatzustand  zusammenziehen, 
d.  h.  ihr  Volumen  vermindern,  dehnen  sich  einige  im 
Gegentheil  dabei  aus,  vermehren  ihr  Volumen.  Diese 
Ausnahmestellung  nimmt  vor  Allem  das  Wasser  ein;  aber 
auch  Silber  und  leisen.  Wird  daher  in  einem  Tiegel  ge- 
schmolzenes Eisen  plötzlich  al)gekühlt,  so  dehnt  sich  die 
erstarrende  Masse  momentan  stark  aus  und  vermag  dadurch 
einen  ausserordentlich  hohen  Druck  hervorzubringen.  Auf 
dieser  Grundlage  stellte  JMoissan  folgenden  ^'ersueh  an: 
Ganz  reiner,  aus  Zucker  dargestellter  Kohlenstoff"  wurde 
in  einem  gusseiscruen  Cylinder  stark  conii»rimirt  und  letzterer 
mit  aufgeschraubtem  Deckel  hermetisch  verschlossen.  Mau 
schmolz  nun  im  Tiegel  150—200  g  Gusseisen,  senkte  den 


25. 


Ntaturwisscnsclialtliclic  WuclicDiscIirift. 


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Cyliiidcr  mit  der  Kolile  in  das  flüssige  Metall  ein  und 
bracditc  das  Ganze  dann  sofoit  aus  dem  Ofen  in  ein  (Je- 
fäss  mit  Wasser.  Üufch  die  schnelle  Abkühlung'  bildete 
sich  in  i;anz  kurzer  Zeit  eine  Kruste  von  festem  Me- 
tall. Nach  dem  vollständigen  Erkalten  musste  zunächst 
das  Eisen  entfernt  werden,  damit  man  einen  Einblick  in 
die  Veränderungen,  welche  der  Koidenstotf  erlitten  hatte, 
gewinnen  konnte.  Nachdem  das  Metall  mit  Salzsäure 
völlig  herausgelöst  war,  blieb  ein  schwarzer  liückstand, 
welcher  neben  (»rapliit  eine  eigcnthiimlielie  Kohlenart  von 
kastanienbrauner  Farbe  enthielt,  die  sieh  bei  mikro- 
skoiiiseher  Betrachtung  in  langen,  gewundenen  Streifen 
präsentirte;  ausserdem  war  eine  geringe  Menge  Kohlen- 
stoff von  höhereni  specifiselieni  (iewicht  entstanden.  Hatte 
sich  wiiklicli  Diamant  gebildet,  so  musste  er  natürlich  in 
der  specitisch  sciiwcrsten  Kohle  gesucht  werden.  Es  galt 
also,  dieselbe  zu  isoliren.  Zu  diesem  Zwecke  wurden  die 
leichteren  Kohlensortcn  durch  niehrfaclic  Behandlung  der 
Masse  mit  Königswasser,  conccntrirter  Scliwcfelsänre  und 
Flusssäure  zerstört.  Der  cnergisciien  Einwirkung  dieser 
Säuren  vermögen  aber  ausser  dem  Diamant  noch  der 
(irajiliit  und  gewisse  sehr  schwer  angreifbare  Kcdileu- 
sorten  zu  widerstehen.  Dieselben  wurden  deshalb  tlicils 
auf  meclianischem  Wege,  theils  durch  oft  wiederholte 
Einvviikung  von  chlorsaurem  Kali  und  rauchender  Salpeter- 
säure entfernt.  Alle  diese  Operationen  sind  ausser^n■dcnt- 
lich  mühselig  und  erfordern  viel  Geduld  und  Subtilität, 
zumal  CS  sich  ja  um  die  Verarbeitung  ausserordentlich 
geringer  Quantitäten  handelte,  von  denen  keine  Spur  ver- 
loren gehen  durfte  und  die  inmier  und  iunuer  wieder  mit 
dem  Mikroskop  geprüft  werden  mussteu.  Zum  Schluss 
blieben  einige  sehr  kleine  Krj'stallfragmente  übrig,  welche 
theils  schwarz,  theils  durchsichtig  waren,  das  s|iecitisehe 
Gewicht  3  bis  3,0  hatten,  Rubin  ritzten  und,  im  Sauerstoti- 
strom  auf  lUÜU"  erhitzt,  verbrannten.  Kein  Zweifel,  hier 
lag  der  gesuchte  Diamant  vor,  und  zwar  in  den  beiden 
Formen,  in  denen  er  auch  in  der  Natur  vorkommt:  in 
durchsichtigen,  stark  lichtbrechenden  Octaedern  und  in 
seiner  schwarzen  Varietät,  welche  „Carbonado"  genannt 
wird;  ihr  specitisches  Gewicht  ist  gewöhnlieh  ctw'as 
niedriger  als  das  des  edlen  Diamanten.  Leider  war  die 
Ausbeute  an  durchsichtigen  Diamanten  so  gering,  dass 
eine  Wägung  der  durch  Verbrennung  producirteu  Kohlen- 


säure nicht  vorgenonnnen  werden  konnte.  —  Da  Silber 
sieh  l)eim  Erkalten  ebenso  wie  Eisen  ausdehnt  und  bei 
Siedehitze  ebenfalls  Kohlenstoff  aufnimmt,  so  versuchte 
Moissan  auch  dieses  Metall  zur  Diamantbildung  zu  be- 
nutzen. Auch  dieser  Versuch  glückte;  es  hatte  sich  aber 
nur  die  eben  erwähnte  schwarze  Varietät  gebildet,  deren 
specifisches  Gewicht  bis  zur  Höhe  von  3p  variirte,  was 
insofern  interessant  ist,  als  man  .,Cii'"hona(los"  von  so 
grosser  Dichte  bisher  nicht  kannte.  Das  Feinsilber,  welches 
hierzu  verwendet  wurde,  enthielt  in  einigen  Fällen  etwas 
Gold;  dann  war  nach  dem  Erkalten  der  Kohlenstoff  mit 
Goldkörnehen  \'olIkommen  durchsetzt;  es  erinnert  das  au 
die  natürlichen  goldhaltigen  Carbonados,  welche  Dcscloi- 
zeaux  aufgefunden  hat.  Soviel  über  die  Versuche  von 
Moissan.  Nicht  unerwähnt  wollen  wir  lassen,  dass  gleich- 
zeitig mit  diesem  Forseher  ein  anderes  Mitglied  der 
französischen  Akademie,  Friedel,  eine  Arbeit  über  den- 
selben Gegenstand  veröffentlicht  hat,  welche  ebenfalls 
ein  ganz  besonderes  Interesse  verdient.  Sic  beschäftigt 
sieh  vornclunlieh  mit  der  Fi'age,  ob  nicht  bei  der 
Bildung  des  Diamanten  in  dem  Meteoreisen  von  Ari- 
zona auch  der  Schwefel  eine  INjIle  gespielt  hat,  der 
in  der  Form  von  Troilit  (Schwefeleiseu)  gcwissermaassen 
das  Lager  bildet,  in  welches  der  Kohleustoft'  einge- 
bettet ist. 

Ob  die  kohlenstotVlöseude  und  die  Krystallisation  be- 
fordernde Fähigki'it  des  Eisens  oder  anderer  Metalle  bei 
der  natürlichen  Bildung  des  Diamanten  in  jedem  Falle 
mitgewirkt  hat,  wie  in  dem  besonderen  Falle  des  Jleteor- 
eisens  von  Caäon  Diablo,  niuss  im  Hinblick  auf  das 
irdische  Vorkommen  des  Diamanten  bezweifelt  werden, 
und  wohl  ist  es  nKiglich,  dass  statt  dessen  in  vielen  Fällen 
andere  Factoren  bei  der  Krystallisation  des  Kohlenstoffs 
mitgewirkt  haben;  die  Natur  bedient  sich  ja,  um  den- 
selben Zweck  zu  erreichen,  nicht  inmier  derselben  Mittel. 
Werden  wir  auch  niemals  die  complexeu  chemischen  und 
physikalischen  Vorgänge,  welche  durch  Umwälzungen 
vulkanischer  Natur  in  längst  vergangenen  Erdjiei'ioden 
\eranlasst  worden  sind,  mit  voller  Klarheit  durchschauen 
lernen,  so  glauben  wir  doch,  dass  tlie  Forschungen,  welche 
wir  in  kurzen  Zügen  dargestellt  haben,  zur  Klärung  der 
Anschauungen  über  die  natürliche  Bildung  des  Diamanten 
Einiges  beigetragen  haben.        Dr.  Richard  Jos.  Meyer. 


Die  rilzg:ärten  eiiii5;:er  südaiuerikauischer  Ameisen 

betitelt  sich  ein  kürzlich  erschienenes,  für  Botaniki'r  und 
Zoologen  gleich  wichtiges  Buch  von  Dr.  A.  Möller. 
Dr.  Möller,  welcher  ursprünglich  nur  rein  mykologischer 
Zwecke  wegen  nach  Blumenau  in  Brasilien  gegangen  war, 
theilt  hier  seine  Beobachtungen  über  mehrere  Ameisen- 
arten mit,  von  denen  bereits  früher  von  Th.  Bclt  ver- 
nmtliet  worden  war,  „dass  sie  l'ilzbauer  und  -esser 
wären." 

In  allen  Reiseberichten  der  Naturforscher,  welche  sich 
im  tropischen  Amerika  eine  Zeit  lang  aufhielten,  finden 
wir  Schilderungen  von  der  Zerstörung,  welche  die  Sehlepp- 
ameisen  an  der  Vegetation,  namentlich  an  eulti\irten  oder 
überhaupt  nicht  einheimischen  Pflanzen  amüehtcn.  Diese 
Ameisen  (Atta  discigcra  Mayer)  sind  bei  Blumenau  so 
häutig,  dass  sie  bei  jedem  Spaziergang  angetroft'en  wer- 
den. Gewöhnlich  sieht  man  zuerst  an  irgend  einer  Stelle 
einige  Ameisen,  beladen  mit  grossen,  halbkreisförmigen 
oder  runden  Blattstüekcn,  die  sie  geschickt  senkrecht 
nach  oben,  den  Schwerpunkt  über  den  Körper  legend, 
mit  ihren  Fresszangen  halten.  Dieselben  eilen  alle  der 
gebahnten  Strasse  zu,  welche  vom  Sannnelort  bis  zum 
Neste    führt.     Diese  Strasse    ist    kunstvoll    in    ziemlicher 


Breite  und  oft  auf  sehr  beträchtliche  Länge  hin  in  den 
Boden  hinein  gebaut  uml  zu  beiden  Seiten  mit  einem  Wall 
abgeschlossen.  Häufig,  wenn  es  der  Boden  gestattet, 
wird  sie  auch  überwölbt,  wobei  die  Ameisen  sich  als  sehr 
geschickte  Gewölbeconstructeure  erweisen.  So  glatt  und 
einfach  geht  die  Strasse  nun  nicht  immer,  im  Urwald 
müssen  die  Ameisen  ihre  Blättcrlast  oft  10  —  20  Meter 
senkrecht  am  Baum  oder  einer  Liane  heral)  tragen;  dann 
geht's  über  Farnwedel  oft  wieder  ein  Stück  hinauf,  an 
einem  Blattstiel  oder  einem  todten  Stamm  wieder  hin- 
unter, über  Steine  und  trockene  Aeste  hinweg,  ein  Bach 
wild  auf  einem  Ast  gekreuzt,  das  senkrechte  Ufer  er- 
klettert, bis  endlieh  oft  50  — (JO  ]\leter  von  der  Sammel- 
stelle das  Nest  erreicht  ist.  Und  bei  diesem  ganzen  be- 
schwerlichen ^larscli  halten  die  Ameisen  ihre  Last  unver- 
wandt fest  und  lassen  sie  höchstens  wie  auf  Commando 
fallen,  wenn  der  Weg  unterbrochen  ist  und  ein  neuer 
gesucht  werden  muss.  Aber  sobald  die  Kundschafter 
diesen  wieder  entdeckt  haben,  nimmt  jede  sofort  ihre 
Last  wieder  auf,  und  weiter  ziehen  sie  damit  zum  Nest. 
Besonders  interessant  ist  die  Art,  wie  die  Ameisen 
arbeiten.  Ist  eine  Pflanze,  welche  „geschnitten"  werden 
soll,    gefunden,    so   beginnen   die  Arbeiterinnen  sofort  ihr 


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Naturwi.sseuscliaftlic'lie  Woclieiisclirift. 


Nr.  25. 


Werk.  Jede  Ameise  sucht  sich  ein  Blatt  aus  und  beginnt 
vom  Rande  aus,  indem  sie  mit  dem  Hinterleibe  stehen 
bleibt  und  mit  dem  Vorderkörper  einen  Kreis  um  diesen 
beschreibt,  ein  halbkreisförmiges  .Stück  des  Blattes  heraus- 
zuschneiden. Wenn  das  Stück  lieinahe  abgetrennt  ist,  so 
hält  sie  sich  mit  den  Hinterbeinen  am  IJlatte  fest  und 
fängt  beim  letzten  Schnitt  das  Blattstück  geschickt  mit 
den  Fresszangeu  auf  und  schwingt  sich  dann  auf  das 
Blatt  hinauf,  balancirt  hier  ihr  Stück  richtig  und  tritt 
dann  eilends  den  Weg  nach  dem  Neste  an.  Dann  be- 
ginnt eine  andere,  dann  wieder  eine  andere  Ameise  am 
selben  Blatt  zu  schneiden  und  im  Handumdrehen  ist  von 
demselben  nur  noch  die  Jlittclrippe  vorhanden.  Die  Lasten, 
welche  die  einzelnen  Ameisen  so  fortschleppen,  können  bis 
zum  Neunfachen  ihres  Körpergewichts  steigen,  die  gewöhn- 
liche Belastung  geht  allerdings  nur  bis  zum  Doppelten 
oder  Dreifachen. 

Die  Arbeit,  welche  die  Ameisen  auf  diese  Weise 
leisten,  ist  unglaublich;  ganze  PHanzungen  können  in 
kurzer  Zeit  kahl  geschnitten  werden.  Was  thun  nun  die 
Ameisen  mit  all  den  Blattstücken,  welche  sie  in  ihr  Nest 
schleppen?  Dass  sie  ihnen  nicht  zur  Nahrung  dienen, 
wusste  man,  da  man  noch  nie  beobachtet  hatte,  dass  sie 
Blätter  frassen.  Tb.  Belt  vernnithete,  dass  sie  damit  einen 
Filz  züchteten  und  dieser  ihnen  dann  zur  Nahrung  diente; 
doch  war  diese  Ansieht  nicht  bewiesen.  Fest  stand  nur, 
dass  ein  Theil  des  geschleppten  Materials,  namentlich 
Stücke  von  trockenen  Blättern,  zum  Dachbau  über  den 
Nestern  verwendet  wurde.  Alles  übrige  aber  wandert  in 
das  Nest  und  kommt  nicht  wieder  zum  Vorschein. 

Die  Nester  sind  nun  mit  einer  pcn'ösen,  schwannn- 
artigeu  Masse  angefüllt,  welche  frei  im  Neste  steht  und 
in  ihren  unteren  Höhlungen  die  Eier  und  Puppen  be- 
herbergt. Eine  Untersuchung  dieser  Masse  ergab,  dass 
sie  aus  KUgelchen  bestand,  welche  Zellrudimente  ent- 
hielten und  völlig  durchwuchert  waren  von  einem  farb- 
losen Pilzmycel.  Um  genau  festzustellen,  wie  die  Ameisen 
diese  „Pilzgärten"  anlegten,  hielt  Jlöller  sich  eine  grössere 
Anzahl  von  Ameisen  in  der  Gefangenschaft  in  Glasschalen 
und  konnte  sie  hier  in  einigen  Fällen  bei  der  Arbeit  be- 
lauschen. 

Die  Thiere  zerschneiden  die  Blattstücke  zuerst  in 
kleine  Fragmente,  quetschen  diese  dann  mit  ihren  Zangen 
und  formen  daraus  sehr  geschickt  kleine  Kügclehen  von 
blauschwarzer  Färbung.  Diese  Kügclehen  werden  dann 
von  ))esonderen  Arbeiterinnen  dem  Bau  des  Pilzgartens 
angefügt;  in  weniger  als  24  Stunden  ist  dann  der  neue 
Baustein  vom  Pilzmycel  völlig  durchwuchert.  I  )ie  frischen 
Theile  der  Pilzgärten  haben  blauschwärzliche,  die  älteren, 
schon  erschöpften,  gelbröthliche  Färbung.  Wenn  solche 
Nester  mit  ihren  Gärten  zerstört  werden,  so  laufen  an- 
fangs alle  Ameisen  rathlos  umher,  bald  aber  fangen  sie 
au,  die  Theilchen  des  zerstörten  Gartens  wieder  zu  sam- 
meln und  aneinander  zu  fügen,  und  in  kurzer  Zeit  ist 
kein  Stückchen  mehr  davon  ausserhalb  des  wieder  auf- 
gebauten Nestes  zu  finden.  Vor  allem  sind  die  Ameisen 
bemüht,  die  Theile  des  Gartens  gegen  Licht  und  Ver- 
dunstung zu  schützen,  wie  Möller  häutig  Gelegenheit  hatte, 
in  der  Gefangenschaft  zu  l)eobachten. 

Eine  Hauptaufgabe  der  Untersuchung  war  nun  fest- 
zustellen, welcher  Pilz  von  den  Ameisen  cultivirt  wird 
und  wie  die  Entwickelung  desselben  verläuft.  Die  erstere 
Frage  war  durch  einen  glücklichen  Zufall  leicht  zu  lösen. 
Möller  fand  nämlich  in  einigen  Fällen  auf  den  Nestern 
Rasen  eines  Hutpilzes,  der  sich  als  neue  Art  erwies  und 
Rozites  gongylophora  genannt  wurde.  Derselbe  ist 
ein  Verwandter  des  bei  uns  im  Herbst  so  häufigen  Ro- 
zites (Pholiota)  caperata.  Dass  diese  Hüte  wirklich 
zu  dem  Ameisenpilz  gehörten,  war  daraus  zu  schliessen. 


dass  der  Pilz  eine  grosse  Neigung  zeigt,  an 
iillerlei    altenteuerliche   Anschwellungen    und 


dass  die  Sporen  in  der  Objectträgercultur  dasselbe  charak- 
teristische Mycel  und  Nebenfruciitformen  ergabön,  von 
denen  gleich  weiter  die  Rede  sein  soll. 

Das  Mycel  des  Pilzes  ist  grobfädig  und  an  einzelnen 
Stellen  schwellen  die  Fäden  und  ihre  Seiten\erzweigungcn 
am  Ende  keulig  au  und  hiUlcn  kleine,  weisse,  nüt  blnssem 
Auge  gerade  noch  wahrnelnnbare  Pünktchen,  welche  Möller 
die  „Kohlrabihäufchen'-  nennt.  Diese  sind  es,  welche 
den  Ameisen  zur  Nahrung  dienen.  Füttcrungsversuehe, 
die  in  der  Gefangenschaft  angestellt  wurden,  ergaben, 
dass  die  Ameisen  die  Kohlrabi  sowohl  aus  dem  Pilz- 
garten wie  von  Objcctträgerculturen  von  der  Nadel  nahmen, 
dagegen  eher  verhungerten,  als  dass  sie  irgend  eine  andere 
Speise  anrührten.  Ebenso  gern  frassen  sie  auch  Stückchen 
von  dem  Hutpilz. 

Die  Pilzgärten  stellen  Reinculturen  des  Rozites  dar, 
so  dass  ohne  weiteres  kleine  Mycelstückchen  als  Ausgang 
für  die  Objcctträgerculturen  benutzt  werden  können.  Hier 
ergiei)t  siel 
den   Fäden 

.4ussackungen  zu  bilden,  von  denen  die  Bildung  der 
Kohlrabihäufclien  nur  eine  specielle  Art  ist.  Ferner  ge- 
hören zweierlei  Conidicnträger  zu  dem  Pilz,  von  denen 
der  eine  eine  entfernte  Aehnlichkeit  mit  Aspergillus  hat. 
Dieselben  Verhältnisse  lassen  sich  auch  im  Grossen  beob- 
achten. Wenn  Stücke  eines  l'ilzgartcns  von  den  Ameisen 
gereinigt  und  sich  dann  selbst  überlassen  werden,  so  be- 
ginnt alsbald  die  Bildung  eines  weissen  Luftmycels,  das 
zur  Bildung  der  Conidien  und  der  „Perlschnurfäden",  wie 
Möller  eigenthündich  angeschwollene  Fäden  nennt,  schrei- 
tet. Auch  fremde  Pilze  linden  sicli  unter  diesen  Um- 
ständen bisweilen  ein.  Daraus  geht  hervor,  dass  die 
Hauptthätigkeit  eines  Theiles  der  Ameisen  darin  besteht, 
den  Garten  auszujäten  und  durch  Abbeissen  der  Mycel- 
fäden  die  Bildung  des  Luftmycels  zu  verhindern.  Dies 
ist  in  grossen  Zügen  das,  was  Möller  über  die  Pilzgärten 
von  Atta  mittheilt.  Dieselben  oder  ähnliche  Beobachtungen 
machte  er  nun  noch  bei  einer  Reihe  von  anderen  Ameisen, 
von  denen  3  Apterostignia-Arten  und  2  Cyphoniyr- 
mex- Arten  zu  neuneu  sind.  Auch  diese  Thiere  züchten 
ihren  Pilz,  der  aber  etwas  von  dem  der  Atta-Arten  verschieden 
ist;  eine  höhere  Fruchtfonn  hat  sich  zu  diesen  nicht  ge- 
funden. Trotz  vieler  Versuche  ist  es  Möller  nie  gelungen, 
zu  beobachten,  dass  die  Thiere  die  Kohlrabi  aus  den 
Nestern  anderer  Arten  als  Nahrung  nclunen;  sie  ver- 
hungern, wenn  ihnen  nicht  der  eigene  Pilz  vorgesetzt  wird. 

Es  sind  ausserordentlich  interessante  und  wichtige 
biologische  Beobachtungen,  welche  uns  hier  im  lücken- 
losen Zusammenhang  von  Möller  vorgeführt  werden. 
Pjotanisch  ist  hauptsächlich  interessant  die  Entwickelungs- 
geschichte  des  Ameisenpilzes,  zoologisch  aber  die  vielerlei 
Beoliachtungen,  welche  neue  Streiflichter  auf  die  Thätig- 
keit  der  Ameisen  werfen.  Dr.  G.  Lindau. 


Zur  Kenntiiiss  des  Färbevorgaiiges  veröffentlicht 
Georg  Spobn  in  Dingler's  pcdyt.  Journal  Bd.  2S7  Heft  i) 
eine  Mittheilung.  —  Der  Process,  der  beim  Färben  von 
vegetabilischen  und  animalischen  Fasern  vor  sich  geht, 
konnte,  so  einfach  auch  seine  praktische  Ausführung  sein 
mag,  theoretisch  bis  jetzt  noch  nicht  befriedigend  erklärt 
werden. 

Es  haben  sieh  die  Theoretiker  betreffs  dieser  Frage 
in  zwei  Lager  gespalten. 

Die  einen  halten  den  Process  lediglich  für  einen 
mechanischen,  d.  h.  sie  sind  der  Meinung,  der  Farbstoff 
lagere  sich  auf  oder  in  der  Faser  ab,  ohne  dass  der 
Farbstoff   oder    die  Faser   irgend   einer  chemischen  Ver- 


Nr.  25. 


Naturwisscnsclial'tliche   Wochenschrift. 


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iindcruiii;-  unterworfen  werde.  Die  anderen  lialten  den 
Fiirhcvorgang-  für  einen  chemischen  Proccss,  hei  dem  der 
Farbstort'  und  die  Faser  eine  chemische  Verbindung  ein- 
geiien. 

In  neuerer  Zeit  liat  sich  zu  diesen  beiden  Tiieorien 
noch  eine  dritte  gesellt:  die  sog-en.  Lösuiigsthcorie  von 
Witt,  nach  welcher  die  Vorgänge  beim  Färben  als  Lösungs- 
erscheinungen  aufzufassen  sind.  Dia  Witt'sche  Theorie 
giebt  nach  Sp.'s  Ansicht  keine  neue  Erklärung  des  Färbe- 
vorgang-es,  sondern  steht  voll  und  ganz  auf  dem  ßodi'n 
der  sogen,  mechanischen  Theorie,  worauf  schon  Hwass 
hingewiesen  hat.  Durch  seine  Betrachtung  hat  Witt,  (dme 
dass  es  in  seiner  Absieht  lag-,  wesentlich  zur  Festigung 
der  mechanischen  Theorie  beigetragen,  wie  in  einer 
späteren  ausführlicheren  Veröflentliehuug  über  diesen  Ge- 
genstand gezeigt  werden  soll. 

Sp.  versucht  nun  nachzuweisen,  dass  bei  der  Baum- 
wolle von  einer  chemischen  Färbung  nicht  die  Rede  sein 
kann,  sondern  dass  diese  Färljungen  zweifellos  auf  mecha- 
nischen Vorgängen  beruhen. 

In  der  einschlägigen  Litteratur  begegnet  man  einer 
grossen  Unsicherheit  in  Bezug-  auf  die  Angaben  über  die 
Lagerung-svcrhältnisse  zwischen  Farbstort'  und  Faser.  p]s 
heisst  da  oft,  der  Farbstort'  sei  „auf"  der  Faser  iixirt, 
„auf-  der  Faser  niedergeschlagen  u.  dgl.,  in  Fällen,  wo 
dies  durchaus  nicht  der  Fall  ist,  sondern  wo  der  Farb- 
stoff' vielmehr  die  Substanz  der  Faser  völlig  durchdrungen 
und  eine  homogene  Färbung  erzeugt  hat.  Dasselbe  g-ilt 
in  noch  höherem  Grade  von  den  Beizen.  So  heisst  es 
beispielsweise  bei  Hummel- Knecht: 

„Das  Beizen  hat  den  Zweck,  auf  dem  Textilstoft'e 
möglichst  fest  und  dauerhaft  einen  solchen  Körper  niedcr- 
zusclilag-en  und  zu  tixiren,  der  fähig  ist,  sich  mit  dem 
nachher  zu  verwendenden  Farbstotfc  zu  verbinden  und 
denselben  im  unlöslichen  Zustande  auf  der  Faser  nieder- 
zuschlagen." 

Es  ist  nun  noch  keine  Beize  bekannt  geworden,  deren 
Wirksand<eit  sich  lediglich  auf  die  Oberfläche  der  Faser 
erstreckte.  Die  Substanz  der  Faser  wird  vielmehr  völlig 
von  der  Beize  durchsetzt,  welche  später  den  Farbstoft'  in 
der  Faser  niederschlägt,  bezw.  festhält.  Die  Ausdrücke 
„auf  dem  Textilstort'",  „auf  der  Faser"  in  dem  oben  an- 
gefühlten Citat  sind  demnach  nicht  zutrcft'end.  Anderer- 
seits lassen  sich  —  selbstredend  ohne  Anwendung  einer 
Beize  —  Färbungen  erzeug-en,  bei  denen  der  Farbstoff'  in 
der  That  mechanisch  an  der  Oberfläche  der  Faser 
haftet,  wo  also  der  Ausdruck  „Fixirung  auf  der  Faser" 
völlige  Berechtigung-  besitzt.  Aus  den  angeführten  That- 
sachen  ergiebt  sich  die  Nothwcndigkeit,  dass  auf  die 
Correctheit  der  in  Rede  stehenden  Angaben  mehr  Werth 
g-eleg-t  werden  muss,  als  bisher  geschehen  ist.  Die  Frage 
selbst,  ob  ein  Farbstort'  bezw.  eine  Beize  auf  oder  in  der 
Faser  zur  Ablagerung  gelangt  ist,  lässt  sicli  mit  Sicher- 
heit nur  auf  nnkroskopischem  Wege  entscheiden. 

Eine  rein  mechanische  Färbung  findet  zweifellos  bei 
den  mineralischen  Farbstoffen  statt,  die  durch  Fällung 
auf  der  Baumwollfascr  erzeugt  werden,  z.  B.  Blei- 
chromat,  iMang-anl)ister.  Sp.  färbte  zunächst  Baumwolle 
mit  Bleichromat  und  sah  dann  unter  dem  Mikroskop 
ganz  deutlich  die  Bleichromatkrystallc  auf  der  Faser 
befestigt.  Diese  Befestigung  ist  rein  meehanischer  Natur, 
denn  selbst  bei  Anwendung  der  stärksten  Vergrösserungen 
erwiesen  sich  die  der  Faser  anliegenden  Krystallfläehen 
völlig  unverändert.  Wäre  bei  der  iiefestigung  ein  chcnii- 
elier  Process  im  Spiel  gewesen,  so  würden  jene  Krystall- 
fläehen ohne  Zweifel  Veränderungen  erfahren  haben,  etwa 
nach  Art  des  Aitsehmelzungsprocesses,  wie  er  sich  bei 
Lösungserscheinungen  zeigt,  oder  in  Bezug  auf  die  Fär- 
bung.   Von  alledem  war  an  den  Farbstofifkrystallen  nicht 


das  mindeste  zu  bemerken.  Ihre  Grösse  und  Form  blieb 
dieselbe,  gleichgültig,  ob  sie  mit  der  Faser  in  Contact 
traten  oder  nicht.  An  den  Berührungsstellen  zwischen 
Faser  und  Farlist(»ff'krystall  waren  die  beiderseitigen 
Färbungen  scharf,  und  zwar  genau  geradlinig,  abgegrenzt; 
keinerlei  Ineinandcrfliessen  der  Färbung-  deutete  auf 
ehemische  Vorgänge.  Durch  mechanischen  Druck  auf  das 
Deckglas  war  er  im  Stande,  Farbstoffkrystalle  ohne 
Verletzung  von  der  Faser  zu  entfernen,  die  grösseren 
Krystalle  zuerst,  während  die  kleineren  so  fest  an  der 
Faser  hafteten,  dass  sie  auch  durch  eine  Steigerung-  des 
Druckes  bis  zur  Zertrümmerung  des  Deckglases  nicht  zu 
entfernen  waren.  Diese  Beobachtung,  die  sich  aus  den 
Cohäsionserscheinungeu  leicht  erklären  lässt,  ist  ein  weiterer 
Beleg  dafür,  dass  es  sich  in  fraglichem  Falle  nur  um 
eine  mechanische  Verbindung  zwischen  Farbstort"  und  Faser 
handeln  kann. 

Bei  spärlicher  Besetzung  erscheint  die  Faser  unter 
dem  Mikroskop  fast  ungefärbt.  .\uch  in  solchen  Fällen, 
d.  h.  auch  wenn  einzelne  Streeki-n  der  Faser  auf  grössere 
Entfernungen  hin  —  Sp.  beobachtete  deren  oft  genug  von 
60  fi'  und  darüber  —  ohne  jede  Farbstort'ablagcrung  sind, 
erscheint  die  Faser  makroskopisch  dennoch  intensiv  gefärbt. 

Bei  dichterer  Besetzung  der  Faser  mit  Krystallen 
sehen  bei  <iiierfläcblii'her  Betrachtung  einzelne  Stellen  der 
Faser  allerdings  homogen  gefärbt  aus.  Der  mit  mikro- 
skopischen Arbeiten  wenig-  V^ertraute  könnte  in  solchen 
Fällen  allenfalls  die  Anschauung-  gewinnen,  dass  es  sich 
hier  um  eine  von  der  bisher  besprochenen  völlig  ver- 
schiedenen Färbung  handelt.  Allein  die  scheinbar  homogene 
Färbung-  rührt  davon  her,  dass  die  Krystalle,  die  unter- 
halb der  Faser  liegen,  durch  dieselbe  durchschimmern 
und  so  den  gelben  Schein  der  Faser  hervorrufen.  Man 
kann  sich  davon  leicht  dadurch  überzeugen,  dass  mau 
tiefer  einstellt,  wodurch  dann  die  Farbstoff" krystalle  sicht- 
bar werden. 

Ebenso  verhält  es  sich  bei  Färbungen  mit  Mangan- 
bistcr,  wo  ebenfalls  die  einzelneu  Farbstort'krystalle  auf 
der  Faser  deutlich  zu  unti'rseheidcn  sind.  Dafür,  dass 
in  den  augeführten  Beispielen  eine  chemische  Färbung 
ausgesclilossen  ist,  spricht  übrigens  auch  die  Thatsache, 
dass  Asbest,  auf  dieselbe  Weise  behandelt,  ebenfalls  ge- 
färbt wird.  In  letzterem  Falle  kann  allerdings  von  einer 
echten  Färbung  in  technischem  Sinne  weniger  gesprochen 
werden,  als  in  den  oben  besprochenen  Fällen.  Während 
nämlich  die  Baumwollfaser  noch  genügend  grosse  ebene 
Flächen  besitzt,  an  denen  auch  die  grösseren  Farbstort'- 
krystalle adhäriren  können,  ist  dies  bei  Asbest  nicht  mehr 
der  Fall.  Hier  zeigt  das  mikroskopische  Bild,  dass  nur 
die  kleinen  Krystalle  auf  der  Faser  haften,  während  die 
grossen  zwischen  den  Fasern  lose  eingestreut  sind. 

Die  bisher  behandelten  Färbungen  gehören  ohne 
Zweifel  zu  den  tyi)ischen  Fällen  meehanischer  Färbung, 
bei  denen  es  a  priori  im  höchsten  Grade  wahrscheinlich 
war,  dass  sie  ohne  chemische  Vorgänge  zwischen  Faser 
und  Farlistoff'  zu  Stande  kimimen.  Die  einzelnen  Par- 
tikelchcn  der  färbenden  Substanz  waren  der  direeten 
Beobachtung  zugänglich,  aus  ihrem  Verhalten  Hess  sich 
die  Natur  des  Färbevorganges  direct  erkenueu. 

Wie  nun  aber,  wenn  dies  nicht  mehr  der  Fall  ist, 
wenn  unsere  optischen  Hilfsmittel  nicht  einmal  mehr  aus- 
reichen, die  Wege,  welche  für  die  Einwanderung  der 
Farbstott'partikelchen  in  die  Faser  nothwendig  vorhanden 
sein  müssen,  wahrzunehmen,  geschweige  denn  die  ein- 
zelnen Farbstotf|)artikelchen  selbst':'  Solclie  Fälle,  in  denen 
die  Farbstort'partikelehen  so  klein  sind,  dass  sie  sich  der 
optischen  Beobachtung  völlig  entziehen,  d.  h.  nur  in  ihrer 
Gesammtheit  wahrnehmbar  sind,  in  denen  sie  in  die  Sub- 
stanz  der  Fasern    einzuwandern   vermögen    und    dieselbe 


250 


Natnrwissciiscliaftliche  Woclieiisclirift. 


Nr. 


hoaiogen  färlieii,  sind  bisher  für  die  chemische  Theorie 
vorzugsweise  als  Argument  benutzt  worden,  namentlich 
wenn  mit  solchen  Färbungen  zugleich  Farbenänderungen 
verknüpft  sind.  Ohne  sich  auf  P]rörterungen  der  Gründe 
einzulassen,  welche  vom  theoretischen  Standpunkte  aus 
für  die  eine  oder  andere  Auffassung  sprechen,  behandelt  Sp. 
im  Folgenden  wiederum  ein  typisches  Beispiel  für  eine 
grosse  Gruppe  von  Färbungen  in  welchem  der  Farb- 
stoff zweifellos  rein  meelianiseh  au  die  Faser  gebunden 
ist,  obwohl  die  Faser  (noch  dazu  unter  Farbeuänderung) 
völlig  homogen  gefärbt  wird. 

bekanntlich  besitzt  getalltes  Alizarin  eine  gelblirauue 
Farbe  und  wird  von  ungel)eizter  Baumwolle  überhaupt 
nicht  aufgenommen.  Je  nach  der  Art  der  Beize  kann 
man  jedoch  mit  Alizarin  sehr  schöne  und  echte  Farben 
auf  der  Baumwolle  hervorrufen.  Taucht  man  z.  B.  mit 
Tiionerde  gebeizte  Baumwolle  in  ein  Alizarinbad  und  er- 
wärmt, so  färbt  sich  die  Baumwolle  an,  und  zwar  mit 
einer  anderen  Nuance,  als  wenn  vorher  mit  Chromoxyd, 
Eisenoxyd  u.  s.  w.  gebeizt  worden  wäre. 

Hier  sind  nun  drei  Möglichkeiten  gegeben. 

Erstens  kann  die  von  der  Faser  aufgenommene  Beize 
lediglich  als  Träger  für  den  Farbstoff"  dienen,  der  für  sich 
allein  nicht  in  die  Faser  einzuwandern  vermag.  In  diesem 
Falle  wäre  nicht  nur  die  Färlmng,  sondern  der  ganze 
Vorgang  von  Anfang  bis  zu  Ende  rein  mechanischer  Natur, 
gegen  welche  Auffassung  schon  der  Umstand  spricht, 
dass  die  Farbe  der  ausgefärbten  Faser  völlig  verschieden 
ist  von  der  Farbe  des  Alizarins. 

Die  zweite  Möglichkeit  besteht  darin,  dass  die  Faser 
durch  die  Beize  chemische  Veränderungen  erleidet,  durch 
welche  dann  die  Aufnahme  des  Farbstoffes  ermöglicht 
wird.  Diese  Farbstoftaufnahme  könnte  auf  zweierlei, 
wesentlich  von  einander  verschiedene  Weise  zu  Stande 
kommen:  entweder  geht  die  chemisch  veränderte  Faser 
mit  dem  Alizarin  eine  chemische  Verliindung  ein,  die  dann 
ihrerseits  der  Faser  die  Färbung  verleiht  und  in  welchem 
Falle  der  Vorgang  ein  rein  chemischer  sein  würde,  oder 
mit  der  ehemischen  Veränderung  der  Faser  ändern  sich 
zugleieii  auch  die  physikalischen  Eigenschaften  der  Faser 
in  der  Art,  dass  sie  fähig  wird,  das  Alizarin  aufzunehmen. 
Gegen  die  letztere  Eventualität  spricht  wiederum  die  Ver- 
schiedenheit der  Farbe  des  Alizarins  und  der  ausgefärbten 
Faser,  dagegen  nicht  gegen  die  crstcre  Eventualität. 

Die  dritte  Möglichkeit  endlich  besteht  darin,  dass  die 
von  der  Faser  aufgenommene  fJeize  in  keinerlei  chemische 
Beziehung  zur  Faser  tritt,  aueii  nicht  bloss  dem  Farb- 
stoffe als  Vehikel  dient,  sondern  dass  die  Beize  das 
Alizarin  aufnimmt  und  mit  demselben  eine  chemische  Ver- 
bindung erzeugt,  welche  der  Faser  die  bekannte  Färbung 
giebt.  In  diesem  Falle  käme  zwar  der  Farl)stoft'  durch 
einen  chemischen  Vorgang,  der  sich  nothgedrungen  inner- 
halb der  Substanz  der  Faser  abspielen  muss,  zu  Stande; 
die  Fixirung  des  Farbstoffes  in  der  Faser,  also  die 
eigentliche  Färbung,  wäre  d.agegen  ein  rein  mechanischer 
Vorgang. 

Die  zuletzt  genannte  Möglichkeit  ist  zutreffend.  Wir 
sind  bekanntlich  in  dem  in  Rede  stehenden  Falle  im 
Stande,  genau  dieselbe  Farbe  ohne  Anwesenheit  der 
Baumwolle  zu  erzeugen,  was  nicht  möglich  sein  würde, 
wenn  die  Substanz  der  Baumwolle  an  dem  Zustande- 
kommen der  die  Färbung  erzeugenden  Verbindung  be- 
theiligt wäre. 

Bekanntlich  giel)t  reine  Thonerde  mit  Alizarin  allein 
dieselbe  rothe  Färbung  wie  die  gebeizte  Baumwolle  mit 
Alizarin.  Ebenso  gelingt  es,  genau  dieselbe  rothe  Fär- 
bung auf  mit  Thonerde  irapräguirtem  Asbest  hervorzurufen, 
also  mit  einer  Substanz,  die  auch  nicht  die  mindeste 
chemische  Aehnlichkeit  mit  Baumwolle  besitzt. 


Aus  den  vorgeführten  Thatsachen  ergiebt  sich  zur 
Evidenz,  dass  das  Alizarin  lediglich  auf  die  in 
der  Faser  aufgespeicherte  Beize  wirkt,  dass  die 
Faser  nur  den  Farbstoffträger  bildet,  mit  welchem 
der  durch  die  Einwirkung  des  Alizarins  auf  die 
Beize  erzeugte  farbige  Niederschlag  mechanisch 
verbunden  ist.  Es  finden  also  zwar  cliemisclie  Pro- 
cesse  innerhalb  der  Faser  statt,  durch  welche  die  fär- 
bende Verbindung  entsteht,  die  Substanz  der  Faser  ist 
jedoch  an  diesen  chemischen  Vorgängen  nicht  hethciligt: 
der  eigentliche  Färbevorgang,  d.  h.  die  Verbin- 
dung zwischen  Farbstoff  und  Faser  beruht  ein- 
zig und  allein  auch  hier  auf  mechanischen  Ur- 
sachen. Diese  niechanischen  Kräfte  können  W(dd  nur 
Molecularkräfte  sein,  deren  Wirksamkeit  freilich,  soweit 
sie   die  Färbeprocesse   betrifft,    noch  wenig   erforscht  ist. 

Hätten  wir  an  Stelle  von  Baumwolle  irgend  eine 
andere  vegetabilische  .Spinnfaser  für  unsere  Versuche  ge- 
wählt, so  würden  sich  die  Verhältnisse  ungleich  com- 
plicirter  gestaltet  haben.  Wir  wissen,  dass  Baumwolle 
nahezu  reine  Cidlulose  ist,  ebenso  wissen  wir  aber  auch, 
dass  alle  anderen  Sjjinnfasern  in  chemisch  und  i)hysi- 
kalisch  verschiedene  Schalen  dirterencirt  sind,  die  nament- 
lich in  der  crstgenannti'u  Richtung  noch  sein-  wenig  l)e- 
kannt  sind.  In  vielen  Fällen  i)flegt  die  äusserste  dieser 
Schalen  sehr  dünn  zu  sein,  welcher  Umstand  sogar  schon 
den  für  Baumwolle  so  einfachen  Nachweis,  ob  es  sich 
bei  Anwendung  von  Bleichromat  oder  Manganbister  um 
chemische  oder  mechanische  Färbung  handelt,  ungleich 
schwieriger  gemacht  haben  würde. 


lieber  einige  Terhältnisse  bei  der  Rotation  der 
grossen  Planeten  stellt  Herr  F.  Tisserand,  der  Director 
der  Pariser  Sternwarte,  im  Januarhefte  des  Bulletin 
astronomicpie  eine  kurze,  rechnerische  Betrachtung,  die 
hier  erwähnt  zu  werden  verdient,  weil  sie  kosmogonisch 
interessant  und  überdies  auch  für  den  Nichtastronomen 
leicht  verständlich  und  controllirbar  ist.  Herr  Tisserand 
geht  von  einer  Bemerkung  aus,  die  Littrow  in  dem  be- 
kannten fundamentalen  Werke  über  deseriptive  Astrono- 
mie „Die  Wunder  des  Himmels"  (Ferdinand  Dünnnlers 
Verlagsbuchhandlung,  Berlin,  7.  Auflage,  S.  476)  macht. 
Am  angeführten  Orte  findet  sich  nämlich  der  Hinweis 
darauf,  dass,  bezüglich  der  Rotation  des  Jupiter  die 
lineare  Geschwindigkeit  eines  Ae(juatorpunktes  dieses 
Planeten  sehr  naiie  gleich  ist  der  Geschwindigkeit  des- 
selben Punktes  Itcim  Undauf  des  Planeten  um  die  Sonne; 
ganz  gleiches  findet  statt  beim  Saturn.  Littrow  spricht 
dabei  die  Vermuthung  aus,  dass  diese  Gleichheit  von  Um- 
drehungsgeschwindigkeit und  Umlaufsgeschwindigkeit  ein 
für  alle  vier  grossen  Planeten,  Jupiter,  Saturn,  Uranus 
und   Neptun  gemeinsam  geltendes  Gesetz  sein  werde. 

Herr  Tisserand  tritt  in  eine  Prüfung  dieser  Frage 
ein.  Es  sei  /■  der  äquatoriale  Radius  des  Planeten,  a.  der 
mittlere  Abstand  des  letzteren  von  der  Sonne;  und  t,  T 
die  Umdrehungs-  bezw.  Umlaufszeit,  also  t  die  Länge 
des  „Tags"  und  T  diejenige  des  „Jahres"  des  betreffenden 
Planeten.  Endlich  seien  c  die  Unidrehungsgeschwindig- 
keit  und  V  die  Umlaufsgeschwindigkeit  des  Planeten, 
wobei  für  den  vorliegenden  Zweck  beide  Bewegungen 
als  gleichförmig  angesehen  werden  dürfen.  Die  nume- 
rischen Werthc  der  Grössen  v,  V  für  die  verschiedenen 
Planeten  sind  aus  dem  angegebenen  Werke  Littrows  zu 
entnehmen,  auf  welches  daher  verwiesen  sein  möge. 
Jlan  hat  nun 

'im-       „        2na 


Nr.  2f). 


Natm-wisseiischaftliclic  Wochenschrift. 


251 


wo  n  die  beivaiinte  Zahl  ist,  welche  das  Verhältniss  des 
Kreisdurchiiiessers  zum  Kreisunit'an,i;e  aiigicbt  (3,14  .  .  .). 
Nach  diesen  Gleichungen   ist  also 

y      (I     X 

Mit  lliiife  der  von  Littrow  a.  a.  0.  geg-ehenen  numerischen 
Wertlie  für  r,  a,  r,   T  findet  man  für  Jupiter  und  Saturn 


=  0,958 


^=1,057. 


(6). 


Diese  Ijciden  Zahlen  unterscheiden  sich  in  der  That  nur 
sehr  wenig  \'on  der  Einheit.     Man  bemerke,   dass,    wenn 

■^  ==  1,    d.   h.   v^V,    der    Punkt    des    Jnjjiteräquators, 

welcher  der  Sonne  am  nächsten  ist,  in  Bezug-  auf  das 
Sonnensystem  die  Geschwindigkeit  Null  hat.  In  ihm  sind 
nämlich  v  und  V,  also  Umdrehungs-  und  Undaufsge- 
sehwindigkeit  genau  einander  entgegengesetzt  gerichtet, 
zerstören  sieii  also,  wenn  sie  gleiche  absolute  Wertlie 
haben.  Dagegen  wird  der  dem  eben  betrachteten  Punkte 
diametral  gegenüber  liegende  Punkt  des  Aequators  eine 
Geschwindigkeit  im  Sonnensystem  haben,  die  das  doppelte 
von  ('  ist,  da  r  und  T'  hier  gleich  gerichtet  sind  und 
sich  also  einfach  addiren.  Ganz  dasselbe  gilt  für  Saturn. 
Wenn  wir  nun  annehmen,  dass  das  Bestehen  der  Re- 
lation 

v=r  V 

auf  kosmogonisehen  Gründen  beruht,  so  muss  bei  genaue- 
rem Zusehen  doch  erwogen  werden,  dass  diese  Beziehung 
bei  Uranus  und  Neptun  woid  niclit  zu  den  Consequenzen 
betr.  der  Geschwindigkeitsverhältnisse  für  die  lieiden 
oben  betrachteten  ausgezeichneten  Aequatiu'punkte  führen 
wird,  wie  dies  bei  Jupiter  und  Saturn  der  Fall  war. 
Denn,  bei  den  beiden  äussersten  Planeten  weichen  die 
Lagen  der  Aequatorebenen  —  wie  wir  sie  aus  der  Lage 
der  El)enen  der  Satellitenbahnen  erschliessen  —  doch  um 
erheliliclie  \\'inkel  al)  von  den  Lagen  der  resj).  Bahn- 
ebenen. Und  diese  Vermutlumg  bestätigt  sich  auch  in 
der  That.     Sei  z.  B.  für  Uranus  auch  v  =  U. 

Es  ergiebt  sich  daraus,  wenn  r,  T,  r,  a  für  Uranus 
dasselbe  bedeuten,  wie  oben  für  die  anderen  beiden  Planeten 

a 

Daraus  findet  man  leicht  für  das  Verhältniss  ;'  der 
Ceutrifugalkraft  zur  Schwerkraft  (beide  am  Acquator  ge- 
messen) 

_M     r^ 
in     a  ' 

wo  m,  M  die  Massen  des  Uranus  bezw.  der  Sonne  sind. 
Mit  Hidfe  der  numerischen  Wertlie  für  M,  in,  r,  a  (vgl, 
Littrow  a.  a.  0.)  findet  man 

_     1 
^~4;3S' 

Wenn  nun  «  die  Abplattung  der  Uranusoberfläche  ist, 
so  muss  dieselbe  nach  einem  bekannten  Satze  von  Clairaut 


zwisclien 


r 


und 


;'  liegen,  d.  h.  es  muss  für  diese 


2  '  4 

Uranusabplattung  also  die  Ungleichung  stattfinden 

Nun  hat  Herr  Schiaparelli  aus  seinen  Messungen  des 


Durehmessers    des    Uranus    gefunden  u  =  ,    .     Aus   den 

^^  1 

Beobachtungen  zu  l'rinceton  (1883)  ergiebt  sich  «  = --, 

während  Herr  Seeliger  allerdings  einen  unmerklich  kleinen 
Werth  für  «  beim  Uranus  fand.  Jedenfalls  ist  es  aber 
walir.scheinlich,  dass  man  als  l!c  obacli  tuugsre  sultat 
einen  Werth 

1 

«  <  11 
annehmen  darf 

Ein  solcher  AVerth  ist  nun  aber  nicht  vereinbar  mit  den 
Grenzen,  innerhalb  deren,  wie  die  Ungleichung  <i.)  zeigt, 
der  numerische  Betrag  der  Uranusabplattung  sich  halten 
muss.  Daraus  folgt  dann  aber,  dass  unsere  Annahme 
über  den  numerisclicn  Betrag  vmi  r  nicht  richtig  gewesen 
sein  kann.  Man  wird  eine  untere  Grenze  für  z  finden, 
wenn  man  annimmt,   dass  die  untere  Grenze  von  a   (also 

der  Werth  -^r)  gleich 


V 

oder  in  Zahlen 


U 

m  /  r 

a    X 


sei.     Dann  findet  man  t  aus 


11 


V 

Y 


J  2   m  a 
V  11  mV 


f  <0,89,    r: 


T'>,8. 


Danach  muss  also,  wenn  wir  mit  den  Beobachtungen 
in  Einklang  bleiben  wollen,  für  das  Verhältniss  v  :  V  doch 
immerhin  ein  schon  wohl  merklich  von  der  Einheit  ab- 
weichender Werth  angenommen  werden.  Ja,  es  ist  sogar 
wahrscheinlich,  das  für  Uranus  das  Verhältniss  i' :  U  noch 
beträchtlich  unter  dieser  Grenze  0,89  liegt,  sodass  also  t 
entsprechend  hoch  über  die  Grenze  7'', 8  sich  erhebt.  Für 
Uranus  wird  also  doch  wohl  die  Relation  v  =  T'  sieh  nicht 
aufrecht  erhalten  lassen.  Ueber  die  Verhältnisse  bei  Neptun 
kann  zur  Zeit  noch  nicht  entschieden  werden,  da  wir 
ohne  exacte  Daten  betr.  der  Aiiplattung  dieses  Planeten 
sind,  deren  Kenntniss  aber,  wie  wir  sahen,  zu  einer 
Piüfung  der  gemachten  Annahme  durch  die  Beob- 
achtungen erforderlich  ist.  Grs. 


Ueber  den  veränderlichen  Stern  Y  C.vgni,  dessen 
Variabilität  im  Jahre  188G  von  Herrn  Chandler  entdeckt 
wurde,  hatte  Herr  N.  C.  Duner  bereits  früher  in  den 
Astronomischen  Nachrichten  und  im  Astronomical  Journal 
einige  Mittheilungen  gemacht  und  auch  versucht,  die 
Anomalien  des  Lichtwechsels  dieses  zum  Algoltypus*) 
gehörenden  Veränderliehen  zu  erklären.  In  einer  am 
14.  September  1892  bei  der  kgl.  schwedischen  Akademie 
der  Wissenschaften  eingegangenen  Abhandlung  ist  er  aus- 
führlich auf  den  Gegetistand  eingegangen  und  hat  den- 
selben zum  Abschlüsse  gebracht.  Die  Arbeit  ist  ver- 
öffentlicht in  No.  7  des  49.  Jahrgangs  der  Ufversigt  af 
kongl.  Veteuskaps-Akadeniiens  Förhandlingar. 

In  seineu  früheren  Untersuchungen  hatte  Herr  Duner 
gefunden,  dass  die  Minima  von  Y  Cygni  auf  die  durch 
die  Formel 

1886,0  +  343'^,4GS4  +  1  '^,498124  E  (Mittl.  Zeit  Greenwich) 


*)  Die  Veründcrlifhkeit  des  bekannten  Sternes  Algol  ist  der 
Art,  dass  die  Variation  in  der  Lielitstärke  fast  ausschliesslich  be- 
schränkt ist  auf  einen  ganz  kleinen  Tlioil  der  ganzen  Periode, 
während  dessen  die  Lichtstärke  im  Verhmfe  nur  weniger  Stunden 
bis  zu  einem  Minimum  herabsinlit,  um  naeldier  in  ungefähr  der 
gleichen  Zeit  wieder  bis  zu  ihn-in  gewölinliclien  Betrage  zu  steigen. 


252 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  25. 


gegebenen  Zeitpunkte  fallen ,  wobei  E  die  Nummer  des 
betreffenden  Minimums  bedeutet.*) 

Diese  Formel  wird  dann  in  der  neuen  Veroftentlicluing' 
mit  den  Beobachtungen  verglichen  und  die  Differenzen 
Beobachtung  minus  Rechnung  (ß — B)  ermittelt.  Dabei 
zeigt  sich  die  schon  früher  von  Duner  festgestellte  That- 
sache  wieder,  dass  ein  bemerkenswerther  Unterschied  be- 
steht zwischen  den  Differenzen,  welche  den  Minimis  von 
gerader  Ordnungszahl  entsjjrecheu,  und  jenen,  welche 
man  erhält,  wenn  E  eine  ungerade  Zahl  ist.  Es  zeigt 
sich  nämlich  nahezu  durchgängig,  dass  für  die  geraden 
Minima  (also  diejenigen  von  gerader  Ordnungszahl  E\ 
das  zweite,  vierte  u.  s.  w.)  diese  Differenz  B  — ■  B  posi- 
tiv ausfällt,  während  sie  sich  für  die  ungeraden  Minima 
stets  negativ  ergiel)t.  Das  besagt,  dass  die  geraden  Minima 
in  Wirklichkeit  später  fallen,  als  die  Rechnung  erwarten 
lässt,  während  die  ungeraden  sich  früher  einstellen,  als 
jene  angiebt. 

Diese  Thatsache  hat  Herrn  Duner  veranlasst,  die 
geraden  und  die  ungeraden  Minima  getrennt  zu  behandeln. 
Unter  Berücksichtigung  des  gesammten  vorliegenden  Beob- 
aehtungsmaterials  kommt  er  dabei  zu  folgenden  Ergeb- 
nissen.    Die  geraden  Minima  treten  ein  um  die  Zeiten 

1886,0  +  343  •',4827  +  1<',498221  E, 

die  ungeraden  um  die  Zeiten 

1886,0  -t-  343'',4090  +  l'i,498113  E, 

und  zwar  sind  diese  Zeitangaben  jetzt  in  mittlerer  Pariser 
Zeit  zu  verstehen.  Hier  bedeutet  nun  noch  E  die  laufende 
Nummer  in  der  Reihe  aller  Minima.  Wir  können  aber 
auch  die  geraden,  sowie  die  ungeraden  je  für  sich 
allein  numeriren.  Dann  ist  also  für  die  geraden  die 
Miniraumzeit 

1886,  Dec.  9,  11''  35'"  5*  +  (2''  23*  54»'  52^59)  R 
und  für  die  ungeraden 

1886,  Dec.  10,  21'' 46'"  15*  +  (2'*  23*  54'«  33^93)  R, 
wo  also  jetzt  in  beiden  Fällen  R   die  Reihe   der  Zahlen 


1, 


durchläuft.     Setzt  man  in  der  ersten  Formel 


R^l,  so  erhält  man  als  Zeit  des  zweiten  geraden 
Minimums:  1886,  Dec.  12,  11*  29'»  58^ 

Man  sieht  aus  den  so  gegebenen  Momenten  für  das 
erste  gerade,  das  erste  ungerade  und  das  zweite  ungerade 
Minimum,  dass  im  Jahre  1886  das  Intervall  zwischen  einem 
geraden  und  einem  ungeraden  Minimum  1''  10*  11'"  10'  war, 
während  dasjenige  zwischen  einem  ungeraden  Minimum 
und  dem  folgenden  geraden  1''  13*  43'"  43'  Iii'trägt.  Die 
merkliche  Differenz,  welche  hiernach  zwischen  diesen 
Intervallen  besteht,  führt  nun  auch  zur  Kenntniss  der  Art 
und  Weise,  wie  der  Lichtwechsel  von  Y  Cygni  zu  Stande 
kommt. 

Die  früher  schon  allgemein  angenommene  Hypothese, 
nach  der  die  Veränderlichkeit  der  Sterne  vom  Algoltypus 
dadurch  erklärt  wurde,  dass  ein  dunkler  oder  wenig 
leuchtender  Körper  um  den  hellen  Hauptstern  kreise,  der 
Art,  dass  die  Minima  des  Veränderlichen  als  eine  Art 
Verfinsterungen  aufzufassen  seien,  indem  der  dunkle  Be- 
gleiter in  die  Gesichtslinie  zwischen  Ilauptstern  und  Erde 
trete,  schien  wegen  der  kurzen  Undanfszeiten,  die  mau 
annehmen  musste,  Schwierigkeiten  zu  bereiten,  wurde  aber 
auf  rationellen  Boden  gestellt,    als  Herr  H.  C.  Vogel  in 


*)  d  (Abkürzung  von  „dies")  bedeutet  Tag'.  Danach  sagt 
also  obige  Formel,  dass  das  Minimum,  von  welchem  dio  Betrach- 
tung ausgellt,  3J3,4ü84  Tage  nach  dem  Anfange  des  Jahres  188lj 
stattfand,  d.  h.  also  einige  Zeit  nach  IIA  Abends  am  9.  December 
1886.     Das  zehnte  Minimum  z.  B.  fällt  dann 

1,4!18124-10  Tage 
später  oder  rund   am  "24.   December   188(>.  Abends    lO'i   iic». 


Potsdam  seine  bedeutsamen  Entdeckungen  über  Algol 
selber  bekannt  gegeben  hatte.  Es  nn'ige  mit  einigen 
Worten  an  den  Inhalt  dieser  Entdeckung  erinnert  werden. 
Herr  Vogel  hat  gefunden,  dass  in  den  JMinimis  und  in  der 
Mitte  zwischen  zwei  benachbarten  Minimis  die  Speetral- 
linien  Algols  mit  denjenigen  coincidircn,  welche  eine  nnt 
verdünntem  Wasserstoff  gefüllte  Geissler'sche  Röhre  giebt, 
dass  jene  aljcr  von  diesen  abweichen  in  den  Viertelzeiten 
(also  in  den  Zeitpunkten,  welche  einem  Viertel  und  drei 
Vierteln  des  ganzen  Intervalles  zwischen  zwei  benach- 
barten Minimis  entsprechen),  und  zwar  dass  diese  Ver- 
schiebung der  Spectrallinien  in  der  einen  Viertelzeit  nach 
dem  rothen,  in  der  anderen  nach  dem  violetten  Ende  des 
Spectrums  hin  stattfindet.*)  Durch  diese  Thatsache  ist 
bewiesen  (s.  untenstehende  Anmerkung),  da.ss  um  den 
Algol  sich  ein  anderer  Körper  bewegt,  dessen  Umlaufs- 
zeit der  Periode  des  Lichtwechsels  von  Algol  gleich  ist. 
Man  darf  deshalb  wohl  allgemein  annehmen,  dass  für  alle 
Sterne  vom  Algoltypus  der  Grund  der  Veränderlichkeit 
ein  analoger  sein  würde,  immer  indessen  vorausgesetzt, 
dass  das  Intervall  zweier  aufeinander  folgender  Minima 
stets  dasselbe  bleibe  oder  hr>chstcns  nur  solch  kleine  Ab- 
weichungen von  einem  Mittelwertlie  aufweise,  dass  die- 
selbe dm'ch  St<irungswirkungen  erklärt  werden  ki'innen, 
wie  wir  sie  auch  in  unserem  Sonnensystem  antreffen. 
Denn  die  Undaufszeit  ist  bekanntlich  eins  der  am  wenig- 
sten variabeln  Elemente  der  Bahn  eines  Himmelskörpers. 
Die  Minima  von  Y  Cygni  können,  wenn  wir  dies  beachten, 
nicht  durch  Verfinsterungen,  hervorgebracht  von  einem 
wenig  leuchtenden  Körper,  erklärt  werden. 

Indessen  können,  wie  Herr  Duner  hervorhebt.  Minima 
der  hier  in  Betracht  kommenden  Art  auch  noch 
anders  erklärt  werden,  ohne  dass  man  sich  von  der 
Grundlage  der  Erklärung  des  Algoltypus  zu  entfernen 
brauchte.  Es  ist  klar,  dass  Veränderungen  der  Licht- 
stärke sich  auch  zeigen  müssen  bei  einem  Stern,  der  aus 
zwei  leuchtenden  Componenten  besteht,  wenn  deren  Bahn- 
ebene durch  die  Sonne  geht;  und  die  Amplitude  der 
Schwankung  wird  die  grösstmögliche  dann  sein,  wenn 
beide  Körper  gleichen  Durchmesser  haben.  Sind  sie  auch 
von  gleicher  Lichtstärke,  so  wird  eine  centrale  Ver- 
finsterung offenbar  die  scheinbare  Lichtstärke  der  Sterne 
auf  die  Hälfte  vermindern,  und  man  wird  während  jeden 
Umlaufes  zwei  genau  gleiche  Minima  haben,  in  denen  der 
Stern  um  ^|^  einer  Grössenclasse  schwächer  erscheint. 
Wenn  dagegen  Ijcide  Sterne  zwar  gleiche  Durchmesser 
haben,  der  eine  aber  heller  als  der  andere  ist,  so  werden 
bei  jeden  Umlauf  zwei  Minima  eintreten,  bei  deren  einem 
der  Stern  schwächer  erseheint,  als  wenn  beide  Componente 
gleich  stark  wären,  während  im  anderen  die  Schwächung 
nicht  den  Grad  erreicht,  welcher  dann  eintreten  würde. 
Wenn  die  Helligkeit  eines  der  Sterne  noch  kleiner  wird, 
so  wird  letzteres  ^Minimum  zuletzt  unmerkliar  werden, 
während  das  aiulere  inmier  ausgeprägter  auftritt,  sodass 
man  also  wieder  zum  reinen  Algoltypus  gelangt. 

Was  nun  Y  Cygni  anbetritft,  so  zeigen  die  Beob- 
achtungen, dass  die  Minima  von  gleicher  Lichtstärke 
unter  einander  sind,  und  zwar  in  der  Tliat  um  ^n  Grösse 
schwächer  als  die  gew(ihnliche  Grrtsse  des  Sternes.  Nehmen 
wir  also  mit  Herrn  Duner  an,  dass  Y  Cygni  aus  zwei 
vollkommen  gleich  hellen  Componenten  bestehe,  die  in 
einer  durch  die  Sonne  gehenden  Ebene  sich  um  einander 
bewegen.  Dann  wird  man  also,  nach  obigen  Aufstellungen, 
zwei  gleich  starke  Minima  während  jedes  Umlaufs  haben; 


*)  Die   Bedeutung  solcher  Verschiebung    von    Spectrallinien 

und  die  Wichtigkeit  ihrer  Beobachtung  für  die  Mechanik  des 
Himmels  und  für  die  Astropliysik  ist  im  vorigen  Jahre  dargelegt 
worden  \om  Prof  Dr.  Foerster  in  di'u  „Mittheilungen  der  Ver- 
einigung   vim   Fri-iniden   der  A^tninoinic  und   kosmischen    Physik". 


Nr. 


Natiii wis.srii.sfliaftlic'lic  Wurlieusehrift. 


253 


und  diese  Jlinima  werden  sich  in  gleichen  Intervallen 
folgen,  wenn  die  Bahn  der  Coniponeuten  ein  Kreis  ist  uder 
wenn  ihre  Apsidenlinie  mit  der  Gesichtslinie  eoineidirt. 
Ist  dagegen  die  Bahn  eine  Ellipse  und  bildet  die 
Apsidenlinie  einen  Winkel  mit  der  Gesichtslinie, 
dann  muss  dasjenige  Intervall  zweier  benach- 
barter Minima,  während  dessen  der  reriheldurcb- 
gang  stattfindet,  kürzer  sein  als  dasjenige, 
während  dessen  sieh  der  Apheldurchgang  er- 
eignet. Es  müssen  also  abwechselnd  kürzere  und 
längere  Intervalle  auftreten.  Das  ist  aber  ganz  der 
Fall  bei  Y  Cygni. 

Herr  Duner  zieht  daher  aus  seiner  bedeutsamen 
Untersuchung  mit  vollem  Rechte  das  wichtige  Ergcbniss: 

„Der  veränderliche  Stern  Y  Cygni  besteht  aus  zwei 
gleich  grossen,  gleich  hellen  Componenten,  deren  relative 
Bahn  eine  Ellipse  ist.  Die  Ebene  dieser  Ellipse  geht 
durch  die  Sonne  und  ihre  Apsidenlinie  ist  gegen  die 
Gesichtslinie  geneigt.  Die  Umlaufszeit  beträgt  2''  23''  04'" 
43^,26."  Grs. 

Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben. 

Es  wurden  ernannt:  Der  Oberarzt  an  der  Landes-Irrenanstalt 
zu  Sorau  Dr.  (_)tto  ilebold  zum  Leiter  der  neuliegriindoten 
Pflegeanstalt  der  Stadt  Berlin  zu  Wulilgarten. —  Der  Privatdocent 
Dr.  RoeliHiann  von  der  uiedieinisehen  Facultät  der  Universität 
Breslau  zum  ausserordentliclien  Professor.  —  Am  botaiiiselien 
Garten  zu  Berlin:  P.  Hennings  zum  Custos,  —  Dr.  U.  Daunuer 
zum  Hilfseustos.  —  Am  l)otan.  Museum  zu  Berlin:  Dr.  M.  Gurke 
zum  dritten  Cuatos.  —  Der  Privatdocent  Dr.  Anton  Freilierr 
von  Eiseisberg  in  Wien  zum  Professor  der  Chirurgie  an  der 
Universität  Utretdit. 

Es  haben  sich  habilitirt:  Dr.  Heid  weil  1er  für  Phvsik  au 
der  Universität  Strassburg.  —  Dr.  Jordan  für  Chirurgie  an  der 
Universität  Heidelberg.  —  Dr.  Math  es  in  der  medieinischen 
Facultät  der  Universität  Jena. 

Professor  Dr.  L.  Brieger  beabsichtigt  von  der  Leitung  der 
Krankenabtlieiluug  des  Kocli'schen  Instituts  für  Infections  Krank- 
heiten zurückzutreten.  —  Einer  der  ältesten  wissenschaftlichen 
Beamten  der  Königl.  Bibliothek  zu  Berlin,  Dr.  Wilhelm  Gruez- 
macher,  tritt  in  den  Ruhestand.  —  Geh.  Medicinalrath  Professor 
Dr.  Henoch  beabsichtigt,  von  seiner  Lehrthätigkeit  an  der  Uni- 
versität Berlin  zurückzutreten  und  die  Leitung  der  Klinik  für 
Kinderkrankheiten  niederzulegen. 

Es  sind  gestorben:  Der  Chemiker  am  Feuerwerkslaboratorium 
in  Spandau  Dr.  Selilör  (in  Folge  Explosion  von  Knallquecksilber). 
—  Der  als  eifriger  Ornithologe  bekannte  Grossherzoglich  Badische 
Oberförster  Emil  Schutt  in  Freiburg  i.  Br.  —  Der  um  die 
Zoologie  verdiente  Director  des  zoologischen  Gartens  in  Nizza 
Graf  von  Lagrange  in  Singapore. 


Die    Deutsche    Anthropologische     Gesellschaft    wird 
23.  Versamndung  vom   1. — 3.  August  in  Ulm  abhalten. 


Der  4.  Congress  der  französischen  Irrenärzte  tiudet  vom  1.  bis 
6.   August  iu   La    llochelle  statt. 


Der  Deutsche  Anthropologen-Congress  beginnt  am  '>.  August 
in  Göttingon  mit  lirsichtigung  der  Blumeulnich'schen  Sammlungen. 
Am  G.August  sollen  einige  Hünengräber  in  der  Provinz  Hannover 
besucht  «erden  und  vom  7. — 9.  finden  die  Sitzungen  in  Han- 
nover statt. 

L  i  1 1  e  r  a  t  u  r. 

Brockhaus'   Konversations-Lexikon.     14.    vollständig    neubcarb. 

Aufl.     (3.   Banil.     Elektrodynamik-Forum.     F.    A.    Brockhaus    in 

Leipzig,  Berlin  u.  Wien.     1893.  —  l'reis  10  M. 

In  dem  (i.  Baude  des  zweckdienlichen  Brockhaus'schen  Lexi- 
kons finden  sich  nicht  weniger  als  6  Chromo-  und  40  schwarze 
Tafeln,  eine  Lichtdrucktafel  (der  „Genfer  Altar"),  12  Karten  und 
Pläne  sowie  2ö9  Textabbildungen.  Wir  können  nur  wiederholen, 
dass  das  Le.xikon,  trefflich  redigirt,  weitesten  Ansprüchen  genügen 
dürfte:  die  Naturwissenschaften  haben  in  den  bisher  erschienenen 
6  Bänden  angemessene  Berücksichtigung  gefunden. 


Eduard    Wolf-Harnier,     Naturgeschichtliche    Charakterbilder. 

Mit  2i;  I  )riginal-Hanilzeichnungen.   H.  Mieki.->ch  (Firma  E.  Mecklen- 
burg).   Berlin  1892. 

Das  für   die  Jugend    bestimmte    Buch  bringt,   von  poetischen 

Auslassungen  durchwoben,  eine  Anzahl  Schilderungen  namentlich 

aus  dem  Vogelleben. 

Privatdocent  Dr.  Bernhard  Kawitz,  Compendium  der  ver- 
gleichenden Anatomie.  Zum  tiebrauche  für  Stiidirende  der 
Medicin.  .Mit  '.K)  Alibildinigen.  H.  Härtung  &  Sohn  (G.  M.  Herzog). 
Leipzig  1S93.  —  Preis  5  M. 

Das  Büchelchen  dürfte  vorzügliche  Dienste  husten:  es  sind 
in  demselben  „nur  die  wichtig.-ten  Thatsachen,  gewissermaassen 
die  Leitmotive  der  Morphologie,  angeführt  worden",  ein  niidit  zu 
unterschätzender  Vortheil  für  den  Medicin  Studirendeu,  der  bei 
dem  Umfang  seiner  Disciplin  sich  möglichst  auf  das  für  ihn  alier- 
wichtigste  aus  den  Hilfsdisciplinen  zu  beschränken  suchen  muss. 
Die  ausserordentlich  klaren  und  exacten,  einfachen  kleinen  Ab- 
bildungen des  Repetitoriums  fallen  besonders  angenehm  auf. 


Dr  Karl  Eckstein,  Insectenschaden  im  Walde.  (Gemeinverst. 
wissenschaftl.  Vorträge,  lierausgrgeln'n  von  Virchow  u.  Watten- 
bach, N.  F.  Heft  1.2.'))  Verlagsanstalt  und  Druckerei  A.  G.  (vorm. 
J.  F.  Richter).     Hamburg  1892.  —  Preis  0,80  M. 

Der  als  Forstzoologe  bekannte  Verf.  bringt  eine  hidische  Zu- 
sammenstellung des  Gegenstandes,  die  Jedermann,  namentlich 
Forstleute  und  Gutsbesitzer,   interessiren  muss. 


Albert  Falsan,  Les  alpes  francaises.  Les  montagnes,  les  eaux, 
les  glaciers,  les  phenomenes  de  l'atmosphere.  Avec  .51  fig. 
Bibliotheque  scientilique  coutemporaine.  J.  B.  Bailiiere  et  fils. 
Paris  1893.  —  Pri.x  3,50  frcs. 

Wer  die  französischen  Alpen  besucht  und  auf  seinen  Reisen 
und  Wanderungen  gern  über  die  entgegentretenden  Natur- 
Erscheinungen  nachdenkt,  dem  kann  das  Buch  Falsan's  angelegent- 
lichst empfohlen  werden.  Zunächst  bringt  Verf.  Allgemeines  über 
die  Alpen,  namentlich  Geographisches,  das  2.  Kapitel  ist  wesent- 
lich geologischen  Inhalts,  ebenso  wie  das  3.  Kapitel,  das  sich 
jedoch  wie  die  folgenden  speciell  mit  den  französischen  Alpen 
beschäftigt.  Die  einzelnen  Borgzüge  und  Berge  derselben,  die 
Gewässer,  die  Gletscher,  sowie  die  meteorologischen  Verhältnisse 
werden  in  leicht  verständlicher,  anregender  Weise  behandelt. 


Prof.  C.  V.  Boys,  Seifenblasen.     Vorlesungen  über  Capillarität. 

Autoris.  deutsche  Uebersetzung  von  Privatdocent  Dr.  G.  Meyer, 
Mit  56  Text-Figuren  und  1  Tafel.  Johann  Ambrosius  Barth 
(Arthur  Meiner).  Leipzig  1893.  —  Preis  3  M. 

Die  prächtige  französische  Guillaume'sche  Uebersetzung  des 
Boys'schen  Schriftchens  haben  wir  in  No.  39  S.  400  von  Bd.  VII 
angezeigt;  es  ist  freudig  zu  begrüssen.  dass  nunmehr  auch  eine 
deutsche  Uebersetzung  vorliegt.  Auch  die  deutsche  Wiedergabe 
ist  nicht  wortgetreu,  sondern  der  Uebersetzer  hat  mit  Genehmi- 
gung Boys'  einige  Partien  fortgelassen,  stellenweise  eine  andere 
Anordnung  des  Stotfes  vorgenommen  und  auch  den  Styl  der  ur- 
sprünglichen Niederschrift,  die  sich  unmittelbar  an  die  wirklichen 
Vorträge  hält,   geändert. 


Jacob  Berzelius,  Versuch,  die  bestimmten  und  einfachen  Ver- 
hältnisse aufzufinden,    nach   welchen   die  Bestandtheile  der 
unorganischen  Natur  mit   einander  verbunden  sind.     (1811 
bis    1812).      ((Istwald's    Classüier    der    exacten    Wissenschaften 
No.  35).     Wilhelm  Engebnann.     Leijjzig  1892.   —  Preis  3  M. 
Es  hiesse  Eulen  nacli  Athen  tragen,   wollte   man   viele  Worte 
über    die   grundlegende    Bedeutung    der    Berzelius'schen  Arbeiten 
verlieren.       Wohl     haben     die      Entwickelung     der     organischen 
Chemie    und    die    Folgerungen ,     welche     sich     daraus    auch     für 
die   anorganische   ergaben,    Bresche    in    Berzelius'   System    gelegt 
und     manche      seiner     Schlüsse     hinfällig      gemacht;     aber     all' 
dies  basirt   zum  grössten  Theile   auf  seinen  Untersuchungen  über 
die    Verbiudungsverhältnissc,     und    wenn     auch    hierin    einzelne 
Correcturen   nicht   ausldieben,    so   hat  dies  der  Mann,    der  in  der 
Selbstkritik    vielleicht    ilen    besten    Theil     seiner    Grösse    besass, 
selljst  vorhergesehen  (S.  208).     Seine  Bestimmungen  sind  mit  der 
denkbar   grössten  Genauigkeit   ausgeführt,    so    dass   sie  uns  noch 
heute  trotz   unserer   unendlich   verbesserten  Hilfsmittel  Bewunde- 
rung abnöthigen.     Trotzdem    hat  Berzelius    bis   an   sein  Lebens- 
ende nicht   geruht,    selbst  seine  Resultate   wieder  und  wieder   zu 
prüfen,  so  oft  eine  Verbesserung  der  Hilfsmittel  genauere  Ergeb- 
nisse in  Aussicht  zu  stellen  schien.     Dass   auch  weitsichtige  und 


254 


Naturwissciiscliat'tüclic  Wofhciiscluilt. 


Nr.  25. 


frnchtbai-e  Auregungeu  für  künftige  Forscher  in  diesen  Schriften 
entliiilten  sind,  dafür  sei  als  Beispiel  nur  die  vom  Herausgeber 
mit  Recht  hervorgehobene  Erörterung  auf  Seite  168/169  angeführt 
bezüglich  der  Möglichkeit,  die  Verwandtschaften  chemischer 
Körper  in  Zahlen  auszudrücken,  welche  mit  jeder  beliebigen  me- 
chanischen Kraft  verglichen  werden  könnten.  Sp. 


Bulletin  de  la  Societe  Imperiale  des  Naturalistes  de  Moscou. 

Jahrgang  1892,  No.  1 — 4.  Von  den  AbliainUmigen  seien  hier  die 
folgenden  genannt:  Zykoff:  Die  Entwickelung  der  Gemmulao 
bei  Phydatia  fluviatilis  Zj-koff.  (Untersuchungen  über  die  soge- 
nannte innere  Knospung  bei  den  Süsswasserschwämmen  der  Um- 
gegend von  Moskau,  speciell  der  genannten  Art.)  2  Tafeln. 
Becker:  Neue  Pflanzen-  und  Insecteu-Entdeckungen  in  der  Um- 
gegend von  Sarepta  und  Zusammenstellung  derRauijen  und  Käfer, 
die  nur  von  einer  Pflanzenart  leben,  und  zwei,  di-ei  Pflanzenarten 
leben,  die  aber  zu  einer  Familie  gehören.  Kohon:  Ueber  einen 
mesozoischen  Fisch  vom  Altai.  Tzebrikow:  Studien  über  die 
oberjurassischeu  und  untercretaceischen  Ablagerungen  der  Krim. 
Der  Verfasser  hat  das  geologisch  und  paläontologisch  nahezu 
unbekannte  Gebiet  der  südlichen  Krim  durchforscht,  welches 
nördlich  durch  eine  Linie  begrenzt  wird,  welche  die  beiden  Städte 
Simfero])ol  und  Karassubazar  verbindet,  südlich  durch  das  Kalk- 
l)lateau  der  Djai'law,  von  dem  selbst  noch  ein  Theil  in  den  Bereich 
der  Untersuchung  gezogen  wurde.  Die  Schichten,  aus  denen 
dasselbe  besteht,  gehören  dem  Tithon  und  Neoeom  an;  die  Tren- 
nung beider  hält  aber  oft  sehr  schwer.  Belikow:  Die  Topo- 
graphie der  Umgegend  von  Moskau  in  ihrer  Beziehung  zu  geologi- 
schen Ursachen.  Vorläutige  Mittheilung.  Der  Verfasser  erklärt 
in  instructiver  Weise  die  heutige  Urographie  der  Umgegend  Mos- 
kaus aus  ihrem  tectonischen  Aufbau.  Sewertzoff:  Zur  Frage 
über  die  Segmentirung  des  Kopfmesoderms  bei  Pelobates  fuscus. 
Die  Untersuchungen  schliessen  sich  an  diejenigen  an,  welche 
Goette  in  seinem  klassischen  Werke  über  die  „Entwickelungs- 
geschichte  der  Unke"  niedergelegt  hat,  und  ergänzen  dieselbe  für 
die  in  Rede  stehende,  der  Unke  nahe  Form.  S  o  k  o  1  o  f f :  Die 
posttertiären  Ablagerungen  von  Kolomenskoje  bei  Moskau.  Vor- 
läufige Mittheilung.  Es  handelt  sich  im  Wesentlichen  um  eine 
von  Nikitin  als  Löss  angesprochene,  vom  V^erfasser  jedoch  als 
„immer  feingeschichteten  Mergel"  bezeichnete  Ablagerung,  die  er 
als  voi'glacial  (zum  Unterschiede  von  präglacial)  bezeichnet.  Des 
fernei-en  wird  über  einen  ebenfalls  vorglacialen  Susswasser-Mergel 
derselben  Localität  berichtet.  Gerassimoff:  Ueber  die  kern- 
losen Zellen  bei  einigen  Conjugaten.  Vorläufige  Mittheilung. 
Trautschold:  Gedeukblatt  für  Ferdinand  Roemer.  Marie 
Pavlow':  Studien  über  die  Paläontologie  der  Ungulaten.  VI.  Die 
Rhinoceriden  Russlands  und  die  Entwickelung  der  Rhinoceriden 
im  Allgemeinen.  Verfasserin  hat  ihre  Studien  sowohl  in  den 
meisten  europäischen,  an  Rhinoceriden  reichen  Sammlungen  ge- 
macht, als  auch  gelegentlich  des  internationalen  Geologen -Con- 
gresses  in  den  berühmtesten  amerikanischen.  Nach  einigen  ein- 
leitenden Bemerkungen  über  den  Werth  mancher  auf  unzulängliches 
Material  hin  aufgestellten  Art  und  über  die  von  manchen  Autoren 
vorgenommene  Abtrennung  von  Gattungen  besin-ieht  sie  die  in 
Russland  gefundenen  fossilen  Reste  der  Rhinoceriden  und  geht 
dann  zu  dem  Haupttheile  ihrer  Arbeit,  der  Entwickelung  der- 
selben im  Allgemeinen,  über.  Die  ersten  Angehörigen  der  Rhi- 
noceriden erscheinen  im  Unter-Eocän  Nordamerikas  mit  der  Gattung 
Systemodon;  im  Mittel -Eocän  folgt  alsdann  Hyrachius  agrarius, 
von  dem  sich  weitere  Formen  in  jüngeren  Ablagerungen  als  directe 
Nachfolger  erweisen  (namentlich  Araynodou  im  Ober- Eocän  und 
Hyracodon  im  Oligocän  Nordamerikas).  Mit  Amynodon  ist  ein 
neuer  Typ  aufgetreten,  der  sich  auf  dem  nordamerikanischen 
Festlande  in  der  Gattung  Aceratherium  bis  in  das  untere  Pliocän 
fortsetzt;  dann  aber  auch  in  Europa  im  Oligocän  einen  Vertreter 
in  Amynodon  Croizeti  hat.  In  Europa  erreicht  Aceratherium 
sowohl  als  auch  die  eigentliche  Gattung  Rhinoceros  eine  hohe 
Entwickelung  und  bringt,  stets  weiter  nach  <  tsten  sich  ausbreitend, 
innner  neue  Formen  hervor.  Auf  diesem  Zuge  ostwärts  erscheinen 
dann  auch  die  ersten  Rhinoceriden  im  Ober-Miocän  in  Asien 
(Rhinoceros  sivalonsis)  und  dauern  hier  bis  auf  die  Jetztzeit  fort, 
während  sie  in  Europa  mit  dem  Pleistocän  verschwinden.  Aus 
Afrika   kennt   man   mit  Sicherheit    dieselben   erst  aus  der  Gegen- 


wart, Reste  fossiler  Thiere  haben  noch  nicht  zweifellos  nach-, 
gewiesen  werden  können.  Bourdeille  de  Montresor:  Quellen 
über  die  Flora  der  Provinzen,  welche  an  der  Zusammensetzung 
des  Unterrichts-Bezirkes  Kiew  theilnehmen.  (Aufzählung  der  die 
Flora  der  betreffenden  Gegenden  behandelnden  Werke.)  Stolz- 
mann: Beitrag  zur  Ornithologie  Transcaspiens  nach  den  von 
Thomas  Barey  angestellten  Untersuchungen.  Der  Verfasser  zählt 
230  Species  auf,  welche  bereits  einen  interessanten  Einblick  in 
die  faunistischen  Verhältnisse  des  wissenschaftlich  noch  wenig 
bekannten  Gebietes  gewähren.  Kris  chtaf  ow  itsc  h:  Die  ober- 
tithonischen  Ablagerungen  Central -Russlands.  Vorläufige  Mit- 
theilung. Die  beiden  als  Wolga-Etagen  bezeichneten  Schichten- 
complexe,  sowie  die  Schichten  mit  Hoplites  rjasanensis  werden 
auf  ihre  Altersstellune;  hin  untersucht.  Die  beiden  ersteren  hält 
Verfasser  für  typisch  oberjurassisch,  die  letzteren  für  obertithonisch. 
Trautschold:  Gletscher  in  Russland.  Der  Autor  erklärt  sich 
aus  verschiedenen  Gründen  (Fehlen  genügend  hoher  Gebirge, 
Horizontalität  des  russischen  Bodens)  gegen  die  Annahme  ehe- 
maliger Gletscher  und  führt  die  als  Gletscherproducte  ange- 
sprochenen Bildungen  auf  Eis-Drist  zurück.  Strem  o  vukho  w: 
Notiz  über  die  Zone  mit  Olcostephanus  nodiger  bei  dem  Dorf'e 
Miikowo,  Distriet  Podolsk,  Gouvernement  Moskau.  Zickendrath: 
Kurzer  Bericht  über  die  in  den  Gouvernements  Jaroslawl  und 
Wologda  während  der  Jahi'c  1S91  und  1892  unternommeneu 
geologischen  und  botanischen  Excursionen.  Ognoff:  Ueber  das 
Neurokeratin.  Untei-suchungen  über  die  Bedeutung  der  in  den 
peripherischen  Nerven,  dem  Gehirn  und  der  Retina  von  Kühne 
und  Ewald  entdeckten,  dem  gemeinen  Keratin  sehr  ähnlichen, 
daher  von  ihnen  Neurokeratin  genannten  Substanz.  D.  Litviuov: 
Astragalus  Uralensis  spec.  nov.  Beschreibung  einer  neuen  Art  aus 
der  Nachbarschaft  von  Slatoust.  B.  Sresnewsky:  Ueber  die 
Kälte  im  Januar  1893.  —  Als  Anhang  enthält  der  Band  die 
„Meteorologischen  Beobachtungen"  des  Meteorol.  Observatoriums 
der  Laudwirthschaftl.  Akademie  bei  Moskau  während  des  Jahres 
1892.  F.  K. 

Haeusler,    R.,    Notes    sur  la  distribution  des  Lituolides  dans  les 

tirrains  jurassiques  de  la  Suisse.     Berlin.  5,60  M. 
Hertwig,  O.,  Lehrbuch  der  Entwicklungsgeschichte  des  Menschen 

und  der  \\'irbelthiere.     4.  Auflage.     Jena.     12,50  M. 
Hilber,    V.,    Fauna     der    Pereirai'a-Schichten    von  Bartelmae    in 

Unter-Krain.     Leipzig.     0,S0  M. 
Hundeshagen,    K.,    Ueber    die    Wirkung    des    Chloroforms    auf 

Mikroorganismen.     Jena.     1.50  M. 
Jelinek,      Anleitung     zur     Ausführung     meteorologischer     Beob- 
achtungen,  nebst  einer  Sammlung   von  Hilfstafeln.    4.  Auflage. 

Leipzig.     1,20  M. 
Kinkelin,  F.,    Die    Tertiär-    und    Diluvial-Bildungen    des    Unter- 

mainthales,    der  Wetterau    und    des    Südabhanges    des    Taunus. 

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Krafft,  F.,  Kurzes  Lehrbuch  der  Chemie.     Wien.     15  M. 
Krollick,  H.,  Grenzen  und  Gliederung  der  Alpen.     Berlin.      1  M. 
Laar,  J.  J.  van.    Die  Thermodynamik    in    der    Chemie.     Leipzig. 

7  M. 
Iiauterborn,    B.,    Ueber    Periodicität   im   Auftreten    und    in    der 

Fortpflanzung    einiger  jielagischer  Organismen  des  Rheines  und 

seiner  Altwasser.     Heidelberg.     —,60.  M. 
Lipski,  A.,    Ueber  die  Ablagerung  und  Ausscheidung  des  Eisens 

aus  dem  thieri.sclien  Organismus.     Dorpat.     1,50  M. 
Lehmann,  H.,  ß,  Die  Haiacarinen  des  Plankton-Expedition.    Kiel. 
Loriol,  P.  de,  Etudes  sur  les  moUusriues  des  couches  coralligenes 

interieures  du  Jura  bernois.     Berlin.     33,110  M. 
Maillari,     G.,     et    Locard,     A.,     Monograjihie    des     mollusques 

tertiäires    terrestres    et  fluviatiles    de  la  Suisse.     Berlin.     12  M. 
lyiannaberg,    J. ,    Die  Malaria-Parasiten,    auf   Grund  fremder  und 

eigener  Beobachtungen  dargestellt.     Wien.     6  M. 
Messtischbätter    des' Preussiscben    Staates.     1:25,000.      Nr.  826. 

Ilouksiel.  —  919.    Esens.  —  1196.     Emden.  —  1G35.    Altenflies.  — 

1638.    Driesen  (Ost).  —   1702.    Massin.  —  1704.    Landsberg  a./W. 

1778.     Schwerin  a./W.  —  1846.  Alt-Limmritz.   —  1847.    Kriescht. 

—  1924.     Zembowo.  —  2128.  Rakwitz. 


Inhalt:  Dr.  Richard  Jos.  Meyer:  Ueber  die  künstliche  Darstellung  des  Diamanten.  —  Die  Pilzgärten  einiger  südamerikanischer 
Ameisen.  —  Zur  Kenntniss  des  Fäi'bevorganges.  —  Ueber  einige  Verhältnisse  bei  der  Rotation  der  grosj^en  Planeten.  —  Ueber 
den  veränderlichen  Stern  Y  Cygni.  —  Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben.  —  Litteratur:  Brockhaus'  Konversations-Lexikon.  — 
Eduard  W  olf-Harnier:  Naturgeschichtliche  Charakterbilder.  —  Privatdocent  Dr.  Bernhard  Rawitz:  Compendium 
der  vergleichenden  Anatomie.  —  'Dr.  Karl  Eckstein:  Insectensehaden  im  Wühle.  —  Albert  Falsan:  Les  alpes  francaises. 
Prof.  C.  V.  Boys:  Seifenblasen.  Vorlesungen  über  Capillarität.  —  Jacob  Berzelius:  Versuch,  die  bestiunnten  und  ein- 
fachen Verhältnisse  aufzufinden,  nach  welchen  die  Bestandtheile  der  unorganischen  Natur  mit  einander  verbunden  sind.  — 
Bulletin  de  la  Societe  Imjieriale  des  Naturalistes  de  Moscou.  —  Liste. 

Verantwortlicher  Redakteur:  Dr.  Henry  Potonie,  Berlin  N.  4.,  Invalidenstr.  40/41,  für  den  luseratentheil:  Hugo  Bernstein  in  Berlin.  — 
Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagebuchhandlung,  Berlin  SW.  12.  —  Druck:  G.  Bornstein,  Berlin  SW.  12. 


Nr.  25. 


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Nr.  25 


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Sechster  Itniid. 

Allgemeine  Meereskunde 

von  Johannes  Walther. 

Mit  72  in  den  Text  gedruckten  Abbildungen  und  einer  Karte. 

In    Original  •  Leinenbaml    h   Mark. 

Inhalt.  Zur  Geschichte  der  Meereskunde.  —  Uie  Tiefe  des  Meeres.  —  Ver- 
änderungen der  Meerestiefe.  —  Die  Fläclie  des  Meeres  —  Wellen  und  Brandung. 
—  Die  Abrasion.  —  Tektonische  Veränderungen  der  Meeresbecken.  —  Temperaiur 
des  Wassers.  —  Treibeis  und  Eisberge.  —  l'ie  Farbe  des  Meeres.  ~  Der  Salz- 
gehalt. —  Zirkulation  und  Strömungen.  —  Die  Organismen  des  Meeres.  -  Die 
5leer«-s|'ilanzeu.  —  Die  Fauna  der  P'lachsee.  —  Die  Thiere  des  Plankton.  —  Die 
Ki'iall'uvilTe.  —  Die  Bewohner  der  Tiefsee  —  Die  Wirbelthiere  des  Meeres.  — 
Liii.  s.iliuiente  der  Flachsee.  —  Die  Sedimente  der  Tiefsee.  —  Vulkanische  Inseln. 
—  Insellebeu.  —  Landengen  und  Meerengen.  —  Geschichte  des  Meeres. 

Yerzeichnis  der  früher  crKChieuenen  Bände  der  NatamiNsenschaftlicIien  Bibliothek. 

Die  Vorfahren  der  Säugetiere  in  Europa. 

Vou  Albert  Gaudry. 

Aus  dem  Französischen  tibersetzt  vou   IVittiiitn  3titrftitatl, 
Mit  40   in  den  Text  gedruckten  Abbild.  —  Preis  in  Original-Leiuenband  3  Mark 

Die  MWm. 

Von  Dr.  W.  Mig-ula. 

Mit  :i2  in   den  Text  gedruckten   Abbild.  —  I'nis  in  Original-Leinenband  :!  Mark. 

Die  Sinne  und  Sinnesorgane  der  niederen  Tiere. 

Vou  E.  Jourdan. 

Aus  dem  Französischen  übersetzt  von   11////««*  J/«/**/««//. 

Mit  4.S  in   den  Text   gedruckten  Abbild.  —  Preis  in  Original- Leinenband  4  Mark. 


Gescliiclite  der  Pliysili. 

Von  Dr.  E.  Gerland. 

Mit  72  in   den  Text  gedruckten  Abbild.  ~  Preis  in  Original-J>einenband  4  Mark. 

Die  geograpliische  Verbreitung  der  Tiere. 

Von  E.  L.  Trouessart. 

Aus  dem  Französischen  übersetzt  von   117///«/«  .!/«>•.*/*«//. 

Mit  2  Karten.  —  Preis  in  Original-Leiuenband  4  Maik. 


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Allgemein-verständliche  naturwissenschaftliche  Abhandlungen. 


Heft   1. 


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(Separatalxh'ücke  aus  iler  ,.NatHrvvis.seiisfliaftliclieii  Wochenschrift. 


Ueber  den  sogenannten  vierdimenslonalen   Raum 

von  Dr.  V.  .Schlegel. 

Das  Rechnen  an  den  Fingern  und  Maschinen  von 

l'rol.  Dr.    .A.   .Sehubert. 

Die  Bedeutung  der  naturhistorischen,  insonderheit 

der  zoologischen  Museen  von  Professor  Dr.  Karl 

Kraepelin. 

Anleitung    zu    blütenbiologischen    Beobachtungen 

von  Prof.  Dr.  E.  Loew. 

Das  „glaziale"  Dwykakonglomerat  Südafrikas  von 

Dr.  F.  U.  .Stapff. 

Die  Bakterien  und  die  Art  ihrer  Untersuchung  vou 

Dr.  Kob.  Mittuiann.     Mit  8  Holzscbuitten. 

Die  systematische  Zugehörigkeit  der  versteinerten 

Hölzer  (vom  Typus  Araucarioxylon)  in  den  palaeo- 

litischen  Formationen  von  Dr.  H.  Potonie.     Mit 

1   Tafel. 

Ueber  die  wichtigen  Funktionen  der  Wanderzellen 

im    thierischen    Körper    von    Dr.    E     Korscheit. 

Mit  10  Holzschnitten. 

Ueber  die  Meeresprovinzen  der  Vorzeit  von  Dr. 

F.  Frech.     Mit  Abbildungen  und  Karten. 


i 


Mit  7  Holz- 


I 


Heft  10.    Ueber  Laubfärbungen  von  L.  Kny. 
schnitten. 

„  II.  Ueber  das  Causalitätsprincip  der  Naturerschei- 
nungen mit  Bezugnahme  auf  du  Bois-Reymonds 
Rede:  „Die  sieben  Welträthsel"  von  Dr.  Eugen 
1  )relier. 

,.  12.  Das  Räthsel  des  Hypnotismus  von  Dr.  ICarl  Friedr. 
Jordan. 

,.  Vö.  Die  pflanzengeographische  Anlage  im  Kgl.  bota- 
nischen Garten  zu  Berlin  von  Dr.  H.  Potonie. 
Mit  2  Tafeln. 

„     14.    Untersuchungen  über  das  Ranzigwerden  der  Fette 

von  Dr.  Ed.  Ritsert. 

„  15.  Die  Urvierfüssler  (Eotetrapoda)  des  sächsischen 
Rothliegenden  von  Prof.  Dr.  Hermann  Credner 
in  Leijizig.     Mit  vielen  Abbildungen. 

„     lll.    Das  Sturmwarnungswesen  an  den  Deutschen  Küsten 

von  Prof.  Dr.  W.  J.  van  Bubbcr.    Mit    1  Tafel 
und  5  Holzschnitten. 


Preis:    Heft  1-4  ä  50  Pf..  Heft  5—16  a  1  M. 


Redaktion:  '  Dr.  H.  Potonie. 

Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12,  Zimmerstr.  94. 


VIIL  Band.                 Sonntag,  den  25. 

Juni  1893. 

Nr.  26. 

Abonnement:  M;iii  ahonnirt  bei  allen  Hiielihandlungeii  nnd  Post-             y 

anstalten,  wie  bei  der  Expedition.    Der  Vierteljahrspreis  ist  M  3.—            dp 

Bringeseld  bei  der  Post  15  4  extra.                                          JL 

Inserate :  Die  viergespaltene  Petitzeile  40  ^,    Grössere  Aufträge  eiit  - 

sprechenden  Rabatt.  Beilagen  nach  Ucbereinkunft.  Inseratenannalime 

bei  allen  Ännoncenbureaux,  wie  bei  der  Expedition. 

.\l>«lrnck  \st  mir  mit  vo]l!stäii«li;;ei'  C(nelleiians;abe  gestattet. 

Die  angebliche  ,,Giftfestigl<eit"  des  Igels. 


Von  W. 

Die  vermeintlielie  Im  mimität  des  Igels  g-egeii 
Blausäure  folgert.  Erich  llarn;ick  aus  einem  Versuche, 
über  welchen  in  der  „Naturw.  Wochenschr."  vom  26.  Miirz 
d.  J.  (No.  13  S.  129)  berichtet  wird.  Der  Versucli  be- 
weist aber  im  Gegentheil,  dass  das  Tiiier  nach  subcutaner 
Injcetion  von  5  Centigramm  Cyankalium  im  Ganzen  — 
U,01  um  ,^)  und  0,0-i  um  ö  Uhr  10  Min.  —  sehr  schwere 
Intoxicationserscheinungen  zeigte  und  um  5  Uhr  40  Min. 
dem  Tode  vert'alleu  schien,  da  es  „wie  gelähmt"  da  lag. 
Indessen  erholte  es  sich  am  folgenden  Tage,  während 
eine  Katze,  der  nur  1  Centigramm  Cyankalium  subcutan 
injicirt  worden  war,  nach  1  Jlinute  umfiel  und  nach 
4  Min.  starb.  Ehe  aus  diesem  Versuche  auf  die  oft  ])c- 
hau])tete  und  nie  ])ewiesene  Resistenz  des  Igels  gegen 
Blausäure  geschlossen  werden  darf,  müsste  die  schnelle 
Absorption  des  injicirten  Giftes  dargethan  werden.  Es 
ist  nicht  leicht,  einem  ausgewachsenen  Ige!  irgend  etwas 
subcutan  zu  injicireu,  wegen  seiner  Stacheln.  Indessen 
ein  Theil  der  Cyankaliumlösung,  welche  0,04  cntliielt, 
muss  im  vorliegenden  Falle  absorbirt  worden  sein,  da 
eben  die  schwersten  Vergiftungssymptome  eintraten.  Hier- 
nacii  kann  es  sich  überhaupt  nicht  um  Innnunität,  sondern 
höchstens  um  eine  gr(issere  Resistenz  gegen  das  Gift,  als 
bei  anderen  Thieren,  handeln.  Aber  diese  ist  ebenfalls, 
wie  icli  schon  vor  25  Jahren  in  meinem  Buche  „Die 
Blausäure  physiologisch  untersucht"  (1868 — 1870  Bonn  II, 
S.  6  und  47 — .51)  nachgewiesen  habe,  nicht  vorhanden. 
Denn  als  ich  einen  ausgewachsenen  munteren  Ötacheligel 
unter  einer  sehr  grossen  tubulirten  Glasglocke  auf  dem 
1'ische,  auf  welchem  er  umherlief,  die  Dämpfe  von  nur 
0,.5  Cubikeentimcter  einer  seehsprocentigen  wässerigen 
Blausäurelösung  einathmen  Hess,  indem  ich  dieses  kleine 
Quantum  auf  den  Tisch  goss  —  es  war  am  22.  April  iy()8 
im  ungeiieizten  Laboratorium  —  fiel  er  nach  einer  halben 
Minute  um  und  war  nach  6  Minuten  gelähmt.  Er  zeigte 
noch  eine  ganze  Reihe  von  Vergiftnngserscheinuiigen,  er- 


Prey  er. 

holte  sich  j'edoeh  etwa  10  ^lin.  später  langsam  und  war 
am  folgenden  Tage  normal.  In  diesem  Falle,  der  nur 
die  Empfänglichkeit  des  Igels  gegen  sehr  kleine  Mengen 
gasförmigen  Cyanwasserstoffs  I)eweisen  soll,  da  von  den 
0,03  Gramm  noch  lange  nicht  der  zehnte  Theil  innerhalb 
30  See.  eingeathmet  worden  sein  konnte,  ist  die  Intensität 
der  Giftwirkung  frappant. 

Dasselbe  Thier  lag  Tags  darauf  zusaramengckugelt, 
regelmässig  20  Mal  in  der  Minute  athmend  da.  Ich  Hess 
nun  bloss  sieben  Tropfen  ö-proc.  Blausäure  auf  seine 
Schnauze  fallen.  Nach  weniger  als  30  See.  cntkugelte 
sich  das  Thier  nnd  stellte  nach  weiteren  1.5  See.  die 
Athembewegungen  während  etwa  '/.,  Min.  ganz  ein. 
Sieben  Minuten  nach  dem  Auftriipfeln  des  Giftes  war  der 
Igel  tot.  Da  von  den  angewandten  Tropfen  50  auf 
1  Cubikcent.  gehen,  so  enthielten  7  höchstens  0,008  Grm. 
CNH,  und  da  von  diesen  der  grüsste  Theil  von  der  warmen 
Nase  des  Thiei'es  abdunstete,  können  nur  wenige  Milli- 
gramm Blausäure  in  das  Blut  des  Thicres  gelangt  sein. 
Nichtsdestowenigei'  starb   es  nach  7  Min. 

Uebrigens  sind  meine  Versuche  nicht  die  einzigen, 
welche  die  Empfindlichkeit  des  Igels  (Erhiacetis  euro- 
paeiis)  gegen  Cyanwasserstoif  beweisen.  Es  ist,  um  die 
irrthiimlicbe  Meinung  von  der  gi-ossen  Resistenz  oder  gar 
Innnunität  dieses  Tiiieres  gegen  Cyanverbindungen  noch 
gründlicher  zu  widerlegen,  nicht  übertlüssig,  an  ältere 
Experimente  zu  erinnern. 

In  seinen  ausgezeichneten  preisgekrönten  Rcchcrciics 
et  considerations  medicalcs  sur  l'aeide  hydro- 
cyaniquc  (l'aris  1819  S.  129)  sagt  Coullon:  Am  28.  Juli 
1809  begann  ich  sechs  Tropfen  Blausäure  im  Munde  eines 
Igels  zu  verbreiten;  es  trat  nur  eine  geringe  Erschwerung 
der  Atlmning  ein  nnd  er  blieb  zusanmiengerollt.  Eine 
halbe  Stunde  später  zwang  ich  ihn  14  neue  Tropfen  zu 
verschlucken,  worauf  nach  ungefähr  einer  halben  Minute 
die  Atlnnun"-  besehleuiiiü,'t  und  noch  mehr  erschwert  wurde: 


25G 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  26 


nach  10  Min.  starb  er.  Hier  entsprechen  (j  Tropfen 
0,0033  Grm.  und  14  Tropfen  0,0077  Grni.  Cyanwasserstotf. 

Georg  Wedemeyer  schreibt  in  seinem  Buche 
„Physiologische  Untersuchungen  über  das  Nervensystem 
und  die  Respirati<m"  (Hannover  1817  S.  249  fg.):  „Einem 
jungen  noch  zahnlosen  Igel  wurden  ein  Paar  Tro))fen 
der  Blausäure  No.  2  in  den  Rachen  gesteckt.  Er  lebte 
hierauf  noch  6  l)is  7  Min.".  Ein  ausgewachsener  alter 
Igel  wurde  durch  2  bis  3  Haarpinsel  voll  der  Blausäure 
No.  2,  die  ihm  in  die  Nase  und  in  den  Rachen  gesteckt 
wurden,  vergiftet.  Innerhalb  10  Min.  starb  er  unter  dem 
heftigsten  Opisthotonus.  Der  Versuch  wurde  im  Monat 
Oetober  bei  10  (Jrad  R.  Wärme  gemacht."  Die  ange- 
wandte Blausäurclösung  nniss  nach  S.  235  sehr  verdünnt 
gewesen  sein. 

In  seiner  Promotionsschrift  De  acidi  hydrocyanici 
ejusque  i)raeparatorum  priucipaliuni  in  organis- 
mum  animalem  effectu  (Breslau  1841  S.  45)  berichtet 
F.    Gottvvald:     Ein    männlicher    Igel    erhielt  Jj.    acid. 


hydroc.  in  den  Mund,  brach  sofort /Aisannnen,  mit  eigen- 
thümlich  spastisch  geötfuetcm  Munde  und  war  nach  5  Min. 
tot.  Die  angewandte  Blausäurelösung  war  die  der  da- 
maligen Prcussischcn  Pharmakopoe,  also  2-procentig.  die 
Dosis  enthielt  somit  0,075  Grm.  CyH.  Daher  die  schnell 
tötliche  Wirkung. 

Dass  hypodermatische  Einspritzungen  verdünnter  Lö- 
sungen, selbst  wenn  die  ganze  Dosis  wirklich  in  den 
Körper  gelangt,  beim  Igel  langsamer  wirken,  protrahirte 
Vergiftungen  nach  sich  ziehen  und  bei  grösseren  Mengen 
dennoch  Erholungen  ermöglichen,  erklärt  sicii  durch  eine 
langsamere  Resorjjtion.  Wenn  die  letzten  Giftinengen  zur 
Aufnahme  in  das  Venensystem  konmien,  sind  die  zuerst  auf- 
genommenen längst  wieder  ausgeschieden,  so  dass  es  in 
keinem  Augenblick  zu  einer  solchen  Ansammlung  des 
Giftes  im  Blute  kommt,  wie  sie  zur  schnellen  Tötung 
erforderlieh  ist.  Daraus  folgt  aber  durchaus  nicht,  dass 
der  Igel  gegen  Blausäure  innnun  oder  besonders  resistent 
sei.     Die  erwähnten  Versuche    beweisen   das   Gegeutheil. 


K.  Hassert's  Reisen  in  Montenegro  im  Jahre  1891. 


Dr.  Kurt  Hassert,  ein  Schüler  von  Er.  Ratzcl  und 
F.  von  Richthofen,  unternahm  es  im  Sommer  und  Herbst 
1891,  Montenegro  nach  allen  Richtungen  zu  bereisen,  um 
so  eine  möglichst  vielseitige  und  nmfassende  Kenntniss 
des  in  vieler  Hinsicht  merkwürdigen  Landes  zu  gewinnen. 
Er  hatte  sich  durch  litterarische  Studien  wie  durch  prak- 
tische Vorbereitung  für  topographische  Arbeiten  im  Militär- 
geographischen Institut  auf  das  Sorgfältigste  vorbereitet 
und  hat  sich's  dann  auf  seinen  fünfmonatlichen,  ange- 
strengten Touren  keine  Mühe  verdriessen  lassen,  sein  Ziel 
möglichst  zu  erreichen.  Die  Lücken,  welche  naturgemäss 
dennoch  bleiben  mussten,  wollte  er  auf  einer  zweiten  Reise 
im  Jahre  1892  möglichst  ausfüllen.  Letztere  ist  denn 
auch  von  ihm,  und  zwar  diesmal  im  Auftrag  des  Militär- 
geographischen Instituts  in  A\"ien,  besonders  zum  Zweck 
topographischerArbeiten  unternommen  worden,  doch  liegen 
über  diese  zweite  dreimonatliche  Reise  meines  Wissens 
noch  keine  eingehenderen  Veröffentlichungen  vor;  wir  be- 
schränken uns  daher  in  den  folgenden  Mittheilungen  auf 
die  mehrfachen  Publicationen  über  die  Reise  vom  Jahre 
1891*)  und  schicken  zunächst  einen  üeberblick  seiner 
hauptsächlichsten  Routen  voraus. 

Mit  Instrumenten  gut  ausgerüstet,  mit  Pässen  und 
Empfehlungsschreiben  versehen,  brach  H.,  nur  mit  einem 
Pferd  für  sein  Gepäck  und  mit  einem  Führer,  Ende  Mai  1891 
von  Cettinje  (vergl.  Fig.  1)  auf,  berüln-te  zuerst  Podgoritza 
im  O.  Montenegros,  ging  dann  im  Zetathal  aufwärts  ül)er 
Danilovgrad  und  Kloster  Ostrog  nach  Niktschitz,  von  hier 
den  berühmten  Dugapässen  folgend  nach  Gatzko  j'enseit  der 
NW-Grenze  in  der  Herzegowina,  weiterhin  quer  durch  den 
westlichen  Theil  Montenegros  (die  Banjani)  nach  Grahovo 
und  Risauo  (unweit  Cattaro  an  der  Adria  gelegen),  und 
zurück  nach  Niktschitz,  um  mit  grosser  östlicher  Aus- 
biegung über  die  Luka  vica  ins  obere  Moratschathal, 
durch  das  Tuschinathal  an  dem  Komarnica  und  Piva- 
Kanon  abwärts  bis  in  die  nördlichsten  Theile  des  Landes, 


*)  1)  Heise  durcli  Montenegro  nebst  Bemerkungen  über 
Land  und  Leute.  Mit  'AO  Abbildungen  nach  den  Aufnahmen  des 
Verfassers  und  einer  Karte.  8".  236  S.,  Wien,  Hartleben.  1892.— 
2)  Eine  Fuss Wanderung  durch  Montenegro.  D.  Eund- 
schau  für  Geographie  und  Statistik.  Bd.  XV,  Heft  3  u.  4.  3)  Der 
Skutarisee.  (Globus,  Bd.  62,  1892,  No.  1,  2,  4  u.  6.)  4)  Der 
Durmitor.  Wanderungen  im  Montenegrinischen  Hochgebirge. 
Ztschr.  des  d.  u.  ii.  Alpenvereins,  Bd.  23,  1892,  S.  124-170.  — 
Die  wissenschaftlichen  Ergebnisse  wird  eine  Abhandlung  in  den 
Ergänzungsheften  von  Peteruiann's  Mittheilungen  üusaminenfassen. 


scidicsslich  bei  Fotsclia  in  Novibazar  vorzudringen.  Durch 
die  Herzegowina  zum  Adriatischen  Meer  und  Cettinje 
zurückgekehrt,  brach  der  unermüdliche  Reisende  nunmehr 
im  Hochsommer  nach  Kolaschin  auf,  um  die  Hocligipfel 
der  wildzerrissenen  Durmitorgruppe  zu  besteigen.  Nach 
der  Rückkehl'  wendet  er  sich  über  Niktschitz  und  Podgo- 
ritza dem  wilden  Kutschi-Land  ganz  im  0.  Montenegros 
zu,  auch  hier  über  die  Nordo.stecke  des  Landes  hinaus 
einen  kühnen  Verstoss  nach  Albanien  unternehmend, 
welcher  indessen  beinahe  übel  abgelaufen  wäre,  denn  nur 
durch  die  schleunigste  Flucht  vermochte  sich  H.  den  Ver- 
folgungen des  Vorstehers  von  Berani  zu  entziehen,  welcher 
ihn  für  einen  russischen  Spion  hielt.  Ueber  Kolaschin 
nach  Podgoritza  zurückgekehrt,  widmete  sich  H.  nunmehr 
noch  der  f^rforschung  des  Skutari-Sees  und  der  Küsten- 
ketten zwischen  letzterem  und  der  Adria.  .Vucli  ein  Be- 
such der  Hauptstadt  Nordalbaniens,  Skutari,  wurde  glück- 
lich durch  die  Bojana-Ebene  ausgeführt.  Von  Antivari 
kehrte  H.  über  den  Sutorman-Pass  und  durch  die  Com- 
nica  nach  (!ettinje  zurück,  um  schliesslich  auf  dem  Heim- 
wege zur  See  noch  den  berühmtesten  Gipfel  ]\lontenegros, 
dem  Lootschen  (1759  m)  einen  Besuch  abzustatten:  „Wer 
krmnte  dieses  Panorama  beschreiben,  gegen  welches  die 
Rundsicht  vom  Durmitor,  Vojnik,  Ostrog  oder  von  Vranina 
in  nichts  zusammenschrumpft  und  dem  selbst  der  um- 
fassende Blick  vom  Koni  an  zaul)erischer  Schönheit  nicht 

gleichkommt? Leider  beeinträchtigte   ein   feiner 

Nebel  die  Aussicht,  so  dass  die  entfernteren  Bergzüge 
undeutlich  aus  der  Dunstiiülle  hervortraten;  aber  das  ge- 
sammte  Montenegro  lag  wie  auf  einer  Reliefkarte  vor 
uns:  Hier  spielte  die  Sonne  mit  den  leicht  bewegten 
Fluthen  der  Bocche  (di  Cattaro),  dort  leuchtete  der  Spiegel 
des  Skutari-Sees  herauf  und  am  Horizonte  verschwand 
die  blaue  Adria.  In  wilder  Pracht  erhol)en  sich  ilie 
Albanesischen  Alpen  und  das  Küstengebirge  Rumija,  und 
allerorts  schweifte  das  Auge  über  ein  endloses  Durch- 
einander von  Ketten  und  Thälern,  aus  deren  Hintergrunde 
die  schneebedeckten  Zacken  des  Durmitor  und  Koni  zum 
letzten  Male  herübergrüssten.  Vom  grünen  Plane  hob 
sich  Podgoritza  ab,  die  kleinen  Becken  von  Cettinje, 
Njegusch  und  Ktsclievo  unterbrachen  anmuthig  das  Grau 
in  Grau  gehüllte  Gestein  und  100  m  unter  uns  war  in 
einen  kreisrunden  Kessel  der  See  des  Jezerski  Vrh  ein- 
gebettet."    (S.  234.) 

Versuchen   wir    nunmehr    die    in    den   Reiseberichten 


Nr.  26. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


2.57 


/,eri*treuteii  Beoliaclitui)jj;en  über  I\[()ntcne,^ro  zu  einem  ge- 
drängten (Tcsaninitbikl  zusammenzufassen. 

Ueber  den  geologischen  Aufbau  lagen  bereits 
zahlreiche  Beobachtungen,  namentlich  von  E.  Tietzc,  vor 
(Geolog.  Uebersicht  von  Moulcuegro,  .laiirh.  der  k.  k.  Geolog. 
Reichsanstalt  zu  Wien,  l.sS4,  Bd.  84,  S.  I.tI  fW),  denen  11. 
zahlreiche  Eiuzelbeobachtungeu  hinzufügt.  Im  allgemeinen 
genügt  es  festzuhalten,  dass  der  Westen  liauptsächlicii 
aus  arg  verkarsteten  Kalken  kretaceisclien  Alters  besteht, 
während  im  NO.  des  Landes  mit  den  Wei'feuer  Schichten 
und  anderen  triadisehen  Sedimenten  weit  mildere  und 
culturfähigere  Bodenformen  auftreten.  Ein  mit  grünen 
Laubwäldern  bedecktes 
hier  mehr  mitteleuroi)äisehen  Charakter. 

1)  Längst  hat  sich  der  Name  Karst  von  der  kleinen 
Zone     nördlich     von     Triest 


wasserreiches  Gebirgsland  trägt 


auf  die  übereinstimmenden 
Erscheinungen  in  vielen  an- 
deren Kalk-  und  Dolonnt- 
gebirgen    ausj; 


Karstbilduugen- 


;-edehnt.  Die 
1*)  sind  vor 
allem  charakterisirt  „durch 
zahllose  Trichter,  die  Do- 
linen,  und  durch  abgeschlos- 
sene, oberirdisch  meist  ab- 
flusslose Mulden,  die  sogen. 
Poljen,  welche  statt  regel- 
mässiger Thäler  die  einför- 
migen Plateaus  durchfurchen. 
Beide  Senkungen  unterschei- 
den sich  nur  durch  ihre 
Gr('isse  von  einander,  denn 
ihre  Entstehung  ist  die 
gleiche:  Einsturz  in  Folge 
von  Unterwaschung.  In 
tausend  verborgeneu  Canälen 
findet  das  Wasser  einen  Weg 
ins  Innere  und  Inihlt  es  aus; 
die  Kräfte  des  Luftmeeres 
arbeiten  den  so  entstandenen 
Schlund  zu  einem  Trichter 
um,  und  werden  die  trenuen- 
den  Querwände  beseitigt, 
so  vereinigt  sieh  eine  Reihe 
dieser  Trichter  zu  einem 
zusammenhängenden  Do- 
linenthal." 

Die  Karsterscheinungen 
prägen  dem  südwestlichen 
Theile  Montenegros  ihren  Stempel  au 
Reisen  überaus  beschwerlich.  Den  ödesten,  sterilsten  Thei 
des  von  der  Natur  kärglich  genug  ausgestatteten  gebir- 
gigen Landes  bilden  vielleicht  die  Banjani,  welche 
zwischen  den  Dugapässen  und  der  SW. -Grenze  sich  hin- 
ziehen. Sie  stellen  ein  welliges  Hügel-  und  Doliuenlaud 
dar,  mit  nicht  allzuhohen  Kettengebirgen  und  flachen  Ein- 
hruchskesseln,  das  an  Unfruchtbarkeit,  Wald-  und  Wasser- 
armuth  seinesgleichen  sucht.  So  selten  ist  eine  Quelle, 
dass  sie  oft  vom  Schimmer  der  Sage  umwoben  ist  und 
in  der  früheren  gesetzlosen  Zeit  der  Schauplatz  erbitterter 
Kämpfe  war.  Meist  muss  nuin  sich  mit  Cisternen  lie- 
belten, die  ein  warmes,  zweifelhaftes  Wasser  enthalten. 
„Diese  ausgetrocknete  Steiuwüste  schmachtet  unter  einem 
glühenden  Sonnenbrände;  fast  täglich  Stauden  schwere 
Gewitter  am  Himmel  und  der  Donner  hallte  schaurig  in 
den  Klüften  des  Njigosch  und  des  Strazischte  wieder. 
Aber  nie  fiel  ein  Tröpfchen  des  erquickenden  Nasses,  im 


*)  Vergl.  „Naturw.  Wocliensulir.,  Bd.  III,  S.  1J5. 


Gegentheil,  die  Schwüle  steigerte  die  Hitze  so  sehr,  dass 
das  Thermometer  über  50°  C.  stieg;  und  wegen  der  in- 
tensiven AVärmcausstrahlung  des  nackten  Kalkes  hätte 
man  glauben  können,  in  einem  Backofen  zu  wandeln.'- 

2)  Durch  das  Zetathal  und  die  im  NW.  von  Kiktschitz 
befindliche  Einsenkung  der  Dugapässe  scheidet  sich  das 
Karstgebiet,  die  eigentliche  Cruagora,  das  Land  der 
Schwarzen  Berge,  von  dem  östlichen  Berglande,  dem 
niontenegrinisclicn  Brda.  Für  letztere  Gegenden  sind  die 
ausgeprägten  Kafionbildungen  charakteristisch,  welche  be- 
sonders im  Dina  -  Gebiet  von  der  Piva  und  Koniarnica, 
noch  mehr  von  der  Tara  im  Laufe  der  Zeit  in  so  gross- 
artigen, schauerlichen  Schluchten  ausgebildet  wurden, 
dass  dieselben  in  Europa  nicht  ihres  Gleichen  mein-  haben. 
Sie  hemmen  natürlich  den  Verkehr  ungemein,  denn  meist 

ist  es  überhaupt  unmöglich, 
diese    bis     1500    m     tiefen 
Schluchten  zu   überschreiten 
oder  doch   nur  nach  langer, 
halsltrecherischer      Kletterei 
hinab  und  hinauf.    So  bildet 
die  Tara  in   langer  Erstrek- 
kung  den  natürlichsten  Greuz- 
graben  zwischen  Montenegro 
und  dem  Novi  Pazar.   Solche 
ausgeiirägte    Kanons    finden 
sich  im  0.  des  Landes  auch 
noch    ausserhalb    des    Tara- 
Quellgcbietes  an  der  oberen 
und      niederen      Moratscha, 
welche    in   den    Skutari-See 
einmündet.  Im  Bereich  dieser 
tief  eingesägten  Kaiiourinnen 
erheben   sich  aber  auch  die 
bedeutendsten    Berggruppen 
des    ganzen    Gebirgslandes, 
die  Höhen    des  wilden  Kut- 
schilandcs,  der  Kom  (2448m) 
und  vor  allem  zwischen  Piva 
und    Tara    das    Massiv    des 
D  u  r  m  i  1 0  r  s     (nach    Hassert 
mit  2523  m   gipfelnd).     Die 
Schilderung   der  wilden  und 
ungemein  grossartigen  Alpen- 
natur der  Durmitorgipfel  (Fi- 
gur 2)  geiiört  zu   den  Glanz- 
partien der  Reisedarstelluug 
und  zeigen   unseren  jugend- 
lichen Forscher  aiseinen  eben- 
und  machen^  das  ]  so  kühnen  wie  ausdauernden  Hochtouristen,  der  vor  keiner 
Schwierigkeit  zurückschreckt.    Lassen  wir  ihn  sellist  reden : 
„Von  allen  Seiten  gewähren  die  wilden,  ausgearbeiteten 
Formen   dieser  unvermittelt    aus   der   Ebene   aufragenden 
Massivs  einen  unvergleichlichen  Anblick,  am  besten  über- 
sieht man  dieselben  von  0.  von  Zabijak  aus:    hier  erhebt 
sich  der  merkwürdige  Doppelkegel  des  Sedlo,  ihm  gegen- 
über   liegen   die  Kolosse    des    Medjed    (Bärenbergs)    und 
Savin-Kuk,    die  sich  in   der   wilden  Tscliirova  Petschiua 
fortsetzen    und    endlich    im    grossen    und    kleinen    Stulac 
weniger  schroff  nach  der  Tara  a))fallen,  während  zwischen 
dem  Hauptkannne  und  der  steil  zum  Dobri  Do  abfallenden 
Prutasch   das  Trockenthal   der  Suscliica    sich    mit    senk- 
rechten  Wänden    einschneidet.     Ehemalige    oder    heutige 
Gletscher  fehlen  indess   diesen  Bergriesen  gänzlich.     Ani 
19.  August  gingen  wir  unter  Führung  eines  ortskundigen 
Eingeborenen    zu    dem    idyllisch    im    dunklen    Grün    ver- 
steckten Crno   Jezero    (=  Schwarzer  See)    und   dann    zu 
der    kleinen    Doline    Srijepulna    Polj'ana    am    Fasse    dcr 
schrofieu  Crvcna   Grcda  {=  Eother  Felsj.     Hier    begann 


Figur  I.    Uebersichts    Karte. 


258 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  26. 


stic;;-,    luid 
dem 


der  cij^'ciitliche  An 
Stunde  waren  wir  in 
Valischnica  Do  mitten 
Firntleclien,  wo  wir  in 
übernachteten.  Gegen 
erhob  sich  eine  lieftige  Bora, 
die  schaurig-  die  einsame  Natur 
durchtobte  und  das  Erklimmen 
des  steilen  Hauptkammes  unge- 
mein erschwerte,  indem  sie  uns 
oft  zu  Boden  warf  oder  am 
Weiterklettern  hinderte.  Endlich 
war  auch  dieses  Ungemach  über- 
wunden, und  herabblickend  auf 
das  wilde  todte  Tafelland  Nord- 
Montenegros  stiegen  wir  zum 
Skrk-Thale  ab,  wo  ans  der 
wundersame   Meer- 


sciion    nacli    einer    lialben 

unbeschreiblich  iiden  Hochtlial 

im    Bereich    der    Legföhren    und 

einer  elenden  Koliba  (Sennhütte) 

Morgen 


entgegen- 


Tiefe  zwei 
äugen  uns 
Iir/,  wischen 
^valt    des 


entgegenleuchteten. 


gesteigert 


^f\Srjepu/na  Poljiuuj. 

'%fitn£sch.Do      "'"/, 


hatte  sich  die  Ge- 
Sturmes immer  mehr 
und   zugleich    entlud 

sicli  ein  heftiger,  mit  Hagel  und 

Schnee    vermischter    Regen,    so 

dass  uus  nichts  ül)rig  blieb,  als 

in   einer   Hütte  ein   schützendes 

Obdach  zu  suchen.  .  .  .      Sehr 

früh    brachen    wir  am  nächsten 

Morgen    bei    nur  4°  C.   Wärme 

auf,    suchten,    bald    über    steile   Wiesen,    bald    zwischen 

Schueelager  und  Karrenfeldern  uns  emporarbeitend,  einen 

Sattel    zwisciieu    Stit    und    Frutasch    zu    gewinnen,    und 

hatten  denselben  schon  nach 

einigen  Stunden  rüstigen  Stei- 

gens  erreicht.    Nachdem  wir, 

mehr    rutschend    als  gehend, 

auf  seinem    fast  senkrechten 

Abfalle    im    Thale  Dobri  Do 

angekounuen     und     uus    ein 

wenig  ausgeruht  hatten,  nah- 
men   wir    unser    eigentliches 

Ziel,  die  Tschirova  Petschiua, 

in     Angritf.       Dieser 

wurde     zuerst     von 

B  a  u  m  a  n  n    erstiegen. 

über  kantige 


*oslsch£nsko  Jczerr» 


Figur  2      Durmitor  -  Gruppe 


Gipfel 
Dr.    0. 

Sehr 


miue ,    sahen 
Mittag 


steil  ansteigend 
Geröllmassen,  dürftige  Gras- 
lehuen  und  durch  enge  Ka- 
wir  uus  gegen 
in  der  Nähe  eines 
kleinen  Teiches,  in  dessen 
grünen,  klaren  Wassern  sich 
der  wildzerrissene  Kannn 
wiederspiegelte.  Mit  Händen 
und  Füssen  über  eine  mäch- 
tige, stark  gebösehte  Schutt- 
halde krieeliend,  die  bei 
jedem  Tritte  nachgab  und 
zahllose  Trümmer  in  eine  jähe 
Tiefe  abrollen  Hess,  hatten 
wir  endlich  die  Spitze  um- 
gangen. Noch  wenige  Mi- 
nuten, dann  war  ein  kaum  2  m 
und  aus  schwindelnder  Höhe 
in  das  von 
Thal.      Der 


Figur  3.    Skulari-See  und  Umgeliung 


senkrechten    A¥änden  eingeschlossene 


war    fast 
Aufstieg, 


breiter  Grat  gewonnen, 

schauten     wir     liinab 

Skrk- 

Abstieg    auf    der    entgegengesetzten    Seite, 

hat, 
der 
:ast- 


den     bisher    wohl    noch    kein    Fremder   ausgeführt 


noch    mühsamer 
und    es    dunkelte 


und     gefäln'licher     als 
bereits,    als   uus    die 


Hellen    Feuer  der  KoHbas  des  Lokvice- Thaies 
leuchteten. 

Trotzdem  in  der  kleinen   Hütte   gegen  15  Menschen 
schliefen,   lagen  wir  bald  in  sanftein  Schlummer  und  der 

Morgen  fand  uns  neugestärkt 
auf  den  Abhängen  des  Medjed. 
Er  stellt,  obwolil  bedeutend  nie- 
driger als  die  Tschirova  Pet- 
scliina,  die  Geduld  und  Ausdauer 
viel  mehr  auf  die  Probe,  weil 
er  in  ausserordentlich  schroft'en 
Wänden  aufragt  und  eine  sehr 
ungemüthliche  Kletterei  auf 
einem  kaum  Va  m  breiten,  locke- 
ren Grate  zwischen  senkrechten 
Abgründen  verlangt.  Doch 
wurde  auch  er  glücklich  be- 
zwungen, und  am  anderen  Tage 
kehrten  wir  wohlbehalten  nach 
Zaldjak  zurück.^'  .  .  . 

Von  hier  aus  wurde  noch, 
und  zwar  ohne  jede  Anstrengung, 
der  Stulac  mit  dem  inzwischen 
in  Zabljak  eingetroffenen  ita- 
lienischen Botaniker  Dr.  Bal- 
dacei  bestiegen,  mit  welchem 
Hassert  nun  eine  Zeitlang  zu- 
sammenreiste. 

Die  sämmtlichen  mühevollen 
Hochtouren  im  Durmitor-Gebiet  sind,  mit  zahlreichen 
Abbildungen  ausgestattet,  von  Hassert  eingeliend  in  der 
Zeitschrift    des  d.  u.  ö.  Alpenvereins    Bd.  23    (1892)    be- 

schrielien  worden. 

3)  Einen  durchaus  an- 
ders gearteten  Charakter  hat 
naturgemäss  die  Niederung 
des  Skutarisees,  welchem 
Hassert  ebenfalls  eingehende 
Aufmerksamkeit  gewidmet  hat 
(Fig.  3).  Namentlich  verdienen 
die  zahlreichen 
mit 

von  E.  Richter  und  W.  Ule 
eonstruirten  Apparat  Aner- 
kennung, sie  ermöglichten  es, 
eine  Tiefenkarte  des  im 
Ganzen  sehr  flachen  See- 
beckens zu  entwerfen.  (Vgl. 
„Globus"  18U2.)  Auf  d^er 
Westseite  fällt  das  Küsten- 
geliirge  ziemlich  unvermittelt 
all,  hingegen  ist  das  Ostufer 
so  flach,  dass  die  Niederung 
am  Fasse  der  Albanesischen 
Alpen  kaum  30  m  höher  liegt 
als  am  See.  Dieser  stellt 
eine  in  ihren  tiefsten  Theilen 
unter  Wasser  gesetzte  Nie- 
derung dar,  etwa  von  der 
Grösse  des  Garda-Sees.  Seine 
Entstehungsgeschichte  hat  H. 
in  der  oben  angeführten, 
leicht  zugänglichen  Arbeit  näher  erörtert.  Schier  uner- 
seliö])flich  ist  der  Fisclireichthuni  dieses  Sees,  welcher 
andererseits  die  weite  fruchtbare  Ebene  durch  lang  an- 
dauernde Ueberschwcmmungen  mit  lästigen  Fiebern  heim- 
sucht. Die  Ufergegenden  bilden  bis  zxun  Fuss  der  Alba- 
nesischen   Alpen  mit    der    Bojaua  -  Niederung    die    Korn- 


Lothungen 


einem  nach  den  Angaben 


kammer  Montenegros.     Mit  der 


beabsichtigten 


Regulirung 


Nr.  26. 


Naturwisseiiscliaftliche  Wochenschrift. 


■259 


der  I^dj'aua    wird    sich    die  Fruchtbarkeit    noch    sclir  be- 
deutend steigern. 

Jetzt  bildet  namentlicli  das  Thal  des  Omnica  im 
NW.  des  Sees  eine  überaus  fruchtbare  Niederung;  sie 
ist  in  der  Tliat  der  Garten  M(uitenegros.  „Unter  einem 
Ilinnnelsstriclic,  der  keine  Winter  kennt,  wechseln  präcli- 
tige  Weinberge  mit  Laubwäldern,  Feigenhainen  und 
edlen  Obstbäumen  ab,  im  hohen  (irase  der  Wiesen  weiden 
strotzende  Heerden  und  auf  den  sorgsam  cultivirten  Aeckern 
gedeihen  alle  Getreidearten  in  üppiger  Fülle."  Der  Con- 
trast  mit  dem  armen  Hochlande,  wo  jedes  culturtahige 
Fleckchen  in  den  weiteren  Tdljen,  wie  in  den  zahllosen 
Dolincn  benutzt  werden  nniss,  ist  in  der  That  ein  uuge- 
heurt'r  und  wirft  ein  milderndes  Licht  auf  die  erbitterten 
Raubzüge,  welche  früher  so  häutig  von  den  armen,  einem 


harten  Daseinskampf  ausgesetzten  Bewohnern  der  monte- 
negrinischen Berge  gegen  die  fruchtbaren  Getildc  um  den 
Skutarisee  ausgeübt  wurden.  Es  würde  hier  zu  weit 
führen,  auch  auf  die  heutigen  Bewohner,  wie  sie  Hassert 
durch  monatehingen  Verkehr  mehr  und  mehr  kennen  und 
sciiätzeu  lernte,  näher  einzugehen.  Allenthalben  zeigen 
sich,  wie  in  l>osnien  und  der  Herzegowina,  so  auch  in 
Montenegro  die  Segnungen  geordneter  Verhältnisse,  seit- 
dem die  furchtbaren  Kämpfe  mit  den  Türken  aufgehört 
haben;  die  früher  als  Hannneldiebe  und  Nasenabschneider 
verrufenen  Montenegriner  sind  durch  ihre  jetzige  tüchtige 
Regierung  mehr  und  mehr  der  sich  ausbreitenden  Segnungen 
der  Civilisation  theiliiaftig  geworden,  so  dass  der  Gelehrte 
.jetzt  hier  zwar  nicht  bequem,  aber  doch  sicher  reisen 
kann.  Fr.  Regel. 


Von  all  den  in  neuerer  Zeit  lebhaft  empfohlenen 
künstlichen  Näliniiittelii  sciieint  das  Aleuronat  das  ein- 
zig werthvolle  zu  sein,  da  es  sich  inmier  weiteren  An- 
wendungskreis erobert.  Das  Aleuronat  ist  ein  Präparat 
aus  Weizeneiweiss,  das  von  Dr.  Job.  Hundhausen  in 
Hanmi  in  Westfalen  erfunden  und  neuerdings  zur  Her- 
stellung der  verschiedensten  Nahrungsmittel  verwerthet 
wird.  So  thcilt  z.  B.  Dr.  Ebstein  (Göttingen)  in  der 
Deutschen  Medieinischen  Wochenschrift  Vorschriften  zur 
Herstellung  eines  eiweissreichen  Brotes  aus  Aleuronat  mit, 
die  für  die  weitesten  Kreise  Beachtung  verdienen,  da  sie 
eine  billige  und  dabei  kräftige  Volksernäln-ungsweise 
in  Aussicht  stellen.  Der  Werth  dieses  Aleuronatbrotes 
liegt  hauptsächlich  darin,  dass  es  sich  jede  Hausfrau  im 
eigenen  Hause  unschwer  selbst  bereiten  kann.  Das  Aleu- 
ronat ist  ein  feines  Mehl,  das  sehr  dauerhaft  und  haltbar 
ist,  wenn  es  trocken  aufbewahrt  wird.  Es  wird  durch 
Wärme  nicht  zersetzt,  verdirbt  nicht  durch  den  Transport 
und  dergleichen  mehr.  Dr.  Ebstein  sagt:  „Der  Preis  des 
Aleuronats  ist  mit  Rücksicht  auf  seinen  Reichthum  an 
Eliweisssubstanz  (mindestens  8Ö  pCt.  der  Trockensubstanz) 
ein  überaus  billiger.  Das  Aleuronat  ist  thatsäehlich  das 
weitaus  billigste  Ei  weiss."  Es  bietet  erwiesenermaassen 
den  gleichen  Nährwerth  wie  das  in  der  thierischeu  Nah- 
rung, im  Fleisch,  den  Eiern,  der  Jlilch  u.  s.  w.  enthaltene 
Eiweiss.  Man  kann  durch  Zuthun  von  Aleuronat  den 
Nährwerth  der  Kartoffeln-,  Mehlsup])en  u.  dgl.  wesentlich 
erhöhen ;  die  Speisen  werden  durch  diesen  Zusatz  zugleich 
aber  auch  bekönnulicher,  Milch  mit  Zusatz  von  Aleuronat 
—  ein  Esslöffel  auf  '/4  Liter  —  hält  sich  sehr  gut.  Auch 
als  Zusatz  und  Geschniackscorrigens  kann  Aleuronat  zu 
Bouillon,  Saucen,  Cacao,  Gemüse  u.  dgl.  gebraucht  werden. 
Das  Aleuronat,  das  durch  Abkochen  ganz  rein  wird, 
kounnt  in  verschiedenen  Formen  in  den  Handel,  am  besten 
soll  das  feingestäubte  Aleuronat  sein.  Zum  Backen  von 
Brot  ist  indess  das  gröbere  mehr  geeignet.  Um  tadelloses 
Aleuronatbrot  zu  erzielen,  ist  nothwendig :  erstens  die  pein- 
lichste Sauberkeit  und  Reiulieit  aller  zum  Backen  er- 
forderlichen Ingredienzien  und  Utensilien,  zweitens  eine 
Hefe  mit  guter  Triebkraft,  und  drittens  ein  genaues  Ein- 
halten der  Itei  den  einzelnen  Vorschriften  angegebenen 
Flüssigkeitsmenge.  Das  Backen  kann  in  dem  Backofen 
jedes  zweckmässig  eingerichteten  Kochherdes  geschehen. 
Selbst  unter  Berücksichtigung  der  etwa  geringeren  Aus- 
nutzung des  Ptlanzeneiweiss  im  Brot  im  Vergleicii  zu  dem 
PHauzeneiweiss  im  freien  Zustanile  würden  etwa  400  bis 
500  Gramm  eines  Aleuronatbrotes  genügen,  wenn  es 
darauf  ankäme,  den  Eiweissbedarf  eines  Erwachsenen 
lediglich  durch  Pflanzeneiweiss  zu  decken.  Zur  Herstellung 
eines  etwa  30  pCU.  Eiweiss  in  seiner  Trockensubstanz 
enthaltenen   Brotes    würden    1  Gewichtsantheil   Aleuronat 


und  3  Gewichtsantheile  Weizen-  oder  Roggenmehl  er- 
forderlich sein.  Prof  Dr.  Ebstein  gie))t  nun  speciell  drei 
Vorschriften  zur  Herstellung  von  Weizenbrot,  das  27,5  pCt. 
bezüglich  50  pCt.  Eiweiss  in  seiner  Trockensubstanz  ent- 
hält, sowie  von  Roggenbrot  mit  ersterem  Inhalt.  Nur  bei 
dem  50-procentigen  eiweisshaltigen  Brote  muss  das  Ver- 
hältniss  des  Aleuronats  zum  Weizenmehl  1  zu  1  sein,  sonst 
ist  es  in  der  Regel  1  zu  4.  Wir  geben  die  erste  Vor- 
schrift hiermit  wieder:  600  Gramm  Weizenmehl,  150  Gramm 
Aleuronat,  20  Gramm  Hefe,  Vo  Liter  Milch,  5'/2  Gramm 
Kochsalz  und  1  Gramm  Zucker.  Di-.  Ebstein's  Vorschriften 
gelten  nur  für  den  Hausgcl)raueh  und  werden  für  Bäckereien 
wohl  entsprechende  Modificationen  erfahren  müssen.  Das 
Aleuronatbrot  hat  nach  Dr.  Elisteiu  stets  einen  normalen 
Feuchtigkeitsgehalt,  ist  locker,  porfis,  nicht  bröckelig, 
zeigt  keine  Loslösung  der  Kruste  u.  s.  w.,  freilich  muss 
man  aber  auch  das  Backen  von  Aleuronatbrot  erst  lernen. 
Der  angenehme  Geschmack  macht  denGenuss  auch  dauernd 
möglich.  Dr.  A. 


Zur  Oescliichte  des  Walfaiiares.  —  In  den  Annalen 
der  Hydrographie,  1893,  Heft  2,  berichtet  Capt.  Fr.  Hege- 
mann über  den  Walfang  im  Stillen  Oceau  und  nördlich 
der  Beringstrasse  während  der  60-er  Jahre.  Wir  ent- 
nehmen diesem  Bericht  die  folgenden  Angalien:  In  den 
vierziger  und  noch  im  Anfang  der  fünfziger  Jahre  ting 
man  im  Stillen  Ocean  und  zwar  an  der  Küste  von  Neu- 
seeland, bei  den  japanischen  Inseln  bis  zur  Küste  von 
Kadiak (Alaska)  den  Sf>gen.  Right  Wale;  viel  weniger  betrieb 
man  den  Fang  des  Pottwales.  Die  meisten  Schifte  blieben 
bis  zur  Eri)eutung  einer  vollen  Ladung  Thran  und  l''isch- 
beiu  von  Hause  fort,  meist  3 — 4  Jahre,  und  wurden  daher 
für  diese  Zeit  mit  Dauerpro\iaut  und  Fanggeräthen  ver- 
sehen; Ergänzungen  beschaffte  man  in  Hobbertown  (Tas- 
manien) und  Honolulu,  Erfrischungen  boten  fast  alle  Inseln 
der  Südsee,  besonders  Neuseeland,  die  Gcsellschafts-  und 
Bonin-Inseln,  oder  auch  der  sehr  lielielite  Hafen  von  Talca- 
huano  im  südlichen  Chile. 

In  den  fünfziger  Jahren  trat,  zuerst  allmählich,  später 
rascher,  an  die  Stelle  des  Right-Wale-Fanges  dei;jenige 
des  Bowheads  oder  Polarwals  im  üchotskisehen,  Bering- 
oder Polarmeere  nördlich  der  Bering-Strasse,  sowie  in  der 
letzteren  selbst.  In  den  sechziger  Jahren  wurde  nur  noch 
gelegentlich  ein  Right  Wale  gefangen;  llegemann  be- 
kam in  dieser  ganzen  Zeit  überhaupt  nur  einige  dieser 
Thiere  in  der  Südsee  zu  Gesieht. 

Derselbe  befand  sich  von  1860 — 1868  im  Dienst  der 
Oldenburgischen  Aktiengesellschaft  Visurgis,  welche  fünf 
Schiffe  zum  Walfang  ausrüstete.  Von  Honolulu  wurde 
alljährlich  der  Faugertrag  nach  Bremen  befördert.     Hono- 


260 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  26. 


luhi  war  damals  der  Sammelplat/,  der  Waler  (meist  Ameri- 
kaner), zeitweise  lag  der  Hafeu  gedrängt  voll  von  Schiflen, 
welche  Ende  October  bis  Ende  November  einliefen,  um 
ihn  Ende  December  oder  Anfang  Januar  wieder  zu  ver- 
lassen zur  Jagd  auf  den  Pottwal  oder  auch  in  geringerer 
Zahl,  um  den  kalifornischen  Wal,  den  sogen.  Grayback 
oder  Teufelfisch,  in  der  Margarethen-Bai  von  ünterkali- 
fornien  zu  fangen,  in  welcher  diese  Thiere  ihre  Jungen 
zu  werfen  pflegten;  im  April  kamen  dann  die  Schiffe  von 
der  Margarethen-Bai  nach  Honolulu  zurück,  um  bald  darauf 
nach  dem  Norden  zu  fahren. 

Als  guter  Durchschnittsfang  während  der  Sommermonate 
in  den  nordischen  Gewässern  galten  damals  10  Bowheads; 
dieselben  lieferten  etwa  lOOÖ  Barrel  Thran  und  16  000 
Pfund  Fischbein  (1  Barrel  =  30  Gallonen  oder  113,5  Ltr.); 
1868  kostete  in  Bremen  der  Barrel  Thran  nach  jetzigem 
Geld  68,75  Mark  und  das  Pfund  Fischbein  3,60  Mark. 

Der  grösste  Pottwal  aus  jener  Zeit,  welchen  Hege- 
mann, und  zwar  bei  den  Bonin-Inseln,  mit  erbeutete, 
lieferte  90  Barrel  Thran,  der  grösste  Bowhead  160  Barrel 
Thran  und  2500  Pfund  Barten. 

Nach  und  nach  wurden  die  Wale  immer  mehr  aus 
dem  offenen  Polarmeer  nördlich  der  Beringstrasse  und 
den  angrenzenden  Gewässern  verscheucht  und  zogen  sich 
nach  Norden  zurück,  wohin  die  Segelschirte  ihnen  nicht 
folgen  konnten;  erst  sjjät  im  Herbst,  wenn  sich  junges 
Eis  bildete,  zogen  die  Wale  wieder  nach  Süden  und  ver- 
anlassten so  die  Schifte  zu  einem  immer  längeren  Ver- 
bleiben im  Polarmecre.  1860  vcrliess  z.  B.  Hegemann 
dasselbe  Mitte  September,  1868  passirtc  er  die  Bering- 
strasse erst  am  23.  October.  Das  von  ihm  geführte  Schiff 
Julian  war  das  letzte,  welches  unter  deutscher  Flagge 
von  Honolulu  aus  für  den  Walfang  Verwendung  ge- 
funden hat. 

Damals  jagte  man  den  Finnwal,  der  jetzt  in  so  grosser 
Anzahl  an  der  Nordküste  von  Norwegen  gefangen  wird, 
nur  selten,  weil  er  sich  nur  ganz  kurz  an  der  Meeres- 
oberfläche zeigt,  seine  Erlegung  daher  vielmehr  vom  Zu- 
fall abhängt,  besonders  aber,  weil  er  im  Vergleich  zu 
den  Pott-  und  Polarvvalen  einen  geringen  Werth  hatte. 

Man  wandte  sich  auf  den  Sandwichinseln  neuerdings, 
als  der  Walfischfang  mehr  und  mehr  zurückging,  dem 
Plantagcnbau  zu,  und  es  wurde  nunmehr  der  Hafen  von 
San  Francisco  der  Sammelplatz  der  erheblich  verkleinerten 
nordischen  Fischerflotte,  deren  Betrieb  unter  Einstellung 
von  Dampfern  mit  grosser  Zähigkeit  und  Kühnheit  fort- 
geführt wurde.  Neuerdings  sind  die  amerikanischen  Wal- 
fisehfänger  immer  weiter  in  das  Polarmeer  vorgedrungen 
und  haben,  wie  wir  einer  anderen  Mittheilung  derselben 
Zeitschrift  entnehmen  (a.  a.  0.  S.  63  und  64),  jenseit  von 
Point  Bassow  neue  Jagdgebiete  auszubeuten  begonnen: 
diese  Fischerei  in  neuem  Gebiet  hat  mit  einem  überaus 
reichen  Erfolg  der  Fangdampfer  Mary  D.  Hume  mit  einer 
Tragfähigkeit  von  nur  SB  Tf)nnen  Netto  soeben  eröffnet; 
nach  27.;;  jähriger  Abwesenheit  kehrte  das  Schiff  am 
1.  October  vorigen  Jahres  nach  San  Francisco  zurück 
mit  einem  Gcsammtergcbniss  von  104  600  Pfund  Barten 
im  Wcrthc  von  630  000  Dollar  ((■)4  600  Pfund  waren  be- 
reits in  verschiedenen  Schiffen  vorausgesandt  worden, 
40  000  Pfund  brachte  das  genannte  Schiff  selbst  zurück). 
Die  erste  Ueberwinterung  (1890/91)  hatte  auf  der  Herschel- 
Insel  (139  W-Lg.)  stattgefunden,  die  zweite  (1891/92)  an 
der  Mündung  des  Mackenzie-Stromes  (!).  Den  eben  ver- 
gangenen AVinter  1892,93  haben  noch  4  Schiffe  am 
Mackenzie  zugebracht.  Der  gesammte  Thranertrag  der 
getödteten  Wale  (etwa  5000  Barrels)  ist  in  ersterem  Fall 
aus  Mangel  an  Tonnen  und  Arbeitskräften  unbenutzt  ge- 
lilii'bcn.  Fr.  Regel. 


auf. 


Mündung 


Ueber  das  Auftreten  der  Oceaii-Sardine  im  Jahre 
1890  berichtet  G.  Pouchet  in  den  Comptes  ßendus  de 
1891,  (Bd.  113).  Die  grossen  Sardinen- 
der  atlantischen  Küste  Frankreichs  nur  in 
welches  sich  von  Les  Sables  (nord- 
der  Sevre  Niortaise)  im  Süden, 
Belle  Ile,  Quiberon,  Concarneau  bis 
Douarncncz  (Bretagne)  im  Norden  erstreckt.  Sie  er- 
scheinen in  diesem  Räume  jedoch  nicht  zu  gleicher  Zeit, 
sondern  zuerst  im  Süden  und  schreiten  von  dort  aus  un- 
gefähr im  Laufe  eines  Monats  bis  zum  Norden  vor. 
Regelmässig  beginnt  der  Fang  bei  Les  Sables  am  10., 
bei  Belle  Ile   und  Quiberon   am  25.,    bei  Concarneau  am 


l'Ac.   des  Sc., 
Züge  treten  an 
einem  Gebiete 
westlieh    de 
über  die  Ile  d'Vcu 


Concarneau 
und  endet 
September, 


bei 
bei 


30.  Mai,  bei  Douarnenez  am  13.  Juni 
Saint-Gilles  und  der  Ile  d'Yeu  am  18. 
Les  Sables  am  25.  September,  bei  Croisie  am  11.  October 
und  bei  Douarnenez  am  30.  October.  In  der  Zusammen- 
setzung weichen  die  frühen  Sardinenzüge  von  den  späteren 
ab,  indem  die  ersteren  aus  gleicli  grossen  oder  annähernd 
solchen,  die  letzteren  dagegen  (in  der  Regel  gegen  Ende 
der  Saison)  aus  Individuen  verschiedener  Grösse  und  ver- 
schiedenen Alters  bestehen,  und  zum  Schlüsse  Scharen 
viel  kleinerer  Fische  auftreten.  —  Das  Jahr  1890  brachte 
hiervon  ganz  abweichende  Ersclieinungen.  Im  südlichen 
Theile  des  Gebietes,  zwischen  der  Ile  d'Yeu  und  Les 
Sables,   fehlten  <lie  Züge  gleich  grosser  Fische  ganz  und 

Monate 


es  erschienen  dort  von  Anfang  an, 
Mai,  Juni   und  Juli,    gleich   solche 


während   der 
aus    ungleich  grossen 
Die  kleinere  Sardine 


und    Port-Louis    in    der 


und  ungleich  altcrigen  bestehende, 
zeigte  sich  bei  Etel,  Quiberon 
dritten  Scptemberwoehe;  bei  Les  Sables  traten  Scharen 
ganz  kleiner  Fische  schon  nach  dem  15.  August  auf  und 
verblieben  dort  mehrere  Wochen.  In  Folge  dieses  ab- 
weichenden Verhaltens  verlängerte  sich  die  Fang-Saison 
im  Süden  und  endete,  entgegen  früheren  Jahren,  erst  zu 
derselben  Zeit,  wie  im  Norden.  —  Die  bis  zum  Jahre 
1885  reichenden  Untersuchungen  über  das  Auftreten 
und  Verschwinden  der  Sardinenzüge  haben  die  Regel- 
mässigkeit derselben  bestätigt.  Interessant  ist  es,  dass 
ihr  Verhalten  im  Gegensatze  zu  dea  herrschenden  Tempe- 
raturen des  Oceans  an  den  französischen  Küsten  während 
der  betrett'cnden  Monate  zu  stehen  sciieint.  —  Dem  Ver- 
fasser ist  es  trotz  aller  Mühe  nicht  gelungen,  frei  schwim- 
mende Sardineneier  zu  erlangen,  wie  solche  Raflfaele  und 
nach  ihm  Cunningham  und  Marion  gefunden  zu  haben 
glaul)ten.  Er  weist  am  Schlüsse  seiner  sehr  interessanten 
Abhandlung  auf  wesentliche  Unterschiede  zwischen  den 
von  ihm  untersuchten  Sardinen-Eiern  und  jenen  dafür  an- 
gesproclienen  der  genannten  Forseher  hin,  wonach  es  auch 
uns  höchst  zweifelhaft  erscheint,  dass  letztere  die 


gefunden  haben. 


ichtigen 


Ueber  Elinsfeuerbeobaclituni^eii  auf  dem  Soiiiiblick 

veröftentlichen  J.  Elster  und  H.  Geitel  in  den  Sitzungs- 
berichten der  Wiener  Akademie  (Band  101,  Abtheilung  IIa) 
eine  längere  Arbeit,  aus  welcher  wir  das  Folgende  mit- 
theilen. Das  verarbeitete  Beobachtungsmaterial  wurde 
auf  Veranlassung  der  Verfasser  von  Peter  Lechner,  dem 
Observator  der  Station  auf  dem  Sonnblick,  dort  von  Juli 
1890    bis  Juni   1892   gesammelt.      Obwohl   ständiger  Be- 


reiter 


Gewittern,  ist  das  Elmsfeuer  doch  nicht  daran 


gebunden  und  tritt  auch  mitten  im  Winter  bei  schwachem 
Staubsehneefall  auf;  dagegen  steht  es  in  engem  Zusammen- 
hange mit  den  Niederschlägen.  Scheint  hiervon  einmal 
eine  Ausnahme  einzutreten,  so  ist  entweder  ein  Nieder- 
schlagsgebiet im  Anzüge,  und  das  Elmsfeuer  tritt  nur 
früher  auf,  oder  ein  Niedcrschlagsgebiet  ist  im  Abzüge 
begriffen  und  das  Elmsfeuer  hält  länger   an  (im  ersteren 


Nr.  26. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


261 


Falle  Vorläufer,  im  letzteren  ^'erl;in,:;crung  des  Nieder- 
schlages). ISci  völlig-  heiterem  lliinniel  ist  kein  Elmsfeuer 
beohachtet  worden.  Das  Vorzeichen  (i)ositiv  oder  negativ) 
der  Elmsfencrelcktricität  wechselt  oft,  stets  bei  Hlitzent- 
ladungen,  bleibt  dagegen  an  Tagen  ohne  allen  Gewitter- 
Charakter  bisweilen  constant.  Von  November  liis  Februar 
ist  sie  vorwiegend  negativ,  von  März  bis  Sejitember  positiv; 
bei  grossflockigem  Schnee  durchgehend  ])ositiv,  bei  Stanb- 
schneefall  meist  negativ.  Richtung  und  Stärke  des  Windes 
scheinen  ohne  EiuHuss  auf  die  Intensität  des  F^lnisfeuers 
zu  sein.  Die  Farbe  der  Blitze  hat  sich  für  den  Sonnblick 
als  im  Znsannnenhange  mit  dem  Vorzeichen  der  Elms- 
feuerelektricität  stehend  erwiesen,  indem  es  bei  bläulicher 
negativ,  bei  röthlicher  i)ositiv  war.  Endlich  scheint  der 
geringe  Atmosidiäreudruck  (Vg)  auf  dem  Sounblick  das 
Auftreten  des  Elmsfeuers  zu  begünstigen. 


Anfstei!;:eiider  Meteor.  —  Zu  einem  merkwürdigen 
Resultat  ist  Prof  von  Niessl  bei  der  Bahnbestimmung 
eines  am  7.  Juli  1892  in  einem  sehr  weiten  Gebiete 
Oesterreichs  und  Italiens  gesehenen  Meteors  gelangt.  Es 
zeigte  sich  nämlich  auf's  unzweifelhafteste,  dass  der  Lauf 
dieses  Jleteors  zuletzt  ein  aufsteigender  war,  indem  er 
bei  einer  Balndänge  von  etwallOUkm  von  der  grössten 
Erdnähe  (68  km  über  der  Erdoberfläche)  wieder  bis  auf 
ir)8  km  emporstieg,  ehe  das  Verlöschen  eintrat.  Damit 
ist  zum  ersten  Mal  das  Vorkommen  aufsteigender  Meteor- 
bahnen sicher  gestellt  und  es  ist  nicht  unmöglich,  dass  ein 
Theil  der  meteorischen  Massen  die  Erdatmosphäre  wieder 
verlassen  und  in  einer  durch  die  Erdanziehung  nur  wenig 
gestörten  hyperbolischen  Bahn  seineu  Lauf  um  die  Sonne 
fortgesetzt  haben  mag.  Kbr. 


lieber  Pliotograpliie  kleiner  Planeten  nnd  Steni- 
sclinuppen  spricht  sich  Herr  Max  Wolf,  dem  die  Wissen- 
sciiaft  auf  diesem  Gebiete  bekanntlich  die  grösstc  F(irde- 
rung  verdankt,  im  Journal  of  tlie  British  Astrouomical 
Association  (vol  III,  No.  1)  eingehender  aus.  Bei  dem 
ausserordentlichen  Interesse,  welches  die  so  sehr  verdienst- 
vollen Arbeiten  des  Heidelberger  Professors  darbieten, 
nu'ige  hier  kurz  auf  W. 's  Auseinandersetzungen  eingegangen 
werden. 

Herr  Wolf  hat  im  April  1890  damit  begonnen,  die 
kleinen  Planeten  zu  photographiren,  wobei  er  ein  Objectiv 
von  U"',162  Oett'uung  und  2"',62  Brennweite,  ferner  eine 
aplanatische  Linie  von  0"\06  Oeflfnung  und  0™,44  Brenn- 
weite anwandte.  Er  ging  damals  in  erster  Linie  darauf 
aus,  einige  verloren  gegangene  kleine  Planeten  zu  suchen, 
nnd  machte  zunächst  zehn  Aufnahmen  mit  langer  Ex- 
positionsdauer. Ein  Erfolg  blieb  erst  aus,  da  die  er- 
wähnte Linsenzusammenstellung  sich  als  ganz  ungünstig 
erwies:  die  Brennweite  der  ersten  war  zu  gross,  die  Öeff- 
nung  der  zweiten  zu  klein.  Herr  AVolf  weist  bei  diesem 
Anlasse  darauf  hin,  wie  man  lieim  Photograpiiiren  der 
kleinen  Planeten  darauf  aclitcn  ninss,  dass  die  Helligkeit 
des  Bildes  auf  der  Platte  dieselbe  ist  wie  diejenige  des 
Bildes  eines  Fixsternes  von  gleicher  Helligkeit,  also  direct 
proportional  der  Objectivöftnung;  und  dass  ferner  der 
Planet  (wegen  seiner  Bewegung  während  der  Aufnahme- 
zeit)  unter  den  [linkten,  als  welche  sich  die  Bilder  der 
Fixsterne  darstellen,  sieh  niarkiren  wird  durch  eine  Linie, 
deren  Intensität  umgekehrt  jiroportional  ist  der  ange- 
wandten Brennweite. 

Unter  Beachtung  dieser  Thafsaehen  hat  Herr  Wolf 
dann  im  November  1891  die  Photographie  kleiner  Planeten 
wieder  aufgeiHunnien,  jetzt  unter  \>rwcndung  einer 
aplanatischen    Linie    von    U"',lo  Üeß'nung.     Nachdem    es 


durch  einige  Versuche  dahin  gebracht  war,  dass  die 
Platten  immer  richtig  sich  im  Brennpunkt  befanden,  hatte 
der  Heidelberger  Astronom  am  22.  December  1891  das 
Glück,  den  Fachgenossen  die  Mittheilung  machen  zu 
können,  dass  die  erste  photographische  Entdeckung 
eines  neuen  Planeten  gelungen  sei. 

Seitdem  hat  er  noch  eine  grosse  Anzahl  kleiner  Pla- 
neten |)hotographirt  und  so  z.  B.  vom  28.  November  1891 
bis  25.  Ajiril  lS',t2  im  Ganzen  125  verschiedene  Positionen 
von  58  kleineu  Planeten  fixirt,  worunter  sieh  nicht  weniger 
als  17   Neuentdeckungen  finden. 

Die  genaue  Positionsbestinnnung  der  photographirten 
Planeten  geschieht  dadurch,  dass  man  die  Mitte  des 
Lichtstreifcliens,  welches  der  Planet  auf  der  Platte  ent- 
worfen hat,  an  die  benachbarten,  stets  in  au.sreiehender 
Menge  auf  der  Platte  vorhandenen,  bekannten  Fixsterne 
anschliesst.  Es  lässt  sich  das  cinfacii  genug  mit  einem 
ndkrometriseh  eingerichteten  Mikroskop  machen. 

Von  den  Sternschnuppenaufnahmen  Wolf 's  ist  nament- 
lich die  vom  25.  September  1892  bemerkenswerth.  Sie 
zeigt  drei  nach  dem  Gentrum  der  Platte  convergirende 
Bahnlinien.  Die  von  Herrn  Wolf  ausgesprochene  Hoff- 
nung, dass  es  schon  jetzt  ohne  zu  grosse  Schwierigkeiten 
möglich  sein  werde,  die  Radianten  der  einzelnen  Stern- 
schnuppenscliwärme  (wenigstens  diejenigen,  bei  denen  die 
sichtbaren  Tlieile  der  einzelnen  Baimen  nicht  allzu  weit 
auseinander  gehen)  in  dieser  Weise  photographisch  genau 
zu  bestinnnen,  ist  eine  wohl  berechtigte  und  dürfte  zur 
Stunde  M'ohl  auch  schon  für  diesen  oder  jenen  Einzelfall 
erledigt  sein.  Grs. 

Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben. 

Es  wurden  ernannt:  Der  Privatilocent  für  (iynäkologie  und 
Geburtshilfe  Mano  Gutli  —  und  der  Privatdocent  für  Geburtshilfe 
Gabor  Engel  zu  ausserordentlichen  Professoren  an  der  Uni- 
versität Ivlausenbnrg.  —  Der  Privatdocent  der  Botanik  Dr.  Fische  r 
zum  ausserordentlichen  Professor  an  der  Universität  Bern.  — 
Privatdocent  Dr.  Wilhelm  Kochs  zum  Professor  in  der  medi- 
cinischen  Facultät  der  Universität  Bonn.  —  Dr.  Karl  Heider 
zum  ausserordentlichen  Professor  der  Zoologie  an  di>r  Universität 
Berlin.  —  Der  Professor  der  Uhrenheilkunde  J.  K.  A.  Lucac 
zum  Geheimen  Medicinalratii  in  Berlin.  —  Dr.  (I.  Bujwid,  Vor- 
steher des  hygienischen  Ijaboratoriunis  in  Warscliau,  zum  ausser- 
ordentlichen Professor  iler  Hygiene  an  der  Universität  Krakau.  — 
Privatdocent  für  innere  Medicin  an  der  Universität  Prag  Dr. 
liitter  von  Limbeck  —  und  Privatdocent  für  innere  Medicin 
Dr.  J.  Pabl  zu  ordinirten  Aerzten  und  Abtheilungs- Vorständen 
an  den  Wiener  k.  k.  Ivrankenanstalten  —  Dr.  Richard  Ivretz 
zum  Prosector  an  der  Universität  Wien.  —  Der  (.)rdinator  des 
Ssemenow'sclien  Alexanderhospitals  in  St.  Petersburg  Dr.  W.  W. 
M  a  X  i  ni  o  w  zum  ausserordentlichen  Professorfür  operative  Chirurgie 
unil  chirurgische  Anatomie  an  der  Universität  Warschau.  —  Der 
f^rivatdocent  Dr.  Oscar  Israel,  erster  Assistent  am  pathologischen 
Institut   der  Universität  Berlin,  zum  ausserordentlichen  Professor. 

Es  haben  sich  habilitirt:  Dr.  Konrad  Zindler  für  synth. 
Geometrie  an  der  Universität  Graz.  —  Dr.  Karl  Diener  für 
Geologie  an  der  Universität  Wien.  —  Dr.  Hans  Ijohmann  für 
Zoologie  an  der  Universität  Kiel.  —  Der  Prosector  Dr.  Rudolf 
Benecke  für  patliologische  Anatomie  und  allgemeine  Pathologie 
an  der  Universität  Göttingen.  —  Dr.  J\.nopf  für  Astronomie  an 
der  Universität  Jena.  —  Dr.  Hammerschlag  für  innere  Medi- 
cin —  und  Dr.  Heida  für  Hygiene  an  der  Universität  Wien. 

Geh.  Hofrath  W.  Erb,  I^rofessor  der  speciellen  Pathologie 
und  Therapie  in  Heidelberg,    hat   den  Ruf  nach  Wien  abgelehnt. 

Dr.  Karl  Ritter  von  Kofista,  ordentlicher  Professor  der 
Geodäsie  an  der  Universität  Prag,  ist  in  den  Ruhestand  getreten. 

Es  sind  gestorben:  Dr.  Robertson,  Councillor  der  Univer- 
sität und  Docent  an  der  medicinischen  Schule  in  Melbourne.  — 
Professor  Peter  in  Paris,  bekannt  als  hartnäckiger  Gegner  der 
Pasteur'scheu  und  Koch'schen  Infections-Theorie.  —  Der  Adjuuct 
der  Mathematik  an  der  Universität  Lund  E.  W.  von  Zeipel.  — 
J.  M.  F.  Bigot,  bedeutender  Dipteren-Forscher,  auf  seiniMu  Land- 
sitze Petit  -  tiuincy,  Dep.  Seine  et  Oise.  —  P.  P.  Schalfejew, 
Conservator  am  zoologischen  Museum  der  Akademie  der  Wissen- 
schaften in  St.  Petersburg.  —  Der  als  Lepidopterologe  bekannte 
Kunsthändler  E.  (i.  Honrath  in  Lichterfiddi'  bii  Berlin.  —  Der 
Oberlehrer  Prof.  Dr.  Friedrich  Marthe,    laugjähriges   Mitglied 


262 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  20,. 


dex- Gesellschaft  für  Erdkunde  und  eifriger  Geograph,  in  Friedenau 
bei  Berlin.  —  Der  königl.  Hof  -  Gartonbaiidirector  Joh.  Beruh. 
Ferd.  .Jiihlke  in  Potsdam.  —  Der  königl.  Oberhofgiirtner  a.  D. 
Emil  Sello.  —  Der  Lector  der  Mathematik  Abraham  Rund- 
bäck  in  We.\iö  (Schweden).  —  Dr.  Jakob  Fr  oh  seh  am  m  er, 
Professor  der  Philosophie  an  der  Universität  München,  in  Tegern- 
see.  —  Der  Wirkl.  Staatsrath  Alexander  Koslow,  Profe.ssor 
für  Gynäkologie  und  Geburtshilfe,  in  Kasan.  —  Der  Universitäts- 
Professor  und  General-Inspeetor  der  Civilingenieursehule  Belgiens 
Emanuel  Bondin  in  Gent. 

Ein  Internationaler  Botaniker-Congress  findet  während  der 
Culunibiani.schen  Weltuii.sstelhuig  in  Chicago  daselbst  im  August 
statt.     Mittheilungen  nimmt  Prof.  C.  E.  Berrey  entgegen. 


Zu  einem  Internationalen  Chemiker  -  Congress,  welcher  ge- 
legentlich der  Weltansstellung  in  Chicago  im  Laufe  des  August 
abgehalten  werden  soll,  ladet  die  American  Chemical  Society  ein. 
Der  Congress  wird  in  10  Sectionen  getheilt:  Agriculturchemie; 
analytische  Chemie;  didaktische  Chemie;  historische  Chemie  und 
Bibliographie;  anorganische  Chemie;  organische  Chemie;  physi- 
kalische Chemie;  physiologische  Chemie;  Gesundheitswesen;  tech- 
nische Chemie.  Auskunft  ortheilt  J.  H.  Long,  VVorld's  Congress 
Auxiliary  Chicago. 

Die  freie  Vereinigung  der  Vertreter  für  angewandte  Chemie 
in  Bayern  hält  ihri>  diesjährige  Jahresversanunhing  in  Lindau  am 
31.  Juli  und   1.  August  ab. 


Eine  Gesellschaftsreise  nach  Norwegen  und  Spitzbergen 
wird  aucli  in  diesem  Jahr«',  und  zwar  vom  1. — ul.  August  xun 
Capt.  W.  Bade-Wisniar  veranstaltet  werden. 


Fortbildungskurse  an  der  TJniversität  Jena  für  Lehrer 
Deutschlands,  Oesterreichs  und  der  Schweiz.  —  Es  wird  beab- 
sichtigt, wie  in  früheren  Jahren,  an  der  Universität  Jena  vom 
3.  — 17.  August  zweiwöchentliche  Kurse,  welche  für  academisch 
gebildete  Lehrer  und  Lehrer  an  Seminaren  bemessen  sind,  abzu- 
halten. —  Die  Themata  der  Kurse  sind:  Moderne  ])hysika]ische 
Demonstrationen  (Prof.  Auerbach),  Bau  und  Leben  der  Pflanzen 
(Prof.  Detmer).  Anleitung  zu  botanisch-mikroskopischen  Ai-bciten 
und  pflanzenphysiologischen  Experimenten  (Prof.  Detmer),  Anlei- 
tung zu  physikalischen  Experimenten  (Prof.  Schätfer),  Schulhygiene 
(Prof.  Gärtner),  Unterrichtslehre  (Prof.  Rein),  Geographische  Orts- 
bestimmungen mit  praktischen  Uebungen  auf  der  Sternwarte 
(Dr.  Knopf),  Geometrische  und  physikalische  Theorie  des  Mikro- 
skops (Dr.  Straubel).  Physiologische  Psychologie  (Prof.  Ziehen), 
Anleitung  zu  Untersuchungen  mit  Spectral-  und  Polarisations- 
apparaten (Dr.  Gänge),  Uebungen  im  Glasblasen  (Glasbläser  Haak). 
Das  Honorar  für  jeden  einzelnen  Kursus  (10 — 12  Stunden)  beträgt 
15  Mk.  Diejenigen  Herren,  welche  sich  an  den  Fortbildungskursen 
betheiligen  wollen,  erhalten  nähere  Auskunft  von  den  Herren 
Prof.  Detmer  und  Prof.  Rein  in  Jena. 


L  i  1 1  e  r  a  t  u  r. 

Philipp  Leopold  Martin,  Das  Vogelhaus  und  seine  Bewohner 
oder  die  heutigen  Aufgaben  in  der  Pflege  und  Züchtung  ge- 
fangener, wie  der  des  Schutzes  bedürftigen  freien  Vögel,  .'i.  Aufl.*) 
Bernhard  Friedrich  Voigt.     Weimar  1S93.  —  Preis  2  M. 

Das  Buch  stellt  sich  ungefähr  dieselben  Aufgaben,  wie  die 
an  dieser  Stelle  schon  erwähnten  Russischen  Bücher:  die  Erthei- 
lung  nützlicher  Rathschläge  für  die  Pflege  und  Züchtung  von 
Stubenvögeln;  ist  aber  ganz  anders  wie  diese  geschrieben  und 
geht  von  anderen  Gesichtspunkten  aus.  Während  in  Russ  ledig- 
lich der  Praktiker  zum  Ausdruck  kommt,  der  kühl  und  nüchtern, 
aber  um  so  sachlicher  und  belehrender  seinen  Gegenstand  be- 
handelt, steht  Martin  mehr  auf  dem  Standpunkte  des  Thier- 
schutzvereinlers  und  traktirt  die  Materie  in  einem  etwas  gefühls- 
warmen, nicht  selten  mit  Citaten  geschmückten,  poetisch  ange- 
hauchten Style.  Als  Lesebuch  ist  das  Martin'sche  Buch  dem 
Russ'schen  zweifellos  vorzuziehen,  wie  es  auch  weitere  und  all- 
gemeinere Gesichtspunkte  vielfach  eröffnet;  der  wirklich  prak- 
tische Vogelzüchter  wird  aber  wohl  doch  den  Russ'schen  Büchern 
und  ihren  reichen  praktischen  Erfahrungen  und  Anleitungen  den 
Vorzug  geben.  Dr.  H.  J.  Böttger. 

P.  Waser,  Sport-  und  Schlacht-Kaninchenzucht.    Ein  Handbuch 

zur  speziellen  Beurtheilung,  l'flege  und  Zucht  aller  einzelnen 
Racen  der  Sport-  und  Schlacht-Kaninchenzucht.  Mit  30  Ab- 
bildungen im  Text.  Magdeburg.  Croutz'sche  Verlagsbuchhand- 
lung (E.  &  M.  Kretschmann)  1893.     Preis  2,50  Mark. 

*)  Eine  Vorrede  zur  „.5.  Aufl."  fehlt,  die  gegebene  ist  „zur 
4.  Aufl."  überschrieben  und  vom  März  1883  datirt.  Red. 


In  den  letzten  Jahren  ist  eine  ganze  Reihe  von  Brochuren 
und  Handbüchern  über  Kaninchenzucht  erschienen.  Es  darf  dies 
wohl  als  Beweis  dafür  aufgefasst  werden,  dass  in  Deutschland 
das  Interesse  an  der  Zucht  von  Kaninchen  in  hohem  Grade  ge- 
wachsen ist.  Mittelbare  Ursache  dieser  Erscheinung  ist  die 
zunehmende  Fleischthenerung,  durch  welche  der  Propaganda  in 
Wort  und  Schrift  für  die  Gewiniuing  eines  billigen  Nahrungs- 
mittels die  Wege  geebnet  wurden.  Naturgemäss  entwickelte  sich 
neben  der  Schlacht-Kaninchenzucht  auch  die  Sport-  und  E<lel- 
zucht;  eine  grosse  Anz:ihl  von  Kaninchen-Ausstellungen  gaben  die 
Möglichkeit,  die  gewonnenen  Erfahrungen  zu  vergleichen,  neue 
wertlnolle  .Spielarten  einem  grösseren  Publikum  voiziifüliren  und 
die  Bescliati'ung  der  besten  Racetliiere  zu  vermitteln.  Mehr  und 
mehr  stellte  sich  das  Bedürfniss  nach  einer  die  Sport-  und  Edel- 
Zucht  ausführlich  behandelnden  Schrift  heraus,  w'elche  dem 
Züchter  die  Möglichkeit  gewährt,  sich  über  einschlägige  Fragen 
schnell  und  leicht  zu  unterrichten.  Der  Verfasser  der  vorliegenden 
Brochure  istals  erfahrener  Züchter  bekannt  und  seit  mehreren  Jahren 
litterarisch  bemüht  gewesen,  auch  die  Kaninchenzucht  in  Deutsch- 
land ZU  heben.  In  übersichtlicher  Weise  finden  wir  die  neueren 
Errungenschaften  der  Grosszucht  dargestellt;  ein  breiterer  Raum 
ist  dem  mit  der  Entwickelung  der  Kaninchenzucht,  speciell  der 
Edelzucht  eng  verknüpften  Ausstellungswesen  gewidmet,  und  am 
Schlüsse  des  Büchelchens  sind  die  durch  die  Praxis  bewährten  Be- 
handlungsmethoden gesunder  und  kranker  Thiere  ausführlieh  dar- 
gestellt worden.  Neben  vielen  den  Züchter  inte;  essirenden  Fragen 
finden  wir  auch  allgemein  bemerkenswerthe  Ausführungen  über  die 
Entwu-kelung  und  den  ökonomischen  Werth  der  Kaninchen- 
züchterei.  Es  ist  bekannt,  dass  in  Frankreich  und  England  die 
Sportkaninchenzucht  schon  seit  Beginn  dieses  Jahrhunderts  ge- 
pflegt wird,  in  Deutschland  ist  ein  Aufschwung  derselben  erst  seit 
dem  deutsch-französischen  Kriege  zu  verzeichnen.  Sehr  interessant 
sintl  die  Bemerkungen  über  die  Verwendung  der  Kaninchen  in 
der  ludustrie;  das  Ängora-Kaninchen,  dessen  seidenweiches  Haar 
zu  Gespinnsten  sieh  verarbeiten  lässt,  liefert  der  englischen  und 
französischen  Damenwelt  seit  längerer  Zeit  ein  hochgeschätztes 
Material  zur  Füllung  von  Kopfkissen  und  Steppdecken.  Ein 
einziges  Thier  produzirt  mit  Leichtigkeit  500— öOO  gr  Wolle  jähr- 
lich, welche  durch  Auskämmen  mit  einem  Metallkamm  ge- 
wonnen wird.  Das  silbergraue  siamesische  Kaninchen  hat  eine 
grosse  Bedeutung  dadurch  gewonnen,  dass  die  prachtvollen  Pelze, 
welche  vielfach  unter  dem  Namen  Chinchilla  oder  russischer 
Silberfuchs  in  die  Welt  gehen,  den  Kaninchengehegen  französischer 
oder  spanischer  Zuchter  entstaunnen.  In  der  Frage  der  sogenannten 
Hasenkaninchen  oder  Lapins  steht  der  Verfasser  auf  dem  Boden 
der  neuesten  Forschungen.  Wenn  es  auch  erwiesen  ist,  dass  Hase 
und  Kaninchen  .sich  fruchtbar  verbastardiren  lassen  und  die 
Züchtung  solcher  Bastarde  bis  zur  sechsten  Generation  gelungen 
ist,  so  muss  dennoch  als  Thatsache  anerkannt  werden,  dass  eine 
Race  Leporiden  als  Kreuzung  von  Hasen  und  Kaninchen  nicht 
exLstirt.  Die  Leporiden  sind  zwar  dem  Hasen  sehr  ähnlich,  zeigen 
aber  stets  die  Merkmale  des  echten  Kaninchens  und  sind  aus  einer 
Ki-euzung  der  belgischen  Riesenkaninchen  mit  gewöhnlichen, 
isabellfarbigen  Hauskaninchon  hervorgegangen.  Matschie. 


Prof.  Dr.  C.  B.  Klunzinger,   Bodenseefische,   deren  Pflege  und 

Fang.     Mit  88  Text-Abbildungen.     Ferdinand  Enke.     Stuttgart 

18il2.  —  Preis  5  M. 
Der  Verfasser,  eine  bewährte  Autorität  in  der  Fischkunde 
und  früher  in  einem  fremden  Erdtheile,  jetzt  in  der  Heimath  für 
Natur-  und  Völkerkunde  thätig,  behandelt  in  dieser  Schrift  nicht 
nur  die  Fische  des  Bodensees  als  Gegenstände  der  Thierkunde  in 
allgemein  verständlicher  Weise,  sondern  schildert  auch  eingehend 
das,  was  dieselben  für  die  Menschen  sind,  und  was  die  Menschen 
handwerksmässig  und  grossentheils  seit  alter  Zeit  thun,  um  sich 
derselben  zu  bemächtigen.  Schon  bei  der  Aufzählung  und  Be- 
sprechung der  einzelnen  Fischarten  wird  daher  eine  mehr  prak- 
tische als  rein  systenuitische  Reihenfolge  eingehalten,  zuerst 
kommen  die  Edelfische,  d.  h.  wohlschmeckende  Fische  mit  keinen 
oder  wenig  Fleischgräten,  und  unter  diesen  zunächstdieForellen  und 
Felchen,  dann  der  Barsch  nebst  dem  erst  seit  1882  hier  eingeführten 
Zander,  Hecht,  Trische  (liHiappe),  Weller  (Wels)  und  Aal;  hier- 
auf in  zweiter  Linie  die  an  Arten  und  Individuen  so  reichen,  _  meist 
gesellig  lebenden  karpfenartigen  Fische  (Cypriniden),  „Friedflsche" 
im  Gegensatz  zu  den  Raubfischen,  aber  mit  viel  Fleischgräten 
und  schon  deshalb  von  geringerem  Werthe  und  endlich  drittens 
die  kleineren  Köderfische  wie  Gropp  (Koppe),  Grundel  (Schmerle) 
und  die  kleineren  Cypriniden.  Die  einzelnen  Arten  werilen  mehr 
kurz  gekennzeichnet  als  ausführlich  beschrieben,  ohne  den  schwer- 
fälligen Apparat  der  systematischen  Terminologie  und  Synonj^mie, 
die  ja  in  anderen  zoologischen  Büchern  zu  finden  sind,  dagegen  wird 
stets  berichtet  über  die  Grösse,  welche  sie  hier  erreichen,  die 
Häufigkeit,  den  nähern  Aufenthalt,  die  Laichzeit,  auch  den  landes- 
üblichen Preis  und  den  jährlichen  Ertrag  des  Fanges.  Der  zweite 
Tbeil  der  Schrift,  „Die  Fischereipflege  am  Budensee"  schildert,  was 


Nr.  26. 


Naturwissenscliaftliphe>  Woehensclirift. 


263 


sflidii  im  Mittelalter  und  seitdem  liis  in  unsere  Zeit  zur  Kegelunf;, 
Erlialtung  und  V'crbesserung  der  Fiselierei  verordnet  und  ausge- 
führt wurde,  mit  besonderer  Riielcsicdit  auf  die  Constanzer-Fischorei- 
Ordnung  von  1790,  an  der  sich  die  Melirzahl  der  umliegenden 
Städte  utid  geistliehen  Körperschaften  hetheiligtcn,  und  auf  die 
Lindauer  Beschlüsse  von  1881,  welche  zwischen  amtlii-lien  Ver- 
tretern der  sämmtiichen  Uferstaaten  vereinbart  wurden;  beide 
bewegen  sich  hauptsächlich  um  Festsetzung  von  Schonzeiten,  Bc- 
stinnnungen,  welche  Arten  von  Netzen  u.  dgl.  zu  gestatten  seien, 
und  Erklärungen,  wer  zur  Fischerei  lierechtigt  sei.  Ferner  werden 
die  Anstalten  für  künstliche  Fischzucht  und  deren  Leistungen  auf- 
gefidirt,  worunter  die  Eiid)ürgerung  des  Zunders  und  des  Aals  be- 
sonders hervorzuheben  ist,  während  eine  Vermehrung  der  Sal- 
moniden und  der  Erfolg  des  Einsetzens  nordamerikanischer  Arten 
noch  nicht  sicher  nachzuweisen  ist.  Den  dritten  Theil  der  Schrift 
bildet  <lie  Beschreibung  der  verschiedenen  Arten  des  Fischfanges, 
worunter  zum  Theil  noch  sehr  primitive,  wie  die  mittelst  Speer 
und  Harpune  oder  durch  eine  Schlinge  da  und  dort  am  Bodensee 
noch  vorkommen;  die  mancherlei  Arten  von  Angeln  und  Netzen, 
welche  hier  üblich  sind,  werden  nicht  nur  näher  erörtert,  sondern 
auch  durch  eingedruckteHolzschnitte  zur  Anschanunggebracht.  Den 
Schluss  bildet  ein  Fischerei-Kalendi-r,  welcher  nach  den  einzelneu 
Monaten  die  Schonzeiten,  die  Benützung  der  Netze  und  die  ein- 
schlägigen Fischarton  nennt  Durcli  das  Ganze  weht  der  Hauch 
eigener  gründlicher  Kenntniss  und  Anschauung;  mau  merkt  es 
dem  Buche  wohl  an,  dass  der  Verfasser  gern  und  oft  mit  den 
Fischern  hinausgefahren  ist  und  es  vorstanden  hat,  sie  zur  iMit- 
theilung  ihrer  Erfahrungen  und  Anschauungen  zu  bringen.  Was 
er  in  der  Vorrede  als  Wunsch  ausspricht,  dass  diese  Schrift  ein 
Beitrag  zur  Heiniathsknnde  sein  möge,  betreft's  eines  nur  von 
wenig  Eingeweihten  näher  gekannten  Faches,  das  dürfen  wir  mit 
gutem  Gewissen  für  eine  vollendete  und  gelungene  erfreuliche 
Thatsache  erklären.  E.  v.  Martens. 


Chr.  Peip;  Taschen- Atlas  von  Berlin  und  Umgebung.  IG  Sec- 
tionen  in  Farbendruck,  ^'erlag  von  Körner  ^:  Dietrich.  Leipzig 
1893.  —  Preis  2  M. 
Der  jüngst  erschienene  kleine  Tasclien-Atlas  bringt  in  hand- 
lichster Form  die  Umgegend  Berlins  auf  IG  Blättern  im  Maass- 
stab I  :  150000  zur  Darstellung.  Die  Kärtchen  zeichnen  sich  durcli 
die  P^eiuheit  der  Zeichnung,  sowie  durch  schönen,  deutlichen  Druck 
aus,  sodass  durch  die  reiche  Menge  der  eingetragenen  Details  die 
Klarheit  des  Bildes  nirgends  gestört  wird.  Die  Berechnung  der 
Entfernungen  ist  dadurch  wesentlich  erleichtert  worden,  dass  die 
Wege  mit  Punkten  ausgestattet  sind,  deren  Abstände  von  ein- 
ander je  einem  halben  Kilometer  entsprechen.  Das  treffliche 
Werkchen,  welches  sich  durch  eine  grosse  Genauigkeit  aller 
darin  enthaltenen  Angaben  auszeichnet,  kann  dem  Publikum  auf 
das  Wärmste  empfohlen  werden. 

Professor   Dr.  F.  Wahnschaflfe. 


Dr.  C.  Dölter,  £d«l8temkunde.  Bestimmung  und  Unterscheidung 
der  Edelsteine  und  Schnuickateine.  Die  künstliche  Darstellung 
der  Edelsteine.  Leipzig  bei  Veit  &  Comp.  1803.  260  S.  —  Preis 
5,00  Mark. 

Zu  den  vorhandenen  Werken  über  Edelsteinkunde  bildet  das 
Buch  eine  erfreuliche  Ergänzung.  Der  erste,  allgemeine  Theil 
desselben  behandelt  die  natürlichen  I'ormen  der  Edelsteine, 
specifisches  (iewicht,  Härte,  Lichtbrechung,  Farben,  Pleochroismus, 
chemische  Eigenschaften  und  künstliche  Darstellung  derselben. 
Im  zweiten,  speciellen  Theile  werden  die  einzelnen  Edel-  unil 
Schmucksteine  in  eingeheniler  Weise  besprochen.  Der  dritte  Theil 
giebt  zu  ihrer  Bestimmung  und  Unterscheidung  eine  ausführliche 
Anleitung. 

Verfasser  hat  die  mineralogischen  Eigenschaften  der  Edel- 
steine in  den  Vordergrund  der  Behandlung  gestellt  und  unter 
denselben  besonders  auf  die  Wichtigkeit  des  specifischeu  Ge- 
wichtes, als  eines  oftmals  allein  zur  Bestimmung  des  Steines  ge- 
nügenden und  mit  lliltV  von  schweren  Lösungen  (Jodniethylen, 
Jodkaliumjodciuecksilber  u.  a.)  meist  doch  sicher  und  bequem  und 
ohne  Gefahr  für  den  Stein  festzustellemlen  Merkmals  hingewdeseu. 
Die  optischen  Eigenschaften  werden,  als  schwieriger  bestimmbar, 
weniger,  aber  doch  ausreichend  erörtert.  Angenehm  und  werth- 
voU  sind  die  Angaben  über  die  künstliche  Darstellung  der  Edel- 
steine. f]s  ist  dies  ein  Gebiet,  auf  dem  Verfasser  mit  Vorliebe 
und  Geschick  gearbeitet  hat.  Hervorzuheben  ist  weiterhin  die 
ausführliche  Behandlung  des  Auftretens  und  Vorkommens  der 
Edelsteine,  der  Hinweis  auf  die  Entstehung  derselben  und  auf 
Nachahmungen  und  Fidschungen.  Die  Charakteristik  des  einzelnen 
Steines  gewinnt  durch  alles  dies  an  Inhalt  und  Sicherheit  und 
erleichtert  die  Unterscheidung  von  ähulichon  anderen  Steinen. 
Und  darauf  kommt  es  doch  hauptsächlich  mit  an.  Dabei  ist  der 
Kreis  herangezogener  Mineralien  ein  recht  grosser,  sodass  allen 
Bedürfnissen  Rechnung  getragen  sein  dürfte.     Von  hohem  prakti- 


schen Werthe  sind  dh-  im  dritten  Tludl  gegebenen  Tabellen  für 
ilio  Bestimmung  und  Unterscheidung  der  Edel-  und  Schmuck- 
steino;  dieselben  bilden  einen  liesonderen  Vorzug  des  Werkes. 

Es  sollen  aber  bei  aller  Anerkennung  des  ansprechenden 
Inhaltes  und  der  Behandlung  auch  die  Mängel  erwähnt  werden, 
welche  mir  der  Abhilfe  bedürftig  ersi'heinen.  Es  sind  dies  ge- 
legentlich vorkommende  überflüssige  Wiederholungen,  wie  z.  15., 
dass  es  in  Brasilien  farblose  brasilianische  Topase  giebt  (S.  127); 
ferner  etliche  verfehlte  Bezeichnungen  und  Ungenauigkeiten.  So 
ist  z.  B.  nicht  abzusehen,  was  es  heissensoll:  ganz  unregelmässig 
ist  das  frikline  System  (S.  5).  Dass  Krystalle  sich  in  Bezug  auf 
ihre  Cohäsion  ungleich  in  verschiedenen  Richtungen  verhielten 
(S.  14),  ist  doch  nicht  schlechthin  richtig,  de.>igl.  auch  die  Angabe 
über  Lichtbrechung  (S.  18).  Die  Bezeichnungen:  octaedrisches 
Krystallsystem  (S.  54),  glasiger  Glanz  (S.  165),  orangefarbener 
Stich  (S.  138)  sollten  vermieden  werden.  Die  Angabe:  zwei  schai-fe 
Pyramidenflächen  an  Euklas  (S.  119)  erscheint  unvei'ständlich. 
Beim  Phenakit  (S.  123)  stinnnt  die  Figur  35  nicht  zur  Be- 
schreibung. Gerade  das  wichtigste  sächsische  Topasvorkommen 
vom  Schneckenstein  findet  sich  nicht  im  Granit.  Echter  Marmor 
soll  der  Urformation  stets  angehören  (S.  1!I6),  für  Carrai-a  z.  B. 
trifft  das  nicht  zu.  Die  Formeln  des  Jadeits  und  des  Malachits 
sind  in  NaAlSi-(  •"  und  CuC( )'  +  H-CuC)^  umzuändern.  Nachzu- 
tragen wäre  vielleicht  auch  an  Fundorten:  beim  Saphir  Australien, 
beim  sidiwarzen  Spinell  Südtirol,  beim  Amazonenstein  Miask,  bei 
llämatit  statt  Thüringen  das  Erzgebirge  (Platten);  ferner  könnten 
beim  Zirkon  die  grünen  und  blauen  Arten,  und  beim  Bernstein 
die  Darstellung  grösserer  Stücke  durch  starkes  Zusammenpressen 
kleinerer  erwähnt  werden.  Verfasser  tadelt  (S.  19)  die  gebräuch- 
liche Verwendung  von  Farbeubezeichnungen,  bei  denen  eine  feste 
Vorstellung  der  Farbe  sich  nicht  erzielen  lasse;  er  selbst  aber 
scheint  mir  darnach  nicht  zu  handeln.  Er  verwendet  einmal 
selbst  wieder  solche  Bezeichnungen  und  führt  neue  an,  die  jeden- 
falls nicht  gerade  treffend  sind,  z.  B.  neutralorange,  cadmium- 
orange  beim  Bernstein  (S.  188).  Endlich  möchte  ich  noch  dem 
Bedenken  Ausdruck  geben,  ob  die  Viertel-  und  luilben  Härtegrade, 
die  man  auch  anderweit  oft  angeführt  findet,  nicht  überflüssig 
sind;  denn  selbst  wenn  sie  überhaupt  ohne  feinste  Instrumente 
erkannt  werden  könnten,  würde  nur  durch  grosse  Hebung  dies  zu 
erreichen  möglich  sein. 

Liebhabern  und  Händlern  von  p]delstcinen  kann  das  voi-- 
liegeude  Buch  immerhin  empfohlen  werden.  11.  Scheibe. 


Conferences  faites  au  laboratoire  de  M.  Friedel.  1889  —  1890. 
Troisieme  fascicule.  (Cours  de  la  fac.  d.  sc.  de  Paris.)  Georges 
Carre,  Paris  1892. 

In  Folge  des  enormen  Anw.'ichsens  der  Einzelforschungen  auf 
allen  Gebieten  der  Chemie  wird  es  für  den  Einzelnen  immer 
schwieriger,  wenn  nicht  unmöglich,  sich  die  uöthige  Uebersicht 
über  dieselben  zu  verschaffen  und  zu  erhalten.  Selbst  unsere 
besten  Handbücher  sind  jetzt  schon  zum  Theil  veraltet,  bevor  sie 
abgeschlossen  w'erden  können.  So  machte  sich  allerorts  das  Be- 
dürfniss  geltend,  in  möglichst  gedrängter  Kürze  Ueberblicke  über 
die  Errungen,schaften  auf  einzelnen,  besonders  wichtigen  Gebieten 
zu  geben.  Es  sei  hier  darauf  hingewiesen,  dass  die  Deutsche 
Chemische  Gesellschaft  in  den  letzten  Jahren  wiederholt  hervor- 
ragende Mitglieder  zu  derartigen  Vorträgen,  die  dann  auch  in  den 
Sitzungsprotokollen  veröft'entlicht  wurden,  veranlasste.  Während 
durch  diese  vornehmlich  die  älteren  Chemiker  mit  den  Ergebnissen 
der  neueren  Forschungen  vertraut  gemacht  wurden,  haben  auch 
vielfach  Laboratoriunisleiter  im  engeren  Kreise  ihrer  Schüler  und 
durch  diese  selbst  regelmässig  über  die  wichtigsten  Fortschritte 
in  zusammenhängender  Weise  berichten  lassen.  Dies  thut  auch 
Friedel,  und  es  ist  mit  Dank  zu  begrüssen,  dass  er  durch  Publi- 
cationen  wie  die  vorliegende  auch  weiteren  Kreisen  diese  in- 
structiven  Berichte  zugänglich  macht. 

Eigene  Untersuchungen  der  Vortrageuden  sind  hierbei  natur- 
gcmäss  wenig  vertreten;  als  solche  zeigen  sich  theilweise  der 
Aufsatz  von  V.  Auger  über  die  Chloride  zweiljasischer  Säuren 
und  der  von  C.  Bigot  über  einige  Derivate  des  Glycerius.  Ei-sterer 
weist  darauf  hin,  dass  die  zweibasischen  organischen  Säuren  nicht 
als  gleichartige  Körper  aufgefasst  werden  dürfen,  .sondern  in 
natürliche  Familien  nach  der  Anzahl  von  Kohlenstoffatomen, 
welche  zwischen  die  beiden  Carboxylgruppeu  eingeschoben  er- 
scheinen, eingetheilt  werden  müssen;  wie  der  hierdurch  bedingte 
Unterschied  sich  geltend  macht,  wird  durch  die  Verschiedenheit 
der  Chloride  gezeigt.  Bigot  weist  nach,  dass  selbst  das  so  viel- 
fach zum  Gegenstand  von  Untersuchungen  gemachte  Glycerin 
noch  manche  der  Aufklärung  harrende  Punkte  zeigt;  es  ist  ihm 
gelungen,  ein  Isomeres  des  Epichlorhydrins  und  eine  neue  Dar- 
stellung des  Glycids  zu  finden. 

Ph.-A.  Guye  bespricht  im  Anschluss  an  die  Arbeiten  \on 
van  der  Waals,  Sarrau  und  Clausius  die  Theorie  vom  kritischen 
Punkt  und  der  Gleichung  der  Flüssigkeiten.  Es  zeigt  sich,  dass 
die  scheinbaren  Abweichungen  vom  Mariotte'scheu  Gesetz  in  der 


264 


Naturwissenschaftüchc  WoclienscIiviCt. 


Nv.  26. 


Niilic  des  orstcren  nur  den  Ausfluss  dieses  Gesetzes  und  der  für 
die  Flüssigkeiten  geltenden  Gesetze,  welclie  in  dem  labilen  Zwischen- 
zustande  sich  gegenseitig  beeinflussen,  darstellt. 

Die  Forschungen  Van  't  Hoff's  und  Kaoult's  über  den  osmdti- 
achen  Druck  finden  eine  geeignete  Interjiretation  durch  R.  Lespieau. 
F.  Couturier  bespricht  die  Forschungen  über  Pinakone,  jene  Körper, 
welche  durch  Reduction  von  Ketonen  entstehen  und  durch  Wasser- 
abspaltung die  Pinakoline  liefern.  In  einem  Vortrag  über  die 
Oxydation  der  Kohlenwasserstoffe  schildert  L.  Tissier  die  Ein- 
wirkung verschiedener  U.xydationsmittel  auf  die  verschiedenen 
Klassen  der  Kohlenwasserstoffe.  Den  Schluss  bildet  ein  austiihr- 
liches  Referat  über  die  Forschungen  von  Curtius  betreffs  der 
Diazokörper  der  Fettreihe  von  Demeter  Vladesco,  einem  jungen 
Rumänen,  der  acht  Tage,  nachdem  er  durch  diesen  Vortrag  einen 
ehrenvollen  l'h-folg  errungen,  im  Laboratorium  einen  plötzlichen 
Tod  fand.  Friedel  schickt  diesem  Aufsatz  einen  ehrenden  Nach- 
ruf für  den  unglücklichen  jungen  Forscher  voran.  S])iegol. 


Prof.  Dr.  Rudolf  Arndt,  Bemerkungen  über  Kraft  und  aus- 
lösende Kraft  im  Besonderen.  Julius  Abel,  (.ireifswald  1S',)2. 
—  Preis  1.20  M. 

Verf.  definirt  den  Begriff  der  Kraft  wie  folgt:  „Kraft  ist  das 
Etwas,  das  an  die  Bewegung  gebunden,  die  Wirkung  dieser  zur 
Folge  hat."  Kraft  ist  Bewegung  und  Bewegung  ist  Kraft.  Es 
giebt  nun  keinen  unbewegten  Stoff,  und  so  folgert  Verf.:  Kraft 
und  Stoff  sind  nur  zwei  Seiten,  beziehentlich  menschliche  Auf- 
fassungsweisen ein  und  desselben  Dinges.  Kraft,  Stoff,  Bew<'gung 
sind  nur  menschliche  Ausdrücke  menschliche  Vorstellungsweisen 
für  ein  und  dasselbe  in  seinen  verschiedenen  Bezii'hungen.  Kraft 
ist  Stoff  in  Bewegung;  Bewegung  ist  kraftiiussernder  Stoff;  Stoff 
ist  in  Bewegung  sich  darstellende  Kraft.  Die  verschiedenen 
Stoffe,  welche  wir  kennen,  und  die  verschiedenen  Formen,  in 
denen  sie  uns  entgegentreten,  sind  sonach  nur  verschiedene  Aus- 
drucksweisen der  verschiedenen  Beweguiigsfnrmcn,  welche  ilas 
Weltall  durchwogen.  Potentielle  (virtuelle,  statische,  todte) 
Energie,  Spannkraft  ist  gehemmte  Kraft.  Was  wir  Spannung 
nennen,  ist  eine  Kraftanliäufung,  welche  einen  Druck  ausübt, 
(daher  sagt  Secehi  Druckkraft).  Die  Kraft  nun,  wehdie  die 
Spannkraft  oiler  Druckkraft  in  lebendige  Kraft,  die  jjotentielle 
Energie  in  actuelle  Energii»,  d.  i.  die  stehende  Bewegung  in  fort- 
schreitende ülierführt,  indem  sie  das  die  erstere  bedingende  Hemm- 
niss  beseitigt,  ist  die  „auslösende"  Kraft.  Sie  ist  die  Differenz 
zwischen  der  ausgelösten  Spann-  oder  Druckkraft  und  der  nach 
ihrer  Auslösung  sich  bethätigenden  lebendigen  Kraft.  Auslösende 
Kraft  ist  also  der  Zuwachs  an  Bewegung,  der  die  Differenz 
zwischen  actneller  un<l  virtueller  Energie  ausgleicht. 

Verf.  geht  nun  auf  die  Biologie  ein.  Die  Variabilität  der  Indivi- 
duen, sagt  er,  beruht  auf  dem  Verhältniss,  in  welchem  diese,  als 
mit  Spannkräften  geladene  Maschinen,  zu  den  Reizen  der  Aussen- 
welt,  als  jeni"  Spannkräfte  auslösenden  Kräften  stehen.  Die  Be- 
zeichnung der  Lebewesen  als  Maschinen  verräth  ohne  Weiteres, 
dass  nach  Verf.  das  Leben  (also  die  Bi'wegung  der  oder  in  den 
Lebewesen,  denn  Leben  ist  Bewegung)  durch  auslösende  Kräfte, 
„Reize",  zu  Stande  kommt.  Die  Sehlussfolgerung:  „kleine  Reize 
fachen  <lie  Lebensthätigkeit  an,  mittelstarke  fördern  sie,  starke 
hemmen  sie  und  stärkste  heben  sie  auf",  ist  nun  ohne  Wei- 
teres klar. 

Nur  dies  aus  der  tief  gehenden  Schrift,  die  jeden  Biologen 
ausserordentlich  anregen  muss. 


Jules   Tannery    it    Jules  Molk,    Elements    de    la  Theorie    des 
Fonctions  Elliptiques,  Tome  I:  Introdiu-tion.  C'alcul  diff('rentiel 
(Ire  Partie).  Gauthicr-Villars  et  fils.  Paris  1893.  —  Preis  7  fr.  50  c. 
Immer  zahlreicher  stellen  sich  in  <len  physikalischen  Wissen- 
schaften und  in  der  Technik  Probleme  ein,   deren  Lösung  die  An- 
wendung   der    elliptischen    Functionen    erfordert.      Und   die   Zeit 
wird   nicht  erst  noch  konnneu,    sondern   sie  ist  schon  da,    wo  die 
Kenntniss    dieser  Functionen    und  die  Vertrautheit  mit  ihnen  für 
den  Mathematiker,    der   auf  den  genannten  Gebieten  selbstthätig 
mitwirken  will,    ganz    ebenso  unbedingt  not h wendig  ist,    wie  die- 
jenige der  trigonometrischen  Functionen.  Immer  noch  aber  fehlte  uns 
ein  Lehrbuch,  welches  in  die  Theorie  dieser  so  wichtiRen  mathe- 


matischen Gebilde  auf  Grund  der  modernen  Anschauungen  ein- 
führte. Für  die  ältere  Form  der  Lehre  haben  wir  ja  eine  Reihe 
guter  Bücher,  welche  wohl  geeignet  sind,  in  die  Elemente  einzu- 
führen. Ich  denke  dabei  einerseits  an  das  Werk  von  Durege  und 
andererseits  an  J.  Thomae's  Functionentheorie  mit  ihrer  voi"zUg- 
lichen  Darstellung  der  elliptischen  Thetafunetionen.  Aber  die 
Theorie  des  Herrn  Weierstrass,  mit  der  die  Zukunft  arbeiten  muss, 
war  bisher  nur  in  dem  grossen  Werke  Halphens  zur  Darstellung 
gekommen,  das  ebenfalls  bei  Gauthier-Villars  erschienen  ist;  und 
dann  in  der  Formelsammlung  des  Herrn  H.  A.  Schwarz.  Der 
Zweck  des  bewunderungswürdigen  letztgenannten  Werkes  ist  es 
nun  gewiss  nicht,  einzuführen  in  die  Theorie;  es  setzt  vielmehr 
deren  Kenntniss  voraus.  Und  Halphens  geniales  Buch  giebt  eben 
viel  zu  viel,  als  dass  es  den  Anfänger  nicht  mit  zagender  Be- 
klemmung einem  solcli  mächtigen  Wissenschaftsgebäude  gegenüber 
erfüllen  sollte. 

Die  Verfasser  vorliegenden  Buches,  beide  Schüler  des  Herrn 
Weierstrass,  haben  daher  gute  Arbeit  gethan,  als  sie  dies  Werk 
schrieben. 

Sie  geben  zunächst  eine  Einleitung,  in  der  die  Eigenschaften 
unendlicher  Reihen  und  Producte  —  deren  Glieder  entweder  con- 
stant  sind  oder  von  einer  Variabein  abhängen  —  dargelegt 
werden.  Es  wird  also  liier  eine  Einführung  in  die  Grundlagen 
der  Weierstrass'schen  Functionentheorie  gegeben.  Das  III,  Capitel 
handelt  von  den  ganzen  transcendenten  Functionen  und  gibt  die 
für  diese  geltenden  wichtigsten  Sätze  von  Weierstrass  und  Mittag- 
Leffler.  Dann  treten  die  Verfasser  in  die  Darstellung  des  eigent- 
lichen Gegenstandes  ein  und  geben  hier  an  erster  Stelle  allge- 
meine Betrachtungen  über  die  periodischen  Functionen,  stets  auf 
Grundlage  der  W^eierstrass'schen  Anschauungen. 

Es  werden  dann  nach  einander  die  Functionen  au  (in  ihrer 
Definition  durch  ein  unendliches  Product),  Cu  und  pn  eingeführt, 
denen  sich  nachher  (TiW,  b-^ii,  a^u  anschliessen.  Die  Transformation 
der  e-Functionen  wird  in  ausgezeichnet  klarer  Weise  erledigt  und 
mit  ihrer  Darstellung  schliesst  dieser  erste  Band. 

Das  Buch  ist  vorzüglich,  ja  glänzend  geschrieben  und  bildet 
eine  bedeutende  Bereicherung  unserer  mathematischen  Litteratur, 
für  die  man  den  Verfassern  zu  grossem  Danke  verpflichtet  ist. 
Es  ist  zudem  mustergültig  ausgestattet,  und  ich  hoffe,  dass  der 
billige  Preis  dazu  beitragen  wird,  dieses  Werk  von  hohem  inne- 
ren Werthe  in  möglichst  weite  mathematische  Kreise  zu  tragen. 

Gravelius. 

August  Trinius,  AlldeutscUand  in  Wort  und  Bild.  Eine 
malerische  Schilderung  der  deutscheu  Heimath.  1.  Bd.  Mit  einem 
Farbendruck  und  79  Te.xt-llhistrationen.  Ferd.  Dünmders  \^?rlags- 
buchhandlung.     Berlin  1893    -    Preis  5,10  M. 

Von  dem  hier  wiederholt  genannten  Werk  liegt  nunmehr 
durch  das  Erscheinen  von  Lief.  17  Bd.  I  fertig  vor.  Es  be- 
handelt den  Teutoburger  Wald,  die  hohe  Rhön,  das  Fichtel- 
gebirge, den  Spreewald,  Thüringen,  die  Schwäbische  Alp  und 
den  Rhein.  

Meyer,  M.,    Uidersuchnng    der   algebi-aischen  Integrirbarkeit  der 

liiieari'U    homogenen   Dift'erentialgleichungen.      Berlin.      1,20  M. 
Möller,    A ,    Die  Pilzgärten    einiger    südamerikanischer   Ameisen. 

.lena. 
Noorden,    C.  v.,    Lehrbuch    der  Pathologie   des  Stoffwechsels  für 

Aerzt''  inid  Studirende.     Berlin.     13  M. 
Müller,    G.,    llelligkeit.sbestinnnungcn    der    grossen  Planeten  und 

einiger  Asteroiden.     Leipzig.     9  M. 


Entgegnung. 


Zu  der  „Berichtigung"  des  Prof.  Kurtz  in  No.  21  S.  '214 
erhalten  wir  die  folgende  Zuschrift :  Die  Berichtigung  S.  214  von 
Prof.  Dr.  Fritz  Kurtz  für  meinen  Artikel  über  die  Pampasreise, 
welche  wir  gemeinschaftlich  ausführten,  betrifft  seine  eigenen,  in 
meinem  Manuscript  revidirten  Bestimmungen  (vgl.  S.  15  vorletzte 
Zeile);  dass  aber  die  Seite  12  beschriebene  Composite  ein  Podo- 
phyllum,  also  eine  Berberidee  sein  soll,  beruht  auf  irgend  welchem 
Lapsus.  Dr.  Otto  Kuntze. 


Inhalt:  W.  Preyer:  Die  angebliche  „Giftfestigkeit"  des  Igels  —  K.  Hassert's  Reisen  in  Montenegro  im  Jahre  1891.  (Mit  Abbild.) 
—  Künstliche  Nährmittel.  —  Zur  Geschichte  des  Walfanges.  —  Ueber  das  Auftreten  der  Ocean-Sardine-  im  Jahre  1890.  — 
Ueber  Elmsfeuerbeobachtungen  auf  dem  Sonnblick.  —  Aufsteigender  Meteor.  —  Ueber  Photographie  kleiner  Planeten  und 
Sternschnuppen.  —  Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben.  —  Litteratur:  Philipp  Leopold  Martin:  Das  Vogelhaus  und  seine 
B(!Wohner.  —  P.  Waser:  Sport-  und  Schlacht-Kaninchenzucht.  —  Prof.  Dr.  C.  P.  Klunzinger:  Bodenseefische,  deren  Pflege 
und  Fang.  —  Chr.  Peip:  Taschen-Atlas  von  Berlin  und  Umgegend.  —  Dr.  C.  Dölter:  Edelsteinkunde.  —  Conferences  faites 
au  laboratoire  de  M.  Friedel.  —  Prof.  Dr.  Rudolf  Arndt:  Bemerkungen  über  Kraft  und  auslösende  Kraft  im  Besonderen. 
Jules  Tannery  et  Jules  Molk:  ^filements  de  la  Theorie  des  Fonctions  Elliiitiques.  —  August  Trinius:  Alldeutschland  in 
Wort  und  Bild.  —  Liste.  —  Entgegnung. 

Verantwortlicher  Redakteur:  I.  V.  Dr.  F.  Kaunhowen,    Berlin  N.  4.,  Invalidenstr.  44,  für  den  luseratentheil:  Hugo  Bernstein   in  Berlin. 
—  Verlag:  Ferd.  Dümmlors  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.   12.  —  Druck:  G.  Bernstein,  Berlin  SW.   12. 


Nr.  2(i 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


LI 


Zur  Nachricht! 

Auf  Grund  Liiiriercr  Aunurdfiuiiyen  im  Inscrateutheil  der  No.  IG  und  19  sind  uns  so  viele  der  Aljsiclil 
der  Vergrosseruug  der  „Nalurwissenscliaftlichen  Wochenschrift"  zustimmende  Aeusserungen  (die  sich 
aucli  mit  der  in  Folge  einer  Vergrösserung  nothwendig  werdenden  geringen  Preiserhöhung  des  Blattes 
von  1  M.  für  das  Quartal  einverstanden  erklärt  haben)  zugegangen,  und  nur  verhältnissmässig  so 
wenige  Stimmen  haben  sich  ablehnend  verhalten,  dass  nunmehr  vom  1.  Juli,  also  von  der  nächsten 
Nummer  ab  die  Erweiterung  ins  Werk  gesetzt  werden  wird.  Im  Ganzen  sollen  also  unserer  früheren 
Mittheilung  gemäss  in  Zukunft  jährlich  iibei-  lUO  Spalten  mehr  geboten  werden  als  bisher. 
Die  Redaction  wird  sich  bemühen  den  Ijei  Gelegenheit  der  Zustimmung  von  verschiedenen  Seiten 
ausgesprochenen  Wünschen  nach  Möglichkeit  Rechnung  zu  tragen. 


Die  Redaction: 
Dr.  H.  Potonie, 

Berlin  N.  4,  luvalidenstrasse  40/41. 


Der  Verlag: 
Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung, 

IJerliii  SW.  Vi,  Ziiniiierstrasse  '.>4. 


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Die  inseicten-Börse 

jetzt  vereinigt  mit  dei-   „Sammler-BÖrSG" 


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ist  fiü-  „Eutomologeu"  und  „Saiiimlor"  das  hervorragendste  Blatt,  welches  wegen 
der  belehrenden  Artikel  sowie  seiner  internationalen  und  grossen  Verbreitung  betreffs 
Ankauf,  Verkauf  und  Umtausch  aller  Objekte  die  weitgehendsten  Erwartungen  erfüllt 
wie  ein  Probeabonnement  lehren  dürfte.  Zu  beziehen  durch  die  Post  (ZeitungslisteNo.:5 135) 
und  die  Verlags-Buchhandlung  Prankenstein  &  'Wagner,  Leiiizig,  Augustusplatz  1. 
Abonnement  bei  Zusendung  untei'  Kreuzband  in  Deutschland  u.  Oest erreich  1  Mk.,  nach 
anderen  Ländern  des  Weltpostvereins  1  Mk.  'JO  Pfg.  =  1  Shillinf;  2  Pence  =  1  Fr.  bO  Cent. 


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In  Ferd.  DUmmlers  Vcrlags- 

barlihandluns  in  Berlin  erschien: 

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VIII.  Band. 


Sonntag,  den  2.  Juli  1893. 


Nr. 


27. 


Abonnement:  Man  abonnirt  bei  allen  Buchhandlungen  und  Post- 
anstalten,  wie  bei  der  Expedition.    Der  Vierteljahrspreis  ist  M  4.— 
Bringegeld  bei  der  Post  15  -^  extra. 


Inserate :  Die  viergespaltene  Petitzeile  40  -A.   Grössere  Aufträge  ent- 
sprechenden Rabatt.  Beilagen  nach  Uebereinkunft.  Inseratenannahme 
bei  allen  Annoncenbureaux,  wie  bei  der  Expedition. 


Abdruck  ist  nnr  mit  vollistäiKligei'  4{nellenang;abe  gestattet. 


Ueber  die  künstliche  Erzeugung  von  Doppel-,  Halb-  und  Zwergbildungen  bei  Thieren. 


Von  Prof.  Dr.  M.  Braun. 


Uuter  den  fast  zalillosen  Missbikliingeii,  die  im  Laufe 
der  Zeit  von  höheren  Thieren  !)ekannt  geworden  sind, 
liaben  besonders  die  Zwiiiingsbihlungen  von  jelier  das 
Interesse  der  Forscher  auf  sieh  vereinigt;  vergeht  doch 
noch  jetzt  kaum  ein  Jahr,  in  welchem  nicht  neue 
Fälle,  namentlich  vom  Menschen,  doch  auch  von  anderen 
Siiu.i;ern  und  von  Vögeln  beschrieben  würden.    Wir  kennen 

die  von    einer 
(in  der  Hypo- 


uiid  von  Vögeln  beschrieben  würden, 
nit  wie  lückenlose  Reihe, 


eine  ganze,    so 

äusserlieh  nicht  bemerkbaren  Verdoppelung 
physis  cerebri)  bis  zu  zwei  völlig  getrennten  Früchten, 
die  aus  einem  Eie  hervorgegangen  sind,  führt.  Viel 
Mühe  und  Scharfsinn  ist  aufgeboten 
worden,  um  das  Zustandekommen 
solcher  ]mrticller  oder  totaler  Doppel- 
bildungen zu  erklären,  ohne  dass  je- 
doch diese  Frage  bis  j'etzt  einen  wirk- 
lichen Abschluss  erreicht  hätte.  80 
lange  die  normalen  Entwickelungsvor- 
gänge  nicht  genügend  bekannt  waren, 


Flgu 


so  lange  waren  alle  Ansichten,  die  ülier 
die  Entstehung  der  Doppelbildungen  geäussert  wurden, 
reine  Hypothesen,  und  keine  verdiente  an  und  für  sich  den 
Vorzug  vor  einer  anderen.  Aber  mit  der  Zunahme  der 
Kenntnisse  der  normalen  Entwickelungsvorgänge  nuisste 
die  Wahrscheinlichkeit  für  eine  oder  mehrere  solcher 
Hypothesen  wachsen. 

Im  Grunde  genommen  handelt  es  sich  bei  allen  diesen 
Hypothesen  um  zwei:  um  die  Annahme  einer  mehr  oder 
weniger  weitgehenden  Verwachsung  ursprünglich  ge- 
trennter Anlagen  oder  um  eine  Spaltung  der  ursprüng- 
lich einheitliehen  Anlage.  Die  älteren  Anhänger  der  Ver- 
wachsungstheorie (zutreffender  der  primitiven  Dualität) 
führten  die  Doppelbildungen  auf  zwei  sich  nebeneinander 
entwickelnde  Eier  zurück  (T.,einerv  1724.  Geoffrov 
St.  Hilaire  1836,  Barkow,  II.  Meckel  ISHUetc),  die 


neueren    dagegen    auf   zwei 


Anlagen 


in    demselben   Eie 


(Coste,  Lereboullet  1855,  Schnitze  1854,  PanumlBGO 
und  1878,  Darestel877),  wobcimanschhesslich(Schultze) 
bis  auf  die  Existenz  zweier  Keimbläschen  in  einem  Ei  als 
die  Ursache  der  Doppelbildungen  zurückging.  Neuerdings 
(Fol  1878)  wird  auch  der  Eintritt  zweier  oder  mehrerer 
Spcrmatozoen  in  ein  Ei  als  Ursache  der  Dopjtclbildungen 
(bei  Seesternen)  angesehen. 

Dagegen  erklärte  schon  C.  F.  Wolff  die  Missbildungen 
als  durch  Abänderungen  der  Bildungskräfte  zu  Stande 
gekommen  und  die  Doppelbildungen,  die  er  zu  den  Monstra 
per  excessuni  rechnet,  als  Folgen  der  auf  bestimmten 
Einbryonalstadien  abnorm  gesteigerten 
Bildungskraft;  wesentlich  dasselbe  lehrte 
auch  J.  F.  Meckel  (1^12),  der  noch 
auf  die  künstlichen  Thcilungen  von 
Poljpen  hinweisen  konnte.  Nahm 
letzterer  an,  dass  die  Spaltung  eines 
Keimes  auf  relativ  spätem  Stadium 
eintrete,  so  einigte  man  sich  unter  den 
nainentlich  in  Deutschland  zahlreichen 
Anhängern  der  Spaltungstheorie  liald  dahin,  dass  eine 
Trennung  (der  Länge  nach,  eventuell  auch  der  Quere 
nach  —  Reichert  1864)  schon  auf  früiien  Stadien  auf- 
treten müsse. 

Der  Verwachsungs-  resp.  Spaltungstheorie  hat  Rauber 
(1878)  die  der  Radiation  gegenübergestellt;  von  Unter- 
suchungen über  die  Embryonalanlagc  der  Knochentische 
ausgehend  und  die  hier  gewonnenen  Erfahrungen  auf  die 
übrigen  Wirbelthierc  übertragend,  nimmt  Rauber  an, 
dass  nach  der  Furchung  sich  im  Blastoderm  eine  cen- 
trale Partie  (Mittelscheibc)  von  dem  dieselbe  umgebenden 
Randthcile  (Keimring)  dirtereneire;  diesen  letzteren  fasst 
Rauber  als  die  Embryonalanlage  selbst  auf  Die  Aclisen- 
tlieile  des  Embryo  gehen  aus  diesem  Ringe  derart  her- 
vor, dass  an  einer  bestinuntcn  Stelle  der  Ring  sich  gegen 
das   Centruin    der   Mittelsclieibe    faltet    und    in    radiärer 


26G 


Naturwissenschaftliche  Woehenschvift. 


Nr.  27 


Richtung  vorstösst;  durch  weiteres  Zusammenschliessen 
der  Randwnlsthält'ten  entsteht  der  lang-gestrecivte  Embryo. 
Bei  jMehrl'achhildungen  treten  mehrere  solclie  radiär  ge- 
richtete Verstösse  auf  (Fig.  1),  relativ  häufig  zwei,  selten 
drei;  mehr  als  drei  sind  bisher  nicht  zur  Beoi)achtnng 
gekommen.  Je  nach  dem  Winkel,  den  die  l)eiden  Anlagen 
unter  einander  bilden,  kaim  es  zu  einer  vollständigen  oder 
partiellen  Doppelbildung  kommen,  wobei  die  vorderen  oder 
die  hinteren  Körperhälften  doppelt  sein  können;  das  dann 
einfache  Hinter-  rcsp.  ^'orderende  ist  aber  nicht  durch 
Verwachsung  zweier  getrennter  und  vollständiger  Enden 
entstanden,  sondern  diese  Körpertheile  sind  auf  ganz 
normale  Weise  (durch  Schluss  der  restirenden  Keimring- 
theile)  gebildet  worden;  eine  Verwachsung,  aber  auch 
eine  Spaltung  ist  dabei  nur  scheinbar. 

Nach  Gerlach  (1882)  nimmt  die  Rauber'sche  Ra- 
diationstbeorie,  welciie  die  normalen  Entwickelungsvorgänge 
auch  für  die  Mehrfaehbildungen  verwerthet,  unter  allen 
über  die  Genese  der  Doppelbildungen  geäusserten  Theorien 
den  ersten  Rang  ein,  trifft  jedoch  nur  für  die  niederen 
Wirbelthiere  zu. 

Doch  nicht  nur  durch  Untersuchung  von  Doppel- 
bildungen auf  verschiedenen  Entwickelungsstadien  und 
durch  Vergleich  dieser  mit  normalen  Entwickelungsvor- 
gängen  hat  mau  sich  Anschauungen  über  das  Zustande- 
kommen der  Doppelmonstra  gebildet,  sondern  es  ist  auch 
versucht  worden,  der  Frage  auf  experimentellem  Wege 
näher  zu  treten.  Dabei  musste  man  annehmen,  dass  ent- 
weder neben  inneren  auch  noch  äussere,  der  Untersuchung 
leichter  zugängliche  Ursachen  bestimmend  sind,  oder  ülier- 
haupt  nur  letztere  in  Frage  kommen.  Durch  die  Erfah- 
rungen zahlreicher  Autoren  wusste  man,  dass  Hühnereier, 
die  man  den  verschiedenartigsten  Eingriffen  ausgesetzt 
hatte,  sehr  oft  Missbildungen  Hefern;  aber  die  meisten 
dieser  Versuche  hatten  nur  eben  dieses  Resultat  zur  Folge, 
dass  überhauj)t  Missbildungen  —  und  oft  sehr  verschieden- 
artige nach  dem  nändichen  Eingriffe  —  auftraten.  Nur 
in  wenigen  Fällen  war  man  dahin  gelangt,  bestimmte  Ab- 
normitäten als  die  Folge  bestimmter  Eingrifi'e  hinstellen, 
sie  also  von  solchen  ableiten  zu  können.  So  war  es 
Liharzik  gelungen,  abnorme  Vergrösserungen  des  Vorder- 
resp.  Hinterendes  dadurch  zu  erzielen,  dass  er  bebrütete 
Hühnereier  auf  bestimmter  Entwickelungsstufe  aufrecht 
stellte  und  weiter  bebrüten  Hess;  Dareste  hatte  ferner 
durch  Ueberfirnissen  des  stumpfen  Eipoles  die  normaler 
Weise  nach  diesem  hin  gerichtete  Allan tois  von  dieser 
Stelle  abgelenkt  und  auch  dadurch,  dass  er  mittelst  eines 
hier  nicht  näher  zu  schildernden  Apparates  die  Wärme 
auf  bestimmte  Stelleu  der  Eioberfläche  einwirken  Hess, 
beliebige  Gestaltveränderungen  der  Keim-  und  Gefässhaut 
erzielt. 

Was  nun  speciell  die  experimentelle  Erzeugung 
von  Doppelbildungen  anlangt,  so  schien  es,  als  ob  hier 
die  Verhältnisse  günstiger  lägen;  berichtete  doch  Valentin 
(1837),  dass  es  ihm  gelungen  .sei,  durch  Spaltung  der 
hinteren  Körperhälfte  eines  zweitägigen  Hühnerembryos 
Verdoppelung  des  Beckens  und  der  hinteren  Extremitäten 
zu  erzielen;  derselbe  Autor  (1851)  sowie  auch  Knoch 
(1872)  sind  geneigt,  vielfach  beobachtete  Doppelbildungen 
bei  Hecht-  resp.  Salmonideneiern  mit  einer  stattgehabten 
mechanischen  Erschütterung  der  Eier  in  Znsammenhang 
zu  bringen,  doch  sind  die  letzteren  Versuche  nicht  aus- 
gedehnt genug,  um  ein  sicheres  Urtheil  abgeben  zu  können, 
auch  hat  Lereboullet  auf  diesem  Wege  keine  Doppel- 
bildungen erhalten.  Und  auch  in  Bezug  auf  die  Pro- 
duction  von  Doppelbildungen  durch  künstliche  Spaltung 
des  Keimes  lehrte  die  Folge  bald  (Leuckart  und  Schrohe 
1862),  dass  auf  dem  eingeschlagenen  Wege  das  gewünschte 
Resultat  nicht  zu  erzielen  sei;  so  haben  sich  mehrere  er- 


Figur 2. 


artiger 


fahrene  Forscher  gegen  die  Möglichkeit,  Doppelbildungen 
künstlich  zu  erzeugen,  überhaupt  ausgesprochen  (Panum, 
Dareste,  Rauber). 

Es  ist  nun  das  Verdienst  Gcrlach's  (1882),  durch 
erneute  Versuche  dem  P^xperiment  wieder  den  Boden  er- 
obert zu  haben;  bei  den  grossen  Verschiedenheiten,  welche 
die  Doppelbildungen  aufweisen,  konnte  Gerlach  nicht 
eine  Ursache  als  die  alleinige  betrachten,  sondern  musste, 
wie  die  Dinge  damals  lagen,  der  Einwirkung  innerer  wie 
äusserer  Umstände  gleichen  Werth  beilegen;  eine  Unter- 
suchung der  letzteren  bot  günstigere  Chancen  für  das 
Gelingen,  und  so  wählte  Gerlach  sich  die  Erzeugung 
einer  Duplicitas  anterior  zum  Ziele.  Er  versuchte 
dies  dadurch  zu  erreichen,  dass  er  die  Schale  von  Hühner- 
eiern bis  auf  eine  Y-  oder  V-förmige  Stelle  über  der 
Keimhaut  überfirnisste  nnd  dann  die  Eier  im  Brutapparate 
sieh  entwickeln  Hess.  Im  Ganzen  wurden  60  Eier  ver- 
wendet; 20  von  diesen  enthielten  bei  der  (nach  3  —  6  Tagen 
vorgenommenen)  Untersuchung  normale,  wenn  auch  in  der 
Entwickelung  zeitlieh  zurückgebliebene  Embryonen;  14 Eier 
schienen  unbefruchtet  oder  verdorben  und  von  den  restiren- 
den 26  Eiern  zeigten  19  ausge- 
sprochene Abnormitäten,  während 
bei  den  letzten  7  die  Abnormitäten 
zufällige  zu  sein  schienen. 

Von  den  19  abnormen  Eiern 
enthielten  zwei  eine  ausgespro- 
chene Duplicitas  anterior  (Fig.  2); 
bei  dreien  war  eine  theilweise 
V  e  r  d  0 p  p  e  1  u  n  g  des  \'orderendes 
wenigstens  wahrscheinlich,  und  bei 
zweien  das  Vorderende  deutlich 
verbreitert.  Bei  der  Seltenheit  der- 
Formstörungen  liei  Hühnerembryonen  ist  es  voll- 
ständig berechtigt,  die  gewonnenen  Missbildungen  auf 
Rechnung  des  Eingriffes  zu  setzen;  durch  das  Ueber- 
firnissen war  die  Sauerstoffzufuhr  auf  eine  kleine  und  be- 
stimmte Stelle  der  Keindiaut  beschränkt,  wodurch  wenig- 
stens in  7  unter  46  resp.  60  Fällen  die  gewünschte  Ab- 
normität mehr  oder  weniger  ausgesprochen  erreicht  war. 
So  interessant  das  Resultat  an  sich  ist  —  es  hat 
Ger  lach  Veranlassung  gegeben,  tur  die  Entstehung  der 
Doppelbildungen  bei  \'()geln  neben  der  (seltneren)  Pluri- 
radiation  noch  die  (häufigere)  Bifurcation  anzunehmen  — 
so  interessant  also  das  Resultat  ist,  glänzend  und  besonders 
bestechend  kann  man  es  nicht  nennen.  Der  Autor  fühlte 
das  selbst,  hoffte  jedoch  von  einer  Verbesserung  der  Me- 
thode präcisere  Erfolge.  Ganz  kann  man  nach  den  bis- 
herigen Erfolgen  diese  Hoffnung  nicht  bestreiten,  aber  es 
lässt  sich  leicht  einsehen,  dass  (Ue  Aussichten  ziemlich 
geringe  sind.  Das  liegt  an  dem  Material  —  der  Keim  ist 
von  Aussen,  ohne  dass  von  vornherein  sehr  schwere 
Störungen  gesetzt  werden,  nicht  direct  zugänglich;  auch 
erhalten  wir  bekanntlieh  die  Hühnereier  erst  auf  einem 
Stadium,  wo  die  Bildung  der  beiden  primären  Keimblätter 
bereits  vollzogen  ist,  wo  also  die  Furchung  abgelaufen 
und  das  zunächst  indifferente  Furchungsmaterial  bereits 
diflferencirt  ist;  man  ist  daher  gar  nicht  im  Stande,  die 
ersten  Entwickelungsphasen  bei  Vogeleiern  zu  ])eeinflussen, 
und  doch  dürfte  das  gerade  von  hohem  Werth  sein. 

Nun  bieten  sich  uns  die  Eier  vieler  Thierarten  dar, 
gegen  die  man  diese  Einwände  nicht  machen  kann,  die 
auch  noch  sonstige  Vorzüge  vor  Vogeleiern  besitzen  —  an 
solchen  ist  nun  in  den  letzten  Jahren  so  vielfach  ex- 
perimentirt  worden,  dass  wir  eine  grosse  Reihe  von  Er- 
fahrungen, unter  diesen  auch  solche,  die  uns  hier  inter- 
essiren,  gewonnen  haben.  Freilich  sind  alle  diese  Versuche 
nicht  darauf  ausgegangen,  Doppelbildungen  zu  erzielen, 
sondern  es  handelte  sich  zunächst  darum^  eine  neuerdings 


Nr.  27. 


Naturvvisscnschaftliclic  Worhensehrift. 


267 


wieder  aufgetauelite,   ältere  Anschauung'  von  His  zu  ent- 
kräften resp.  zu  l)ej;rUnden. 

Von  His  rührt  die  Lehre  von  den  ,,or,nanhildendcii 
Keim  bezirken"  in  der  KeiniselR'ihe  (der  Vi'pgel)  her, 
nach  welelicr  in  der  Keimscheibe  die  Auhigen  der  Orgaue 
in  flacher  Ausbreitung  vorgebildet  sind  und  jeder  Punkt 
oder  Bezirk  der  Keiniseheibc  sich  in  einem  erst  später 
entwickelnden  Organe  wiederfindet.  Es  ist  klar,  dass 
mau  dasselbe  Priucip  niclit  nur  auf  die  Keimscheibe,  son- 
dern auch  auf  früiiere  Stadien,  ja  selbst  auf  das  Ei  an- 
wenden kann,  und  es  ist  ferner  crsiclitlicli,  dass  eine  der- 
artige Präformation,  wenn  sie  überhaupt  richtig  ist,  nicht 
nur  für  die  Eier  der  Vögel,  für  welche  sie  von  His  auf- 
gestellt war,  gelten  wird,  sondern  in  gleichem  Umfange 
für  die  übrigen  Thiere  Geltung  haben  muss. 

Nun  ist  von  Pflüger  das  Irrige  dieser  Ansicht  durch 
Versuche  am  Froschei  gezeigt  worden.  Bekanntlich  zeigt 
das  kiiglige  Froschei  einen  dunklen  und  einen  hellen  Pol; 
wegen  der  grösseren  Schwere  des  letzteren  stellt  sich  das 
Ei  im  Wasser  stets  mit  dem  hellen  Pole  nach  unten  und 
bei  Eintritt  der  Entwickelung  theilt  die  erste,  stets  verticale 
Furchungsel)eue  das  Ei  in  zwei  Hall)kngeln;  jede  derselben 
besteht  aus  einem  oberen  dunklen  und  unteren  hellen 
Abschnitt.  ^Vürden  nun  organliildendc  Keimbezirke  am 
Froschei  Aorhanden  sein,  so  müsste  mit  einer  Drehung 
des  Eies  auch  die  Richtung  der  ersten  Furchungsebene 
(ebenso  der  folgenden)  in  entsprechendem  Sinne  abgelenkt 
werden.  AV^enn  man  jedoch,  wie  Pflüger  es  that,  be- 
fruchtete Froscheier  in  Zwangslagen  bringt  und  erhält, 
so  bleibt  die  erste  Furchungsebene  vertieal,  sondert  aber 
nun  andere  Portionen,  als  bei  normaler  Lagerung,  z.  B. 
eine  helle  von  einer  dunklen  Halbkugel,  und  doch  bildet 
sich  auch  in  diesem  Falle  ein  normaler  Embryo.  Seine 
Körperhälften  entstammen  aber  ganz  anderen  Partien 
des  Eies,  als  unter  normalen  Verhältnissen;  es  können 
denmach  nicht  bestimmte  Portionen  der  Eisubstanz  zur 
Ausbildung  bestimmter  Organe  im  Voraus  bestinnut  sein; 
alle  Tlieile  sind  einander  glcichwerthig,  das  Ei  ist 
isotrop. 

Si)äterhin  hat  Roux  die  Lehre  von  den  organbildenden 
Keimbezirken,  wenn  auch  in  gcwisserModification,  wiederum 
aufgestellt,  da  ev  Beziehungen  zwischen  den  drei  ersten 
Furchungsebenen  zu  gewissen  Ebenen  des  erwachsenen 
Körpers  (beim  Frosche)  gefunden  hat.  Die  erste,  stets 
verticale  Furchungsebene  fällt  nämlich,  nach  Roux,  mit 
der  Medianebene  des  Körpers  zusammen  und  sondert  da- 
her das  Material  für  die  rechte  und  linke  Körperhälfte; 
die  zweite,  ebenfalls  verticale,  aber  zur  ersten  senkrecht 
stehende  Furchungsebene  theilt  den  künftigen  Köi|)er  (|uer 
durch,  scheidet  also  vordere  und  hintere  Körperhälfte, 
während  die  dritte,  horizontale  Furchungsebene  in  die 
Frontalebene  des  Körpers  fällt  und  die  Rücken-  von  der 
Bauchhälfte  sondert.  Der  Entwickelungs])rocess  ist  daher 
nach  Roux  niclit  eine  Folge  der  Zusammenwirkung  aller 
Theile  oder  auch  nur  aller  Keimtheile,  sondern  eine  Selbst- 
differencirung  der  ersten  Furchungszcllen  und  des  Com- 
plexes  ihrer  Derivate  zu  einem  bestimmten  Stück  des 
Embryo;  er  ist  eine  Mosaikarbeit  aus  mindestens  vier 
verticalen,  sich  selbstständig  entwickelnden  Stücken. 

Um  dies  noch  näher  zu  begründen,  hat  Roux  eine 
der  beiden  ersten  Furchungshalltkugeln  von  Froscheiern 
mit  einer  heissen  Nadel  angestochen  und  beobachtet,  dass, 
wenn  überhaupt  eine  Weiterentwickelung  eintrat,  die  un- 
verletzte Halbkugel  sich  zu  einer  Halbbildung  ent- 
wickelte, der  an  Stelle  der  fehlenden  Körperhälfte  die 
mehr  oder  weniger  verletzte  zweite  Halbkugel  ansass. 
In  den  meisten  Fällen  allerdings  war  die  letztere  durch- 
aus nicht  todt,  sondern  ergänzte  thcils  durch  einen  nach- 
träglichen  in    ihr   auftretenden    Furchungsprocess,    theils 


von   der  unversehrten  Hälfte   aus   den  Defeet  mehr  oder 
weniger  vollständig. 

Diese  I>gebnisse  scheinen  nun  in  der  That  die  Roux- 
sche  Ansicht  bedeutend  zu  stützen,  und  man  kann,  wie 
dies  Roux  selbst  erwähnt,  in  der  Litteratur  eine  ganze 
Reihe  von  Fällen  unter  den  wirbellosen  Thieren  auffinden, 
bei  denen  dieselben  Beziehungen  zwischen  den  ersten 
Furchungsebenen  und  den  llau])tebenen  des  später  ent- 
stehenden Körpers  existireu;  theils  sind  diese  Beziehungen 
den  Autoren  bewusst  gewesen,  theils  ergeben  sie  sich  aus 
den  Abbildungen,  aber  Niemand  hat  die  gleichen  Schluss- 
folgerungen gemacht. 

Jedenfalls  haben  die  Roux' sehen  Versuche  den  An- 
stoss  zu  einer  ganzen  Reihe  ähnlicher  an  den  Eiern 
anderer  Thiere  gegeben;  die  Resultate  weichen  meist 
recht  bedeutend  von  dem  Roux'schen  ab. 

Was  zuerst  ilie  Beziehungen  der  ersten  Furchungs- 
ebene zur  Medianebene  des  Körpers  anlangt,  so  ist  auf 
einen  Versuch  Ilertwig's  hinzuweisen,  der  ein  Tritonei 
auf  dem  Zweistadium  durch  einen  feinen  Seidenfaden  so 
einschnürte,  dass  der  Faden  genau  mit  der  Furchungs- 
ebene zusammenfiel;  das  Resultat  war  keine  Halbbildung 
im  Sinne  Roux's,  sondern  ein  ganzer  Embryo;  auch  lag 
der  Faden  nicht  in  der  Medianebene,  sondern  ging  (pier 
um  den  Embryonalkörper  herum,  so  dass  demnach  hier 
die  erste  Furchungsebene  nicht  wie  beim  Froschei  die 
Seitenhälften  des  Körpers,  sondern  vorn  und  hinten  ge- 
sondert hatte.  Ferner  hat  eine  Amerikanerin,  0.  M.  Clapp, 
die  ;")  nun  im  Durchmesser  haltenden  Eier  von  Batrachus  tau 
auf  diese  Verhältnisse  untersucht  und  mir  in  Ausnahme- 
fällen das  Zusammenfallen  der  ersten  Furchungsebene  mit 
der  späteren  Medianebene  constatiren  können;  umgekehrt 
war  es  Roux  selltst  bekannt,  dass  nicht  gerade  sehr  selten 
auch  beim  Froschei  die  erste  Furchungsebene  eine  quere 
oder  beinahe  quere  und  die  zweite  erst  die  mediane  ist, 
was  Roux  als  Anachronismus,  als  eine  Verwechselung  der 
Folge  der  beiden  ersten  Furchen  bezeichnet! 

Zur  Zeit  der  Publieation  der  Roux'schen  Versuche 
lag  bereits  eine  Arbeit  Chabry's  vor,  der  an  den  Eiern 
von  Ascidia  asjiersa  ex])erimentirt  hatte.  Diese  Versuche 
wurden  durch  die  Beobachtung  veranlasst,  dass  auch 
spontan  durchaus  nicht  selten  eine  der  ersten  beiden 
Furchungszcllen  bei  den  Eiern  der  genannten  Ascidie  ab- 
stirbt, während  die  andere  sich  weiterfurcht;  es  bildet 
sich  eine  Halliblastula,  die  sich  aber  schliesst  und  sieh 
weiter  zu  einer  ganzen  Gastrula  und  einem  ganzen  Embryo 
entwickelt,  jedoch  sind  die  betreffenden  Stadien  Zwerge 
von  ungefähr  nur  halber  Grösse,  als  die  entsiirecheiiden 
normalen  Stadien.  Das  gleiche  Resultat  erreichte  Chabry, 
wenn  er  mit  einem  hier  nicht  näher  zu  schildernden  Ap- 
parate eine  der  beiden  ersten  Furchungszellen  abtödtete. 
Die  erhaltenen  Larven  unterschieden  sich  von  normalen 
nur  durch  die  Körpergrösse  und  den  Mangel  einiger 
untergeordneter  ( »rgane  (<  »tolith  und  eine  Hattpapille). 

Nach  Oh  ab  ry  und  Roux  haben  Fiedler  undDriesch 
entsprechende  Versuche  an  Ecliinodermeneiern  angestellt; 
letzterer  experimentirte  an  den  Eiern  von  Echinus  micro- 
tuberculatus  in  Triest.  Durch  starkes  Schütteln  der  auf 
dem  Zweizellenstadium  befindlichen  Eier  gelang  es,  die 
Eihaut  zu  sprengen  und  die  beiden  Furchungszellen  zu 
isoliren;  freilich  waren  viele  durch  diesen  mechanischen 
Eingriff  abgctödtet,  aber  andere  erwiesen  sich  als  lebend, 
sie  wurden  isolirt  und  weiter  gezüchtet. 

Der  Vergleich  d«r  Furehung  dieser  Halbeier  (isolirter 
Zellen  des  Zweizellenstadiums)  mit  entsprechenden  nor- 
malen Stadien  ergab  nun,  dass  in  den  meisten  Fällen  die 
Furchungsstadicn  die  Hälften  normaler  Stadien  dar- 
stellen; ganz  besonders  deutlich  war  dies  auf  dem 
Mll-Stadiuin,  das  dem  halb  XVI-Stadium  normaler  Eier 


2r58 


Naturwissenschaftliche  Woclieuschrift. 


Nr.  27. 


entsprach.  Letzteres  besteht  normal  (Fig.  3)  aus  drei 
ZeHringen:  vier  kleine  Zellen  (Micromeren)  Itilden  einen 
Ring  am  animalen  Pole,  vier  grosse  einen  mittleren  Ring, 
während  am  vegetativen  Pole  ein  Ring  von  8  grösseren 
Zellen  liegt.  Das  entsprechende  Halbstadium  (Fig.  4)  be- 
stand aus  2  Micromeren,  2  Macromeren  und  4  grösseren 
Zellen  am  vegetativen  Pole.  In  anderen  Fällen  aber  war 
der  Keim  bereits  auf  dem  XXXIIStadium  {=  halb  LXIV) 
zur  Kugel  geschlossen  oder  das  typische  Schema  der 
Furchung-  überhaupt  nicht  zu  constatiren. 

In  der  ^Mehrzahl  der  Fälle  bot  der  Halbkcim  am 
Abend  des  ersten  Befruchtungstages  das  Bild  einer  ottcnen 
Halbkugel,  was  man  als  typisch  ansehen  kann,  üeber 
Nacht  liatten  sich  dieselben  zu  kugligen  Blasen  (Blastulae) 
geschlossen,  die  aber  nur  die  lialbe  normale  Grösse  be- 
sassen.  Die  sie  znsannnensetzenden  Zellen  boten  in  Bezug 
auf  ihre  Grösse  keinen  Unterschied  von  denen  normaler 
Blastulae,    und   so   darf  man    unter  Berücksichtigung  des 


Figur  3. 


Figur  4. 


Furchungsmodus  annehmen,  da^s  diesen  Zwergen  nur 
(ungefähr)  die  Hälfte  der  Zellen,  die  eine  normale  Blastula 
derselben  Art  zusammensetzen,  zukonmit. 

Am  Ende  des  zweiten  Tages  starben  viele  Blastulae 
ab;  bei  den  gesunden  begann  am  vegetativen  Pole  die 
Einstülpung  und  am  Morgen  des  dritten  Tages  schwammen 
Zwerggastrulae  in  den  Gefässen  herum;  ein  Theil 
dieser  entwickelte  sich  schliesslich  zu  typischen  Plutei, 
die  sich  von  normalen  nur  durch  die  Grösse  unterschieden. 

Durch  diese  Versuche  war  also  bewiesen,  dass  unter 
Umständen  jede  der  beiden  ersten  Furchungskugeln  eines 
Eies  von  Echinus  microtubcrcuiatus  eine  normal  gebildete, 
ganze  Larve,  aber  von  halber  Grösse,  aus  sich  hervor- 
gehen lässt;  aus  einem  Ei  können  demnach  duich  Tren- 
nung auf  dem  Zweizellenstadium  zwei  Larven,  also  voll- 
kommen getrennte  Zwillinge  hervorgehen;  es  sind  dies 
nicht  Halbbildungen  im  Sinne  Roux's,  S(Mulern  Theil- 
bildungeu.  Eben  solche  Theilbildungen  erhielt  Driesch, 
wenn  er  die  Eier  von  Sphaerechiuus  granularis  etwa 
8  Stunden  einer  Temperatur  von  +31°  G.  aussetzte;  auch 
diese  wirkt  trennend  auf  die  Furchungsstadien  ein  und 
lässt  Theilbildungen  von  normaler  Form,  aber  halber 
Grösse  hervorgehen. 

Es  lag  nahe,  diese  Versuche  auch  auf  das  Vierzellen- 
stadium auszudelaien,  um  zu  erfahren,  ob  die  Furchungs- 
zellen  ein  gleichartiges  Material  darstellen,  das  durch 
Entnahme  eines  Tlieiles  nur  (piantitativ  geschädigt  wird. 
Durch  Schütteln  der  Seeigeleier  während  der  zweiten 
Furchungsphase,  also  auf  dem  Vierstadium,  gelang  es 
eine  der  vier  Zellen  zum  Platzen  zu  bringen,  denniach 
drei  Viertel  lebend  zu  behalten.  Meist  versagte  aber  diese 
iMethode,  um  ein  ^Mertel  lebensfähig  abzusprengen,  doch 
gelang  dies  leichter  bei  Anwendung  von  Druck  zwischen 
zwei  Glasplatten.  Um  kurz  zu  sein,  geben  wir  nur 
das  Resultat:  die  isolirten  Viertel  und  die  Dreiviertel- 
gebilde furchen  sieh  in  der  giossen  Mehrzahl  der  Fälle 
so,  wie  sie  sich  geturcht  hätten,  wenn  der  fehlende  An- 
theil  vorhanden  ge^vcsen  wäre.  Es  war  dies  ganz  be- 
sonders ersichtlich  auf  jenem  Stadium,  das  dem  normalen 


XVI-Stadium  entspricht,  welches  im  ersten  Falle,  bei  den 
Viertelbildungen  aus  4,  bei  den  Dreiviertelgebilden  aus 
12  Zellen  bestand  und  genau  V4  i'csp.  ^,\  des  normalen 
Furchungsstadiums  darstellte. 

Aus  den  Dreiviertelbildungen  entstanden  schliesslich 
typische  Pluteuslarven,  die  nur  wenig  kleiner  waren  als 
normale  Gontrolexemplare;  dagegen  verzögerten  die  Viertel- 
bilduugen  ihre  Entwiekelungen,  wenn  dieselbe  überhaupt 
über  die  Furchung  hinausging,  autfallend  lange  und  nur 
ein  kleiner  Theil  derselben  lieferte  typische,  aber  sehr 
kleine  Plutei  mit  kurzen  Armen.  Auch  Chal)ry  hat 
ganz  analoge  Erfahrungen  bei  Ascidia  aspersa  gemacht, 
nur  gelangten  die  Viertelbildungen  nicht  über  das  Gastrula- 
stadium  hinaus. 

Die  Wärme-  .und  Druckversuche  haben  noch  ein 
weiteres,  sehr  wichtiges  Resultat  ergeben;  es  gelingt 
nämlich,  durch  Wärme,  noch  mehr  durch  Druck,  den  Fur- 
chungstypus  ganz  ausserordentlich  zu  modificiren,  und 
doch  entwickeln  sich  die  abnorm  gefurchten  Eier  zu  ganz 
typischen  Plutei,  denen  man  ihre  eigenartige  Entstehung 
nicht  im  geringsten  ansieht.  So  unterbleibt  z.  B.  bei  den 
Eiern  von  Echinus  microtubcrcuiatus,  die  abnormer  Wärme 
ausgesetzt  werden,  die  Ausbildung  von  vier  Micromeren 
ganz  und  tritt  bei  denen  von  Sphärcchinus  granularis  nur 
ausnahmsweise  ein.  Das  Gleiche  tritt  bei  Druck  ein; 
das  XVI-Stadium  z.  B.  war  hierbei  eine  Zellplatte,  die 
aus  zwei  Kränzen  von  je  acht  Zellen  geliildet  worden  ist, 
einem  inneren  und  einem  äusseren  Kranze  —  nach  Auf- 
hellung des  Druckes,  der  übrigens  oft  genug  auch  die 
Eimend)ran,  unbeschadet  der  weiteren  Entwickelungsfähig- 
keit,  gesprengt  hatte,  entstanden  schliesslich  normale 
Larven,  ebenso  aus  anderen  Furchungssta<lien,  die,  wie  er- 
wähnt, normal  nie  \orkommen,  z.  B.  aus  zwei  übereinander- 
liegenden Platten  von  je  acht  Zellen.  Es  wird  damit  die 
Annahme  einer  specitischen  Bedeutung  einzelner  Furchungs- 
zellen,  wenigstens  für  die  Echiniden,  vollständig  beseitigt. 
Durch  die  Druckversuche  sind  die  Furchungszellen  wie 
ein  Haufen  Kugeln  durcheinander  geworfen  worden,  ohne 
dass  '  dadurch  die  normale  Entwickelungsfähigkeit  des 
Keimes  das  Mindeste  eingebüsst  hätte.  Durch  die  Thei- 
lung  der  Eizelle  während  der  Furchung  werden  V(illig 
gleichwerthige,  ganz  indift'erente  Zellen  geliefert,  wovon 
vielleicht  nur  einzelne  Fälle,  wo  es  sieh  um  sehr  frühzeitige 
Ausbildung  von  Keimzellen  handelt,  eine  Ausnahme  l)ilden. 

Man  sieht  aber  auch,  dass  der  Furchungsmodus  für  das, 
was  schliesslich  aus  ihm  wird,  unwesentlich  ist  und  dass 
Furehungstypen  keinen  systematischen  Werth  besitzen 
können. 

Andererseits  ist  es  aber  eine  nicht  zu  leugnende 
Thatsache,  dass  unter  normalen  Fällen  sich  bestinmite 
Körpertheile  und  Organe  auf  ganz  l)estimmte  Furchungs- 
zellen zurückführen  lassen;  nach  den  neuen  Erfahrungen 
in  dieser  Beziehung  wäre  es  aber  verkehrt,  dies  als  eine 
im  V(u-aus  der  einzelnen  Furehungszelle  zukonnnende 
Function  anzusehen;  nur  die  relative  Lage  einer  Fur- 
ehungszelle bestinnnt  im  Allgemeinen  das,  was  aus  ihr 
hervorgeht;  liegt  sie  anders,  so  giebt  sie  auch  Anderem 
den  Ursprung.  Beiläufig  sei  bemerkt,  dass  auch  bei  den 
Cestoden  und  Trematoden  die  Furchung  individuell 
recht  verschieden  verläuft,  ohne  dass  die  erwachseneu 
Stadien  eine  grössere  individuelle  Variation  aufweisen, 
als  solche  sonst  bei  anderen  Thieren  vorkommt. 

Die  oben  geschilderten  Versuche  Driesch's  haben 
gezeigt,  dass  völlige  Spaltung  des  Keimes  auf  dem 
Z weizellenstadiura  (Isolirung  der  beiden  Furchungs- 
zellen) die  Veranlassung  zur  Ausbildung  völlig 
getrennter  Zwillinge  ist.  Nun  war  aber  bei  den 
Schüttelversuchen  in  einer  AnzahlFälle  dicEimembran  nicht 
gesprengt,   sondern  nur  verzerrt  worden  und  der  Coutact 


Nr.  27. 


Natniwissenschaftliclie  Wochenschrift. 


2fi9 


Figur  5. 


der  beiden  Furchnngszelk-n  war  g-elockert.  Unter  41 
.solcher  stark  gezerrten  Furehungsy.ellen  heoliaclitcteDricsch 
17-mal  am  Ende  des  ersten  15eobaclitinigstages  keine  ge- 
schlossenen Kugeln  (Blastulae),  sondern  aus  zwei  Hälften 
bestehende;  in  10  von  diesen  Fällen  trat  keine  spätere 
Theilung  in  zwei  Individuen  ein,  vielmehr  blieb  die.se 
verzogene  Form  bis  zum  einfachen,  aber  verzogenen 
Gastrula-  und  Pluteus-Stadium;  aber  in  G  Fällen  ging  die 
p]inschnuruiig  am  .Aforgen  des  zweiten  Tages  fast  ganz 
durch,  man  sali  also  Hlastulapaare,  die  sich  noch  etwas 
berührten,  herumschwimmen.  Am  Abend  waren  sie  alle 
getrennt,  halb  so  gross  wie  normale  und  sie  entwickelten 
sich  schliesslich  auch  zu  Zwergplmtci.  In  einem  Falle 
nur  wurde  die  Theilung  niciit  ganz  dni-chgcführt  —  die 
beiden  Blasen  blieben  also  zusammcniiängcn  und  Jede 
gab  eine  Gastrula  und  später  einen  Pluteus,  so  dass  hier 
also  eine  Doppelbildung  mit  bleibender  Verbin- 
dung der  beiden  Individuen  erzielt  war  (Fig.  5). 

Ausser  Driesch  hat  vor  Kurzem  auch  Chun  hierher 
gehörige  Beol)achtungen  an 
den  Eiern  pelagischer  Eippen- 
(juallen  (Eucharis  und  Bolina) 
veröffentlicht,  die  zum  Theil 
vor  15  Jahren  angestellt  sind. 
Die  in  einer  Membran  einge- 
schlossenen beiden  Furchungs- 
zellen  stellen  an  und  für  sich 
in    lockerem    Zusannnenhange, 

der  durch  massiges  .Schütteln  noch  geringer  resp.  aufge- 
hoben wird.  Mit  Rücksicht  auf  das  Resultat  ist  aber  wohl 
zu  beachten,  dass  die  Eimenibran  nicht  gesprengt  war, 
sondern  die  beiden  getrennten  Furcliungszellen  völlig 
umschloss.  Darin  ist  meines  Erachtens  begründet,  dass 
jede  Furclnmgskugel  sich  zu  einem  Halbembrvo  und 
später  sich  zu  einer  Halblarve  entwickelte.  In  der 
Nachbarschaft  der  sich  ebenfalls  entwickelnden  und  ver- 
grösseruden  Furchungskugel  bestand  ein  mechanisches 
Hinderniss  für  die  regelrechte  Entvvickelung  zweier  Ganz- 
larven von  halber  Grösse,  wie  der  ansitzende  Rest  der 
operirten  Furcjiungskugel  bei  den  Froscheiern  Roux's 
ebenfalls  die  Ausbildung  emcs  ganzen  Embryo's  aus  der 
einen  Hälfte  verhindert  hat. 

Derartige  Lockerung  der  ersten  Furchnngszellen  bei 
Ctenophoren  nniss  auch  in  der  Natur  vorkonnnen,  da 
Chun  Halblarven  auch  im  Freien  beobachtet  hat;  es  wird 
dies  verständlich,  wenn  man  erfährt,  dass  die  Angehörigen 
der  beiden  Ctenophorengattungen  ihre  ganze  Lebenszeit 
pelagisch  verbringen  und  niemals,  wie  iln'c  nächsten  Ver- 
wandten es  thun,  geschützte  Tiefenregionen  aufsuchen. 
Das  Spiel  der  Wellen  wird  in  vielen  Fällen  die  Lockerung 
der  ersten  Furchungszellen  bewirken,  womit  das  Auftreten 
der  Halblarven  auch  im  pelagischen  Auftrieb  erklärt  ist. 
Dass  aber  auch  hier  diese  Hall)bildungen  nur  vorüber- 
gehend .sind,  konnte  Chun  selbst  con.statiren,  da  sich  die- 
selben früher  oder  später  zu  ganzen  Thieren  regeneriren, 
wie  es  die  Halblarven  Roux's  auch  thatcn. 

Oben  ist  bereits  angegeben  worden,  dass  nach  der 
Ansicht  von  Fol  die  Befruchtung  eines  Eies  mit  zwei 
Samenfäden  eljcnfalls  Veranlassung  zu  Zwillingsbildungen 
geben  soll,  eine  Ansicht,  die  auch  von  Hertwig  als  niciit 
unliereehtigt  angesehen  wird;  aber  die  Beweise  hierfür 
sind  nicht  überzeugend  genug;  denn  die  von  Fol  gezo- 
genen Larven  sind  eher  Monstra  als  Doppelbildungen  und 
die  He  rtwig'schen  Larven  (unter  Tausenden  nur  wenige) 
werden  zwar  als  solche  „mit  dopi)elter  Gastruiaeinstüliiung" 
resp.  als  Plutei  mit  doppelter  Spitze  bezeichnet,  aber 
Näheres  ist  über  sie  nicht  bekannt,  auch  bleibt  es  frag- 
lich, ob  sie  wirklich  auf  doppelt  befruchtete  Eier 
zurückzuführen  sind. 


Auch  Driesch  hat  dieser  Frage  seine  Aufmerksamkeit 
geschenkt  und  82  Eier  von  Sphaerechinus  sowie  Echinus 
näher  untersucht,  von  denen  sicher  anzunehmen  ist,  dass 
sie  doppelt  befruchtet  waren;  es  ergiebt  sich  dies  aus 
dem  Furchungsmodus,  der,  wie  dies  durch  die  Gebrüder 
Hertwig  festgestellt  war,  nach  der  Doppclbefruclitung 
gleich  vier  Zellen  liefert.  Der  Verfolg  der  Furchung  er- 
gab, dass  der  Rhythmus  der  ganzen  Theilung  in  strengster 
Weise  dopjielt  auftritt;  das  XVI-Stadiuni  zweifach  be- 
fruchteter Eier  entspriclit  also  dem  Vlll-Stadium  normaler 
Eier  und  so  fort,  wenigstens  in  den  regelmässigen  Fällen. 
Aus  allen  82  doppelt  befruchteten  Eiern  entstanden 
Blastulae,  doch  wurden  die  meisten  bald  trübe,  61  starben 
schon  am  zweiten  oder  dritten  Tage  ab;  bei  den  übrigen 
21  zeigte  sich  der  Beginn  einer  Einstülpung,  dann  starben 
auch  sie,  ohne  dass  es  zu  einer  ausgeprägten  Gastrula- 
Form  gekommen  wäre;  niemals  entstand  eine  zweifache 
Einstülpung.  Man  darf  daraus  den  Schluss  ziehen,  dass 
Doppelbefruchtung  zu  Zwillingsbildungen  nicht 
Veranlassung  giebt,  dass  sie  vielmehr  die  Entwicke- 
lungsfähigkeit 


Möglicherweise 


der    Keime    ausserordentlich    beschränkt. 

werden    aber    mehrfach   befruchtete  Eier 

wieder  entwickelungsfähig,  doch  bleibt  dies  noch  zu  prüfen. 

Endlich  wollen  wir  noch  darauf  hinweisen,  dass  bei 
Lumbricus  trapczoides  nach  Kleinenberg  getrennte 
Zwillingsbildungcn,  die  aus  einem  Ei  hervorgehen,  die 
Regel  zu  sein  scheinen.  Die  Theilung  tritt  hier  in 
dem  Gastrulastadium  auf,  und  nach  einer  Bemerkung  von 
Vejdovsky  scheint  Wärme  die  Ursache  oder  wenigstens 
mit  bestinnnend  zu  sein,  da  er  sie  in  solchen  Fällen  noch 
häufiger  sah. 

Dojtpelbil düngen  lassen  sich  nach  J.  Loeb  auch 
noch  auf  ganz  anderem  Wege  und  zwar  bei  erwachsenen 
Thieren  erzielen;  solche  sind  selbstredend  nicht  in  eine 
Rubrik  mit  den  l)isher  besprochenen  Zwillingsbildungen 
zu  stellen.  Wenn  Loeb  von  einer  Colonie  der  Tubularia 
mesembryanthemuni  einen  Stamm  mit  einem  Polypen- 
k(")pfchen  abtrennte  und  denselben  so  fixirte,  dass  das 
normal   untere  Ende  (Wurzclende)  ins  Wasser  ragte,   das 


Kö]ifchen  sich  dagegen  im  Sand  befand,  sei 


das 


Wurzelende  bald  ein  neues  Köpfchen;  er  erhielt  also  einen 
Stanmi,  der  an  jedem  Ende  ein  Köpfchen  trug.  Auch 
bei  gefiederten  Polypen  lässt  sich  in  der  gleichen  Weise 
am  Wurzelende  eine  neue  Colonie  erzeugen.  Wenn  der- 
selbe bei  Cerianthus  unterhalb  des  Kopfendes  einen  seit- 
lichen Einschnitt  in  die  Körperwand  machte,  so  bildete 
sich  hier  ein  zweiter  Tentakelkranz;  durch  denselben 
Eingrift"   gelang  es   bei  Ciona    intestinalis,    einer    Ascidie 

(Fig.  6),  eine  und  selbst  zwei 
neue  Mundröhren  mit  Ocellen 
unterhall)  der  alten  Mundröhre 
hervorzurufen.  Hier  spielen 
also  Regencrationsvorgäuge 
eine  Rolle,  wie  solche  es  ge- 
legentlich bewirken,  dass  bei 
Eidechsen  zwei  Schwänze  vor- 
konnnen; der  eine  nur  ist  neu 
gebildet,  der  alte  winklig  ab- 
geknickt; gelegentlich  können 
1  zwei  neue  Schwänze  auftreten  und  der  alte 
:ehcn.     Ob  die  bei  Regenwürmern  beobachteten 


Figur  6. 


aber    auc 
verloren  j 


Doppelbildungen  auf  denselben  Ursachen  beruhen,  scheint 
nicht  festgestellt. 

Zwergbildungen  anlangend,  so  haben  wir  schon 
erfahren,  dass  Verringerungen  der  Protoplasmamasse  auf 
die  Hälfte,  drei  Viertel  resp.  ein  Viertel  die  Ursache  zu 
ihrer  Entstehung  abgielit.  Es  resultirt  dies  schon  aus 
den  Versuchen  der  Gebrüder  Hertwig,  die  durch  Schütteln 
TheiledesProtoplasmasabsprcngten,  den  zurückgebliebenen 


270 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  27. 


kernhaltigen  Rest  befruchteten  und  normale,  aber  zwerg- 
haft kleine  Larven  aus  Echinideneicrn  erz<igen.  Und  aus 
den  brichst  interessanten  Vcrsuclien  Boveri's  ergiebt  sich 
dasselbe;  dieser  Autor  besamte  die  kernlosen,  von  Eclii- 
uideneiern  durch  Schütteln  abgesprengten  Stücke  und 
erzog  auch  hier  Zwerglarven  von  normaler  Form.  In 
diesem  Falle  hatten  die  Kerne  der  Larven  eine  geringere 
Grösse  als  die  normaler  Larven,  wahrscheinlich  aueli  die 
zugehörigen  Zellen,  doch  wird  deren  Zahl  ungefähr  der 
Nornialzalil  gleich  gestanden  haben.  Bei  den  Driesch- 
schen  Versuchen,  wo  die  Zwerge  als  Theillnldungen  auf- 
traten, ist  es  sicher,  dass  die  Zahl  der  eine  solche  Zwerg- 
bildung zusannnensetzenden  Zellen  verringert  ist  und  un- 
gefähr, je  nachdem  V^  oder  ■',4  oder  Vj  des  Eimateriales 


zur  Verwendung    kam,    die   Hälfte    resp.    drei    resp.    ein 
Viertel  der  Normalzahl  lieträgt. 

AVie  Grub  er  niittheilt,  giebt  es  auch  unter  den  In- 
fusorien Zwerge;  hier  ist  natürlich  die  geringe  Menge 
des  Lrotoplasma  dieser  einzelligen  Thiere  das  Bestimmende 
für  die  Zwergform;  der  Kern  ist  ebenfalls  klein,  kann 
al)er  abnorme  oder  normale  Gestalt  haben.  Wir  wissen, 
dass  in  Gefangenschaft  bei  spontaner  Theilung  der  In- 
fusorien ein  stetiges  Abnehmen  ihrer  Körpergrösse  nicht 
selten  eintritt,  auch  hat  Gruber  durch  seine  Zerschnei- 
dungsversuche  bei  Infusorien  künstlich  Zwerge  erzeugt, 
doch  erreichten  sie  niemals  die  Winzigkeit,  wie  einige 
im  Freien  beobachtete  Zwerge  von  Stentor  polymorphus 
und  coeruleus. 


Die  kritischen  Tage  des  Herrn  Falb*). 

Die  Lehre  vom  Zusammenhang  zwischen  Wetter  und  Mondwechseln,  untersucht  von  H.  llildebrand  Hildebrandsson, 

Prof.  der  Meteorologie  an  der  Universität  Upsala. 


Die  Vorstellung,   dass  die  Witteruui. 


Deutsch  von  Dr. 
von  den  Mond- 


wechseln abhängig  sei,    findet  sich   schon  bei  den  Alten. 
Horatius  z.  B.  sagt  in  seinem  25.  Lied  des  ersten  Buches: 

„Thracio  bacchante  magis  sub  interlunia  vento", 
und  im  7.  Lied  des  4.  Buches: 

„Danuia  tamen  celeres  reparant  coelestia  Lunae." 
Und  es  lässt  sich  leicht  erweisen,  dass  diese  Vor- 
stellung bei  fast  allen  Völkern  und  fast  zu  allen  Zeiten 
vorhanden  gewesen  ist.  Ja  sie  gilt  bei  einem  grossen 
Theil  des  Volks  noch  in  unseren  Tagen  geradezu  wie 
ein  Glaubensartikel!  Und  nicht  selten  hört  man  es  von 
dieser  Seite  als  eine  schwere  Beschuldigung  gegen  die 
Meteorologen  aussprechen,  dass  sie  diese  Frage,  die  doch 
ihres  Studiums  werth  wäre,  nicht  studiren  wollen.  Allein 
dies  ist  eine  ganz  falsche  Beschuldigung.  Denn  jeder- 
mann, der  die  mett^irologischen  Schriften  nur  etwas  kennt, 
weiss  gut,  dass  diese  Frage  in  Wirklichkeit  sogar  seiir 
gründlich    behandelt    worden    ist.      Das    Ergel)niss,    das 


dabei    herausgekommen 


Ergel)niss, 
ist,    kann    mit    wenigen  Worten 


dahin  ausgedrückt  werden,  dass  man  allerdings  glaubt, 
eine  wenn  auch  nur  kleine  Einwirkung  des  Mondes  auf 
gewisse  meteorologische  Erscheinungen  annehmen  zu 
müssen,  dass  aber  diese  Einwirkung,  die  nur  durch  be- 
sonders feine  Messungen  wahrgcuonnncn  werden  kann, 
gar  keine  praktische  Bedeutung  für  den  Wechsel  der 
Witterung  hat.  Dies  ist  nach  vielfachen  genauen  Unter- 
suchungen, wie  es  den  Anschein  hat.  Alles,  was  von 
der  Wissenschaft  für  diese  Frage  ül)erhaupt  constatirt 
werden  kann.  Einige  Beispiele  von  den  erreichten  Re- 
sultaten   werden  im  Folgenden  geliefert  werden. 

In  der  letzten  Zeit  ist  nun  aber  der  alte  \'olksglau))e 
unter  dem  Scheine  xan  Wissenschaftlichkeit  noch  einmal 
aufgetreten.  Herr  Falb  hat  auf  diesem  Gebiete  eine  ge- 
wisse Berühmtheit  erlangt.  Mit  einem  Fleiss,  der  einer 
besseren  Sache  würdig  gewesen  wäre,  hat  er  seit  Jahren 
seine  Ansichten  und  sogenannten  Entdeckungen  zu  ver- 
breiten versucht  und  zwar  mit  sehr  grossem  Erfolg.  In 
Deutschland,  Schweden  und  anderen  Ländern  hat  er  einen 
grossen  Theil  des  Volks  für  sich  gewonnen  und  gegenwärtig 
besitzt  er  bei  Vielen  geradezu  das  Ansehen  eines  Witterungs- 
propheten. Eben  deswegen  liabe  ich  es  aber  als  meine 
Pflicht  angesehen,  den  vielfach  au  mich  ergangenen  Auf- 


*)  Vergl.  auch  contra  Falb  in  der  Naturw.  Wochon.schr.:  Heim, 
„Zur  Prophezeiung  der  Erdbeben"  II  S.  193  ti'.  und  von  versehiedonen 
Autoren  „Ueber  harmlose  und  kritisclie  Tage"  V  S.  loG  ff.  —  Red. 


Pehr  v.  Bjerken. 

forderimgen  nachzukonmien  und  die  Theorien  des  Hrn.  Falb 
einer  gründlichen  Kritik  zu  unterwerfen,  damit  Jedermann 
beurtheilen  kann,  ob  und  inwiefern  man  seinen  „kritisclien 
Tagen"  eine  Bedeutung  beilegen  darf 

Die  Beweisführung  des  Hrn.  Falb  ist  sehr  einfach. 
Er  geht  von  der  bekannten  Thatsache  aus,  dass  der 
Mond  und  die  Sonne  durch  ihre  Anziehung  Ebbe  und 
Flutii  im  Meere  hervorrufen.  Wenn  die  Erde  nur  von 
Wasser  wäre,  so  würde  diese  Wasserkugel  durch  die  An- 
ziehung des  Jlondes  eiförmig  gestaltet  werden,  und  es 
würde  dabei  ihre  grosse  Axe  immer  gegen  den  Mond  zu 
gerichtet  sein.  Der  Jleeresspiegel  ist  nun  freilicii  von 
Ländern  und  Inseln  uuterbroclien,  aber  im  Grossen  und 
Ganzen  bleibt  es  doch  dasselbe:  das  Meer  steigt,  wenn 
der  Mond  sich  im  Meridian  befindet  (Fluth),  und  fällt, 
wenn  er  6  Stunden  östlich  oder  westlicii  davon  ist  (Ebbe). 
Wegen  des  störenden  Einflusses  der  Länder  ist  die  Zeit 
der  Ebbe  und  der  Flutli  am  seihen  Meridiane  nicht  ganz 
dieselbe,  sondern  die  sogenannte  Hafenzeit  ist  auch  für 
einander  nahe  liegende  Orte  ein  wenig  verschieden.  Eine 
ähnliche  Einwirkung  wie  vom  Mond  wird  auch  von  der 
Sonne  ausgeübt,  nur  dass  diese  wegen  der  grossen  Ent- 
fernung viel  geringer  ist,  und  sich  nur  als  eine  Grössen- 
veränderung  der  Mondfluth  zeigt.  Wenn  der  Mond,  die 
Sonne  und  die  Erde  in 
so    wirken    selbstverständlich 

zusammen  und  addiren  sich:  man  hat  die  sogenannte 
Springfluth  bei  Voll-  und  Neumond.  In  den  beiden  Vierteln 
dagegen  sind  die  beiden  Einwirkungen  entgegengesetzt 
und  die  Diftcrenz  der  Wasserhöhen  bei  Ebbe  und  Fluth 
ist  am  kleinsten.  Ferner  ist  klar,  dass  die  Anziehung 
des  Mondes  grösser  ist,  wenn  er  auf  seiner  elliptischen 
Bahn  der  Erde  am  nächsten  und  kleiner,  wenn  er  von  ihr 
am  entferntesten  ist.  Endlich  hat  der  Mond  auch  noch, 
wenn  er  gerade  über  dem  Aequator  steht,  eine  wenn  auch 
nur   wenig  grössere  Einwirkung  auf  diese  Erscheinungen. 

Ebbe  und  Fluth  wurden  schon  von  Newton  in  dieser 
Weise  erklärt,  und  Laplace  hat  die  Frage  mathematisch 
behandelt  und  die  Formeln  gefunden,  mit  welchen  die 
Grösse  der  Fluth  berechnet  werden  kann,  wenn  man  die 
Lagen  und  Entfernungen  der  beiden  Himmelsk(irper  kennt. 

Herr  Falb  behauptet  nun  aber,  dass  dieselben  Kräfte, 
die  Ebbe  und  Fluth  hervorrufen,  eine  derartige  Einwirkung 
auch  sowohl  im  Innern  der  Erde,  das  aus  einer  glühenden, 
flüssigen  Masse  bestehe,  als  im  Luftkreise  veranlassen 
müssten.     Auf  das  Erstere  wollen  wir  hier  nicht  eingehen, 


enier   fast  geraden  Linie  stehen, 
die    beiden    Erscheinungen 


Nr.  27. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


271 


da  Erdbeben  in  unseren  Ge^'enden  giik'klicherweise  sehr 
schwach  sind  und  äusserst  selten  vorkommen.  Wir  wollen 
nur  kurz  hervorheben,  dass  die  Geologen  unserer  Zeit 
weniger  und  weniger  glauben,  dass  das  Erdiimere  mit 
einer  solchen  glüiieudeii  Masse  gefüllt  sei,  und  dass  deren 
Klutliwelleu  (lurcli  ihren  Druck  auf  das  feste  Aeussere 
die  Erdbeben  und  die  vulcanisehen  Ausbrüciie  veranlassen, 
wie  es  Herr  Falb  meint. 

In  liezug  auf  Ei)be  und  Fluth  aber  im  Luftkreise 
ninnnt  Herr  Falb  an,  diese  sollten  grossartige  Verände- 
rungen des  Barometerstandes  und  infolge  dessen  „Anhäu- 
fung von  Barometriselien  JMinimas  oder  Depressionen, 
Wirbelstiirme  und  vermehrten  Niederschlag  im  Allgemeinen" 
hervorrufen.  Ferner  sollten  sie  „Donner  während  des  Winters 
oder  in  den  Tageszeiten,  wo  dies  nicht  gewöhnlich  sei 
(Nachts,  Morgens)",  mit  sich  bringen,  dann  Schnee  wäh- 
rend des  Sommers  (in  ßerggegenden)  oder  in  Gegenden, 
wo  Schnee  selten  vorkoumie  (Unter-Italien,  Sud-Frankreich, 
Nord-Afrika,  Küsten  von  Klein- Asien),  Donner  und  Sehnce- 
sturm  gleichzeitig  auf  derselben  Stelle,  den  ersten  Donner 
des  Frühlings  und  den  ersten  Schnee  des  Herbstes,  das 
Eindringen  eines  mit  Wasserdampf  gesättigten  südlichen 
Stromes  auf  grosse  Hcihen,  wo  er  sich  durch  plötzlich 
auftretendes  Tliauwetter  oder  durch  einen  tiefblauen 
Himmel  bei  ungewr>hnlich  durchsichtigem  Atmosphär  (V!) 
bemerklich  macht;  es  folge  dann  ein  Streit  zwischen 
diesem  Strom  und  einem  entgegengesetzten  nördlichen, 
charakterisirt  durch  Cirrus-Wolken  oder  im  Allgemeinen 
diü'ch  solche  Wolken,  die  eine  besondere  Neigung  haben, 
parallele  Streifen  zu  bilden,  die  dicken,  flockigen  Feder- 
wolken ähnlich  seien  und  gewöhnlich  auch  parallele  Quer- 
furchen zeigen;  endlieh  seien  auch  Regenbogen,  Regen- 
güsse und  häutig  vorkommende  Wechsel  zwischen  Regen 
und  Soimenschein,  sogenanntes  Aprilwetter,  diesen  Ver- 
hältnissen zu  verdanken.  Kurz,  alle  nK'iglichen  atmo- 
sphärischen Veränderungen,  theilweise  einander  ganz  ent- 
gegengesetzte, sollen  durch  diese  Fluthpliänomene  im 
Luftkreise  hervorgerufen   werden. 

Was  sind  aber  dann  die  „kritischen  Tage"  des  Hrn.  Falb? 
Es  sind  ganz  einfach  die  Tage,  wo  Neu-  oder  Vollmond 
ist,  und  sie  sind  wieder  in  kritische  Tage  erster,  zweiter 
und  dritter  Ordnung  eingetheilt,  je  nachdem  mehr  oder 
weniger  von  den  oben  besprochenen  Factoren  zusammen- 
treffen, z.  B.  ob  der  Mond  in  diesen  'Fagen  am  nächsten 
oder  am  fernsten  ist,  ob  er  gerade  über  dem  Aequator  steht 
oder  nicht,  ob  er  so  in  einer  geraden  Linie  mit  der  Sonne 
und  der  Erde  steht,  dass  es  Finsterniss  wird  u.  s.  w. 
„In  Bezug  auf  die  Zeit",  sagt  er,  „wo  die  atmosphärische 
Hochfluth  sich  in  dieser  Weise  zu  äussern  anfängt,  hat 
es  sich  fast  als  Regel  gezeigt,  dass  dieses  zwei  Tage  vor 
dem  berechneten  kritischen  Tag  eintrifft.  Dies  gilt  von 
den  theoretisch  grüssten  Fluthwerthen,  während  die  klei- 
neren im  Allgemeinen  zwei  bis  drei  Tage  später  kommen." 
Dies  ist  insofern  ganz  richtig,  als  die  Fluth  natürlich  nicht 
auf  einmal  kommt,  sondern  umsomehr  zunimmt,  je  mehr 
man  sich  Neu-  oder  Vollmond  nähert,  und  wieder  all- 
mählich abnimmt,  wenn  man  sich  einem  Viertel  nähert. 
Die  von  einem  solchen  Phänomen  abhängigen  Erschei- 
nungen müssen  infolgedessen  an  den  Tagen  um  Neu- 
und  Vollmond  am  stärksten  und  um  die  Viertel  am 
schwächsten  sein. 

Ehe  wir  weiter  gehen,  wollen  wir  zunächst  nachsehen, 
welche  Ergebnisse  die  wissenschaftlichen  Untersuchungen 
über  diese  Ebbe  und  Fluth  im  Luftmeere  gegeben  haben. 
Die  Vermuthung  einer  solchen  ist  durchaus  keine  Ent- 
deckung des  Herrn  Falb.  Schon  d'Alembert  hat  1746  in 
seinem  Werk  „Reflections  sur  la  cause  generale  des 
vents",  angenommen,  diese  Ebbe  und  Fluth  im  Luftmcerc 
wäre  vielleicht  die   wichtigste  Ursache   u.  a.  der  Passat- 


winde. Indessen  hat  nachher  Laplace  mathematisch  be- 
wiesen, dass  die  Elibe  und  Fluth,  die  im  Luftmeere  auf- 
treten müssen,  von  gar  keiner  praktischen  Bedeutung  sein 
kömien.  Und  mit  dieser  Berechnung  stinnmn  auch  die 
ilirecten  Barometerbeobachtungen  vollkiinnnen  überein. 
Der  (Tcneral  Sabine,  der  berühmte  englische  Physiker 
und  Mctt'orologe,  hat  die  magnetischen  und  nieteorolo- 
gisehen  Beobachtungen  publicirt,  die  mehrere  Jahre 
zwischen  1840  und  1850  tagelang  in  St.  Helena  ausge- 
führt wurden.  Er  hat  u.  a.  die  Beobachtungen  nach 
Mondzeit  zusannnengestellt  und  bere(dni('t*),  um  zu  unter- 
suchen, inwiefern  Ebbe  und  Fluth  im  Luftnieere  Iteoi)- 
aehfet  wci-den  könnte.  Wegen  der  ausserordentlichen 
Schärfe  und  Genauigkeit  der  Beobachtungen  ist  das  wirk- 
lich gelungen,  und  das  Resultat  war,  dass  der  Baro- 
meter in  St.  Helena  bei  Fluthzeit  (der  Mond  im 
Meridiane)  vier  Tausendstel  engl.  Zoll  höher 
stand  als  bei  der  Ebbe  (der  Mond  sechs  Stunden 
östlich  oder  westlich  vom  Meridiane),  und  zwar 
wenn  der  Mond  im  Perigeum  (am  nächsten)  sich 
befand;  befand  er  sich  aber  im  Apogeum  (am 
fernsten),  so  betrug  die  Differenz  nur  drei 
Tausendstel  Zoll.  Da  kann  man  doch  mit  gutem 
Grund  fragen:  wie  kann  eine  Aenderung  des  Barometer- 
standes von  ?>  bis  4  Tausendstel  Zoll  eine  so  kräftige 
Wirkung  haben,  wie  Herr  Falb  behauptet?  Sollte  wirk- 
lich diese  kleine  Aenderung  alle  möglichen  atmosphä- 
rischen Störungen  und  sogar  die  fürchterlichsten  Orkane 
hervorrufen  können?  Die  ünglaublichkeit  einer  solchen 
Annahme  ist  so  deutlich,  dass  wir  eigentlich  nichts  mehr 
zu  sagen  brauchten.  Aber  wir  wollen  doch  die  Falb'sche 
Beweisführung  noch  etwas  näher  untersuchen,  um  zu 
sehen,  ob  er  oder  seine  Gegner  „durch  einen  schweren 
Mechanismus  des  Denkens  und  durch  unlogische  ünter- 
suchungsmethoden  verwirrt  und  verdunkelt  werden." 

Wie  macht  Herr  Falb  seine  Untersuchungen? 
Er  sagt  .selbst,  dass  die  Hochflutlitage  von  ihm 
mit  der  grössten  Aufmerksamkeit  beol»  achtet 
werden.  Er  notirt  und  beschreibt  ausführlich  alle 
bemerkenswerthen  Naturerscheinungen  dieser  Tage  auf 
der  ganzen  Erde.  Und  er  findet  seine  Theorie  bestätigt 
durch  ein  Erdbeben  in  P^uropa,  einen  Sturm  auf 
den  Samoa-Inseln,  Schnee  in  Spanien,  Gewitter  in  Rom, 
Ueberschwcmmung  im  Weiehselgebict,  ein  sehr  verbreitetes 
Nordlicht  in  Amerika,  Telegraphenstörungen  in  Japan, 
den  Untergang  eines  Dampf  bootes  auf  dem  Atlantischen 
Ocean,  einen  „Tornado"  im  Thal  des  Mississippi,  oder 
eine  Kohlengruben-Explosion  in  England.  Einen  grossen 
Theil  von  diesen  Unglücken  beschreibt  er  genau,  um 
ganz  deutlich  zu  zeigen,  wie  gut  seine  Voraussagungen 
eintreffen.  „Konnte  die  Natur",  so  ruft  er  aus,  „deutliclier 
zeigen,  wie  richtig  die  Anschauung  des  Verfassers  ist? 
durchaus  nicht!" 

Diese  Untersuchungs-  und  Beweismethode  des  Hrn. 
Falb  ist  aber  doch  nicht  anders,  als  wenn  Jemand  den 
Einfall  hätte,  die  meisten  Begräbnisse  fänden  an  Donners- 
tagen statt,  und  dies  zu  beweisen  suchte  dadurch,  dass 
er  zusammennotirte,  welche  und  wie  viele  Begräbnisse  an 
jedem  Donnerstag  auf  den  grösseren  Friedhöfen  der  Erde 
vorkämen,  und  nachher  eine  Zusammenstellung  der  Re- 
sultate machte,  mit  genauer  Besehreibung  einiger  von  den 
prachtvollsten  —  ohne  die  geringste  Rücksicht  darauf, 
was  in  den  übrigen  sechs  Wochentagen  auf  den  Fried- 
höfen geschehen  ist. 

Doch  wir  wollen  versuchen,  die  Lücke  in  der  Beweis- 
führung des  Hrn.  Falb  auszufüllen. 


*)  Obsorvations  maJe   at  the  Miagnctieal  and  meteorological 
obseivatory  at  St.  Helena.    Vol.  I,  London  1847,  S.  98. 


272 


Naturwisseuschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  27. 


Wir  fangen  mit  dem  Wichtig-sten,  den  Baronieter- 
depressionSn  und  den  Stürmen,  an.  Weil  die  Fluth  im 
Lul'tkreise  sich  am  besten  in  den  tropischen  Gegenden 
zeigen  soll,  haben  wir  die  von  Chambers  in  Broraberg 
und  John  Eliot  in  Calciitta  herausgegebenen  Verzeichnisse 
über  Gyklone  auf  dem  Arabischen  Meer  und  auf  dem 
Meerbusen  von  Bengalen  vom  Jahre  1850  ab  durchsucht 
und  eine  Anzahl  von  153  gefunden.  Die  meisten  von 
ihnen  sind,  wie  dies  auch  mit  unseren  europäischen 
Stürmen  der  Fall  ist,  wahrend  einiger  Tage  über  die  Erd- 
oberfläche hingegangen.  Es  ist  jetzt  sehr  einfach,  die 
Tage,  wo  diese  Stürme  entstanden  oder  wo  sie  wenigstens 
zuerst  beobachtet  worden  sind,  nach  den  Mondwechseln 
zu  ordnen.  Dabei  sind  zu  jedem  Mondweclisel  auch  die 
drei  Tage  vorher  und  die  drei  Tage  nachher  mitgerechuet. 
Das  Resultat  ist  folgendes: 


bei  Vollmond  [®]  30 
Neumond  |®]  34 

Sunuiie  fi4 

für  Hrn.  Falb. 


bei  letztem  Viertel  [c]  37 

erstem  Viertel  [^j  34 

Sunnne  71 
sreiren  llni    Falb. 


18  waren  zwischen  zwei  Mondwechseln  und  sollen  folglich 
nicht  gerechnet  werden. 

Gehen  wir  jetzt  zu  unseren  europäischen  Barometer- 
depressionen oder  Sturmcentra  hinüber,  so  können  wir  die 
Tage  rechnen,  wo  ein  Minimum  von  735  Millimeter  oder 
noch  weniger  Upsala  passirt  hat,  und  zwar  vom  Anfang 
der  stündlichen  Beobachtungen  am  30.  Mai  1865  bis  Ende 
des  Jahres  1889.  Diese  Tage  sind  in  folgender  Weise 
geordnet: 


©  50 

®  33 


C  46 

O  2G 


Summe 


'2  gegen  Hrn.  Falb. 


Sunnne  83  für  llrn.  Falb, 

Hier  sind  1 1  Tage  ausgeschlossen,  weil  sie  auf  den  Octantcn 
fallen. 

Einige  von  den  fürcliterlichsten  Wirbelstürmen  der 
nördlichen  temperirten  Zone  sind  die  nordamerikanischen 
Tornadoes.  Sie  haben  eine  Breite  von  nur  wenigen 
Meilen,  aber  wo  sie  entstehen,  werden  Wälder  und  Dörfer, 
ja  sogar  ganze  Städte  weggefegt,  und  der  Verlust  an 
Menscheuleben  ist  bisweilen  sehr  bedeutend .  Häufig  finden 
mehrere  am  selben  Tage  statt.  In  „Professional  papers 
of  the  Signal  Service"  1882  hat  Finley  einen  ..Report  on 
the  Character  of  six  hundred  tornadoes"  publicirt.  Daraus 
geht  hervor,  dass  man  in  den  Vereinigten  Staaten  seit 
1830  338  Tornado-Tage  gehabt  hat.  -  -•  ■  - 
die  Mondwechsel  ist  folgende: 


© 


72 
66 


C 

3 


Ihre  Vertheilung  auf 

90 
71 


Summe  138  für  Hrn.  Falb,     Summe  161  gegen  Hrn.  Falb. 
Die  übrigen  39  waren  auf  den  Octanten. 

In  der  ersten  und  der  letzten  von  diesen  Zusammen- 
stellungen haben  die  Viertel  ein  kleines  üeliergewicht, 
in  der  zweiten  Neu-  und  Vollmond.  Der  einzige  annehm- 
bare Schluss  daraus  ist,  dass  die  Mondwechsel  mit 
den  Stürmen  gar  nichts  zu  thun  haben.  Wären 
der  Fälle  genügend  viele,  so  wären  die  Summen  wahr- 
scheinlich ganz  gleich. 

Jetzt  könnte  man  aber  den  Einwurf  machen:  Stürme 
können  freilich  irgendwann  eintreffen,  aber  vielleicht 
werden  sie  bei  Neu-  und  Vollmond  heftiger.  Doch  es  ist 
leicht  zu  zeigen,  dass  dies  nicht  der  Fall  ist.  Der  schwierigste 
Tornado-Tag  von  Allen  in  den  Vereinigten  Staaten  war  der 
18.  April  1880.  Nach  der  oben  citirten  A))handlung  gab 
es  an  diesem  Tage  nicht  weniger  als  25  Tornadoes,  von 


welchen  mehrere  sehr  gewaltsam  waren.  In  Eureka 
Springs  wurden  18  Häuser  zerstört,  in  White  wurden 
10  Menschen  getödtet  und  20  verwundet,  die  Stadt  Darda- 
nella  wurde  theilweise  zerstört,  in  Shopiere  wurden 
23  Gebäude,  in  Marshfield  mein*  als  200  zerstört,  65  Men- 
sehen wurden  getödtet,  mehr  als  200  verwundet  und  die 
Verluste  in  zwei  angrenzenden  Counties  wurden  zu  einer 
Million  Dollars  berechnet,  in  Texas  county  im  Staat 
Missouri  wurde  eine  kleine  Stadt  von  300  Einwohnern 
vertilgt,  in  Washington  in  Arkansas  wurden  mehr  als 
100  Gebäude  zerstört,  2  Menschen  getödtet  und  20  bis 
30  verletzt  u.  s.  w.  Und  doch  war  das  erste  A'iertel  am 
Tage  vorher,  oder  am  17.  April,  und  Apogeum  am  14. 
Die  Verhältnisse  lagen  also  für  Herrn  Falb  so  ungünstig 
wie  möglich. 

Damit  wir  nicht  denselben  Fehler  machen,  den  wir 
Hrn.  Falb  vorwerfen,  nämlicli  nur  einige  für  uns  sprechende 
Beispiele  anzuführen,  hallen  wir  einen  anderen  Weg  ver- 
sucht. Wir  haben  in  unserer  Bibliothek  specielle  Be- 
schreibungen von  Stürmen  und  Cyklonen  aufgesucht,  und 
seit  dem  Jahr  1850  haben  wir  50  solche  gefunden.  Das 
ist  ja  klar,  dass  diese  alle  irgendwie  bedeutend  und  be- 
ujerkensweith  gewesen  sind.  Sie  vertheilen  sich  in  fol- 
gender Weise: 

©     9 

®  10  

Summe  19  für  Hrn.  Falb.      Summe  29  gegen  Hrn.  Falb. 

Zwei  Fälle  sind   auf  Octanten  eingetroffen. 

Da  muss  man  doch  erkennen,  dass  die  Zusammen- 
stellung ungünstig  für  Hrn.  Falb  ausfällt!  Die  Anzahl 
ist  freilich  zu  klein,  um  daraus  eine  Statistik  aufzubauen. 
Wären  die  Zahlen  aber  zufälliger  Weise  die  entgegen- 
gesetzten gewesen,  so  hätten  wahrscheinlich  unsere  Gegner 
triumphirt!  Doch  wir  wollen  aus  so  wenigen  Zahlen  gar 
keine  allgemeinen  Schlüsse  ziehen;  sieher  aber  ist,  dass 
die  Zahlen,  wie  sie  jetzt  sind,  wenigstens  nicht  für  die 
Ansichten  des  Hrn.  Falb  si)rceiien. 

Gehen  wir  jetzt  zu  dem  angebliehen  Zusammenhang 
zwischen  den  Donnerwettern  während  des  Winters  und  den 
Mondwechseln  über,  so  haben  wir  Folgendes  anzuführen. 
Im  Jahre  1871  wurden  in  Schweden  mehrere  hundert 
Stationen  eingerichtet,  um  u.  a.  Donnerwetter  zu  beoltachten. 
Wir  haben  die  Berichte  für  die  drei  ersten  Jahre  1871 
bis  1873  durchgesehen  und  alle  Tage  der  kalten  Jahres- 
zeit, (Ictober- April,  wo  Donner  wahrgenommen  wurde, 
aufgezeichnet,  es  waren  42,  die  sieh  nach  den  Mond- 
wechseln so  vertheilen: 


C     8 

3  21 


©     8 
©  12 


C  10 
3  12 


Summe  20  für  Herrn  Falb,      Summe  22  gegen  Herrn  Falb. 

Die  Tage  mit  Donner  während  der  kalten  Jahres- 
zeit sind  somit  von  den  Mondwechseln  unabhängig,  und 
die  Ansicht  des  Herrn  Falb  auch  in  dieser  Beziehung 
unrichtig.  Uebrigens  mag  hier  die  Bemerkung  gemacht 
werden,"dass  hervorragende  Meteorologen  einen  Zusaunnen- 
hang  zwischen  Donner  und  Mondwechseln  gesucht  und 
an  einen  solchen  auch  geglaubt  haben.  So  hat  W.  Koppen 
in  DeutS(ddand  die  Gewitter  der  Jahre  1879—83  mit  den 
Mondwechseln  zusannuengestellt.  Er  fand  die  Anzahl 
Gewitter  für  jede  Station  im  Mittel  während  der  ver- 
schiedenen Mondwechsel : 

@  5,3       O  6,3       ©  4,0      C  4,8 
Und  A.  Richter  hat  während  8  Jahren    folgende   Anzahl 
von  Stunden  mit  Donner  gefunden: 

®  1388       3  1239      ©  767       C  846. 


Nr.  27. 


Naturwissenschaftliche  Wochcnsehrift. 


273 


Beide  Untersuchungen  stimmen  darin  überein,  dass 
die  Gewitter  am  liäutigsten  zwischen  Neumond  und  erstem 
Viertel  und  am  seltensten  um  den  Vollmond  vorzukommen 
.scheinen.  Dies  ist  aber  ein  ganz  anderes  Ergebniss  als 
das  des  Hrn.  Falb,  der  ja  gefunden  zu  haben  glaubt, 
dass  diese  Erscheinungen  bei  Voll-  und  Neumond  am 
häutigsten  vorkämen.  Uebrigens  ist  es  auch  lauge  nicht 
sicher,  dass  die  obigen  Resultate  gemeingültig  sind; 
wenn  die  beiden  Reiben  untereinander  übereinstimmen, 
so  kommt  das  daher,  dass  dieselben  Jahre,  die  Koppen 
untersucht  hat,  auch  in  der  etwas  längeren  Reihe  von 
Richter  enthalten  sind.  Vl'^enn  man  nicht  einsehen  kann, 
wie  die  gefundene  Variation  zu  erklären  ist,  so  ist  es  am 
sichersten,  noch  erst  Untersuchungen  auch  aus  anderen 
Ländern  und  für  andere  Zeiten  abzuwarten,  ehe  man  die 
Frage  als  abgemacht  ansehen  kann. 

Falb  ))chandc!t  in  einem  besonderen  Capitcl  die  Nord- 
lichte und  die  Störnngen  der  Erdstrüme  und  der  erd- 
magnetischen Elemente.  Diese  sollten  an  den  kritischen 
Tagen  besonders  gross  und  zahlreich  sein.  Dass  es  einen 
Zusammenhang  giebt  zwischen  diesen  Erscheinungen 
untereinander  und  zwischen  kosmischen  Phänomenen,  be- 
sonders mit  den  Sonnenflecken,  das  ist  seit  lange  be- 
wiesen. Mehrere  Forscher  haben  auch  geglaubt,  eine 
Ein\\irkung  des  Mondes  auf  die  magnetischen  Kräfte 
nachgewiesen  zu  haben,  welche  Einwirkung  aber  auch 
wieder  ganz  anders  wäre  als  die  von  Falb  angenommene. 
Die  Anzahl  der  Nordlichte  der  nördlichen  IIall)kugel  ist 
am  grössten  innerhalb  einer  elliptischen  Zone,  die  mit  der 
Nordküste  Sibiriens  nahe  zusannnenfällt,  das  nördliche 
Lappland  durchzieht  und  in  Amerika  bis  auf  etwas  übei' 
60°  N.  Lat.  hinuntergeht.  Dieser  Zone  entlang  kommen 
die  Nordlichte,  wenigstens  während  gewisser  Jahre,  fast 
täglich  vor,  nehmen  aber  von  da  ab  sowohl  nördlich  als 
südlich  an  Pracht  und  Anzahl  ab.  Sie  sind  bald  mehr 
oder  weniger  local,  bald  aber  auch  fast  über  die  ganze 
N(trdhalbkugel  auf  einmal  verbreitet.  Oft  kommen  bei 
solchen  Gelegenheiten  Südlicbte  auf  der  Südhalbkugel 
vor.  Es  ist  deswegen  nicht  immer  so  sehr  leicht  zu  ent- 
scheiden, was  man  unter  einem  „ungewöhnlich  grossen 
Nordlieht"  verstehen  soll.  Wir  haben  indessen  im  grossen 
Nordliclitcatalog  für  Schweden  von  Rubenson  die  Tage 
der  Jahre  1865 — 76  aufgezeichnet,  wo  Nordlicht  an  min- 
destens 10  Plätzen  des  Landes  beobachtet  worden  ist. 
Diese  Tage  vertheilen  sich  so: 


©     2 


C  20 

3  10 


Sunnne  27, 


Sunnne  30, 


wozu  noch  4  kommen,  die  auf  Oetanten  eingetroffen  sind. 
Das  Resultat  stimmt  wiederum  gar  nicht  mit  den  An- 
sichten des  Hrn.  Falb  überein,  aber  um  so  viel  mehr  mit 
dem,  was  man  erwarten  kann.  Es  ist  ja  selbstverständ- 
lich,   dass    der  Mondschein    das   Nordlicht  verdeckt   und 


dass  ein  Nordlicht  höchst  selten  bei  Vollmond  prachtvoll 
sein  kann.  Dagegen  nmss  ein  solches  bei  Neumond  sehr 
stattlich  sein,  ^\'enn  ferner  von  den  oben  genannten  Nord- 
lichten in  das  erste  Viertel  nur  halb  so  viel  fallen,  wie 
in  das  letzte,  so  ist  auch  das  leicht  zu  erklären :  im  er- 
steren  Falle  leuchtet  nämlich  der  ]Mond  Abends,  im  letzte- 
ren dagegen  früh  .Morgens. 

Hr.  Falb  giebt  uacii  seiner  Gewohnheit  Beispiele  an 
ungewöhnlich  prachtvcdlem  oder  verbreitetem  Nordlichte 
als  Bestätigung  seiner  Hypothese.  Er  sollte  aber  doch 
das  grossartigste  Phänomen  dieser  Art,  das  in  den  letzten 
Decennien  sich  gezeigt,  nicht  vergessen,  dass  nämlich  vom 
4.  Februar  1872,  wo  die  ganze  Erde  mit  Ausnahme  einer 
Zone  liei  dem  Accpiator  von  Polarlicht  beleuchtet  war. 
Das  Nordlicht  wurde  bis  auf  Ceylon  und  das  Südlicht 
weit  in  Australien  hinauf  gesehen,  —  aber  unglücklicher- 
weise für  Hrn.  Falb  war  das  letzte  Viertel  am  2.  Februar. 

Nach  alledem  scheint  es  uns  nicht  der  Mühe  werth, 
diese  Untersuchungen  weiter  zu  verfolgen.  Was  eben  ge- 
zeigt worden  ist,  dürfte  für  jedermann,  der  nicht  getäuscht 
werden  will,  genügend  sein.  Es  ist  aber  leider  sehr  be- 
kannt, dass  die  Leute  getäuscht  werden  wollen.  Auch 
sind  keine  Propheten  in  einer  günstigeren  Stellung,  als 
die  Wetterpropheten.  Sie  sind  nicht  derselben  Gefahr 
ausgesetzt  wie  ehemals  die  chinesischen  Hof-Astronomen: 
auf  den  Magen  geklopft  zu  werden,  wenn  ihre  Voraus- 
sagungen nicht  eintrafen.  Im  Gegentheil  sind  die  Leute 
insofern  sehr  liebenswürdig,  dass  sie  jede  solche  Gelegen- 
heit nicht  bemerken  oder  wenigstens  verzeihen  oder  ver- 
gessen, es  dagegen  sehr  bemcrkenswerth  finden,  wenn  das 
Vorausgesagte  eintriftt.  Das  ist  aber  eben  der  Be- 
weis, dass  die  Erscheinungen  Nichts  miteinander 
zu  thun  haben,  wenn  die  Voraussagung  gleich 
oft  eintrifft  wie   das   Gegentheil. 

Uebrigens  wäre  es  sehr  merkwürdig,  wenn  die  Vor- 
aussagungen des  Hrn.  Falb  nicht  gewissermaassen  immer 
wahr  wären.  Er  ist  nämlich  so  klug,  dass  er  nicht  an- 
giebt,  welches  Phänomen,  oder  wo  auf  der  ganzen  Erde 
es  eintreffen  soll!  Der  Tag  wäre  aber  ein  sehr  glück- 
licher, wo  nirgend  auf  der  Erde  eine  von  diesen  vielen 
Naturrevolutionen  oder  einer  von  den  vielen  Unglücks- 
fällen eintreffen  würde.  Die  synoptischen  Karten  zeigen, 
dass  in  gewissen  Theilen  der  Erde  der  Luftdruck  hoch 
und  gleichmässig  vertheilt  ist,  während  es  in  anderen 
Barometerdepressionen  mit  Uugewitter  giebt.  Und  es 
giebt  keinen  Tag,  wo  dies  nicht  der  Fall  wäre.  Die 
Sturmccntra  sind  bald  mehr,  bald  weniger  entwickelt, 
aber  gewöhnlich  ist  es  so,  dass  sie  in  einer  Gegend 
schwach,  in  einer  anderen  um  so  bedeutendor  sind.  Wenn 
wir  nur  an  Stürme  denken,  so  kann  jedermann  ohne 
grosse  Gefahr  voraussagen,  dass  an  einem,  oder  noch 
besser,  wie  Herr  Falb,  u  m  einen  gewissen  Tag  ein  Sturm 
irgendwo  auf  der  Erde  eintreffen  wird.  Einen  Nutzen 
aber  können  wir  wenigstens  in  einer  solchen  Voraussaguug 
durchaus  nicht  sehen! 


Mäiisevertilgung  vermittelst  des  Mäusetyphiisba- 
ciUiis.  —  In  Schlesien  wurden  im  vergangenen  Herbst 
zahlreiche  Feldversuche  mit  dem  Typhusbacillus  des  Prof. 
Löffler*)  ausgeführt.  In  Uppersdorf,  Reg.-Bez.  Oppeln, 
ist  das  Mittel  auf  grossen  Flächen  von  vielen  Landwirtheu 
angewendet  worden.  Nachdem  man  vorher  Vertilgungs- 
versuche mit  gefangenen  Feldmäusen  angestellt  hatte  und 
diese  vollkommen  gelungen  waren,  wurden  die  Versuche 
auf  dem  Felde  wiederholt.  Die  Vcrsuchsansteller  wurden 
hier  enttäuscht;  eigenthümlicher  Weise  wurden  die  Mäuse 
nicht  soweit  inficirt,  dass  sie  am  Typhus  zu  Grunde  gingen. 

*)  VergT.  „Naturw.  Wocliensclir."  Bd.  VII.  S.  396  ö'. 


Man  konnte,  trotzdem  die  Versuche  auf  einer  grösseren 
Fläche  wiederlndt  wurden,  trotzdem  man  reciit  concentrirte 
Baeillen-Aufschwemmungen  verwendet  hatte,  ein  Abnehmen 
der  Mäuse  nicht  wahrnehmen.  Da  die  Versuche  ganz 
vorschriftsmässig  ausgefülu't  wurden  und  ganz  frische 
Reinculturen  Verwendung  fanden,  nuisste  es  befremden, 
dass  das  Mittel  nicht  zur  Wirkung  kam!  Es  darf  wohl 
angenommen  werden,  dass  die  Feldmäuse  der  dortigen 
Gegend  eine  besonders  grosse  Widi'rstandsfähigkeit  zeigen, 
und  die  etwaige  Erkrankung  nicht  hinreichte,  um  den  Tod 
dieser  Schädlinge  herbeizufuhren. 


274 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  27. 


Ein  pflanzeiifresseiuler  Delpliiu.  —  Im  Kameruner 
Kriegs.schiä'shafen  wurde  seinerzeit  von  E.  Teusz  ein  von 
Haifischen  bereits  angefressener  8 — 9  Fuss  langer  Delphin 


erl)eutet,  der  von  dem  genannten,  schon  zehn  Jahre  in 
Kamerun  wohnhaften  Herrn  noch  niemals  gesehen  worden 
war.  Auffallend  waren  au  ihm  die  röhrenförmig  über  den 
Kopf  hervorragendeu  Verlängerungen  der  Nasengänge, 
und  ganz  besonders  der  Umstand,  dass  sich  sein  Magen 
mit  PHanzenstoft'en,  Blättern  und  l'^rüchten  von  Mangroven 
und  etwas  Gras,  angefüllt  fand.  W.  Kükeuthal  giebt 
mm  in  den  Zool.  Jahrb.,  Abth.  f.  Syst.  etc.,  B.  6,  8.442*), 
eine  Besehreibung  des  ihm   überwiesenen  Schädels.     Üie 

27,    ist   also 


Zahl   der  Zähne  jeder 
geringer  wie   z.  B.  bei 


beträgt 


Kieferhälfte 

Delphinus.  Von  den  9  bisher 
bekannten  Sotalien  ist  ausser  anderem  die  Kameruner  neue 
Art  durch  ihre  stumpfen  und,  besonders  im  Unterkiefer, 
so  stark  abgenutzten  Zähne  verschieden,  dass  breite  Kau- 
flächen vorhanden  sind.  Es  liegt  hier  offenbar  ein  Süss- 
oder  Brackwasserthier  vor,  und  zugleich  die  erste  Sotalia- 
art  aus  Afrika.  Die  übrigen  Gattuugsgenossen  leljcn  in 
Indien,    China,    Australien    und  Südamerika. 

C.  M. 

FischfresseiKles  Nagethier.  —  Oldfield  Thomas 
giebt  in  der  April -Nummer  von  „Natural  Science" 
interessante  Mittheilungen  über  ein  fisch  fressendes  Nage- 
thier aus  Central-Feru,  welches  der  bekannte  Reisende 
J.  Kalinowski  im  Jahre  1891  entdeckt  hatte.  Ich- 
thyomys  gehört  zu  den  hamsterartigen  Mäusen,  gleicht 
unserer  Wasserwühlmaus  in  der  äusseren  Erscheinung, 
ist  jedoch  grösser,  hat  sehr  starke  und  zahlreiche 
Sclmurrborsten  und  sehr  kleine  Augen  und  Uhren.  Dieses 
Thier  nährt  sich  ausschliesslich  von  Fischen,  vorzüglich 
von  kleinen  Tetragonopterus-Arten.  Kein  anderes  Nage- 
thier, mit  einziger  Ausnahme  der  Zibethratte  Nordamerikas, 
welche  wohl  gelegentlich  einen  selbst  gefangenen  Fisch 
verzehrt,  hat  sich  so  vollständig  von  vegetabilischer  Kost 
emancipirt.  Es  ist  sehr  interessant,  dass  bei  Ichthyomys 
sowohl  der  Blinddarm,  welcher  bei  den  übrigen  Mäusen 
eine  bedeutende  Grösse  erreicht,  auf  ein  Rudiment  re- 
ducirt  ist,  als  dass  die  Schneidezähne  durch  grössere  Ent- 
wickelung  der  äusseren  Kanten  zu  langen  scharfen  Spitzen 
vorzüglich  geeignet  geworden  sind,  schlüpfrige  Fische  zu 
erfassen.  Matschie. 

Eiblindiingvoii  Krähen  diircli  Einfluss  (lerKiilte.  — 

Über  eine  eigenthümliche  „Krankheit'-,  an  welcher  während 
der  ungewöhnlichen  Kälte  des  letzten  Winters  die  Krähen 
(Oorvus  americanus)  der  Umgegend  von  Washington  viel- 
fach zu  leiden  hatten  und  massenhaft  zu  Grunde  gingen, 
berichtete  Herr  R.  Ridgway,  Kurator  der  ornithologischen 
Abtheilung  des  Smithson'scheu  Institutes  (Washington),  am 
10.  Februar  in  der  amerikanischen  Zeitschrift  „Science". 
Auf  eine  diesbezügliche  an  ihn  gerichtete  Anfrage  war 
Herr  R.  so  gütig,  uns  in  einem  Schreiben  vom  25.  Mai 
nicht  allein  seine  früheren,  in  der  Science  geschilderten 
Beobachtungen  zu  bestätigen,  sondern  auch  noch  neue 
Mittheilungen,  besonders  über  die  Verbreitung  des  Uebels  zu 
machen.  —  Darnach  war  ein  beträchtlicher  Theil  (nach 
Schätzung  etwa  die  Hälfte)  der  in  grosser  Zahl  die  Um- 
gebung genaimter  Stadt  bevölkernden  Krähen  vollständig 
erblindet.  In  Folge  dessen  war  es  den  Vögeln  nicht 
möglich,  sich  Futter  zu  suchen,  und  sie  gingen  in  grossen 
Mengen  vor  Hunger  zu  Grunde.  In  den  Nadelwäldern  um 
Washington,  in  welchen  sie  ihre  Rüstplätze  haben, 
wurden  sie  zahlreich  todt  aufgefunden,  während  andere, 
noch  am  Leben  befindliche,  völlig  erschöpft  am  Boden  oder 


*)  „Sotalia  teuszüi  n.  sp.,  ein  pflanzenfressender  (?)  Delphin 
aus  Kamerun." 


auf  den  Zweigen  sassen  und  den  Schnee  aufpickten  oder 
die  Kicfernuadeln  zu  fressen  versuchten.  Ohne  Mühe 
konnte  man  ihrer  habhaft  werden,  da  sie  bei  einem 
Versuche,  davonzufliegen,  überall  gegen  die  Aeste  und 
Zweige  der  Bäume  stiessen  und  kraftlos  zu  Boden 
fielen.  Eigcnthümlich  war  nun  die  Art  und  Weise  der 
Blindheit;  Herr  R.  schreibt  darüber  (Science):  „Bei  vielen 
waren  die  Augen  geschlossen  und  stark  angeschwollen; 
bei  manchen  waren  ein  Auge  oder  beide  Augen  aufge- 
sprungen und  gefroren  (burst  and  frozcn),  was  möglicher- 
weise darauf  zurückzuführen  ist,  dass  sie  gegen  die  scharfen 
Spitzen  abgebrochener  Zweige  geflogen  waren.  In  allen 
Fällen,  wo  die  Augen  nicht  geschlossen  oder  entzündet 
(closed  or  inflamed)  waren,  zeigte  sich  die  Pupille  milchig 
weiss  und  die  Iris  bläulich."  Hinsichtlich  der  Verletzung 
der  Augen  schreil)t  uns  Herr  R.:  „Die  Augen  vieler  In- 
dividuen waren  thatsächlich  geborsten  und  gefroren,  d.  h. 
die  Membran  war  mehr  oder  weniger  durchlöchert  oder 
aufgeplatzt  und  die  hervorquellende  Flüssigkeit  erstarrt 
(The  eyes  of  many  individuals  were  actually  bursted 
and  frozcn.  That  is,  the  membrane  had  been  in  some 
way  punctured  or  ruptured,  and  the  escaping  fluid  con- 
gealed".)  Diese  Verletzungen  sind  nach  Herrn  R.  rein 
t  äusserlicher  Natur,  verursacht  durch  Anfliegen  an  scharfe 
Zweige  oder  Anstossen  an  Kiefernadeln  seitens  der  bereits 
erblindeten  Vögel.  Welche  Ursachen  der  Erblindung  zu 
Grunde  liegen,  darüber  herrscht  Meinungsverschiedenheit; 
Herr  R.  hält  es  für  am  natürlichsten,  dass  die  Vögel  auf 
dem  Wege  zu  ihren  Rüstplätzen  bei  der  überaus  strengen 
Kälte  gegen  eisigen,  vielleicht  winzige  Eispartikel  mit  sieh 
führenden  Wind  fliegen  mussten,  in  Folge  dessen  ihre 
Augen  litten  und  erkrankten.  —  Interessant  ist,  dass  das 
Uebel  sich  nur  an  Individuen  des  Corvus  americanus 
zeigte,  während  der  ebenfalls  bei  Washington  häufige 
Corvus  ossifragus  ganz  davon  verschont  blieb.  —  Ver- 
breitet scheint  die  Krankheit  über  einen  grösseren  Theil 
der  östlichen  Staaten  gewesen  zu  sein;  denn  Herrn  R. 
sind  Berichte  darüber  aus  verschiedenen  Orten  zugegangen. 
Wenige  Wochen  nach  dem  Erscheinen  des  Berichtes  des 
Herrn  R.  vcrriffentlichte,  wie  letzterer  uns  nnttheilt,  ganz 
unabhängig  davon,  Dr.  M.  G.  Eeilzey  (Maryland)  einen 
Artikel  über  dieselbe  Erscheinung  in  der  Zeitschrift  „Forest 
and  Stream". 

Die  Erhaltung  der  einheimischen  Vögel  Neil- 
Seelands.  —  In  der  zweiten  Hälfte  des  verflossenen 
Jahres  hatte  der  inzwischen  verstorbene  Gouverneur  der 
Insel,  Lord  Onslow,  dem  Parlamente  einen  Gesetzentwurf 
unterbreitet,  dem  zu  Folge  die  beiden  Inseln,  Little  Bar- 
rier  oder  Hauturu  im  Golfe  von  Hauraki  im  Norden  und 
Resolution  im  Süden  Neu-Seelands,  zu  dem  Zwecke  reser- 
virt  werden  sollten,  um  auf  ihnen  der  einheimischen 
Flora,  besonders  aber  der  Vogelwelt,  welcher  theilweise 
nahe  Vernichtung  droht,  eine  ungestörte,  unter  Staatssehutz 
stehende  Zufluchtsstätte  zu  gewähren.  Leider  haben  sich 
inzwischen  in  dem  gesetzgebenden  Körper  der  Durch- 
führung dieses  schätzenswerthen  Planes  Schwierigkeiten 
entgegengestellt,  sowohl  hinsichtlich  der  Mittel  als  auch 
anderer,  zumal  das  Besitzthum  der  Barrier-Insel  betref- 
fender Punkte.  (Dieselbe  bildet  nämlich  einen  Theil  der 
sogenannten  Maori-Reservation.)  —  Resolution  Island  ist 
bereits  seiner  edlen  Bestimmung  zugesprochen  worden. 
Der  neue  Gouverneur  steht  zum  Glücke  dem  Plane  eben- 
falls freundlieh  gegenüber,  und  so  hoft't  man  denn,  zumal 
auch  die  Londoner  Zoologische  Gesellschaft  sich  der 
Sache  angenommen  hat,  zum  Ziele  zu  gelangen.  Eine 
ganze  Anzahl  interessanter  Vögel  würden  so  erhalten 
werden,  z.  B.  Apteryx  BuIIeri,  Notornis  Mantelli,  Oestrelata 
Gouldi  etc.  


Nr.  27. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


2U 


lieber  Münzuietalle  und  soiieiiaiinte  Ausheiite- 
niiiiizeii  gicbt  Professor  Dr.  Nies  in  ilolieniieini  in  den 
Jahreslieften  des  Vereins  für  vaterländische  Naturkunde 
in  Württemberg  1893  einige  interessante  Mittheilung-en, 
welche  sich  im  Wesentlichen  auf  Stücke  einer  Sammlung 
bezichen,  die  er  für  Lchrzwecke  an  der  dortigen  land- 
wirthscliaftlichen  Hochschule  zusanmicngebraelit  hat.  Als 
Miuiznietalle  sind  Gold,  Siil)er,  Kupfer,  Nickel,  Platin, 
Palladium,  Aluminium,  Eisen  verwendet  worden,  letztere 
drei  aber,  wie  ferner  der  Silberglanz  (natürliches  Schwefel- 
silber) w(dd  nur  bei  besonderen  Gelegenheiten  für  Denk- 
münzen. Historisch  merkwürdig  ist,  dass  König  l'^riedrich 
von  Schweden,  welclicr  1720  zur  Regierung  kam,  ähnlich 
der  den  Spartanern  zugeschriebenen  A¥eisc,  sein  Volk  zur 
Massigkeit  erziehen  wollte,  indem  er  auch  grössere  Münz- 
werthe  aus  Kupfer  anfertigen  Hess.  So  waren  die  Halb- 
dalerstückc  quadratische  Kupferplatten  von  9,5  cm  Seiten- 
länge und  oSd  g  Schwere.  Reines  Nickel  \crwendet  die 
Schweiz  für  Scheidemünzen;  die  deutsclu'n  Nickelmünzen 
führen  nur  25  <•/„  Nickel  neben  Kupfer.  —  Platin  ist  ausser 
in  Russland  auch  versuchsweise  in  Dänemark  (1830)  und 
anscheinend  auch  in  Bayern  für  Münzen  verwendet  worden. 
—  Aus  Palladium  sollen  früher  die  Ehrenmedaillen  der 
geologisclien  (Gesellschaft  in  London  bestanden  haben.  — 
Aus  Silberglanz  Hess  König  August  von  Polen,  Kurfürst 
von  Sachsen,  Medaillen  mit  seinem  lüldniss  schlagen  (l(i9i)). 

Die  sogenannten  Ausbeutemünzen  liefern  für  die  Ge- 
sciiichte  des  Bergbaues,  seinen  Ort,  seinen  Ertrag,  seine 
Daner  u.  s.  w.  mitunter  recht  werthvoUe,  mindestens  doch 
anregende  Beiträge.  Der  Verfasser  erwähnt,  dass  er 
21  Jahrgänge  von  Münzen  mit  der  Inschrift  „Segen  des 
Mansfelder  Bergbaus"  besitze ,  von  denen  die  älteste  aus 
1811  stammt  und  die  Inschrift  Hieroni/iims  Napoleoit  auf 
dem  Avers  trägt.  Vier  Ausbeutemünzen  von  174.'3,  1747, 
1752  und  1756  der  Grube  Güte  des  Herrn  im  Harz  tragen 
den  Vermerk:  Die  Grube  Güte  des  Herrn  kaiii  in  Aus- 
beute 1740;  eine  fünfte  von  1774  dagegen:  Die  Güte  des 
Herrn  kam  ivieder  in  Ausbeute  1774. 

Etliche  Münzen  geben  Aufschluss  über  ilesitzwechsel 
bei  Ländern  und  Gruben.  „Welche  beredte  Sprache  für 
die  Zeit  von  Deutsehlands  tiefster  Erniedrigung",  so 
schreibt  Verfasser,  „sprechen  die  Münzen,  die  auf  dem 
Avers:  L'arnii'c  d'Hanovre  ä  Napoleon,  enipereiir  des 
Frangais  1804  tragen  und  auf  dem  Revers:  Des  mines  et 
usiues  du  Harz  protegees  pendant  la  guerre  und,  direct 
unter  dem  gekreuzten  Schlägel  und  Eisen,  den  guten 
deutschen  Bergmannsgruss  ..Glück  auf."  —  An  die  Per- 
sonalunion von  Hessen  und  Schweden  erinnern  Münzen 
aus  Eddergold  mit  dem  Bildniss  des  Landgrafen  von 
Hessen  und  der  Umschrift  re.r-  Sueciae.  Die  Zeiten  des 
„Kommunionharzes"  vergegenwärtigen  Ausbeutemünzen 
der  Harzer  Gruben  Güte  des  Herrn,  Lautenthals  Glück, 
König  Carl,  welche  mit  den  Jahreszahlen  1745,  1745  bezw. 
1752  theils  das  braunscbweigische,  thciis  das  hannoversch- 
englische  Wappen  tragen,  der  l)eiden  die  Auslicute  unter 
sich  theilenden  Länder.  —  Thalcr  vom  Jahre  1728,  unter 
Eberhard  Ludwig,  Herzog  von  Württemberg,  geprägt, 
zeigen  die  Inschrift:  Von  genntchsenem  Hilljer  aus  der 
Fundgr.  3  K.  Stern.  Das  Metall  ist  also  natürliches 
gediegen  Silber  gewesen.  —  Eine  Medaille,  die  zum 
50jährigen  Regierungsjubiläum  Friedrich  August's,  König 
von  Saclisen,  1818  geprägt  worden  ist,  trägt  auf  dem 
Revers  die  Angabe:  Himmelsfürst  Fu)ulgrube  hinter  Erhis- 
dorf,  gab  seit  50  Jahren  1,100  458  Thlr.  1(>  Gr.  Aus- 
beute. — 

Abschnitte    in    den    Unternehmungen    der 

hnden 
Verfasser     erwähnt 


Wichtige 
Bergleute  und  die  erste  Ausbeute  neuer  Betriebe 


sich    auch    öfters 

„Erstlinge"  mit  den  Inschriften:  Primitiae  argenti  fondiiiae 


gekennzeichnet. 


Fisclihachensis  tutori  dicatae  1750;  ferner  eine  Münze,  auf 
deren  Avers  eine  Landschaft  mit  dem  Orte  Rudelsdorf 
und  einem  Göpel  (Andeutung  der  Adlerfundgrube)  dar- 
gestellt ist.  Unter  dem  Spruch :  Befiehl  dem  Herrn  Deine 
Wege  und  hoffe  auf  Ihn  steht:  Wir  schürfen  beide  den 
25.  Jan.  1747.  Der  Revers  trägt  die  Fortsetzung  des 
Spruches:  Er  wirds  wohl  machen  und  ferner:  Jhid 
Schmelzen  heute,  den  25.  Jul.  1749  mit  der  Darstellung 
einer  Schnielzhütte.  —  Eine  andere  Silbermünze  zeigt  auf 
dem  Avers  eine  Hüttcnanlage  in  einer  Berglaiidschaft  und 
<lic  Inschrift:  Gewerkschaft  Littai.  Feines  Silber,  und  auf 
dem  Revers:  Segen  des  Krainischeii  Bergbaues.  Zur  Er- 
innerung an  den  ersten  Silberblick  der  Hütte  Littai  li.  Xo- 
rrnd)er  188(1.  Weiterhin  sind  auf  einer  Münze  die  Gruben 
Franzenszeehe  und  Willilialdszeche  dargestellt.  Als  In- 
schrift steht  verzeichnet:  Zur  Erinnerung  an  die  Wieder- 
aufnahme des  Mähr.  Blei-  und  Silberbergbaus  und:  Aus 
inäJtrischcm  Feinsilber  begonnen  am.  24.  Mai  1886.  Eine 
Denkmünze  vom  Jahre  1719  zeigt  auf  dem  Avers  den 
Gott  Amor  mit  der  Wünscliclruthe;  neben  Flügeln,  Bogen 
und  K(icher  trägt  er  auch  Bergmannsmütze  und  —  Hinter- 
leder. Der  Revers  zeigt  Amor,  den  Hammer  am  Präg- 
stock schwingend.  Die  Inschriften:  Euthe  weise  glücklich 
an  und:  J)ass  ich  Ausbeut  niüntzeu  kann,  deuten  auf  den 
frülieren  bergmännischen  Aberglauben  hin.  Dem  gegen- 
über lautet  auf  einer  !\[ünze  vom  Jahre  1709  auf  dem 
Avers  der  Spruch  unter  dem  Dreieckssyni])ol  des  strahlen- 
den Gottesauges:  A)t  Gottes  Scr/cn  ist  Alles  gelegen.  Der 
Revers  zeigt  die  Inschrift:  Wenig  Zubufs,  viel  Ausbeute 
macht  recht  fröhliche  Bergleute.  Neben  der  Ausbeute- 
münze von  Przibram  in  Böhmen  vom  Jahre  1727  ge- 
winnt eine  Medaille  vom  Jahre  1875,  welche  zur  Er- 
innerung an  die  erreichte  Saigerteufe  von  1000  m 
geprägt  wurde,  doppeltes  Interesse.  Die  Worte:  A  sole 
et  sale  tragen  herzoglich-sächsische  Münzen  der  Jahre 
1714  und  1720  zum  Beweis  für  den  Ertrag  der  Salinen, 
während  die  Denkmünzen,  welche  das  Solm'sche  Wappen 
und  die  Schrift:  V.  G.  O.  Christian  August  Graf  zu 
Solms-Ijaahacli  auf  dem  Avers  uud  die  Abbildung  eines 
Gradierwerkes  mit  dem  Spruch:  Dem  Lande  zu  Nutz, 
denen  Neiders  zu  Trutz,  1768,  auf  dem  Revers  zeigen,  die 
Anlage  einer  Saline  feiern,  die  nach  sehr  kurzem  Betriebe 
einging. 

Der  Herr  Verfasser  stellt  weitere  Besprechungen 
seiner  Samndung  in  Aussicht,  insbesondere  die  von  Aus- 
beutemünzen aus  deutschem  und  österreichisch-ungarischem 
Golde,  aus  Sillier  des  Schwarzwaldes,  des  Harzes,  des 
deutsehen  Kujiferschiefers;  ferner  von  Ausbeutemünzen 
aus  Sachsen,  Böhmen,   Schlesien  und  sonstigen  Ländern. 

X.  R.  Scheibe. 


Der   Trisectioiiszirkel    von  Dr.    E.    Eckhardt.  — 

(Deutsches  Reichspatent.)  In  No.  26  vom  14.  Juni  1891 
brachte  die  ..Naturwissenschaftliche  Wochenschrift"  einen 
Artikel  über  die  Dreithcilung  eines  beliebigen  Winkels. 
Die  Untersuchung  eines  Rotatiousproblems  (vgl.  u.)  hat 
nun  zur  Konstruktion  eines  Ajiparates  gefülnl,  welcher 
dasselbe  Problem  löst,  und,  wie  ich  glaube,  in  exakterer 
und  zugleich  weittragender  Weise.  Das  Instrument,  in 
Fig.  I  abgebildet,  ist  auch  für  die  Hand  des  Schülers 
geeignet  und  selbst  Schüler  der  unteren  Klassen  sind 
im  Stande,  seine  Anwendung  zu  \crstehen.  —  Das  wissen- 
schaftliche Interesse  liegt  darin,  dass  der  Trisections- 
zirkel  gleichsam  die  Wurzeln  der  Gleichungen  dritten 
Grades  (casus  irredueibilis)  verkörpert  und  auf  Grund  dieses 
15efundes  das  bekannte  Problem  der  Dreithcilung  des 
Winkels  so  löst,  dass  zum  Verständniss  nur  die  ersten 
Sätze  aus  der  ebenen  Geometrie  erforderlich  sind. 


276 


Natiirwissenschaftliclic  Wochenschrift. 


Nr.  27. 


Der  Zirkel  besteht  aus  eiueni  schmalen  Messiuglineal, 
in  welchem  zwischen  e  und  d  ein  Spalt  offen  gelassen  ist. 
Bei  j)  ist  eine  Bleistiftspitze  angebracht,  bei  *■  und  Sj  be- 
finden sich  scharfe  Zirkelspitzcn.  Es  ist  klar,  dass  ganz 
bestimmte  Winkelstellungen  bei  Festsetzung  der  Zirkel- 
sjjitzen  Ä  und  Sj  eintreten  müssen,  da  a  =  b  =  c  ist;  und 
zwar  müssen  die  Winkelstellungen  in  einem  besonderen 
Verhilltniss  zu  einander  stehen,  das  auf  dem  Lehrsatz 
beruht:  „Der  Aussenwinkel  an  einem  Dreieck  ist  gleich 
der  Summe  der  gegenidjcrliegenden  Winkel  im  Dreieck.'- 

In  Wirklichkeit  sind  drei  gleiche  Arme  vorhanden, 
welche  drehbar  aneinander  befestigt  sind.  Der  Arm  „c" 
wird  durch  einen  Spalt  in  seiner  Verlängerung  gezwungen, 


Spitze  des  mittleren  Armes  —  eine  Wurzel  dieser  Gleichung 
darstellt.  Das  ist  ein  Zeugniss  für  die  natürliche 
Lösung  der  Dreitheilung  des  Winkels.  Der  Erfinder 
zeigt  in  der  unten  genannten  Brochure,  dass  sich  daraus 
auch  Zirkel  ableiten  lassen,  welche  eine  5,  7,  11,  13  u. 
s.  w.  gehende  Theilung  gestatten. 

Der  Dreitheilungszirkel  ermöglicht  ferner  eine  sehr 
einfache  Konstruction  des  Winkels  von  36°. 

1.  Man  setze  mit  den  Spitzen  des  Zirkels  in  A  u.  B 
(Fig.  3)  ein  und  beschreibe  eine  Kurve.  Der  Schnitt  mit  der 
Mittelscnkrechten  von  AB  sei  C.  Dann  ist  4I  ACB 
=  36°. 

Beweis:    Der  vierte    Punkt    des  Zirkels  sei  E,   dann 


P^QS-VaOQS- 


ED 


Figur  I. 


Figur  2. 


Figur  3. 


stets  durch  das  freie  Ende  von  „«'•  zu  gehen.  Soll  nun 
der  beliebige  Winkel  ZQS  gedrittelt  werden,  so  ziehen 
wir  durch  (>  —  den  Endpunkt  \ou  or^  :=  dem  Spitzen- 
abstand —  eine  Parallele  zu  (JS,  setzen  den  Zirkel  mit 
den  Spitzen  in  Q  n.  0  ein  und  bescinx'ibcn  mit  dem  be- 
weglichen p  eine  Kurve.  Der  Schnitt  dieser  Kurve  mit 
der  Parallelen  ist  ein  Punkt  P,  der  Dreitheilungslinie; 
wenn  wir  P,  mit  Q  verbinden,  so  ist 

^  P,QS=  Vo  0Q8. 

Es  folgt  aus  der  Figur,  dass  die  bisher  bekannte 
Dreitheilung  des  rechten  Winkels  nur  ein  spezieller 
Fall  war. 

Die  Geltung  für  grössere  Winkel  als  90°  lässt  sich 
leicht  ableiten. 

Fig    1  zeigt  den  Zirkel  (für  die  Hand  des  Schülers). 

Fig.  2  seine  Anwendung. 

QO  =  a  =  OM=b  =  M  P,  =  c. 

Es  ist  bekannt,  dass  das  Prolilem  der  Trisektion  auf 
eine  Gleichung  dritten  Grades  führt;  das  Merkwürdige  ist 
nun,    dass  jede    Zirkelöffnung   —   vom    Bleistift    bis    zur 


ist  nach  Art  der  Einrichtung  des  Zirkels  AB  =  BE  =  EC. 
Hieraus  folgt  sofort  die  aus  der  Figur  ersichtliche  Grösse 
der  Winkel  ausgedrückt  durch  «. 

ba=  180°,  «  =  36°.     (V'ergl.  Fig.  3.) 

2.  Der  Punkt  C  wird  auch  erhalten,  wenn  man  von 
AB  aus  mit  dem  Zirkel  2  symmetrische  Kurven  be- 
schreibt. 

Der  Dreitheilungszirkel  dient  ferner  zur  Theilung  von 
Linien  nach  dem  goldenen  Schnitt.  In  obiger  Zeich- 
nung des  Winkels  von  36°  ist  BE  Winkelhalbirende,  also 
gilt  sofort  die  Proportion: 

BC :  BA  =  CE  :  EA. 

Da  CE  =  BA,  und  BC  =  AC,  so  wird  die  Pro- 
portion 

AC:  EC=EC:  AE. 

d.  h.  „£■"  ist  der  goldene  Schnitt.  Verlängert  man  BA, 
BE,  BC  nach  beiden  Seiten,  so  werden  alle  Parallelen 
zu  AC  durch  die  Linie  BE  nach  dem  goldenen  Schnitt 
geteilt. 


Nr. 


Naturwissenschaftliclic  Woolionsclii-ift. 


277 


Anmerkung:  Der  goldene  Schnitt  ist  also  jetzt  eine 
Folge  der  Konstruktion  iles  Winkels  von  ?A\°  und  nicht, 
wie  früher,  der  Winkel  von  36°  eine  Folge  des  goldenen 
Schnitts. 

Der  Dreitheilungszirkel  dient  ferner  zur  Errichtung 
von  Loten,  da  die  Kurven  sich  senkrecht  über  einem 
Punkte  schneiden  müssen,  von  dem  aus  nach  rechts  und 
links  der  Zirkel  aufgesetzt  wurde.  Zur  lienutzung  als 
gewöhnlicher  Zirkel  eignet  sich  ausserdem  der  allgemeine 
Dreitheilungszirkel,  welcher  sich  von  dem  vorliegenden 
nur  dadurcli  unterscheidet,  dass  er  in  allen  3  Armen  mit 
Spalten  und  verstellbaren  Schraulteu  versehen    ist. 

Der  Zirkel  wird  von  Seiten  der  „Preussischen  Uni- 
versitäten" in  Chicago  ausgestellt 

Die  genauere  Ausführung  ist  in  der  Brochure:  „Die 
Dreitheilung  des  Winkels"  von  Dr.  E.  Eckhardt,  Marburg, 
enthalten.  Die  wissenschaftliche  Diskussion  der  Frage 
enthält  die  Dissertation:  „Rotationsproblem  —  Dreithei- 
lung des  Winkels."  Ueber  die  Bewegung  eines  schweren 
Punktes  in  einem  Kreise,  der  in  der  Verticalebene  um 
einen  beliebigen  Punkt  derselben  mit  constantcr  Winkel- 
geschwindigkeit rotirt.  X. 


Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben. 

Es  wurden  eriKiniit:  Dlt  ordentliche  Professor  der  Physik  an  der 
Universität  Freiliurg  Dr.  Km  i  1  Warburj;'  zum  Uofrath.  —  Prof.  Dr. 
Bernliard  Naunyn  von  der  Universität  Strassbnri;  zum  Nach- 
folger Ivahler's  an  der  Lelirkanzel  der  ersten  Klinik  der  Universität 
Wien.  —  Der  Privatdocent  für  Hygiene  an  der  Universität  Breslau 
Dr.  Heinrieh  Bitter  zum  Leiter  des  bakteriidogischen  Labora- 
toriums in  Alexandria. —  Dr.  Giessler,  Assistent  am  botanischen 
Institut  der  Universität  Jena,  zum  Assistenten  am  botanischen 
Museum  und  botanischen  Garten  der  Universität  Göttingen.  — 
Dr.  Hallier  zum  Assistenten  am  botanischen  Garten  zu  Buiten- 
zorg  auf  Java.  —  Dr.  Dreyor  aus  St.  Gallen  zum  Assistenten 
am  pflanzenphysiologisehen  Institute  der  Universität  Göttingen.  — 
Der  Custos  am  botanischen  Garten  zu  Athen  Dr.  Spyridon  Mi- 
liarakis  zum  Professor  der  Botanik  an  der  dortigen  Universität. 
—  Prof.  Dr.  Renvers  zum  Director  der  inneren  Abtheilung  des 
Krankenhauses  Moabit  in  Berlin.  —  Dr.  von  Benary  zum  Leiter 
der  inneren  Abtheilung  des  Elisalietb-Krankenhauses  in  Berlin.  — 
Der  Physiker,  Oberlehrer  Dr.  Nahrwold  zum  Director  der  neuen 
höheren  Bürgerschule  in  Berlin. 

Der  Geologe  Dr.  Friedr.  Kaunhowen  ist  als  Assistent  bei 
der  pflanzenpalaeontologischen  Abtheilung  der  Kgl.  Preuss.  geolog. 
Landesaustalt  in  Berlin  eingetreten. 

Es  haben  sich  habilitirt:  Der  Assistent  am  zoologischen  Institut 
der  Universität  Breslau  Dr.  Braem.  —  Dr.  Braunschweig  für 
Augenheilkunde  an  der  Universität  Halle.  —  Der  Zoologe  Dr.  (_)tto 
Fischer  in  der  philosophischen  Facultät  der  Universität  Leipzig. 

Dr.  J.  Hofnieior,  bisheriger  Leiter  der  inneren  Abtheilung 
des  Elisabeth-Krankonhauses  verlässt  seiner  angegriffenen  Gesund- 
heit wegen  für  längere  Zeit  Berlin. 

Es  sind  gestorben:  In  Sifu  der  Afrikaforscher  Oberst  Messe 
daglia  Boy,    naher  Freund   und  Mitarbeiter  Gordon's,    mit  dem 
zusammen  er  Darfur  hielt.  —  Professor  Dr.  Wilhelm  Zuelzer, 
Docent  an  der  medicinischen  Facultät  der  Universität  Berlin. 


Ein  internationaler  Congress  der  Mathematiker,  Astro- 
nomen und  Astrophysiker  wird  geleginflich  der  ^Vl•ltau^stcllung 
in  Chicago  in  der  Woche  vom  21.  bis  26.  August  daselbst  abge- 
halten werden.  Secretair  ist  George  E.  Hahi  vom  Kenwood- 
<  »bservatorium  in  Chicago. 

Eine  internationale  Hygiene-Ausstellung  w  ird  am  12.  August 
d.  J.  in  Le  Ilavre  eröffnet  werden.  Ihre  8  Gruppen  sollen  die 
private  und  ötfentliche  Gesundheitspflege  und  Schift'shj'giene  um- 
fassen. 

Unter  dem  Namen  „Geographica!  Club"  bat  sich  in  Philadelphia 
eine  neue  geographische  Gesellschaft  constituirt  und  auch  bereits 
•die  erste  Nummer  einer  von  ihr  herausgegebenen  Zeitschrift  ver- 
öffentlicht, in  welcher  sich  ein  bemerkenswerthcr  Aufsatz  „Ueber 
Gebirgsforschung"  aus  der  Feder  von  E.  S.  Balch  befindet. 


Mr.  F.  G.  Jackson's  beabsichtigter  Versuch,  den  Nord- 
pol von  Kaiser-Franz-Joseph-Land  aus  zu  erreichen,  ist  um  ein 
Jahr  hinausgeschoben  worden.  Der  Reisende  wird  den  kommen- 
den Winter  in  Novaja  Semlja  zubringen,  um  sich  n\it  den  Ver- 
hältnissen des  arktischen  Winters  vertraut  zu  machen. 


Eine  kühne  Dame,  Miss  Taylar  von  der  Chinesischen  Inland- 
Mission,  hat  ganz  allein  einen  grossen  Theil  des  östlichen  Tibet 
durchwandert  und  befindet  sicli  jetzt  auf  dem  Wege  nach  Eng- 
land, wo  uian  ihrer  Ankunft  mit  Spannung  entgegensieht. 

Dr.  Frithjof  Nansen'a  Nordpolexpedition,  die  von  langer 
Hand  sorgfältigst  vorbereitet  und  nach  den  neuesten  Erfahrungen 
der  Wissenschaft  und  Technik  ausgerüstet  ist  (vergl.  „Naturw. 
Wochenschr."  VIII.  S.  7),  hat  auf  dem  für  sie  erbauten  und  mit 
Rücksicht  auf  die  zu  überwindenden  Eisverhältnisse  eigens  con- 
struirten  Schiffe  „Fram"  („Vorwärts")  am  24.  Juni  den  Hafen  von 
Christiania  verlas.=en,  um  sich  nach  den  Neusibirischen  Insclii 
zu  begeben ,  von  wo  aus  der  kidme  Reisende  den  Pol  mit 
Hilfe  der  darüberhinführenden  Ströminig  zu  erreichen  hofft.  ~ 
Unter  den  Theilnehmern  der  Expedition  nennen  wir  folgende: 
Dr.  Frithjof  Nansen,  Chef  und  Leiter;  Kapitän  (_>tto  Sverdrup, 
Führer  des  Schift'es,  Nansen's  Begleiter  auf  seiner  Grönland- 
durchquerung;  Marineliontenant  S.  Scott  Hansen,  wird  als  Leiter 
von  Ausflügen  und  Beobachtungen  auf  dem  Lande  oder  dem  Eise 
dienen;  Cand.  med.  Henrik  G.  Blessing,  Schiffsarzt;  Adolf  Juul, 
Proviantverwalter  und  Stuart;  T.  C.  Jacobson,  erster  Steuer- 
mann; Anton  Amundsen,  erster  Mascliinist;  Second -Lieutenant 
Hjalniar  Johansen,  wird  bei  Ausflügen  als  Schütze  und  Skiläufer, 
ai'i  Bord  als  Matrose,  Heizer  u.s.  w.  fungircn;  Peder  L.  Heuriksen, 
Harpunier  aus  Tromsö;  Lars  Pettersen,  Maschinist  und  Schmied. 
Möge  das  Glück  die  kühnen  Männer  begünstigen,  und  ihnen  eine 
erfolgreiche  Fahrt  und  glückliche  Rückkehr  in  die  Heimath  be- 
schieden sein.  

Eine  Arago-Statue  aus  Bronce  wurde  vor  einigen  Tagen  auf 
dem  hinter  dem  Pariser  » »liservatorium  gelegenen  Platze  durch 
Poincare  in  Gegenwart  zahlreicher  Mitglieder  der  Akademie,  der 
Beamten  der  Sternwarte  und  einiger  Zuschauer  enthüllt.  Es 
ist  dies  das  dritte  Monument,  welches  dem  grossen  Astronomen 
errichtet  worden  ist.  

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1  Tafel  und   1   Tabelle.  —  Preis  3  M. 
No.  142:    Oberbergamts-Markscheider    0.  Brathuhn.    Kat.  der 
Markscheidekunst.     Mit    174    Text- Abbildungen     —    Preis 
3  Mark. 
No.  14.3:  Privatdocent  Dr.  II  ein  r.  Schur  tz,    Kat.   der  Völker- 
kunde.    Mit    CT   Text-Abbildungen. 

No.  42.  Der  Autor  bemüht  sich,  die  neueren  Errungenschaften 
der  Wissenschaft  zu  verwerthen.  Als  elementarer  Leitfaden  der 
Geologie  kann  sein  Buch  emptVdilen  werden.  Die  Tafel  bringt 
eine  Darstellung  des  Berliner  Exemplares  der  Archaeopteryx 
lithographica. 

No.  142  ist  jedem,  der  sich  mit  der  Vermessung  und  Dar- 
stellung unterirdischer  Räume  zu  befassen  hat  oder  eine 
Orientirung  auf  diesem  Gebiete  sucht,  sehr  zu  empfehlen. 

No.  14.5.  Das  310  Seiten  umfassenile  Buch  über  Völkerkunde 
zerfällt  nach  einer  kurzen  Einleitung  in  zwei  Theile :  1.  Ver- 
gleichende Völkerkunde  (Ethnologie),  2.  Beschreibende  Völker- 
kunde (Ethnographie);  es  bietet  eine  gute,  sowie  praktische  Ueber- 
sicht  über  das  Gebiet  und  ist  als  kleines  Handbuch  wegen  des 
sorgfältigen  Registers  brauchbar. 

Prof.  Dr.  Th.  Ziehen,    Leitfaden    der  physiologischen  Psycho- 
logie in  15.  Vorlesungen.     Mit    21   Text-Abbildungen.     Zweite 
vermehrte  u.  vi'rbesserte  Auflage.    Gustav  Fischer,  Jena   1893.  — 
Preis  4,50  Mk. 
Erst  in  No.  41  (vom  11.  Oktober  1891)  Bd.  VI  haben  wu-  die 
erste  Auflage  der  Ziehen'schcn   phys.  Psychologie    so   ausführlich 
besprochen,    dass  wir    uns    hier    darauf  beschränken    müssen,    die 
Veränderungen,  welche  das  gute  Buch  in  der  vorliegenden  Auflage 
erlitten  hat,  anzugeben.     Die   1.  Auflage  umfasste   176  Seiten,  die 
2.  ist  auf  220  Seiten  angewachsen,  wobei    freilich    zu  berücksich- 
tigen   ist,    dass  der  Druck    der    neuen  Auflage   etwas  weitläufiger 
ist.     Sehr  dankenswerth  ist  die  Beigabe  eines  Registers,  das  in  der 
1.  Auflage  fehlte.    Diese  brachte  14  „Vorlesungen",  die  vorliegende 
enthält    deren  15,  indem  als  9.  Vorlesung  eingeschaltet   ist:   „Der 
Gcfühlston    der  Vorstellungen.  —  Affecte.''     Auch    sonst   ist  hier 
und  da  eine  Vermehrung  und  eine  Verbesserung    des  Inhaltes  zu 
constatiren.     Im    übrigen  verweisen  wir    auf    das  schon  genannte 
frühere  Referat. 

Schröter,  Taschenflora  des  Alpen -Wanderers.  Colorirte  Ab- 
bildungen von  170  verbreiteten  Alpenpflanzen,  nach  der  Natur 
gemalt  von  Ludwig  Schröter.  Mit  kurzen  botanischen  Notizen 
in  deutscher,    französischer    und    englischer    Sprache  von  Prof. 


278 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  27. 


Dr.  C.  Schröter.  Dritte,  vnllstäiulig  umgearbeitete  nud  ver- 
inelirte  Auflage.  Meyer  &  Zeller  (Reimann  sehe  Buehhaiullung). 
Zürich  1892.  —  Preis  Ü  Mk. 

Die  erste  Auflaij,e  des  prächtigen  Büchelchens  erschien  1889 
und  wurde  Bd.  IVNo.  12S.  95  der  „Naturwissensch.  Wochenschr." 
besprochen.  Die  dritte  Auflage  ist  ganz  umgearbeitet  worden: 
alle  18  Tafehi  sind  neu  gemalt  worden,  und  es  sind  mit  Ausnahme 
von  Tafel  4,  welcho  die  grossen  Arten  von  Geutiana  (wie  lutea 
u.  s.  w.),  Aconitum  Napellus,  Veratnnn  album  und  Eryngium  al- 
pinum  veranschaulicht  —  sehr  zweckmässig  verkleinerte  Darstel- 
lungen der  Objecte  vermieden  worden.  In  der  ei-sten  und  zweiten 
Auflage  werden  nur  11.5  Arten  vorgeführt,  in  der  dritten  nicht 
weniger  als  170.  Die  AbViildungen  sind  tretflich  charakteristisch, 
die  botanischen  Notizen  durchaus  zweckmässig  verfasst.  Referent 
kennt  kaum  ein  geeigneteres  Mittel,  das  dem  Laien  als  erste  Ein- 
führung in  die  scientia  amabilis  in  die  liand  gegeben  werden 
könnte.  Dass  die  Verf.  in  der  That  durch  Abfassung  ihrer  Schrift 
einem  Beilürfniss  ents]iroclieu  haben,  beweist  die  Thatsache  des 
Erscheinens  von  3  Aufl.  innerhalb  von  nur  4  Jahren. 


Prof.  Dr.  Budolf  Hoernes,  Erdbebenkunde.  Die  Erscheinungen 
und  Ursachen  der  Erdbeben,  die  Methoden  ihrer  BeobiichtiiU};. 
Mit  vielen  Te.\tabbilduui;en  u.  Karten  u.  2  Tafeln.  Veit  &  Co. 
Leipzig  1893.  —  Preis  10  M. 

Nach  einer  historischen  Einleitung  werden  die  Erscheinungen, 
die  Methoden  der  Beobachtung  und  der  Bebenforschung  in  um- 
fassender Weise  erörtert.  In  den  folgenden  Capiteln  werden  die 
Erdbeben-Typen,  nach  genetischen  Gesichtspunkten  geordnet,  vor- 
geführt. Der  Verfasser  behandelt  mit  Recht  vorwiegend  jene 
Beben  der  jüngsten  Zeit,  welche  durch  bewährte  Facldeutc  be- 
schrieben und  kritisch  erörtert  worden  sind;  die  wichtigen  Ar- 
beiten der  Japanischen  Gesellschaft  und  der  Schweizer  Connnission, 
die  Untersuchungen  von  Suess,  C'redner,  Bittner,  Wähn  er, 
Barrois  u.  a.  werden  zu  Grunde  gelegt. 

Li  zwei  Abschnitten  werden  behandelt  die  tektonischen  Be- 
dingungen der  Einsturzbeben  (das  Karst-Phänomen)  und  die 
vulcanischen  Beben,  dann  folgt  der  wiclitige  Abschnitt  idjer 
tektonische  Beben,  deren  Bedeutung  treft'end  charakterisirt 
wird:  „Mögen  die  Spannungen  sich  in  tangentielle  Faltung  oder 
in  senkrechte  Senkung  umsetzen  —  immer  wird  mit  ihrer  ruck- 
weisen Auslösung  eine  seismische  Bewegung  Hand  in  Hand  gehen". 

Hoernes  führt  Typen  von  einfachen  Brüchen  (lineare  Beben, 
Blattbeben)  vor,  die  Faltung  wird  als  Ursache  von  Erschütte- 
rungen erörtert;  endlich  werden  nach  dem  Vorgange  Suess  grosse 
tektonische  Comple.xe :  die  Faltengebirge  mit  ihren  Längs-  und 
Querbrüchen,  mit  ihren  peripherischen  Rupturen  und  radialen 
Sprüngen  beschrieben  und  mit  Bezug  auf  die  seismischen  Er- 
scheinungen kritiscli  behandelt. 

Wähner  schloss  bereits  aus  seinen  Beobachtungen  idjer  das 
Beben  von  Agram,  dass  in  diesem  Falle  eine  grosse  Scholle  der 
Erdkruste  sich  senkte.  Hoernes  behandelte  analoge  Fälle  (Sen- 
kungsfelder in  vulcanischen  Gebieten  etc.).  Li  den  meisten  Fällen 
ist  es  bisher  bekanntlich  nicht  gelungen,  eine  namhafte  Dislocation 
als  Folge  des  Bebens  nachzuweisen;  der  Autor  scheint  aber  doch 
zu  kritisch  vorzugehen,  wenn  er  die  Verticalbewegung  nur  im 
Falle  des  Mt.  Nuovo  und  Ullah  Bund  als  erwiesen  gelten  lässt. 
(S.  78.)  Weitverbreitete  Beben,  welche  mehrere  tektonisch  selbst- 
ständige Gebiete  beherrschen,  dürften  in  manchen  Fällen  durch 
kosmische  Agentien  ausgelöst  werden,  während  sie  nach  Hoernes 
Ansicht  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  als  Relais- Beben  zu  be- 
zeichnen wären:  es  wurden  eben  durch  ein  Beben  die  reifen<len 
Spannungen  in  entfernten  Gebieten  ausgelöst. 

Unter  den  kosmischen  Agentien  hat  die  Stellung  der  Sonne 
einen  namhaften,  jene  des  Mondes  einen  geringeren  Einfluss.     R. 


Rudolf  Mechsner,  Karte  des  in  Deutschland  sichtbaren 
Sternenhimmels.  Für  junge  Freundi'  der  Natur,  insbesomh-re 
für  Schüler  und  den  Schulgcbrauch.  Dietrich  Reimer  (Hoefer 
&  Vohsen).  Berlin   1893.  —  Preis  0,50  Mk. 

Die  Karte  und  der  dazu  gehörige  kurze  Text  will  mit  den 
Sternbildern  vertraut  machen.  Es  sind  nur  die  Sterne  der  1.  bis 
4.  Grösse  berücksichtigt  worden  und  von  den  Sternen  des 
südlichen  Himmels  nur  diejenigen,  welche  in  Mitteldeutschland 
sich  mindestens  10  Grad  über  den  Horizont  erhoben  können.  Zur 
leichteren  Erlernung  des  gegenseitigen  Standes  der  Bilder  und 
ihrer  Namen  bietet  Verfasser  nach  Art  der  Zumiit'scheu  lateinischen 
Genusregehi  Verse. 


Robert  Mayer.  Die  Mechanik  der  Wärme  in  gesauimelten 
Schriften.  Dritte  ergänzte  uml  mit  historisch-littcrarisidien  Mit- 
theilungen versehene  Auflage,  herausgegeben  von  Prof.  Dr. 
Jacob  J.  Weyrauch.  I.  G  Cotta'sche  Buchhandlung,  Nachfolger. 
Stuttgart  1893.  —  Preis  10  Mk. 

Die  1.  Aufl.  der  Mayer'schen  kleineren  Schriften  erschien 
18G7,  die  2.  1874:  beide  sind  noch  vom  Verf.  selbst  besorgt  worden. 
Die  vorliegende  3.  Auflage  hat  den  früheren  Auflagen  gegenüber 
wesentlich  gewonnen  durch  die  sachgemässen  Anmerkungen  des 
Herausgebers  und  durch  die  gewissenhafte  Biographie  Mayer's, 
die  derartig  gegliedert  ist,  dass  sich  in  chronologischer  Folge 
die  XIII  Mayer'schen  Abhandlungen  eingeschaltet  finden.  Man 
rückt  dadurch  dem  Entdecker  des  mechanischen  Wärmeäquivalents 
ausserordentlich  nahe  und  vermag  in  sein  Denken  und  Fühlen 
nach  Möglichkeit  einzudringen.  Wir  müssen  dem  geschickten 
Herausgeber  zustinnnen,  wenn  er  bei  der  grundlegenden  Be- 
deutung der  Mayei-'schen  Entdeckung  sagt:  „Jeder  berufsmässig 
mit  Naturwissenschaften  und  deren  Anwendungen  Befasste  sollte 
diese  Werke  gelesen  haben,  in  keiner  Studien-  und  Schüler- 
bibliothek  sollte  es  fehlen". 

Zwei  noch  nach  1874  von  Mayer  veröffentlichte  kleine  Auf- 
sätze, nämlich  „Die  Torricelli'.sche  Leere"  und  ,, Lieber  Auflösung", 
die  sich  also  in  den  beiden  von  M.  selbst  besorgten  Auflagen  nicht 
finden,  hat  W.  durchaus  richtig  in  die  neue  Auflage  gebracht. 
Ferner  finden  wir  in  dem  Buche  ein  bisher  unbekanntes  Bild 
Robert  Mayer's  aus  dem  Jahre  der  Veröffentlichung  seines  grund- 
legenden Werkes  1842  beigegeben,  sowie  das  in  Heilbronn  1892 
enthüllte  Denkmal  und  endlich  ein  Facsimilo  der  ersten  noch  vor- 
handenen brieflichen  Mittheilung  Mayers  vom  24.  Juli  1841  an 
Carl  Bauer,  betreffend  die  von  ihm  auf  der  Reise  nach  Ostindien 
gewonnenen  Anschauungen.  Auch  das  ausfiUirliche  Personen-  und 
Sachregister  erhöht  den  Werth  des  Buches  nicht  gering. 


Jahrbuch  der  König^l.  Freuss.  Geolog.  Landesanstalt  und 
Bergakademie  für  das  Jahr  1891.  Band  XII.  Berlin  1893.  — 
Die  Ausstattung  des  umfangreichen,  mit  28  prachtvollen  Tafeln 
versehenen  Bandes  ist,  wie  immer,  eine  reiche.  Im  ersten  Theile 
bringt  derselbe  „Mittheilungen  aus  der  Anstalt",  und  zwar  1)  den 
Bericht  über  die  Thätigkeit  derselben  im  Jahre  1891;  2)  den  Ar- 
beitsplan für  1892;  3)  Mittheilungen  über  ihre  Aufnahmen  im  Jahre 
1891  aus  der  Feder  von  K.  A.  Lossen,  A.  v.  Koenen, 
E.Zimmermann,  H.  Loretz,  H  Pr  oesch  old  t,  H.  BUcking, 
E.  Kays  er,  A.  Lejjpla,  H.  Grebe,  G.  Berendt,  C.  Gagel, 
H.  Grüner  und  A.  Jentzsch;  4)  Personal-Verhältnisse  der 
Anstalt  am  1.  Januar  1893. 

Der  zweite  Tlieil  bringt  zunächst  Abhandlungen  von  folgenden 
Mitarbeitern  der  Anstalt:  H.  Potonie:  Uelier  einige  Carbonfarne. 
Hl.  Theil.  (Palmatopteris  furcata,  Neuropteris  gigantea  und 
N.  Zeilleri).  G.  Berendt:  Spuren  einer  Vergletscherung  des  Riesen- 
gebirges. (Ueber  diese  Arbeit  ist  bereits  eingehend  in  der  „Naturw. 
AVochenschr."  (VIII,  S.  165  ff.)  berichtet  worden.)  R.  Scheibe: 
Ueber  Hauchecornit ,  ein  Nickelwismuthsulfid  von  der  Grube 
Friedrich)  Revier  Hammer  a.  d.  Sieg).  J.  H.  Kloos:  Die  geog- 
nostischen  Verhältnisse  am  nordwestlichen  Harzrande  zwischen 
Seesen  und  Hahausen  unter  specieller  Berücksichtigung  der  Zech- 
steinformation. L.  Beushausen:  Ueber  Hypostome  von  Homalo- 
noten.  F.  Wahnschaffe:  Bericht  über  den  von  der  geologischen 
Gesellschaft  in  Lille  veranstalteten  Ausflug  in  das  Quartärgebiet 
des  nördlichen  Frankreich  und  südlichen  Belgien.  W.  Frantzen: 
Bemerkungen  über  die  .Schichten  des  oberen  Muschelkalks  und 
unteren  Keupers  in  dem  Bereiche  der  Messtischblätter  Eisenach, 
Creuzburg  und  Berka.  E.  Dathe:  Die  Strahlsteinschiefer  des 
Eulengebirges.  A.  Denckmann:  Die  Fraukenberger  Perm- 
bildungen. Th.  Wolf  er:  Bericht  über  einen  Grandrücken  bei 
dem  Dorfe  Krschywagura  südlieh  Wreschen. 

Von  Nichtmitgliedern  der  Anstalt  sind  die  folgenden  Arbeiten 
zu  nennen:  W.  Hocks:  Der  Froschberg  im  Siebengebirge. 
Althans:  Riegelbildungen  im  Waldenburger  Steinkohlenge- 
birge. Derselbe:  Die  Erzformatioii  des  Muschelkalkes  in  Ober- 
schlesien. A.  Dannenberg:  Der  Leilenkopf.  ein  Aschenvulcan 
des  Laachcr-See-Gebiotes.  Christian  Dütting:  Beiträge  zur 
Kenntniss  der  Geologie  der  Gegend  von  Borgloh  und  Welling- 
holzhausen.  H.  Eck:  Zur  Litteratur  von  Rüdersdorf  und  UmJ 
gegend.  von  Rosenberg-Lipinsky:  Die  Verbreitung  der  Braun- 
kohlenformation  im  nördlichen  Theil  der  Provinz  Schlesien. 
K.  Schumann:  ITntersuchungen  über  die  Rhizocauleen.  J.  P. 
Smith:    Die  Jurabildungen  des  Kahlberges  bei  Echte. 


Inhalt:  Prof.  Dr.  M.  Braun:  Ueber  die  künstliche  Ei'zeugung  von  Doppel-,  Halb-  und  Zwergbildungen  bei  Thieren.  (Mit  Abbild.) 
—  Die  kritischen  Tage  des  Herrn  Falb.  —  Mäusevertilgung  mittelst  des  Mäusetyphusbaeillus.  —  Ein  pflanzenfressender 
Delphin.  —  Fischfrossendes  Nagethier.  —  Erblindung  von  Krähen  durch  Einfluss  der  Kälte.  —  Die  Erhaltung  der  einheimischen 
Vögel  Neu-Seelands.  —  Ueber  Münzmetalle  und  sogenannte  Ausbeutemünzen.  —  Der  Trisectionszirkel  von  Dr.  E.  Eckardt. 
(Mit  Abbild.)  —  Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben.  —  Litteratur:  Webers  illustrirte  Katechismen.  —  Prof.  Dr.  Th.  Ziehiui:  Leitfaden 
der  physiologischen  Psychologie  in  15  Vorlesungen.  —  Prof.  Dr.  Rudolf  Hoernes:  Erdbebenkundc.  —  Rudolf  Mechsner: 
Karte  des  in  Deutschland  sichtbaren  Sternhimmels.  —  Rqbert  Mayer:  Die  Mechanik  der  Wärme.  —  Jahrbuch  der  Königl. 
Preusa.  Geolog.  Landesanstalt  und  Bergakademie. 


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Nr.  27. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


•279 


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Die  Insekten-Börse 

jetzt  vereinigt  mit  der  „Sammler -Börse" 


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5]rtS>c};ter»^ör5e. 

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Berlin  NW.,  Spener-Strasse  17. 

meclianisclii-  n'opkstiilt«-  für  Aus- 

iirbi'ituiia  von  lU-liiKliiiisi-ii. 

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280 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrilt. 


Nr.  27. 


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welcher,  ein  scharfer  Beobachter,  auch  seine  Beobachtungen  in  voUwerthiger  Münze 
ausprägt,  plaudert  clarin  über  die  verschiedensten  Dinge:  die  Psychologie  der  Ich- 
sucht, Parnassier  und  Diaboliker.  Decadenten  und  Aestheten,  Ibsenismus,  Friedrich 
Nietzsche,  Zola  und  die  Zolaschulen,  die  jungtleutschen  Nnchätler  u.  s.  w.  und  be- 
schäftigt sich  dann  mit  dem  20.  Jahrhundert,  dem  er  die  Prognose  stellt  und  von 
dessen  Krankheit  er  die  Therapie  entwickelt". 


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Itiiljt  burdi  treffltd)e  SHiiflratiDncu,  bcn  i'efer  iit  ba§  gctietniiitB' 
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Ein  Beitrag 

zur 

X  Geschichte  des  europäischen  Hausrindes,  t 


3n  itnferm  SSerlage  erfdjien  foeben: 

für  b\c  /tönigf.  ^*rcu^.  ^taafcn. 

Hlit  brn  föuimtliilitii  iinranf  bniisürlifn  (jpfriilirtirn  ficlliminniigni  iiiiii  lltmiiniiingm 

anii  btn  wiiiitigftfii  (fiitidiciiiunürii  ber  lib'diftni  ffitiiditoliöfc  ctt. 

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Verantwortlicher  Red;ilcteur:    Dr.  H.  Potonii'.    Berlin  N.  4.,    Invalidenstr.  40,41,    für    den    Inseratentheil:     Hugo  Bernstein   in  Berlin. 
Verlag:  Fertl.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12.  —  Druck:  G.  Bernstein,  Berlin  SW.  12. 


^^  Redaktion:  f         Dr.  H.  Potonie. 

Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12,  Zimmerstr.  94. 


Vin.  Band. 


Sonntag,  den  9.  Juli  1893. 


Nr.  28. 


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Abdruck  ist  iinr  mit  vollstäiidis;er  4{ncllenan)»;abe  gestattet.  7^;>  .^'  - 


Die  Dichte  der  Erde. 


Von  Max  Fiebelkorn. 


Zu  Anfang  des  XIII.  Jahrlnnulei'ts  wurden,  wie  all- 
gemein bekannt,  die  Wissenschaften  aus  dem  tiefen 
Schlunnncr  geweckt,  in  dem  sie  acht  Jahrhunderte  gelegen 
hatten.  Au  vielen  Orten  wurden  Universitäten  gegründet, 
und  ein  Eifer,  die  Wissenschaften  zu  erweitern  und  zu 
heben,  ist  unverkennbar;  jedoch  weisen  erst  das  XVI.  und 
XVII.  Jahrhundert  grössere  Fortschritte  auf. 

Unter  den  anderen  Wissenschaften  kam  jetzt  auch 
die  Geophysik  zur  Geltung,  und  ihr  Studium  wurde  wesent- 
lich gefördert,  als  1492  Kolum])us  seine  kühne  Fahrt  nach 
dem  fernen  Westen  augetreten  hatte,  und  es  Magelhaeus 
gelungen  war,  die  Erde  zum  ersten  Male  zu  umsegeln. 
Hierdurch  war  der  Beweis  für  die  Kugelgestalt  der  Erde 
gegeben. 

Es  ist  erklärlieh,  dass  man,  als  erst  die  Kugelforni 
unseres  Planeten  bewiesen  war,  auch  bald  anfing,  andere 
physikalische  Eigenschaften  der  Erde  zu  untersuchen,  so 
das  specitische  Gewicht  oder  die  Dichte  derselben.  Seit 
dem  Jahre  1738  haben  eine  grosse  Anzahl  von  Physikern 
Versuche  angestellt,  dieselbe  zu  l)(?stimmen  und,  wenn  auch 
nicht  ganz,  so  doch  im  Allgemeinen  übereinstimmende 
Resultate  gewonnen.  Im  Folgenden  sollen  die  angestellten 
Versuche  zusammengestellt  und  erläutert  werden. 

Wir  leiten  zunächst  eine  Formel  ab,  durch  welche  wir 
im  Stande  sind,  die  Dichte  der  Erde  zu  berechnen. 

Unter  Dichte  versteht  man  Ijekanntlich  das  Verhältniss 
zwischen  Masse  und  Volumen  eines  Körpers: 


Nehmen  wir  nun  ein  von  Newton  gefundenes 
zu  Hilfe,  nach   dem  sich  vfrlialfen: 

I.  Die  Anziehungen  zweier  Körper  wie  ihre  Massen, 
oder 

a  :  A^  m  :  M. 

II.  Die   Anziehungen  zweier   Körper    umgekehi't   wie 
die  Quadrate  der  Entfernungen  beider  Körpei-,  oder 

c-      f 
vereinigen  wir  diese  beiden  Ausdrücke   mit  einander  und 
setzen  gleichzeitig 


so  resultirt: 


in  =  du  und  AI  =  D  U, 


dv     DV 


obiger  Forme 


d  = 


Hieraus  folgt 


m 


d  V 


oder  für  eine  andere  Masse  M  von  der  Dichte  /'  und  dem 
Volumen    V 

M  =  D  V. 


Ist  in  dieser  Formel  a  die  Anziehung  eines  Körpers,  d 
seine  Dichte  und  v  sein  Volumen,  A  die  Anziehung  der 
Erde,  D  ihre  Dichte  und  V  ihr  Volumen,  so  ist  uns  von 
diesen  Grössen  nur  D  unbekannt,  welches  wir  mithin  aus 
berechnen  können. 

Die  ersten  Versuche,  die  Dichte  der  Erde  zu  be- 
stimmen, stammen  aus  dem  Anfange  des  XVIII.  Jahr- 
hunderts. Damals  war  es  bereits  aufgefallen,  dass  ein 
Lot,  in  der  Nähe  einer  freistehenden  liergkuppe  aufgehängt, 
aus  seiner  vertikalen  Lage  weicht  und  sich  dem  Berge 
zuneigt,  und  schon  Newton  hatte  darauf  hingewiesen,  dass 
man  diese  Erscheinung  zur  Bestimmung  der  Dichte  des 
Erdkör]iers  benutzen  könnte. 

1738  unternahmen  Bouguer  und  la  Condamine  zum 
ersten  Male  den  Versuch  am  Chimborazo  in  Süd-Amerika, 
ohne  jedoch  zu  einem  weitereu  Ergebniss  zu  koinmen,  als 
dass  ilas  Lot  durch  den  Berg  wirklieh  abgelenkt  würde. 
1774  wurden  die  Vei'suche  erneuert  von  Hutton  und  Mas- 
kelyne,   welche    sich    für    ihre  Experimente   den    isolirteu 


282 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  28 


Berg  Shehallien  in  Schottland  auswälilten.  Sie  berechneten 
den  Inhalt  des  Berges  und  Hutton  nahm  die  Dichte  des- 
selben anfangs  zu  2,5  an,  änderte  diese  Zahl  jedoch 
später  in  3  um.  Die  beiden  Forscher  fanden,  dass  das 
Lot  durch  den  Berg  um  5'  j  Secunden  aus  seiner  Lage 
gebracht  wurde.  Darnach  ergab  sich  die  Dichte  der  Erde 
als  4,7;  bei  späteren  Versuchen  erhöhte  Hutton  diese  Zahl 
auf  5.  Er  hielt  seine  Methode  für  ganz  vorzüglich  und 
wollte  noch  im  späten  Alter  seine  Messungen  an  einer  der 
altägyptischen  Pyramiden  wiederholen,  kam  jedoch  nicht 
mehr  dazu. 

Die  Huttonsche  Methode  wurde  in  späteren  Jahren 
noch  dreimal  wiederliolt.  Zunächst  1881  durch  Play  fair 
und  Lord  Webb  Seymour,  welche  wiederum  den  Sliahel- 
lien  zu  ihren  Versuchen  benutzten,  aber  die  Verschieden- 
heit der  Gesteine  in  Betracht  zogen,  aus  denen  der  Berg 
zusammengesetzt  war.  Aus  ihren  Untersuchungen  er- 
gab sich  im  einen  Falle  D  =  4,55886,  im  anderen 
D  =  4,866997. 

Zum  zweiten  Male  wurde  das  Huttonsche  Verfahren 
wiederholt  von  James  im  Jahre  1856  am  Berge  Arthur's 
Seat  bei  Edinburg,  welcher  D  =  5,3  fand. 

Schliesslich  prüfte  1880  Mendenhall  die  Versuche 
Huttons  am  Fusi  y  ama,  einem  vulcanischen  Berge  Japans 
von  kegelförmiger  Gestalt  und  der  Dichte  2,12.  Menden- 
hall erhielt  D  =  5,77. 

Ein  zweites  Verfahren,  die  Dichte  der  Erde  zu  be- 
stimmen, schlug  nicht  lange  nach  Hutton  Cavendish  ein, 
indem  er  zu  seinen  Versuchen  ein  Instrument  benutzte, 
welches  in  der  Physik  unter  dem  Namen  der  Drehwaage  *) 
bekannt  ist.  Die  Anziehung  der  beiden  Kugeln  an  den 
Endpunkten  des  horizontal  liegenden  Stabes  durcli  eine 
oder  zwei  andere  Kugeln  spielt  bei  diesen  Versuchen  die 
Hauptrolle. 

Die  Drehwaage  wurde  1784  vom  Physiker  Coulomb 
erfunden  und  in  die  Physik  eingeführt,  jedoch  hatte  schon 
vorher  Michell  die  Idee,  mit  Hilfe  eines  solchen  Apparates 
die  Dichte  der  Erde  zu  bestimmen.  Er  construirte  daher 
1768  ein  Instrument,  welches  durch  mehrere  Hände  ging 
und  schliesslich  von  Cavendish  vom  5.  August  1797  bis 
23.  März  1798  zu  seinen  Versuchen  benutzt  wurde. 

Im  Ganzen  machte  er  17  Versuche  und  erhielt  hierbei 
29  Bestimmungen  für  die  Dichte  der  Erde.  Er  fand  im 
Mittel  D  =  5,48.  Im  Laufe  der  Zeit  wurden  jedoch  Fehler 
in  seiner  Rechnung  gefunden,  und  nach  Laj)lace's  Berech- 
nung ergab  sich  I)  =  4,761.  Ferner  nahm  Hutton  als 
84jähriger  Greis  noch  einmal  eine  Revision  der  Rechnung 
vor  und  fand  J)  =  5,32.  Nach  längerer  Zeit  sah  schliess- 
lich E.  Schmidt  die  Berechnung  Cavendish's  von  neuem 
durch  und  erhielt  D  =  5,52. 

Die  Methode  Cavendish's  hat  unzweifelhaft  grosse 
Vortheile  vor  der  Hutton's;  denn  einerseits  braucht  man 
nicht  die  hypothetische  Annahme  über  die  Zusammen- 
setzung und  Gestaltung  eines  Berges  zu  machen,  anderer- 
seits aber  kann  man  bei  den  Versuchen  Kugeln  der  ver- 
schiedenartigsten Metalle  anwenden  und  uiuss  doch  über- 
einstimmende Resultate  erzielen. 

Die  Versuche  Cavendish's  wurden  wiederholt  von 
Reich  in  Freiberg,  welcher  im  Herbst  1835  mit  den  Vor- 
bereitungen begann  und  seine  Versuche  im  August  1837 
beendete.  Reich  verwandte  vor  allen  Dingen  besondere 
Sorgfalt  darauf,  jeden  Luftzug  von  seinem  Apparate  fern 
zu  halten  und  experimentirte  deshalb  in  einem  leer- 
stehenden Keller  der  Freiberger  Bergakademie.  Seine 
Versuche  unterscheiden    sich  nicht  wesentlich  von  denen 


*)  Ich  .setze  die  Einrichtung  dieses  Instrumentes  wie  auch 
diejenige  aller  folgenden  Apparate  als  bekannt  voraus.  Im 
Uebrigen  giebt  jedes  Lehrbuch  der  Physik  über  die  Construction 
derselben  Aufschluss. 


seines  Vorgängers.  Reich  fand  D  =  5,43  ±  0,0233  und 
unter  Berücksichtigung  der  Centrifugalkraft  der  Erde 
D  =  5,44. 

Gleichzeitig  mit  Reich,  aber  ohne  dass  beide  von  ein- 
ander wussten,  stellte  Baily  Versuche  mit  der  Drch\v;iage 
an,  welch'  letzteren  Ajiparat  er  jedoch  wesentlich  ver- 
änderte, indem  er  z.  B.  nicht  nin-  Kugeln  eines  Metalles, 
sondern  auch  solche  von  Glas  und  Elfenbein  etc.  ver- 
wandte. Er  machte  im  Ganzen  2153  Experimente,  welche 
im  Mittel  ergaben  D  =  .5,67. 

Nicht  lange  nach  den  Versuchen  Baily's  unterzog 
Reich  im  Jahre  1847  die  Sache  einer  nochmaligen  Prüfung, 
indem  er  gleichzeitig  seinen  A])]tarat  aus  dem  Keller  in 
ein  leeres  Zimmer  brachte,  da  er  die  Fäulniss  des  um- 
gebenden Mahagonikastens  fürchtete.  Gleichzeitig  über- 
zog er  ihn  auf  Forbe's  Rat  rtiit  einer  Metallschicht. 
Die  neuen  drei  Reihen  von  Versuchen  ergaben  folgende 
Resultate : 

L  Reihe />  =  5,5712  ±  0,0113 

IL  Reihe X>=  5,6173  db  0,0181 

III.  Reihe i»  =  5,5910  ±  0,0169. 

Aus  allen  Versuchen  ergab  sich  im  Mittel  D  :=  5,5832 
=b  0,0149. 

Während  einiger  Jahrzehnte  ruhten  jetzt  die  Versuche 
mit  der  Drehwaage,  bis  1872  Cornu  und  Baille  sich  von 
neuem  daran  machten,  mit  Hilfe  dieses  Apparates  die 
Dichte  der  Erde  zu  bestimmen.  Sie  achteten  besonders 
darauf,  alle  störenden  Einflüsse  in  der  Berechnung  zu  be- 
rücksichtigen. Auch  sie  nahmen  an  der  Drehwaage  einige 
Veränderungen  vor. 

Die  beiden  Forseher  stellten  zwei  Reihen  von  Beob- 
achtungen an  und  erzielten  in  der  Zeit 

vom  Juli  —  August  1872  im  Mittel    .  .   D  =^  5,56, 

in  den  Wiutermonaten  1872/73  im  Mittel  D  =  5,50. 

Eine  dritte  Methode,  die  angewandt  worden  ist,  die 
Dichte  des  Erdkörpers  zu  bestimmen,  basirt  auf  der  Wir- 
kung, welche  die  Anziehungskraft  der  Erde  auf  die 
Schwingung  eines  Pendels  ausübt.  Hierbei  konnten 
zwei  Wege  eingeschlagen  werden,  deren  erster  der  fol- 
gende ist: 

Man  nimmt  zwei  Pendel  von  gleicher  Länge  und 
vergleicht  ihre  Schwingungen  an  der  Erdoberfläche  und 
in  sehr  tiefen  Bergwerken  mit  einander.  Hieraus  lässt 
sich  der  Eiufluss  des  Theiles  der  Erde  auf  die  Pendel- 
schwingungen berechnen,  welcher  sieh  zwischen  beiden 
Beobaehtungsstationen  befindet.  Dieser  ist  durch  den 
Bergbau  in  Bezug  auf  seine  Masse  und  Dichte  genau  be- 
kannt. Weiss  man  nun  den  Einfluss  dieses  Theiles  der 
Erde  auf  die  Pendel,  so  kann  man  auch  die  Wirkung  des 
ganzen  Erdkörpers  auf  dieselben  finden  und  darnach  die 
Dichte  der  Erde  berechnen;  denn  die  Tiefe,  bis  zu  welcher 
wir  in  die  Erde  eindringen,  ist  im  Verhältniss  zum  Erd- 
radius so  unendlich  gering,  dass  wir  diese  kleine  Strecke 
mit  Recht  vernachlässigen  können. 

Der  erste,  welcher  auf  Grund  dieser  Beobachtungen 
das  Pendel  zur  Bestimmung  der  1  tichte  der  Erde  benutzte, 
war  Airy,  welcher  zusammen  mit  Whewell  1826 — 28  seine 
Versuche  in  einem  Kupferbergwerk  in  Coruwallis  an- 
stellte, indem  er  dabei  einen  Schacht  von  1200  m  Tiefe 
benutzte.  Die  Untersuchungen  waren  höchst  mühsam  und 
umständlich,  und  schliesslich  fand  das  Unternehmen  ein 
vorläufiges  klägliches  Ende,  als  beim  Hinaufschaften  des 
einen  Pendels  das  Gehäuse  durch  Zufall  Feuer  fing  und 
das  Pendel  in  den  Schacht  hinabstürzte  und  zerschellte. 
Airy  besorgte  sich  jedoch  bald  ein  neues  Instrument  und 
berechnete  im  Juli  1828  D  =  ungefähr  6.  Seine  Rechnung, 
die  höchst  ungenau  war,  wurde  von  Houghton  revidirt, 
und  es  ergab  sieh  jetzt  D  =  5,480. 


Nr.  28. 


Natnrwisscnschaftliclic  Wochenschrift. 


283 


1854  stellte  Airy  seine  Versuciie  von  neuem  an  in  der 
1256'  tiefen  Grube  llarton  unweit  South  Shields.  Er  ver- 
fuhr mit   der  gr(isstcn  Genauigkeit  und  fand  D  =  6,566. 

Neben  Airy  experinientirten  andere  Forscher  ebenfalls 
mit  dem  Pendel;  so  erhielt  Drobisch  in  den  Kohlengruben 
von  Dolcoatii  in  Cornwallis  D  =  5,43,  Folie  I)  ="6,439, 
von  Sterneck  zu  Przibram  am  St.  Adalbertsberge  in 
einem  Falle  />  =  6,28,  im  anderen  D  =  b.O\. 

Der  zweite  Weg,  der  bei  den  Untersuelningen  mit 
dem  Pendel  eingeschlagen  werden  kann,  besteht  darin, 
dass  man  die  Länge  eines  Pendels  auf  einem  hohen 
Berge  misst  und  damit  die  füi'  die  gleiche  Höhe  über 
dem  IMceresspiegel  theoretiscb  berechnete  Länge  des 
Instrumentes  veri^leicht. 


messenen  und  berec 
durch 


Die  Differenz   zwischen   der  ge- 
ineten  Län';e  des  Pendels  ist  bedingt 

Ist    die 


die    Anziehung    der    Masse    des    Berges. 


letztere  in  Bezug  auf  ihr  Volumen  und  ihre  Dichte  be- 
kannt, so  lässt  sich  die  Dichte  der  Erde  mit  Hilfe  dieser 
Methode  l)erechnen. 

F.  Carlini  unternahm  derartige  Versuche  auf  dem 
Mont  Cenis  und  wurde  dabei  von  Biot  in  Bordeaux  unter- 
stützt. Dieser  l'hysikcr  berechnete  die  Länge  des  Se- 
kundenpendels auf  dem  Mont  Cenis  auf  993,498  m, 
Carlini  fand  in  Wirklichkeit  aber  eine  Länge  von 
993,708.     Hieraus  ergab  sich  D  =  4,39. 

LS85  stellte  Wilsing  von  neuem  Versuche  mit  dem 
Pendel  an,  bediente  sich  jedoch  bei  seinen  Experimenten 
des  Eeversionspendels.  Er  wandte  eine  1  m  lange  pris- 
matische Stange  von  Eisenblech  an,  deren  Enden  mit 
Bleikugeln  von  je  300  gr  beschwert  waren.  Die  Schneide 
war  in  der  Mitte  der  Stange  angebracht  und  drehte  sich 
auf  einem  Achatlager.     Wilsing  erhielt  />  ^  5,594. 

Einen  neuen  Weg  zur  Bestimmung  der  Dichte  des 
Erdkörpers  schlug  Jolly  ein  im  Jahre  1878,  indem  er 
die  Waage  zu  Hilfe  nahm.  Er  machte  seine  Versuche  in 
einem  von  drei  Seiten  freistehenden  Thurme,  in  dessen 
Mitte  eine  bis  zur  Spitze  führende  Wendeltreppe  einen 
Raum  von  1,5  m  Seitenmesser  frei  Hess.  Cben  war  eine 
Waage  aufgestellt,  deren  Schalen  über  dem  freien  Raum 
hingen.  Von  jeder  derselben  führte  ein  Draht  nach 
unten,  geschützt  durch  eine  Blechröhre;  jeder  Draht  trug 
wiederum  eine  Waage.  Jolly  wog  nun  zunächst  einen 
Körper  auf  der  oberen  und  dann  auf  der  unteren  Waage 
und  konnte  daraus  die  Anziehungskraft  der  Erde  auf  den 
Körper  berechnen.  Dann  brachte  er  unter  die  untere 
Schale,  auf  die  der  zu  wägende  Körper  gelegt  wurde, 
eine  Bleikugel  von  bedeutendem  Volumen.  Aus  der 
Differenz,  welche  sieh  im  Gewichte  des  Körpers  ergab, 
jenachdem  beim  Wiegen  die  Bleikugel  unter  der  Sehale 
lag  oder  nicht,  ergab  sich  die  Anzieliungskraft  der  Blei- 
kugel. Durch  Vergleich  der  Attraction  der  Erde  mit  der 
der  Bleimasse  fand  Jolly  leicht  die  Dichte  der  Erde;  denn 
es  verhalten  sich  die  Anziehungen  zweier  Körper  wie  die 
Produete  aus  Dichte  und  Volumen,  oder 

«:  A  =  dv  :  DV- 


daraus  folgt: 


D  = 


Adv 


Jolly  fand  I)  =  5,692  ±  0,068.  Spätere  Versuche, 
bei  denen  die  Bleimasse  durch  andere  Metalle  ersetzt 
wurde,  ergaben  dasselbe  Resultat. 

Denselben  Weg  wie  Jolly  schlug  J.  H.  Poynting  ein, 
welcher  aus  11  Versuchen  im  Mittel  Z*  ==  5,69  fand,  ein 
Resultat,  welches  mit  dem  Jolly's  fast  völlig  überein- 
stimmt. Jedoch  waren  die  Werthe,  welche  die  einzelnen 
Versuche  ergaben,  sehr  ungleich  und  schwankten  zwischen 
4,4  und  7,1,  so  dass  der  mittlere  Werth  5,69  doch  mit 
grossen  wahrscheinlichen  Fehlern  verbunden  ist. 


Augenblicklieh  werden  noch  ebensolche  Versuche  an- 
gestellt von  Kiinig  und  Richarz  in  den  erdbedeckten 
Kasematten  Spandaus,  welche  ihnen  das  preussische 
Kriegsministerium  bereitwilligst  zur  Verfügung  gestellt  hat. 
Die  beiden  Forscher  wenden  als  anziehende  Masse  einen 
Pdeiklotz  von  100  000  kg  an.  Die  Einrichtung  ihres 
-Vpparates  unterscheidet  sich  etwas  von  dem  ihrer  Vor- 
gänger, indem  in  der  Mitte  der  horizontalen  Oberfläche 
der  würfelförmigen  Bleimasse  eine  Waage  derartig  an- 
gebracht ist,  dass  ihre  Schalen  dicht  über  der  Oberfläche 
des  Bleies  schweben.  Unter  jeder  Schale  sind  zwei 
Rinnen  durch  den  Klotz  gebohrt,  durch  die  Stangen  nach 
nuten  führen,  welche  an  ihren  Enden  dicht  unter  dem 
Blei  wiederum  je  eine  Schale  tragen. 

Wie  gesagt,  sind  die  Versuche,  obwohl  sie  schon 
mehrere  Jahre  dauern,  noch  nicht  zu  Ende  geführt,  da 
dieselben  mit  jeder  nur  möglichen  Exaetheit  vorgenommen 
werden. 

In  allerneuster  Zeit  sind  schliesslich  noch  Versuche 
angestellt  worden  von  Prof.  Dr.  0.  Tundirz,  welcher  die 
Dichte  der  Erde  aus  der  Schwerebeschlcunigung  und  der 
Abplattung  herleitet.  Er  findet  in  einer  complicirteren 
Berechnung,  dass  sich  die  mittlere  Dichte  der  Erde  zur 
Dichte  in  der  Oberfläehensehicht  verhält  wie  2,3383  :  1, 
und  die  Dichte  im  Mittelpunkte  zur  Dichte  in  der  Ober- 
flächenschicht wie  4,3458  :  1.  Ninnnt  man  nun  die  Dichte 
der  Oberflächenschicht  zu  2,5,  so  erhält  man 

D  im  Mittelpunkte  der  Erde     =  10,864 
die  mittlere  Dichte  der  Erde    =    5,846. 

Nun  sind  aber  die  Zahlen  für  die  Dichte  im  Mittel- 
punkte und  für  die  mittlere  Dichte  der  Erde  abhängig 
von  den  Werthen  r/^  und  ^9,j,  und  so  berechnet  Tundirz, 
wenn  er  die  von  Listing  angegebenen  Werthe  für  diese 
Grössen  setzt 


D  im  Mittel]nmkte  der  Erde 


12,929 


die  mittlere  Dichte  der  Erde     =    6,672. 

Seit  über  P/.j  Jahrhunderte  sind,  wie  wir  gesehen 
haben,  die  tüchtigsten  Physiker  damit  beschäftigt  ge- 
wesen, die  Dichte  der  Erde  zu  bestimmen  und  hai)en  zu 
ihren  Untersuchungen  die  verschiedensten  Instrumente 
verwandt.  Trotzdem  weichen  fast  alle  Resultate  mehr 
oder  weniger  von  einander  ab,  und  es  blieb  nichts  anderes 
übrig,  als  sich  dazu  zu  entschliessen,  eine  Durchschnitts- 
zahl als  die  wahrscheinlichste  anzunehmen.  Zu  dieser 
Zahl  ist  das  von  Cornu  und  Beille  gewonnene  Resultat 
l)  =  5,56  ersehen  worden. 

Die  so  für  die  Dichte  der  Erde  gefundene  Zahl  ist 
von  der  höchsten  Bedeutung.  Betrachten  wir  nämlich  die 
die  Erdrinde  zusammensetzenden  Gesteine,  so  sehen  wir, 
dass  sie  sämmtlich  eine  viel  geringere  Dichte  besitzen, 
als  das  Erdinnere  selbst.  So  haben  die  Sedimentgesteine 
im  Durchschnitte  eine  Dichte  von  2,6,  Granit  von  2,7, 
Basalt  von  3  etc.  A'erglcichen  wir  diese  Zahlen  mit  dem 
gewonnenen  Resultat  der  Erddichte,  so  ergiebt  sich  leicht 
der  Schluss,  dass  im  Inneren  der  Erde  Gesteine  von 
grösserer  Dichte  vorhanden  sein  müssen,  als  diejenigen, 
welche  die  Erdrinde  zusammensetzen. 

Eine  wesentliche  Stütze  hat  diese  Annahme  gefunden 
durch  das  Vorkommen  meteorischer  Eisenmassen  und 
durch  den  Fund  gediegenen  Eisens  auf  der  Insel  Disko 
an  der  grönländischen  Küste  durch  Nordenskjiild  Es 
kann  somit  gar  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  wir 
völlig  berechtigt  sind,  das  Innere  der  Erde  uns  mit 
sjiecifisch  schweren  Gesteinen  erfüllt  zu  denken,  und  Brci.'^- 
lach  war  daher  vielleicht  nicht  ganz  im  Unrecht,  wenn 
er  sich  das  Erdinnere  aus  festem  Magneteisen  bestehend 
vorstellte,  dessen  Dichte  bekanntlich  5,5  bis  5,6    beträgt. 


284 


Naturwisseuschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  28. 


Laubblatt  von  Ficus  religiosa 
(in    j  nat.  Grösse)   mit  langer, 
säbelförmig  gekrümmter  Träu- 
felspitze. 


lieber  die  Beziehung  zwisclieu  dem  Regenfall 
und  der  Gestalt  der  Laubhlätter  hat  E.  Stahl  („Regen- 
fall und  Blattgestalt"  in  Ann.  du  Jard.  Bot.  de  Buiten- 
zorg-  Vol.  XI,  1893)  eine  interessante  Arbeit  geliefert. 
Die  Tropenpflanzen  müssen  in  ihrem  Baue  den  ge- 
wahigen  und  zur  Regenzeit  mit  grosser  Regelmässigkeit 
wiederkehrenden  Niederschlägen  Rechnung  tragen.  Zuerst 
macht  Stahl  auf  die  mehr  oder  minder  oft  merkwürdig  lang 
ansgezogene  Blattspitze  vieler  Tropenpflanzen  aufmerksam, 
die  er  als  Träufelspitze  bezeichnet,  (vgl.  die  Figur),  da  sie 
der  Ableitung  des  Regen wassers  derartig  fördeilich  ist,  dass 
das  Laubdach  in  kürzester  Frist  nach  einem  Regenfall  ent- 
wässert erscheint,  während  bei  der  grossen  Mehrzahl  unserer 
heimischen  Gehölze,  die  weniger  vollkommene  Einrichtungen 
zur  Ableitung  des  Wassers  be- 
sitzen, sich  noch  lange  nach 
dem  Regen  zahlreiche  Tropfen 
abschütteln  lassen.  Unterstützt 
wird  die  schnelle  Ableitung 
des  Wassers  durch  die  hoch- 
gradige Benetzbarkeit  der  Blatt- 
oberseiten der  Tropenpflanzen. 
Träufelspitzcn  fehlen  Blättern 
resp.  Blättchen  ganz  oder  fast 
ganz,  wenn  diese  Variations- 
bewegungen ausfuhren ,  und 
zwar  derartige,  dass  die  Blätt- 
chen in  Schlafstellung  aufwärts 
oder  vorwärts  gerichtet  sind. 
Bei  diesen  trifft  der  Regen 
schräg  auf  die  Flächen,  die  bei 
ihrer  eigenthümlichen  Stellung 
nicht  ne\e  Wassertropfen  au 
sich  behalten  können.  Umge- 
kehrt wie  an  den  Blättern  mit  Träufelspitzen  findet  die 
Ableitung  des  Wassers  bei  spitzenlosen  Blättern  im  all- 
gemeinen in  der  Richtung  nach  der  Ansatzstelle  derselben 
zu  statt,  so  dass  also  hier,  bei  vorhandenem  Blattstiel, 
dieser  als  Ableitungsorgan  dient. 

Dass  die  Träufelspitzen  in  der  That  vorzüglich  ge- 
eignet sind,  die  Laubblätter  zu  entwässern,  lässt  sich 
leicht  experimentell  feststellen,  wenn  man  mit  Wasser 
benetzte,  ganz  gelassene  Blätter  mit  ebenfalls  benetzten, 
aber  ihrer  Tränfeispitzen  künstlicii  beraubten  Blättern  ver- 
gleicht, bei  denen  vermittelst  der  Scheere  an  Stelle  der 
Träufelspitzen  abgerundete  Enden  geschaffen  werden.  Die 
Entwässerung  so  behandelter  Blätter  von  Justicia  picta 
dauerte  etwa  3  mal  länger,  als  die  der  unversehrt  gelassenen 
Blätter.  Dasselbe  Experiment  mit  Blättern  von  Coffea 
arabica  zeigte  die  Entwässerung  des  unversehrten  Blattes 
nach  V4  Stunde,  während  bei  dem  in  der  genannten  Weise 
.  beschädigten  Blatt  dasselbe  Resultat  erst  nach  2  Stunden 
eintrat  u.  s.  w. 

Je  länger  die  Träufelspitze  ist,  um  so  mehr  rückt  der 
hängende  Tropfen  natürlich  von  der  eigentlichen  Spreite 
weg  und  diese  wird  daher  weniger  leicht  von  dem  vom 
Tropfen  aus  capillar  aufsteigenden  Wasser  benetzt  bleiben. 
Bei  einer  säbelförmigen  Krümmung  der  Träufelspitze, 
wie  in  dem  hier  abgebildeten  Fall,  geht  die  Trocken- 
legung —  wie  wiederum  das  Experiment  zeigt  —  schneller 
von  statten,  als  bei  gerader  Spitze. 

Bilden  die  Nerven  auf  der  Blattobcrseite  Rinnen,  so 
bewegt  sich  das  Wasser  fast  ausschliesslich  in  diesen,  die 
sich  häufig  durch  grössere  Benetzbarkeit  von  der  übrigen 
Blattfläche  auszeichnen.  Der  Verlauf  der  Nerven  steht 
in  diesen  Fällen  häufig  in  Beziehung  zu  der  Drainirung 
der  Blattfläche,  indem  die  Ilauptnerven  bogenförmig  nach 
der  Träufelspitze  convergircn,  ein  Typus,  der  den  Ge- 
hölzen der  gemässigten  Zone  fehlt. 


Die  „Sammetblätter",    also   die  Blätter  einer  Anzahl 

tropischer  Arten  mit  papillös  sanmietiger  Oberfläche  be- 
sitzen eine  nach  Benetzung  rasch  wieder  trocken  werdende 
Blattoberseite,  da  das  Wasser  durch  die  eapillare  Aus- 
l)reitung  zwischen  den  Papillen  bald  eine  äusserst  dünne 
Schicht  bildet,  die  sehr  leicht  verdunstet.  Die  Sammet- 
blätter  sind  also  einer  raschen  Trockenlegung  angepasst. 
Bei  starken  Güssen  träufelt  der  Ueberschuss  von  der  Spitze 
ab  und  es  bleibt  eine  minimal  dünne  Wasserschicht  übrig, 
die  schnell  verdampft  ist. 

Die  schon  angedeutete  Correlation  zwischen  leichter 
Benetzbarkeit  der  Blattoberfläehe  und  dem  Vorhandensein 
einer  Träufelspitze  wird  in  interessanter  Weise  bestätigt 
durch  die  Thatsache,  dass  bei  Blättern,  deren  Oberfläche 
nicht  benetzbar  ist,  die  freilich  in  den  feuchten  Tropen- 
Wäldern  selten  sind,  die  Träufelspitzen  fehlen.  Wir  wollen 
als  Beispiel  nur  die  beiden  allbekannten  Arten  Irapatiens 
noli  tangere  und  Impaticns  parviflora  erwähnen,  von  denen 
die  erstcre  durch  ihre  blau  bereiften,  stumpfen  Blätter  in 
schroffem  Gegensatz  zu  der  spitzblättrigen,  benetzbaren 
zweitgenannten  Art  steht.  Bei  den  nicht  benetzbaren,  oft 
weiss  oder  blau  „bereiften"  Blättern  rollt  das  Wasser  ein- 
fach ab. 

Bei  der  Beurtheilung  der  Bedeutung  der  Entwässerung 
für  die  Blattfläche  konmit  zunächst  in  Betracht  die  Ent- 
lastung des  Blattwerks.  Die  Zweige  und  der  Stamm  eines 
Baumes,  von  dessen  sämmtliehen  Blättern  die  Träufelspitze 
entfernt  würde,  müssten  natürlich  nach  den  obenerwähnten 
Experimenten  beim  Regen  und  nach  demselben  eine  wesent- 
lich grössere  Last  tragen,  als  bei  dem  Vorhandensein  der 
Spitzen,  so  dass  dann  unter  Umständen  eine  Ueberlastung 
eintreten  könnte.  Dieselbe  ist  um  so  weniger  zu  unter- 
schätzen, als  auch  unter  natürlichen  Verhältnissen  nach  jedem 
anhaltenden  Guss  zahlreiche  Blätter  und  Zweige  zum  Opfer 
fallen,  auch  wenn  dabei  voUkonmiene  Windstille  herrscht. 
—  Die  Leitung  des  vom  Blattwerk  aufgefangenen  Wassers 
zu  den  Wurzeln  ist  ebenfalls  in  Betracht  zu  ziehen,  be- 
sondere Anpassungen  dürften  aber  nach  Stahl  in  dieser 
Richtung  nicht  zur  Ausbildung  gelaugt  sein.  —  Ferner  ist 
ist  die  durch  schnelle  Ableitungsvorrichtungcn  erleichterte 
Reinigung  der  Blattoberseite,  z.  B.  von  l'ilzsporen  und 
blattbewohnenden  Bryophyteu,  Algen  und  Flechten,  nicht 
ausser  Acht  zu  lassen.  In  der  That  sind  die  träufel- 
spitzenlosen  Blätter,  die  auf  der  Oberseite  glatt  und  eben 
sind,  besonders  reich  an  Epiphyten.  —  Dass  endlich  die 
schnelle  Wasserableitung  der  Transpirationsthätigkeit  zu 
statten  kommt,  ist  leicht  einzusehen,  da  eine  Wasserdampf- 
abgalie  durch  die  Spalt(iffnungen  wesentlich  beeinträchtigt 
werden  muss,  wenn  das  Blatt  von  Wasser  benetzt,  durch 
Verdampfung  die  Temperatur  des  Blattes  herabgesetzt  und 
ausserdem  die  Atmosphäre  in  der  Umgebung  des  Blattes 
mit  AVasserdampf  geschwängert  ist.  Ob  freilich  eine  Corre- 
lation zwischen  Wasserableitung  und  Transpiration  in  dem 
erwähnten  Sinne  vorhanden  ist,  dürfte  auf  Grund  der  G. 
Haberlandt'schen  Untersuchungen  (vgl.  „Naturw.  Woclien- 
schr."  VIII,  S.  179)  zweifelhaft  sein,  da  auch  die  Tropen- 
j)flanzen  die  Transpirationsgrösse  durch  besondere  Vor- 
richtungen herabzudrüeken  streben.  Nach  Haberlandt  ist 
die  Transpiration  keineswegs  „eine  hauptsächliche  Be- 
dingung der  Aufnahme  mineralischer  Nährstoffe". 

Die  Träufelspitze  ist  ein  charakteristisches  Merkmal 
der  Pflanzen  regenreicher  Klimate,  während  sie  an  luft- 
trockenen Orten,  z.  B.  auf  Berggipfeln,  selten  vorkonnnt. 
Auch  bei  Pflanzen  gemässigter  Klimate  kommen  Träufel- 
spitzen vor,  und  zwar  auch  hier  an  den  Arten  der  feuch- 
testen Standorte.  Acer  platanoides  mit  seinen  spitzlappigen 
Blättern  kommt  wild  nur  in  feuchteren  Gebirgslagen,  Acer 
campestre  mit  meist  stumpflappigen  Blättern  in  Ebenen 
und    hügeligen    Gegenden    des    mittleren    und   südlichen 


Nr.  2S. 


Natnr\visscuscli;if"tliclie  Woclieiischriri. 


•2«f) 


lüiiiipa  vor.  Ja  man  kann  au  ein  und  derselben  Ai't 
(/,.  1j.  hei  der  Buche)  beobaeliten,  dass  die  Blätter  niclir 
oder  minder  weit  voryezog-enc  Träufelspitzcn  entwickeln, 
je  nachdem  die  zuc:eliörigcii  Bäume  an  trockeneren  oder 
feuchteren  ()rten  stehen. 

Im  Hinblick  auf  die  Gewalt  der  tropischen  Güsse 
entwickelt  die  Pflanze  oft  Hän,2:eblättcr  und  Hängezweig-e, 
die  sich  erst  nach  vollendeter  Entwickcliin^  enip(nrichten, 
zu  welchem  Zwecke  die  Häni^cblätter  an  ihrem  Grunde 
Polster  besitzen.  Wenn  auch  nicht  so  auffallend  wie  in 
den  Tropen,  so  kommen  doch  Hängeblätter  auch  bei 
Holzgewächsen  der  gemässigten  Zone  vor.  Wir  erinnern 
nur  an  Aesculus  Ilippocastanum  mit  in  ihrer  Jugend  hän- 
genden Blättchen. 

Die  Hängelage  hält  Stahl  für  eine  Schutzvorrichtung 
der  jugendliehen,  nocii  zarten  Theile  gegen  den  Anprall 
der  schweren  tropischen  Regentro])fen,  die  das  noch  un- 
feste (iewebe  bei  schrägem  Auftretfen  natürlich  mechanisch 
weit  weniger  angreifen,  als  bei  verticalem  oder  fast  ver- 
ticalem  Aufschlag,  wie  er  die  fertig  entwickelten  Blätter 
tritt't.  p]s  ist  dabei  zu  beachten,  dass  die  schweren  Ge- 
witterregen in  den  Tropen  meist  bei  sehr  luhiger  Luft 
stattfinden. 

Es  giebt  auch  Arten  mit  permanenten  Hängeblättern, 
wie  gewisse  grossblättrige  Araccen,  bei  denen  wohl  die 
hängende  Lage  gewählt  ist,  weil  grosse  Blätter  leichter 
mehr  oder  minder  zerschlagen  werden  als  kleinere. 

Auch  die  umgewendeten  Blätter  (z.  B.  von  Alstroe- 
mcria)  bringt  Stahl  in  Zusammenhang  mit  dem  Regen- 
schiag,  der  in  seiner  Wirkung  durch  die  Torsionen  der 
Basalthcile   der  umgewendeten  Blätter  geschwächt  wird. 

Dass  Regenfall  und  Blattgestalt  in  noch  weiterem 
Zusammenhang  stehen,  ist  nicht  zu  verkennen:  man  brauclit 
nur  darauf  aufmerksam  gemacht  zu  werden.  —  Die  starken 
Biegungen  und  Schwankungen  der  senkrecht  zur  Blatt- 
fläche getroft'enen  Theile  erläutert  die  Bedeutung  von 
Spreitentheilungen:  Zerthcilung  der  Spreite  bei  Philoden- 
dron-Arten  in  Lamellen,  die  sich  euizeln  biegen  und  wieder 
aufrichten  können,  ist  ein  einfaches  Mittel,  dem  Anprall 
ohne  Gefahr  der  Spreitenzerreissung  zu  begegnen. 

Die  dem  Anschein  nach  unzweckniässig  dünkende 
Structur  des  Musaeeenblattrandes,  welche  das  Einreisscn 
erniiiglicht  und  bei  Hclieonia  sogar  V()rl)ereitet,  crgiel)t 
sieh  bei  genauerer  Berücksichtigung  der  Umstände  als 
vortiieilhaft  für  die  P^xistenz  des  gesammten  Blattes,  ja 
der  ganzen  Pflanze.  Durch  die  Zersehlitzung  der  Spreite 
in  einzelne  Streifen,  welche  übrigens  noch  lange  das  Ge- 
schäft der  Assimilation  Iiesorgen,  wird  dem  auffallenden 
Regen  und  dem  Winde  ein  geringerer  Widerstand  ge- 
boten und  somit  dem  Altbrechen  des  ganzen  Blattes  vor- 
gebeugt. Die  Zersehlitzbarkeit  ist  ein  nützliches  Correctiv 
der  bei  der  saftigen  Beschaffenheit  der  ganzen  Pflanze 
übermässig  grossen  Spreitenausdehnung. 

Bei  den  Palmen  sind  die  der  Anlage  nach  einfachen 
Spreiten  schon  beim  Austritt  aus  der  Knospenlage  zer- 
schlitzt. Was  bei  den  Mu.sacccn  in  roher,  unvollkommener 
Weise  gewissermaassen  dem  Zufall,  das  heisst  den  directen 
Einflüssen  von  Regen  und  Wind  überlassen  ist,  wird  hier 
im  normalen  Entwickelungsgang  des  Blattes  durch  eigen- 
thümliche  Wachsthums-  und  Differenzirungsvorgänge  her- 
gestellt; die  Thcilungen  der  Spreite  entstehen  durch  Auf- 
lösung und  Zerrcissung  der  an  den  Falten  des  jugend- 
lichen Blattes  liegenden  Gewebepartien.  Auch  bei  vielen 
Araceen  mit  getheiiter  Blattspreite  (Philodendnm,  .^lonstera, 
Pothos  u.  s.  w.)  wird  das  ursprünglich  einfache  Blatt  erst 
später  in  die  einzelnen  Abschnitte  zerrissen,  während  l)ei 
anderen  Formen  (Anthurium,  Sauromatum,  Amorphophallus 
u.  s.  w.)  die  Lappen  oder  Fiedern  nicht  durch  Zerrcissung, 
sondern  als  Ausgliederungeu   der  jungen,    zunächst    ein- 


fachen Spreite  entstehen.  Die  hier  vorkommende,  echte 
Verzweigung,  die  ohne  Zweifel  die  höchste  Stufe  der  Ent- 
stehungsarten getheiiter  Spreiten  darstellt,  ist  wie  bekannt 
bei  Farnen  und  Dicotvledonen  mit  gegliederter  Blatt- 
spreite allgemein  verbreitete  Regel. 

Die  Zerthcilung  der  Blattspreite  in  mehr  oder  weniger 
von  einander  unabhängige  Lamellen  bringt  den  Vortheil, 
dass,  bei  im  übrigen  gleicher  Structur  und  gleicher  Ge- 
sammtoberfläche,  die  Spreiten  schwächer  gebaut  sein 
können,  als  wenn  sie  ganz  sind.  Hieraus  ergiebt  sich, 
dass  die  Herstellung  einer  gegen  Regen  und  Wind  gleich 
resistenten,  getheilten  Spreite  einen  geringeren  .Material- 
aufwand erheischt,  als  die  einer  einfachen  ungetheilten. 

Die  \'erschiedenartigkcit  der  Gestalt  der  Laubblätter 
(Heterophylliei  mancher  Monocotyledoncn  und  epiphyten 
Farne  erklärt  sich  ebenfalls  aus  der  Beziehung  zum  Regen- 
fall: ]\Iit  der  expi>nirteren  Lage  der  Blätter  geht  die 
Spreitentheilung  Hand  in  Hand.  Die  beim  kriechenden 
Stengel  für  die  Wurzelprotection  geeignete,  einfache  Spreite 
wird  durch  die  andere,  dem  Regenfall  besser  angepasste 
und  der  exponirteren  Lage  überhaupt  besser  entsprechende 
Blattform  —   das  Fiederblatt  —  ersetzt. 

Der  zweizeilig  beblätterte  Stengel  von  Pothos  aurea 
z.  B.  wächst  anfangs,  gleich  dem  Epheu,  Baumstämmen 
eng  angeschmiegt,  em}ior,  um  sich  erst  später  vom  Sub- 
strate abzuwenden.  So  lange  der  Stamm  sich  im  kriechen- 
den Stadium  befindet,  entwickelt  er  fast  sitzende,  einfache, 
ganzrandigc  .Mantelblätter,  welche  die  aus  dem  platten 
Stengel  entspringenden  Wurzeln  wie  auch  die  Unterlage 
feucht  halten.  Sobald  sich  der  Stengel  vom  Substrat  ab- 
hebt, bilden  die  Blätter  einen  längeren  Blattstiel  aus  und 
die  ebenfalls  grösser  gewordene  Spreite  löst  sich  in  ein- 
zelne, an  der  starken  Mittelrippe  sitzende  Fiedern  auf. 

Bei  einem  Vergleich  von  Arten  ein  und  derselben 
Dicotylen  Gattung  fällt  oft  —  mit  Rüeksieiit  auf  die  Wir- 
kung des  Regenfalls  nunmehr  erklärlich  —  auf,  dass  gross- 
blättrige Arten  in  vielen  Fällen  ihre  Spreite,  vorausgesetzt, 
dass  sie  nicht  durch  besonders  derbe  Beschaffenheit  aus- 
gezeichnet ist,  durch  mehr  oder  weniger  weit  gehende 
Theilung  widerstandsfähiger  gestalten,  während  kleinere 
Spreiten  dagegen  häufig  einfach  sind,  ^'on  europäischen 
Formen  sind  besonders  die  Pappeln  erwähnenswerth.  Die 
grössten  Blattei',  die  an  jüngeren  und  üppigen  Trieben 
oft  bis  13  cm  lang  und  12  cm  breit  werden,  besitzt  Poitulus 
alba.  Hier  sind  auch  die  Einschnitte  des  Blattrandes  am 
tiefsten,  die  Spreite  nicht  selten  drei-  bis  fünflappig,  wäh- 
rend dieselbe  bei  Populus  tremula  und  P.  nigra,  deren 
Blätter  immer  nur  geringere  Dimensionen  erreichen,  nie- 
mals so  weit  getheilt,  höchstens  mit  Randkerben  oder 
Zähnen  versehen  ist. 

Die  Blattspreiten  gewisser  tropischer  Formen  zeichnen 
sieh  gegenüber  eur(i]iäisehen  (gleicher  Gattungen),  welche 
breiter  als  lang  sind,  durch  ihre  die  Breite  um  das  zwei- 
bis  dreifache  übertreffende  Länge  aus. 

In  beiden  Fällen  wird  dasselbe  Resultat  erreicht, 
nändich  die  Herstellung  elastischer,  dem  Regen  nach- 
giebiger Lamellen.  In  beiden  Fällen  sind  die  Einrich- 
tungen derart,  dass  das  Verhältniss  des  Spreitcnunifanges 
zum   Flächeninhalt  ein  relativ  grosses  wird. 

Bei  sehr  zahlreichen  dicotylen  Ki-äutern  mit  von  ein- 
ander abweichend  gestalteten  (Jrund-  und  Steiigelblättern 
zeichnen  sich  die  letzteren  den  er.steren  gegcnülier  da- 
durch aus,  dass  sie  entweder  durch  ihre  Gestalt  oder 
durch  ihre  Stellung  besser  gegen  die  vom  Platzregen 
drohenden  Gefahren  geschützt  sind. 

Stahl  unterscheidet  folgende  Fälle: 

1.  Aufrechte  Stellung  der  Stengelblätter  bei  im  we- 
sentlichen gleich  bleibendem  Blattnmriss. 


286 


Naturwissensehaftlicbe  Wochenschrift. 


Nr.  28. 


2.  Spfeiteintheihing:  weiter  durcbg'cführt  andenStengel- 
bliittern  als  an  den  Grnndl)lättern,  oder  wenn  die  Thei- 
hing  bei  beiderlei  Blättern  vorbanden  ist,  so  sind  die 
Blattabscbnitte  an  den  Stengelblättern  schmäler  als  an 
den  Grundblättern. 

3.  Stengelblätter  den  Grundblättern  gegenüber  bedeu- 
tend verschmälert,  also  mit  relativ  längerer  Spreite. 

Hinsichtlich  der  Nervatur  ist  zu  crwälnien,  dass  mit 
der  Verbreiterung  zusanimenhängendcr  Assin  diationsfläeben, 
seien  dieselben  ganze  Blattspreiten  oder  nur  Spreiten- 
abschnitte, häufig  eine  andere  Ausbildung  der  Beri]»pung 
Hand  in  Hand  geht.  Die  z.  B.  hei  der  grossen  Mehrzahl 
der  Farne,  vorbereitete  getrenntläufige  Nervatur  wird  näm- 
lich l)ei  Formen  aus  verschiedenen  Verwandtschaftskreisen 
durch  netzförmige  Aderung  ersetzt,  und  zwar  besonders 
bei  Arten  mit  grossen,  einfachen,  gela])pten  oder  grob- 
fiederigen  Blättern.  Es  leuchtet  ein,  dass  dadurch  die 
Siireiten  eine  festere  Beschaifenheit  erhalten  und  nament- 
lich, auch  bei  sonst  zailcrem  Bau,  gegen  Zcrschlitzung 
besser  geschützt  sind. 

Durch  die  Arbeit  Stahl's  wird  in  intensiverer  Weise, 
als  das  bisher  geschehen  war,  der  Schleier  gelüftet,  der 
die  Antwort  auf  die  Frage  nach  der  Bedeutung  der 
nianuiehfaltigen  Blatt  -  Formen  und  -Eigenthünilichlveiten 
verhüllte.  Einzelnes  haben  schon  frühere  Autoren  (z.  B. 
Jungner,  Kny)  erkannt,  aber  in  so  zusammenhängender 
Weise  wie  von  Stahl  ist  das  Thema  noch  nicht  behan- 
delt worden.  Die  Anregung  zu  der  Arbeit  empfing  er 
durch  seine  bei  einem  niehrmonatlichcn  Aufenthalt  auf 
Java  gemachten  Beobachtungen,     x.  P. 


Ueber    die    pelagische   Flora    des  Naalsocfjords 
(Faroer)  und  über  diejenige  des  D.vrefjords    (Island) 

berichtet  G.  Po  uchct  in  zwei  Mittheilungen  in  den  Comptes 
Rendus  de  l'Ac.  des  Sc.  18'J2,  Bd.  114! 

Der  Verfasser  hat  sich  im  August  1890  auf  den  Farocr 
und  während  des  Juli  und  August  1891  auf  Island  auf- 
gehalten und  eingehende  Untersuchungen  der  mittels  fein- 
maschiger Netze  gefischten  Meercsproducte  angestellt, 
deren  Ergebnisse  er  in  den  beiden  Abhandlungen  kurz 
darstellt.  —  Der  Naalsoefjord  trennt  die  Inseln  Thorshaven 
und  Naalsoe  und  wird  beim  Wechsel  von  Ebbe  und  Fluth 
von  einer  starken  Strömung  durchflössen.  Das  in  ihm 
enthaltene  Leben  ist  dasjenige  der  benachbarten  Theile 
des  Oeeans.  Sein  Wasser  ist  grün  und  enthält  vorwiegend 
Vegetabilien,  deren  gelbe  Farbe  im  Verein  nnt  der  blauen 
des  Meeres  dieses  grün  eischeinen  lässt.  An  der  Luft 
sterben  diese  pflanzlichen  Körperchen  schnell  ab  und 
färben  sich  dann  grün.  Die  Vertreter  des  Thierreiches 
(Copepoden,  Embryonen  und  Larven  von  Mollusken, 
Eehinodermen,  Anneliden,  Tunicaten,  Bryozoen)  treten 
gegen  die  ersten  zurück.  Nimmt  man  eine  annähernd 
gleiche  Vertheilung  der  lebenden  Substanz  für  den  ganzen 
Fjord  an,  so  erhält  man  für  diesen  (pro  Cbni.  vier  Cbcm. 
lebende  Subst.)  6000  Tonnen,  was  mit  der  mittleren  Plank- 
ton-Masse des  Atlantischen  Oeeans  gut  übereinstimmt. 
Von  Algen  herrschen  vor  Rhizosolenia,  Diatomeen,  Peri- 
dineen;  häufig  ist  Gynniodinium  pseudonoctiluca,  Pouchet 
und  Tetraspora  Poucheti,  Hariot,  welche  letztere  Ver- 
fasser schon  1882  aus  Lappland  mitgebracht  hatte.  Her- 
vorzuheben ist,  dass  im  Naalsoefjord  die  mikroskopische 
Flora  und  Fauna  des  Wassers  sehr  eonstant  ist,  wogegen 
sie  in  der  Bai  von  Concarneau  an  der  französischen  Küste 
beinaiie  täglich  stark  variirt. 

Das  Leben  in  den  Gewässern  des  Dyrefjords  ist  trotz 
ihrer  grünen  Farbe  ein  vorwiegend  animalisches,  und  die 
Menge  der  lebenden  Substanz  beträgt  pro  1  Cbm.  1  Cbcm., 
was  für  den  ganzen  Fjord  2000  Tonnen  ergicbt.  Am 
häufigsten  ist  eine  Rotifere,  Synchaeta  pectinata,   Ehrbg., 


die  in  ganz  ungeheuren  Mengen  vorkommt,  während  Cope- 
poden, Larven  von  Aseidien,  Eehinodermen,  Mollusken, 
Würmern  etc.  zurücktreten.  Die  Flora  besteht  der  Haupt- 
sache nach  aus  Peridineen;  Gymnodinium  pseudonoctiluca 
wurde  nicht  beobachtet.  Auch  hier  zeigte  sieh,  wenn 
auch  weniger  als  im  Naalsoetjord,  Flora  und  Fauna  sehr 
e(nistant.  Das  pelagisehe  Leben  des  Dyrefjords,  Naalsoc- 
fjords und  der  Bai  von  Concarneau  stellt  drei  wohl  ver- 
schiedene Typen  dar. 

Diprotodon  -  Skelette.  —  Professor  Stirling  in 
Adelaide  hat  der  Zo(dogical  Society  of  London  mit- 
getbeilt,  dass  in  Süd-Au"stralien  eine  grössere  Anzahl 
von  vollständigen  Skeletten  jenes  wombatähnliehen  Riesen- 
beuteithiers,  welches  unter  dem  Namen  „Diprotodon"  von 
Owen  beschrieben  wurde,  aufgefunden  worden  sind.  Man 
kannte  von  diesen  gewaltigen  Pflanzenfressern,  welche 
die  Grösse  eines  Rhinoceros  erreichten,  bisher  nur  Theile 
der  Gliedmaassen,  das  Rumpfskelctt  und  den  Sebädel. 
Nunmehr  scheint  Aussicht  vorbanden  zu  sein,  dass  durch 
Untersuchung  der  bisher  unbekannten  Skeletttbeilc  über 
die  systematische  Stellung  von  Diprotodon  grössere  Klar- 
heit geschaffen  wird.  Matschie. 

Der  Lepliay-Conipass.  —  Das  Märzheft  der  „Marine- 
Rundschau"  Itriiigt  ül)er  diesen  Compass  eine  kurze  Mit- 
theilung, die  auch  unsere  Leser  interessiren  wird.  Der 
Erfinder  dieses  Compass  „ä  reperes  lumineux",  der  fran- 
zösische Marinclieutenant  Lephay,  hat  es  durch  eine  ge- 
schickte Combinatiou  von  Linsen  und  Spiegeln  zu  Stande 
gebracht,  von  der  Compasslampe  aus  einen  senkrechten 
Lichtstreifen  auf  die  innere  Seite  des  Compassgehäuses, 
zwischen  Rose  und  Glas,  zu  werfen.  Dieser  Streifen,  der 
übri^•ens  auf  jeden  Punct  der  Peripherie  eingestellt  werden 
kann,  bildet  für  die  Dauer  der  Einstellung  eine  feste 
Linie,  die  zu  der  Kiellinie  in  einem  bestimmten  Verhält- 
nisse'steht.  Sie  lässt  sich  daher  verwenden,  um  den  Kurs 
des  Schiffes  zu  bezeichnen.  Durch  eine  zweite  Conibination 
von  Linsen  und  Spiegeln  über  dem  Mittelpunkt  der  C(nn- 
passrose  wird  ein  zweiter  Lichtstreifen  auf  das  Innere 
des  Compassgehäuses  projicirt.  Dieser  Strahl  wandert, 
wenn  der  Apparat  richtig  eingestellt  ist,  in  gleichem  Sinne 
wie  die  Rose.  Um  den  Kurs  zu  steuern,  hat  der  Mann  am 
Ruder  nur  nöthig,  die  beiden  Lichtstreifen  in  Eins  zu 
halten,  während  "es  Sache  des  Navigationsoffiziers  ist, 
den  Kurs  so  einzustellen,  dass  die  beiden  Linien  zu- 
sammenfallen, wenn  das  Schiff  richtig  anliegt.  Die  Vor- 
theile,  welche  sich  aus  der  Anwendung  dieser  neuen  Er- 
findung ergeben,  sind  mehrfache.  Zunächst  wird  der 
Mann  am  Ruder  weniger  angespannt  als  jetzt;  dann 
werden  sich  Abweichungen  vom  richtigen  Kurse  weit 
leichter  bemerkbar  machen,  da  die  Lichtstrahlen  einen 
grösseren  Radius  haben,  als  die  Compassrose,  aus  welchem 
Grunde  jene  Abweichungen  auch  schon  viel  leichter  zu 
vermeiden  sind.  Durch  die  Abbiendung  des  Lichtes  der 
Compasslampe  werden  ferner  die  auf  der  Brücke  befind- 
lichen Personen  nicht  im  Sehen  bei  Dunkelheit  gehindert; 
und  endlich,  was  von  grösster  Wichtigkeit  erscheint,  es 
wird  jede  Gefahr  ausgeschlossen,  dass  der  Mann  am 
Ruder  die  Befehle  für  das  Steuern  falsch  versteht,  da  seme 
Thätigkeit  eine  rein  mechanische  ist. 

Der  Lephay -Compass  war  zunächst  versuchsweise 
auf  dem  Panzerschiff  „Hoche'-  zur  Verwendung  gekonnnen. 
Die  zur  Prüfung  des  Instrumentes  eingesetzte  Connnission 
hat  sich  auf  Grund  der  auf  dem  „Hoche"  erlangten  Er- 
gebnisse dahin  ausi;esprochen,  dass  es  sehr  zu  eini)tehlen 
sei,  die  Lephay 'sehe  Einrichtung  auf  allen  grossen  Kriegs- 
schift'eu  der  französischen  Marine  anzunehmen. 


Nr.  28. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


2R7 


Die  Ueberschätzuiig  der  Neigung  bei  Böschungen. 

Der  auf  der  beigegebeuen  Tafel  ausgeführten  Zusammen- 
stellung liegt  die  Absicht  zu  Grunde,  einer  Täuschung 
entgegenzuarlteiten,  welcher  unser  Auge  oft  unterliegt. 
Diese  Täuschung  ist  die  üeberschätzung  der  Neigung  von 
Büschungcn.  Allgemein  bekannt  i.st  dieser  Irrtlunn  im 
Sinne  einer  Uebertreibung,  wenn  der  Beobachter  vor  einem 
Abhänge  steht  und  ihn  auf  sein  Fallen  oder  sein  Steigen 
zu  schätzen  bat.  Die  schwach  ansteigende  Strasse  wird 
zum  senkrecht  emporgerichteten  Streifen,  wenn  man  direct 
vor  ihr  steht,  und  ebenso  glauben  wir  von  einem  erha- 
benen Punkte  aus  die  umgebende  Landschaft  direct  unter 
uns  landkartenartig  zu  sehen.  Jene  Aufgabe,  welche  an 
vielen   Punkten,    wo    den   Fuss   eines  Abhangs   ein  Fluss 


halben  Rechten  bleiben,  so  dass  also  (um  dies  an  eiuein 
Beispiel  in  das  Praktische  zu  übersetzen)  bei  jeder  noch 
so  kühnen  Bergbesteigung  die  Verschieliung  in  horizon- 
taler Riehtimg  die  weitaus  grossartigere  Leistuni;-  liildct 
gegenüber  der  Erhebung  in  vertikaler  Riebtnng. 

Noch  sei  auf  eine  (iptisehe  Täuscliinig,  der  man  lieini 
Anschauen  der  Tafel  leicht  unterliegt,  aurmerksam  gemacht. 
Die  mit  den  Schenkeln  der  Neigungswinkel  voll^-ezogcne 
untere  Hälfte  des  rechten  A\'inkels  wird  für  grösser  ge- 
halten werden,  als  die  signalfreie  obere  Hälfte,  ähnlich 
wie  von  zwei  gleich  langen  Linien  diejenige  für  die 
grössere  geiialten  wii'd,  die  durcli  kleine  senkrechte 
Striche  getheilt  wurde:  das  iMv  Länge  der  Linie  schätzend 
i  durchlaul'emle  Auge  l)leibt  gleiebsani  hängen  an  den  Sig- 


U)ii"„    Halber  rechtiT  Winkel. 


SO'Vo    Kaum  besteigliarer  Abhang 


Max.  <ler  Seilbahnen  (Vesuv). 
Saniiipl'adc  (Manlt liiere). 


^'       .Kaum  besteii^bare  Steinplatten. 


-<-      Max-  der  Zahnradbahnen  (Pilatus). 

Max.  der  F.ahr.strasseu  für  P^dirwerk. 
Je,  Ma\.  iler  Zahnradbahn  Stiiltt;arl   -l>egerloeh. 

Max.  der  Simplon-Strasse. 
...„/  Max.  der  Uetli-Beri^-r.ahn. 
^"        Max.  der  VuUeisenbahnen. 

-< Deutliche  bemerkbare  Neigung. 


oder  See  bespült,  dem  Besucher  gestellt  wird :  mit  einem 
Steine  in  das  Wasser  zu  treft'en,  wird  wohl  regelmässig 
erst  nach  dem  Versuche  als  unh'isbar  erkannt.  Das  Auge 
überschätzt  eben  die  Böschung  und  unterschätzt  damit 
die  horitzontale  Entfernung  des  Ufers  vom  Standpunkte 
des  Beobachters. 

Aber  auch  bei  Schätzungen  der  Winkel  im  Profil  ver- 
lässt  uns  des  Auges  Sicherheit. 

Hier  auf  unser  Auge  corrigirend  und  erziehend  ein- 
zuwirken, ist  der  Zweck  der  beifolgenden  Zusammen- 
stellung. Der  erste  Eindruck  beim  Anschauen  der  Tafel 
ist  wohl  sicher  für  alle  unvorbereiteten  und  ungesehulten 
Beobachter  der  einer  P^nttäusehung  ob  der  Kleinheit  der  dar- 
gestellten Winkel.  Sind  doch  von  allen  Neigungswinkeln, 
welche  natürliche  Abhänge  oder  technische  Anlagen  dar- 
bieten, die  kleineren  bis  zum  Drittel  des  rechten  Winkels 
(30°)  die  weitaus  häufigsten.  Darüber  hinaus  wird  z.  B. 
die  Grenze  aller  Besteigbarkeit  (soweit  dieselbe  durch 
Reibung  der  Fusssohle  mit  dem  Boden  bedingt  wird)  rasch 
erreicht  (38°);  bei  noch  grösserem  Winkel  tritt  die  Leiter 
in  ihre  Rechte.  Es  ist  ferner  bemerkenswerth,  dass  alle 
auf    der    Tafel    zusammengestellten    Winkel    unter    dem 


nalcn,  während  es  die  ungetheilte  Linie  rascher  durch- 
läuft und  dadurch  den  Weg  einmal  ülier-,  das  andere 
Mal  unterschätzt,  und  wäre  es  nicht  nniglich,  wenigstens 
zum  Theil,  den  Grund  der  Üeberschätzung  der  Fallwinkel 
in  der  Natur  in  ähnlichen  Verhältnissen  zu  finden,  auf 
eine  ähnliche  optische  Täuschung  zurückzuführen?  Zwischen 
dem  die  Neigung  eines  Berges  schätzenden  Auge  und  dem 
Berge  liegt  meist  eine  signalreiehe  Landschaft,  an  deren 
Einzelheiten  das  zur  Spitze  des  Berges  sich  erhebende 
Auge  haftet,  während  über  dem  Berge,  wie  auf  unserer 
Tafel,  sich  ein  von  Signalen  freier,  oder  doch  an  solchen, 
armer  Himmel  erstreckt.  Immerhin  bin  ich  aber  geneigt, 
in  dieser  optischen  Täuschung  nur  eine  Ursache  der  Üeber- 
schätzung zu  suchen:  eine  andere  liegt  gewiss  in  der 
namentlich  von  unsern  Schulatlanten  bis  ins  Abenteuer- 
liche gesteigerten  Unsitte,  Berge  auf  Höhenkarten,  geolo- 
gische Profile  etc.  mit  zur  Länge  stark  übertriebenem 
Höhemnaassstab  zur  Darstellung  zu  bringen.*)  — 

Zur  Messung  der  Böschung  geneigter  Terrainstrecken 


*)  Wir  haben  uns  schon  früher  wiederholt  geg-on  diese  ITn- 
sitte  jieäussert.  Vcrgl.  „Naturw.  Wochenschr."  Bd.  I,  S.  170  und 
Bd.  III,  S.  73.  Kod. 


288 


Natuvwisscnseliaftlichc  Wochenschrift. 


Nr.  28. 


dient  entweder  der  Neigungswinkel  oder  der  Neigungs- 
quotient (Brucii,  dessen  Zähler  =  1,  dessen  Nenner  die 
Cotangente  des  Neigungswinkels  ist,  oft  auch  in  der  Form 
1 :  dem  Wert  des  Nenners  angegeben)  oder  endlich  die 
Angabe  der  Neigung  (Steigung)  in  Proeenten. 

Zimi  Vergleich  sind  in  der  folgenden  Tabelle  die  in 
die  Tafel  eingezeichneten  Neigungen  der  Böschungen  in 
diesen  drei  Bezeichnungsarten  zusannnengestellt: 

Winkel  1 :  pCt. 

Deutlicli   bomerkbare    Neigung      .     .     .  0°20'  172  0,(5 

Maximum  für  Volleisenbabnen       ...  "2°  17'  25  4 
„          der  Uetlibergbiihn  (Adhilsions- 

bahii) 4°  0'  14  7 

,          der  Simplon.strasso    ....       5°4o  10  10 

„  der    Zahnradbalin    Stiittgart- 

Degerloch       ......       y°46'  5,8  17,2 

„  der   Fahrstrasson     für    Fulir- 

werke 13°  0'  4,33  23 

„          der  Zahnbahn  auf  den  Pilatus  25°40'  2,1  48 
Kaum     besteigbare    Steinplatten    (oder 
Neigung  einer  Treppe  mit  Stufen  halb 

so  hoch  als  breit)       26°34'  2  50 

Saumpfade  (für  bepackte  Maulthiere)   .  29°  0'  1,8  55 

Ma.vimum  der  Seilbahnen  (Vesuv)     .     .  32°  C  1,6  63 

Kaum  besteigbarer  Abhang       ....  38°40'  1,25  80 

Halber  rechter  Winkel 45°  0'  1  100 

Auf  der  Tafel  sind  die  Flnssläufe  wegen  der  Klein- 
heit des  Neigungswinkels  nicht  einzuzeichnen.  So  fällt 
der  Rhein: 

von    der  Vereinigung    der  beiden 

(iuellHüsse  bis  zum  Bodensee     .  191  m  auf  102  km  Länge 

Konstanz  bis  Basel 151    „      „     167     „  „ 

Basel  bis  Mainz 163    „      „     331      „  „ 

Mainz  bis  zur  deutschen  Grenze    .  72    „     „     357     „  „ 

Dies  ergiubt   in  der  oben   gewählten   dreifachen  Ausdrucksweise: 

Winkel  1 :         pCt. 

QuellHüsse  bis  Bodensee 0°(;,5'  534         0,18 

Konstanz  bis  Basel 0°3,0'         llOG         0,09 

Basel  bis  Mainz 0°1,5'         2031         0,05 

Mainz  bis  Grenze 0°0,7'        4960         0,02 

Prof.  Dr.  Nies. 


Zur  Scliiieidemühler  Bruiineii-Kalamitüt.  —  Vor 

einigen  Wochen  konnte  man  in  vielen  Tageszeitungen 
lesen,  dass  der  grosse  See  bei  Neu-Stettin  seit  der  —  An- 
fang Mai  d.  J.  erfolgten  —  Erschliessung  der  artesischen 
Quelle  in  der  Kleinen  Kirchstrasse  zu  Schneidcmühl  um 
mehrere  Meter  gefallen  sei.  Diese  Angabe  ist,  wie  seitens 
des  Unterzeichneten  durch  Rückfrage  bei  dem  Magistrat 
zu  Neu-Stettin  festgestellt  worden,  nicht  zutrefi'end.  Von 
einem  auffallend  starken  und  schnellen  Fallen  der  Seen 
um  Neu-Stettin  während  der  fraglichen  Zeit  ist  dort  nichts 
bekannt. 

Der  Wasserstand  derselben  wird  täglich  an  einem 
nach  NN.  eingerichteten  Pegel,  der  am  Ausfluss  des  den 
Streitzigsee  mit  dem  Vilmsee  verbindenden  Niesedop  an- 
gebracht ist,  von  einem  Magistratsbeamten  abgelesen  und 
vermerkt.  Aus  den  abschriftlich  übersandten  Aufzeich- 
nungen für  den  Monat  Mai  d.  J,  geht  nun  hervor,  dass 
während  des  letzteren  der  Wasserspiegel  sich  im  Ganzen 
um  nicht  mehr  als  8  Centimeter  gesenkt  und  dass 
diese  Senkung  sich  ganz  allmählich  vollzogen  hat. 
Diese  Ersciicinung  wird  seitens  des  Magistrats  lediglich 
auf  die  lange  anhaltende  Dürre  zurückgeführt. 

Wie  derselbe  ferner  mitthcilt,  ist  allerdings  der  Vilm- 
see vor  Jahr  und  Tag  infolge  Räuumng  und  Vertiefung 
des  Küddow-Kanals  um  etwa  1  Meter  und  der  Streitzig- 
see im  vorigen  Frühjahr  nach  Vornahme  derselben  Ar- 
beiten im  Niesedop  ebenfalls  gefallen,  doch  ist  das  Wasser 
natürlich  längst  durch    die  Kuddow  abgeflossen.  — 

Der  Ursprung  des  fraglichen  artesischen  Wassers 
wird  vielmehr  auf  gewissen,  in  nicht  zu  weiter  Entfernung 


von  Schneidcmühl  sich  erhebenden  Höhen  zu  suchen  sein. 
Vielleicht  gelingt  es,  hierüber  bald  Näheres  festzustellen. 
—  Eine  illustrirtc  Darstellung  über  die  Entstehung  und 
den  Verlauf  des  Ereignisses  in  Schneidcmühl  soll  in  einer 
späteren  Nunnner  der  „Naturw.  Wochenschr."  folgen. 

Prof.  G.  Franke. 


lieber   die  Spectra    einiger   helleren   Sterne    hat 

Herr  Norman  Lockyer  in  der  Sitzung  der  Royal  So- 
ciety vom  8.  December  1S92  eine  Abhandlung  gelesen, 
deren  wesentlicher  Inhalt  im  Folgenden  skizzirt  wird. 
Dieselbe  beruht  auf  der  Discussion  von  443  Photographien 
von  171  Sternen,  die  in  den  letzten  beiden  Jahren  in 
Kensington  und  Westgate-ou-Sea  erlangt  worden  sind. 
Es  ist  dabei  mit  hinreichend  grosser  Dispersion  gearlieitet 
worden,  sodass  die  erhaltenen  Originalaufuahmen  Ver- 
grösserungeu  bis  zum  Dreissigfachen  gestatteten,  ohne 
dass  dadurch  die  Deutlichkeit  beeinträchtigt  wurde.  Durch 
diese  Aufnahmen  wurde  eine  mehr  ins  Einzelne  gehende 
und  daher  auch  wohl  exactere  Classification  der  Sterne 
ermöglicht,  als  dies  bisher  der  Fall  war,  wo  man  die 
letzteren  nur  auf  Grund  der  direeten  Beobachtung  ihrer 
Spectra  in  Classen  anordnete,  ein  Verfahren,  bei  dem  die 
Unterschiede  der  einzelnen  Classen  sich  naturgemäss  nur 
in  ihren  grossen  Zügen   zum  Ausdruck   bringen   konnten. 

Lockyer  hat  —  ohue  auf  die  bisher  aufgestellten 
Classificationen  Rücksicht  zu  nehmen  —  die  beobachteten 
Sterne  in  Tafeln  angeordnet,  und  zwar  war  ihm  dabei 
der  Grad  stetiger  Absorption  am  blauen  Ende  des  be- 
trelfendeu  Spectrums  das  ordnungsbestimmende  Moment. 
Mau  bemerkt,  dass  die  Verwendung  eines  derartigen  Ein- 
theilungsprincips  bei  den  direeten  Beobachtungen  nicht 
angänglich  ist. 

Die  Sterne  der  ersten  Tabelle  Lockyers  charakteri- 
siren  sich  durch  die  Abwesenheit  jeder  merklichen  con- 
tinuirlichen  Absorption  am  blauen  Ende  und  durch  die 
Gegenwart  breiter  blauer  Wasserstofflinieu  iu  ihren 
Spectren.  Der  Autor  giebt  dieser  Classe  vier  Unter- 
abtheilungen, die  er  je  nach  Gegenwart  oder  Abwesenheit 
bestimmter  anderer  Linien  aufgestellt  hat. 

Bei  den  Sternen  der  zweiten  Tabelle  findet  ein 
beträchtlicher  Grad  continuirlicher  Absorption  im  Ultra- 
violett statt ;  die  Spectra  sind  jenseits  Ä'  sehr  schwer  zu 
photographiren  im  Vergleich  zu  denen  der  vorigen  Classe. 
Die  Stärke  der  Wasserstofi'linien  dieser  Spectra  ist  nahezu 
gleich  derjenigen  im  Sonnenspectrum.  Lockyer  theilt  die 
Sterne  dieser  Classe  in  zwei  ünterabtheilungen. 

Bei  den  Sternen  der  dritti'u  Tabelle  findet  eine  sehr 
beträchtliche  continuirliche  Absorption  im  Violett  statt, 
die  sich  nahe  bis  G  ausdehnt.  Es  ist  um  so  schwieriger, 
Photographien  dieser  Spectra  zu  erhalten,  als  die  meisten 
der  Sterne  dieser  Classe  kleiner  als  3.  Grösse  sind.  Die 
Wasserstotflinien  sind  sehr  schmal.  Lockyer  stellt 
zwei  Ünterabtheilungen  auf.  Die  eiue  umfasst  solche 
Spectra,  welche  helle,  breite,  säulenförmige  Streifen  ent- 
halten, die  gegen  das  weniger  brechbare  Ende  des  Spec- 
trums hin  verbleichen.  Die  andere  Classe  besteht  aus 
Sternen  mit  Spectren,  in  denen  solche  Streifen  nicht  vor- 
kommen. Der  hellste  Stern  dieser  Classe,  «  Orionis,  wird 
eingehend  discutirt:  das  Ergebniss  weist  ilarauf  hin,  dass 
die  Temperatur  der  absorbirenden  Eisendämpfc  nicht  viel 
höher  sein  kann  als  diejenige  der  Sauerstoff-Wasserstoff- 
Flamme  (Knallgas). 

Als  ein  allgemeines  und  wichtiges  Ergebniss  der  ge- 
sammten  Aufnahmen  stellt  sich  klar  heraus,  dass,  worin 
man  auch  das  Einthcilungsprincip  finden  möge  —  ob  in 
der  verschiedenen  Stärke  der  Linien  des  Wasserstoffes 
oder  derjenigen  anderer  Elemente  —  es  immer  unmöglich 


Nr.  28. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


289 


bleibt,  alle  Sterne  in  Bezug  auf  ihre  Temperatur  auf 
gleiche  Stufe  zu  stellen.  So  kommen  Sterne  vor,  bei  denen 
die  Wasserstotflinicn  von  gleicher  Stärke  sind,  während 
die  übrigen  Linien  alle  und  erheblich  von  einander  ab- 
weichen. Eine  Znsanimenordnung  solcher  Sterne  in  eine 
Classc  ist  offenbar  nicht  thunlieh,  sondern  es  müssen  für 
sie  besondere  Unterclassen  aufgestellt  werden. 

Es  ist  nun  bekannt,  dass  HeiT  Lockj'er  vor  einigen 
Jahren  eine  kosmogonische  Hypothese  aufstellte,  nach 
der  alle  Himmelskörper  aus  meteorischen  Schwärmen  ent- 
standen sind,  bezw.  solche  Schwärme  in  verschiedenen 
Zuständen  der  Condensation  sind.  Auf  Grund  dieser 
Hypothese  hatte  die  physikalische  Classification  der 
Himmelskörper  auch  ein  gegen  früher  etwas  verschiedenes 
Aussehen  erhalten,  da  bei  ihrer  Annahme  die  Vor- 
stellungen über  den  Gang  der  Entwickelung  zu  modifi- 
ciren  war,  indem  jetzt  nicht  mehr,  wie  für  die  Lapiace'sche 
Hypothese,  der  Anfangszustand  eines  Körpers  auch  der 
heisseste  war,  sondern  der  letztere  viel  später  eintritt. 
Es  wurde  daher  im  Rahmen  von  Lockyers  „meteoric 
liypotliesis"  nothwendig,  auch  Körper  mit  wachsender 
Temperatur  anzunehmen,  nicht  nur  mit  abnehmender, 
wie  es  für  die  Lapiace'sche  Annahme  lediglich  erforder- 
lich ist. 

Lockyer  vergleicht  nun  die  Vorstellungen,  welche 
seine  Hypothese  in  den  einzelnen  Fällen  liefert,  mit  den 
Resultaten,  die  uns  seine  photographischen  Aufnahmen  an 
die  Hand  geben.  Die  folgende  Zusammenstellung  giebt 
einen  Ueberblick  über  diese  Vergleichung: 

Nebel. 

Nach  Lockyers  Hypothese 
liaben  die  hellen  Linien  der 
Nebelspectreu  folgenden  drei- 
fachen Ursprung: 

L  Sie  sind  Linien,  welche 
von  Stoffen  herrühren,  welche 
die  Zwischenrünine  zwischen 
einzelnen  Meteoren  ausfüllen. 
Unter  diesen  Substanzen  dürfen 
wir  auf  Grund  unserer  Labora- 
tiiriumsversuche  vornehmlich 
Wasserstofl'  und  gaslorniige 
Kohlcnstoffverbindungen  er- 
warten. 

2.  Da  die  weitaus  grosste 
Zahl  von  Zusaninienstössen 
zwisciicn  den  ciDzelui'n  Meteo- 
riten nur  tlicilweise  (stärkere 
Streuungen)  sein  werden,  so 
werden  dieselben  auch  nur  ver- 
liiiltnissiniissig  geringe  Tempe- 
raturerhöhungen zur  Folge 
iiabcn  können. 

3.  Ohne  Zweifel  werden  aber 
auch  eine,  wenn  wohl  aucli  nur 
geringe  Zahl  directer  und  voll- 
kommener Zusammenstösse  vor- 
kommen, die  dann  sehr  hohe 
Temperaturen  veranlassen,  was 
sicii  durch  entsprechende  Linien 
im  Spectrum  offenbar  machen 
muss. 


Sterne  mit  zunehmender  Temperatur 

Die  Spectra  der  von  Lockyer 


Die  Beobachtung  liefert: 

l.  Linien,  deren  Wellenlän- 
gen ausserordentlich  nahe  gleich 
denjenigen  der\Vasserstoff"l;nien 
sind,  ebenso  Linien,  deren 
Wellenlangen  in  grosser  An- 
näiiernug  übereinstimmten  mit 
derjenigen  der  hellen  Kohlen- 
stoftbanden. 


2.  Nabe  bei  der  Wellenlänge 
X  =  500  findet  sieb  eine  kleine 
liclle  fiaride,  wahrscbeinlicli 
dein  Magnesium  angeliörig; 
Eisen-Calciuiii-Magnesiunilinien 
treten  auf. 


3.  Die  der  Ciiromospiiäre  an- 
gehörende Linie  Dj  und  eine 
dort  stets  mit  ihr  zusammen 
vorkommende  fjinie  {X  ==  4471) 
sind  in  der  That  im  Spectrum 
des  grossen  Orion-Nebels  ge- 
funden worden. 


Sterne  mit  nur  bellen  Linien. 


Die  Linien  tlieser  Spectren 
müssen  der  Hypothese  nach  mit 
denen  der  Nebelspection  im 
Grossen  und  (Janzen  überein- 
stimmen. 


Professor  Pickering  bat  in 
der  Tiiat  gefunden,  dass  die 
hellen  Liuien  der  Spectra  dieser 
Sterne  nahezu  identisch  sind 
mit  denen  der  Nebelspectra. 


1.  Zustand.  Im  Anschluss 
an  den  Zustand,  in  dem  das 
Spectrum  nur  lielle  Linien 
aufweist,  muss  sich  ein  an- 
derer ausbilden,  indem  die 
hellen  Linien,  welche  der  in 
Zwischenräumen  zwischen  den 
Meteoriten  existirendeii  Materie 
entsprechen,  verscinvinden,  wäii- 
rend  an  ihrer  Stelle  dunkle 
Linien  erscheinen,  die  durch 
die  .Absorption  der  die  glülien- 
den  Meteoriten  umgebenden 
Dämpfe  entstehen. 

Da  nun  die  Zwisclienräume 
bei  der  fortschreitenden  Con- 
densation sich  verengern,  so 
müssen  die  Absorptionserschei- 
nungen zunehmen;  und  jene 
streifenförmige,  auf  Metall- 
dämpfe niedriger  Temperatur 
weisende  Absorption  wird  auf- 
treten. Die  von  den  Zwisciien- 
raumen  ausgehenden  Strahlen 
werden  sich  nun  wesentlich  in 
den  hellen  Kohleustoffliuien 
offenbaren. 

Unter  solchen  Umständen 
wird  der  IJetrag  continnirlicher 
Absorption  am  lilauen  Ende  am 
grössten  sein. 

2.  Zustand.  Bei  weiter  fort- 
schreitender Condensation  müs- 
sen die  von  der  Strahlung  der 
Zwischenräume  herrührenden 
hellen  Ijinien  nach  und  nach 
verschwinden ;  dunkle  Linien 
werden  an  Stelle  der  streifigen 
Absorption  bei  zunehmender 
Temperatur  treten,  obgleich 
diese  lineare  Absorption  nicht 
nothwendig  ühereinzustiminen 
braucht  mit  der  im  Soinien- 
spectrum. 

3.  Zustand,  a.  Die  lineare 
Absorption  und  die  continnir- 
liche  Absorption  am  Idauen 
Ende  werden  mehr  und  meiir 
mit  der  Zahl  der  einzelnen  Con- 
densationen  abnehmen,  da  dann 
nur  noch  diejenigen  Däuipfe, 
welche  in  den  höclistcn  Scliicli- 
ten  der  Atmosphären  der  qu. 
Condensationsgebiete  schweben, 
Absorptionserscheinungen  her- 
vorbringen können,  und  zwar 
in  Bezug  auf  die  hellen  conti- 
nuirlichen  Spectren  der  unter 
ihnen  liegenden  nocli  im 
Störungsznslande  befindlichen 
Theiie  der  betreffenden  .Atmo- 
sphären. 

b.  Die  Condensation  niTiimt 
weiter  zu.  Die  Linien  des  Ei- 
sens und  anderer  Stoffe  ver- 
schwinden, da  nnnmelir  die 
hellen  Linien,  die  von  den 
Zwischenräumen  herrühren,  sich 
mehr  und  mehr  ausgleichen  mit 
den  denselben  Stellen  im  Spec- 
trum entsprechenden  .Absurp- 
tionslinien,  die  von  den  umge- 
benden Dämpfen  herrühren. 


in  seiner  jetzigen  dritten  Ta- 
belle vereinigten  Classe  von 
Sternen  zeigen  vollkommen  den 
hier  von  der  Hypothese  gefor- 
derten Charakter. 


Die  dunkeln  Streifen  des 
siclitbaren  Spectrums  stinunen 
ihrer  Lage  nach  sehr  nahe  mit 
jenen  zusammen,  welche  die  bei 
niedriger  Temperatur  entwor- 
fenen Spectra  von  Mangan,  Blei 
und  Eisen  zeigen.  Die  Pboto- 
grajihie  weist  deutlich  auf  die 
Anwesenheit  glühender  Ivohlen- 
stoffe  hin. 


Die  aufgenommenen  Photo- 
graphien zeigen  in  der  That 
eine  sehr  merkliche  continuir- 
licbe  Absorption  im  Ultraviolet 
und  im  Violet. 

Die  thatsächlich  beobachteten 
Spectra  enthalten  allerdings 
zahlreiche  dunkle  Linien,  die 
indessen  nichtgenau  zusammen- 
fallen mit  denen  des  solaren 
Spectrums.  Typen  von  Sternen 
dieser  Entwickelungsstufe  sind 
a  Tauri  und  7  Cygni. 


Erscheinungen  dieser  Art 
finden  wir  bei  Sternen,  wie  a 
Cygni,  liigel,  Bellatrix,  0  Orio- 
nis  und  a  Virginis.  Bei  ihnen 
ist  in  der  That  keine  continnir- 
liclie  Absorption  am  blauen 
Ende  zu  constalircn  und  ilire 
Spectren  zeigen  nur  lineare 
Absorption. 


Bei  a  Cygni  zeigen  sich  noch 
einige  der  grössten  Eiseulinien. 
Bei  anderen  Sternen,  die  im 
Uebrigen  zur  selben  Classe  ge- 
hören, aberoflenbarscbon  weiter 
fortgeschritten  sind,  verschwin- 
den diese  Linien. 


290 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  28. 


c.    Endlich,    bei    noch   mehr  In  der  That  treten  bei  einer 

vorg'eschrittener    Condensation,      Reihe  von  Sternen  die  chronio- 
wird  die  Möglichkeit  für  zahl-      sphärischen  Linien  bei  X  ^  4471 
reiche   heftige  Znsammenstösse      und,    wie    mit    einer    ziemlich 
gegeben.      Wir    haben    solche      grossen  Wahrscheinlichlceit  an- 
Absorptions-Erscheinungen     zu      genommen   werden    darf,    aucii 
erwarten,    wie  sie  Dampfe  von      noch  andere  Linien  der  Chromo- 
sehr    hoher    Temperatur    dar-      Sphäre  auf. 
bieten.     Die  Linien  der  solaren 
Chromosphäre  können  als  Bei- 
spiele für  die  bei  solchen  Tem- 
peraturen   auftretenden   Linien 
gelten. 

Die  heissesten  Sterne. 

Die  Anordnung  der  absorbirenden  Dampfschichten 
darf  wohl  als  identisch  angenommen  werden  mit  der  Ord- 
nung der  aufeinanderfolgenden  Dampfscbichten,  die  die 
einzelnen  Meteoriten  im  Anfangszustande  des  Schwarms 
umgaben.  Es  wird  demzufolge,  bei  immer  zunehmender 
Temperatur,  in  der  Entwickelung  eines  Sternes  endlich  ein 
Zustand  eintreten  (höchste  Temperatur),  in  dem  gerade 
die  Linien,  die  bei  den  Nebeln  hell  erscheinen,  nahezu 
allein  als  dunkle  Linien  in  dem  sideralen  Spectnim  auf- 
treten. 

Die  Beobachtung  liefert  uns  Beispiele  in  Sternen,  als 
deren  Typus  u  Andromedae  gelten  kann,  Sterne  mit 
dunkeln  Absorptionslinien,  deren  Lage  genau  überein- 
stimmt mit  einigen  der  hellen  Nebelliuien. 

Sterne  mit  abnehmender  Temperatur. 

1.  Zustand.  Bei  fortschreitender  Verringerung  der 
Tiefe  der  absorbirenden  Atmosphäre  werden  die  Wasser- 
stoff linien  immer  schmäler  werden;  und  neue  Linien 
werden  erscheinen.  Diese  letzteren  müssen  nicht  noth- 
wendig  mit  irgend  welchen  Linien  identisch  sein,  die  bei 
Sternen  mit  wachsender  Temperatur  gefunden  werden. 
Bei  den  Sternen  letzterer  Classe  treten  fortwährende  Ex- 
plosionen von  einzelnen  Meteoriten  als  ein  für  die  betr. 
Atmosphären  wesentlich  gestaltender  und  modiiicirender 
Factor  auf.  Dagegen  haben  wir  es  bei  einer  sich  ab- 
kühlenden Masse  inuner  nur  mit  der  Absorption  der 
höchsten  Dampfschichten  zu  thun.  Am  ersten  werden 
wohl  bei  den  hier  betrachteten  Sternen  die  bedeutendsten, 
niedrigen  Temperaturen  entsprechenden  Linien  der  ver- 
schiedenen chemischen  Elemente  auftreten.   — 

Herr  Lockyer  hält  Sirius  für  einen  Stern  von  diesem 
Typus.  Das  Spectrum  zeigt  viele  der  bedeutendsten 
Eisenlinien. 

2.  Zustand.  Die  Wasserstoflflinien  werden  fortfahren 
schmäler  zu  werden;  und  die  Spectra  werden  jetzt  viel 
mehr  solche  Linien  zeigen,  welche  den  verschiedenen 
Elementen  bei  hohen  Temperaturen  entsprechen.  Diese 
Linien  werden  sieh  aber  wohl  unterscheiden  von  denen, 
welche  bei  den  Sternen  mit  wachsender  Temperatur  auf- 
treten, und  zwar  weil  hier  und  dort  verschiedene  relative 
Zusammensetzungen  der  absorbirenden  Schichten  statt- 
finden werden.  — 

Sterne  von  diesem  Typus  finden  wir  in  der  That  in 
«  Persei,  ß  Arietis  u.  a.  m.  In  ihren  Spectren  lassen  sich 
nahezu  alle  Linien  des  Sonnenspectrums  nachweisen,  zu 
denen  dann  noch  breite  Wasserstofflinien   hinzutreten. 

3.  Zustand.  Bei  noch  weitergehendem  Schmälerwerden 
der  Wasserstofflinien  und  fortgesetzter  Erniedrigung  der 
Temperatur  der  absorbirenden  Atmosphäre  werden  nun 
die  Absorptionsstreifen  der  Kohlenstoffverbindungen  auf- 
treten müssen.  —  Diese  Forderung  der  Lockyer'schen 
Theorie  ist  noch  wenig  geprüft  an  der  Erfahrung.  In 
den  Spectren  der  Sonne  und  des  Arcturus  kann  wohl  nicht 
an  dem  Vorhandensein  von  Hinweisen  auf  Absorption  ge- 


zweifelt werden,  die  auf  Kohlenstoffverbindungen  zurück- 
zuführen sind. 

Es  kann  nicht  geleugnet  werden,  dass  diese  Zu- 
sammenstellung, die  Herr  Lockyer  von  Forderungen  der  Hy- 
pothese und  Thatsachen  der  Beobachtung  bringt  manches, 
ja  vieles  enthält,  was  zu  Gunsten  der  Hypothese  spricht. 
Und  deshalb  erschien  es  angebracht,  von  der  Arbeit  hier 
Kenntniss  zu  nehmen.  Man  darf  aber  keine  zu  weit 
gehenden  Schlussfolgerungen  aus  einer  derartigen  Ueber- 
einstimnumg  ziehen  wollen.  Denn  wenn  ein  auf  experi- 
mentellem Gebiete  in  Bezug  auf  speetralaualytische  Dinge 
so  erfahrener  Mann,  wie  Lockyer,  eine  Hypothese  über 
einen  auf  demselben  liegenden  Gegenstand  aufstellt,  so 
darf  man  immer  vertrauen,  dass  dieselbe  hinreichend 
vorsichtig  ausgedacht  ist,  um  einer  gewissen,  nicht  allzu 
spärlichen  Approximation  an  die  Erfahrung  sicher  zu  sein. 
Grs. 

Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben. 

Es  wurden  ernannt:  Privatdocent  in  der  medicinischen  Facultät 
der  Universität  Strassburg  Dr.  Bayer  zum  ausserordentlichen  Pro- 
fessor. —  Oberbergrath  Lorber,  aus.serordentlicher  Professor  an 
der  Bergakademie  zu  Looben,  zum  Ordinarius  für  Geodäsie  an 
der  deutsehen  technischen  Hochschule  in  Prag.  —  Privatdocent 
Bobek  an  der  deutschon  technischen  Hochschule  in  Prag  zum 
ausserordentlichen  Professor  für  Mathematik  an  der  deutschen 
l^Tniversität  Prag.  —  Der  Privatdocent  für  vergleichende  Anatomie 
Wiren  zum  ausserordentlichen  Professor  an  der  Universität  Stock- 
holm. —  Dr.  Vedmann,  Oberarzt  an  dem  Irrenasyl  zu  Lnnd, 
zum  Professor  der  Psychiatrie  an  der  dortigen  LTniversität. 

Es  haben  sich  habilitirt:  Dr.  Baas  für  Augenheilkunde  an  der 
Universität  Freiburg  i.  Br.  —  Dr.  Krüger  für  physiologische 
Chemie  an  der  Universität  Dorpat.  —  Dr.  Wilhelm  Trabert 
für  Meteorologie  an  der  Universität  Wien.  —  Der  Assistent  am 
physikalischen  Institut  der  Universität  Berlin  Dr.  August  Raps 
für  Physik. 

Es  sind  gestorben :  Oberbergrath  von  Brunn  vom  Oberbergamt 
in  Breslau.  —  Der  Professor  der  Psychiatrie  Dr.  Nils  Gustav 
Kjellberg  in  Upsala.  —  Der  deutsche  Arzt  Dr.  Emmerling 
auf  Kaiser- Wilhelms-Land.  —  Der  bekannte  Geologe  Dr.  Anton 
Sjögren,  Bergmeister  und  Inspector  der  Bergschule  zu  Falun, 
auf  seiner  Besitzung  in  Södermanland.  —  Bergrath  Brabänder 
in  Bochum.  —  Professor  Dr.  Max  Hantken  von  Prudnik, 
Sectionsrath  und  Director  des  Instituts  für  Paläontologie  in 
Budapest. 

Der  Allgetaeine  österreichische  Bergmannstag  w  ird  in  diesem 
Jahre  vom  14.  bis  17,  August  in  Klagenfuit  stattfinden.  Anmel- 
dungen zur  Theilnahme  sind  bis  spätestens  den  15.  Juli  zu  richten 
an  das  „Comite  für  den  allgemeinen  Bergmannstag,  zu  Händen 
des  Herrn  k.  k.  Oberbergrathes  Ferdinand  Seeland  in  Klagenfurt". 
Von  den  geplanten  Ausflügen  verspricht  derjenige  am  17.  August 
nach  Raibl  das  meiste. 

Internationaler  Congress  für  Zoologie.   —    Das  permanente 

Comite  hat  seinen  Sitz  in  Paris  und  bestellt  aus  folgenden  Mit- 
gliedern: Milne-Edwards — Paris,  Präsident;  Jentink — Leiden,  Graf 
Gapnist- Moskau,  Th.  Studer— Bern,  L.  Vaillant— Paris,  Vice- 
Präsidenten;  R.  Blanchard— Paris,  General-Secretär;  Baron  J.  de 
Guerne — Paris,  Secretär.  —  Zur  Bewerbung  um  den  vom  Gross- 
fürsten Thronfolger  gestifteten  Preis  schlägt  das  Comite  Arbeiten 
vor,  welche  das  „Studium  der  Fauna  einer  der  thiergeographischen 
Provinzen  und  ihre  Verwandtschaft  mit  den  benachbarten  Faunen" 
zum  Gegenstande  haben.  Der  Preis  wird  auf  dem  Congress  in 
Leyden  im  Jahre  1895  ertheilt  werden.  Die  Jury  nimmt  Arbeiten 
entgegen,  welche  über  einen  Zweig  oder  eine  Classe  des  Thier- 
reichs  handeln.  Die  Arbeiten,  welche  seit  dem  letzten  Congress 
über  diesen  Gegenstand  geschrieben  oder  gedruckt  worden  sind, 
müssen  vordem  1.  Mai  1895  an  den  Vorsitzenden  des  permanenten 
Comites  unter  der  Adresse  der  Zoologischen  Gesellschaft  von 
Frankreich  —  Paris,  Rue  des  Grands,  Augustins  7  —  eingesandt 
werden.  Die  überreichten  Arbeiten  werden  von  einer  Commission 
geprüft,  welche  aus  den  Herren  besteht:  Milue-Edwards— Paris, 
Präsident;  R.  Blanchard— Paris,  Generalsecretär;  A.  Bogdanow — 
Moskau;  Jentink — Leyden;  R.  B.  Schärpe — London;  Th.  Studer — 
Bern;  N.  Zograf— Moskau.  Die  Preise  können  in  Medaillen  oder 
Geldsummen  bestehen  und  werden  in  feierlicher  Sitzung  während 
der  Dauer  des  Congresses  ertheilt.  Zugelassen  zur  Bewerbung 
wird  jeder  Gelehrte;  davon  ausgeschlossen  sind  aber  die  Gelehrten 
des  Landes,  in  welchem  der  jeweilige  Congress  stattfindet,  für  die 
auf  dem  Congress  zu  Leyden  1895  zu  ertheileuden  Preise  also 
diejenigen  Hollands. 


Nr.  2S. 


Natnrwisseuscbaftliche  Wochenschrift. 


291 


Eine  Ausstellung  für  Physiographie,  Anthropologie,  Ethno- 
graphie, Archäologie  und  Geschichte  der  Krim,  viTlnmileii  mit 
üiuer  Abthoilung  für  Industrie  iiiul  Kunst,  wird  mit  Genelimigung 
des  Ministers  des  Innern  von  dein  Alpenlclub  der  Krim  in  Odessa 
ira  Herbst  d.  J.  veranstaltet  werden.  Tbeibiehmer  wollen  sich 
bis  spätestens  zum  1.  August  d.  J.  an  die  Direetion  des  Univer- 
sitäts-Alpenklubs  der  Krim  in  Odessa  wenden.  Vorsitzender: 
N.  Van-der-Flitt;  Secretär:  Prof.  Dr.  Fr.  Kamienski. 


L  i  t  t  e  r  a  t  u  r. 

Paul  Topinard,    L'homme  dans  la  nature.     Avec  101   gravures. 

(Bibl.  seient.  intern.)     Felix    Ak-an.     Paris    1891.   —    Preis  geb, 

(j  Francs. 

Die  vorliegende  gute  Topinard'selie  Anthroiiologio  wirft  zu- 
nächst einen  ganz  kurzen  Blick  auf  die  Anthropologie  vor,  wäh- 
rend und  nach  Broca,  beschäftigt  sich  dann  mit  der  Umgrenzung 
der  Disciplin  und  bespricht  die  Beziehungen  derselben  zur  Bio- 
logie, Psychologie,  Ethnographie  und  Sociologie,  um  dann  in  20 
weiteren  Capitebi  den  Gegenstand  selbst  zu  behandeln.  Als  ein- 
führendes Lehrbuch  in  das  Geljiet  ist  das  Buch  sehr  brauchbar. 
Wir  müssen  aber  darauf  aufmerksam  machen,  dass  es  den  Gegen- 
stand im  engereu  Sinne  behandelt.  Der  Autor  bezeichnet  als 
Aufgabe  seines  Buches  klarzulegen:  „la  place  quc  FHomme  occupe 
materiellement  parmi  les  animaux  et  sou  origine  probable  ou 
descendence." 

Prof.  Andre  Lefevre,  Les  Races  et  les  Langues.  (Bibliotheque 
scientifique  internationale.)  Felix  Alcan.  Paris  1893.  —  Preis 
gell.  6  Francs. 

Leffevre  zeigt  sich  bei  der  Behandlung  seines  Gegenstandes 
als  echter  Naturforscher.  Bezüglich  des  VVerdens  der  Sprache 
steht  er  auf  dieser  Basis  und  auch  die  Methodik,  die  er  bei  der 
Bearbeitung  des  ungeheuren  Gebietes  anwendet,  ist  diejenige  der 
Naturforschnng.  Das  Buch  zerfällt  in  3  Abschnitte.  Der  1.  be- 
handelt das  Entstehen  und  die  Entwickelung  der  Sprache,  der  2. 
die  geographische  Vertheilung  der  Sprachen  und  Kacen,  der  8. 
den  grossen  Complex  der  indo-europäischen  Sprachen. 

Prof.  Dr.  Rudolf  Arndt.,  Biologische  Studien.  I.  Das  biologische 
Grundgesetz.  Julius  Abel,  (ireifswald  1X92.  —  Preis  4,SU  M. 
Das  Buch  enthält  9  Abhandlungen,  von  denen  ein  Theil  zwar 
bereits  als  gewissermaassen  vorläufige  Mittheilnngen  in  niedici- 
nischen  Zeitschriften  erschienen  sind,  die  aber  hier,  um  sie  auch 
Nichtmedicinern  bekannt  zu  machen,  in  Zusammenhang  mit  an- 
deren und  überarbeitet  geboten  worden.  Die  Aufsätze  behandeln 
in  ihrer  Beziehung  zum  biologischen  Grundgesetz  1.  die  Elementar- 
organismen, 2.  den  gehaubten  Kanarienvogel,  die  Möwchen-,  Per- 
rücken- und  Pfauentaube,  3.  die  Heilkunst,  4.  den  Plattfuss  und 
Klumpfuss,  5.  Riesen  und  Zwerge,  6.  Schwarz  und  Weiss  bei  Thier 
und  Mensch,  7.  die  Körperwärme,  besonders  das  Fieber  und  end- 
lich 8.  die  Psyche.  Als  biologisches  Grundgesetz  bezeichnet  Verf. 
die  Thatsache:  schwache  Reize  fachen  die  Lebcnsthätigkeit  an, 
stärkere,  mittelstarke  beschleunigen,  fördern  sie,  starke  hemmen 
und  stärkste  heben  sie  auf.  Er  erläutert  dieses  biologische  Grund- 
gesetz in  dem  das  Buch  einleitenden  Artikel  „Leben  und  Lebens- 
äusserungen." *) 

Manche  Ansichten  des  Verf.  weichen  wesentlich  von  den  üb- 
lichen ab.  Um  nur  eine  solche  zu  erwähnen,  so  erblickt  er  in 
dem  Protoplasma  der  höheren  Organismen  eine  Symbiose  von 
Bakterien. 

Die  anregenden  und  geistreichen  Aufsätze  werden  jeden 
iüteressiren,  dessen  Blick  über  seine  eigene  engere  Special-Wissen- 
schaft hinausgeht. 

Prof.    Dr.    Alfred  Jentzsch,    Führer    durch    die    geologischen 

Sammlungen  des  Provinzialmuseums  der  |diysikaiiseh  iikono- 

mischen  Gesellschaft    zu  Königsberg.     Mit    75  Textabbildungen 

und  2  Tabellen    enthaltend    Uebersicht    der  Geologie   Ost-   und 

Westpreussens.     Komm.    b.  Wilh.    Koch    in    Königsberg    in  Pr. 

1892.  -  Preis  2  M. 

Der   „Führer"    ist    kein    solcher   im   gewöhnlichen   Sinne    des 

Wortes:    er   bringt  das  Ausgestellte   in  Zusammenhang   und   hebt 

das  Wichtigste  gebührend  hervor;  er  ist  iilsofern  als  eine  knappe 

Geologie  Ost-  und  Westpreussens  zu  bezeichnen.     Die  klaren  Ab- 

*)  Vergl.  auch  „Naturw.  Wochenschr.",  Bd.  VIll,  S.  2G4., 
Spalte   1. 


bildungen  des  „Führers"  erhöhen  den  Werth  desselben  wesentlich. 
Nicht  nur  dem  in  Königsberg  Studinuiden  wird  durch  denselben  mit 
Benutzung  der  Sammlung  ein  treffliches  Lehrmittel  geboten,  auch 
der  Fachmann,  der  sich  über  die  geologischen  Verhältnisse  dos 
Gebietes  schnell  orientiren  will,   wird  ihn   mit  Vortheil  benutzen. 


Dr.  Oscar  Haenle,  Die  Chemie  des  Honigs.  Chemisch-analytische 
Prüfuiigs-Methode  zur  Erki'iinuug  von  echten  und  mit  Glycosc 
oder  Rohzucker  gefälschten  Honigen.  Ein  Beitrag  zur  Nahrungs- 
chemie. 2.  Aufl.  El.säss.  Druckerei  u.  Verlagsanstalt  (vorm. 
G.  Fischbach).     Strassburg  1892. 

Verfasser,  der  Director  des  chemischen  Laboratoriums  des 
Elsass-Lothring.  Bienenzüchter-Voreins,  hat  eine  grössere  Anzahl 
echter  Honigsorten  verschiedener  Provenienz  untersucht,  ebenso 
wie  verfälschte  Honige  und  giebt  ausführlich  die  Mittel  zur 
Unterscheidung  beider  Kategorieen  an. 

Naturwissenschaftliche  Elementarbücher.  No.  1.  Chemie  von 
H.  E.  Ruscoi'.  Deutsche  Ausg.  besorgt  v.  Prof.  F.  Rose.  Mit 
Abb.  und  einem  Anhang  von  Fr.-igen  und  Antworten.  .5,  Durch- 
gesehene Autlage  No.  9.  Mineralogie  von  Prof.  Karl  F. 
Peters.  Mit  Abbildungen.  3.  verbesserte  Auflage,  durchges. 
von  Prof.  H.  Bücking.  Karl  J.  Trübner  in  Strassburg  1892  — 
Preis  a   0,80  Mk. 

Von  den  mit  Recht  beliebten  Elementarbüchern  liegen  die  ge- 
nannten in  neuen  Auflagen  vor.  Die  Bücher  sind  bekannt  ge'nug  und 
wir    können    uns    desshalb    auf   die  blosse  Anzeige  beschränken. 

Archiv  der  Mathematik  und  Physik  (herausgegeben  von 
R.  Hojjpe).  Zweite  Reihe,  zwölfter  Theil.  Das  erste  Heft  enthält 
folgende  Aufsätze:  G.  Mohrmann,  neues  Verfahren  der  Fou- 
rier'schen  Entwickelung  der  doppelperiodischen  Functionen; 
Heinrich  Seipp,  über  einige  Sätze  aus  der  elementaren  Raum- 
geometrie; H.  Ekama,  geometrische  Oerter  bei  Curvensystemen; 
Franz  Rogel,  Ableitungen  arithmetischer  Reihen;  F.  Pockels, 
über  die  durch  dielektrische  und  magnetische  Polarisation  hervor- 
gerufenen Volum-  und  Formänderungen  (Elektrostriction  und 
Magnetostriction);  R.  Hoppe,  osculirende  Kugel  nebst  den  ana- 
logen Gebilden  für  n  Dimensionen.  Miscellen.  Litterarischer 
Bericht.  

Atti  della  Reale  Accademia  dei  Lincei  Rendiconti.  (Serie 
quintn,  vol.  11").  Die  ersten  sechs  Fascikel  der  Rendiconti  der 
mathematisch-naturwissenschaftlichen  Klasse  der  Römischen  Aka- 
demie enthalten  u.  a.  folgende  uns  bemerkenswerth  erscheinende 
Aufsätze:  Ricci,  über  Coordinatensysteme,  welche  geeignet  sind, 
den  Ausdruck  des  Quadrats  des  Linienelementes  einer  Fläche  auf 
die  Form  ds'  =  {U  +  V)  {du-  +  dv-)  zurückzuführen;  Guglielmo, 
Beschreibung  eines  neuiui  Sphaerometers  leichter  Construction; 
Alvisi,  über  die  Vertheilung  des  specifischen  Gewichtes  der  ein- 
fachen Körper  im  periodischen  System  der  chemischen  Elemente; 
Bassani  e  De  Lorenzo,  über  die  Geologie  der  Halbinsel  von 
Sorrent;  Pascal,  über  die  Oberflächen  vierter  Ordnung  mit  dop- 
peltem Kegelschnitt;  id.,  über  ein  System  von  Geraden  (3,4);  Nac- 
cari,  über  den  osmotischen  Druck;  Del  Re,  über  ein  System 
von  Geraden  (3,4);  Frattini,  über  ein<>n  doppelten  Isomorphis- 
mus in  der  allgemeinen  Substitutionstheorie;  Tonelli,  über  die 
Lösungen  der  Congruenz  x- :':.  c  {mod.  ^'■). 

Rebeur-Paschwitz,  E.  v..  Das  Horizontalpendel  und  seine  An- 
wendung zur  Beobachtung  der  absoluten  und  relativen  Richtungs- 
Aenderungen  der  Lothlinie.     Leipzig.     15  M. 

Schaflfer,  J.,  Beiträge  zur  Histologie  und  Histogonesc  der  quer- 
gestreiften Muskelfasern  des  Menschen  und  einiger  Wirbel- 
thiere.     Leipzig.     3,70  M. 

Schulze,  E.,  u.  F.  Borcherding,  Fauna  saxonica.     .Jena.     1,80  M. 

Strasburger,  E.,  Das  kleine  b(jtanische  Practicum  für  Anfänger. 
Jena.     6  M. 

Studer,  Th  ,  Ueber  zwei  fossile  dekapode  Krebse  aus  den  Molasse- 
ablagerungen des  Belpberges.     Berlin.     4  M. 

Warburg,  E.,  Lehrbuch  der  Experimentalphysik  für  Studirende. 
Freib.     7,(;0  M. 

Wiedemann,  G.,  Die  Lehre  von  der  Elektricität.  2.  Auflage. 
1.   Bd.     Braunschweig.     26  M. 

Zache,  E.,  Geognostische  Skizze  des  Berliner  Untergrundes. 
Berlin.     1  M. 

Zoebl,  A.,  u.  Mikosch,  C,  Die  Funktionen  der  Granneu  der 
tierstenähri'.     Leipzig.     0,.50  M. 


Inhalt:  Max  Fiebelkorn:  Die  Dichte  der  Erde.  —  Ueber  die  Beziehung  zwischen  dem  l^■^enfall  und  der  Gestalt  der 
Laubblätter.  (Mit  Abbild.)  —  Ueber  die  pelagische  Flora  dos  Naalsoetjords  (Faroer)  und  über  diejenige  des  Dyrefjords 
(Island).  —  Diprotodon-Skelette.  —  Der  Lephay-Conipass.   —  Die  Ueberschätzung  der  Neigung  bei  Böschungiui.     (.Mit  Abbild.) 

—  Zur  Schneidemühler  Brunnen-KahTinität.    —    Ueber  die  S])ectra  einiger  helleren  Sterne.  —  Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben. 

—  Litteratur:  Paul  Topinard:  L'homme  dans  la  Nature.  —  Prof.  Andre  Lefevre:  Les  Races  et  les  Langues.  —  Prof. 
Dr.  Rudolf  Arndt:  Biologische  Studien.  1.  Das  biologische  Grundgesetz.  —  Prof.  Dr.  Alfred  Jentzsch:  Führer  durch 
die  geologischen  Sammlungen  des  Provinzialmuseums.  —  Dr.  Oskar  Haenle:  Die  Chemie  des  Honigs.  —  Naturwissenschaft- 
liche Elementai'bücher.  —  Archiv  der  Mathematik  und  Physik  —  Atti  della  Reale  Accademia  dei  Lincei  Rendiconti.    —    Liste. 


292 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  28. 


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Die  Insekteri-BSrse 

jetzt  vereinigt  mit  dei    „Sammler -BÖrSG" 


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üffertcnblatt ^"^ÜTüä 


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""/Oienste  aller  Sammcl-Interessen 


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ist  für  „Entomologen"  und  „Sammler"  das  hervorragendste  Blatt,  welches  wegen 
der  belehrenden  Artikel  sowie  seiner  internationalen  und  grossen  Verbreitung  betreffs 
Ankauf,  Verkauf  und  Umtausch  aller  Objekte  die  weitgehendsten  Erwartungen  erfüllt 
wie  ein  Probeabonnement  lehren  dürfte.  Zubeziehendurch  die  Post  (Zeitungsliste  No.  3135) 
und  die  Verlags-Buchhandlung  Frankenstein  &  Wagner,  Leipzig,  Augustusplatz  1. 
Abonnement  bei  Zusendung  unter  Kreuzband  in  Deutschland  u.  Oesterreich  1  Mk.,  nach 
anderen  Ländern  des  Weltpostvereins  1  Mk.  20  Pfg.  =  1  Shilling  2  Pence  =  1  Fr.  50  Cent. 


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„Linnaea",   Naturhistorisches  Institut. 

(Natui-alien-  &  Lehrnuttel-llaudlung-.) 
Berlin  NW.,  Luisenplatz  6. 

Prämiirt  mit  goldenen  und  silbernen  Medaillen. 


Permanente  Aus.stellung  an  dem 
Stadt.  Scluilniu.seiiin,  an  der  Urania- 
Berlin,  Thüring.  Schulmus.  —  Jona, 
Schuhnus.  —  Frankfurt  a./O.  und  der 
Schwab.    Schulausstellung    Augsburg. 

Die  von  Seiten  de.s 

Ministerium  der  geistlichen,  Unter- 
riclits-  u.  Medicinal -Angelegenlieiten 

für  die  AusstcUuug  iu  Chicago  (HiJLeres  Scbul- 
wesen)  bestimmteu  Präparate  aus  dem  Gebiete 
der  Zoologie  und  vergleichenden  Anatomie 
wurden  unsererseits  geliefert. 


Grosse  Laj^erhestäude 

in  Lehrmitteln 

aus  dem  Gesainiiitgobiet  der 

Zoologie,  Paläontologie,  Geologie 

Mineraloi^ie   u.  Botanik, 

Spceiell  ofteriren  wir  fiu-Lehrzwecko 
sjstcinatisflie  und  biologische 

Insecten  -  Samminngen 

mit  Einschluss  der  P^ntwk-kehmgsreihen. 

Land-  und  forstwirtschaftlich 
schädliche  u.  nützliche  Insecten. 

Au  entw  ickeluiigsgeseliielitliehen,  iu 
Sprit  oonservirten  Präparaten  {siehe 
nebenstehende  Metamorphosenreihe 
von  Cetonie  aurata)  können  wir  be- 
sonders ein))f''lilen: 

Die  Entwickelungsreihen  von  Apis 
mellifica,Iioiubii$  ter.  estris.Vespa  rrabro, 
Vespa  vulgaris,  Limbex  variabilis,  Dytis- 
cus  marsinalis,  Ilydrophilus  pieeus, 
Melolontha  vulgaris,  Hylobius  abietis, 
Spondylis  buprestoidis,  Rbagium  bifasoia- 
tum,  Myrmecoleon  formicarius  Libellula 
(juadrimaculata,  Gryllus  campestris. 


Ferner  machen  wir  aufnerksam  auf  unsere 
verkiiuflieben 

Saminel-,  Fan^-  ii.  Präparir-Utensilien. 


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allen  Ländern 
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bnehhanilliiBs:  in  Berlin  erschien: 

Einführung  in  die  Kenntnis  der  Insekten 

von  H.  J.  K.oll>e,  Kustos  am  KÖuigl. 
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PP~  Dieser  Nummer  liegt  ein  Prospekt  der  Firma  T.  O.  WeigeB  Nachf.  in  Leipzig,  betreuend :  ..Fraas,  Scenerie  der 
Ali»en",  bei,  auf  den  wir  uns«re  Leser  besonders  aufmerksam  machen. 

Verantwortlicher  Redakteur:    Dr.  H.  Potonie,    Berlin  N.  4.,    Invalidcnstr.  40/41,    für    den    Inseratentheil:     Hugo  Bernstein   in  Berlin.  — 
Verlag:  Ferd.  Dummlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW^.  12.  —  Druck:  G.  Bernstein,  Berlin  SW.  12. 


Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12,  Zimmerstr.  94. 


VIII. 

Band.                 Sonntag,  den 

10.  Juli  1893. 

Nr.  29. 

Abonnement :  Man  abonnirt  bei  allen  Buchhandinngcn  und  Post- 
anstalten,  wie  bei  der  Expedition.    Der  Vierteljahrspreis  ist  M  4.— 
Bringegeld  bei  der  Post  15  ^  extra. 

Y             Inserate:  Die  viergespaltene  Petitzeile  40  ^J,.    Grössere  Aufträge  ent- 
eis          sprechenden  Rabatt.  Beilagen  nach  Uebereinkunft.  Inseratenannahme 
JL                          bei  allen  Annoncenbureaux,  wie  bei  der  Expedition. 

Abdruck  ist  nur  mit  vollständiger  l^nellenaugabe  gestattet. 

Die  Natur  der  chemischen  Elemente. 


Die  Anschauung,  das.s  die  Materie  ursprünglich  ein- 
heitlich gewesen  und  dass  die  Verschiedenheit  der  vor- 
handenen Körper  erst  durch  spätere  allniiihliche  Ditferen- 
ziruiig  bedingt  worden  sei,  drängt  sich  bei  dem  gegenwär- 
tigen Stande  der  naturwissenschaftlichen  Kenntnisse  fast  von 
selbst  auf.  DieThatsache,  dass  bei  der  Zerlegung  der  Körper 
eine  ganze  Anzahl  von  Elementen,  d.  h.  von  untereinander 
verschiedenen,  auf  keine  Weise  weiter  zerlegbaren  Körpern, 
resultirten,  steht  mit  solcher  Anschauung  im  Widerspruch. 
Kein  Wunder,  dass  mau  diesen  zu  lösen  trachtet.  Die 
im  Jahre  1815  aufgetauchte  Prout'sche  Hypothese,  dass 
alle  Elemente  verschiedene  Verdichtungszustäude  des 
Wasserstoffs  seien,  hat  lauge  Zeit  hindurch  die  Chemiker 
in  hervorragender  Weise  beschäftigt.  Wurde  auch  schliess- 
lich die  Unhaltbarkeit  der  Hypothese  in  dieser  Form  er- 
wiesen, so  hat  ihr  Grundgedanke  doch  stets  Anhänger 
i)ehalten  und  deren  Zahl  musste  sich  mehren,  je  mehr 
die  Beziehungen  zwischen  den  Atomgewichten  und  den 
Eigenschaften  der  Elemente  erkannt  wurden.  Mendelejeif 
hat  auf  Grund  dieser  Beziehungen  die  Elemente  ihrem 
Atomgewicht  nach  in  ein  System  eingeordnet,  in  welchem 
periodisch  eine  gleichartige  Aenderung  der  Eigenschaften 
mit  dem  Wachsen  des  Atomgewichts  zu  constatiren  ist. 
Auf  Grund  dieses  Systems  konnten  falsch  oder  ungenau 
bestimmte  Atomgewichte  berichtigt  und  es  konnte  auf 
das  Vorhandensein  bisher  unbekannter  Elemente  hinge- 
wiesen werden,  von  denen  nun  schon  zwei  (Gallium  und 
Germanium)  entdeckt  und  als  den  vorhergesagten  Eigen- 
schaften entsprechend  erwiesen  wurden. 

Ist  sonach  die  Berechtigung  des  periodischen  Systems 
kaum  einem  Zweifel  unterworfen,  so  lag  die  Frage  nach 
der  Ursache  dieser  Regelmässigkeiten  nahe  und  als  solche 
konnte  in  letzter  Linie  nur  die  Einheit  der  Materie  in 
Betracht  kommen.  Die  richtige  Formulirung  des  der 
l'rout'schen  Hypothese  zu  Grunde  liegenden  Gedankens 
muss    den  Schlüssel  für   die  Aufklärung   der  Natur   che- 


mischer Elemente,  mit  anderen  Worten  für  den  ganzen  Auf- 
bau des  Kosmos  geben. 

Einen  Versuch  die  Prout'sche  Hypothese  in  ihrer  ur- 
sprünglichen Form  aufrecht  zu  erhalten  und  aus  den 
classischen  Versuchen  von  Stas,  welche  zu  ihrer  end- 
gültigen Beseitigung  führten,  durch  gekünstelte  Deutung 
ihre  Richtigkeit  zu  erweisen,  macht  G.  Hinrichs.*)  Er 
wird  damit  kaum  viel  Anklang  finden,  man  wird  vielmehr 
der  Meinung  W.  Spring's**)  beipflichten  müssen,  dass 
etwaige  Zweifel  an  der  Richtigkeit  der  Stas'schen  Resul- 
tate nur  allein  durch  neue  Experimente  von  gleicher  Voll- 
kommenheit begründet  werden  könnten,  nicht  aber  durch 
Speculationen,  welche  von  vorgefasster  Jleinung  l)eherrscht 
sind  und  sich  auf  Exti'apolationen  stützen,  die  den  Stas- 
schen  (einzelnen)  Beobachtungen  viel  mehr  zumuthen  als 
der  Autor  selbst  gethan. 

Anders  verfährt  W.  Frey  er.***)  Er  nimmt  als  Stamni- 
substanzen  die  sieben  leichtesten  Elemente,  mit  Ausschluss 
des  Wasserstoiis,  also  Lithium,  Beryllium,  Bor,  Kohlenstoff, 
Stickstoff,  Sauerstoft"  und  Fluor  an ;  indem  er  diese  sieben 
Elemente  direet  durch  Condensation  des  Wasserstoffs  ent- 
standen sein  lässt,  betrachtet  er  sämmtliche  ülirigen  als 
durch  Verdichtung  in  einer  Reihe  von  Stufen  (Generationen) 
aus  obigen  sieben  hervorgegangen,  einige  auch  direet  aus 
Wasserstoff,  und  ordnet  sie  danach  in  ein  Sj'stem,  über 
welches  er  selbst  bereits  das  Wesentliche  in  dieser 
Wochenschrift  (VI,  No.  .52  und  VII,  No.  1—3)  veröffent- 
licht hat.  Die  so  gefundenen  Gruppen  sind  naturgemäss 
ganz  dieselben  wie  die  des  periodischen  Systems,  alle 
angeführten   Belege,    welche   die  Richtigkeit  der  Einord- 


*)  Compt.   rend.    115,1074  u.  11G.431  u.  69Ö;   D.  Cliem.  Ges. 
Ber.  26,  Ref.  137,  356,  347. 

**)  Bull,   de   l'Acad.  Roy.   de   Belgique    18i)3,    83;    D.   Cliein. 
Ges.  Ber.  2G,  Hof.  358. 

***)  Das  genetische  Svsti'Ui  der  chemischen  Elemente.    Bi'vlin, 
R.   Fi-iedländei-  &  Sohn   1893.  —   Preis  4  M. 


294 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  29 


nung  beweisen  sollen,  sind  für  dieses  neue  Bekräftigungen. 
Die  über  das  periodische  System  hinausgehende  Hypo- 
these, dass  die  einzelnen  Glieder  der  Gruppen  die  ver- 
schiedenen Verdichtungszustände  des  Grundelenicnts  dar- 
stellen, könnte  nur,  wie  s.  Zt.  A.  W.  von  Hofniann  nach 
dem  Vortrage  Preyer's  in  der  chemisclien  Gesellschaft  mit 
Recht  hervorhob,  durch  das  Experiment,  durch  die  Dar- 
stellung eines  dieser  Elemente  aus  einem  weniger  ver- 
dicliteten  derselben  Gruppe  oder  umgekehrt,  bewiesen 
werden.  Bis  dahin  bleibt  Preyer's  Genetisches  System 
eine  mit  sehr  schätzeiiswcrther  Zusammenstclhing  des  Jla- 
terials  und  mit  einigen  interessanten  arithmetischen  Zu- 
thaten  versehene  Parajjhrase  des  Mendelejew'schen  perio- 
dischen Systems.  Die  Abweichungen  der  Atonigewichts- 
zahlen  (bezogen  auf  Wasserstoff  =  1)  von  ganzen  Zahleu 
bleiben  unerklärt,  das  zu  erwartende  Verhältniss,  dass  die 
Atomgewichte  der  einzelnen  Gruppenglieder  ganze  Viel- 
fache des  Anfangsgliedes  seien,  tritt  nur  in  wenigen  Fällen, 
wenigstens  annähernd,  ein. 

Dagegen  hat  Herr  Dr.  Eduard  Mensel  in  Liegnitz, 
wenigstens  seiner  eigenen  Ansicht  nach,  deuStein  der  Weisen 
gefunden.  Der  Monismus  der  chemischen  Elemente*)  be- 
titelt sieh  die  kleine  Schrift,  deren  einer  Abschnitt  in  ge- 
sperrtem Druck  die  folgende  Ankündigung  bringt: 
„Der  nachstehende  Absclmitt  bietet  der  Cliemie  das,  was 
seiner  Zeit  Newton  der  Astronomie  durch  sein  Gravitations- 
gesetz gab;  erst  durch  die  hier  vorzutragenden  Berech- 
nungen erhält  die  Thermochemie  den  Adelsbrief  der 
Wissenschaft."  Sehen  wir,  auf  welche  Denkerarbeit  diese 
kühne  Aeusserung  sich  stützt. 

Es  gehört  gerade  kein  grosses  rechnerisches  Talent 
dazu,  herauszufinden,  dass  jede  ganze  Zahl,  welche  grösser 
ist  als  sieben,  sich  in  zwei  Theile  zerlegen  lässt,  die  Viel- 
fache von  3  respective  4  darstellen  [z.  B.  87  =  15(4) 
+  9(3)].  Die  Atonigewichtszahleu  weichen  meist  nur  um 
einige  Hundertstel ,  erst  oberhalb  50  um  Zehntel  von 
ganzen  Zahlen  ab.  Ninnnt  man  also  statt  der  Theil- 
zahlen  3  und  4  solche,  die  um  Hundertstel  grösser  oder 
kleiner  sind,  so  müssen  diese  Differenzen  einigermaassen 
ausgeglichen  werden.  Meusel  nimmt  als  solche  Theil- 
zahleu  3.99  und  3.02  und  es  ist,  wie  gesagt,  natürlich, 
dass  er  mit  Hilfe  dieser  annähernd,  in  einigen  wenigen 
Fällen  sogar  genau,  die  wirklichen  Atomgewichtszablen 
combiuiren  kann.  Wo  die  Combination  aber  gleich  zu 
Beginn  ein  nicht  genehmes  Resultat  ergeben  konnte,  stellt 
sich  wohl  auch  zur  rechten  Zeit  ein  Rechenfehler  ein. 
So  berechnet  er  gleich  in  einer  der  sieben  als  Grundlage 
seines  Systems  geltenden  Gleichungen  für  das  Element 
Bor  das  Atomgewicht  10,9  =  2(3.99)  +  3.02,  während 
diese  Summe  nach  Adam  Riese  11.00  ergiebt,  also  eine 
Differenz  von  0.1  gegen  die  gesuchte  Zahl.**)  lu  dem 
einzigen  Falle,  wo  das  Atomgewicht  bei  einem  Werth  von 
weniger  als  50  um  mehrere  Zehntel  von  einer  ganzen 
Zahl  abweicht,  nämlich  bei  Chlor  =  35.37,  vermag  auch 
die  Combination  des  Herrn  iMeusel  diese  Differenz  nur 
um  0.05  zu  verringern,  so  dass  eine  Abweichung  von 
nicht  weniger  als  0.32  unaufgeklärt  bleibt.  Eine  eben 
so  grosse  Differenz  bleibt  beim  Antimon  (Atomgew.  119.6), 
beim  Brom  (A.  6.  79.76)  und  beim  Jod  (A.  G.  126.54), 
bei  anderen,  wie  bei  Eisen,  Zink,  Calcium  ist  die  Diffe- 
renz sogar  grösser  als  die  Abweichung  von  der  ganzen  Zahl. 


*)  Liegnitz.     Verlag  von  Ewald  Scholz.     1803. 
**)  In  der  spateren  Zusammenstellung  findet  sich  die  richtige 
Zahl,  so  dass  möglicherweise  nur  ein,  an  solcher  Stelle  jedenfalls 


Diese  so  problematischen  Theilgrössen  3.99  und  3.02 
geben  nun  Meusel  die  Grundlage  seines  Systems.  Die 
Hundertstel  zu  motiviren,  bedarf  es  natürlich  eines  Ur- 
stoffs,  des  Protogens,  von  welchem  genau  100  Atome  zu 
einem  Wasserstoffatom  vereinigt  sein  müssen;  zu  diesem 
Zwecke  denkt  er  sich  je  4  Protogeuatome  zu  einem  Te- 
traeder vereinigt  und  je  33  solcher  Tetraeder  derart  an 
die  Peripherie  eines  Halbkreises  gelagert,  dass  je  zwei 
Tetraeder  ein  Protogenatom  gemeinsam  haben;  eine  zier- 
liche Zeichnung  stellt  uns  die  resultirende  Haarsjjange  als 
AVasserstoffatom  vor. 

Aus  solchen  Wasserstoffatomen  baut  Meusel  unter 
willkürlichster  Wegnahme  oder  HinzufUgung  von  Protogen- 
atomen sein  Trigen  (3.02)  und  Tetragen  (3.99)  auf.  Um 
nachher  mit  seinem  Versuch,  aus  dem  Atomvolum  der 
Elemente  die  Existenz  dieser  fragwürdigen  Gebilde  zu 
erweisen,  nicht  in  den  Sumpf  zu  gerathen,  führt  er  für 
beide  eine  grosse  und  eine  kleine  Modification  ein.  Da 
aber  auch  hierdurch  noch  nicht  allen  Anforderungen  ge- 
nügt wird,  so  sollen  bei  den  Schwermetallen  und  anderen 
Elementen  die  Tetraeder  der  Urmaterie  nicht  mehr  von 
4  oder  3,  sondern  von  mehr  Atomen  gebildet  werden. 
Wie  sich  der  Verfasser  eine  derartige  Anordnung  vorstellt, 
ist  aus  seinen  Ausführungen   in   keiner  Weise   ersichtlich. 

Hei  der  Annahme  einer  solchen  Anzahl  verschieden- 
artiger Componenten,  für  die  immer  besondere  Volum- 
und  Wärmetönungsverhältnisse  berechnet  werden,  und 
Itei  Einführung  noch  einiger  Correcturen  lässt  sich  natür- 
licli  auch  für  Atomvolumen,  Verbrennungswärme  u.  s.  w. 
eine  annähernde  Uebereinstimmung  mit  den  experimentell 
gefundenen  Zahlen  herbeiführen.  Dass  dabei  immerhin 
noch  Differenzen  bis  zu  10  7o  vorkommen,  kann  die  an 
und  für  sich  geringe  Beweiskraft  dieser  Uebereinstimmungen 
allerdings  nicht  fördern.  Hat  man  sich  mit  etwas  mehr 
Aufmerksamkeit,  als  die  Abhandlung  eigentlich  verdient, 
durch  dasselbe  hindurchgearbeitet,  so  hinterbleibt  der 
Eindruck,  dass  man  es  mit  einer  Tüftelei  zu  thun  hat,  an 
welcher  das  Gute  alt  und  das  Neue  nicht  gut  ist. 

Ich  habe  diesen  litterarischeu  Erscheinungen  einige 
Worte,  die  bei  dem  geringen  Ergebniss  vielleicht  zu  aus- 
führlich scheinen  möchten,  gewidmet,  um  zu  zeigen,  dass 
die  grossen  Gesichtspunkte  der  Naturforschung  nach  wie 
vor  das  Denken  von  Fachmännern  beherrschen.  Die  Ein- 
heit der  Materie  darzuthun,  ist  zweifellos  eins  der  wesent- 
lichsten Probleme,  aber  dazu  fehlt  es,  wie  gerade  diese 
Versuche  aufs  Neue  zeigen,  immer  noch  an  genügendem 
Material.  Wer  freilich  schon  alle  Räthsel  gelöst  zu  hab.en 
glaubt,  wie  Herr  Meusel,  der  mag  verächtlich  herabsehen 
auf  den,  „der  chemische  Niederschläge  oder  Farbeu- 
reactionen  erzeugt,  der  irgend  eine  chemische  Verbindung 
künstlich  herstellt";  Andere  aber  können  nur  in  dieser 
stillen  Arbeit,  wenn  richtig  geleitet,  die  Quelle  sehen,  aus 
welcher  einst  der  Strom  des  Wissens  stark  genug  hervor- 
quellen kann,  um  das  Schifflein  der  Philosophie  zur  rich- 
tigen Erkenntniss  des  Natur-Ganzen  zu  tragen.  Merk- 
würdig ist  es,  dass  in  allen  Betrachtungen  über  den  Auf- 
bau der  Elemente  die  Spectralanalyse  unberücksichtigt 
bleibt.  Sollte  sie,  die  zur  Auffindung  vou  Elementen  ge- 
führt hat,  nicht  auch  zur  Aufklärung  ihrer  Natur  beitragen 
können?  Ist  doch  allein  durch  sie,  wenigstens  in  gewissem 
Sinne,  eine  Zerlegung  auch  der  einfachen  Elemente,  inso- 
fern als  ihnen  eine  Anzahl  verschiedener  Linien  im  Spectrum 
zukommen,  möglich.  Vielleicht  kann  hier  eine  syste- 
matische Erforschung  und  Vergleichung  der  Spectren  zu 
einheitlichen  Gesichtspunkten  führen.       Dr.  L.  Spiegel. 


I 


Nr.  29. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


295 


Geburten  und  Eheschliessungen  in  Venezuela  im 
Jahre  1892.  —  Die  folgenden  statistischen  Daten  be- 
ziehen sich  nur  auf  die  beiden  Staaten  Zulia  und  Miranda 
der  „Vereinigten  Staaten  von  Venezuela"  und  sind  dem 
vom  Ministerium  der  öffentlichen  Arbeiten,  der  Boden- 
kultur und  des  Unten-ichts  herausgegebenen  „Boletin  de 
la  Kiqueza  Publica  de  los  Estados  ünidos  de  Venezuela" 
(3.  Jahrg.,  4.  Bd.;  Caracas  31.  März  1893)  entnommen. 
Der  Staat  Zulia  umfasst  die  Gebiete  am  West-  und  Siid- 
ufer  des  Meerbusens  von  Maracaibo.  Miranda  hatte 
während   des    letzten  Bürgerkrieges  viel  zu  leiden. 


Staat:  Zulia. 

Geborene 


Ins 


Ehe- 


Bezirk                Ehelieho  Uneheliche             ge-  sclilics- 

Knaben  Mädchen  Knaben  Mädchen  sammt  sangen 

Maracaibo  .  447         393  496         470  1806  149 

Urdaneta  .  108         113  64          77        362  34 

Perijä     .  .     57          61  67          76        261  24 

Cokin      .  .    43          45  80          96        264  8 

Sucre      .  .     92          70  82          94        338  14 

Bolivar   .  .     43          31  105          99        278  18 

Miranda.  .     83           74  59           78         294  48 

Mara      .  .     49          32  58          58         197  28 


Total:  922 


819 


1011   1048   3800   323 


Bezii-k 


Staat:  Miranda. 
Geborene 


lus- 


Ehe- 


Eheliche  Uneheliche  ge-  schlifs- 

Kuaben  Mädchen  Knaben  Mädclien  sammt  sungnn 

Sucre      .     .  145        141  247        221  754  8 

Paz  Castillo     60          53  157         128  398  2 

Vargas   .     .128        224  190        187  729  64 

Päez  ...     48          37  124         179  388  5 

Cüa    ...     42          25          87          69  223  2 

Lander  .     .     27           17           57           48  149  1 

Guaicaipuro     86          75  104        124  389  8 

Acevedo      .9          18           15          20  57  — 


Total:  545 


981 


976      3087 


90 


Es  waren  demnach 
in  Zulia       von  3800  Kindern  1741  ehelich,  2059  unehelich; 
-  Miranda     -    3087         -        1130        -        1957  -        ; 

für  beide  Staaten  also  unter  6887  Geljorenen  4016  un- 
ehelich, d.  h.  58,3  7o-  Nach  dem  „Statistischen  Jahrbuche 
für  das  Deutsche  Reich"  für  1893  waren  im  Königreiche 
Preussen  im  Jahre  1891  von  1  177  380  Geborenen  90183 
unehelich,  d.  h.  7,66  ^'/^,.  Den  höchsten  Procentsatz  un- 
ehelicher Geburten  wies  Bayern  mit  14,09  %  auf. 


Uebertragung  der  Aplithen-Seuclie  durcli  den  Oe- 
nuss  von  Süssralimbutter.  —  Während  es  längst  bekannt 
ist,  dass-  die  Aphthen-Seuche  (Maul-  und  Klauen-Seuche) 
der  Rinder  durch  den  Genuss  roher,  ungekochter  Milch 
sehr  leicht  auf  den  Menschen  übertragen  werden  kann, 
sind  Ansteckungen  durch  den  Genuss  von  Butter  und 
Käse  so  selten,  dass  viele  Aerzte  die  Möglichkeit  der 
Uebertragung  auf  diesem  Wege  überhaupt  geleugnet 
haben.  Unterstützt  wurde  diese  Meinung  noch  durch  die 
Thatsache,  dass  Versuchsthiere,  denen  mau  Butter  und 
Käse  (hergestellt  aus  der  Milch  an  Aphthen-Seuche  er- 
krankter Kühe)  verabreicht  hatte,  vollkommen  gesund 
blieben.  Dementsprechend  verbieten  auch  die  einschlägigen 
gesetzlicheu  Vorschriften  nur  das  Weggeben  der  rohen, 
ungekochten  Milch  (der  an  Maul-  und  Klauen-Seuche  er- 
krankten Kühe)  zum  menschlichen  Genuss,  während  der 
Verkauf  der  aus  der  rohen  Milch  gewonnenen  Producte 
keiner  Beschränkung  unterliegt. 


Wie  nun  Kreisthierarzt  Lorenz  (Kempen)  in  Heft  9 
der  „Zeitschr.  für  Fleisch-  und  Miich-Hj'giene"  mittheilt, 
erkrankte  ein  Geistlicher,  dessen  Kühe  von  Aphthen-Seuche 
befallen  waren,  nach  dem  Genuss  von  Butter,  welche  aus 
süsser  Sahne  bereitet  war.  Die  Krankheit  äusserte  sich 
in  leichten  Schüttelfrösten,  Durchfall  und  Hautjucken  an 
den  beiden  ersten  Tagen,  Sdwie  am  dritten  Tage  im  Auf- 
treten zahlreicher  Bläschen  im  Munde,  im  Gesicht,  am 
Halse,  auf  der  l>rust  und  auf  den  .\rmen.  In  10  Tagen 
war  das  Exanthem  geheilt. 

Dieser  Fall  beweist  unwiderleglich,  dass  die  zur  Zeit 
bestehenden  gesetzlicheu  Bestimmungen  über  den  Verkauf 
der  Milch  erkrankter  Kühe  einer  Ergänzung  bedürfen. 
Zum  Schutz  der  mcn.schlichen  Gesundheit  gegen  Ueber- 
tragung der  Aphthen-Seuche  durch  Molkerei-Producte  ist 
die  Vorschrift  uncrlässlich,  dass  die  Milch  der  an  obiger 
Krankheit  leidenden  Kühe  nur  nach  vorhergegangener 
ausreichender  Erhitzung  verarbeitet  werden  darf.        R.  M. 


Die  Eiche  als  Käfer-Wolmung.  —  In  wie  zahl- 
reichen Arten  die  verschiedensten  Kerfe  gerade  unsere 
Eichen  bewohnen,  das  ist  namentlich  von  den  Gallwespen 
bekannt.  Ein  Beitrag,  der  die  Käfer,  die  in  einer 
morschen  Eiche  hausten,  betrifft,  liefert  A.  Fleischer 
in  der  „Wiener  entomol.  Zeitung",  11.  J.  S.  206.  Der 
Stamm,  der  \ielfach  von  Borkenkäfern  zerstört  und  in 
seinem  unteren  Theile  von  Ameisen  bewnhnt  war,  wurde 
von  ihm  ausgesiebt,    und  er   fand  in  ihm  nicht   weniger 


als  53  Käferarten  auf  diese  Weise. 


C.  M. 


Ueber  die  vermeintlichen  Mikrosporangien  und 
Mikrospuren  der  Torfmoose  äussert  sich  S.  Na w asciiin 
in  einer  Arbeit  über  die  Brandkrankheit  der  Torfmoose 
i;Bull.  d.  l'Akad.  imper.  des  sc.  de  St.  Petersbourg  T.  XIII.) 

Seit  dem  Erscheinen  der  Monographie  Schimper's 
über  die  Torfmoose  ist  es  bekannt,  dass  in  dem  Sporen- 
sacke der  Sphagnumkapsel  ausser  deu  normalen 
tetraedrischen  zuweilen  auch  viel  kleinere  polyedrische 
Sporen  sich  entwickeln.  Nach  Schimper's  Angabe  sind 
diese  polyijdrischen  Sporen  ein  Product  der  weiteren  Thei- 
lungen  der  normalen  Sporenmutterzelleu;  anstatt  uämlich 
die  gewöhnlichen  Sporen -Tetradcu  durch  Viertheilung 
zu  erzeugen,  theilt  sich,  nach  ihm,  jede  Sporcnmutterzelle 
in  sechzehn  kleinere  Polyeder,  die  Sechzehnflächner  sein 
sollen.  Das  Schicksal  dieser  „jiolyedrischen"  Sporen  ist 
unbekannt  geblieben  (bleibt  auch  unbekannt  bis  heut  zu 
Tage),  da,  in  allen  von  Schimper  angestellten  Aussaat- 
versuchen, diese  Sporen  als  unkeimfähig  sich  erwiesen 
haben.  Schimper  hat  ausserdem  nachgewiesen,  dass  diese 
kleineren  Sporen  zuweilen  neben  den  tetrai'drischen  in 
derselben  Kapsel  erzeugt  werden;  während  solche  Kapseln 
beinahe  von  dersellten  Dimension  sind,  wie  normale,  nur 
tetraedrische  Sporen  enthaltende,  erscheinen  die  mit  den 
kleineren,  „polyedrischen"  Sporen  allein  erfüllten  Kapseln 
viel  kleiner,  wie  verkümmert.  Solche  kleinere  Sphagnum- 
kapseln  wurden  von  einigen  liotanikern  Mikrosporangien 
genannt,  und  die  kleineren,  „polyedrischen"  Sporen  zu- 
gleich als  den  Mikrospuren  der  höheren  Ivryptogamen 
homologe  Gebilde  angesehen.  Die  Fähigkeit,  sich  ver- 
mittelst zweierlei  Arten  von  Sporen  zu  vermehren,  ist  von 
Schimper  sogar  als  ein  Merkmal  der  Ordnung  Sphagnaceae 
hervorgehoben  worden,  was  er  in  folgenden  Worten  kurz 
zusammenfasst :  „sporae  dimorphae,  majores  depresso- 
tetraedrae,  minores  polyedrae".     (Monogr.,  S.  9.) 

Später  jedoch  wurde  diese  Ansicht  Schimper's,  als 
auch  überhaupt  die  Existenz  dieser  Gebilde  seitens  mehrerer 
Botaniker  vielfach  geleugnet,  denn,  erstens,  gicbt  es  ja 
keinen  analogen  Fall   bei  den  übrigen  Moosen,    die,  wie 


296 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  29. 


bekannt,  alle  ohne  Ausnahme,  nur  Sporen  von  einerlei 
Art  erzeugen,  und  zweitens,  weil  die  Erzeugung  der  klei- 
neren Sporen  in  den  Sphagnumkapseln  überhaupt  keine 
häutige,  vielmehr  eine  anomale  Erscheinung  ist. 

Hinsichtlich  der  Natur  der  fraglichen  Sporen  spricht 
Goebel  in  seinen  „Muscineen"  die  Vermuthung  aus,  dass 
„diese  räthselhaften  Bildungen"  vielmehr  ein  durch  die 
Thätigkeit  eines  unbekannten  Pilzes  hervorgebrachtes  De- 
formationsproduct  der  normalen  Sporen  seien.  Der  deutsche 
Hepaticolog  Stephani,  der  ähnliche  kleinere  Sporen,  welche 
unzweifelhaft  einem  Pilze  gehörten,  in  der  Kapsel  von 
Anthoceros  einmal  beobachtete,  deutet  die  von  ihm  übrigens 
nicht  untersuchten  Mikrosporen  von  Sphagnum  als  Sporen 
eines  Schmarotzers.  Warnstorf  hingegen  erklärt  diese  Ge- 
bilde für  echte  Mikrosporen,  welche  männliche  Sphagnum- 
ptlanzen  erzeugen,  weil  sie,  seinen  Beobaclitungen  nach, 
nur  bei  zweihäusigen  Sphagnumartcn  vorkommen  sollen. 
Diese  Angabe  Warnstorf's  ist  N.  genöthigt  schon  deshalb 
als  unrichtig  zu  erklären,  weil  er  die  „Mikrosporen"  bei 
einem  einhäusigen  Sphagnum,  nämlich  bei  Sph.  squarrosum 
gefunden  hat. 

Um  die  Frage  über  die  wahre  Natur  der  Schimper- 
schen  „Polyeder"  bestimmt  zu  beantworten,  musste  deren 
Entwickeluug  aufgeklärt  werden.  Eine  der  gestellten 
Forderung  entsprechende  Untersuchung  hat  N.  schon  im 
Jahre  18Ö0  ausgeführt,  indem  er  die  Entwickelung  der 
polyedrischeu  Sporen,  die  er  als  unzweifelhafte  Pilzsporen 
sofort  erkannte,  von  ihrer  Anlage  an  bis  zur  Reife  ver- 
folgte. 

lieber  die  Assiinilatioii  des  freien  Stickstoffs  bei 
den  Pfiaiizeu  in  ilirer  Abhängigkeit  von  Species,  von 
Eruälirungsverliältuissen    und     von    Bodenarten.    — 

Im  Anschluss  an  meine  früheren  Mittheilungen  über 
die  Stickstoff  -  Ernährung  der  Pflanzen  (vergl.  „Natur- 
wissenschaftliche Wochenschr."  Bd.  VI  S.  59,  205  u.  s.  w. 
und  Bd.  VII  S.  103  u.  515),  besonders  aber  als  weitere 
Ausführung  und  Ergänzung  zu  dem  vor  einiger  Zeit  von 
mir  gebrachten  Eeferate:  „In  wieweit  ist  der  freie  Luft- 
stickstoft'  für  die  Ernährung  der  Pflanzen  verwerthbar?" 
(vergl.  „Naturw.  Wochenschr."  Bd.  VII  S.  108),  erscheint 
es  mir  angemessen,  in  gedrängter  Kürze  die  neueren 
Resultate*)  hier  wiederzugeben,  welche  Professor  Dr. 
A.  B.  Frank  bei  seinen  weiteren  Untersuchungen  über 
die  Ernährung  der  Pflanzen  mit  Stickstoff  erhalten  hat.'-*) 

Diese  auf  Grund  der  sehr  eingehenden  Versuche, 
welche  zum  Theil  schon  früher,  hauptsächlich  jedoch  aber 
in  den  Jahren  1890 — 92  im  pflanzenpiiysiologischen  In- 
stitut der  Königl.  Laudwirthschaftlichen  Hochschule  zu 
Berlin  angestellt  sind,  erhaltenen  Ergebnisse  des  genannten 
Forschers  sind  nach  meiner  Ansicht  nicht  allein  für  die 
Pflanzenphysiologie  und  den  Ackerbau  von  sehr  grosser 
Wiclitigkeit,  sondern  sie  dürften  vielleicht  auch  ein  allge- 
meineres Interesse  beanspruchen.  — 

Zunächst  hat  man  nach  den  sehr  treffenden  Aus- 
führungen Frank' s  in  der  oben  citirten  Abhandlung  streng 
zwischen  den  Begriffen  „Stickstoffanreicherung  oder  Stick- 
stofl'sammlung  durch  die  Pflanzen  im  Sinne  der  Land- 
wirthschaft"  und  „Assimilation  von  Stickstoff'  aus  der  Luft 
im  pflanzenphysiologischen  Sinne"  zu  unterscheiden.  Denn 
der  pflanzenphysiologische  Begriff  Assimilation  von  Stick- 
stort'  aus  der  Luft  ist  keineswegs  immer  gleichbedeutend 
mit    dem,    was    in    der    Landwirthschaft    als   Stickstofi"- 


')  Bezüglich  aller  Einzelheiten  sei  auf  die  €)rig;in<al-Abhand- 
lung  von  Frank  in  den  Landwirthschaftlicheu  Jahrbüchern  1892 
Bd.  XXI  S.  1  —  44  verwiesen;  dgl.  Deutsche  Landw.  Presse  1893 
Seite  133. 

**)  Vergl.  auch  den  Original-Ai-tikel  des  Herrn  Prof.  Frank 
in  der  „Naturw.  Wochenschr."  Bd.  II  S.  3. 


anreicherung  oder  Stickstoffsammlung  durch  die  Pflanzen 
bezeichnet  wird. 

Nach  den  bis  jetzt  uns  vorliegenden  Kenntnissen  über 
die  Stickstoff- Ernährung  der  Pflanzen  werden  nämlich  die 
beiden  generell  verschiedenen  Stickstofifqucllen,  welche  den 
Pflanzen  zu  Gebote  stehen:  erstens  die  StickstoftVerbin- 
dungen,  welche  im  Ackerboden  vorhanden  oder  durch 
Düngung  dahin  gebracht  sind,  zweitens  der  in  der  Luft 
vorhandene  Stickstoff",  von  den  verschiedenen  Pflanzenarten 
keineswegs  in  gleichem  Maasse  ausgenützt. 

Man  kennt  bereits  einerseits  Pflanzen,  welche  die 
Stickstoflfvcrbindungen,  vorzüglich  die  der  Salpetersäure, 
in  sehr  ausgedehntem  Maasse  verwenden  und  diese  Ver- 
bindung mit  grosser  Begierde  dem  Boden  entziehen,  dahin- 
gegen von  dem  Luftstickstoff'  vielleicht  nur  wenig  ver- 
arbeiten. Hierher  gehören  besonders  die  sog.  Salpeter- 
pflanzen. Andererseits  sind  Pflanzen  bekannt,  bei  denen 
der  atmosphärische  Stickstoff'  den  grössten  Theil  des  ganzen 
Stickstoff'bedarfes  der  Pflanze  liefert  und  die  Salpetersäure 
des  Erdbodens  nur  in  beschränktem  Maasse  verwendet 
wird,  ja  völlig  entbehrlich  ist,  wie  dies  z.  B.  sehr  deut- 
lich ])ei  der  gelben  Lupine  (Lupinus  Intens)  der  Fall  ist. 

Als  stickstoff'sammelnd  im  landwirthscliaftlichen  Sinne 
sind  nun  solche  Pflanzen  zu  betrachten,  welche  aus 
der  Luft  soviel  Stickstoff  assimilireu,  dass  nach  der 
Ernte  in  den  von  der  Pflanze  im  Boden  zurückge- 
lassenen Wurzeln,  Stoppeln  und  Abfällen  mehr  Stick- 
stoff enthalten  ist,  als  der  Boden  während  der  Vegetations- 
zeit Stickstoff'  in  Form  von  Salpetersäure  zur  Ernährung 
an  die  Pflanzen  abgegeben  und  in  anderer  Weise  durch 
chemische  Processe  direct  verloren  hat.  In  diesem  Falle 
ist  also  die  Stickstoff'erwerbuug  der  Pflanze  aus  der  Luft 
so  gross,  dass  sie  nicht  nur  den  gesannntcn  Erntestickstoff 
liefert,  sondern  noch  einen  Ueberschuss,  durch  welchen 
der  Ackerboden  im  Stickstoff'gehalte  verbessert  wird.  Land- 
wirthschaftlich  werden  daher  in  dieser  Beziehung  gerade 
diejenigen  Pflanzen  die  erste  Stelle  einnehmen,  welciie  im 
physiologischen  Sinne  das  eine  Extrem  bilden,  d.  h.  unter 
Verzicht  auf  den  Bodenstickstoft"  ihren  ganzen  Bedarf  ans 
der  Luft  decken. 

Hierzu  im  (iegensatze  stehen  auf  der  anderen  Seite 
im  landwirthschaftlichen  Sinne  die  sog.  Stickstoff'zehrer, 
welche  sich  auch  wieder  mit  dem  physiologisch  anderen 
Extrem  decken,  wo  die  Stickstoff'assimilation  aus  der  Luft 
eine  sehr  minimale  oder  gleich  Null  ist.  Die  Pflanze  ent- 
lehnt in  diesem  Falle  den  überwiegenden  oder  vollen 
Stickstoff'bedarf  dem  Boden  und  hinterlässt  diesen  also 
ärmer  an  Stickstoff  nach  der  Ernte. 

Nun  ist  jedoch  eine  wirkliche  Eintheilnng  der  Pflanzen 
in  diese  beiden  Kategorien,  in  stickstoff'sanmiclnde  und 
stickstoffverzehrendc,  wobei  die  Pflanzen  sämmtlieh  ent- 
weder der  einen  oder  der  anderen  Klasse  zugetheilt  werden 
niüssten,  schon  aus  dem  Grunde  nicht  zu  machen,  da  that- 
sächlich  der  Fall  eintreten  kann,  dass  eine  Pflanze  neben 
atmosphärischem  Stickstoff'  auch  Bodenstickstoff'  verbraucht 
und  in  ilu'en  Ernterüekständen  gerade  soviel  Stickstoff'  im 
Boden  zurücklässt,  als  sie  während  ihrer  Entwickelung 
dem  letzteren  entzogen  hatte.  Bei  der  Cultur  dieser  Pflanze 
wird  sich  dann  ein  Gleichbleiben  des  Stickstoff'es  im  Boden 
zeigen;  die  Pflanze  selbst  aber  könnte  landwirtliscliaftlich 
nicht  mehr  als  stickstott'anreichernd  bezeichnet  werden, 
während  sie  physiologisch  als  stickstoff'assimilirend  gelten 
muss.  Die  landwirthschaftliche  Bezeichnung  stickstotf- 
sammelnd  und  stickstoff'zehrend  giebt  also  nichts  weiter 
an  als  die  Bilanz  zwischen  der  vor  und  nach  der  Cultur 
einer  Pflanze  im  Boden  vorhandenen  Stickstoft'menge,  die, 
von  verschiedenen  Factoren  abhängig,  über  die  Thätig- 
keit der  Pflanze  selbst  aber  noch  keinen  Aufschluss 
geben  kann. 


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Naturwissenschaftliche  Wociienschrift. 


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Nun  kommt  aber  ausser  der  Frage,  ob  Stickstoft'- 
sammlung'  oder  Stickstort'zehrung,  landwirtlischaftlich  auch 
uocli  die  Stickstoft'production  der  Pflanze  in  Betracht,  wie 
sie  sich  in  den  Ernteproducten  aussjiriciit.  Eine  grosse 
Stickstoti'productidn  ist  sowold  bei  Stickstotl'sammlern  wie 
bei  .Stickstotit'zclH'ern,  also  sowohl  bei  vorwiegender  Er- 
werbung von  Stiekstott'  aus  der  Luft  wie  aus  dem  Boden, 
möglich. 

Aus  diesen  Ausführungen  ergiebt  sich  also  wohl  deut- 
lich, dass  die  Stickstoflassiniilation  im  physiologischen 
Sinne  sich  nicht  ohne  \\'eitcres  mit  der  landwirtiiseiiaft- 
lichen  Charakteristik  deckt,  sondern  nur  einen  der  Factoren 
darstellt,  welcher  mit  den  anderen  Factoren,  auf  welche 
die  Statik  des  Ackerbaues  ebenfalls  Rücksicht  zu  nehmen 
hat,  vereinigt  werden  muss,  um  ein  vollständiges  Gesammt- 
bild  der  Pflanze  bezüglich  ihrer  Stickstotfökononiie  zu 
erhalten. 

Die  im  Nachfolgenden  angeführten  Versuche  und  Er- 
gebnisse behandeln  daher  in  dem  S(iel)en  dcflnirten  physio- 
logischen Sinne  auch  nur  den  einen  bei  der  Stickstoff- 
ökonomie der  Pflanzen  betheiligten  Factor,  die  Assimilati(m 
von  Stickstoff  aus  der  Luft,  auf  Grund  der  Versuche,  die 
Frank  in  den  letzten  Jahren  über  diese  Frage  ange- 
stellt hat.  — 

In  dei'  erwähnten  Abhandlung  werden  nunmehr  die 
Versuche  sehr  eingeliend  besein-iebeu,  welche  sich  auf  die 
Abhängigkeit  von  Species,  und  zwar  sowohl  bei  den 
Kryptogamen  als  auch  bei  den  Pbanerogamen  be- 
ziehen. 

Wir  k('innen  hier  leider  aus  Mangel  an  Raum  auf 
diese,  sowie  auf  die  folgenden  hochinteressanten  Unter- 
suchungen im  Einzelnen  nicht  näher  eingehen  und  müssen 
zu  diesem  Zwecke  auf  das  Original  verweisen. 

Sodann  folgen  in  gleicher  Ausführlichkeit  die  Unter- 
suchungen über  die  A  bhängigkeit  von  Ernährungs- 
bedingungen und  schliesslich  diejenigen  über  die  Ab- 
hängigkeit von  Bodenarten. 

iki  den  letzteren  Versuchen  mit  Erbse  (Pisum  sativum) 
und  Klee  (Trifolium  pratense)  im  Moorboden  handelte  es 
sich  unter  Anderem  hauptsächlich  um  die  Beantwortung 
der  Fragen,  1)  ob  der  Symbiosepilz  der  Leguminosen  im 
Moor  schon  von  vornherein  vorhanden  ist,  und  2)  ob  durch 
eine  geeignete  Bodenimpfung  und  durch  die  dadurch  be- 
wirkte Einführung  von  Keimen  des  Leguminosenpilzes  der 
Ertrag  der  Leguminosen  auf  dem  Moorboden  noch  ge- 
steigert werden  kann.  Die  Versuche  ergaben  nun  folgen- 
des: In  den  ersten  Wochen  entwickelten  sich  die  Erbsen 
in  diesen  Cultaren  keineswegs  l)esonders,  sie  zeigten  ein 
sehr  langsames  Wachsthum  und  eine  ziendieh  gelligrüne 
Färbung,  einige  derselben  gingen  sogar  zu  Grunde.  Später 
jedocii  besserte  sich  der  Zustand  ganz  auffallend,  indem 
das  Wachsen  viel  lebhafter  wurde,  die  Farbe  sich  in  ein 
tieferes  Grün  verwandelte  und  Blütheu  und  Früchte  zur 
Entwickeluug  kamen.  Nach  Frank's  Meinung  steht  dieses 
sehr  wahrscheinlich  nut  der  erst  spät  erfolgten  Infection 
und  dem  Zustandekommen  der  Syndjiose  im  Zusanmien- 
hange.^^ 

Wie  aus  den  Versuchen  hervorgeht,  ist  für  die  Erbse 
augenscheinlich  der  Hochnioorboden  keine  besonders  gün- 
stige Bedingung,  wenigstens  im  Vergleich  zum  Humus- 
boden. Nichtsdestoweniger  war  al)er  doch  eine  deutliche 
Ertragssteigerung  zu  bemerken,  wenn  diese  Pflanze  auf 
dem  Moorboden  zugleich  mit  gewöhnlicher  Ackererde  ge- 
impft wurde.  Besonders  interessant  war  aber,  dass  Wurzel- 
knöUehen,  also  Symbiose  mit  dem  Pthizobium,  nicht  bloss 
nach  Anwendung  von  Impferde,  sondern  auch  spontan  in 
der  reinen  Moorerde,  welche  keine  absichtliche  Ver- 
mengung mit  fremdem  Boden  erhalten  hatte,  gefunden 
wurden.     Hiernach  müssten  die  Keime  des  Leguminoscu- 


pilzes  auch  in  dem  natürlichen  Hochmoor  vorhanden  sein, 
oder  man  muss  annehmen,  dass  dieselben  in  der  Luft  so 
verbreitet  sind,  dass  eine  Infection  der  Leguminosen  durch 
den  Boden  gar  nicht  stattzuflnden  braucht,  sondern  dass 
eine  solche  schon  durch  die  Luft  stattfinden  könne. 

Im  Anscbluss  hii'ran  sei  noch  erwähnt,  dass  Frank 
bei  der  Uutersuciiung  von  Weisskleepflanzen,  welche  auf 
einem  Hochmoor  bei  Georgsdorf  gewachsen  waren,  das 
noch  nie,  wie  überhaupt  die  ganze  Gemarkung  von  Georgs- 
dorf, Inipferdc  l)ekonnnen  hatte,  ausserordentlich  zahlreich 
Wurzelknöllchen  von  ganz  normaler  Beschaffenheit  und 
mit  den  charakteristischen  Baeteroiden  erfüllt  in  der  oberen 
P)odensehieht  antraf.  Die  betreftende  Fläche  war  5  Jahre 
hintereinander  gebrannt  und  ohne  Düngung  nach  dem 
JJrande  mit  Buchweizen  besäet  worden,  seit  1889  hatte 
diese  Fläche  nur  wiederholte  Düngung  mit  Aetzkalk, 
Tiiomasschlacke,  Kainit  und  Chilisalpeter  zu  Hafer  mit 
Kleegras-Untersaat  erhalten. 

Nacii  den  Versuchen  Frank's  mit  Klee  im  Moorboden 
hat  zunächst  die  vonSalfeld*)  nachgewiesene  grosse  Klee- 
fähigkeit des  Hoehnioores  ihre  volle  Bestätigung  erfahren, 
indem  auch  die  Frank'sehen  Kleeculturen  einen  bei  Ab- 
schluss  der  Versuche  überraschend  günstigen  Stand  zeigten. 
Sodann  scheint  nacii  den  ausgeführten  Untersuchungen 
der  Ilochmoorliodcn  für  den  Rothklee  eine  weit  günstigere 
Bedingung  als  für  die  Erbse  zu  sein. 

Ferner  wurde  in  Uebereinstimmung  mit  dem  Erbsen- 
versueh  auch  auf  dem  Moorboden  bei  den  Kleepflanzeu 
das  Rhizobium,  mit  welchem  sie  dann  in  Symbiose  ge- 
treten sind,  angetroffen.  Bei  diesen  Versuchen  wäre  also 
eine  künstliche  Einführung  des  Pilzes  nicht  unbedingt 
H(")thig  gewesen,  trotzdem  war  aber  doch  die  vortheilhafte 
Wirkung  der  Impfung  mit  Ackererde,  welche  augenschein- 
lich eine   ausgiebigere  Infection   bedingte,    unverkennbar. 

Des  Weiteren  hatte  Frank  noch  ebensolche  Versuche 
in  geimpftem  und  ungeimpftem  Moorboden  mit  Bokhara- 
klee  (Melilotus  albus)  angestellt.  Dieselben  ergaljen  völlig 
analoge  Resultate  wie  der  Rothklee,  d.  h.  die  nicht  ge- 
impfte Cultur  bliel)  anfangs  bedeutend  hinter  der  geimpften 
zurück,  besserte  sieh  aller  später  allmählich  und  wurde 
so  der  geimpften  ähnlicher,  ohne  sie  jedoch  an  Dichtig- 
keit des  Pflanzenbestandes  völlig  einzuholen.  Wurzel- 
knöllclien  wurden  schlicsslieb  an  beiden  Culturen  an- 
geti-otfen.  — 

Aus  den  zahlreichen  und  sehr  eingehenden  Unter- 
suchungen ergeben  sich  nun  nach  Frank  folgende  Er- 
gebnisse; 

A.    Für  die  Pflanzenphysiologie. 

Die  Hypothese  Ilellriegers,  wonach  im  Pflanzen- 
reiche eine  Ueberfuhrung  des  elementaren  Stickstoffes  in 
Stickstoffverbindungen  einzig  und  allein  durch  denSynibiose- 
pilz  der  Leguminosen  von  Statten  gebt,  hat  sich  nicht 
bestätigt.  Die  Assimilation  des  freien  Stickstoffes  ist  viel- 
mehr eine  über  das  ganze  Pflanzenreich  und  unter  den 
verschiedensten  Pflanzenformen  verbreitete  Erscheinung. 

Dieselbe  ist  bei  den  höheren  l'flanzen  allgemein  an 
diejenige  Bedingung  geknüpft,  welche  auch  bei  anderen 
Ernäimingsthätigkeiten  so  zum  Vorschein  konnnt,  dass  die 
Pflanze  zunächst  den  schwächlichen  Jugendzustand  über- 
wunden und  sich  in  ihren  vegetativen  Organen,  besonders 
in  ihrem  Blattapparat,  gekräftigt  hat.  Je  mehr  dieses  ge- 
schieht, desto  energischer  kommt  die  Kraft,  elementaren 
Stickstoff  zu  assinnliren,  zum  Ausdruck. 

Bei  den  Nicht-Leguminosen  und  Leguminosen  herrscht 


*)  Vergl.  Mittheiliingen  des  Vereins  zur  Förderung  der  Moor 
cultur  im  Deutschen  Eeiche  1888  S.  28!^  und  Deutsche  landw  irtli 
schiit'tliche  Zeitung  18.  Februar  1890. 


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Naturwissenschaftliche  Wochenschiift. 


Nr.  29. 


ferner  auch  darin  Uebereinstimraung,  dass  die  in  ihren 
Samen  als Reservestoft'e  vorhandenen Stickstofifverbindungen 
nicht  ausreichen,  uin  die  Keimpflanzen  bis  zu  demjenigen 
Erstarkungszustande  zu  bringen,  wo  die  Stickstotfassimi- 
lation  in  ausgiebiger  Weise  erfolgen  kann,  und  dass  also 
die  Pflanze,  sobald  niciit  anderweitig  für  ihr  Stickstotf- 
bedürfniss  in  dieser  l'eriode  gesorgt  wird,  in  einen  Zu- 
stand des  Stickstotfhuugers  verfällt.  Derselbe  macht  sich 
dadurch  bemerklicli,  dass  das  Wachsen  verlangsamt  wird, 
die  Hlilttcr  kümmerlicher  und  chloroiihyllärmer  gebildet 
werden  und  die  älteren  Blätter,  von  den  unteren  Thcilen 
des  .Stengels  beginnend,  allmählich  wieder  absterben,  weil 
ihnen  die  plastisciien  Stoffe  zu  Gunsten  der  jüngeren 
Organe  wieder  entzogen  werden. 

Weiter  stimmen  die  Nicht-Leguminosen  und  Leguminosen 
darin  Uberein,  dass  dieser  Stickstoffhunger  des  heran- 
wachsenden Pflänzchens  vermieden  oder  überwunden  wird, 
wenn  eine  für  die  Ernährung  geeignete  StickstoftVerbin- 
dung  vorhanden  ist,  d.  h.  wenn  entweder  die  Pflanze  auf 
einem  nicht  zu  stiekstoffarmen  Boden  wächst,  oder  wenn 
ihr  auf  andere  Weise  eine  geeignete  Stickstotfverbindung 
geboten  wird. 

Die  eigentliclie  Jugondnahrung  der  Pflanzen  hinsiciit- 
lich  des  Stickstoffes  bilden  also  die  Stickstoffverbindungen. 
Für  manche  Pflanzen  (die  eigentlichen  Salpeteriiflanzen) 
haben  diese  wohl  noch  eine  ausgedehntere  Bedeutung.  Es 
bleibt  aber  jedoch  noch  festzustellen,  wie  gross  das  wahre 
Stickstoffbedürfniss  der  einzelnen  I'flanzenarten  in  dieser 
Beziehung  ist.  Die  Beobaclitungen,  dass  gewisse  Pflanzen 
mit  steigenden  Gaben  an  gebundenem  Stickstoff  steigende 
Erträge  liefern,  sind,  nach  Frank,  in  dieser  Frage  noch 
kein  Beweis,  da  die  Pflanzen  aus  der  Luft  Stickstoff  auf- 
nehmen, und  es  bis  jetzt  nicht  bekannt  ist,  wieviel  von 
dem  gegebenen  gebundenen  Stickstoff  thatsäcblich  von 
der  Pflanze  verwerthet  worden  ist  und  wieviel  davon  im 
Boden  zurückgeblieben  und  dort  durch  chemische  Processe 
zerstört  worden  und  verloren  gegangen  ist. 

Für  die  Nicht-Leguminosen  ist  die  Gegenwart  von 
Stickstoffverbindungen  im  Boden  das  einzige  Mittel,  um 
dem  Stickstoffhunger  der  Juugi)flanze  vorzubeugen  und 
dieselbe  soweit  zu  kräftigen,  dass  Stickstofiferwerbung  aus 
der  Luft  erfolgen  kann. 

Den  Leguminosen  aber  steht  ausser  diesem  noch  ein 
zweites  besonderes  Jlittel,  das  den  gleichen  Erfolg  erzielt, 
zur  Verfügung,  nändich  die  Symbiose  mit  einem  Ijcstiaunten 
Spaltpilz,  dem  Rhizobium  Leguminosarum.  Durch  dieses 
Mittel  wird  die  Legunünose  befähigt,  auch  ohne  das  Vor- 
handensein gebundenen  Stickstoffes  im  Boden  die  Jugend- 
periode zu  überwinden,  indem  ihr  dadurch  schon  in  dieser 
Zeit  der  elementare  Stickstoff  nutzbar  gemacht  wird.  Durch 
die  Pilzsymbiose  wird  also  die  Leguminose  vom  gel)uudenen 
Stickstoff  überhaupt  unabhängig  gemacht. 

Wenn  nun  aber  auch  die  Leguminosen  durch  die  Pilz- 
symbiose die  Fähigkeit  haben,  allein  aus  elementarem 
Stickstoff  der  Luft  ihren  ganzen  Stickst()fl'l)edarf  zu  decken, 
so  wirkt  auf  sie  doch  auch  zugleich  der  gebundene  Stick- 
stoff', wie  er  in  den  besseren  Böden  gegeben  ist  oder 
durch  eine  entsprechende  Düngung  geboten  wird,  vortheil- 
haft,  indem  durch  die  vereinte  Wirkung  von  Symbiose  und 
Stickstoffverbindungen  die  Fähigkeit  der  Pflanze,  freien 
Stickstoff  zu  assimiliren,  ihr  Maxinunu  erreicht,  wie  dies 
wenigstens  für  die  Erbse  und  den  Rothklee  nachgewiesen 
ist  und  wahrscheinlicli  auch  für  die  meisten  anderen  Le- 
guminosen zutrefl'en  wird.  Die  einzige,  bis  jetzt  bekannte, 
Ausnahme  hiervon  ist  die  gelbe  Lupine,  bei  welcher  durch 
die  Gegenwart  von  StickstoftVerbindungen  die  Fähigkeit 
der  symbiotischen  Pflanze,  freien  Stickstoft'  zu  assimiliren, 
abgeschwächt  wird,    so   dass   also   für   diese   Leguminose 


der  elementare  Stickstoff  gerade  als  die  beste  Stickstoff- 
nahrung anzusehen  ist. 

In  derselben  Weise,  wie  bei  den  Nicht-Leguminosen, 
wo  die  Assimilation  des  freien  Stickstoffes  überhaupt  ohne 
die  Hilfe  des  Pilzes  vor  sich  geht,  ist  auch  bei  den  Le- 
guminosen der  Pilz  hierzu  keine  nothwendige  Bedingung. 
Denn  diese  Pflanzen  erlangen  ebenso,  wie  die  Nicht- 
Leguminosen,  sobald  sie  durch  Stickstoffverbindungen  ihre 
genügende  Jugendernährung  bekommen  haben,  die  Fähig- 
keit, Stickstoff'  zu  assimiliren,  auch  bei  vollständigstem 
Ausschluss  der  Pilzsymbiose.  Dieses  gilt  von  allen  von 
Frank  bisher  daraufhin  geprüften  Leguminosen,  wobei 
auch  die  gelbe  Lupine  keine  Ausnahme  macht.  Wenn- 
gleich auch  begreiflicher  Weise  die  gleichzeitige  Mitwirkung 
der  Symbiose  einen  noch  grösseren  Erfolg  ergeben  hat. 

Ol)  überhaupt  in  dem  Rhizobium  selbst  eine  Kraft 
der  Stickstofl'assimilation  liegt,  ist  nicht  bewiesen,  sondern 
sogar  noch  unwahrscheinlicher  geworden  durch  die  Beob- 
achtung, dass  dieser  Pilz  bei  seiner  Entwickelung  ausser- 
halb der  Leguminose  für  sich  allein  eine  Assimilation  von 
freiem  Stickstoff  nur  äusserst  träge,  jedenfalls  nicht  stärker 
als  andere  bis  jetzt  darauf  geprüfte  Pilze  erkennen  lässt. 
,,Es  ist  daher  die  Hypothese  noch  immer  die  wahrschein- 
lichere, dass  die  Wirkung  dieser  Pilzsymbiose  mehr  in 
der  Leguminose  selbst  liegt,  d.  h.  dass  durch  den  Eintritt 
des  Pilzes  in  den  Organismus  der  Pflanze  ein  Reiz  auf 
die  letztere  ausgeül)t  wird,  durch  welche  die  schlummern- 
den Assimilationskräfte  derselben  geweckt  und  activirt 
werden." 

B.  Für  den  Ackerbau. 

Nach  den  Untersuchungen  Frank's  kann  allen  Pflan- 
zen, Leguminosen  wie  auch  Nicht-Leguminosen,  der  freie 
Luftstickstoff  zur  Ernährung  nutzbar  gemacht  werden  oder, 
anders  ausgedrückt,  ein  mehr  oder  weniger  grosser  Theil 
des  in  den  Ernten  enthaltenen  Stickstoffs  ist  von  den 
Pflanzen  aus  der  Luft  aufgenommen. 

Trotzdem  ist  der  gebundene  Stickstoff  im  Ackerboden 
für  den  Pflanzenbau  im  Ganzen  nicht  zu  entbehren,  jedoch 
ist  dies  in  sehr  ungleichem  Grade  bei  den  einzelnen  Cultur- 
pflanzen  der  Fall. 

Zur  Gewinnung  des  Höchstertrages  an  Erntestickstoff 
auf  den  leichtesten,  stickstofl'ärmsten  Bodenarten  giebt  es, 
ohne  dem  Boden  eine  Stickstoft'düngung  zu  geben,  soweit 
die  bisherigen  Forschungen  reichen,  nur  eine  Leguminose, 
die  gelbe  Lupine,  welche  auf  stickstofffreiem  oder  stickstoft'- 
armeni  Boden  lediglich  mit  Hilfe  ihres  Synibiosepilzes  die 
höchsten,  nämlich  höhere  Stickstoffernten  liefert,  als  wenn 
ihr  gleichzeitig  eine  Stickstoffdungung  gegeben  ist,  welche 
bei  diesen  Pflanzen  abstumpfend  auf  die  Kraft,  freien 
Stickstoff  zu  erwerben,  zurückwirkt  und  daher  als  directe 
Verschwendung  anzusehen  ist. 

Die  Erbse  dagegen  liefert  —  und  wahrscheinlich  ver- 
halten sich  viele  andere  Leguminosen  ebenso  —  auf  stick- 
stofffreiem Boden  im  Vereine  mit  dem  Symbif>sepilze  den 
Höchsti'rtrag  an  Erntestickstoff  erst  dann,  wenn  sie  zu- 
gleich durch  gebundenen  Stickstoft',  besonders  in  Form 
von  salpetersauren  Salzen  ernährt  wird,  obgleich  auch 
diese  Pflanze  bei  Ausschluss  aller  Stickstofl'verbinduugen 
entwickclungsfähig  ist,  wenngleich  mit  geringerem  Erfolge. 
Das  Quantum  des  zu  diesem  Zwecke  erforderlichen  ge- 
bundenen Stickstoffes  scheint  jedoch  nach  den  hierüber 
angestellten  Versuchen  geringer  zu  sein,  als  man  nach 
gewöhnlicher  Auffassung  für  nötliig  hält. 

Gute,  d.  h.  hunms-  und  stickstoffreichere  Btxlen  eignen 
sich  überhaupt  nicht  für  die  gelbe  Lupine,  indem  sie  hier 
auch  im  Symbiosezustande  weniger  Stickstoff  aus  der  Luft 
assimilirt  und  geringere  Stickstoft'ernten  liefert,  als  auf 
stickstoffarmem  Boden. 


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Naturwisseiiscbaftliclic  Woclienselirift. 


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Die  Erbse,  der  Rotliklee  und  walirsclieinlich  viele 
andere  noch  niclit  liierauf  geprüfte  Leguminosen  erzielen 
dagegen  auf  diesen  Hodenarten  einen  grosseren  ErtVdg 
iiezüglieh  der  lM-\verl)ung  von  Stickstoff  aus  der  Luft,  als 
auf  den  leicliten,  stickstoffarnien  Böden,  auch  bei  einer 
genügenden  Düngung  der  letzteren  mit  Kalk,  Kali  und 
iPbos])liat,  was  nach  Frank  gleichfalls  mit  dem  Vorrath 
an  StickstoftSerbindnngen  in  den  besseren  Böden  im  Zu- 
sammenhange steht,  welche,  wie  ans  den  N'ersuciien  iier- 
vorgeht,  auch  sclmu  ohne  eine  besondere .Stiekstofl'dnngung 
auf  die  PHanzenentwickeiung  kräftig  wirkten.  Hiernach 
erscheint  es  fraglich,  ob  auf  den  besseren  Böden  eine 
Stickstoffdüngung  zu  den  genannten  Leguminosen  überall 
nothwendig  ist;  die  Wirkungen  des  Stalldungs  auf  Erbse 
u.  dgl.  auf  den  besseren  Böden  beruhen  möglicher  Weise 
auch  auf  dem  Gehalt  des  Dungs  an  Kali  etc.  und  können 
dann  auch  durch  künstliche  Düngemittel  erwartet  werden. 

Die  den  Boden  an  Stickstoff  bereichernde  Wirkung 
der  Leguminosen,  welche  auf  dem  Zurückbleiben  der 
stickstoffreichen  Wurzelreste  im  Boden  beruht,  findet  nicht 
bloss  auf  den  stickstoffarmen,  sondern  auch  auf  den 
besseren  und  humusreichen  Böden  statt. 

Bei  den  Nicht- Leguminosen  dagegen  ist  die  Ver- 
besserung des  Bodens,  gegenüber  dem  Quantum  von  ge- 
bundenem Stickstoff',  welchen  sie  dem  Boden  entziehen, 
nur  eine  geringe.  Aber  auch  sie  entnehmen  einen  Theil 
ilu'es  Stickstoft'bedarfes  aus  der  Luft,  und  der  Effect  der 
Stickstoffsannnlung  zeigt  sich,  sobald  der  von  den  Pflanzen 
gesannnelte  Stickstoff  nicht  als  Ernte  vom  Boden  weg- 
genommen, sondern  die  gesannnte  Pflanzenmasse  dem- 
selben einverleibt  wird.  In  dieser  Beziehung  treten  als 
Gründttngungspflanzen  auch  Nicht- Leguminosen  den  Le- 
guminosen als  bodenbereichernde  an  die  Seite.  Doch  bedarf 
der  Fähigkeitsgrad  der  verschiedenen  Nicht-Leguminosen 
in  dieser  Beziehung  nach  Species  erst  noch  einer  ein- 
gehenderen Erforschung.  Dieselben  werden  jedoch  zu 
dieser  Stickstoffverbindung  aus  der  Luft  um  so  l)efähigter, 
je  mehr  sie  durch  Anbau  auf  guten,  für  sie  geeigneten 
Bodenarten,  beziehentlieh  durch  eine  Gabe  von  gebundenem 
Stickstoff'  in  ihrer  ersten  Leijensperiode  zu  einem  kräftigen 
Entwickelungszustand  gebracht  werden. 

Diese  nunmehr  durch  vielfache  wissenschaftliche 
Versuche  festgestellte  Fähigkeit  der  Pflanzen,  den  Luft- 
stickstoff zur  Ernährung  zu  verwenden,  welche,  nach 
Frank  im  Pflanzenreiche  weit  verbreitet  und  nicht  nur 
auf  die  Leguminosen  sich  beschränkt,  ist  nun  nach  ge- 
nanntem Forscher  (vergl.  Deutsche  Landw.  Presse  1893 
S.  133)  je  nach  den  einzelnen  Pflanzenarten  grosser 
oder  geringer,  so  dass  unsere  Aufgabe  darauf  wird  ge- 
richtet sein  müssen,  weiter  zu  untersuchen,  weiche  Pflanzen 
in  dieser  Beziehung  das  Meiste  leisten,  nnd  ob  und  wie 
man  im  Stande  sein  wird,  durch  geeignete  Kulturmethoden 
diese  Fähigkeit  bei  den  einzelnen  Pflanzenarten  noch  zu 
verstärken. .  Jedenfalls  ist,  wie  bereits  aus  zahlreichen 
Untersuchungen  von  Frank  als  auch  von  Petermann  und 
Liebscher  hervorgegangen,  je  besser  die  Entwickelung  ein 
und  derselben  Pflanzenspecies  ist,  auch  desto  ergiebiger 
ihre  Stickstoftsammlung  aus  der  Luft;  oder  mit  anderen 
Worten:  „Jede  Steigerung  der  Pflanzenentwickelung,  die 
durch  Begünstigung  der  Factoren  des  Pflanzenwachstbums 
(Boden,  Düngung,  Witterung)  zu  erzielen  ist,  vermehrt 
auch  die  Erwerbung  von  Stickstoff  aus  der  Luft  dureii 
die  Pflanze,  und  zwar  sowtdd  bei  den  Leguminosen  als 
auch  bei  den  anderen  Pflanzen  (Frank). 

Der  Luftstickstoff  steht,  nach  Frank,  in  viel  ausge- 
dehnterem Maasse,  als  man  bisher  glaubte,  der  landwirth- 
liclicn  Produktion  offen.  Auf  den  gebundenen  Stickstoff 
des  Bodens  können  freilieii,  wie  erwähnt,  die  Pflanzen, 
wenigstens   gewi.sse  Arten,    nicht    ganz  verzichten.     Aber 


bei  dem  Anbau  von  Pflanzen,  die  selbst  keine  starken 
Stickstoffsainnder  sind  und  deren  .Stickstoff  geerntet  wird, 
kann  man  durcli  Anliau  stärkerer  Stickstoffsanmiler  und 
\  erwcndung  dersellien  als  (lründUni;:ung  immer  wieder 
neuen  Luftstickstotf  in  gebundenen  Bodensfickstoff  über- 
führen. Jede  Gründüngungspflanze,  Leguminose  (ider 
Niciitleguminose,  wo  sie  nur  am  rechten  Platze  ist,  wirkt 
nach  Frank  nicht  bloss  stickstofferhaltend,  dadurch  dass 
sie  einen  Theil  des  sonst  versickernden  h'islicheu  Boden- 
stiekstoffs  in  Form  von  Pflanzensubstanz  in  der  ( )ber- 
krume  iestlegt.  sondern  auch  stickstntfNcrmehrend.  weil 
sie  Luftstickstoff  in  Pflanzenstickstoff  umwandelt. 

Dr.  R.  Otto. 

Zur  Oeologie  von  Nord-Patagonieii,  ~  In  einer 
Arl)eit,  die  als  vdrläuflge  jMittheilung  vom  Verfasser  be- 
zeicJmet  wird,  giebt  Jos.  von  Siemiradzki  in  Lemberg 
im  L  Hefte  1893  des  Neuen  Jahrbuches  für  Mineralogie 
etc.  einen  kurzen  Bericht  über  seine  Forschungsreise  nach 
Nord-Patagonien,  in  jene  Gebiete ,  welche  unter  den  ad- 
ministrativen Bezeiclinungen  Pamjja  central,  Rio  Negro 
und  Neuquen  bekannt  sind.  Der  Weg  führte  über  Bahia 
Bianca  zur  Jlilitair-Golonie  General  Acha,  über  die  Pam- 
pasgebirge von  Lihue-Calel  und  Choique-Mahuida  nach 
Choele-Choel  am  Rio  Negro,  diesen  und  den  Limay-Fluss 
hinauf  bis  zum  See  Nahuel-Huapi,  über  den  Pass  von 
Lonquimay  nach  Santiago  nnd  zurück  über  üspallata 
nach  Buenos  Ayres.  Die  beispiellose  Ungenauigkeit  der 
sogenannten  Generalstabskarte  des  Oberst  Rhode  veran- 
lasste den  Verfasser,  trotz  seiner  unzureichenden  In- 
strumente, ein  Croquis  seiner  Route  aufzunehmen,  wonach 
die  Gegend  eine  von  der  bisherigen  ganz  abweichende 
Gestaltung  zeigte.  Instructiv  ist  ein  Profil,  welches  man 
sich  von  der  Mündung  des  La  Plata  über  die  Pampa 
central  nach  W.  S.  W.  verlaufend  vorzustellen  hat.  1  )iesem 
folgend,  trifft  man  zuerst  auf  die  kaum  80  m  sich  er- 
hebende eigentliche  Pampa,  welche  aus  Löss  mit  der 
bekannten  Glvptodon-Fauna  besteht,  der  von  pliocäneu 
Muschelbänken  unterlagert  wird,  aus  denen  inselartig 
ältere  Partien  miocöuen  und  eocänen  Gesteines  hervor- 
ragen. In  nordwestlicher  Richtung  von  Bahia  Bianca 
nach  San  Luis  zu  erhebt  sich  das  Land  zu  einer  300  m 
hoiien,  durch  zahlreiche  abflusslose  Seeen  ausgezeichneten 
Terrasse,  welche  zur  Pampa  central  hinüberführt.  In  diese 
letztere  sind  ausser  den  Thälern  der  beiden  grössten  pa- 
tagonisehen  Flüsse,  des  Rio  Colorado  und  Rio  Negro, 
zahlreiche  lefe  Erosionsthäler  mit  Nordost-  oder  Ost-Verlauf 
eingeschnitten,  in  denen  häufig  abflusslosc,  stark  salzhaltige 
Seen  liegen  und  wo  allein  sich  üi)pige  Vegetation  vor- 
findet; auch  alle  Ansiedelungen  der  Pampa  central  werden 
in  diesen  Vertiefungen  angetroffen,  da  ausserhall)  der- 
selben keine  Feuchtigkeit  gefunden  wird.  Die  Pampa 
central  steigt  allmählich,  aber  stetig  immer  höher  empor, 
bis  sie  in  der  Nähe  der  Cordillere  eine  Hrdie  von  lOOU  m 
erreicht.  liir  Boden  wird  aus  einer  weissen  Kalkmergel- 
schicht unbekannten  Alters  gebildet,  der  allmählich  in 
das  patagouische  Geröll  übergeht,  welches  oft  in  einer 
Mächtigkeit  von  10  m  ungeheure  Flächen  bedeckt  und 
dessen  Entstehung  nach  dem  Verfasser  noch  nicht  erklärt 
worden  ist.  —  Der  gewaltige  Bitter-See  Urre-Lafqucn 
liegt  ebenfalls  in  einem  mächtigen  Erosionsthale,  wird 
rings  von  Salzsteppen,  Salitrades,  umgeben  und  zerfällt 
in  der  trockenen  Jahreszeit  in  eine  Reilie  getrennter  See- 
becken. Hierauf  sind  die  Widersprüche  auf  den  ver- 
schiedenen Karten  zurückzuführen.  —  Eine  beachtens- 
werthe,  von  den  bisherigen  abweichende  Erklärung  giebt 
Siemiradzki  für  die  in  der  ganzen  Pamjja  zerstreut  aul'- 
taueheudeu  Gebirgsgruppen,   welche   als  „V'irgatiouen  der 


Cordillere" 


gewöhnlich 


zusammeugefasst  werden.     Nach 


300 


Naturwisseuschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  29. 


ihm  stellen  dieselben  „ein  ungeheures  paläozoisches 
Faltung'ssystem  vor,  welches  den  ganzen  Ürboden  Süd- 
amerikas zusammensetzt,  ein  constantes  S.  (.). -Streichen 
besitzt  und  mit  der  meridionaleu  Richtung  der  jung- 
eruptiven Vulcanreihe  nichts  zu  thun  hat."  Südamerika 
besitzt  nämlich  zwei  verschiedene  Dislocationsrichtuugen; 
eine  ältere,  südöstliche,  welche  mit  Eintritt  der  Carbon- 
Periode  ihr  Ende  erreichte,  und  eine  junge,  meridionale. 
welche  besonders  während  der  Tertiärzeit  wirkte,  höchst 
wahrscheinlich  aber  auch  noch  gegenwärtig  thätig  ist. 
Der  ersteren  verdanken  die  sogenannten  Virgationen  der 
Anden  ihre  Entstehung,  der  zweiten  die  Vuleanreihen  der 
Cordillere.  Diese  letztere  Richtung  tritt  im  nördlichen 
und  mittleren  Theile  der  südamerikanischen  Anden  zurück, 
herrscht  dagegen  in  Chile  vor,  so  dass  sie  die  Spuren 
der  älteren  nahezu  verwischt  hat.  Verfasser  führt  für 
seine  Ansicht  verschiedene,  sehr  iustructive  Beispiele  an, 
welche  derselben  hohe  Wahrscheinlichkeit  gewähren.  — 
Längs  des  Alumine-Flusses  entdeckte  der  Verfasser  eine 
ganze  Reihe  erloschener  Vnlcane,  die  trotz  ihrer  Höhe 
bis  zu  2000  m  bisher  auf  keiner  Karte  angeführt  sind. 
Dieselben  liegen  vollständig  getrennt  auf  der  Ostseite  der 
Cordillere  von  Chile,  welche  ihre  Hauptvulcane  entweder 
auf  ihrem  Gipfel  oder  am  Westabhange  entwickelt  zeigt. 
—  Die  diluvialen  Glacialbildungen  haben  nicht  die  ge- 
waltige Ausdehnung,  wie  von  mancher  Seite  angenommen 
wird.  In  erster  Linie  darf  ihnen  die  patagonische  Geröll- 
schieht  nicht  zugerechnet  werden.  Typische  Gletscher- 
spuren, Moränen  und  Gletschersehliflfe,  finden  sich  in  der 
Umgegend  von  Tandil,  besonders  aber  in  der  Nähe  der 
Cordillere.  —  Eine  Eigcnthiimlichkeit  der  Cordillere  sind 
ihre  zahlreichen  Torfmoore,  welche  besonders  an  den 
Glacialmoränen  auftreten,  und  die  sogenannten  Torfquellen, 
runde  Löcher,  rings  von  üppiger  Vegetation  verdeckt, 
welche  dem  Reisenden  und  seinem  Thiere  oft  recht  ge- 
fährlich werden  können. 


Ueber  das  im  Meerwasser  enthaltene  Gold  und 
Silber  macht  V.  Freudenberg  im  Auslande  (Jahrb.  66, 
Seite  306)  die  folgende  Mittheilung:  Dass  Gold  und 
Silber  im  Meerwasser  enthalten  ist,  hat  man  schon 
seit  den  Forschungen  Malagutis  und  Durochers  gewusst, 
aber  eine  zweckmässige  Methode,  diese  Edelmetalle  zu 
gewinnen,  ist  bis  jetzt  noch  nicht  gefunden  worden.  Herr 
C.  A.  Munster  bespricht  diese  Frage  in  einer  norweg-isehen 
Zeitschrift  und  schlägt  eine  Methode  der  Gewinnung 
dieser  Metalle  vor,  welche  nicht  ohne  allgemeines  Interesse 
ist  und  unseres  Erachtens  einige  Beachtung  verdient.  Der 
Genannte  entnahm  zum  Zwecke  der  Untersuchung  100  1 
Seewasser  aus  dem  Christiania-Fjord,  die  er  bis  zur 
Trockenheit  des  Bodensatzes  verdampfen  Hess,  und  die 
1830g  Niederschlag  lieferten.  Dieser  ward  gemahlen  und  in 
Portionen  von  je  300  g  eingetheilt,  deren  eine  jede  dem 
gleichen  chemischen  Verfahren  unterzogen  ward,  was  das 
Gewicht  von  19  mg  Silber  und  6  mg  Gold  per  Tonne 
Seewasser  von  durchschnittlicher  Beschaffenheit  ergab. 

In  Erwägung  nunmehr  des  äusserst  geringen  Gehaltes 
des  Seewassers  "an  Edelmetallen  hält  der  Schreiber  des 
Artikels  dafür,  dass  keine  Methode  des  Niederschlages  in 
Behältern  oder  Gefässen  von  Erfolg  sein  könne;  es  müsse 
der  Niederschlag,  meint  er,  im  Meere  selbst  stattfinden, 
wo  das  Wasser  durch  eine  natürliche  Strömung  fortwäh- 
rend erneuert  wird.  Er  schlägt  daher  zu  diesem  Ende 
vor,  dass  man  einen  etwa  60  m  breiten  Kanal  zwischen 
zwei  kleinen  Inseln,  wie  deren,  von  Felsen  gebildet,  die 
norwegische  Küste  in  Masse  aufzuweisen  habe,  aufsuche, 
und  zwar  da,  wo  die  Strömung  ungefähr  4  m  pro  Minute 
beträgt,   sowie  in  einer  Lage,   die  vor  dem  Wellenschlag 


und  vor  Winden  möglichst  geschützt  sei.  Ueber  diesen 
Kanal  soll  der  Unternehmer  60  Stück  2  m  breite  galvani- 
sirte  Eisenplatten  in  der  Weise  legen,  dass  sie  in  einem 
Winkel  von  30°  gegen  den  Strom  geneigt  sind.  Durch 
die  ganze  Platteuserie  soll  dann  ein  elektrischer  Strom 
behufs  Niederschlages  der  Edelmetalle  geleitet  werden. 
Für  die  Erzeugung  eines  so  geringfügigen  Stromes,  wie 
er  hierfür  erfordert  wird,  erachtet  Munster  wenige  Pferde- 
kräfte als  hinreichend,  und  die  könnten  durch  Wasser- 
kräfte, Wind  oder  auf  thermo-elektrischem  Wege  leicht 
aufgebracht  werden,  indem  man  die  Differenz  der  Tempe- 
ratur zwischen  Meer  und  Luft  benutzt.  Das  grosse,  hier- 
zu erforderliche  Kahmenwerk,  meint  unser  Gewährsmann, 
könne  auf  billige  Weise  aus  mit  Graphit  und  Theer  ge- 
tränktem carbonisirtem  Holze  hergestellt  werden,  da  die 
leitende  Kraft  für  einen  so  schwachen  Strom  keine  grosse 
zu  sein  brauche.  AVenn  alle  die  genannten  Platten  passi- 
renden  Edelmetalle  niedergeschlagen  würden,  meint  er, 
so  könnten  selbige  leicht  den  jährlichen  Werth  von 
1 500  000  Dollars  erreichen,  und  da  die  Arbeitskosten 
sehr  gering  seien,  so  würde  es  sich  der  Mühe  lohnen, 
selbst  wenn  die  Ausbeute  nur  Vioo  o*^l^i'  Viooo  obiger 
Sunmie  betrüge. 


Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben. 

Es  wurden  ernannt :  Der  Kaiserliche  Rath,  Honorardocent  Dr. 
G.  A.  Koeli  zum  ausserordentlichen  Professor  der  Minei-alogie, 
Petrographie  und  Geologie  an  der  Hochschule  füi-  Bodencultur  in 
Wien.  —  Der  Privatdocent  Dr.  Bayer  zum  ordentlichen  Professor 
in  der  medicinischen  Facultät  der  Universität  Strassbnrg. 

Es  haben  sich  habilitirt:  Der  Assistent  am  physikalischen  In- 
stitut der  Universität  Jena  Dr.  Rudolf  St r anbei  für  Physik. — 
In  der  medicinischen  Facultät  der  Universität  Berlin:  Dr.  Dietrich 
Nasse  für  Chirurgie  —  und  Dr.  Kurt  Schimmelbusch. 

Es  sind  gestorben:  August  B.  Ghiesbreeht,  bekannt 
durch  seine  Forschungsreisen  in  Brasilien,  Centralamerika  und 
Mexico.  —  Der  Arzt  und  Naturforseher  F.  C.  Kiär  in  Christiania, 
liekannt  durch  seine  Untersuchungen  der  Kryptogamen,  speciell 
der  Moose.  —  Der  frühere  Lehrer  an  der  Centralschule  in  Paris 
Professor  Daniel  Colladon,  bedeutender  Physiker,  in  Genf. 


Emin  Pascha's  Tod  ist  heute  noch  in  Dunkel  geliüUt.  Nach 
dem  Deutschen  Kolouialblatt  (S.  275)  hat  Tippu  Tipp  im  April  d.  J. 
von  seinem  Verwandten  Raschid  ben  Jlohamed  bin  Said  el  Mai-jabi 
einen  vom  2.  December  1892  datirten  Brief  erhalten,  demzufolge 
Emin  Pascha  auf  dem  Rückzuge  nach  einem  unglücklichen  Gefecht 
gegen  den  arabischen  Sclavenjäger  Said  ben  Abed  el  Khuduri  im 
November  vorigen  Jahres  mit  allen  seinen  Begleitern  nieder- 
gemacht worden  ist.  Tippu  Tipp  giebt  als  Platz,  wo  das  Massacre 
stattgefunden  haben  dürfte,  einen  Mlimani  genannten  Ort  an, 
welcher  eine  Tagereise  von  den  Flüssen  Ituri  und  Nyoro  und  circa 
30  Tagereisen  von  den  Stanley -Fällen  entfernt  liegen  soll.  Ent- 
kommen sollen  nur  diejenigen  Leute  des  Paschas  sein,  welche  im 
Lager  zurückgeblieben  waren.  Der  genannte  Brief  ist  an  den 
Staidey-Fällen  aufgegeben  und  auf  dem  Umwege  über  den  Congo 
und  Europa  an  Tippu  Tipp  gelangt.  Scheint  hiernach  also  eine 
Bestätigung  des  Todes  Emin's  vorzuliegen,  so  ist  damit  noch 
keineswegs  gesagt,  dass  die  Nachricht  auf  Wahrheit  beruht.  Ver- 
dächtig ist  bei  dem  öfters  genannten  Briefe  der  ganz  ungewöhn- 
liche Weg,  welchen  derselbe  genommen  hat.  Daher  verdient  eine 
Stelle  aus  einem  Briefe  Professor  Seh  w  e  Inf  urth's  an  die  „Neue 
Freie  Presse"  über  das  Schicksal  des  Paschas  besondere  Beachtung; 
wir  geben  dieselbe  im  Folgenden  wieder:  „Kann  ich  Ihnen  nun 
auch  auf  dem  Gebiete  der  Vermuthungen  nichts  Neues  und  Ueber- 
raschendes  bieten,  so  möchte  ich  doch  nicht  unterlassen,  da  auf 
einen  Umstand  aufmerksam  zu  machen,  der  allerdings  hervor- 
gehoben zu  werden  verdient,  wenn  es  sieh  um  die  Möglichkeit 
handelt,  dass  Emin  Pascha  am  Ende  doch  noch  leben  könnte. 
Als  Stuhlmann  ihn  verliess,  war  Emin  Pascha  in  Verbindung  mit 
seinen  ehemaligen  Soldaten  am  Albert -See.  Kurze  Zeit  nach 
Stuhlmann's  Abreise  kann  die  Nachricht  von  dem  Herannahen 
der  Kerkhoven'schen  Expedition,  die  auf  dem  Marsche  nach  Lado 
war,  zu  Emin  gelangt,  vielleicht  dieser  durch  Briefe  direct  auf- 
gefordert worden  sein,  zu  kommen.  Wenn  Emin  (er  brauchte  dazu 
nur  über  den  See  zu  fahren)  sich  den  Belgiern  anschliessen  wollte, 
SU  würden  diese  ihn  gewiss  mit  offenen  Armen  aufgenounneii 
haben.  Ueber  die  ehemalige  Provinz  Emin's  wissen  wir  aber  seit 
Jahr  und  Tag  nicht  d.is  geringste,  da  die  Belgier,  si'itdrin  sie  dort. 


Nr.  2!». 


Naturwisscnscliaftliflie  Wocliciischrift. 


301 


sind,  iiDgeblich  jede  Nachricht  über  ihre  Erwerbung  am  oberen 
Nil  unterdrücken,  um  den  englischen  Blättern  keine  Gelegenheit 
zu  geben,  ihr  Anrecht  an  dieses  Gebiet  zu  bemäkeln.  Die  britische 
Regierung  lässt  die  Congo- Leute  vorläufig  gewähren  auf  der 
clfenbeinfetten  Domäne  ihrer  Interessensphäre,  wehe  aber,  wenn 
die  Zeitungen  dahinter  kommen.  Emin  Pascha,  das  obere  Nil- 
gebiet, die  Congo -Regierung  und  die  britische  Interessensphäre 
am  oberen  Nil  sind  alle  sanimt  und  sonders  ein  Mysterium.  Da- 
her kann  man  nur  sagen:  „Nichts  (ilewisses  weiss  man  nicht!" 
Möchte  die  Ansicht  des  Herrn  Professor  Schweinfurth,  dem  in 
allen  Verhältnissen,  welche  auf  die  hier  in  Frage  kommenden 
Gegenden  Bezug  haben,  vor  allen  anderen  ein  der  Wirklichkeit 
am  nächsten  kommendes  Urtheil  zusteht,  die  richtige  sein,  und 
eines  Tages  die  freudige  Botschaft  durch  die  Blätter  eilten, 
dass  Emin  Pascha  mit  seinen  Leuten  wohlbehalten  an  seinem  Ziele 
angelangt  sei.  Freilich  wollen  wir  nicht  verhehlen,  dass  uns 
Herr  Professor  Schweinfurth  in  der  letzten  Sitzung  der  geogr. 
Gesellschaft  in  Berlin  die  Hoffnungslosigkeit  dieses  Wunsches 
bestätigt  hat. 

Die  VIII.  Generalversammlung  des  Internationalen  Ento- 
mologischen Vereins    findet   in  Prag   am  l'-'.  August   d.  J.  statt. 


Die  40.  Versammlung  der  Deutschen  Geologischen  Gesell- 
schaft findet  in  Goslar  vom  14.  August  d.  J.  ab  statt. 


Eine  Internationale  Jubiläums-Gartenbau-Ausstellung,  ver- 
anstaltet zum  fünfzigjährigen  Bestehen  des  Leipziger  Gärtner- 
Vereins,  findet  vom  25.  August  bis  ä.  September  in  Leipzig  statt. 

Die  bergmännische  Ausstellung  in  Gelsenkirehen  w  urde  am 
1.  ,Juli  durch  den  Bergliauptmaini  Täglichsbeck  aus  Dortmund 
eröfl'nrt. 

Astor  Chandler  und  I«.  von  Höhnel  haben  Ende  des  vorigen 
und  Anfang  dieses  Jahres  von  Hanieye  aus  eine  zweimonatliche 
Reise  ausgeführt  und  auf  derselben  einen  Theil  des  Laufes  des 
Tana,  den  Lauf  seines  Nebenflusses  Mackenzie  bis  zu  einem  seiner 
Quellflüsse  und  endlieh  eine  Strecke  des  noch  unerforschten  Guasso 
Njiro  erkundet.     (Petermaim's  Mittheil.  1893,  S.  120.) 

Der  bekannte  Islandforscher  Th.  Thoroddsen  ist  von  Kopen- 
hagen nach  Island  gereist,  um  das  unbewoluite  Hochland  am  süd- 
westlichen Rand  des  Vatna  Jökull,  die  noch  unbekannten  Qnell- 
flüsse  des  Skapta  und  Hoerfisfljat  und  die  Gegend  um  den  Katla 
zu  erforschen.     (Verhdlgu.  d.  Ges.  f.  Erdk.  zu  Berlin,  S.  361.) 

C.  N.  Fotanin,  welcher  mit  seiner  Expedition  zur  Erforschung 
von  Sz'-tschuan  am  18.  October  (a.  St.)  1892  von  Kiachta  auf- 
brach, hat  über  Urga  und  Kalga  Peking  erreicht  und  ist  Mitte 
December  v.  J.  von  hier  wieder  aufgebrochen,  um  seine  Reise 
fortzusetzen.     (Globus  G4,  S.  1.'j.) 


L  i  1 1  e  r  a  t  u  r. 

Max  Ifordau,  Entartung.     Carl  Duncker  in  Berlin.     I.  Bd.:   1S92. 
IL  Bd.:  1893.  —  Preis  a  6  Mk. 

Ein  neues  Werk  des  geistreichen  Schriftstellers  Nordau  wird 
Jeder  gern  zur  Hand  nehmen  und  lesen.  Es  ist  immer  von  Inter- 
esse zu  wissen,  was  er  sagt:  mag  man  nun  in  der  Lage  sein,  ihm 
ganz  zuzustimmen  oder  mehr  oder  minder  in  den  von  ihm  ent- 
wickelten Ansichten  abzuweichen.  Die  vorliegende,  neueste  zwei- 
bändige Arbeit  „Entartung''  beschäftigt  sich  mit  dieser  Erschei- 
nung und  mit  den  Werken  und  Einflüssen  der  „Entarteten"  auf 
die  Gesellschaft.  Die  Entartung  ist  dem  Verf.  mit  Morel  eine 
krankhafte  Abweichung  von  einem  ursprünglichen  Typus.  „Diese 
Abweichung  —  sagt  Morel  —  auch  wenn  sie  anfänglich  noch  so 
einfach  wäre,  schliesst  übertragbare  Elemente  von  solcher  Be- 
schaffenheit in  sich,  dass  derjenige,  der  ihren  Keim  in  sieh  trägt, 
immer  mehr  unfähig  wird,  seine  Aufgabe  in  der  Menschheit  zu 
erfüllen,  und  dass  der  geistige  Fortschritt,  der  schon  in  seiner 
Person  gehemmt  ist,  sich  auch  bei  seinen  Nachkommen  bedroht 
findet."  Das  Ende  unseres  Jahrhunderts  trägt  nach  Nordau  das 
Gepräge  der  Entartung.  Morel  führt  dieselbe  in  der  Hauptsache 
auf  Vergiftung  zurück.  „Ein  Geschlecht,  das  regelmässig,  selbst 
ohne  Uebermaass,  Betäubungs-  und  Reiz-Stoft'e  in  irgend  einer 
Form  gebraucht  (also  gegohrene ,  weingeisthaltige  Getränke, 
Tabak,  Opium,  Haschisch,  Arsenik),  das  verdorbene  Nahrungs- 
mittel geniesst  (mutterkornhaltiges  Brod,  schlechten  Mais),  das 
organische  Gifte  in  sich  aufnimmt  (Sumpffieber,  Syphilis,  Tuber- 
cnlose,  Kroptlvrankheit),  erzeugt  entartete  Nachkommen,  die, 
wenn  sie  denselben  Einwirkungen  ausgesetzt  bleiben,  rasch  zu 
den  tiefsten  Stufen  der  Degeneration,  zum  Blödsinn,  zur  Zwerg- 
haftigkeit  u.  s.  w.  hinabsteigen."  Nordau  fügt  noch  die  schäd- 
lichen, die  Sinne  übermässig  und  unaufhörlich  reizenden  Einflüsse 


des  Lebens  in  der  Grossstadt  hinzu.  Die  Eigenthümlichkeiten 
und  Merkmale  der  Entarteten  werden  ausführlich  erläutert  und 
sodann  in  den  Werken  der  „modernen"  Künstler  aufgewiesen. 
Ein  Hauptmerkmal  der  Entartung  ist  das  mystische  Delirium,  die 
beständige  Beschäftigung  mit  mystischen  und  religiösen  Fragen, 
die  übertriebene  Frömmigkeit  u.Js.  w.  Nordau  findet  diesen  Mysti- 
cismus  u.  a.  vertreten  bei  Tolstoi  und  Richard  Wagner.  Auch 
die  „Ich-Sucht",  ilie  Nordau  im  Gegensatz  zur  „Selbstsucht"  unter- 
scheidet, w'elche  letztere  nicht  ein  krankhafter,  sondern  ein  sitt- 
licher Mangel  ist,  ist  ein  Charakteristikum  des  Entarteten.  Der 
e.vtreme  Ich-Süchtige  sieht  nur  sich  und  di^nkt  nur  an  sich.  „Er 
hat  —  sagt  Legrain  —  nur  eine  einzige  Sorge:  seine  Begierden 
zu  befriedigen."  Erscheinungen  der  Ich-Sucht  sind  u.  a.  nach 
Nordau  der  „Ibsenismus"'  Auch  der  Naturalismus  Zola's  dem  ein 
grösserer  Abschnitt  gewidmet  ist  (das  4.  Buch  des  2.  Bandes),  ist 
nach  Nordau  eine  auf  Entartung  zurückzuführende  Erscheinung. 
Prognose  und  Therapie  der  Entartung  finden  Besprechungen  in 
zwei  Schlussabschnitten  des  Werkes.  Der  Kampf  ums  Dasein 
wird  die  Zahl  der  Entarteten  wieder  herabmindern,  aber  Nordau 
verlangt  auch  Belehrung  des  Volkes  über  die  Entartungs-Erschei- 
nungen von  Seiten  der  Irren-Aerzte. 


Charles   Darwin,    Reise    eines   Naturforschers   um   die    Welt. 

Autorisirte  deutsche  Ausgabe.  Aus  dem  Englischen  übersetzt 
von  J.  Victor  Carus.  Mit  14  Holzschnitten.  2.  durchgesehene 
Auflage.  E.  Schweizerbart'sche  Verlagsbuchhandlung  (E.  Koch). 
Stuttgart  1892.  -  Preis  9  Mk. 

Man  muss  sich  ei.üentlich  wundern,  dass  die  prächtige  Dar- 
win'sche  „Reise  eines  Naturforschers  um  die  Welt"  in  Deutsch- 
land nicht  mehr  als  nunmehr  2  Auflagen  erlebt  hat.  Denn  man 
sollte  doch  annehmen,  dass  jeder,  der  sich  Naturforscher  nennt, 
das  Buch  gelesen  hat.  Die  erste  deutsche  Ausgabe  erschien  187.5 
also  vor  bald  20  Jahren!  Wir  möchten  ausdrücklich  darauf  auf- 
merksam machen,  wie  sehr  geeignet  das  Buch  ist,  der  reiferen, 
sich  für  Naturbeobachtung  interessirenden  Jugend  in  die  Hand 
gegeben  zu  werden.  Es  ist  eine  wundervolle  Vorschule  zur  An- 
leitung der  Beobachtung  in  der  freien  Natur,  die  Darwiu,  w-ie  er 
das  eben  in  dem  Buche  so  glänzend  beweist,  bewunderungswürdig 
verstanden  hat.  Wenn  num  berücksichtigt,  dass  Darwin  erst 
Anfang  der  Zwanziger  war  als  er  die  Weltreise  mitmachte,  so 
überrascht  die  Reife  seines  Urtheils  und  seiner  Auffassungen  um 
so   mehr. 

Rieh.  Biedermann.  Ueber  die  Structur  der  Tintinneu-Gehäuse. 

Aus  dem  zoolog.  Institut  der  Universität.  Kiel.  Lipsius  & 
Fischer.     1892.   'b8  S.     2  Tafeln  4".  —  Preis  2  Mk. 

Die  vorliegende  Schrift  ist  ein  Ergebniss  der  LTntersuchung 
der  von  der  deutschen  Plankton-E.xpedition  gesammelten  pela- 
gischen  Infusorien.  Die  zierlichen  Gehäuse  der  Familie  der  Tin- 
tinnen zeigen  mehr  oder  weniger  regelmässige  Hohlräume  in  der 
Substanz  ihrer  Wandung,  eine  alveoläre  Bildung,  welche  geringe 
Schwere  mit  Widerstandsfähigkeit  und  Elasticität  vorbindet  und 
zugleich  den  Vortheil  hat,  dass  weniger  Material  dazu  nöthig  ist; 
nebenbei  erhält  das  Gehäuse  dadurch  eine  eigenthümliche  Zier- 
lichkeit und  Schönheit.  Man  kann  darunter  etwa  folgende 
G nippen  unterscheiden : 

1.  Das  Gehäuse  ist  in  ein  rundliches  Wohnfach  und  einen 
mehr  cylindrischen  Aufsatz  geschieden  und  zeigt  eine  sehr  feine 
netzartige  Zusammensetzung,  während  einzelne  Stellen  einen  beson- 
deren Bau  zeigen  (secundäre  Structurtiguren);  diese  Stelleu  sind 
meist  symmetrisch  und  nicht  unmittelbar  mit  einander  zusammen- 
hängend. 

a)  Am  Aufsatz  immer,  am  Wohnfach  meistens  grosse  scharf- 
begrenzte, runde  oder  vieleckige  sehr  durchsichtige  Stellen, 
sogenannte  Fenster.  Nie  Fremdkörper  am  Gehäuse.  — 
Dictyocysten-Gruppe. 

b)  Nur  am  Wohnfach  und  auch  da  nicht  immer  Fenster  vor- 
handen, dagegen  andere  Structiirfigureu  oft  am  ganzen  Ge- 
häuse.    Fremdkörper  selten.  —  Codonella-Gruppe. 

2.  Gehäuse  schlank  oder  glockenförmig  ohne  besonderen 
Aufsati^,  netzartig,  ohne  Fenster,  mit  Neigung  zu  Spiralen  oder 
Kreisriugelung.  Zahlreiche  Frenulkörper  an  die  Schale  angekittet 
und  dadurch  die  Regelmässigkeit  der  primären  sechseckigen  Fel- 
dorung  oft  gestört.  —  T  i  n  t  i  n  n  o  p  s  i  s  -  G  r  u  p  p  o. 

3.  Ciehäuse  schlank,  ohne  besonderen  Aufsatz,  netzartig  ohne 
Fenster,  oft  mit  secuudären  Structurfiguren  oder  auch  Verstär- 
kungszügen, welche  regelmässig  unter  sich  zusammenhängen  und 
sich  gegenseitig  begrenzen. 

a)  Spitze  einfach  oder  fehlend.  Zwischenrippen  der  grossen 
Felder  sehr  stark.  Mündungsrand  meist  gezähnt.  —  Cytta- 
ro  cy  tis-Grup  p  e. 

b)  Spitze  oft  complicirt.  Zwischenwände  der  grossen  Waben 
dünn.  Felder  regelmässig  sechseckig,  an  verschieileneu 
Stellen  vim  verschiedener  Grösse.  —  Lauzon-Tintinneu. 


302 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  29. 


c)  Nur  gleichgrosse  regelmässig  sechseckige  Felder  am  ganzen 
Gehäuse.     Undella-Gruppe. 

d)  Längsleisten  an  der  Oberfläche  des  Gehäuses.  Grössere 
runde  oder  ovale  Felder  zwischen  den  gleichmässigen  sechs- 
eckigen eingestreut.     Streifen-Tintinnen. 

Das  Litteraturverzeichniss  enthält  22  Nummern,  beginnt  mit 
zwei  Werken  von  O.  Fr.  Müller,  1776  und  1786  und  endet  mit 
0.  Nordquist  1890.  Die  gut  ausgeführten  Tafeln  zeigen  die  wich- 
tigsten Formen  und  einzelne  besondere  Structnrverhältnisse  in 
Vergrösserungen  von  145  bis  1480.  E.  v.  Martens. 


Prof.  Dr.  Eduard  Heiden,  Leitfaden  der  gesammten  Dünger- 
lehre und  Statik  des  Landbaues.    3.  vermehrte  und  verbessiMte 
Aufl.,    umgearbeitet    von    Dr.  Hermann  Gräfe.      Philipp  Cohen 
(M.  Berliner).     Hannover  1892.  —  Preis  3,25  M. 
Das  bewährte  und   ausgezeichnete  Buch  erschien  zuerst  1873, 
die  vorliegende  3.  Aufl.  hat  die  verhältnissmässig  zahlreichen  Fort- 
schritte im  Gebiete  der  Agriculturchemie  des  letzten  Jahrzehntes 
passend  berücksichtigt.     Die   1.  Abtheilung   behandelt  die  Ernäh- 
rung  der  Pflanzen,    die  2.   den  Dünger    im   engeren   Sinne.      Das 
Buch    ist    möglichst    gemeinverständlich   gehalten,    um   auch  dem 
Landwirth,    dem    nur  geringere  wissenschaftliche  Kenntnisse    zur 
Verfügung  stehen,  verständlich  zu  sein. 


Prof.   Dr.    Emil   Koehne,    Deutsche   Dendrologie.      Kurze    Be- 
schreibung der  in  Deutschland   im    Freien    auslialtenden  Nadel- 
und  Laubholzgewächse  zur  schnellen  und  sicheren  Bestimmung 
der  Gattungen,  der  Arten  und  einiger  wichtigeren  Abarten  und 
Formen.    Mit  etwa  1000  Einzelfiguren  in  100  Abbildungen  nach 
Original -Zeichnungen    des    Verfassers.     Stuttgart,    Verlag  von 
Ferdinand  Enke.     1893.  —  Preis  14  Mk. 
Die  vorliegende  neue,  ausgezeichnete,  von  vielen  Seiten  sehn- 
süchtig erwartete  Dendrologie  wird  jeden,  der  sich  für  die  wilden 
und  bei  uns  im  Freien  aushaltenden  Gehölze  interessirt,  in  höchstem 
Maasse    befriedigen.      Dem    gelelirten    Fachmann    und    Praktiker, 
wie  z.  B.  dem  Baumschulen-Besitzer,   ist  das  Buch  unentbehrlich, 
denn  es  resumirt  nicht  nur  die  heutigen  Kenntnisse  in  dem  Gebiete 
auf  das  Treft'lichste,  sondern  der  gewissenhafte  Verfasser  hat  auch 
alles  selbst  untersucht  und  dadurch  ganz  wesentliche  Fortschritte 
errungen.     Der  Fachmann  würde  das    Buch,    das    nur    602  Seiten 
umfasst,  weit  umfangreicher  wünselien:    er  möchte   sich  von  dem 
Verf.  möglichst  viel  sagen  lassen,  und  diejenigen,    die   den  Herrn 
Verf.  kennen,  wissen    recht    gut,    dass    er    in  der  That  das  Buch 
sehr    viel    umfangreicher    hätte    gestalten    und    dabei    immer    aus 
eigener  Kenntniss    schöpfen    können.     Freilich  wird    das  Buch  in 
der  vorliegenden   Form    grössere   Verbreitung    finden,    namentlich 
wird  der  Liebhaber,   auf  dasselbe   aufmerksam  gemacht,    leichter 
die  Beschaffung  desselben  bewerkstelligen,    als  wenn   es   sich   um 
ein    umfangreiches    und    dann     nothwendigerweise     kostspieliges 
Werk  handeln  würde. 

Referent  hat  nach  dem  Buche  einige  Bestimmungen  probe- 
weise vorgenommen:  glatt  und  schnell  führten  dieselben  zum 
Ziel,  kurz,  Verf.  hat  in  jeder  Beziehung  das  Menschen-Mögliche 
erreicht. 

Die  Diagnosen  sind  bei  ihrer  Kürze,  die  stets  die  wichtigsten 
Merkmale  herausgreifen,  mustergültig:  die  Unterschiede  sind  in 
einer  grossen  Anzahl  von  Fällen  weit  schärfer  erfasst  worden,  als 
es  bis  dahin  geschehen  war,  und  viele  überhaupt  zum  ei-sten  Male 
erkannt  worden.  Es  steckt  in  dem  Werk  eine  gewaltige  Arbeit: 
jedes  Wort  ist  der  Beachtung  würdig.  Den  wissenschaftlichen 
Anforderungen  in  gleicher  Weise  entsprechende  Abbildungen,  wie 
die  vielen  Original-Zeichnungen  des  Verfassers,  hat  Referent  bisher 
in  keiner  anderen  Dendrologie  gefunden. 


Privatdoc.  Dr.  A.  Zinunermann,  Beiträge  zur  Morphologie  und 
Physiologie  der  Pflanzenzelle.  Heft  III  (Schluss  von  Bd.  I). 
Mit  1  Doppeltafel  und  21  Textfiguren.  H.  Laupp'sche  Buchh. 
Tübingen  1893.  —  Preis  4  Mk. 

Verl.  hat  in  dem  voi'liegenden  Hefte  auch  Untersuchungen 
Fremder  aufgenommen,  weshalb  wir  auf  dem  Titelblatt  dieses 
Heftes  und  dem  ihm  beigegebenen  Haupttitelblatt  des  Bandes  I 
die  Angabe  finden  „herausgegeben"  von  A.  Zimmermann,  während 
die  beiden  früheren  Hefte  einfach  als  Beiträge  „von"  A.  Z.  be- 
zeichnet sind.  Heft  III  bringt  die  Abhandlung  9  —  15  und  zwar: 
9.  Ueber  die  Elaioplaston,  10.  Zur  Wachsthumsmechanik  der  Zell- 
membran, 11.  Ueber  Apiocystis  Brauniana  Naeg.  (von  C.  Correns), 
12.  Zur  Kenntniss  der  inneren  Structur  einiger  Algenmembranen 
(von  demselben),  13.  Ueber  eigenartige  Membranverdickungen  im 
Blatte  von  Gyperus  alternifolius,  14.  Ueber  Calciumphosphataus- 
scheidungen  in  lebenden  Zellen   und  15.  Ueber  eigenartige   Cuti- 


cularbildungen  (von  K.  Schips).     No.  9,  10,  13  und  14  haben  den 
Herausgeber  zum  Verfasser. 

Die  trefflichen  Untersuchungen  sind  für  die  Lehre  von  der 
Pflanzenzelle  von  grossem  Werth,  seit  Hofmeister's  berühmter 
Arbeit  ist  kein  Werk  erschienen,  dass  so  eingehend  und  resultat- 
reich den  Gegenstand  gefördert  hätte:  der  Botaniker  muss  es 
kennen. 


Prof  Dr.  Ludw.  Neumann,  Die  Volksdichte  im  G-rossherzog- 
thum  Baden.  Eine  anthropogeographische  Untersuchung.  Mit 
einer  Höhenschichtenkarte  und  einer  Volksdichtekarte  Badens 
in  1:800  000.  Forschungen  zur  deutschen  Landes-  und  Volks- 
kunde, herausgegeben  von  A.  Kirchhofif,  Bd.  VII,  Heft  1.) 
8°.  172  S.  Stuttgart,  J.  Engelhorn,  1892.  —  Preis  9,40  Mark. 
Der  7.  Band  der  Forschungen  erött'net  eine  sehr  eingehende, 
mit  peinlichster  Sorgfalt  ausge.arbeitete,  auf  langjährigen  Special- 
Studien  bestehende  Arbeit  des  durch  seine  orometrischen  Arneiten 
über  den  Schwarzwald  u.  s.  w.  rühmlichst  bekannten  Freiburger 
Geographen,  welche  bereits  1890  abgeschlossen  war,  aber  wegen 
der  Kostspieligkeit  der  beiden  grossen  zu  derselben  gehörigen 
Karten  nicht  veröffentlicht  werden  konnte.  Durch  das  Badische 
Statistische  Bureau,  welches  von  mehreren  Ministerien  unterstützt 
wurde,  ist  die  Herausgabe  der  beiden  schönen  Kartenblätter  er- 
möglicht worden.  Als  Grundlage  für  die  Volksdichtekarte  glaubte 
der  Verfasser  erst  eine  Höhenschichtenkarte  neu  schaft'en  zu 
müssen,  was  an  sich  schon  eine  sehr  zeitraubende  und  mühselige 
Arbeit  erforderte.  Nach  welchen  Grundsätzen  dann  mit  Hilfe  der- 
selben die  Volksdichtekarte  ausgearbeitet  wurde,  ist  in  dem 
ausführliehen  ,, Allgemeinen  Theil"  (S.  11-70)  näher  dargelegt  und 
zu  den  bisherigen  Darstellungen  der  Volksdichte  Stellung  ge- 
nommen. Das  Wesentliche  ist,  dass  hier  nicht  von  den  po- 
litischen Eintheilungen  ausgegangen  wurde,  sondern  dass  Neu- 
mann die  natürlichen  Momente  möglichst  berücksichtigen 
will.  Die  Aufgabe,  welche  er  zu  lösen  sucht,  lautet:  „Wie  ver- 
theilt  sich  die  gegenwärtige  Bevölkerung  des  Grossherzogthums 
Baden  unter  dem  Einfluss  der  orohydrographischen  Lage,  der 
Höhe,  des  Klimas,  der  Bodenbeschalfenheit  und  Bodenbebauung, 
endlich  unter  Berücksichtigung  der  grossen  Verkehrsstrassen  und 
der  modernen  Ausgestaltung  der  Grossindustrie?''  Er  beschränkt 
sich  dabei  auf  Baden,  einmal,  weil  die  statistischen  Aufzeichnungen 
der  verschiedenen  Länder,  welche  nun  einmal  das  Urraaterial  für 
Volksdichtestudien  bilden  müssen,  nach  recht  verschiedenen  Ge- 
sichtspunkten gewonnen  wurden  und  daher  keine  gleichwerthige 
Verarbeitung  gestatten,  ausserdem  aber,  weil  die  auf  Autopsie  be- 
stehende Vertrautheit  des  Verfassers  mit  seinem  Arbeitsgeliiet, 
hauptsächlich  Baden,  dieses  aber  auch  nahezu  vollständig,  um- 
fasst. Er  gelangte  zu  folgenden  natürlichen  Untergruppen:  1.  Die 
nordöstliche  Stufenlandschaft  zwischen  Main  und  Neckar; 
2.  der  Odenwald  zu  beiden  Seiten  des  unteren  Neckars;  3.  das 
Kraichgauer  Hügelland  im  Süden  des  Odenwaldes  bis  zum 
Schwarzwald;  4.  die  Rh  ein  ebene;  5.  der  Schwarzwald;  6.  die 
Hochebene  der  Baar  im  Osten  des  Schwarzwaldes  und  an  der 
oberen  Donau;  7.  der  südliche  Theil  des  badischen  Jura  im 
Klettgau  zwischen  dem  Rhein  und  dem  Schweizer  Kanton 
Schaft'hausen;  8.  der  Jura  längs  der  Donau  vom  Randen  bis  in 
die  Gegend  von  Sigmaringen;  9.  die  Hochebene  des  Hegaues 
zwischen  Oberrhein  und  Jura;  10.  das  Linzgauer  Bergland  im 
Norden  des  Bodensees. 

Es  werden  nun  kurz  die  klimatischen  Zustände  dieser 
L;indestheile  dargelegt,  die  hydrographischen  Verhältnisse, 
besonders  namentlich  diejenigen  der  Rheinebene  besprochen  und 
eine  geschichtliche  Uebersicht  der  Besiedelung  des  heutigen 
Badens  gegeben,  bei  welcher  auch  die  prähistorischen  Funde  Be- 
rücksichtigung finden. 

Es  folgen  dann  eine  Anzahl  Tabellen  über  Fläche,  Volks- 
zahl und  Volksdichte  der  Landestheile  und  Höhenstufen  (S.  71 
bis  83),  hieran  schliesst  sich  der  „Spezielle  Theil".  Dieser 
bespricht  die  Volksdichte  der  oben  genannten  natürlichen 
Landestheile  und  sucht  namentlich  die  auf  der  Karte  nicht  zum 
Ausdruck  gebrachten  geographischen  Momente,  welche  bei  der 
heutigen  Volksdichte  eine  Rolle  gespielt  halien,  darzulegen.  Ver- 
fasser gelangt  dabei  zu  dem  schliesslichen  Ergebniss,  dass  das 
Moment  der  Meereshöhe  (welches  die  Karte  veranschaulicht), 
und  die  von  ihr  bedingten  klimatisciien  Einflüsse  nicht  so  ein- 
schneidend wirksam  ist,  wie  er  von  vornherein  eigentlich  erwartet 
hätte.  So  findet  man  wohl  im  Allgemeinen  in  der  gesammten 
Rheinebene,  welche  bis  300  m  unter  derselben  klimatischen  Be- 
günstigung steht,  wie  in  ihren  tiefsten  Theilen,  weiter  im  oberen 
Rheinthale  bis  zu  derselben  Höhengrenze,  sodann  in  den  ti(>f 
liegenden  Theilen  des  Main,  der  Tauber,  des  Neckar,  der  Murg 
und  Kinzig  bis  zu  200  m  eine  mittlere  Dichte  von  230  Köpfen  auf 
1  qkm,  aber  es  zeigen  sich  im  einzelnen  doch  grosse  Abweichungen 
von  diesem  Mittelwerthe,  wie  z.  B.  beim  Neckarthal  im  Bereich  des 
Buntsandsteins  und  Muschelkalks,  in  der  Rheinebene  über  und 
unter  dem  Hochufer  u.  s.  w.     Ueberall  nimmt  wohl  im  allgemeinen 


Nr.  29. 


Naturwissenschaftliche  Woclieiisciirift. 


303 


die  Volkszahl  mit  der  Höhe  ab,  aber  die  Art  dieser  Abnahme  ist 
grundverschieden  je  nach  der  orographischen  Ausgestaltung  der 
Höhenformen.  So  besitzt  z.  B.  die  rauheste  badische  Landschaft, 
die  Baar,  mit  ihren  strengen  Wintern  auf  einer  Mittelhöhe  von 
nicht  weniger  als  770  in  durch  iliren  treff  liclien  Boden  eine  Volks- 
dichte, die  bei  rein  landwirthschaftlichem  Charakter  der  Be- 
völkerung in  unseren  Breiten  kaum  wieder  angetroft'en  wird.  Der 
Kampf  mit  dem  Klima  wurde  hier  aufgenommen  und  siegreich 
durchgeführt,  da  dauernde  materielle  Hilfskräfte  ihm  zum  Sieg 
verhalfen.  Verfasser  muss  einräumen,  dass  für  die  Zusammen- 
häufung der  Bevölkerung  in  Niederlassungen  hauptsächlich  die 
Beschaffenheit  des  Bodens  und  sodann  die  Lage  einer  Siedehuig 
zum  allgemeinen  Verkehr  entscheidend  sind.  Natürlich  giebt  es 
auch  hinsichtlich  der  Höhenlage  Grenzen,  welche  nicht  Über- 
schrittenwerden. So  liegt  z.  B.  im  Schwarzwaldo  die  obere  Grenze 
ständiger  Wohnhäuser  genau  bei  12ÜÜ  m;  das  Jalu-esmittel  der 
Temperatur  ist  liier  nur  5/C.,  die  Mittel  für  Winter,  Frühling, 
Sommer,  Herbst  betragen  — 1,;  4,;  13,;  5|i°C.  Im  Allgemeinen 
kommt  e.«  aber  auf  die  Höhenlage  durchaus  erst  in  zweiter  Linie 
an,  denn  nach  Fr.  Ratzeis  Wort  ist  „die  geographische  Ver- 
breitung des  Menschen  das  Ergebniss  aus  dem  Zusammenwirken 
seiner  eigenen  Natur  mit  der  Natur,  die  ihn  rings  umgiebt."  Es 
wäre  daher  wohl  ein  noch  naturgemässeres  Bild  der  Bevölkerungs- 
dichtigkeit Badens  erzielt  worden,  wenn  Neumann,  statt  der  un- 
geheuren Arbeit,  welche  ihm  die  hier  vorliegende  Dichtekarte 
gemacht  hat,  die  einzelnen  Wohnplätze  ihrer  Einwohnerzahl  ent- 
sprechend durch  kleinere  und  grössere  Punkte  bezüglich  Kreisn 
bezeichnet  hätte,    wie    dies  Katzel    neuerdings  vorgeschlagen  hat. 

Fr.  Kec:el. 


Prof.  J.  Violle,  Lehrbuch    der  Physik.     Deutsche  Ausgabe  von 
Gumlich,    Holborn,    Jaeuer,    Kreichgauer,    Lindeck.      1.    Theil : 
Mechanik.     2.  Bd.   Mechanik    der    flüssigen    und  gasför- 
migen   Körper.     Mit    1309  Textfig.     Julius    Springer.     Berlin 
1893.  -  Pr.  10  Mk. 
Die  günstige   Beurtheilung,    welche    der   erste    Band   des  vor- 
liegenden, für  die  physikalische  Welt  höchst  willkommenen  Werkes 
erfahren  hat,  kann  in  gleicher  Weise  auch  auf  den  zweiten  Band 
ausgedehnt  werden.     Derselbe    beginnt    mit    einer    sehr    ausfüln-- 
lichen    Besprechung    der    bisher    au.sgeführteu  Versuche    über  die 
Compressibilität  der  Flüs.sigkeiten.    Es  folgt  dann  die  Hydrostatik 
in  althergebrachter  Form.     Eine    besonders    ausführliche    Darstel- 
lung finden  danach  die  Capillaritäts-  und  Ditiusionserscheinungen, 
sowie    die  Theorie    der    inneren    Reibung.     Die    letzteren    beiclen 
Erseheinungscomplexe    sind    auch    in    der  Lehre  von    den   gasför- 
migen Körpern  sehr  gründlich  behandelt.     Besonders  wohlthuend 
berührt  in  dem  vorliegenden  Handbuch,  dass  Theorie  und  Praxi.s 
in  ganz  gleichem  Maasse  Berücksichtigung  finden,  sodass  infolge- 
dessen der  nebenhergehende  Gebrauch  eines  zweiten  Compendiunis 
wohl  nur  sehr  selten  erforderlich  sein  dürfte.  Koerber. 


G.  Foussereau,  Polarisation  rotatoire,  reflexion  et  refraction 
vitreuses,  reflexion  metallique,  Lecons  faites  a  la  Sorbonne 
cu  1891  l)is  1892.     Georges  Carre,  a  Paris  1893. 

Für  denjenigen,  der  an  der  Anwendung  des  mathematischen 
Rüstzeugs  auf  physikalische  Probleme  und  an  der  Verfolgung  einer 
fruchtbaren  Theorie  bis  zu  ihren  letzten  Consequenzen  Freude  hat, 
giebt  es  kaum  ein  anregenderes  Studium,  als  das  der  höheren  Optik. 
Hier  ist  auf  den  von  Fresuol  geschaffenen  Grundlagen  ein  so 
reiches  und  harmonisch  gegliedertes  Gebäude  aufgeführt  worden, 
dass  man  vielfach  bereits  im  Stande  war.  theoretisch  als  Fol- 
gerungen der  zu  Grunde  gelegten  Hypothesen  Erscheinungen  ab- 
zuleiten, deren  experimentelle  Bestätigung  erst  später  genau  in  der 
vorher  bestimmten  Weise  erfolgte.  So  complicirt  und  so  schwer 
fasslich  für  unser  Vorstellungsvermögen  auch  immer  die  hypothe- 
tischen Voraussetzungen  der  Undulationstheorie  sein  mögen,  der- 
artige Untersuchungen  müssen  jeden  Zweifler  davon  überzeugen, 
dass  diese  Theorie,  selbst  wenn' sie  der  Wirklichkeit  nicht  völlig 
entsprechen  sollte,  doch  für  die  gegenwärtige  Wissenschaft  ein 
unschätzbares  Kleinod  ist.  —  Das  vorliegende  Werk,  aus  an  der 
Pariser  Sorbonne  gehaltenen  Vorlesungen  entstanden,  ist  in  holiera 
Maasse  geeignet,  beim  weiteren  Eindringen  in  die  Fragen  der 
hrdicrcn  (Jptik  als  Führer  zu  dienen.     Freilich  wird    eine    sichere 


Kenntniss  der  allgemeineren  Grundlagen  der  Lehre  von  der  Pola- 
risation des  Lichts  vorausgesetzt,  im  Uobrigen  ist  jedoch  dem 
Stoff  eine  möglichst  elementare  Behandlung  zu  Theil  geworden, 
die  noch  durch  zahlreicha  einfache  Figuren  unterstützt  wird.  — 
Den  ersten  Abschnitt  des  Buches  bildet  die  Besprechung  der 
natürlichen  Drehung  der  Polarisationsebene  im  Quarz  und  in  ge- 
wissen Flüssigkeiten.  Es  werden  dann  in  einem  zweiten  Abschnitt 
die  merkwürdigen  Einwirkungen  des  Magnetismus  auf  die  Pola- 
risationsebene mit  Ausführlichkeit  auseinandergesetzt.  Den  dritten 
Abschnitt  bildet  die  Theorie  der  Spiegelung  und  Brechung  bei 
durchsichtigen  Körpern,  während  im  letzten  Theil  des  Werkes  die 
Reflexion  an  Metallen  behandelt  wird.  Der  Autor  nimmt  überall 
auf  die  Originalabhandlungen  Bezug  und  hat  insbesondere  auch 
den  neuesten  Fortschritten  auf  seinem  Gebiete  gebührende  Auf- 
merksamkeit geschenkt.  So  finden  wir  im  ersten  Abschnitt  die 
Arbeiten  von  Mallard  und  Gouy,  im  zweiten  diejenigen  von 
Wiener,  Wedding  und  Chauvin  eingehend  berücksichtigt,  und  im 
letzten  Alischnitt  werden  die  Ergebnisse,  zu  denen  in  neuester 
Zeit  Rayleigh,  Wiener  und  Lippmann  gekommen  sind,  sorgfältig 
besprochen. Koerber. 

Klapalek,    F.,    Untersuchungen    über    die    Fauna    der    Gewässer 

Biihmens.     Prag.     3,G0  M. 
Babor.  J.,  et  J.  Kostal,     Note   sur    une  espeoe  nouvelle  d'Arion. 

Prag.    0,4(1  M. 
Beijerinck,  M.  W.,   Uebi'r  die  Butylalkoholgährung  und  das  Butyl- 

fiTuient.     Amsterdam.      ],lü  M. 
Bergemann,    P.,    Die  ^'erbreitung   der  Anthropophagie    über    die 

Erde     und     Ermittelung    einiger    Wesenzüge    dieses    Brauches. 

Bunzlau.     1,20  M. 
Bezold,    W.    V.,    Die    Meteorologie   als    Physik    der   Atmosphäre. 

0,.">0  M. 
Buckmann,  S.  S.,    Vererbungsgesetze    und    ihre  Anwendung   auf 

den  Menschen.     Leipzig.     2  M. 
Bung'B,  K.  V.,  Ein  Beitrag  zur  Kenntniss  der  Hydrastis  canadensis 

und  ihrer  Alkaloide.     Dorpat.     4,50  M. 
Correvon,  H.,  Les  orchidees  rustiques.     Genf.     4  M. 
Dippe,  A.,    Untersuchungen    über    die  Bedeutung    der  Denkform- 
Idee  in  tler  Philoso])hie  und  Geschichte.     Berlin.     1  M. 
Dubois,    E.,    Die    Klimate    der    geologischen    Vergangenheit    und 

ihre  Beziehung  zur  Entwickelungsgeschiehte  der  Sonne.    Leipzig. 

1,50  M.  '     ^ 

Eisler,    P.,    (Jrundriss    der    Anatomie    des    JNIenschen.      Stuttgart. 

7  M. 
Emmerich,  A.,    Der  Koordinatenbegriff   und    einige  Grundlehren 

vou  di'U  Kegelschnitten.     Essen.    ü,S0  M. 
Fenchel,    A.,     Die    Entwicklung    und    Degeneration    der    Hartge- 
bilde im  Thierreich  in  ihrer  Bedeutung  für  die  Degeneration  des 

menschlichen  Gebisses.     Hamburg.     1   M. 
Figdor,    W.,    Versuche    über    die    heliotropische    Emjifindlichkeit 

der  Pflanzen.     Leijizig.     0,30  M. 
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Stanil  der  Wissenschaft.     2.  (Schluss-)Bd.  Leipzig.     11  M. 
Frank,  H.,    Grundriss    der  Chirurgie    für  Studirende  und  Aerzte. 

Stuttgart.     6  M. 
Frenzel,    J.,     Untersuchungen    über    die    mikroskopische    Fauna 

Argentiniens. 
Gravelius,  H.,    Die    Anwendung    der    elliptischen  Functionen  bei 

Berechnung  absoluter  Störungen.     Berlin.     2  M. 
Gremli,   A.,    Excursionsflora    für    die    Schweiz.      7.  Aufl.     Aarau. 

5,10  M. 
Grimsehl,    Die    magnetischen  Kraftlinien    und    ihre  schulgemässe 

Behandlung    zur    Erklärung    der    Induktionsströme.      Hamburg. 

2,.'i0  M. 
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1,20  M. 


Berichtigung. 


Seite  272,  erste  Spalte,  Zeile  4  von  oben  muss  es  statt  Brom- 
berjr   —   Bombav  heissen. 


Inhalt:    Die  Natur    der    chemischen  Elemente.    —    Geburten    und  Eheschliessungen 

der  Aphten-Seuche  durch  den  Genuss  von  Süssrahmenbutter.  —  Die  Eiche  als  Käf 
Mikrosporangien  und  Mikrosporen  der  Torfmoose.  —  Die  Assimilation  des  freien 
Abhängigkeit  von  Species,  von  Eruährungsverhältnissen  \uu\  vcm  Bodenarten.  —  Zur 
das  im  Meerwasser  enthaltene  Gold  und  Silber.  —  Aus  dem  wissenschaftlicheti  Leben. 
Charles  Darwin:  Reise  eines  Naturforschers  um  die  Welt.  —  Rieh.  Bieder m: 
Gehäuse.  —  Prof.  Dr.  Eduard  Heiden:  Leitfaden  der  gesammten  Düngerlehre  und 
Koehne:  Deutsche  Dendrologie.  —  Privatdocent  Dr.  A.  Zimmermann:  Beitrag 
Pflanzenzelle.  —  Prof.  Dr.  Ludw.  Neu  mann:  Die  Volksdichte  im  CTrossherzogthum 
Physik.  —  Ct.  Foussereau:  Polarisation  rotatoire,  reflexion  et  refraction  vitreuses,  rc 


enezuela  im  Jalire  1892.  —  Uebertragung 
'er-Wohiuuig.  —  Ueber  die  vermeintlichen 

Stickstofts     bei    den     Pflanzen     in    ihrer 

(iCdlogie  von  Nord-Patagonien.  —  Ueber 
—  LItteratur:  Max  Nord  au:  Entartung. — 
nun:    Ueber   die   Structur   der   Tintinneu- 

Statik  des  Landbaues.  —  Prof.  Dr.  Emil 
e    zur    Morphologie    und    Physiologie    der 

Baden.  —  Prof.  J.  Violle:  Lehrbuch  der 
tlexion  metallique.  —  Liste.  —  Berichtigung. 


304 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  29. 


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welcher,  ein  scharfer  Beobacliter,  auch  seine  Beobachtungen  in  voUwerthiger  Münze 
ausprägt,  plaudert  darin  über  die  verschiedensten  Dinge:  die  Psychologie  der  Ich- 
sucht, l'arnassier  und  Diaboliker,  Decadenten  und  Aestheten,  Ibsenismus,  Friedrich 
Nietzsche,  Zola  und  die  Zolaschulen,  die  juugdeutschen  Nachätfer  u.  s.  w.  und  be- 
schäftigt sich  dann  mit  dem  20.  Jahrhundert,  dem  er  die  Prognose  stellt  und  von 
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Verlag:  Ferd.  Düiuinlers  Verlagsbuchhandlung,   Berlin  SW.  12. 


für    den    liiseratentheil:     Hugo  Bernstein    in  Berlin.  — 
—  Druck:  G.  Bernstein,  Berlin  SW.  12. 


Redaktion:         7         Dr.  H.  Potonie. 

Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung.  Berlin  SW.  12,  Zimmerstr.  94. 


VIII.  Band. 

Sonntag,  den  2:1  Juli  1893. 

Nr.  30. 

Abonnement:  Man  abonnirt  bei  allen  Buchhandlungen  und  Post-             v             Inserate:  Die  viergespaltene  Petitzeile  40  ^.    Grössere  Aufträge  ent- 
anstalten.   wie  bei  der  Expedition.    Der  Vierteljahrspreis  ist  ^M.—            dp           sprechenden  Rabatt.  Beilagen  nach  Uebereinkunft.  Inseratenannahme 
Bringegeld  bei  der  Post  15  ^  extra.                                       JL                          bei  allen  Annoncenbureaui,  wie  bei  der  Expedition. 

Ahdriirk  ist  nur  mit  vollstäii4liv;cr  t^nellcnangabe  gestattet. 

Die  Biene  als  Depeschenträgerin,  verglichen  mit  der  Taube. 


Von  Oberleliror  Clemens  Könis;. 


Dass  der  Hund,  der  Begleiter  des  Menschen,  der 
Hüter  seines  Hauses  nnd  seiner  Herde;i,  dass  die.ser  Jagd- 
geseile, Komödiant  und  barmherzige  Bruder  zu  St.  Bern- 
hard auch  als  Wegweiser,  Wachtposten  und  Postbote 
auftritt,  ist  allbekannt.  Ei)enso  bekannt  ist,  dass  Tauben 
allerlei  Botendienste  verrichten.  Dagegen  dürfte  die  Idee 
immer  noch  neu  und  originell  sein,  die  „Renner  unter  den 
Insecten",  die  „Meister  der  lebendigen  Steine'',  die  Honig- 
bienen, für  dergleichen  Dienste  zu  gebrauchen. 

Dieser  Gedanke  stammt  aus  Frankreich,  aus  der 
Gironde.  Die  Liebe  7Aim  Vaterland  hat  ihn  gross  ge- 
zogen. Herr  Teynac  ist  sein  geschickter  und  beredter 
Anwalt;  in  den  „Inventious  nouvelles",  1891  No.  9,  hat 
er  ausgeführt,  warum  er  gerade  diese  Thiere  dazu  aus- 
ersehen. Wenn  der  Feind,  so  sagt  er,  wieder  ins  Land 
kiniimt,  Städte  und  Festungen  mit  eisernen  Netzen  dicht 
umstrickt  und  alle  Post-  und  Telegraphenverbindungen 
zerstört,  dann  müssen  Hunde  und  Taulien  die  Depeschen 
besorgen,  und  wie  viele  Thiere  werden  dabei  weggefangen 
und  niedergeschossen?  Die  Bienen  gclien  nicht  so  leicht 
ein  Objekt  zum  Niederschiessen  nnd  Wegfangen  ab.  Des- 
halb sind  unsere  kleinen  Lieblinge,  die  im  Fiieden  durch 
ihre  Spenden  an  Honig  und  Wachs  den  Nati(nialrciclithum 
erhöhen,  ganz  l)esonders  dazu  geeignet,  während  eines 
Krieges  allerlei  Nachrichten  von  Ort  zu  Ort  zu  tragen. 

Es  ist  viel  leichter,  diesen  ansprechenden  Gedanken 
ins  Lächerliche  zu  ziehen,  als  ihn  auf  seinen  Wcrth  und 
seine  Bedeutung  hin  abzuwägen.    Und  ist  das  notliwcndigV 

(ialt  bei  uns  Deutschen  nicht  aucii  die  Brieftauben- 
zucht  vor  dem  grossen  Krieg  für  nichts  weiter  als  eine 
zweck-  und  nutzlose  Spielerei?  Erst  die  Thatsache,  dass 
im  Jahre  1870—71  durch  die  Tauben  150  000  amtliche 
und  eine  Million  Privatdepeschen  und  Postniandate  nach 
Paris  befördert  wurden,  hat  uns  veranlasst,  die  Brief- 
taubenzueht  als  eine  dem  Vaterlandc  dienende  Sache  auf- 
zufassen,   sie  zu  heben    uud    zu  fördern.     Erst  im  Jahre 


1883  haben  sich  die  deutschen  BrieftaubenzUchter- Vereine 
zu  einem  Verbände  geeinigt,  der  unter  dem  Profectorate 
Sr.  Majestät  des  Kaisers  von  Jahr  zu  Jahr  leistungs- 
fähiger geworden.  Ihm  hatte  das  königliche  Kriegs- 
ministerium bis  zum  Jahre  1889  bereits  17  goldene,  496 
silberne  und  490  bronzene  Staatsmedaillen  verliehen  und 
ausserdem  alljährlich  1000  Mark  für  Prämien  zum  Ab- 
schiessen  der  Habichte.  Am  Ende  des  genannten  Jahres 
zählte  der  Verband  bereits  1.52  Vereine  mit  2500  Mitgliedern 
und  70000  Brieftauben,  die  im  Kriegsfalle  den  Militärverwal- 
tungen zur  Verfügung  stehen.  Dabei  wollen  wir  nicht 
vergessen,  dass  so  manche  deutsche  Festung  ihren  eigenen 
Brieftaubenschlag  unterhält. 

Kann  sich  in  ähnlicher  Weise  nicht  auch  eine  Brief- 
bienenzucht entwickeln?  In  diesem  Vergleiche  liegt  un- 
bedingt die  ernste  Mahnung,  den  aufgestellten  und  aus- 
gearbeiteten Plan  der  Franzosen  vorurthcilsfrei  zu  prüfen. 
Den  Maassstab  hierzu  liefert  die  Geschichte  der  Brief- 
taubenzueht;  sie  schildert  uns  Einrichtungen  und  Leistungen, 
die  auch  für  die  Bicneupost  gelten  können. 

Wie  die  mit  Raben,  Dohlen  und  Elstern  angestellten 
Versuche  ausgefallen  sind,  habe  ich  nicht  erfahren  können. 
Aus  Buddes  „naturwissenschaftlichen  Plaudereien"  wissen 
wir,  was  die  Schwalben  leisten.  Am  24.  Sept.  1888,  so 
lesen  wir,  wurden  zu  Rheidt,  das  westlich  von  Düsseldorf 
gelegen,  aus  zwei  Nestern,  die  sich  in  einem  dortigen 
Tanzsaale  befanden  und  wegen  ihrer  Insassen  tieissig  be- 
obachtet wurden,  drei  alte  Schwalben  genommen.  Sie 
wurden  mit  einem  rothen  Bändchen  am  Beine  gezeichnet 
und  einem  Herrn  übergeben,  der  im  Begriffe  stand,  nach 
Berlin  zu  fahren.  In  Gütersloh  Hess  er  die  erste  Schwalbe, 
in  Minden  die  zweite  und  in  Hannover  die  dritte  auf  — 
und  davinifliegen.  Eine  jede  fand  sich  nach  Rlieidt  zurück; 
die  erste  hatte  156,  die  andere  212  und  die  dritte  26n 
Kilometer  Luftlinie  zurückgelegt,  und  alle  hatten  auf  ihrer 
Reise  das  Bändehen  vom  Beine  abgestreift. 


306 


Naturwissenschaftliehe  Wochenschrift. 


Nr.  30 


Die  Versuche  mit  Tauben  sind  viel  älter.  Schon 
Vater  Noah  schickte  drei  Tauben  aus.  Auf  den  Denk- 
mälern der  alten  Acgypter  lesen  wir,  dass  aus  Cypern 
und  Kreta  heimkehrende  Seeleute,  fern  vom  Lande,  Tauben 
aussaudten,  um  Verwandten  und  Bekannten  ihre  Ankunft 
zu  melden.  Auch  den  Griechen  und  Römern  war  der 
Gebrauch  bekannt.  Von  Taurosthenes  berichtet  Aeli - 
anus,  dass  er  die  aus  dem  väterhchen  Hause  mitgenom- 
mene Taube,  als  er  in  Olympia  den  Preis  errnng-eu,  mit 
einem  Purpurläppchen  behiug  und  nach  Hause,  zu  seinem 
Vater  in  Aegina  (etwa  170  km),  fliegen  Hess.  Und  De- 
cimus  Brutus,  so  erzählt  Plinius,  sandte,  als  ihn  seine 
Feinde  im  Jahre  43  v.  Chr.  in  Mutina  (:=  Modena)  ein- 
geschlossen hatten,  Briefe,  die  er  deu  Tauben  an  die 
Beine  gebunden,  ins  Lager  der  Konsuln  (vergl.  Lenz, 
Zoologie  der  alten  Griechen  und  Römer.  Gotha  1856. 
S.  358,  360). 

Im  Mittelalter  bestand  in  Bagdad  eine  vollständig- 
eingerichtete  Taubenpost.  Die  berühmte  Khalifenresidenz, 
die  damals  2  Millionen  Einwohner  hatte,  reichte  mit  ihren 
Karawanenverbindungen  bis  Byzanz,  Peking  und  Marokko. 
Als  die  Stadt  in  die  Hände  der  Mongolen  fiel,  verwelkte 
ihre  Bliithe,  und  damit  erreichte  die  Taubenpost  ihr  Ende. 
Im  fernen  Orient,  im  verkehrsreichen  Land  der  Mitte,  in 
China,  blühte  diese  Einrichtung  von  neuem  empor;  in 
Europa  dagegen  wollte  sie  gar  nicht  gedeihen.  Nur  hier 
und  da  bemerken  wir  ein  vereinzeltes  Beispiel: 

Den  Bewohnern  von  Harlem,  als  Friedrich  von 
Toledo  i.  J.  1572  ihre  Stadt  belagerte,  imd  den  Be- 
wohnern von  Leyden,  als  die  Spanier  i.  J.  1575  vor  ihren 
Mauern  lagen,  brachten  Brieftauben  die  frohe  Kunde,  dass 
der  Prinz  von  Oranien  mit  seiner  Hilfe  heranrücke. 
Später,  in  der  Napoleonischen  Zeit  finden  wir  die  Tauben 
wieder  auf  dem  Kriegsschauplatze,  besonders  in  Diensten 
des  Hauses  Rothschild.  Sie  bi'achten  z.  B.  der  Londoner 
Filiale  die  Nachricht  von  Napoleons  Niederlage  bei  Water- 
loo  drei  volle  Tage  früher,  als  die  englische  Regierung 
davon  Kunde  erhielt.  Diese  Zeit,  so  heisst  es,  wusste  das 
Bankhaus  durch  Aufkaufen  und  Verkaufen  der  geeigneten 
Staatspapiere  so  auszunützen,  dass  ihm  ein  Verdienst  von 
Millionen  zufiel.  Und  was  die  Brieftauben  während  der 
Belagerung  von  Paris  geleistet,  das  haben  wir  schon  mit- 
getheilt.  Und  wie  schnell  und  wie  weit  fliegen  die 
Thiere? 

Wenn  Masius  in  den  „gesammten  Naturwissen- 
schaften" (Essen  1874.  II.  Bd.  S.  639)  schreibt,  dass  zwei 
dieser  Vögel  „den  Weg  von  Paris  nach  Köln  in  ungefähr 
30  Minuten  zurücklegten,"  so  ist  das  ein  Irrthum  oder  ein 
Druckfehler;  denn  die  schnellsten  Thiere,  soweit  mein 
Wissen  reicht,  haben  diesen  Weg  von  385  km  in  etwas 
weniger  als  3  Stunden  durchsegelt,  d.  h.  in  der  Stunde 
130  km,  in  der  Sekunde  35  m.  Auch  unter  den  vielen 
Tauben,  die  ganz  besonders  auf  die  30  km  lange  Strecke 
Hildesheim-Hannover  eingeübt  waren,  brauchten  die  besten 
Flieger,  wie  Hoerter  (Der  Brieftaubensport,  Leipzig 
1890.  S.  92.  182)  angiebt,  und  noch  dazu  bei  kräftigem 
und  günstigem  Winde  15  Minuten,  d.  h.  sie  brauchten  eine 
Sekunde  zu  33V3  m  Wegstrecke.  Das  ist  eine  Riesen- 
leistung; denn  unser  schnellster  Eisenbahnzug,  der  Berlin- 
Hamburger  Eilzug,  durchbraust  die  286  km  lange  Strecke 
in  3  Stunden  38  Minuten,  d.  h.  in  der  Sekunde  durch- 
schnittlich 22  m.  Mit  diesen  schnellen  Boten  können  nur 
elektrische  Bahnen  wetteifern.  Auf  der  Linie  St.  Louis- 
Chicago  sollen  die  von  elektrischen  Motoren  getriebenen 
Wagen  in  der  Sekunde  45  m  weit  laufen. 

Wie  sehr  die  Fluggeschwindigkeit  der  Vögel  vom 
Winde  und  vom  Wetter  überhaupt  (auch  vom  Regen  und 
Nebel)  abhängig  ist,  haben  die  vielen  Versuche  mit  Brief- 
tauben klargestellt.    Von  deu  bei  entgegengesetztem  Sturm 


und  Regen  in  Hildesheim  ausgeflogenen  Tauben  kehrten  die 
ersten  nach  1  Stunde  30  Minuten  in  Hannover  ein;  zu 
5V  3  m  hatten  sie  durchschnittlich  1  Sek.  gebraucht. 

Die  längsten  Linien,  die  die  Tauben  durchflogen 
haben,  heissen,  soweit  meine  Erfahrung  reicht,  Barmen- 
Dresden  mit  460  und  Barmen-Königsberg  mit  980  km. 
Im  Kriege  spielen  kleinere  Entfernungen  eine  wichtige 
Rolle,  und  für  diese  lassen,  wie  Hoerter  durch  Versuche 
bewiesen,  sich  die  Tauben  auf  Hin-  und  Rückflug 
dressiren. 

Und  auf  welche  Weise  befördern  diese  Vögel  ihre 
Aufträge'?  Auf  Brief  bogen  und  Briefumschlägen  tragen  sie 
das  versiegelte  Schreiben  bald  im  Schnabel  (eine  Vor- 
stellung, die  ganz  und  gar  gegen  ,  die  Natur  der  Thiere 
spricht),  bald  am  Halse,  bald  au  den  Füssen  oder  unter 
den  Flügeln.  AH'  diese  Versuche  haben  sich  nicht  be- 
währt; denn  sie  beschränken  allzu  sehr  das  Thier  in 
seiner  freien  Bewegung. 

Später,  als  das  Bauniwollenpapier  aus  den  Fabriken 
von  Samarkand  von  den  Arabern  nach  Europa  gebracht 
wurde,  verbreitete  sich  auch  der  Gebrauch,  den  Tauben 
einen  festen  Papierstreif  mit  der  weiterzugebenden  Nach- 
richt um  einen  Fuss  zu  binden.  Wie  damals,  so  tragen 
noch  heute  Tag  für  Tag  Brieftauben  die  Preise  für  allerlei 
Waaren,  die  Ankunftszeiten  von  Dschunken,  den  Tageskurs 
des  Dollars  in  chinesischem  Kupfergeld  z.  B.  nach  und  aus 
Shanghai,  dem  grossen  Stapelplatze  Chinas.  Die  eigen- 
artige Entwickelung,  die  das  Reich  der  Mitte  genommen, 
ist  unseren  Besitzungen  in  Afrika  sicherlich  nicht  vor- 
gezeichuet.  Hier  werden  Telegraphen  und  Eisenbahnen, 
sobald  es  die  finanziellen  Mittel  gestatten,  gezogen  und 
gebaut  werden,  uud  deshalb  wird  hier,  trotz  der  auer- 
kennenswcrthen  Bemühungen  der  Herren  Roeder  in 
Heidelberg  und  Hoerter  in  Hannover,  die  Brieftaubenpost 
nie  eine  so  wichtige  Rolle  im  Verkehrsleben  spielen,  als 
bei  den  Söhnen  des  himmlischen   Reiches. 

Während  der  Belagerung  von  Paris  wurde  in  der 
Herstellung  und  Befestigung  der  Depeschen  für  Brief- 
tauben ein  grosser  Schritt  vorwärts  gethan.  Die  ins 
Land  zu  schickenden  Nachrichten  wurden  gross,  plakat- 
artig gedruckt  und  durch  einen  Mikrophotographen  auf- 
genommen und  vervielfältigt.  Die  Verkleinerung  betrug 
durchschnittlich  Vsuo-  Sechzehn  Druckseiten  mit  je  2500 
Buchstaben,  also  40  000  Buchstaben  fanden  dadurch  auf 
einem  5  cm  laugen  und  3  cm  breiten  Kollodiumhäutcheu 
Platz,  das  kaum  '/.jo  Gramm  wiegt.  Dieses  Blättchen 
wurde  zusannnengerollt,  in  eine  Federspule  oder  in  eine 
dünne  Glasröhre  gesteckt  und  diese  mittelst  eines  feineu 
Fadens  der  zum  Ausflug  bestimmten  Taube  au  die  mittelste 
Schwanzfeder  gebunden  oder  geuäht. 

Der  eingetroflenen  Taube  wurde  die  Depesche  abge- 
nommen, und  ein  der  Laterna  magica  ähnlicher  Apparat, 
in  dem  sie  eingeschaltet  ward,  warf  die  aufgedruckte 
Nachrieht  tur  jedermann  lesbar  auf  eine  au.sgespannte 
Leinwand.  Wie  die  Federhalter  mit  Photographie  be- 
weisen, genügt  schon  eine  Lupe  oder  ein  einfaches 
Mikroskop,  den  Druck  zu  lesen. 

Diese  Fortschritte  und  Errungenschaften  iuteressireu 
auch  den  Imker.  Oder  sollten  die  Bienen  nicht  im 
Stande  sein,  dergleichen  kleine  Photographien  weithin 
fortzutragen?  Wie  dabei  zu  verfahren  ist,  wollen  wir 
kurz  angeben. 

Aus  einem  hinreichend  bevölkerten  und  hinreichend 
mit  Nahrung  ausgestatteten  Stocke,  so  lauten  die  Vor- 
schriften, werden  eine  Anzahl  Bienen  entnommen,  in  eine 
sogen.  Reiseschachtel  gethan  und  darin  dorthin  geschickt, 
woher  die  Nachrichten  kommen  sollen.  Die  kleine  Schachtel 
ist  fest  gebaut  und  hat  im  Deckel  eine  mit  Metallgase 
verschlossene   OeHnuui;-.      Als  Muster    ohne  Werth    kann 


Nr.  30. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


307 


sie  zur  Post  gegeben  werden.  Sobald  am  Bestimmungs- 
ort die  lebendige  Sendung  ankommt,  wird  sie  in  einem 
verschlossenen  Zimmer  geöffnet,  damit  sich  die  Thiere 
von  der  Reise  erholen.  Am  nächsten  Morgen,  wenn  das 
Wetter  zur  Heinn-eise  günstig  ist,  werden  die  Bienen  be- 
sonders gefuttert;  es  wird  ihnen  ein  Teller  mit  Honig 
vorgesetzt,  und  während  sie  sich  zur  Mahlzeit  darauf 
niederlassen,  werden  sie  mit  der  Depesche  bepackt.  Die- 
selbe steht  auf  einem  schmalen  Streif  von  5  nun  Breite 
und  10  mm  Länge  und  kann  700  bis  800  Buchstaben 
aufnehmen.  An  der  vorderen  Schmalseite  trägt  der  Streif 
zwei  schwalbenscbwanzähnliche,  mit  Fischleim  bestrichene 
Enden,  die  dem  Boten,  der  mit  einer  Pincette  vorsichtig 
an  den  Flügeln  festgehalten  wird,  über  den  Rücken  her 
um  die  zwischen  Brust  und  Hinterleib  befindliche  Ein- 
schnürung gelegt  und  dann  auf  der  Brustseite  zusammen- 
geklebt werden.  Wie  bei  den  Tauben,  so  ist  auch  bei 
den  Bienen  das  Anbringen  der  Depesche  keine  leichte 
Arbeit.  Allein  durch  Uebung  und  Hilfe  wird  das  müh- 
same Werk  bald  leicht  und  schnell  gethan.  Ist  es  voll- 
bracht, dann  werden  die  Fenster  geiiffnet,  und  die  Brief- 
bienen fliegen  ans;  sie  steigen  auf,  und  nur  zu  bald  sind 
sie  den  aufmerksamen  Augen  entschwunden  An  ihrem 
Stocke  finden  wir  sie  wieder.  Hier  wurde  während  ihrer 
Abwesenheit  vor  das  Flugloch  ein  Kästchen  aus  Draht- 
gase gestellt.  Darin  sammeln  sich  die  kleinen  Depeschen- 
trägerinnen;  darin  werden  sie  gefangen  und  auf  das 
Zimmer  gebracht,  wo  ihnen  die  Depeschen  abgenommen 
und  Süssigkeiten  zur  Stärkung  dargereicht  werden,  und 
dann  werden  sie  zu  ihrem  Stande  zurückgetragen. 

So  originell  die  Idee  einer  Bienenpost  klingt,  so 
schlicht  und  einfach  ihre  Ausführung  erscheint,  so  bleiben 
nach  meiner  Meinung  doch  einige  Umstände  recht  störend. 

1.  Unstreitig  ist  die  Liebe,  Treue  und  Anhänglichkeit 
der  fiienen  zu  ihrer  Königin,  zu  ihrem  Stocke  sehr  gross. 
Je  ffcissiger  die  K(inigin  Eier  legt,  je  besser  sich  die 
Brut  im  Bau  entwickelt,  je  zahlreicher  das  Volk  und  je 
grösser  die  Reichthümcr  au  eingetragenem  Honig,  desto 
fester  und  stärker  halten  die  geheimnissvollen  Fäden,  die 
jede  Biene  in  ihren  Stock  zurückziehen.  Und  trotzdem 
verfliegen  sich  soviele  Thiere,  weit  mehr  als  Tauben. 
Jeder  Imker,  der  einmal  nelicn  seine  Stöcke  mit  schwarzen 
Bienen  einen  Stock  mit  gelben  Italienern  aufgestellt  hat, 
weiss,  wie  bald  jeder  Stock  fremde  Insassen  hatte.  Jeder 
Imker  wird  uns  erzählen,  wie  viele  von  den  fleissigen 
Thieren  auf  dem  Fluge  verloren  gehen.  Damit  kommen 
wir  zum  zweiten  Punkte. 

2.  Während  der  bunte  Schmetterling  mit  seinen  breiten 
Flügeln  im  Zickzackfluge  auf-  und  nieder-,  vor  und  rück- 
wärts gaukelt,  während  die  gemeine  Stubenfliege  mit 
hastiger  Sehnelle  in  die  Höhe  steigt  (sie  macht  in  der 
Sekunde  nach  Prof.  Giebel  600  Flügelschläge),  während 
die  mit  zarten  Netzflügeln  ausgerüsteten  Libellen,  die 
schnellsten  Segler  unter  den  Inseeten,  bald  nach  Art  der 
Schwalben  über  dem  Wasserspiegel  dahinschiessen,  Itald 
nach  Art  der  Wasserjungfern  in  zierlichen  Linien  dahin 
und  dortbin  tanzen,  fliegen  die  Bienen,  sobald  sie 
ihren  Magen  mit  Honig  oder  ihre  Körbchen  mit  Blumenstaub 
gefüllt  haben,  schnurstracks  heim.  Mit  Recht  nennen 
daher  die  Amerikaner  den  geraden  und  kürzesten  Wc^ 
„Bienenlinie"  (Bee  line).  Allein  innere  und  äussere  Mächte 
bewirken  bald  einzeln,  bald  vereint,  dass  der  Flug  miss- 
lingt.  Die  kräftige  Muskulatur,  die  reichverzweigten 
Athmungsröhren  und  weiten  Luftsäckc,  die  feste  Verha- 
kung der  Vorder-  und  Hinterflügel  reichen  zuweilen  nicht 
aus,  die  emsigen  und  reichbeladenen  Thiere  nach  Hause 
zu  tragen.  Müde  lileihen  sie  unterwegs  liegen.  Libellen 
und  Vögel  aller  Art  stellen  ihnen  nach.  Winde  werfen 
sie  nieder;   angenehme  und   süsse  Gerüche   führen  sie  in 


die  Irre.  Plötzlicher  Regen  oder  plötzlicher  Wärmerück- 
gang machen  sie  so  schwer  und  starr,  dass  sie  nicht 
weiter  fort  können.  Dazu  konniit  noch  das  geringe  Alter 
und  die  leichte  Verletzbarkeit  der  Thiere.  Fassen  wir  alle 
diese  feindlichen  Factoren  ins  Auge,  so  will  es  scheinen, 
als  sei  der  Satz  buchstäblich  wahr:  So  vielmal  die  Taube 
grösser  als  die  Biene,  so  vielmal  ein  Bienenvolk  kopf- 
reicher als  eine  Taubenfamilie  ist,  so  vielmal  mehr  Ge- 
fahren lauern  während  des  Fluges  auf  die  Bienen  als 
auf  die  Tauben. 

3.  Der  letzte  und  wichtigste  Einwand  betont  die 
Flugweite  der  Bienen.  Wenn  Friedrieh  Spee  in  seiner 
„wunderlieblichen    Hantirung    (1649)    der  Bienen"    singt: 

Mit  FlÜReln,  dünn  gezogen 

Von  giilduem  Pergamen, 

Sie  dickmals   (d.  i.  oftmals)  —  ungelogen  — 

Zwo  kleiner  Meilen  gehn, 

SO  hat  der  Dichter,  weil  er  sich  auf  ein  Jahrzehnte  lang 
licflogenes  Terrain  bezieht,  nicht  ganz  Unrecht.  Dagegen 
leiden  die  vielgehörten  Schilderungen  von  den  ägyptischen 
Bienen,  die  auf  Nilschitfen  je  nach  der  Jahreszeit  auf- 
und  abwärts  geführt  werden  und  viele,  viele  Meilen  weit 
auf  Tracht  ausfliegen  sollen  (vgl.  James  Samuelson, 
Die  Honigbiene.  Uebers.  von  Eduard  Müller,  Nord- 
hausen 1862.  S.  4  ff.),  offenbar  an  Uebertreibung.  Auf 
exacte  Versuche  gestützt,  haben  wir  bereits  in  der  Leipziger 
Bienenzeitung  (1892.  S.  107  ft';  1893  S.  40  ff";  S.  193  ff.)  her- 
vorgehoben, dass  von  allen  Bienen,  die  in  einer  Entfernung 
von  12  km,  von  ihrem  Standorte  <an  gerechnet,  zum  Heim- 
flug ausgesetzt  wurden,  keine  einzige  (sie  waren  mit  Anilin 
roth  gezeichnet)  und  zwar  nach  Tagen  und  Wochen  in 
den  Stöcken  ihres  Standes  aufzufinden  war.  Diese  That- 
saehe  kann  uns  gar  nicht  fremd  erscheinen.  Bedenken 
wir  nur,  wie  gering  die  Flughiihe  der  Bienen  ist,  und  wie 
wenig  das  Insectenauge  gegen  das  Vogelauge  leistet. 
Haben  doch  vielerlei  Experimente  und  Beobachtungen  er- 
wiesen, da.ss  die  Inseeten  mit  ihren  zusanmiengesctzten 
Augen  die  Form  und  Gestalt  der  Dinge  schlecht  wahr- 
nehmen, gut  dagegen  die  Bewegung  naher  Gegenstände 
(vgl.  E.  Jourdan,  Die  Sinne  und  Sinnesorgane  der  niederen 
Thiere.  Uebers.  von  W.  Marshall,  Leipzig  1891.  Seite 
290  ft';  304  ft).  Dazu  kommt  noch,  dass  unter  allen 
Sinnen  der  Inseeten  der  Geruch  obenan  steht,  d.  h.  der 
Sinn,  dessen  Werkzeug  die  zierlich  gegliederten  Fühler 
sind  (vgl.  Leipz.  Bienenz.  1893.  S.  6).  Mit  Hilfe  dieser 
Werkzeuge  ist  es  gewissen  Inseeten  sogar  möglich,  die 
Stelle  aufzufinden,  wo  sich  unter  einer  mehr  oder  weniger 
dicken  Erdschicht  ein  Engerling  vorfindet.  Wir  sprechen 
also  den  Bienen,  die  frei  ausgesetzt  werden,  das  Ver- 
mögen ab,  sich  aus  meilenweiter  Ferne  iieimzuflnden. 
Deshalb  haben  Freunde  der  Briefbienenpost  ausge- 
sprochen, es  könnten  doch  zwischen  den  beiden  End- 
punkten einige  Hilfsstationen  eingerichtet  werden.  Das 
klingt  in  der  Theorie  sehr  einfach,  in  der  Praxis  aber 
wird  dadurch  die  Arbeit  multiplicirt  und  potencirt.  Man 
bedenke  nur,  die  Nachricht,  die  von  .1  nach  dem  12  km 
weit  entfernten  B  gegeben  werden  soll,  muss  durch  die 
Zwischenstationen  1,  2  und  3  laufen,  d.  h.  die  Boten- 
bienen müssen  von  B  nach  3,  andere  von  3  nach  2, 
wieder  andere  von  2  nach  1  und  wieder  andere  von  1 
nach  Ä  gebracht  werden.  Das  ist  noch  einfach,  aber 
ebenso  vielinal  müssen  die  Thiere  mit  den  Depeschen  l»e- 
])ackt  und  entpackt  werden,  und  das  ist  und  bleibt  eine 
sehr  umständliche  Arbeit.  Deshall)  wäre  es  besser,  die 
Bienenväter  besorgten  gleich  selbst  die  Depeschen.  Wie 
das  Mittelalter  seine  Mctzgerpost,  so  würde  ilic  Gegen- 
wart ihre  Imkerpost  halten.  Im  Frieden  würde  es  ihr  an 
Aufträgen  fehlen,  und  im  Kriege  würde  sie  nichts  leisten 
können;  denn  die  Soldaten  würden  ihr  Angemnerk  nicht  auf 


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dieBienen,  sondern  auf  die  Imker  richten.  Deshalh  wäre 
es  wohl  besser,  Brief bienen  zu  erziehen,  d.  h.  Völker,  die 
angehalten  werden,  immer  weiter  und  weiter  zu  fliegen. 
Würden  z.  B.  in  einer  Festung  Bienen  gehalten  und  diese 
in  der  Eichtnng,  aus  welcher  Nacin-icht  kommen  soll, 
Woche  um  Woche  gefüttert,  erst  an  einem  300 — 400  m 
weit  vom  Stocke  abgelegenen  Orte,  dann  100  m  entfernter, 
und  danach  wieder  100  m  weiter  und  sofort,  so  würden 
im  Laufe  der  Jahre  Völker  heranwachsen,  die  das  Terrain 
gut  kennen  und  aus  einer  Ferne  sich  heimfinden,  die  im 
Kriege  zur  Einschmuggelung  von  Depeschen  geeignet 
ist.  Derartige  Versuche  werden  ebenso  gut  gelingen  wie 
bei  den  Brieftauben. 

Frankreich  war  es,  das  zuerst  befestigte  Punkte  durch 
hin-  und  zurückfliegende  Tauben  verband.  Italien  (Kapitän 
Malagoli)    und    Deutschland  (Hoerter)    folgten  seinem 


Beispiele.  Da  flogen  auf  der  65  km  langen  Strecke  Civita- 
vecchia-Rom  und  hier  auf  demoOkni  langen  Wege  Ilannover- 
Hildesheim  Brieftauben  hin  und  her,  wie  man  es  gerade 
liabcn  wollte.  Den  Briefbienen  soll  eine  ähnliche  Auf- 
gabe zufallen,  sie  sollen  näher  gelegene  Orte  verbinden 
und  neben  den  Brieftauben  dem  Verkehre  dienen. 

Frankreich  hat  den  Ruhm,  in  den  Bienen  zuerst 
einen  neuen  Depescheuträger  aufgefunden  zu  haben;  wir 
i  wünschen  ihm  auch  Glück  dazu,  diese  kühne  und  origi- 
nelle Idee  immer  weiter  und  leistungsfähiger  auszubauen. 
^Obgleich  wir  wissen,  dass  gerade  in  einem  Kriege 
unter  Umständen  kleine  Dienste  grosse  Bedeutung  er- 
langen können,  so  möchten  wir  doch  die  Einrichtung 
einer  Bienenpost  nicht  empfelden,  zumal  ihre  Leistungen 
von  der  Taubenpost  schneller,  leichter  uud  sicherer  aus- 
geführt werden. 


Die  Rosenbach'sche  Seekrankheitstheorie. 

Nochmals  kritisch  lieleiichtet  v.  Dr.  Karl  L.  Sohact'er. 


Die  Ideen  Rosenbach's  (Berliner  klin.  Wochenschrift 
1891,  No.  10  ft")  über  das  Wesen  der  Seekrankheit  habe 
ich  in  Bd.  VII,  No.  32  dieser  Zeitschrift  einer  ablehnenden 
Kritik  des  Inhalts  unterzogen,  dass  die  neue  Theorie  der 
Seekrankheit  keinen  Fortschritt  der  Wissenschaft  bedeuten 
könne,  indem  sie  ein  Luftsehloss  reiner  Hypothesen  auf 
einer  breiten  Basis  von  Selbstverständlichkeiten  errichte, 
auf  der  bereits  frühere  Autoren  annehmbarere,  weil  klarere 
und  experimentell  gestützte,  Theorien  über  die  Folgen 
passiver  Bewegungen  unseres  Körpers  aufbauten. 

Als  Erwiderung  hierauf  legt  Rosenbach  in  No.  38 
Bd.  VII  der  „Naturw.  Wochenschrift"  noch  einmal  seine 
Auffassung  der  Seekrankheit  in  kürzerer  Form  dar.  Der 
Kern  derselben  ist  folgender.  Die  schwankenden  Bewe- 
gungen, der  brüske  üebergang  des  Körpers  von  einer  Lage 
in  die  andere  hat  moleculare  Erschütterungen  aller  Gewebe 
zur  Folge.  Diese  führen  zu  Functionsstörnngen  der  Gewebe 
und  pflanzen  sich  ausserdem,  wie  jeder  Stoss,  der  ein 
schwingungsfähiges  Medium  trift't,  wellenförmig  in  die 
Nachbarschaft  fort.  Stossen  sie  auf  ihrem  Wege  auf  einen 
Nerven,  so  leitet  dieser  den  empfangenen  Reiz  ins  Central- 
organ  fort,  wo  er  theils  in  p.sychische  Sensationen,  theils 
in  motorische  Impulse  (z.   B.  Erbrechen)  umgesetzt    wird. 

Welches  ist  nun  die  Basis  von  Selbstverständlich- 
keiten, auf  der  dieses  Hypothesengebäude  ruht"?  Selbst- 
verständlich ist,  dass  bei  passiven  Bewegungen  unseres 
Körpers  Lage  Veränderungen  von  Tlieilen  desselben  mög- 
lich sind,  da  er  eben  keine  starre  Masse  bildet,  sondern 
aus  beweglichen  Theileu  zusammengesetzt  ist,  selbstver- 
ständlich ist  ferner,  dass, wenn  sensible  Nerven  endigungen 
in  dem  Bereich  der  Lageverschiebungen  liegen,  die  Reibung, 
Zerrung  etc.  der  sich  verscliielienden  Theile  einen  Reiz 
abgeben  kann,  der  ins  Oentralorgan  fortgeleitet  und  dort 
in  Sensationen  und  motorische  Impulse  umgesetzt  wird. 

Was  haben  andere  Forscher  auf  dieses  Fundament 
aufgebaut?  Sie  sagen:  Bei  passiven  Bewegungen  finden 
thatsächlich  Verschiebungen  verschiedener  Körpei'theile  in 
den  Gelenken  statt.  Wir  sehen  dies  daran,  dass  passiv 
Bewegte  ins  Schwanken  und  Taumeln  geratlien.  Ferner 
müssen  alle  etwa  im  Körper  vorhandenen  frei  beweg- 
lichen Flüssigkeiten  in  Bewegung  von  bestimmter  Form 
gerathen.  Die  Endolymphe  in  den  Bogengängen  ist  nach 
Ansicht  zahlreicher  Physiker  eine  solche  Flüssigkeit,  ücber 
die  Verschiebbarkeit  der  inneren  Organe  im  lebenden,  un- 
verletzten Organismus  weiss  man  einstweilen  zu  wenig, 
um  davon  für  eine  Theorie   der  Bewegungswahrnehmung 


Gebrauch  zu  machen;  es  ist  auch  überflüssig,  da  die 
anderen  beiden  Factoren  genügen.  In  den  Gelenken  so- 
wohl wie  in  den  Ampullen  der  Bogengänge  finden  sich 
sensible  Nervenendigungen.  Es  ist  eine,  zumal  im  Zeit- 
alter des  Darwinismus,  sehr  plausible  Annahme,  dass  die 
Verschiebung  der  Gelenkenden  rcspeetive  der  Endolymphe 
für  diese  Nervenendigungen  einen  adaequaten  Reiz  abgeben, 
welcher,  ins  Oentralorgan  fortgelcitct,  dort  Bewegungswahr- 
nehmungen nebst  gewissen  somatischen  Erscheinungen  aus- 
löst. Von  hier  zu  einer  Erklärung  der  Seekrankheit  — 
andere  deutete  ich  a.  a.  0.  an  —  ist  nur  ein  ganz  kleiner 
Schritt.  Es  bedarf  dazu  nur  noch  der  Annahme,  dass 
(auf  dem  Schifte)  die  andauernden,  sehr  intensiven  und 
sehr  rasch  wechselnden  Bewegungsempfindungs-Impulse 
in  aussergewöhulicher  Weise  auf  andere  Gebiete  desCentral- 
organs  irradiiren  —  eine  Erscheinung,  für  die  es  mehr- 
fache und  nahe  verwandte  Analogien  giebt  — .  Hier  haben 
wir  eine  zwar  nicht  ganz  neue  aber  dem  gegenwärtigen 
wissenschaftliclien  Standpunkt  entsprechende  und  genügende 
Hypothese.  Wer  über  sie  hinaus  oder  Besseres  an  ihre 
Stelle  setzen  will,  muss  neue  Experimente  bringen.  Ueber 
methodische  Experimente  aber,  selbst  naheliegende,  be- 
richtet Rosenbach  eigentlich  nichts,  gleichwie  auch  eine 
Benutzung  der  Litteratur  nirgends  zu  Tage  tritt. 

Welchen  positiven  Werth  hat  nun  die  Rosenbach'sche 
Theorie?  Ausgegangen  wird  von  der  Annahme,  dass  bei 
den  passiven  Bewegungen  Verscliielnnigen  der  Molecüle 
unter  einander  in  allen  Organen  stattfinden.  ( »b  man  diese 
Behauptung  so  ohne  weiteres  wird  gelten  lassen  dürfen, 
ist  doch  noch  sehr  fraglich,  und  dass  die  moleculareu  Ver- 
schiebungen auch  noch  die  Function  der  Gewebe  stören 
sollen,  ist  oftenl>ar  die  Quadratur  dieser  Fragwürdigkeit. 
Aber  gesetzt,  die  molecularen  Verschiebungen  beständen 
wirklieh  und  wären  —  eine  neue  Annahme  ohne  Stütze  — 
intensiv  genug,  um  bei  ihrer  wellenförmigen  Fortpflanzung 
den  nächsten  sensiblen  Nerven  —  die  Versorgung  der 
Organe  mit  sensiblen  Nerven  ist  übrigens  grösstcntheils 
noch  ganz  dunkel  —  zu  erreichen,  so  ist  erst  zu  beweisen, 
dass  die  Erschütterungen,  die  sie  dem  Nerven  ertheilen, 
nicht  unter  die  Reizschwelle  fallen.  Angenommen, 
der  Beweis  sei  erbracht,  was  müsste  die  nothwendige 
Folge  sein?  Da  alsdann,  wie  alle  Organe,  so  auch  das 
Gehirn,  von  molecularen  Schwingungen  durchsetzt  werden 
würde,  welche  einen  genügenden  Nervenreiz  darstellen, 
so  müssten  alle  Nervenbahnen  des  Gehirns  gereizt  werden 
und  daher  nach  dem  Princip  der  specifischen  Energie  der 


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Natuvvvissenschaftliche  Woeliensclirift. 


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Sinnesnerven  Hallucinationeii  in  säninitliclieu  Sinnes- 
gebicten  nebst  den  mannicbfaclisten  motorischen  Effecten 
auftreten!! 

Nun  noeli  zu  einigen  Details  des  Artikels:  „Moleculare 
Störungen  und  Seekrankheit." 

1 )  Zunächst  lege  ich  abermals  Verwahrung  gegen  den 
Ausdruck  „moleculare  Störungen"  ein,  was  nach  dem 
Vorstehenden  wohl  keiner  weiteren  Begründung  bedarf. 
Will  man  der  Thatsache,  dass  in  unserem  nicht  starren 
Körper  bei  ])assiveu  Bewegungen  Verschiel)ungen  möglich 
sind,  Ausdruck  geben,  bevor  man  an  die  nächste  Frage 
herantritt,  wo  die  Verschiebungen  stattfinden,  so  ist  wohl  die 
Bezeichnung:  „Verschiebungen  vim  Masseni)unkten  oder 
Massenpunktsystemen",  worunter  alles,  vom  Molecül  an 
bis  zu  einem  ganzen  Organ  oder  einer  ganzen  Extremität, 
verstanden  werden  kann,  ganz  gut  am  Platze,  jedenfalls 
wenigstens  unverfänglich.  Warum  bei  einer  Betrachtung 
unseres  Körpers  vom  rein  physikalischen  Standpunkt  der 
Ausdruck  „Massenpunktc"  „mciglichst  vermieden  werden 
sollte",  vermag  ich  nicht  einzusehen. 

2)  Der  in  mannichfaltiger  Anwendung  wiederkehrende 
Satz:  „Die  IMoleeüle  unseres  Organismus  befinden  sich  im 
labilen  Gleichgewicht",  entbehrt  einer  klaren  Deutung  und 
Begründung. 

3)  Ich  weiss  sehr  wohl,  dass  man  durch  einen  Stoss 
gegen  den  Unterleib  Erbrechen  und  noch  schwerere  Er- 
scheinungen erzeugen  kann.  Wenn  Herr  Rosenbach  mir 
irrthümlich  diese  Kenntniss  abspricht,    so   habe  ich  aller- 


dings durch  einen  schiefen  Ausdruck  selbst  dazu  Ver- 
anlassung gegeben.  Ich  sagte  1.  c.  „WerthvoUcr  .  .  .  wären 
Versuche  darüber  gewesen,  ob  man  durch  Stösse  gegen 
den  Magen  P]rbreclien  erzeugen  kann  ..."  Hiermit  meinte 
ich  nicht  die  Stösse  eines  Bo.xers  oder  der  Deichsel  eines 
durchgehenden  Gefährtes,  sondern  Folgendes:  Ein  Ex- 
perimentator soll  mit  den  Fingerspitzen  auf  das  Abdomen 
einer  vor  ihm  stehenden  Person  recht  leichte,  kurze  und 
rasch  den  Platz  wechselnde  drückende  Stösse  ausüljcn, 
um  so  aus  einer  mciglichst  getreuen  Nachahmung  der 
hypothetischen  Verschiebungen,  die  die  Abdominalorgane 
auf  schwankendem  Schiff  erfahren,  zu  ersehen,  ob  Er- 
brechen u.  s.  w.  die  Folge  ist.  Man  könnte  hieran  auch 
nachstehenden  Versuch  anschliessen.  Der  Kopf  wird  durch 
eine  Holzkapi)e,  wie  sie  Mach  zu  seinen  Versuchen  über 
Bewegungseniptindnngen  benutzt  hat,  unverrückbar  fixirt. 
Alsdann  wird  der  Rumpf,  soweit  die  Halsgclenke  Ex- 
cursionen  gestatten,  hin  und  her  geschaukelt.  Für  die 
etwa  auftretenden  Erscheinungen  von  Seekrankheit  sind 
dann  „moleculare  Erschütterungen"  des  Gebirns  nicht  mehr 
verantwortlich  zu  machen. 

4)  Ob  übrigens  Erbrechen  nach  einem  Stoss  gegen 
das  Abdomen  als  eine  rein  locale  Erscheinung  in  dem 
Sinne  auftreten  kann,  dass  es  nicht  rcflectorisch  unter 
Mitwirkung  des  Centralorgans  ausgelöst  wird,  lässt  sich 
doch  wohl  erst  durch  Versuche  entscheiden,  in  denen  jede 
nervöse  Verbindung  des  Jlagens  ndt  dem  Centrahiigan 
durchtrennt  wird. 


Die  erworbene  liiiiiiiiiiiiät  war  das  Thema  eines 
im  Club  der  Landwirthe  zu  Berlin  Anfang  dieses  .Talu^'S 
von  Prof.  Dr.  Schütz  von  der  Thicrärztlichen  Hochschule 
gehaltenen  Vortrages  (Archi\-  f.  wissensch.  u.  prakt.  Thicr- 
heilkunde  XIX.). 

Bei  Menschen  und  Thieren  kann  man  zwischen  festen 
und  flüssigen  Bestandtheilen  des  Körpers  scheiden.  Die 
festen  Bestandtheile  sind  die  Zellen,  und  bisher  wurde 
angenonmien,  dass  alle  Eigenschaften  des  menschlichen 
und  thierischen  Körpers  in  den  Zellen  residirten.  Hierzu 
gehörte  auch  die  Innnunität,  d.  h.  die  Eigenschaft  des 
Körpers,  gegen  Infectionskrankheitcn,  z.  B.  die  Pocken, 
geschützt  zu  sein.  Diese  Eigenschaft  war  entweder  an- 
geboren oder  wurde  durch  die  Impfung  erworben,  und 
man  stellte  sich  dabei  ^'or,  dass  die  Zellen  liei  geimpften 
Individuen  auf  Schädlichkeiten,  welche  durch  Bacterien 
gebildet  werden,  nicht  mehr  reagirten.  Später  hat 
Metschnikoff  diese  Auffassung  etwas  geändert.*)  Bekannt- 
lich sind  viele  Zellen  des  mensehlichen  oder  thierischen 
Körpers  im  Stande,  fremde  Dinge  in  sich  aufzunehmen 
oder,  wie  man  sagt,  zu  fressen.  Zu  diesen  Dingen  ge- 
hören auch  die  Bacterien,  welche  nach  der  Meinung  von 
Metschnikoff  von  den  Zellen  gefressen  werden  und  im 
Innern  der  Zellen  zu  Grunde  gehen  sollten.  Diese  Tliätig- 
keit  der  Zellen  konnte  geübt  werden,  und  diese  Uebung 
sollte  nach  der  Impfung  stattfinden,  wobei  die  in  der 
Impfflüssigkeit  enthaltenen,  weniger  schädlichen  Bacterien 
in  die  Blutbahn  gelangen  und  den  farbhisen  Blutkör]ierclien 
als  Material  dienen  sollten,  damit  die  letzteren  das 
Fressen  üben.  Hiernach  beruhte  die  Innnunität  auf  der 
gesteigerten  Fähigkeit  der  Zellen,  die  in  den  menschlichen 
oder  thierischen  Körper  eingedrungenen  Bacterien  zu 
fressen  und  zu  zerstören. 

In  dieser  Lehre  der  Immunität  bleibt  nur  fraglieb, 
ob  die  Bacterien  wirklich  erst  durch  die  Zellen  getödtet 
werden,  oder  ob  sie  nicht  schon  vorher,  ehe  sie  gefressen 


*)  Vergl.  „Naturw.  Woclic-iiselir."  IV  8.  25  ti'. 


worden,  unter  der  Einwirkung  der  Flüssigkeiten  des 
menschlichen  oder  thierischen  Körpers  zu  Grunde  gegangen 
sind,  oder,  wenn  die  Ansicht  von  Metschnikotf  zutreffend 
sein  sollte,  ob  nicht  wenigstens  den  Flüssigkeiten  des 
Körpers  gleichfalls  die  Fähigkeit  zugesprochen  werden 
kann,  die  Bacterien  zu  vernichten.  Denn  man  hatte  durch 
Behring  eine  merkwürdige  Eigenschaft  des  Rattenblutes 
kennen  gelernt;  während  sich  die  Milzbrandbacillen  im 
Blute  oder  im  Serum  des  Blutes  von  Rindern,  Schafen, 
Kaninchen,  Meerschweinchen,  Mäusen  etc.  vermehren,  gehen 
sie  im  Blute  oder  im  Serum  des  Blutes  vmi  Ratten  zu 
Grunde.  Mithin  besitzt  das  Rattenblut  bacterientödtende 
Eigenschaften,  und  die  Immunität  der  Ratten  gegen  Milz- 
brand ist  auf  diese  Eigenschaft  des  Rattenblutes  zurück- 
zuführen, beruht  also  bestimmt  nicht  auf  der  (iefrässigkeit 
der  zelligen  I^lemente.  Diese  Beobachtung  hatte  zur  Folge, 
dass  man  die  Aufmerksamkeit  auf  die  flüssigen  Bestand- 
theile des  mensehlichen  oder  thierischen  Körpers  beim 
Zustandekonmien  der  Innnunität  lenkte  und  behauptete, 
dass  durch  die  Impfung  eine  Aenderung  der  Blutbeschart'en- 
lieit,  namentlich  der  löslichen,  unbelebten  Theile  des  Blutes 
zu  Stande  käme. 

Die  Aenderung  der  Blutbeschatt'enhcit  kann  man  sich 
in  der  Weise  denken ,  dass  das  Blut  eines  geimpften 
Thieres  diejenigen  Krankheitserreger  tödtet,  gegen  welche 
es  durch  die  Im)ifung  innnun  geworden  ist.  Diese  Auf- 
fassung würde  eine  Verallgemeinerung  der -bei  Ratten  ge- 
machten Beobachtung  einsehliessen.  Dies  trifl't  indess  bei 
keinem  anderen  Thiere  weder  für  den  Milzbrand,  noch 
für  andere  Infectionskrankhciten  zu,  denn  im  Blute  von 
Schafen,  welche  gegen  den  Milz])rand  immun  gemacht 
worden  sind,  wachsen  und  vermehren  sich  die  Milzbrand- 
bacillen gerade  so  gut,  wie  die  Starrkranipfi)acillen  im 
Blute  von  Pferden,  welche  durch  Impfung  gegen  den  Starr- 
krampf geschützt  sind.  Die  Iiimuniität  der  Ratten  gegen 
den  Milzbrand  ist  eine  erei-btc,  keine  erworbene  Eigen- 
schaft des  Blutes,  und  nur  die  nach  der  Impfung  erworbene 
Eigenschaft  des  Blutes,  welche  der  Innnunität  zu  (Jrunde 


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Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  30. 


lieg-t,  also  die  künstlich  erzeugte  Immunität,  ist  Gegen- 
stand des  Schütz'schen  Vortrages. 

Die  Baeterien  der  lufcctionskrankheiten  der  Menschen 
und  Tliiere,  z.  R.  die  Komniabacillen  der  Cholera,  die 
Typhus-,  Diphtherie-,  Starrkrampf-,  Milzbrand,  Rausch- 
brand- etc.  Bacillen  bilden  specifische  Gifte,  die  Toxine 
oder  Toxalbiimine  genannt  werden.  Diese  Gifte  sind  Stotl'- 
wechselproducte  der  Baeterien.  Alle  Infcctionskrankheiten 
werden  durch  solche  Gifte  verursaciit  und  müssen  dem- 
nach im  strengeren  wissenschaftlichen  Sinne  zu  den  Ver- 
giftungen gerechnet  werden.  Diese  heftig  wirkenden  Gifte 
bilden  die  Baeterien  aber  nicht  nur  im  Körper  der  Men- 
schen und  Thiere,  in  welchen  sie  gelegentlich  einmal  bei 
den  Infectionen  eindringen,  sondern  auch  in  künstlichen 
Cnlturen,  in  sog.  Rcinculturen  der  Baeterien.  Jlithin  kann 
man  auch  durch  Uebertragung  von  Rcinculturen  bei  ge- 
sunden Thieren  die  specitischen  Erscheinungen  einer  In- 
fectionskrankheit,  für  welche  die  betreffenden  Thiere 
empfänglich  sind,  hervorrufen.  Ferner  bilden  die  Baeterien 
immunisirend  wirkende  Substanzen,  also  Substanzen,  welche 
Menschen  und  Thiere  gegen  die  giftigen  Wirkungen  der 
Baeterien  schützen  und  desshalb  schützende  Substanzen 
oder  kurz  Schutzsubstanzen  genannt  werden.  Auch  diese 
Substanzen  entstehen  in  den  Reinculturen  der  Baeterien. 
Hieraus  ergiebt  sich,  dass  durch  Einspritzung  von  Rcin- 
culturen der  Baeterien,  deren  giftige  Wirkung  abgeschwächt 
oder  aufgehoben  ist,  Menschen  und  Thiere  immun  ge- 
macht werden  können,  weil  mit  solchen  Reinculturen  l)e- 
sonders  die  schützenden  Substanzen  zur  Wirkung  gelangen. 
Diese  Entgiftung  der  Rcinculturen  kann  durch  Chemikalien 
bewirkt  werden,  z.  B.  Phenol,  Goldnatriumchlorid,  Sublimat- 
Natriumchloroborosum  und  besonders  durch  Jodtrichloriil. 
Zuerst  wurde  eine  locale  Behandlung  mit  den  Chemikalien 
versucht,  d.  h.  es  wurden  zuerst  bestimmte  Mengen  einer 
giftigen  Reincultur  unter  die  Haut  eines  Thieres  gespritzt 
und  gleich  hinterher  Lösungen  der  genannten  Chemikalien. 
Dieses  \'erfahren  hat  sich  jedoch  nicht  bewährt,  weil  die 
Entgiftung  der  eingespritzten  Cnlturen  häufig  eine  unge- 
nügende war  und  denuiach  viele  Thiere  der  vergiftenden 
AVirkung  der  Baeterien  erlagen.  Einen  besseren  Erfolg 
ci'zielte  man  dagegen,  wenn  die  Lösung  der  Chemikalien, 
z.  B.  des  .Jodtrichlorids,  vorher  der  Reincultur  zugesetzt 
wurde.  Denn  bei  dieser  Methode  konnte  man  ])eide  Flüssig- 
keiten inniger  mischen  und  die  Dauer  der  Einwirkung 
des  Jodtrichlorids  genauer  bestimmen,  man  konnte  starke 
und  schwache  Lösungen  des  .Jodtrichlorids  zu  den  Cnlturen 
hinzusetzen  und  mit  der  Einspritzung  stark  entgifteter 
Cnlturen  beginnen,  dann  zur  Einspritzung  weniger  ent- 
gifteter Cnlturen  übergehen  und  schliesslich  giftige  Cnl- 
turen zur  Anwendung  bringen. 

Die  Baeterien  werden  in  den  mit  Chemikalien  be- 
handelten Cnlturen  nicht  getödtet,  auch  nicht  ai)geschwächt, 
sondern  sinken  nur  auf  die  Stufe  der  unschädlichen  Bae- 
terien, die  zwar  weiterleben,  sich  vermehren,  vielleicht 
anch  noch  schmarotzen,  aber  nur  geringe  oder  keine  all- 
gemeine (Vergiftungs-)  Erscheinungen  hervorrufen  können. 
Mithin  sind  durch  die  Chemikalien  nur  die  Toxine,  welche 
die  Baeterien  gebildet  haben,  abgeschwächt  oder  zerstört 
worden.  Jodtrichlorid  bewirkt  diese  Atischwächung  der 
Cnlturen  in  36  —  48  Stunden.  Werden  derartig  abge- 
schwächte Cnlturen  unter  die  Haut  von  Menschen  oder 
Thieren  gespritzt,  so  entsteht  eine  hochgradige  Veränderung 
im  Stoffwechsel,  welche  sich  durch  gewisse  Reactionen 
(Ansteigen  der  Körpertemperatur  etc.)  zu  erkennen  giebt. 
Die  eingespritzte  Reincultur  der  Baeterien  mit  den  in  ihr 
enthaltenen  Schutzsubstanzen  bedingt  jetzt  die  Bildung  des 
Gegengiftes,  der  Antikörper,  und  diese  Bildung  findet  in 
gewissen,  noch  nicht  genauer  bekannten  Organen  der 
Menschen  und  Thiere  statt.  Nach  Beendigung  der  Reaction 


sind  Menschen  und  Thiere  immun  gegen  die  betrefteude 
Infectionskrankheit,  auch  ist  man  im  Stande,  bei  solchen 
Menschen  und  Thieren  durch  Einspritzung  immer  grösserer 
Mengen  abgeschwächter  Cnlturen  die  H(')he  der  Imnumität 
so  zu  steigern,  dass  schliesslich  giftige  Cnlturen  der  Bae- 
terien ohne  Schaden  ertragen  werden.  ^Mithin  sind  Men- 
schen und  Thiere  befähigt,  antitoxische  Substanzen  (Gegen- 
gifte) bilden  zu  können;  die  Bildung  dieser  Gegengifte  ist 
die  Folge  einer  durch  die  eingespritzten  Cnlturen  bedingten 
Reizung  gewisser  Organe,  und  diese  Reizung  ist  eine 
dauerhafte,  so  dass  entweder  für  das  ganze  Leben,  oder 
wenigstens  für  einen  grösseren  Theil  desselben  Gegengifte 
gebildet  werden  können.  Eine  Immunität,  welche  auf 
dieser  Fähigkeit  der  Menschen  und  Thiere  beruht,  wird 
als  „activc  Immunität"  bezeichnet. 

Die  Antikörper  immuner  Thiere  befinden  sich  im 
Blute  und  werden  entweder  verbraucht  oder  durch  die 
Secretionsorgane,  z.  B.  die  Milchdrüsen,  aus  dem  Blute 
ausgeschieden.  Mit  der  Steigerung  der  Immunitätshöhe 
nimmt  der  (4ehalt  des  Blutes  und  demnach  auch  der  Ge- 
halt der  Milch  etc.  an  Antikörpern  zu.  Folglich  würde 
der  Vorrath  an  letzteren  durch  Verl)rauch  und  Ausscheidung 
bald  erschöpft  sein,  wenn  nicht  fort  und  fort  neue  Anti- 
körper in  den  activ-inununen  Menschen  und  Thieren  ge- 
bilflet  würden.  Auf  dieser  andauernden  Bildung  von  Anti- 
körpern beruht  die  Unerschripflichkeit  des  Vorrathes  und 
folglich  die  Dauerhaftigkeit  der  Immunität. 

Es  kömnen  aber  anch  Menschen  und  Thiere  ininuin 
gemacht  werden  durch  Einsiiritzung  von  Blut  oder  Milch 
activ-immuncr  Thiere.  Bei  diesen  Einspritzungen  entstehen 
keine  schädlichen  Nebenwirkungen;  anch  tritt  die  Im- 
munität sofort  ein  und  ist  die  Höhe  derselben  abhängig 
von  der  Menge  der  eingespritzten  Antikörper.  Diese  Im- 
munität beruht  auf  der  blossen  Zufuhr  fertig  gebildeter 
Antikörper,  sie  wird  daher  als  „passive"  bezeichnet  und 
die  Dauer  derselben  ist  nur  eine  vorübergehende.  Denn 
die  mit  dem  Blute  oder  der  Milch  ni)crtragenen  Anti- 
körper werden,  wie  bei  activ-immunen  Thieren,  verbraucht 
oder  ausgeschieden,  ohne  dass  ein  Ersatz  derselben  statt- 
findet. Für  den  Starrkrampf  beträgt  die  Daner  der  passiven 
Immunität  öO  Tage,  für  die  übrigen  Infcctionskrankheiten 
aber  ist  die  Dauer  noch  nicht  mit  Sifherheit  festgestellt. 

Ein  Junges,  dessen  Vater  innnun  gemacht  und  dessen 
Mutter  normal  (d.  h.  nicht  immun  gemacht)  ist,  erweist 
sich  als  nicht  immun,  weil  die  Menge  der  Antikörper, 
welche  durch  den  mänidichen  Samen  auf  das  Junge  über- 
tiagen  wird,  nicht  ausreicht,  um  das  ganze  Blut  des 
.lungen  mit  Antikörpern  zu  versorgen.  Wenn  dagegen  der 
Vater  nornial  und  die  Mutter  immun  gemacht  ist,  so  fehlt 
dem  Jungen  niemals  die  Innuunität.  Während  der  fötalen 
Entwickelnng  wird  das  Junge  durch  das  Blut  der  Mutter 
monatelang  ernährt  und  dadurcli  werden  die  Antikörper 
der  Mutter  dem  P)lutc  des  Jungen  in  grösseren  Mengen 
zugeführt.  Alter  auch  das  Junge  verbraucht  die  Anti- 
körper und  scheidet  sie  aus;  folglich  nuiss  die  Innnnnität 
desselben  allmählich  abnehmen.  Ferner  verringert  das 
Wachsthum  und  die  dadurch  bedingte  Gewichtszunahme 
die  Inununität  des  Jungen,  weil  die  Menge  der  mit- 
gegebenen mütterlichen  Antikörper  auf  eine  grössere  Menge 
lebender  Substanz  sich  vertheilt.  Dieser  Ausfall  wird 
aber  während  des  Sängens  gedeckt,  weil  die  Milch  dem 
Jungen  neue  mütterliche  Antikörper  zuführt.  Denn  die 
mit  der  Milch  entleerten  Antik(irper  werden  in  den  Ver- 
daunngsorgancn  des  säugenden  Jungen  nicht  zerstört,  son- 
dern gehen  unverändert  in  das  Blut  desselben  über.  Auch 
findet  der  Uebergang  der  Antikörper  in  dcu  Organisnms 
des  sängenden  Jungen  ungewöhnlich  schnell  statt.  Mithin 
ist  die  angeborene  Immunität  eine  ])assive,  welche  sich 
aus  der  fötalen  Versorgung  des  Jungen  mit  Antikörpern  und 


Nr.  30. 


Naturvvissenschaftliclic  Woclienscliiit't. 


m\ 


der  Lactationsininuinisirung  (Säuglingsschutz)  zusamuieu- 
setzt.  Ol»  es  überliaupt  möglich  ist,  den  Fiitus  während 
seiner  Eutwickelung  im  Uterus  activ  zu  immunisiren,  bleil»t 
bis  jetzt  noeh  zweifelhaft.  Wenn  Cliauveau  eine  Immunität 
gegen  den  Milzbrand  bei  Lämmern  nachweisen  konnte, 
deren  Mütter  während  der  Trächtigkeit  einer  Schutz- 
impfung unterworfen  worden  waren,  so  darf  man  nicht 
unbeachtet  lassen,  dass  Chauveau  die  Probeimj)fung  der 
Läunner  in  den  ersten  14  Tagen  nach  der  Geburt  vor- 
nahm, also  zu  einer  Zeit,  in  der  auch  die  passive  Im- 
munität bei  den  Lämmern  ausgereicht  hätte,  um  diese 
Probe  ohne  Schaden  zu  überstehen.  In  jedem  Falle  geht 
aus  diesem  Versuche  nicht  hervor,  dass  die  Lämmer  nach 
der  Impfung  der  Mütter  aetiv-immun  geworden,  d.  h.  wäh- 
rend der  ganzen  Dauer  des  Lebens  gegen  den  Milzbrand 
geschützt  waren. 

Hiernach  ist  die  Muttermilch  für  die  Zwecke  des 
säugenden  Organismus  von  einer  kaum  geahnten  Bedeutung 
und  daher  auch  die  Neigung,  die  natürliche  Ernährung 
der  Kinder  durch  eine  künstliche  zu  verdrängen,  keines- 
wegs zu  billigen.  Namentlich  ist  hervorzuheben,  dass  eine 
ganze  Reihe  infectiöser  Krankheiten,  z.  B.  Scharlach,  Ma- 
sern etc.  bei  Kindern,  welche  sich  im  ersten  Lebensjahre 
befinden,  entweder  gar  nicht  oder  nur  äusserst  selten  vor- 
kommen, dass  also  die  in  Rede  stehende  Innnunität  gerade 
während  der  Dauer  der  Lactationsperiode  nachzuweisen 
ist  und  .später  allmählich  erlischt.  Dieser  Umstand  weist 
darauf  hin,  dass  zwischen  der  Innnunität  und  der  Lactation 
eine  bestimmte  Beziehung  bestehen  uuiss. 

Die  Toxine  oder  Toxalbumine  sind  specifisciic  Gifte, 
welche  durch  die  Bacterien  gebildet  werden,  und  die 
Antikörper  im  Blute  und  in  der  Milch  immun  gemachter 
Menschen  und  Thiere  sind  ihre  Gegengifte.  Mithin  sind 
sowohl  die  mit  der  activen,  wie  die  mit  der  passiven  Im- 
munität behafteten  lebenden  Individuen  gegen  dießacterien- 
gifte  geschützt,  also  giftfest.  Nur  ist  die  Giftfestigkeit 
bei  der  activen  Immunität  eine  andauernde  und  bei  der 
passiven  Immunität  eine  vorübergehende  Eigenschaft  des 
Blutes  und  der  Al)Sonderungsproducte  vieler  Drüsen. 

Den  Toxinen  ähnliche  Gifte  entstehen  auch  beim  nor- 
malen Stoffwechsel  gesunder  Mensehen  und  Thiere.  Diese 
Gifte  werden  physiologische  Stoft'wechselgifte  genannt. 
Auch  diese  Gifte  gehören  zu  den  Eiweisskörperu,  und 
zwar  rechnen  wir  zu  denselben  das  Pepton  und  die  Fer- 
mente: Pepsin,  Pankreatin,  Trypsin  etc.  Sie  gelangen  in 
das  Blut  und  kreisen  in  demselben,  bis  sie  verbrannt  sind. 
Aber  während  dieser  Zeit  üben  sie  keine  giftigen  Wir- 
kungen aus,  weil  Menschen  und  Thiere  die  Fähigkeit  be- 
sitzen, diese  Gifte  zu  zerstören.  ^lithin  können  .Menschen 
und  Thiere  giftzerstörende  Substanzen  in  den  Zellen  ge- 
wisser Organe  bilden,  und  zu  letzteren  rechnen  wir  die- 
jenigen, welche  reich  an  Zellen  und  Blut  sind  und  in 
welchen  ein  lebhafter  Stoffwechsel  stattfindet,  wie  Lymph- 
drüsen, Thymusdrüse  (Kälbermilch)  und  .Schikldrüse.  Wenn 
man  sich  durcli  eine  Hautwunde  inticirt,  so  reicht  die 
Infection  gewöhnlich  nur  bis  zur  nächsten  Lymphdrüse 
und  nicht  darüber  hinaus,  weil  in  letzterer  antitoxische 
Substanzen  (Gegengifte)  gebildet  werden,  welche  das 
durch  die  Lymphgefässe  eingeführte  Gift  zerstciren  und 
dadurch  den  übrigen  Körper  gegen  den  nachtheiligen  Ein- 
fluss  desselben  schützen.  Wenn  einem  Thiere  die  Schild- 
drüse herausgeschnitten  worden  ist,  so  treten  schwere 
allgemeine  Störungen  im  Körper  ein,  die  am  besten  mit 
einer  chronischen  Vergiftung  verglichen  werden  können. 
Dieses  Krankheitsbild  wird  mit  dem  Namen  der  Cachexia 
strumipriva  bezeichnet  und  die  Entstehung  desselben  auf 
die  schädliche  Einwirkung  giftiger  Substanzen  bezogen, 
die  in  der  Schilddrüse  hätten  zerstört  werden  müssen. 
Für  die  Annahme,  dass  in  der  Schilddrüse  Gegengifte  ent- 


stehen, spricht  auch,  dass  Hunde,  welche  noch  die  Schild- 
drüse besitzen,  erheblich  grössere  Mengen  von  Coffein 
(einer  dem  Xanthin  verwandten  Substanz)  ertragen,  als 
Hunde,  denen  die  Schilddrüse  herausgeschnitten  worden 
ist.  Auch  können  die  nach  der  Entfernung  der  Schild- 
drüse entstehenden  Krankheitserscheinungen  durch  Ein- 
spritzung von  Schilddrüsensaft  in  die  Blutbahn  beseitigt 
oder  durch  Transplantation  von  Schilddrüsengewebe  ge- 
bessert werden.  Demnach  kann  es  nicht  zweifeliiaft  sein, 
dass  in  gewissen  Organen  bei  ^lensclien  und  Thiercn  Gegen- 
gifte gebildet  werden,  welche  in  die  Blutbahn  gelangen. 

Ferner  wurde  der  Eintluss  der  in  den  Zellen  der  ge- 
nannten Organe  enthaltenen  autitoxischen  Substanzen  auf 
diejenigen  Gifte  erjjrobt,  welche  durch  Bacterien  erzeugt 
werden.  Zu  diesem  Zwecke  wurden  entweder  Reinculturen 
der  Bacterien  in  keimfrei  gemachten  wässerigen  Auszügen 
der  Thymusdrüse  gezüchtet  oder  zu  Bouillonculturen  der 
Bacterien  der  wässerige  keimfreie  Auszug  der  Thymus- 
drüse hinzugefügt.  Hierbei  ergab  sich,  dass  die  in  Rein- 
culturen der  Starrkrampf-,  Cholera-,  Diphtheriebacterien 
gebildeten  Gifte  durch  den  Thymus -Auszug  zerstiirt,  die 
immunisirend  wirkenden  Substanzen  (Schutzsubstanzen) 
aber  nicht  verändert  werden,  und  dass  deshalb  durch  Ein- 
spritzung eines  Gemisches  von  Reinculturen  der  Bacterien 
mit  wässerigem  Thynnis-Auszuge  Thiere  gegen  die  be- 
treffende Infectionskrankheit  activ  immun  gemacht  werden 
können.  ^lithin  wirkt  der  Thymus-Auszug  auf  die  Rein- 
culturen der  Bacterien  in  ähnlicher  Weise,  wie  z.  B.  das 
Jodtrichlorid.*)  Weiter  wurde  festgestellt,  dass  auch 
Blut  und  Milch  derartig  iunnunisirter  Thiere  im  Stande 
sind,    anderen  Thieren    passive    Immunität    zu    verleihen. 

Endlich  zeigte  Ehrlich,  dass  nach  der  mitgethcilten 
Methode  Thiere  selbst  gegen  giftige  Pflanzcneiwcisse, 
z.  B.  Ricin,  Abrin,  Robin  etc.  immun  gemacht  werden 
krmuen.  Denn  diese  PHanzeneiweisse  sind  in  ihrer  Wir- 
kung und  chemischen  Zusammensetzung  den  Toxinen  und 
Toxalbuminen  sehr  äindich.  Auch  wies  Ehrlich  nach, 
dass  das  Blut  von  Thieren,  welche  gegen  die  giftige  Wir- 
kung der  Pflanzeneiweisse  geschützt  sind,  Antikörper 
(Antiricin  etc.)  enthält,  und  dass  durch  Einsjjritzung  von 
Blut  solcher  Thiere  auch  auf  andere  Thiere  Antikfirper 
und  dandt  die  Eigenschaften,  giftige  Pflanzeneiweisse  un- 
schädlich zu  machen,  übertragen  werden  können. 

Es  ist  zweifellos,  dass  die  Bacterien  durch  die  Gifte, 
welche  sie  erzeugen,  krankmachend  wirken.  Demnach 
beruht  der  Schutz,  welcher  bei  Menschen  und  Thieren 
gegen  die  Infectionskrankheiten  künstlich  erzeugt  werden 
kann,  entweder  darauf,  dass  die  Bacterien  get(idtet  werden, 
bezw.  im  Körper  der  Menschen  und  Thiere  sich  nicht 
mehr  vermehren  können,  oder  darauf,  dass  die  von  den 
Bacterien  gebildeten  Gifte  zerstört  werden.  Die  Eigen- 
schaft eines  Menschen  und  Thieres,  Bacterien  zu  tödten 
oder  die  Vermehrung  der  Bacterien  zu  verhindern,  nennen 
wir  jetzt  die  Innnunität,  die  Eigenschaft  dagegen,  Hac- 
teriengifte  unschädlich  zu  machen,  die  Giftfestigkeit. 
Kaninchen  sind  zwar  gegen  die  Bacillen  des  Starrkrampfes 
immun,  weil  letztere  bei  ihnen  nicht  fortkommen  können, 
sie  erliegen  aber  der  Einwirkung  des  durch  die  Starr- 
krampfbaeillen  gebildeten  Giftes  mul  sind  folglich  nicht 
giftfest.  '  X 


')  Das  Jodtrichlorid   zersetzt   sich  beim  Auflösen  in  Wasser 
in  Jodmonochloriil,  Joilsäure  und  Salzsäure  nach  der  Gleichung 
4  JCI3  +  5  H.O  =  10  HCl  +  2  JCl  -+-  JA- 

Die  antiseptische  Wirkung  der  Jodtriehloridlösung  beruht  auf  dem 
Mouochloridgehalte  derselben.  Jodsäure  und  Salzsäure  spielen  nur 
eine  unterstützende,  nebensächliche  Rolle. 


312 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  30. 


Eine  gewöhnliche  Art  der  Erhaltung  von  Stig- 
niaria  als  Beweis  für  die  Autochthonie  von  Carbon- 
Pflanzen  besprach  Dr.  H.  Potonie  in  der  Juli-Sitzung  der 
Deutschen  geologischen  Gesellschaft  zu  Berlin. 

Die  Frage,  ob  die  Pflanzen  der  Steinkohlen-Formation 
an  demselben  Orte  gewachsen  sind,  wo  heutigen  Tages 
ihre  Reste  und  Spuren  gefunden  werden,  oder  ob  sie, 
bevor  sie  au  die  heutigen  Fundstellen  gelangten,  einen 
mehr  oder  minder  weitgehenden  Transport  erlitten  haben, 
wird  von  Zeit  zu  Zeit  immer  wieder  aufgeworfen  und 
erörtert.  So  hat  neuerditigs  Herr  Carl  Ochsenius  in 
der  Zeitschrift  der  Deutschen  geologischen  (iesellschaft 
(XLIV,  Seite  84  tt'.)  speziell  wieder  „Die  Bildung  von 
Kohlenrtötzeu"  besprochen  und  ist  dabei  zu  dem 
Schluss  gekommen,  dass  die  Kohlcnflotze  ganz  über- 
wiegend aus  transportirtem  Pflanzenmaterial  zu- 
sammengesetzt werden  (alloclithone  Entstehung),  während 
autochthone  Entstehung  nur  sehr  untergeordnet  anzu- 
nehmen sei.  Da  von  den  Conglomerat-,  Sandstein-  und 
Schieferthon-Mitteln  speciell  der  Kohlenflötze  des  Carbons 
nach  Oehseuius  dasselbe  gilt,  so  ist  jeder  auch  nur  aut 
Grund  des  Studiums  der  Mittel  sich  bietende  Fall,  der  in 
der  Lage  ist,  die  Frage  von  einer  neuen  Seite  her  zu 
beleuchten,  auch  von  einem  gewissen  Werth  für  die  An- 
sichten über  die  Entstehung  der  Kohlenfliitze. 

P.  betont  nun,  dass  nach  seinen  lieobaclitungen  im 
Carbon  von  Oberschlesien  (mit  dem  er  sich  alle  Jahre 
mehrmals  seit  fast  einem  Jahrzehnt  an  Ort  und  Stelle  zu 
beschäftigen  Gelegenheit  hatte)  sich  speciell  im  Schiefer- 
thon  ausserordentlich  häufig  Stigmaria  ticoides  Brong- 
niart*)  in  einer  Erhaltungsweise  flndet,  die  den  Schluss 
zu  gebieten  scheint,  dass  das  genannte  Fossil  niitsammt 
seinen  oberirdisciien  Theilen  an  derselben  Stelle  ge- 
wachsen ist,  wo  es  heute  gefunden  wird,  dass  solcher 
Schieferthon  demnach  gewissermaassen  „versteinerter 
Humus"  genannt  werden  kann. 

Es  ist  nämlich  als  ganz  gewöhnliche  Erhaltungsweise 
von  .'tigmaria  zu  constatiren,  dass  die  cylindrisch  ge- 
weseuL'  lind  als  flache,  lineale,  wie  Blätter  den  Stigmaria- 
Hauptkörpe..;  ansitzenden  Anhänge  —  wenn  wir  uns 
einen  Querschnitt  durch  den  Haujjtkörpcr  vorstellen  — 
nach  allen  Riehtungen  hin  vom  Ilauptkiiiper  aus- 
strahlen, also  keineswegs  alle  in  derselben  Schichtungs- 
fläche verlaufen  wie  dei-  horizontal  kriechende  Hanpt- 
körper,  wie  das  verlangt  werden  müsste,  wenn  die 
Stigmarien  allochthon  wären. 

Wenn  man  berücksichtigt,  dass  die  Anatomie  der 
Stigmaria-Appendices  genügend  bekannt  ist,  um  sich  das 
Urtheil  bilden  zu  können,  dass  sie  mechanischen  Ein- 
flüssen gegenüber  sehr  wenig  resistenzfähig  gewesen 
sein  müssen,  da  sie  aus  einem  grosszelligen  Parenchym 
und  einem  nur  schwachen  centralen  Leitbündel  bestehen 
(Skelett-Zellen  sind  nicht  beobachtet],  so  dass  sie,  aus  dem 
Boden  lebend  hei-ausgezogen,  sofort  schlaft'  herabhängen 
mussten,  so  erscheint  ein  Transport  von  Resten  wie  die 
Stigmarien  mit  noch  anhaftenden  und  senkrecht  vom  Haupt- 
körper ausstrahlenden  Appendices  —  wenn  man  nicht 
annehmen  will,  dass  der  Erdboden,  in  dem  er  wuchs,  mit 
transportirt  wurde  —  ganz  und  gar  ausgeschlossen.  Auch 
wenn  die  Appendices  wie  Borsten  starr  von  den  Haupt- 
körpern der  Stigmarien  abgestanden  hätten,  wäre  ein 
weitgehenderer  Transport  kaum  annehmbar,  da  dabei 
eine  häufigere  Schädigung  durch  Alibrechen  von  Theilen 
beobachtet  werden  müsste,  als  das  bei  vorsichtigem  Hcr- 
ausmeisselu  thatsächlicli  gefunden  wird.    P.  hat  die  Appen- 


*)  Zur  Orientirung    über    Stigmariti    ficoiUes,   verf^l.   „Natiirw. 
Woclienschr."  Bd.  11  S.  74  u.  Bd.  Vit  S.  337  ff. 


dices     in     den     vielen    Fällen,     die     untersucht    werden 
konnten,  intact  gefunden. 

Wäre  der  geschilderte  Fall  ein  vereinzelter,  so 
würde  er  zwar  zu  denken  geben,  da  ein  so  feiner  Sehlannn, 
wie  es  der  Thonschiefer  gewesen  ist,  sich  schwerlich 
lange  bei  einem  Transport  zwischen  den  Appendices 
halten  würde,  aber  er  könnte  doch  nicht  benutzt  werden, 
um  aus  ihm  irgend  etwas  Sicheres  bezüglich  der  Ent- 
stehung des  Stigmaria-Schiefers  zu  folgern,  weil  noth- 
gedrungen  Ausnahmezustände  beim  Zustandekommen  des- 
selben anzunehmen  sein  würden;  der  Fall  ist  aber  — 
wenigstens  in  Oberschlesien,  wo  P.,  wie  gesagt,  in  der 
Lage  war,  grössere  Erfahrungen  zu  sammeln  —  durchaus 
der  gewöhnliche.  Ja  es  ist  P.  nicht  einmal  erinner- 
lich, jemals  eine  Stigmaria  mit  noch  anhaftenden  Appen- 
dices gefunden  zu  haben,  bei  der  die  letzteren  sich  nicht 
in  gleicher  Weise  verhielten  wie  angedeutet. 

Es  ist  P.  in  Oberschlesien  stets  aufgefallen,  dass  der 
Stigmaria-Schiefer  beim  Zerschlagen  in  Richtung  der 
Schichtungsfläche  zur  Constatirung  etwaiger  Petrefacten 
sofort  ilaran  zu  erkennen  ist,  dass  er  kaum  und  schwer 
in  der  gewünschten  Weise  zerfällt,  sondern  dass  er  nach 
allen  Richtungen  hin  zerl)röckelt:  eine  Folge  der  radial  vom 
eylindrischen  und  zusammengedrückten  Hauptkürper  aus- 
strahlenden Appendices,  während  Ijci  angeschwemmten 
Materialien  dieselben  also  naturgemäss  nur  in  parallelen 
Ebenen,  den  Schichtungsflächen,  liegen.  Sehr  bezeichnend 
ist  auch  die  Petrefacten-Armuth  des  Stigmaria-Schiefers, 
was  sich  bei  der  Annahme,  dass  die  Stigmarien  an  Ort 
und  Stelle,  wo  sie  gefunden  werden,  auch  gewachsen 
sind,  von  selbst  versteht,  da  in  einem  Schlamme,  der  die 
unterirdischen  Theile  noch  lebender  Pflanzen-Arten  enthält, 
die  den  Boden  activ  durchwühlen,  eine  Verwesung  von 
abgestorbenen  Pflanzenresten  besonders  intensiv  sein  muss. 
Petrefacten  sind  in  „versteinertem  Humus",  abgesehen  von 
unterirdischen  Organtheilen  von  Pflanzen,  im  Allgemeinen 
von  vornherein  nicht  zahlreich  zu  erwarten. 

Noch  ein  anderes  Verhalten  der  Stigmaria,  welches 
allen  Pflanzen-Paläontologen,  die  sicii  mit  der  Anatomie 
der  fossilen  Reste  beschäftigen,  gut  bekannt  ist,  scheint 
dafür  zu  sprechen,  dass  autochthone  Entstehung  min- 
destens weit  häufiger  ist,  als  es  Ochsenius  anninnnt.  Gar- 
nicht  selten  kann  man  nändich  an  echten  Versteinerungen 
z.  B.  von  Stammstücken,  die  also  die  innere,  zellige 
Structur  der  Pflanzenreste  zeigen,  beobachten,  dass  die- 
selben von  Stigmaria-Appendices  durchzogen  werden. 
Man  muss  sich  wohl  \orstellen,  dass  diese  Stigmaria- 
Appendices  erst  in  die  versteinerten  Stammstücke  lebens- 
kräftig eingedrungen  sind,  als  das  letztere  bereits  in 
dem  Humus,  in  weleheni  die  Stigmaria  mit  ihren  Appen- 
dices eindrangen,  eingebettet  lag. 

Man  muss  nach  dem  Gesagten  duichaus  annehmen, 
dass  ein  grosser  Tlieil  der  Schieferthon-Flützmittel  des 
oberschlesisehcn  Carbons  bereits  angeschwemmt  war, 
bevor  die  Stigmarien  darin  wuchsen. 

Auch  aus  anileren  Carbon-Revieren  sind  ähnliche  Er- 
scheinungen bekannt,  so  senkrecht  zu  den  Schichtungs- 
flächen stehende  zahlreiche  Reste  unterirdischer  Organe, 
deren  Wurzeln  sich  noch  durchaus  in  derselben 
Lage  befinden  wie  zu  Lebzeiten  der  zugehörigen 
Pflanzen-Arten.  Aufrecht  stehende  (d.  h.  senkrecht 
zu  den  Schichtungsflächen  stehende)  Stämme  sind  längst 
zur  Begründung  autochthoner  Entstehung  herangezogen 
worden,"  sind  aber  freilich  nicht  so  beweiskräftig  wie 
die  geschilderte  Erhaltungsweise  von  Stigmaria  und  die 
Wurzeln. 

Die  Annainne,  dass  es  sich  in  allen  solchen  Fällen 
um  den  Transport  ganzer  Schollen  haudele,  begegnet 
weitaus  grösseren  Schwierigkeiten,  als  die  Annahme  autoch- 


Nr.  ^0. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


313 


thoner  Bildungen;  denn  schwimmende  Inseln  dürften 
iumicrhin  auch  zur  Carbonzeit  eine  untergeordnete  Er- 
scheinung gewesen  sein. 

Ochsenius  meint  (1.  c.  S.  91,  92 1,  dass  sich  die  am 
Platze  gewaclisenen  unterirdischen  Organe  in  unter  Wasser 
gesunkenem  Lande  befänden.  Er  sagt,  „der  Fall  gehört 
wohl  nicht  zu  den  häufigen,  ist  aber  schon  mehrmals  bc- 
ohaclitct  worden."  Für  Oberschlesien  passt  nach  dem 
Gesagten  die  letztere  Aeusserung  gar  nicht ,  da  hier 
specicll  der  Stigmarien-Sehiefer  mit  der  geschilderten 
Erscheinung,  die  durchaus  für  eine  autochthone  Ent- 
stehung spricht,  ausserordentlich  verbreitet  ist. 
Für  all'  die  oberschlesischen  Fälle  abgesunkenes  Land 
anzunehmen,  scheint  bei  der  verhältnissmässigen  Seltenheit 
des  Vorkommens  plötzlicher  Senkungen  ebenfalls  auf 
grössere  Schwierigkeiten  zu  stossen,  als  die  Annahme  von 
Ueberschwemnmngen.  Für  die  vielen  Stigmarien-Schiefer 
Oberschlesiens  kann  also  bis  auf  Weiteres  nur  autochthone 
Entstehung  der  Stigmarien  angenommen  werden,  so 
dass  jedenfalls  autochthone  Bildungen  in  Carbon- 
schichten bei  Weitem  häufiger  sind,  als  sie 
Ochsenius  mit  Anderen   anzunehmen   geneigt  ist. 


Schwerkraftsbestimmungen  auf  den  Sandwich- 
Inseln,  welche  fHerr  E.  D.  Freston  im  letzten  Jahre 
ausgeführt  hat,  haben  zu  Resultaten  geführt,  die  um  so 
bemerkenswerther  erseheinen,  als  sie  so  hohe  Werthe  für 
die  Gesteinsdichte  daselbst  ergeben  haben,  dass  die  ame- 
rikanischen Gelehrten  zuerst  geneigt  waren,  an  Fehler  in 
den  Beobachtungen  oder  in  den  zugehörigen  Rechnungen 
zu  glauben;  eine  Vermuthung.  der  aber,  wie  gleich  be- 
merkt sein  möge,  nicht  definitiv  Folge  gegeben  werden 
kann. 

Die  Beobachtuugsstationen,  auf  denen  Herr  Freston 
gearbeitet  hat,  und  die  erlangten  Ergebnisse  sind 
folgende: 

,,  Tj     -.  ^  I  ■■  Meeres-      Schwer- 

Urt  Ceogr.   BreUe  Geogr.   Lan^-e  ^..^^  j^        ^^^^^^ 

eiifil    F,        Dyn. 

Washington -|-  38°  53'  20"   +    77°  1'  35"  34  980,100 

Lick  Ohservatoi-y  .  .       37  20  2h  121  38  35  4 2o5  979,85; 

Honolulu 21  18     3  157  51  46  20  978,936 

Waihihi 21  16  25  157  H)  1  10  978,922 

Kawailian 20  2  25  155  49  36  8  978,803 

Kalaieha 19  42  32  155  27  53  6  660  978,490 

Mauna  Kea     +19  49  11  155  28  48  13  060  978,060 

Bei  Betrachtung  der  in  dieser  Tabelle  enthaltenen 
Beobachtungen  auf  den  Hawaiischen  Inseln  ergiebt  sich 
zunächst  das  Resultat,  dass  die  untere  Hälfte  vom  Mauna  Kea 
(vorletzte  Station)  eine  sehr  viel  grössere  Dichte  der  ober- 
flächlichen Schichten  ergiebt  als  die  obere  Hälfte.  Der 
erstere  Tlieil  führt  für  die  Dichte  zu  dem  Werthe  3,7,  der 
untere  zu  2,1,  sodass  als  IMittelwerth  für  die  Dichte  des 
ganzen  Berges  sich  2,9  ergiebt.  Dieser  Werth  übersteigt 
sehr  merklich  den  sonst  für  die  oberflächliche  Gesteins- 
dichte gefundenen.  Er  dürfte  der  grösste  bisher  aus 
Fcndclmessungen  gefundene  Werth  dieser  Grösse  sein. 
Freston  giebt  in  einem  Schreiben  an  J.  D.  Dana,  einen 
der  Herausgeber  des  American  Journal  of  Science  (vgl. 
Märzheft  gen.  Zeitschrift)  die  folgende  Vergleicliung  der- 
artiger Resultate : 

Mauna  Kea  .  .  2,9 

Fushinojama     .  2,1 

Haleakala  .  .  .  2,7 

St.  Helena.  .  .   1,9 

Aseension    ...  1,6 

(Haleakala  ist  eine  andere  Hawaiische  Station). 

Das  überraschende  Resultat  ist  um  so  bemerkens- 
werther, als  CS  unter  Anwendung  MendenhaH'scher  Ilalb- 


sekundenpendel  erlangt  wurde,  die  einen  bisher  nicht  er- 
reichten Genauigkeitsgrad  erlangen  lassen. 

Professor  Mendenh all  macht  daher  auch  selber  noch 
einige  Bemerkungen  zur  Sache,  im  gleichen  Hefte  des 
Am.  Journ.  of  Science.  Er  erwähnt,  dass  das  Resultat, 
wonach  die  untere  Partie  vom  Mauna  Kea  eine  Dichte  von 
3,7  besitze,  auch  ihm  so  überraschend  vorgekommen  sei, 
dass  er  Herrn  Freston  zu  einer  sorgfältigen  Sui»errevision 
aller  Beobachtungen  und  zugehörigen  Rechnungen  veran- 
lasst habe.  Dieselbe  hat  indessen  keinerlei  Fehler  auf- 
decken können.  Im  Uebrigen  waren  grobe  Beobachtungs- 
fehler  auch  gar  nicht  zu  erwarten.  Denn  wenn  solche  zu 
dem  Zwecke  herangezogen  werden  sollten,  um  den  Betrag 
der  gefundenen  Dichte  auf  den  der  gewöhnliehen  Ge- 
steinsdichte herabzudrücken,  so  müsste  man  annehmen, 
dass  bei  Beobachtung  der  Schwingungsdauer  (0  des  l'endels 
Fehler  von  Vaoooo  ^''^"  '  gemacht  worden  seien,  während 
Apparat  und  Methode  so  eingerichtet  sind,  dass  auch  bei 
relativ  kurzer  Beobachtungszeit  Ergebnisse  erlangt  werden. 


bis 


jenes    Betrages    genau 


die    bis    auf  Vaüooooo 
sind. 

Mendenhall  geht  noch  näher  auf  die  Thatsachen  ein, 
welche  die  Unwahrscheinlichkeit,  dass  es  sich  hier  um 
Messungsfehler  (entweder  hinsichtlich  der  Methode  oder 
der  Apparate)  handeln  sollte,  noch  deutlicher  ins  Lieht 
rücken.  Er  weist  darauf  hin,  dass  die  Ergebnisse  ganz 
unabhängig  sind  von  den  Schweremessungen  in  Washing- 
ton. Es  sind  relative  Messungen,  indem  man  das  Pendel 
im  Meeresniveau  in  der  Nähe  des  Berges  schwingen 
liess.  Die  Pendel  sind  sowohl  vor  wie  nach  der  Expe- 
dition in  Washington  sorgfältig  geprüft  worden;  und  es 
hat  sich,  obgleich  beide  Prüfungen  nun  mehr  als  ein 
Jahr  auseinander  lagen,  doch  keinerlei  Differenz  in  den 
Schwingungszeiten  erweisen  lassen.  Man  wird  auch  wohl 
noch  hinzufügen  dürfen,  dass  Freston  einer  der  geübtesten 
Fachmänner  auf  dem  Gebiete  dieser  Beobachtungen  ist, 
so  dass  die  Annahme,  es  könne  sich  durch  seine  Beobach- 
tungen ein  beträchtlicher  systematischer  Fehler  durch- 
schleppen, ohne  dass  P.  aus  dem  erlangten  Zahlenmaterial 
und  den  Umständen,  unter  denen  es  erlangt  ist,  nicht  selber 
auf  die  Natur  und  Grösse  eines  solchen  Fehlers  hätte 
schliessen  können,  hinfällig  ist.  .Man  wird  also  kaum  an 
dem  allerdings  ganz  ungewöhnlichen  Resultat,  eine  Dichte 
von  3,7  für  die  untere  Hälfte  des  Mauna  Kea,  zweifeln 
können.  Grs. 


Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben. 

Es  wurden  ernannt:  Geheimer  Medicinalrath  Prof.  Dr.  Hein- 
rich Fritsch  von  der  Universität  Breslau  zum  Professor  der 
Gynäkologie  an  der  Universität  Bonn. —  Prof.  Ernst  von  Meyer 
von  der  Universität  I^eipzig  zum  Professor  der  Chemie  an  der 
technischen  Hochschule  in  r)resden.  —  Dr.  phil,  G.  Hörig  zum 
Assistenten  am  zoologischen  Institut  der  Köuigl.  Laudwirthschaft- 
lichen  Hochschule  in  Berlin.  —  Mr.  Samuel  Alexander  zum 
Professor  der  Philosophie  am  Owens  College  in  Manchester.  — 
Der  ausserordentliche  Professor  der  Chemie  an  der  Universität 
Giessen  Dr.  Eugen  Seilmann  zum  Ordinarius. 

Es  hat  sich  habilitirt:  Der  Assistent  am  chemischen  Institut 
der  Universität  Erlangen  Dr.  Max  Busch  für  Chemie. 

Wirklicher  Staatsrath  Dr.  Arthur  von  Oet  fingen,  ordent- 
licher Professor  der  Physik  an  der  Universität  Dorpat,  beabsichtigt, 
nachdem  er  jetzt  aus  seinem  Amte  entlassen  worden  ist,  nach 
Deutschland  überzusiedeln  und  hier  weiter  wissenschaftlich  thätig 
zu  sein. —  Es  treten  in  den  Ruhestand:  Geheimer  ( )ber-Meilicinal- 
rath  Prof.  Dr.  Veit,  Dircctor  der  geburtshilflichen  Klinik  und 
Professor  für  Gynäkologie  an  der  Universität  Bonn,  zum  1.  Oc- 
tober  d.  J  ;  —  am  Polytechnikum  in  Dresden:  Gelieimcr  Hofrath 
Dr.  Rudolf  Schmitt,  Professor  für  allgemeine  Chemie,  und  — 
Geheimer  Regierungsrath  Dr.  August  Nagel,  Professor  der  Ver- 
messungslehre. 

Es  sind  gestorben:  Der  Chemiker  Dr.  Kobeck  in  Folge 
einer  Explosion  in  der  chi'inischen  Fabrik   vuii  Schuster  und  \\'i\- 


314 


Naturwissenschaftliche  Wochcnsclirift. 


Nr.  30. 


liolmy  in  Reichenbach  (preussische  Obei-lau.sitz).  —  Der  frühere 
Professor  der  Mathematik  am  Owens  College  in  Manchester  Dr. 
Archihalil  Sande  mann  in  Perth.  —  Der  Mathematiker  Professor 
Dr.  Schieck  am  Gymnasium  in  Weimar. 


Der  Internationale  botanische  Congress  wird  niedit,  wie  in 
No.  26  angegeben,  in  Chicago,  sondern  in  Madisoii,  Wisconsin, 
Ver.  St.,  abgehalten  werden;  er  beginnt  am  2.3.  August  und  wird 
3_4  Tage  währen  —  Vorsitzender  des  Comitcs:  Professor  J.  C. 
Arthur,  La  Fayette,  Indiana,  Ver.  St. 


Der  erste  internationale  Samariter  -  Gongress  findet  vom 
8.— 10.  September  d.  .1.  in  Wien  statt.  Prii.-^idi-nt:  Professor  Dr. 
Billroth;  Vicepräsidenten:  Bürgermeister  Dr.  Pri.v  und  Dr.  A.  Loew. 


Der  bekannte  amerikanische  Polarreisende  Marinelieutenant 
Peary  hat  mit  seiner  aus  10  Personen  bestehenden  Expedition  am 
2.  Juli  auf  dem  Walfischfiinger-Barkschiff  „Falcon"  eine  neue  Reise 
in  die  arktischen  Regionen  angetreten,  um  die  NordkUstc,  sowie 
den  nocli  unbekannten  Theil  der  Ostküsto  Grönhmds  bis  zuni  Cap 
Bismarck  zu  untersuchen.  Die  Reisenden  werden  in  der  Inglefields- 
bucht  an  der  Westküste  von  Grönland  auf  ungefähr  77  Gr.  n.  Br. 
landen,  wo  Peary  Winterquartier  zu  nehmen  gedenkt  Von  hier 
aus  will  Peary  niiit  sieben  seiner  Begleiter  die  Schlittenfahrt  nach 
der  von  ihm  auf  seiner  letzten  Grönlandreise  entdeckten  lüde- 
pcndencebucht  an  der  Nordküstc  antreten,  dort  zwei  Mann  zurück- 
lassen, welche  durch  Jagd  auf  Moschusochsen  das  nöthige  Hunde- 
futter herbeischaffen  sollen,  selbst  aber  mit  einem  oder  zwei  Mann 
nordwärts  vorzudringen  versuchen,  um  die  Nordküste  von  Grön- 
land eingehend  zu  erforschen.  Während  dann  Peary  nach  einer 
eventuellen  Ueberwinterung  bei  einigermaassen  günstigen  Eis- 
verhältnissen gegen  den  Pol  vorzudringen  beabsichtigt,  sollen  die 
übrigen  Mitglieder  die  Küsten  bis  Cap  Bismarck  (77  Gr.  n.  Br.) 
genauer  feststellen  und  darauf  quer  durch  Grönland  nach  der 
Inglefieldsbucht  zurückkehren,  wo  die  Vereinigung  der  ganzen  Ex- 
pedition zu  erfolgen  hat.  Gleichzeitig  will  Peary  Nachrichten 
über  die  Grönlandexpedition  des  Schweden  Björling  einzuziehen 
versuchen,  über  deren  Verbleib  seit  langer  Zeit  nichts  mehr  be- 
kannt geworden  ist.  


L  i  1 1  e  r  a  t  u  r. 

Dr.  Jacques  Loeb,  Untersuchungen   zur  physiologischen  Mor- 
phologie   der   Thiere.     II.    Organbildung    und    'Wachsthum. 

Mit  2  Tafeln  und  9  Textfiguren.  Georg  Hertz.  Würzburg 
1892.  —  Preis  4  Mk. 
Im  6.  Bande  No.  5  der  .Naturwissenschaftlichen  Wochenschr." 
ist  dem  I.  Theil  der  Untersuchungen  zur  physiologischen  Morpho- 
logie der  Thiere,  der  sich  mit  dem  Theuui:  Heteromorphose  be- 
schäftigt, eine  Beschreibung  zu  theil  geworden;  Herr  Dr.  Loeb 
hat  einen  II.  Theil  folgen  lassen,  in  dem  er,  auf  den  Darstel- 
lungen über  Heteromorphose  fussend,  unter  Anwendung  ähn- 
licher Methoden  die  Organbildung  und  das  Wachsthum  zu  er- 
klären sucht. 

Folgen  wir  seinen  Untersuchungen. 

Zunächst  bezogen  sich  dieselben  auf  Antennularia  antennina; 
an  diesem  Hydroidpolypen  will  der  Verfasser  die  Abhängigkeit 
der  t)rganbildüng  von  der  Orientirung  des  Thieres  zum  Erdmittel- 
punkte nachweisen.  Bei  Neigung  des  sogenannten  Stammes 
strebte  die  weiterwachseude  Spitze  desselben  senkrecht  nach  oben, 
die  Wurzel  zeigte  sich,  weniger  abwärts  geneigt,  dem  Erdmittelpunkte 
zustrebend.  Bei  herausgeschnittenen  .Stammstücken  entstehen  bei 
senkrechter  Aufhängung,  gleichgültig,  ob  das  basale  Ende  nach 
unten  oder  oben  zeigt,  oben  Sprosse,  unten  Wurzeln,  desgleichen 
zeigen  sich  bei  schräg  gerichteten  Stammstücken  bald  an  der 
Oberseite  neue  Sprosse,  auf  der  Unterseite  neue  Wurzeln.  Ob 
für  diese  Erscheinung  die  Worte  „positiver  und  negativer"  Geotro- 
pismus zur  Erklärung  ausreichen,  bleibe  dahingestellt.  An  hori- 
zontal orientirten  .Stücken  bilden  sich  die  unteren  Fiederchen  zu 
wurzelähnlichen  Gebilden  um  ;  bei  Kontakt  verwachsen  sie  mit 
der  Oberfläche  des  betreffenden  Körpers.  Unverletzte  wachsende 
Sprosse  des  Thieres,  nach  unten  gerichtet,  erhalten  an  der  früheren 
Spitze  Wurzeln,  falls  dieselbe  nicht  abstirbt. 

Loeb  will  nun  aus  besonders  orientierten  Stämmen  unter  be- 
stimmten Umständen  eine  Varietät  der  Antennularia  gezogen 
haben  mit  verzweigtem  Stamm;  da  jedoch  genauere  Angaben 
versehwiegen  sind,  verzichte  ich,  darauf  einzugehen. 

Das  zweite  Object  bildet  Tubularia  mesombryanthemum. 
Daran  haben  sich  an  Stammstücken  sowohl  basal  als  apical 
Polypen  gebildet.  Befand  sich  das  apicale  oben,  so  wurde  die 
Polypenbildung  am  basalen  Ende  verzögert,  bei  umgekehrter  Stel- 


lung jedoch  beschleunigt.     Dabei   zeigten  Licht    und  Schwerkraft    ■ 
keine  Einwirkung  auf  die  Entstehung  von  Neubiklungen. 

Nach  einigen  Rückblicken  auf  Heft  1.  „Heteromorphose", 
kommt  der  Verfasser  zu  den  Versuchen  an  Ciona  intestinalis, 
deren  Hauptergebnis  in  den  Sätzen  gipfelt:  „Macht  man  einen 
Einschnitt  in  eine  der  Röhren  einer  C.  intestinalis,  so  bilden  sich 
an  hei<len  Schnitträudern  f  )cellen.  Nach  Exstirpation  des  Gehirns 
bleiben    die  Reflexe  erhalten;    das  Gehirn    wird  bald    regenerirt". 

Die  folgenden  Abschnitte  der  „Untersuchungen"  beschäftigen 
sich  mit  der  Abhängigkeit  der  vorstehenden  (»rganbildungs-  und 
Wachsthumserscheinungen  von  der  chemischen  Zusammensetzung 
des  Meerwassers,  und  zwar  sind  besonders  herangezogen:  die 
Koncentration  des  Seewassers,  die  Sauerstoffzufuhr,  das  Vor- 
handensein von  Kalium  und  verschiedener  Salze.  Dieselben  er- 
geben, dass  sowohl  zu  geringer  Salzgehalt  wie  zu  grosser,  zu 
geringer  Sauerstoff-  und  Kaliumgehalt  beide  physiologischen 
Thätigkeiten  der  (Organismen    schädigen    resp.  unmöglich  machen. 

Eine  Kritik  der  Untersuchungsmethoden,  sowie  der  Ergebnisse 
und  der  Schlussfolgerungen  dürfte  an  dieser  Stelle  zu  weit  führen. 
Doch  kann  ich  es  nicht  unterlassen,  auf  die  Schlussbemerkungen 
in  No.  5,  Bd.  VI,  S.  51   dieses  Blattes   zu  verweisen. 

Herr  Dr.  Loeb  hat  die  mikroskopische  Untersuchung  gänzlicdi 
bei  Seite  gelassen,  trotzdem  der  (_)rt  der  Untersuchungen,  „Neapel", 
die  beste  Gelegenheit  bot;  daraus  resultirt  die  Unsiidicrheit  in 
der  morphologischen  Schätzung  der  Organe  und  beobachteten 
Vorgänge  und  aucli  das  Schwanken  in  der  Ausdrucksweiso,  die 
bald  botanisch,  bald  zoologisch  gewählt  ist,  dasselbe  Hesse  sich 
durch  Anlehnen  an  anerkannte  Morphologon  gewiss  vermeiden. 

Herr  Dr.  Loeb  hätte  gut  gethan,  den  kritischen  Arbeiten, 
welche  sich  mit  seinen  Untersuchungen  beschäftigen,  Achtung  zu 
schenken;  dieselben  zeigen  vielfach,  wie  einseitig  sowohl  seine 
Untersuchungsmethoden,  ahs  auch  die  Auslegung  der  Beob- 
achtungen sind. 

Die  Abhandlung  hält  indessen  trotz  mancher  Einseitigkeit 
den  Leser  gespannt,  zumal  solche  neue  Gesichtspunkte  der 
Naturbetrachtung  und  -Untersuchung  Anregung  bringen  und  neue 
Fortschritte  zu  zeitigen  geeignet  sind.  Dr.  H.  Trautzsch. 


Eberhard  Fraas,  Scenerie  der  Alpen.  Mit  über  120  Abbildungen 
im  Text  und  auf  eingehefteten  Tafeln  sowie  einer  Uebersiciits- 
karte  der  Alpen.  Leipzig.  T.  0.  Weigel  Nachflgr.  (Chr.  Herm. 
Tauchnitz).     1892.  —  Preis  10  M. 

Dieser  Titel  und  die  Aussicht,  eine  Reihe  schöner  Land- 
schaftsbilder mit  zu  erhalten,  wird  vielleicht  manchen  Alpen- 
freund zum  Ankauf  vorstehenden  Buches  veranlassen,  den  er 
später  zunächst  bereut,  wie  in  der  That  dem  Ref.  ein  Fall  be- 
kannt geworden  ist.  Aber  wir  fürchten  nicht,  dass  die  Reue  von 
Dauer  sein  wird.  Der  Verfasser  hat  sein  Buch  —  dem  Vorworte 
nach  —  vor  allem  für  Touristen  bestimmt.  Dasselbe  soll  das 
Verständniss  für  das  Zustandekommen  der  Scenerie  der  Alpen, 
d.  h.  zunächst  des  Reliefs,  erwecken  und  so  den  Genuss  an  der 
Grossartigkeit  der  Gebirgswelt  vertiefen  und  veredeln.  Es  ist 
ausschliesslich  geologischen  Inhalts  und  die  überwiegende  Mehr- 
zahl der  Bilder  stellen  auch  nicht  Landschaften  mit  schöner 
Scenerie  dar,  sondern  geologische  Profile,  Durchschnitte  durch 
die  Landschaften,  aus  denen  man  deren  inneren  Aufbau  nach 
Reihenfolge,  Mächtigkeit  und  Lagerung  der  Schichten  erkennen 
soll.  Entsprechend  ist  der  erste  Theil  des  Buches,  einer  Einfüh- 
rung in  die  allgemeinen  geologischen  Grundbegrifte  gewidmet, 
welche  den  gebildeten  Leser  mit  der  Theorie  der  Gebirgsbildung 
im  Grossen  und  mit  ihren  einzelnen  Einwirkungen  auf  die  Ge- 
steine bekannt  machen  soll;  daran  schliesst  sich  im  zweiten  Tlieile 
(S.  43—314)  die  „Formationslehre  der  alpinen  Gesteine  im  Zu- 
sammenhange mit  der  Entstehung  der  Alpen",  welche  in  10  Ab- 
schnitten für  die  einzelnen  Formationen  die  Schichtenfolge, 
Schichtenbeschaffenheit,  Versteinerungsführung,  Verbreitung  durch 
die  Alpen,  sowie  die  „Scenerie  der  Alpen"  während  der  ver- 
schiedenen geologischen  Zeitalter  behandelt.  Der  Verfasser,  selbst 
ein  erfahrener  und  begeisterter  Alpengeolog,  hat  sich  der  Auf- 
gabe, die  er  sich  gestellt,  in  solcher  Weise  erledigt,  dass  Ref. 
überzeugt  ist,  das  Buch  werde  von  vielen  Laien  mit  Genus<  und 
Gewinn  gelesen  werden,  und  dass  selbst  mancher  von  ihnen  aus 
einem  blossen  Freunde  der  Alpenlandschaften  ein  Freund  der 
geologischen  Alpen  forschung  werde,  der  sich  dieser  selbst  mit 
Liebe  und  Verständniss  hingiebt.  Vor  allem  aber  werden  selbst 
viele  Geologen  von  Fach  dem  Verfasser  Dank  wissen,  besonders 
jene,  welche  sich  einmal  eine  Zeit  lang  nicht  mit  der  Alpen- 
geologie  befassen  konnten:  bei  den  gewaltigen  Fortschritten, 
die  noch  immer  von  Jahr  zu  Jahr  in  diesem  Gebiete  gemacht 
werden,  werden  sie  durch  das  Buch  des  berufenen  Fachgenossen 
schnell  und  sicher  wieder  auf  das  Laufende  gebracht,  w;ozu 
tabellarische  Formationsübersichteu  und  ziemlich  reichliche  Litte- 
raturangaben  vornehmlich  mit  beitragen.  Zum  Schluss  müssen 
wir  noch  hervorheben,  dass  auch  die  Auswahl  der  Bilder  und 
ihre  technische  Ausführung  als  eine  lehrreiche  und  gelungene  zu 
bezeichnen  ist.  E.  Zimmermann. 


Nr.  30. 


Niiturwissenscliat'tliclu'  Woc-licnsclirit't. 


■Mb 


A.  Engler  u.  K.  Prantl,  Die  natürlichen  Pflanzenfamilien, 

t'nrtfii'setzt  von  A.  fungier.  85.  u.  8(;.  Liof'ening.  Vi-rlag  von 
Wilhelm  Enselniann.  Leipzip;  1893.  —  Subskriptionspreis  ;i  1,50  Mk., 
sonst  ;i  3  Mk.  —  Erst  in  der  Nummer  vom  21.  Mai  haben  wir  das 
Erscheinen  der  Lieferungen  82—84  angezeigt  und  schon  wieder 
sind  wir  in  der  Lage  von  dem  Fortschreiten  des  prächtigen  Werkes 
berichten  zu  können.  Wenn  in  gleicher  Weise  so  fortgearbeitet 
wird,  dürfte  das  Werk  in  etwa  1—1  Vi  Jahren  fertig  vorliegen. 
Die  beiden  vorliegenden  Lieferungen  liringon  ebensowenig  wie  die 
letztangezeigten  eine  „Abtheilung"  zum  Abschluss;  wir  begnügen 
uns  daher  darauf,  mitzutheilen,  dass  Lief.  8.5  den  Sehltiss  der  Pole- 
moniaeeen  (bearb.  von  A.  Peter),  die  llvdrophyllaeeen  (Peter)  und 
den  Anfang  der  Boraginaceen  (M.  Gurke)  lu-ingt,  während  die 
Lief.  S(j  die  Frirt.setzung  der  Algen  enthält.  Es  werden  in  der- 
selben von  F.  R.  Kjellman  12  kleinere  Familien  (Sphacclariaoeen 
bis  Ralfsiaceen)  behandelt. 


Zeitschrift  für  anorganische  Chemie  herausg.  v.  Gerhard 
Krüss.  IL  Bd  Leopohl  Voss  in  Ihunburg  und  Leii)zig  181I2.  — 
Pr.  12  Mk.  —  Der  vorliegende  zweite  Band  der  bereits  bei  ihrem 
Erscheinen  in  dieser  Wochenschrift  Bd.  VII  S.  \bO  freudig  begriissten 
Zeitschrift  legt  rühmliches  Zcugniss  dafür  ab,  dass  die  anorganische 
Chemie  aus  dem  Hintergrund,  in  den  sie  zeitweise  durch  die  rapide 
Entwickelung  der  organischen  Schwesterwissenschaft  gedrängt 
war,  hervorgetreten  ist  und  sich  mit  Erfolg  an  der  Lösung  all- 
gemeiner Fragen  betheiligt.  Neben  zum  Theil  hervorragenden 
und  erschöpfenden  Behandlungen  einiger  Einzelgebiete  finden  sich 
Arbeiten,  welche,  gross  angelegt,  auf  allgemeinere  theoretische 
Aufklärungen  hinzielen.  So  haben  Franz  Freyer  und  V.  Meyer 
eine  interessante  Untersuchung  über  die  relativen  Siedi'punkte  an- 
organischer Halogeuverbindungen  begoiuien;  während  Ijei  organi- 
schen und  den  leichter  flüchtigen  anorganischen  Halogenverbin- 
dungen die  Jodide  im  Allgemeinen  höher  sieden  als  die  Bromide, 
diese  wieder  höher  als  die  Chloride,  tritt  bei  schwer  flüchtigen 
anorganischen  Verbindungen  das  umgekehrte  Verhältniss  ein.  Es 
wurde  nun  zunächst  versucht,  festzustellen,  wo  diese  Umkehrung 
beginnt,  was  sich  in  einem  nahen  Zusammenfallen  der  Siedepunkte 
äussern  muss,  und  wurde  dieser  Punkt  für  Chloride  und  Bromide 
mit  Wahrscheinlichkeit  als  zwischen  450  und  600°  C.  liegend  er- 
mittelt. Ebenfalls  aus  V.  Meyers  Anregung  entsprungen  ist  eine 
Untersuchung  von  Phookan  über  die  Verdainpfungsgeschwindig- 
keit  von  Körpern  in  verschiedenen  Atmosphären.  Die  Versuche, 
welche  übrigens  als  noch  nicht  völlig  einwandsfrei  wiederholt 
werden  sollen,  ergaben,  dass  in  verschiedenen  Gasatmosphären  die 
Verdampfung  unter  sonst  gleichen  Bedingungen  mit  verschiedenen, 
von  der  Natur  des  Gases  abhängigen  Geschwindigkeiten  vor  sich 
geht,  das.s  hingegen  Dämpfe  gleichmässig  dieselbe  Geschwindigkeit 
bedingen.  Von  grossem  Interesse  ist  dii>  an  frühere  Publikationen 
anknüpfende  ausführliche  LTntersuchung  kompIe.\er  Säuren  von 
Carl  Friedheim.  An  den  sogenannten  Arsenmolj'bdänsäureii  wird 
die  Natur  derartiger  Verbindungen  in  eingehendster  Weise  ent- 
wickelt, indem  das  E.xperiment  Schritt  für  Schritt  der  Spekulation 
folgt.  Daher  machen  die  aus  den  Versuchen  gezogenen  Folge- 
rungen fast  durchweg  einen  überzeugenden  Eindruck  und,  wenn 
auch  in  Einzelheiten  noch  manches  zwingender  zu  erweisen  sein 
wird,  so  bedeutet  das  Ganze  zweifellos  einen  bedeutsamen  Fort- 
schritt auf  einem  der  dunkelsten  Gebiete,  Wo  man  bisher  sich 
mit  der  Angabe  der  analytisch  ermittelten  Zusannnensetzung  be- 
gnügte, wird  man  in  Zukunft  das  Hauptaugenmerk  der  Consti- 
tution zuwenden.  Die  sorgfältigste  Untersuchung  der  Bildungs- 
weise, wie  Friedheim  sie  betreibt,  wird  hierzu  die  Handhabe  bieten. 
Ebenfalls  mit  Constitutions- Untersuchungen  und  auf  ähnlichem 
Wege  beschäftigen  sich  die  Mineralchemischen  Studien  von  St.  J 
Thugutt,  der  eine  Anzahl  Mineralien  der  Sodalitligrui>pe  auf  pyro- 
chemischem  \yege  darstellte  und  sich  mit  der  Frage  der  Kaolin- 
bildung, dem  Eiiifluss  der  Concentration  der  einwirkenden  Lö- 
sungen auf  den  chemischen  Umsatz  bei  den  Silikaten,  der  Um- 
wandlung des  Korunds  und  des  Diaspors,  den  Sulfoferriten,  den 
basischen  Salzen  von  Magnesium  und  Zink  und  mit  den  Um- 
wandlungen einiger  natürlicher  Gläser  durch  destillirtos  Wasser, 
sowie  durch  verdünnte  Natriunu-arbonatlösung  bei  200"  beschäf- 
tigt. CTleichfalls  zur  Erklärung  gewisser  mineralischer  Vorkomm- 
nisse sollen  die  Versuche  von  W.  Spring  und  M.  Lucion  „Ueber 
die  Entwässerung  des  Kupfero.xydhydrates  und  einiger  seiner 
basischen  Verbindungen  bei  Gegenwart  von  Wasser"  dienen;  die- 
selben constatiren  die  wasserentziehende  Kraft  von  Salzlösungen. 
Aus  dem  Laboratorium  von  Krüss  liegen  zwei  Mittheilungen  über 
Kobalt   und  Nickel    vor,   welche   in  Bestätigung  früherer    Mitthei- 


lungen') die  Nichteinheitlichkeit  dieser,  sorgfältig  gereinigten,  Me- 
talle feststellen.  S.  M.  Jörgensen  setzt  seine  frühiu-en,  im  Journal 
für  praktische  Chemie  veröft'entlichten,  Untersuchungen  über  die 
Constitution  der  Kobalt-,  Chrom-  und  Rhodiuiidjasen  fort.  Die 
übrigen  Abhandlungen,  theils  analytischen,  theils  I)eschreibcnden 
Inhalts  haben  mehr  specielh>s  Interesse. 

Neben  den  Originalabliandlungen,  von  welchen  man  einigen,  im 
Interesse  der  Uebersichtlichkeit,  etwas  weniger  Länge  wünschen 
köiuite,  laufen  Referate  über  die  in  anderen  Zeitsidn-iften  aller 
Länder  orscdiienenen,  in  das  Gebiet  fallenden  Arbeiti'ii,  bei  denen 
theilweise  der  gegentheilig  ■,  Wunscdi  angebracht  erscheint.  Zwar, 
so  weit  wirklii-h  referirt  ist,  erscheint  die  Art,  in  welcher  dies  ge- 
schehen, einwandsfrei,  da  sie  das  Nothwcndige  in  knapper  Form 
giebt;  aber  nur  zu  häufig  findet  sich  die  einfaidu-  Angabe  des 
Titels  auch  da,  wo  der  Inhalt  aus  diesem  nicht  hinreichend  zu  er- 
sehen  ist.     In   dieser  Beziehung  wäre  eine  Aenderung  erwünscht. 

Spiegel. 

Hofmann,  J..  ExkursionsHora  für  die  Umgebung  von  Freising 
Fr.'ising.      1,GÜ  M, 

Jäger,  G.,  Aus  Natur-  und  Menschenleben.     Leipzig.      2  M. 

Jaerisch,  P.,  Zur  Theorii"  der  elastischen  Kugehvellcn  mit  An- 
wendung auf  die  Reflixion  und  Brechung  dis  Lichtes.  Ibnnburg. 
2,50  M 

Israel,  O.,  Practicuni  der  pathologischen  Histologie.    Berlin.     15  M. 

Eennel,  j.,  Lehrbuch  der  Zoologie      Stuttgart.     18  M. 

Kirchner,  O.,  u.  H.  Potonie,  Die  Geheimnisse  der  Blumen  Berlin. 
1   .M. 

Eoehne,  E.,  Deutsche  Dendrologie.     Stuttgart.     14  M. 

Ereidl,  A.,  Weitere  Beiträge  zur  Physiologie  des  Ohrlabyrinthes. 
Leipzig.     1,20  M. 

Legendre,  A.  M.,  Zahleutheorie.     2  Bde.     Leipzig.     6  M. 

Lenhartz,  H.,  Mikroskopie  und  Chemie  am  Krankenbett.  Berlin. 
s  M. 

Linck,  G.,  Ueber  das  Krystallgefüge  des  Meteoreisens.  Wien. 
(),(;0  M. 

Blargules,  M.,  Luftbewegungen  in  einer  rotirenden  Sphäroid- 
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Messtischblätter  des  Preussischen  Staates.  1:2.5,000.  Nr.  1017. 
Jever.  —  1 105.  Loppersum.  —  1630.  VVartenberg.  —  1701. 
Neudanun.  —  1703.  Hohenwaltje.  —  1705.  Zantoch  —  1774. 
Vietz.  —   20(iO      Konkolewo.    —    2126.     Kübnitz.     Berlin.     1   M. 

Mielke,  C,  Ueber  die  Stellung  der  Gerbsäuren  im  Stoffwechsel 
der  Pflanzen.     Hamburg.     2,50  M. 

Müller,  J.,  Beiträge  zur  Anatomie  holziger  und  succulenter 
Compositen.     Berlin.     3  M. 

Nernst,  W.,  Theoietische  Chemie  vom  Standpunkte  der  Avo- 
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Neubauer,  H.,  Ueber  die  Zuverlässigkeit  der  Phosphorsäurebe- 
stimmung als  Magnesiumpyrophosphat.     Hamburg.     1  M. 

Pohlig,  H..  Eine  Elephantenhöhle  Siciliens  und  der  erste  Nach- 
weis des  Cranialdomes  von  Elejihas  auticjuns.    München.    2.80  M. 

Preyer,  W.,  Die  geistige  Entwickelung  in  der  ersten  Kindheit. 
Stuttgart.     4  M. 

Ramsay,  W.,  Kurzes  Lehrbuch  der  Chemie  nach  den  neuesten 
Forsclningen  der  Wissenschaft.     Anklam.     4,50  M. 

Bomanes,  G.  J.,  Die  geistige  Entwicklung  beim  Menschen. 
Lei], zig.     6  M. 

Kzehak,  E.  C.  F.,  Charakterlose  Vogeicier.     Wien.     0,60  M. 

SchacRo,  G.,  Foraminiferen  und  Ostracoden  aus  der  Kreide  von 
Moltzow.     Güsirow.     0,40  M. 

Schichtel,  C,  Der  Amazonen-Strom.     Strassburg.     2  .M. 

Schreutzel,  W.,  Ueber  die  Integration  der  Difi'ereutialgh'icbung. 
Berlin      2  M. 

Sobotka,  J.,  Beitrag  zur  Construction  von  umgeschriebenen 
Dcveloppablen.     Prag.     0,40  M. 

Staude,  O.,    Ueber   das  Foucault'sche  Pendel.     Güstrow.     0,25  M. 

Sterzel,  J.  T.,  Die  Flora  des  Rothliegenden  im  Plauenschen  (irunde 
bei  Dresden.     Leipzig.     12  M. 

Stüber,  J.  A.,  Die  obere  Abtheilung  des  unteren  Lias  in  Deutsch- 
Lothringen.     Strassburg.     4  M. 

Toldt,  C,  Ueber  die  massgebenden  Gcsichtspuidvte  in  der  Ana- 
tomie des  Bauchfelles  und  der  Gekröse.     Berlin.     2,.'s0  M. 

Uebersichts-Karte,  Geognostische,  des  Königreichs  Württend)erg. 
Stuttgart.     2  M. 

Vetters,  K. ,  Abriss  der  darstellenden  Geometrie.  Chouuiitz. 
3  M. 


*)  Ber.  il.   Deuts(di.  Chem.  Ges.  22,11 


2026. 


Inhalt:  Oberlehrer  Clemens  König:  Die  Biene  als  Depeschenträgerin,  verglichen  mit  der  Taube.  —  Dr.  Karl  L.  .Schaefer: 
Die  Rosenbach'sche  Seekrankheitstheorie.  —  Die  erworbene  Immunität.  —  Eine  gewöhnliche  Art  der  Erhaltung  von  .Stigmaria 
als  Beweis  für  die  Autochthoni«'  von  Carbon-Pflanzen  —  Schwerkraftsbestimmungen  auf  den  Sandwich-Inseln.  —  Aus  dem 
wissenschaftlichen  Leben.  —  Litteratur:  Dr.  Ja(|ues  Loeb:  Untersuchungen  zur  physiologischen  Mor|ihologie  der  Tliien«. 
IL  Organbildung  und  Wachsthum.  —  Eberhard  Fraas:  Scenerio  der  Alpen.  —  A.  Engler  u-  K.  Prantl:  Die  natürlichen 
Pflanzenfamilien.  —  Zeitschrift  für  anorganische  Chemie.  —  Liste, 


316 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  30. 


Die  Insekten-Börse 

jetzt  vereinigt  mit  der  „Sammler -BÖrSG" 


■■"^^ß        Diromnlo4ti'i|)C5  Organ 


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ist  für-  „Entomologen"  und  „Sammler"  das  hervorragendste  Blatt,  vrelches  wegen 
der  belehrenden  Artikel  sovsde  seiner  internationalen  und  grossen  Verbreitung  betreffs 
Ankauf,  Verkauf  und  Umtausch  aller  Objekte  die  weitgehendsten  Erwartungen  erfüllt 
wie  ein  Probeabonnement  lehren  dürfte.  Zu  beziehen  durch  die  Post  (Zeitungsliste  No.  3135) 
und  die  Verlags-BuclLhandlung  Frankenstein  &  Wagner,  Leipzig,  Augustuaplatz  1. 
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Verantwortlicher  Redakteur:    I.V.  Dr.  F.  Kaunlmwen,  Berlin  N.  4.,  Invalidenstr.  44,    für  den  Insoratentheil:    Hugo  Bernstein  in  Berlin. 
Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12.  —  Druck:  G.  Bernstein,  Berlin  SW.  12. 


Redaktion:  f         Dr.  H.  Potonie. 

Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12,  Zimmerstr.  94. 


VIII.  Band. 


Sonntag,  den  30.  Juli  1893. 


Nr.  31. 


Abonnement :  Man  abonnirt  bei  allen  Buchhandlungen  und  Post- 
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bei  allen  Annoncenbureaux,  wie  bei  der  Expedition. 


Abdrnck  ist  nur  mit  vollständiger  Quellenangabe  gestattet. 


Internationale  Uebereinkunft  in  der  Cholerafrage. 

Von  Wilhelm   Krebs. 


Der  vei-storbene  Generalfeldmarschall  Graf  Moltke 
schrieb  dem  Kriege  eine  sittlichende  Kraft  zu.  Allgemeiner 
findet  sich  derselbe  Gedanke  in  dem  alten  Sprichwort  aus- 
gedrückt: Noth  lehrt  beten.  Die  Wahrheit  liegt  wohl  dem 
besonderen  Moltke'schen  Gedanken  näher.  Der  Einzelne 
ist  viel  mehr  in  Gefahr,  unter  dem  Drucke  trauriger  Zu- 
stände zu  verderben,  als  die  Mehrheit  eines  ganzen  Volkes. 
Brechen  Kriege  oder  anderes  Unglück  über  sie  herein,  so 
besitzt  sie  vervielfältigte  Gelegenheit,  sich  zu  einem  er- 
höhten Gefühl  des  Zusaramengehörens  aufzuraften.  Wohl- 
thätiger  und  sicherlich  auch  in  weiterem  Umfang  muss 
dieses  Gefühl  wirken,  wenn  es  sich  nicht  gegen  Menschen 
fremden  Stammes,  sondern  gegen  Feinde  fremderer  Art 
richtet.  Es  giebt  Kriegszustände,  in  denen  die  mensch- 
liche Geraeinschaft  sich  noch  bitterer  zu  wehren  hat,  als 


je  ein  Volk  gegen  ein  anderes.  Ihre  Schauplätze  sind 
gerade  die  volkreichen  Städte,  in  denen  ihr  Wüthen, 
grossen  Schlachten  nicht  nachstehend,  Zehntauseude  an 
der  Gesundheit  zu  schädigen.  Tausende  des  Lebens  zu 
berauben  pflegt.  Es  sind  die  grossen  Epidemien  in  unserer 
Zeit,  vor  allem  die  asiatische  Brechruhr.  So  sind  die 
schwere  Cholera-Epidemie,  welche  im  vorigen  Jahre  Ham- 
burg, die  noch  schwerere,  welche  vor  zwanzig  Jahren 
Magdeburg  heimgesucht  haben,  auch  deshalb  unvergesslich 
und  sollten  es  bleiben,  weil  sie  aus  tiefer,  allgemeiner 
Niedergeschlagenheit  ein  Zusammenwirken  von  Behörden 
und  Bürgein,  Aerzten,  Ingenieuren  und  Laien  wachgerufen 
haben,  welches  sich  den  schönsten  Bewegungen  der  Cultur- 
geschichte  würdig  anschliesst.  Die  Geschichte  der  Magde- 
burger Epidemie  1873  ist  in  der  Vierteljahrsschrift  für 
öffentliche  Gesundheitspflege  von  einem  hervorragenden 
Arzte  des  damaligen  Magdeburg  geschrieben.  Diejenige 
der  Hamburger  Eiiidemie,  in  einzelnen  Zügen  schon  von 
Zeitungen  und  Zeitschriften,  leider  noch  vorwiegend  von 
ihren  abschreckenden  und  auch  beschämenden  Seiten  be- 


handelt,   verdient    die    gleiche  Würdigung    und   wird  sie 
wohl  erhalten. 

Noch  wichtiger  ist  ein  anderer  Erfolg,  den  vor  allem 
sie,  doch  in  Gemeinschaft  mit  den  gleichjährigen  cj)ideini- 
schen  Ereignissen  zeitigte.  Die  durch  Seuehengefahr  und 
noch  mehr  durch  Seuchenfurcht  liediugten  Beschränkungen 
des  Verkehrs,  besonders  des  Waarenverkehrs,  schädigten 
schwer  den  Handel  jener  bedeutendsten  Hafenstadt  des 
europäischen  Festlandes  und  des  Deutschen  Reichs.  So  hatte 
gerade  dieses  ein  hervorragendes  Interesse  daran  gewonnen, 
dass  solche  beschränkende  Bestimmungen  nicht  über  die 
Grenze  hinaus  getroffen  würden,  welche  von  dem  herr- 
schenden Standpunkt  der  Wissenschaft  als  nothwendig 
angesehen  ist.  Eine  dahingehende  Uebereinkunft  vor- 
erst der  zunächst  betheiligten  Staaten,  derjenigen  Europas, 
erschien   wünschenswerth.     Die   Anregungen 


und 


Vorver- 
handlungen gingen  von  Oesterreich- Ungarn  aus,  welches 
durch  die  Herbstepidemie  in  Budapest  ebenfalls  benacli- 
theiligt  worden  war.  Die  Einladungen  zu  einer  diplo- 
matischen Conferenz  erfolgten  danach  von  Seiten  des 
Deutschen  Reiches.  Die  Sanitäts  Conferenz  kam  zu  Stande 
und  fand  in  der  Zeit  vom  11.  März  bis  zum  15.  April  1893 
in  Dresden  statt.  Beschickt  war  sie  von  allen  Staats- 
regierungen Europas,  mit  Ausschluss  des  Süzeränen  Bul- 
garien. 

Ihr  Arbeitsplan  umfasste  vier  Gegenstände:  Bestim- 
mungen über  den  Reise-  und  Waarenverkehr  Europas, 
über  das  Sanitätswesen  an  der  unteren  Donau,  über  die 
Reform  des  Sanitätsrathes  in  Konstantinopel,  über  den 
Reise-  und  Waarenverkehr  mit  Persien.  Die  Verhandlungen 
beschränkten  sich  auf  die  beiden  ersten  Fragen,  welche 
bei  der  gegenwärtigen  Sachlage,  nachdem  die  Cholera  in 
mehreren  Gegenden  Europas  schon  Fuss  gefasst  hat,  allein 
dringend  sind.  Aus  den  Zeitungen  ist  bekannt,  dass  eine 
Uebereinkunft  von  zehn  Staaten  unterzeichnet  wurde,  wäh- 


318 


Naturwissenschaftliche  Wochcnsclirift. 


Nr.  31 


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Nr.  31. 


Naturwissenseliaftliche  Woclieiisclirift. 


319 


rend  die  Delegirten  der  neun  übrigen  dieselbe  nur  zur 
Berichterstattung  an  ihre  Regierungen  übernahmen.  Jene 
zehn  umfassen  aber  den  gesammten  Rumpf  Europas  und 
in  Italien  eines  seiner  Glieder.  Zu  den  neun  übrigen  ge- 
luiren  ausser  Grossbritannien  und  Irland*)  nur  Dänemark 
und  diejenigen  der  skandinavischen,  der  pyrenäischen  und 
der  ]5alkanhalbinsel. 

Eingehen  auf  die  einzelnen  Theile  der  Uebereinkunft 
ist  ja  hier  ausgeschlossen.  Es  genüge  hervorzuheben,  dass 
vom  Verkehr  zu  Lande  gebrauchte  Wäsche  und  Kleidungs- 
stücke und  unzureichend  verpackte  Lumpen  als  AVaaren 
ausgeschlossen,  als  Reisegepäck  die  ersteren,  ebenso  wie 
alle  im  Verdacht  der  Cholera- Verunreinigung  stehenden 
Gegenstände  der  Desinfectiou  unterworfen  sein  sollen. 
Das  letztere  gilt  im  Seeverkehr  auch  für  die  seuche- 
verdächtigen .Schilfe,  deren  Kielraum  vor  allem  aus- 
gepumpt und  desinficirt  werden  soll.  Die  Jlannschaft 
und  die  Reisenden  haben  inzwischen  eine  fünftägige 
Quarantäne  abzuhalten,  Cholerakranke  werden  sogleich 
isolirt.  Die  Waaren  sollen  jedoch  auch  im  Seeverkehr 
nicht  anders    als  wie  im  Landverkehr  behandelt  werden. 

Besonderer  Werth  wird,  entsprechend  den  Anschauungen 
der  Berliner  bacteriologischen  Schule,  auf  Versorgung 
seucheverdächtiger  Schitle  mit  neuem,  gutem  Trinkwasser- 
vorrath,  und  in  dem  zweiten,  den  Donauverkehr  behan- 
delnden Theile  der  uebereinkunft  auf  eine  entsprechend 
verbesserte  Wasserversorgung  der  Hafenstadt  Sulina,  am 
mittleren  schiffbaren  Arme  des  Donau-Deltas,  gelegt.  Von 
dieser  Verbesserung  wird  sogar  das  Bestehen  der  haupt- 
sächlichen Beschränkungen  jenes  Verkehrs  abhängig  ge- 
macht. Doch  ist  das  keineswegs  weder  in  ihrer  örtlichen 
Beschränkung  auf  Sulina,  noch  in  ihrer  saclilichen,  auf 
die  Wasserversorgung  eine  zureichende  Bedingung,  den 
Verkehr  auf  jenem  wichtigen  Wasserwege  aus  dem  seuche- 
reicheu  Osten  nach  dem  volkreichen  Abeudlande  nicht  zu 
beanstanden.  Das  Gleiche  gilt  in  höherem  Grade  von  den 
noch  zurückgestellten  Gegenständen  internationaler  Ver- 
handlungen: der  Reform  des  Sanitätsrathes  in  Konstanti- 
nopel und  der  persischen  Frage. 

Die  Hamburger  Epidemie  des  Jahres  1892,  von  welcher 
im  Vergleich  zu  den  gleichzeitigen  in  Altena  und  Wands- 
bek  Professor  Koch  und  seine  Schule  für  die  erwähnte 
Ansicht  entscheidende  Bestätigung  gewonnen  zu  halten 
glauben,  lässt  den  Einfluss  ungünstiger  Bodenverhältnisse 
mindestens  ebenso  stark  hervortreten,  wie  denjenigen  der 
ungenügenden  Wasserversorgung  der  Stadt  Hamburg  mit 
unliltrirtem  Eibwasser.  In  dem  Kärtchen  ist  eine  Ueber- 
sicht  über  das  Auftreten  der  Herbstepidemie  nach  der  im 
Deceuiber  veröffentlichten  Statistik  entworfen.  Unter- 
schieden ist  dasselbe  nach  den  viererlei  Bodengebieten, 
welche  für  die  drei  Städte  in  Frage  kommen.  Es  sind 
ein  Geestgebiet  mit  guter  Entwässerung,  auf  welchem 
Altona,  Wandsbek  und  ein  Thcil  (Bezirke  X,  IX  und 
V2  VIII)  des  nordwestlichen  Hamburg  erbaut  sind,  ferner  zwei 
Geestgebiete  Hamburgs,  deren  eines  im  Südwesten  unter 
ungenügender  Abführung  der  Oberflächen-,  deren  anderes 
im    Norden    und    Osten    unter    ebensolcher    der    Grund- 


*)  Nach  Niedpi-schi-ift  dieses  im  .Juni  d.  J.  vollendeten  Auf- 
satzes ist  ausser  der  britischen  :iuoh  die  ägyptische  Regierung 
den  Beschlüssen  der  Dresdner  Sanitiitskonferenz  beigetreten. 


Wasser  leidet,  endlich  die  Stadtmarschen  im  Südosten 
Hamburgs. 

Für  Beurtheilung  der  daraus  sich  ergebenden  örtlichen 
Einflüsse  ist  es  nun  von  geradezu  beweisendem  Werth, 
dass  alle  vier,  an  einander  entlegenen  Stellen  zweimal 
wiederkehrend,  paarweise  eine  fast  genaue  üebereinstim- 
mung  in  den  Verhältnisszahlen  der  Clnderasterblichkeit, 
eine  annähernde  in  den  weniger  genauen  der  Erkran- 
kungen erkennen  lassen.  Diese  Uebereinstimmung  der 
Choleragefahr  in  den  örtlich  vergleichbaren  Gebietepaaren 
verleiht  jenen  Verhältnisszahlen  hinreichende  Sicherheit, 
um  die  Wirkung  der  örtlichen  Einflüsse  gegen  einander 
abzuschätzen. 

Derjenige  des  unfiltrirten  Eibwassers  der  Hamburger 
Wasserversorgung  verdreifachte  danach  die  Cholerasterb- 
lichkeit in  Hamburg  gegenüber  derjenigen  in  Altona, 
welches  nut  gut  filtrirteni  Eibwasser,  und  in  Wandsbek, 
das  mit  Quellwasser  versorgt  ist.  Der  Einfluss  der  Bodenver- 
unreinigung durch  ungenügende  Entwässerung  verdoppelte 
aber  diese  erhöhte  Sterblichkeit,  derjenige  des  sumpiigen 
Marschbodens  vermehrte  sie  noch  um  ein  Drittel.  Aehn- 
liclie  Verhältnisszahlen  ergiebt  ein  Vergleich  der  Erkran- 
kungsziftern.  Noch  mehr  tritt  aber  die  für  jene  Epidemie 
geltende  Bedeutung  der  Bodenverunreinigung  hervor,  wenn 
man  aus  jenen  Verliältnissen  berechnet,  wie  viele  Opfer 
an  menschlicher  Gesundheit  und  menschlichem  Leben 
jeder  der  drei  in  Hamburg  waltenden  besonderen  Nach- 
theile gekostet  hat.  Dem  Bewohnen  der  Marsch  allein  ist 
danach  ein  Mehr  von  etwa  1300  Erkrankungen  und  600 
Todesfällen,  der  Wasserversorgung  allein  ein  Mehr  von 
7000  Erkrankungen  und  nahezu  2600  Todesfällen,  der 
Bodenverunreinigung,  durch  gestaute  und  ungenügend  ver- 
sickernde Wasser,  aber  ein  Mehr  von  rund  8000  Erkrankun- 
gen und  3000  Todesfällen  zur  Last  zu  schreiben. 

Unwiderleglich  geht  wohl  daraus  dasselbe  hervor,  was 
aus  vielen  Beispielen  anderer  Städte  in  und  ausser  Europa 
zu  ersehen,  dass  auch  gelegentlich  der  schweren  Hamburger 
Epidemie  der  Einfluss  ungünstiger  Bodenverhältnisse  dem- 
jenigen mangelhafter  Wasserversorgung  mindestens  gleich- 
geordnet war.  An  beiden  Seiten  haben  demnach  vor- 
beugende Maassregeln  gegen  Cholera  und  andere,  ähnliche 
Epidemien  nach  wie  vor  anzusetzen.  Für  den  Schiffs-  und 
überhaupt  Reiseverkehr  kommt  allerdings  zuerst  die  directe 
Ansteckungs-  und  vor  allem  die  Trinkwasserfrage  in 
Betracht.  Für  die  Verhinderung  eines  Vordringens  der 
Seuche  in  und  aus  dem  Orient  wiegt  aber  in  gleichem 
Grade  wieder  die  Frage  der  örtlichen  Gefahr  vor.  Für 
sie  behalten  deshalb  Vorschläge  vor  allem  Geltung,  welche 
auf  europäische  Reinhaltung  orientalischer  Städte  abzielen. 
Sehr  günstig  für  ihre  Verwirklichung  erscheint,  dass  die 
in  Betracht  kommenden  Wohnsitze,  wie  zunächst  die 
türkischen,  arabischen  und  ägyptischen  Grossstädte  der 
mohamedanischen  Welt  angehören,  welche  Vorschriften 
gesundheitsgemässerReinlichkeitseitAlters  in  ihre  religiösen 
Grundsätze  aufgenommen  hat.  Schon  bei  Einrichtung  des 
türkischen  Sanitätsdienstes  wurde  die  Autorität  der  mo- 
hamedanischen Geistlichkeit  erfolgreich  zu  Hilfe  gerufen. 
Vielleicht  gelingt  es,  die  besten  Vorschriften  der  Städte- 
Hygiene  in  derselben  Weise  schnell  zur  Geltung  zu  bringen, 
dtirt,  wo  ihre  strenge  Befolgung  auch  für  den  europäischen 
Westen  von  unschätzbarer  Bedeutung  ist. 


lieber  den  Werth  der  Cholerabacterieu -Unter- 
suchung findet  sich  ein  Aufsatz  Oscar  Lieb  reich 's  in 
der  „Berlin.  Klin.  Wochenschr.",  dem  wir  das  Folgende 
entnehmen: 

Die  von  Koch  in  seinem  Aufsatze:  „Zum  gegenwär- 
tigen Stand  der  Choleradiagnose ^-  (Zeitschrift  f.  Hygiene, 


Bd.  XIV,  Heft  2)  niedergelegten  Vorschriften  zerfallen  in 
6  Abtheilungen:  1.  die  mikroskopische  Untersuchung, 
2.  die  Peptoncultur,  3.  die  Gelatineplattencultur,  4.  die 
Agarplattencultur,  5.  die  Cholerarothreaction,  6.  der  Thier- 
versuch. 

1.    Von  der  mikroskopischen  Untersuchung  möge  zu- 


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Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  31. 


nächst  zugestanden  werden,  dass  mit  einer  Sicherheit  von 
beinahe  50  pCt.  erkannt  werden  Icann,  dass  man  es  mit 
Cholerabacterien  zu  thun  habe.  Der  Werth  dieser  Be- 
stimmung- soll  nicht  einzig  in  der  Kommaform  der  Bacillen 
liegen,  sondern  in  der  eigenthümlichen  Anordnung  der- 
selben. „Sie  bilden  nämlich  Häufchen,  in  denen  die  ein- 
zelnen Bacillen  sämmtlich  dieselbe  Richtung  haben,  so 
dass  es  so  aussieht,  als  wenn  ein  kleiner  Schwärm  der- 
selben, wie  etwa  Fische  in  einem  langsam  fliessenden 
Gewässer  hintereinander  her  ziehen."  Es  liegt  hier  eine 
Anordnung  vor,  welche,  nach  den  Versuchen  Pfefter's, 
wahrscheinlich  auf  Chemotaxis  zurückzuführen  ist. 

„Erst  wenn  das  Bacteriengemisch  ein  complicirteres 
wird,  fängt  die  mikroskopische  Diagnose  an  unsicher  zu 
werden"  und  man  soll  sich  nun  2.  zu  dem  Peptoncultur- 
verfahren  wenden.  „Man  wendet  dasselbe  jetzt  in  der 
Weise  an,  dass  in  die  sterihsirte  1  procentige  Pepton- 
lösung,  welche  sich  in  Reagensgläsern  befindet,  man  ein 
oder  mehrere  PlatinOsen  der  Dejection,  oder  wenn  dieselbe 
Schleimflockeu  enthält,  einige  solcher  Flocken  bringt  und 
bei  einer  Temperatur  von  ST'^  hält."  Bei  sehr  reichlichem 
Vorhandensein  der  Cholerabacterien  sollen  sich  Reinculturen 
derselljen  finden,  welche  die  Diagnose  feststellen.  Dieser 
Fall  tritt  aber  nicht  immer  ein;  denn,  um  mit  den  Worten 
Koch's  zu  reden,  „sind  weniger  vorhanden  gewesen, 
dann  erscheinen  sie  später  an  der  Oberfläche  und  mehr 
oder  weniger  gemischt  mit  Fäcesbacterien  (hauptsäch- 
lich Bact.  coli),  so  dass  die  mikroskopische  Unter- 
suchung schliesslich  in  Zweifel  lassen  kann,  ob  die  vor- 
gefundenen gekrümmten  ßacterien  Cholerabacterien 
sind."  Zunächst  ist  also  auch  diese  zweite  Methode  nicht 
ausreichend,  um  ein  positives  Resultat  zu  erzielen,  um  so 
mehr  als  das  Mikroskop  eine  Entscheidung  nicht  liefern 
kann.  Infolge  dessen  wird  als  weiterer  Versuch  die  so- 
genannte Gelatineplattencultur  angestellt.  —  3.  Diese  über- 
trifft nicht  die  Peptoucultur  au  Feinheit,  wie  Koch  selber 
angiebt.  Geringe  Unterschiede  in  der  Zusammensetzung 
der  Gelatineplatte  liefern  ein  abweichendes  Aussehen  und 
diejenigen  Kulturen,  welche  im  Laboratorium  längere 
Zeit  fortgezüchtet  sind,  „geben  ein  ebenfalls  von  dem 
typisclien  mehr  oder  weniger  altweichendes  Wachsthum." 
Wenn  dieses  atypische  Wachsthum  auch  von  Koch  nur 
einmal  beobachtet  worden  ist,  von  anderen  Bacteriologcn 
ist  es  dagegen  häufiger  beobachtet  worden,  so  dass  sie 
glaubten,  nicht  echte  Cholerabacterien,  sondern  andere 
rascher  verflüssigende  Bacterien  vor  sich  zu  haben,  so 
zfeigt  dasselbe  doch  immerhin  an,  dass  eine  Constanz  in 
den  Wachsthumsbedingungen  nicht  unbedingt  ausge- 
sprochen werden  kann.  Man  sollte  nun  meinen,  nachdem 
diese  drei  Versuche  kein  sicheres  Resultat  ergeben  haben, 
würde  man  auf  ein  Verfahren  hingeleitet,  welches  über 
jeden  Zweifel  erhaben  ist,  und  welches  zum  mindesten 
besser  als  das  Gelatine-  und  das  Peptonverfahren  sei.  Dem 
ist  aber  nicht  so.  Koch  empfiehlt  4.  die  Agarplatten- 
cultur.  Es  kann  keine  bessere  Kritik  dieser  Cultur  ge- 
geben werden,  als  wenn  ich  des  Verfassers  eigene  Worte 
wieder  vorführe.  „Das  AVachsthum  der  Cholerabacterien 
auf  Agar  ist  kein  so  charakteristisches,  wie  das  in  Gelatine, 
und  man  ist  nicht  im  Stande,  sie  nach  ihrem  Aussehen 
allein  ohne  Weiteres  als  Choleracolonien  zu  bezeichnen." 
Nur  „mit  ziemlicher  Sicherheit"  kann  ein  „geübter  Blick 
die  Choleracolonien  von  Fäces-  und  Wasserbacterien 
unterscheiden."  Zwar  kann  man  dann  mit  Hülfe  des 
Mikroskops  feststellen,  ob  man  gekrümmte  Bacterien  vor 
sich  habe,  doch  sind  dieselljcn  dadurch  allein,  wie  Koch 
selbst  angiebt,  namentlich  wenn  sie  dem  Wasser  entstammen, 
als  Cholerabacterien  nicht  zu  erkennen. 

Bis  zu  diesem  Moment  hat  man  weiter  nichts  als 
Reinculturen  von    gekrümmten   Bacterien   erhalten  und  es 


wird  daher  zu  den  entscheidenden  Nummern  5  und  6 
übergegangen.  Diese  Versuche  beziehen  sich  auf  die 
sogenannte  Cholerarothreaction  und  auf  den  Thierversuch. 
Die  Wichtigkeit,  welche  Koch  diesen  beiden  Punkten  zu- 
weist, ergiebt  sich  aus  seinen  Worten:  „Auf  den  Thier- 
versuch muss  ebenso  wie  auf  die  Cholerarothreaction  des- 
wegen grosser  Werth  gelegt  werden,  weil  derselbe  in 
verhältnissmässig  kurzer  Zeit  eine  Eigenschaft  der  Cholera- 
bacterien erkennen  lässt,  welche  ihnen  ausschliesslich  zu- 
kommt. Unter  allen  gekrümmten,  d.  h.  spirillenartigen 
Bacterien,  welche  bei  der  Untersuchung  auf  Cholera  in 
Frage  kommen,  ist  bisher  keine  gefunden,  welche  in  der 
angegebenen  Dosis  auch  nur  annähernd  ähnliche  Sym- 
ptome bewirkt,  wie  die  Cholerabacterien."  Die  Unrichtig- 
keit dieser  Behauptungen  soll  in  Folgendem  nachgewiesen 
werden.  —  Was  zunächst  die  Cholerarothreaction  bctriff"t, 
deren  Entdeckung  Koch  irrthümlich  Bujwid  und  Dunham 
zuschreibt,  so  muss  dem  gegenüber  dieselbe  als  eine  alt- 
bekannte bezeichnet  werden.  Nur  der  Name  „Choleraroth" 
ist  neu  und  als  ein  wenig  passender  zu  bezeichnen.  In 
Kurzem  lässt  sich  darüber  Folgendes  sagen:  Schon  lange 
ist  das  Auftreten  einer  Rothfärbung  bei  Zusatz  von  Sal- 
petersäure zu  faulenden  Massen  bekannt;  bei  Cholera- 
stühlen ist  sie  zunächst  von  Virchow  bereits  vor  40  Jahren 
beobachtet  worden,  seine  Worte  lauten  folgendermaassen: 
„Die  Salpetersäure  brachte  ausserdem  jene  schön  rosen- 
rothe  Färbung  hervor,  die  schon  von  F.  Simon  und  Heller 
beobachtet  und  auf  Gallenfarbstoft"  bezogen  war;  es  be- 
stätigt sich  hier  die  schon  von  mir  1846  ausgesprochene 
Vermuthung,  dass  die  Färbung  von  verwester  Proteinsub- 
stanz herstamme."  Diese  Vermuthung  Virchow's  ist  durch 
nachfolgende  chemische  Untersuchungen  vollkommen  be- 
stätigt worden.  Es  wurde  nämlich  bei  faulender  Eiweiss- 
substanz  zunächst  ein  Körper  entdeckt,  welcher  als  eine 
wesentliche  Ursache  der  rothen  Reaction  bezeichnet 
werden  muss,  es  ist  dies  das  Indol,  ein  Körper,  welcher 
besonders  dadurch  erhöhtes  Interesse  gewann,  dass  er  von 
A.  V.  Baeyer  als  Reductionsproduct  des  Indigos  festge- 
stellt worden  ist.  Später  hat  Herr  Poehl  und  uiclit,  wie 
Herr  Koch  annimmt,  die  Bacteriologcn  Bujwid  und  Dun- 
ham, diese  Reaction  in  Choleradejectionen  und  Culturcn 
beobachtet.  Als  nun  Brieger  gefunden  hatte,  dass  die 
rothe  Farbbase  ein  Indolabkönnnling  sei,  proclamirte  er 
dieselbe  als  „specifisch"  für  die  Cholera  und  versah  sie  mit 
dem  Namen  Choleraroth.  Da  nun  im  faulenden  Eiweiss 
und  durch  andere  Bacterien  dieselbe  rothe  Farbe  erhalten 
werden  kann,  so  sieht  man  leicht,  dass  der  Name  insofern 
unglücklich  gewählt  ist,  als  er  die  irrige  Meinung  erwecken 
muss,  man  habe  es  hier  mit  einer  Farbe  zu  thun,  die  nur 
bei  Cholera  erzeugt  werde  und  somit  für  die  Diagnose  der 
Krankheit  als  eine  wichtige  Entdeckung  zu  betrachten  sei. 
Eine  Aufklärung  über  den  Verlauf  der  Reaction  erfolgte  zu- 
erst aus  dem  chemischen  Laboratorium  des  pathologischen 
Instituts  durch  Salkowski.  Für  das  Zustandekommen  der 
Rothfärbung  ist  bei  Gegenwart  von  Indol  salpetrige  Säure 
bez.  Nitrit  erforderlich.  Diese  Nitrite  nun  werden  in  manchen 
Bacterien  neben  Indol  gebildet,  und  dann  kommt  die 
Rothfärbung  wie  gewöhnlich  zu  stände,  wenn  man  eine 
reine  Mineralsäure  hinzufügt;  andere  Bacterien  bilden 
Indol  allein;  bei  diesen  muss  man,  um  die  Rothreaction 
zu  erhalten,  noch  salpetrige  Säure  oder  Nitrite  hinzufügen. 
—  Enthält  eine  Säure,  wie  dies  z.  B.  bei  Salpetersäure 
und  Schwefelsäure  zuweilen  der  Fall  ist,  salpetrige  Säure, 
so  ist  der  Zusatz  der  letzteren  natürlich  überflüssig.  Es 
ist  deshalb  die  von  Salkowski  aufgestellte  Behauptung- 
vollkommen  richtig,  dass  die  Cholerareaction  nichts  anderes 
sei  wie  eine  ganz  gewöhnliche  Indolreaction  und  „dass 
dieselbe  in  Choleraculturen  schon  mit  Schwefelsäure  ein- 
tritt, liegt  einfach  daran,  dass  die  Cholerabacillen  constant 


Nr.  31. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


321 


salpetrige  Säure  produciren,  welche  sich  als  Nitrit  in  der 
P^lüssigkeit  befindet."  „Es  giebt  ferner  kein  specifisches 
Choleraroth,  wie  es  Brieger  angenommen  hat,  dieses  ist 
einfach  Indolroth  und  aus  jeder  faulen  Peptonlösung  dar- 
stellbar." Das  Resultat  der  Untersuciiung  Salkowski's  ist: 
Es  kann  sein,  es  kann  auch  nicht  sein,  da  es  allgemein 
Bacterien  giebt,  welche  Nitrit  zu  Ammoniak  reducireu,  und 
Bacterien  giebt,  welche  Ammoniak  zu  Nitrit  oxydiren. 
Die  von  Salkowski  benutzten  lieferten  Nitrit;  die  von  mir 
untersuchten  Choierabacterien  haben  ebenfalls  Indol-  und 
Nitrifbildung  gezeigt  und  so  Veranlassung  zur  ludolroth- 
reaction  gegeben.  Ich  will  auch  zugestehen,  dass  sehr 
viele  als  Choleramikrobeu  angesprochene  Bacterien  die 
fragliche  Reaction  geben,  sogar  dass  andere  gekrümmte 
Bacterien  sie  nicht  zeigen,  trotzdem  aber  ist,  um  dies 
auch  gegen  Salkowski  auszudrücken,  die  Reaction  kein 
Characteristicum  derselben,  keine  Eigenschaft,  die  als  Er- 
kennnngsmittel  in  Anspruch  genommen  werden  darf  Für 
die  Richtigkeit  dieser  Behauptung,  dass  die  als  Choiera- 
bacterien angesprochenen  gekrümmten  ilikroorganismen 
in  Bezug  auf  gleichzeitige  Indol-  und  Nitritbildung  sich 
ungleich  verhalten,  sind  die  Angaben  von  C.  Fraenkel 
1892  als  beweisend  zu  erwähnen.  Er  findet  in  dem  Duis- 
burger Wasser  gekrümmte  Bacterien,  die  er  für  Choiera- 
bacterien erklärt,  erhält  die  rothe  Indolreaction  jedoch 
nicht  und  sagt,  wie  ich,  um  kein  Missverständniss  zu  er- 
regen, wörtlich  hier  anführe:  „Aber  ich  habe  ganz  das 
gleiche  Verhalten  auch  bei  den  im  Laufe  der  vorigen 
Woche  hier  aus  dem  erwähnten  Duisburger  und  aus  einem 
zweiten  in  8t.  (ioar  vorgekommenen  Fall  gezüchteten 
Choierabacterien,  sowie  ferner  bei  einer  mir  im  Juli  d.  J. 
aus  Paris  durch  Roux  übersandten  Cultur  beobachten 
können."  Diese  Culturen  waren  wieder  unter  sich  in 
sofern  verschieden,  als  die  Cultur  des  Roux  nach  vierzehn- 
tägigem ümzüchteu  erst  die  sogenannte  Cholerareaction 
gab. 

Dass  hier  die  Ausfüln-ung  der  Reaction  in  Bouillon- 
Pepton  geschah  statt  im  bouillonfreien  Pepton,  oder  die 
angewandten  Reagentien  nicht  rein  gewesen  sein  sollten, 
kann  nicht  als  Grund  des  Misslingens  angeführt  werden, 
da  die  französischen  Bacillen,  die  ebenfalls  in  Bouillon- 
pepton  gezüchtet  werden,  nach  14tägiger  Cultur  schliess- 
lich die  Reaction  zeigten !  Trotz  dieser  Unsicherlieit  misst 
Koch  der  .,Cl)olera-Rotli-Reaction  für  die  Unterscheidung 
der  Choierabacterien  von  ähnlich  geformten  Bacterien 
einen  sehr  hohen  Werth  bei".  —  Eine  ruhige  Beurtheilung 
führt  nach  dem  Vorstehenden  zu  dem  Sehluss,  dass  die 
Cholera-Roth- Reaction  in  derselben  Weise  wie  die  übrigen 
Versuchsanordnungen  keinen  sicheren  Beweis  gebracht 
hat.  ~-  6.  Zur  sechsten  Probe  wird  von  Koch  die  Giftig- 
keit der  gekrümmten  Bacterien  benutzt.  Es  wird  Bezug 
genommen  auf  eine  Arbeit  von  R.  Pfeiffer,  welcher  Meer- 
schweinchen Agarcultur  in  die  Bauchhöhle  einspritzt. 

Pfeiffer  zweifelt  nicht,  dass  die  von  ihm  an  Meer- 
sehweinehen hervorgerufenen  Krankheitssymptomc  mit  dem 
Bilde  der  menschlichen  Cholera  übereinstimmen;  er  stützt 
sieh  dabei  auf  die  auffällige  Muskelschwäche,  auf  die 
Muskelkrämpfe  und  das  Sinken  der  Körpertemperatur. 
Abgesehen  davon,  dass  dieses  Bild  ein  sehr  allgemeines 
Vergiftungsbild  ist,  fanden  sich  diese  Symptome  auch  bei 
anderen  Vergiftungen,  die  gleichzeitig  eine  Peritoneal- 
reizung hervorrufen.  Ich  eitirc  hier  nur  den  Berieht, 
welchen  Klein  an  das  Medical  Departement  of  the  Local 
Government  Board  (1893)  geliefert  hat.  Er  zeigte,  dass 
der  ^'ibrio  von  Finkler,  der  Bacillus  coli,  der  Proteus  vul- 
garis und  der  Bacillus  prodigiosus  dieselben  Erscheinungen 
hervorrufen.  Gruber  und  Wiener  fanden  ferner  bei  ihren 
Versuchen,  dass  die  verschiedenen  als  Choierabacterien 
angesprochenen  Bacillen  nicht  das  von  Pfeiffer  beschriebene 


Vergiftungsbild  lieferten,  selbst  solche  nicht,  die  sie  direet 
aus  dem  Koch'schen  Institut  erhalten  hatten.  Trotzdem 
nun  die  Pfeiffer'schen  Angaben  als  unbestätigt  dastehen, 
stützt  sich  Koch  lediglich  auf  diese  Versuche,  um  eine 
Diagnose  der  Cholcrabacillen  durch  sie  als  sicher  erziel- 
bar hinzustellen.  Diese  Thatsache  allein  genügt  schon, 
um  die  ganze  sechste  Probe  zu  verwerfen. 

Nehmen  wir  selbst  an,  dass  die  Pfeiffer'schen  Resul- 
tate constant  wären,  so  wäre  die  Methode  der  Ausführung, 
die  Koch  vorsehreiljt,  noch  in  einer  anderen  Hinsicht  un- 
zulässig. 

Bei  allen  toxicologischen  Versuchen  muss  der  Be- 
stimmung der  Qantität  des  anzuwendenden  Materials  eine 
entsprechende  Bedeutung  beigemessen  werden.  Da,  wo 
es  sich  nur  um  qualitative  Untersuchungen  handelt,  kann 
man  unter  Umständen  auf  die  genaue  Bestimmung  der 
wirksamen  Substanz  des  Giftes  verzichten  und  sich  mit 
annähernden  Methoden  helfen.  Wie  verfährt  nun  Pfeiffer? 
Er  benutzt  eine  Platinöse,  auf  welche  er  die  Cholera- 
cultur  heraufbringt.  Ich  bemerke,  wie  es  ja  bekannt  ist, 
dass  diese  Cultur  keine  flüssige,  sondern  eine  festweiche 
Substanz  ist;  es  kann  also  hier  nicht,  wie  es  bei  flüssigem 
Körper  vermöge  der  (Japillaritätsgesetze  der  Fall  ist,  da- 
\on  die  Rede  sein,  dass  man  unter  allen  Umständen  mit 
einer  Oese  annähernd  dieselbe  Quantität  heraushebt. 
Pfeiffer  giebt  an,  dass  der  Durchschnitt  des  Gewichtes 
1,5  mgr  betrage;  dabei  wird  aber  weder  die  Dicke  des 
Platindrahtes,  der  Durchmesser  der  Oese,  noch  die 
Maxima  und  Minima  der  Einzelgewichte,  aus  denen  der 
Durchschnitt  genommen  ist,  angegeben.  Für  den  Zweck, 
welchen  Pfeiffer  mit  seinen  Untersuchungen  erreichen 
wollte,  mag  die  Ungenauigkeit  dieser  Bestimmung  nicht 
zu  sehr  betont  werden.  Ganz  anders  verhält  es  sieh  aber, 
wenn  Koch  die  Pfeifferschen  Resultate  zu  einer  gesetz- 
mässigen  Reaction  erheben  will.  Er  sagt:  „Unter  allen 
gekrümmten,  d.  h.  spirillenartigen  Bacterien,  welche  bei 
der  Untersuchung  auf  Cholera  in  Frage  kommen,  ist  bis- 
her keine  gefunden,  welche  in  der  angegebenen  Dosis 
auch  nur  annähernd  ähnliche  Symptome  bewirkt,  wie  die 
r;holerabactcricn."  Es  geht  hieraus  deutlich  hervor,  dass 
nicht  die  Symptome  aliein  das  Maassgebende  sein  sollen, 
sondern  der  Zusammenhang  der  Dosis  mit  den  Symptomen, 
ja  dass  die  Symptome  eine  Function  der  Dosis  sind,  und 
dass  somit  der  zuverlässigen  Bestimmung  der  Dosis  eine 
ganz  besondere  Bedeutung  zukommt.  Und  nun  erhebt 
koch  eine  so  rohe  Dosirungsraethode,  wie  die  Bestimmung 
des  Herrn  Pfeiffer  mit  der  Oese,  zu  einem  Maass,  welches 
auf  Genauigkeit  Anspruch  machen  soll.  Er  sagt:  „Nach 
Pfeifers  Vorgang  verfährt  man  so,  dass  man  von  der 
Agarol)erfläche  mit  einer  Platinöse,  welche  ungefähr 
1,5  mgr  der  Cultur  zu  fassen  vermag,  eine  volle  Oese 
entnimmt,  in  1  ccm  sterilisirter  Bouillon  vertheilt  und  in 
die  Bauchhöhle  injicirt. 

Hier  fehlen  vor  allen  Dingen  die  Grenzwerthe  der 
Gewichte,  welche  eine  Platinöse  ergiebt,  und  es  fehlen 
zweitens  die  Grenzwerthe  der  (üftdose,  die  untere,  bei 
welcher  die  Virulenz  der  Choierabacterien  beginnt,  und  die 
obere,  bei  welcher  man  nicht  mehr  sicher  ist,  ob  die  Er- 
scheinungen auch  schon  durch  andere  Bacterien  hervor- 
gerufen werden  können. 

Was  ferner  die  Platinöse  betrifft,  so  zeigen  sich  hier 
bezüglich  der  Capacität  Differenzen  bis  zu  50  pCt.,  wie 
ich  mich  durch  Wägungen  von  Oescn  verschiedenen 
Durchmessers  überzeugt  habe.  Andererseits  ist  noch  zu 
berücksichtigen,  dass  sich  die  Höiiic  der  Dosis,  mit  welcher 
man  einen  bestimmten  Effect  erzielen  kann,  wie  Pfeiffer 
bemerkt,  nach  der  Virulenz  der  Cultur  richtet. 

Man  sieht  wohl,  dass  selbst  bei  der  grössten  Sorg- 
samkeit der  Untersuchung,  bei  der  grössten  Sachkenntniss, 


322 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  31. 


es  oft  nicht  möghch  sein  wird,  bei  strenger  Befolgung 
der  von  Koch  in  seiner  Arbeit  gegebenen  Vorsclirifteu, 
zu  einem  bestimmten  Resultat  zu  kommen.  Es  liegt  aber 
auch  noch  die  andere  Möglichkeit  vor,  dass  bei  einer  dieser 
sechs  Untersuehungsstationen  oder  bei  mehreren  derselben 
das  beabsichtigte  Resultat  erreicht  wird,  aber  deshalb 
zweifelhaft  werden  nmss,  weil  die  gesannnten  charakte- 
ristischen Proben  kein  übereinstimmendes  Resultat  geben. 
Wenn  also  beispielsweise  die  Agareultur,  die  Peptoncultur 
Resultate  ergeben,  der  Thierversuch  und  das  Olioleraroth 
nicht,  zu  welchem  Urtheil  über  die  Qualität  der  Bactcrien 
soll  man  gelangen,  da  auch  andere  gekrUnnnte  Bactcrien 
die  angegebenen  Eigenschaften  zeigen? 

Es  erübrigt  nun,  diejenigen  Merkmale  anzuführen, 
welche  ferner  von  den  Bacteriologen  als  für  die  Cholera- 
bacillcn  charakteristisch  angegeben  werden.  Hier  sei 
zunächst  erwähnt,  dass  auf  Bouillonculturen  sich  ein 
Häutchen  bilden  soll.  Aber  C.  Fränkel  sagt  von  seinen 
Bacillen,  die  er  als  Cholerabacilleu  anspricht:  „sie  bil- 
deten in  Bouilloncultur  das  sogenannte  charakteristische 
Häutchen  nicht.  Dasselbe  thun  die  von  Herrn  Roux  ge- 
züchteten französischen  Cholerabacterien  aucli  nicht". 
Und  Herr  Bleisch  erklärt  ebenfalls,  dass  er  bei  echten 
Choleravibrionen  dieses  charakteristische  Häutchen  nicht 
gefunden  habe.  Dagegen  findet  Fischer  bei  anderen  ge- 
krümmten Bactcrien,  die  er  nicht  als  Cliolerabacillen  an- 
spricht, dass  dieselben  Häutchen  bilden  können.  Diese 
Unsicherheit  in  der  Untersuchung  führt  zu  dem  merk- 
würdigen Ergebniss,  dass  es  kein  hinreichendes  Er- 
kennungszeichen für  Cholerabacterien  giebt. 

Eine  scharfe  Charakteristik  für  einen  einzigen  als 
Cholerabacillus  anzusprechenden  Bacillus  fehlt.  Es 
scheint  mir  auch  zweifelhaft,  ob  Koch's  indischer  Cholera- 
bacillus derselbe  gewesen  ist,  den  er  in  Hamburg  ge- 
züchtet hat  oder  derselbe,  der  in  Paris  aufgetreten  ist, 
und  ob  es  nicht  überhaupt  eine  Reihe  verschiedener 
Rommabacillen  sind,  die  bei  der  Cholera  auftreten,  wie 
es  der  englische  Forscher  Cuninghani  behauptet.  Hierfür 
lässt  sich  Folgendes  anführen.  Koch  sagte  1884:  „Die 
Kommabäcillen  wachsen  nun  aber  auch  in  anderen  Flüssig- 
keiten, vor  allen  Dingen  wachsen  sie  in  Milch  sehr  reich- 
lich und  schnell.  Sie  bringen  die  Milch  nicht  zum  Ge- 
rinnen und  fällen  das  Casein  nicht  aus."  Ferner  sagt 
Löfflcr  1887:  „Der  einzige  der  kommaförmigen  Organis- 
men, welcher  sich  in  der  blaugefärbten  Milch  durch  sein 
besonderes  Verhalten  auszeichnet,  ist  der  Millcr'sehe  Ba- 
cillus; er  fällt  das  Casein  und  peptonisirt  es  ganz  ener- 
gisch." Im  Jahre  1892  jedoch  verhält  sich  der  Cholera- 
bacillus vollkommen  anders,  und  Herr  Finkeinburg  ist  in 
der  Lage  zu  zeigen,  dass  die  Laboratoriums-Bacillen  in 
50  Stunden,  die  Pariser  Vorortsbacillen  in  40  Stunden 
die  Milch  coaguliren  und  in  derselben  Zeit  leisten  auch 
dieses  die  Hamburger  Bacillen. 

Ein  weiterer  Anhaltspunkt  für  die  Beurtheilung  der 
Cholerafrage  liegt  nun  aber  ferner  darin,  dass  der  Cholera- 
bacillus, der  von  italienischen  Forschern  aus  der  Cholera- 
epidemie von  Massauah  und  Ghinda  gewonnen  ist,  tibcr- 
haupt  kein  gekrümmter  Bacillus  mehr  ist,  sondern  ein 
gerader  Bacillus,  wie  von  Sclavo  constatirt  wurde.  In 
Verbindung  mit  dieser  Thatsache  wird  jedenfalls  der  wei- 
tere, von  Fischer  herrührende  Befund  höchst  beachtens- 
werth  bleiben,  dass  der  gekrümmte  Bacillus  durch  künst- 
liche Züchtung  allmählich  in  eine  so  gerade  Form  über- 
gehen kann,  dass  das  Mikroskop  keinen  Unterschied  von 
anderen  geraden  Bacillen  tindct. 

Was  die  Erscheinungen  im  Darm  betrifft,  so  darf 
man  sich  durch  den  einfachen  Befund  gekrümmter  Ba- 
cillen im  Darm  nicht  direct  der  Vorstellung  hingeben, 
dass   sie  die  Ursache    der  schweren  Darmerscheinungen 


seien.  Solche  Schlussfolgerungen,  die  Gegenwart  einer 
Bacterienai't  oder  mehrerer  sofort  als  Ursache  der  Er- 
krankung anzunehmen,  haben  ja  bekanntlich  zu  manchen 
Täuschungen  geführt.  Pneumokokken  finden  sich  im 
;\Iunde,  mit  der  vollen  Charakteristik  der  Giftigkeit  an 
Thieren:  das  Bild  der  Pneumonie  konnnt  zu  Stande,  wenn 
die  Erkrankung  des  Organismus  die  Aufnahmefähigkeit 
bewirkt.  Keine  Desinfection  der  Welt  würde  im  Stande 
sein,  die  Kokken  von  der  Menschheit  fernzuhalten.  Was 
uns  überrascht,  ist  die  Plötzlichkeit  und  die  Massenbaftig- 
keit  des  Auftretens  von  Bactcrien,  wenn  eine  Widerstands- 
losigkeit  des  Organismus,  d.  h.  eine  Erkrankung  der 
Zellen,  eintritt.  —  Die  schwersten  Darmerscheinungen 
treten  nicht  durch  directe  Reizung  des  Darms  ein,  sondern 
sie  können  bewirkt  werden  durch  Aufnahme  von  Schäd- 
lichkeiten, welche  in  den  Körper  ohne  Vermittelung  des 
Intestinalcanals  eintreten.  Quecksilber  und  Arsenik  liefern 
bekanntlich  hierfür  das  beste  Beispiel,  und  der  pseudo- 
(liphtheritische  Prozess,  dessen  Auftreten  beim  Quecksilber 
von  mir  beobachtet  wurde,  giebt  hierfür  einen  guten  Be- 
weis. Bei  der  Vergiftung  mit  arseniger  Säure,  welche 
das  Bild  dei-  Cholera  vollkonunen  vortäuscht,  finden  sich 
massenhafte  Mikroorganismen  im  Darm,  so  dass  derjenige, 
welcher  nicht  wüsstc,  dass  Arsenik  die  Krankheitsursache 
sei,  ähnlich  wie  bei  der  Cholera  die  Ursache  in  diesen 
erst  secundär  afficirtcn  Theil  des  Körpers  verlegen  würde. 
Andererseits  ist  das  Vorhandensein  von  gekrümmten  liac- 
terien  bei  Menschen  constatirt,  welche  gesund  bleiben. 
Bei  der  Cholera  hat  man  bisher  nur  zeigen  können,  dass 
eigenartige  Bacillen  und  zwar  verschiedener  Art  oder 
Eigenschaft  auftreten  können.  Für  die  Annahme,  dass 
sie  die  Ursache  sind,  liegt  bis  jetzt  kein  Anhaltspunkt 
vor;  ferner  hat  die  experimentelle  Aufnahme  der  Bactcrien 
bei  den  bekannten  Selbst-Experimenten  das  vorauszu- 
sehende Resultat  ergeben,  dass  dieselben  sich  im  Darm 
vermehren  können,  keine  Cholera  herbeiführen,  sondern 
nur  jene  Störung  im  Organismus  erzeugen,  welche  durch 
die  Aufnahme  von  putriden  Massen  längst  bekannt  ist 
und  welche,  ohne  dem  Heldenmuth  der  Mttnchener  Ex- 
perimentatoren*) zu  nahe  treten  zu  wollen,  durch  die  all- 
bekannte Einwirkung  der  Psyche  auf  den  Darm  in  etwas 
schärferer  Weise  markirt  worden  sein  mag. 

Wir  müssen  es  offen  bekennen,  dass  die  Ursache 
der  Cholera  eine  noch  unbekannte  Schädlichkeit  ist,  welche 
die  Zellen  trifft  und  dass  diese  Erkrankung  ähnlich  wie 
bei  der  Diphtherie  und  der  Pneumonie,  den  Organisnuis  in 
einen  Zustand  überführt,  in  welchem  die  den  Fäuliuss- 
bacterien  nahestehenden  Mikroorganismen  einen  Angriffs- 
punkt bieten.  Das  Auffinden  der  Cholerabacilleu  allein 
bedeutet  nicht  „Cholera",  ebenso  wie  das  Auffinden  des 
Diphtheriebacillus  oder  der  Pneumokokken  bei  gesunden 
Menschen  Diphtherie  oder  Pneumonie  nicht  anzeigt.  — 
Die  Wehrlosigkeit  der  Zellen  gegen  Mikroorganismen  ist 
nicht  allein  eine  theoretische  Erörterung  der  cellular- 
pathologischen  Lehre,  sondern  Thierversuche  zeugen  für 
die  Richtigkeit  dieser  Anschauung.  Man  kann  die  Zellen 
durch   pharmakodynamische  Mittel  erkranken  lassen. 

Ein  sehr  interessanter  Versuch  Zuelzer's  1874  sei  hier 
zuförderst  erwähnt.  Wenn  man  Thieren  Fäulnissbacterien 
einspritzt  und  dieselben  davon  nicht  afficirt  werden,  nach- 
her eine  Atropiulösung  in  so  minimaler  Quantität  giebt,  dass 
die  gewöhnliche  physiologische  Action  nicht  bemerkbar 
wird,  so  sind  sie  jetzt  durch  die  Bactcrien  zum  Tode  zu 
führen.  Noch  beweisender  ist  ein  äusserst  interessanter 
Versuch  von  A.  Gottstein.  Er  konnte  bei  Thieren,  welche 
für  Hühnercholera  nicht  empfänglich  sind,  durch  vorher- 
gehende Verabreichung  von  Pyrodin  die  Erkrankung  der- 


*)  Vergl.  „Nutüi-w.  WofheiLscbr."   Bil.  VII,  S.  .Wl. 


Re 


Nr.  31. 


Natuvwissenschaftlielic  Wochcnsclirift. 


823 


selben  bewirken,  wobei  zu  bemerken  ist,  dass  Pyrodin 
nicht  etwa  ein  Nähritoden  für  llühnercholera  ist. 

Bei  dem  Auftreten  von  Epidemien  wird  eine  wesent- 
liche Ursache  immer  in  der  ( »rganisation  des  Menschen 
zu  suchen  sein.  Sein  Wohlbetindeu  wird  durch  richti.i;c 
hygienische  Verhältnisse,  die  ausserhalb  liegen,  und  durch 
die  Ernährung-  und  Pflege  des  Organismus  bedingt  sein 
und  setzt  sich  zusammen  aus  der  normalen  Function  aller 
seiner  Elementarorganismen,  der  Zellen. 

Dass  z.  15.  Hunger  unter  ganz  spcciellen  Bedingungen 
die  eigentliche  Ursache  ist,  welclie  die  Organismen  für 
eine  Krankheit  disponiren  und  ihre  Widerstandsfähigkeit 
gegen  pathogene  Einflüsse  herabsetzen,  kann  in  seiner 
Richtigkeit  auch  heute  nicht  bestritten  werden,  und  jeder 
Hygieniker  wird  zur  Beseitigung  der  Epidemien  diesen 
Umständen  Rechnung  tragen. 

Folgender  an  den  Hungertyphus  anknüpfender  Ver- 
such als  Beweis  für  den  Einfluss,  welchen  der  Ernährungs- 
zustand auf  die  P^mpfängliehkeit  der  Menschenzelle  gegen- 
über Infectionsstotfen  ausübt,  möge  hier  angeführt  werden : 
Tauben  sind  für  Milzbrand  nicht  empfänglieh,  weder  ejti- 
demisch  tritt  er  bei  ihnen  auf,  noch  bei  der  Impfung  geht 
er  fast  jemals  an.  Man  würde  vergebens  nach  chemischen 
Stoffen  suchen,  welche  diese  Thatsachen  erklären ;  bereitet 
man  dagegen  die  Tauben  durch  Hunger  vor,  oder  lässt 
sie  sofort  nach  erfolgter  Impfung  hungern,  so  gehen  sie 
fast  ausnahmslos  an  Milzbrand  wie  andere  Thiere  zu 
Grunde.  Man  sieht  also,  welch  mächtiges  Kampfmittel 
einer  so  schweren  Infection  gegenüber  die  normale  Zell- 
function  darstellt. 

Beim  Ausbruche  einer  Epidemie,  in  welcher  der  ur- 
sprüngUch  geringe  Infectionsstotf  in  mächtigster  Weise 
exponentiell  sich  vermehrt,  wird  die  Summe  "der  Wider- 
stände der  thierischen  und  menschlichen  Organismen  zur 
erfolgreichen  Bekämj)fung  der  Infectionsstofte  nicht  mehr 
ausreichen,  und  nur  so  können  wir  es  uns  erklären,  dass 
durch  den  geschaftenen  Infectionsstoft'  auch  Individuen 
betroffen  werden,  die  vermöge  ihrer  sonstigen  Verhältnisse 
verschont  geblieben  wären. 

Wir  können  —  schliesst  Liebreich  seinen  Aufsatz  — 
bis  jetzt  in  den  bei  der  Cholera  gefundenen  Bacillen  nur 
ein  Symptom  der  Cholera  anerkennen;  wer  dieselben  als 
primäre  Ursache  der  Cholera  hinstellen  will,  ist  ver- 
pflichtet, zwingendere  Beweise  dafür  beizubringen,  als  es 
bis  jetzt  geschehen  ist. 


Die.  Stachelapparate  der  Insecteiipuppeii  dienen 
mannigfachen  Zwecken.  Ihre  biologische  Bedeutung  setzt 
für  verschiedene  Kerfe  C.  Verhoeff  in  seinem  Aufsatz 
„die  physiologische  Bedeutung  des  Stachelapparates  be- 
sonders der  Hymenopteren-Nymphen"  auseinander,  (Zool. 
Anz.,  No.  401_,  S.  355).  Die  Puppen  des  Heidenliohrers 
rollen  sich  mit  ihren  Stacheln  „wie  mit  Steigeisen"  bis 
zum  Flugloch  "empor.  Die  Nymphen  der  Anthracinen 
(Dipteren)  können  mit  ihren  Stacheln  sowohl  bohren  als 
auch,  wie  der  genannte  Schmetterling,  sich  fortbewegen. 
Dagegen  konnte  Verhoeff  feststellen,  dass  die  Puppen 
der  Fossorien  unter  den  Hymenopteren  sich  nicht  mit 
ihrem  Stachelapparat  fortbewegen,  kein  Bohrwerkzeug 
haben,  nicht  vor  dem  Ausschlüpfen  der  Imagines  den 
Cocon  verlassen,  dass  ferner  der  Stachelapparat  zu  schwach 
ist,  um  der  Ortsbewegung  zu  dienen  und  gegen  das  Ende 
der  Nymphenzeit  schrumpft.  Auch  ist  einlocomotorischer 
Apparat  bei  Puppen  von  Kerfen  mit  kräftigen  Oberkiefern 
zwecklos.  Vielmehr  unterstützen  die  Stachel-  und  Zapfen- 
Bewehrungen  der  Hautflüglernymi)hcn  die  letzte  Nerven- 
häutung und  entsprechen  den  Häutungshaaren  der  Kriech- 
thiore    und   höheren   Kruster.     Bei   Trypoxylon   konnte 


beoljachtet  w-erden,  dass  die  nach  hinten  gerichteten 
Stachelehen,  nachdem  die  Körpersegmente  nach  vorn  in 
einander  geschoben  waren,  bei  der  nunmehr  eintretenden 
Streckung  derselben  die  Larvenhaut  lockerten  und,  bei 
wiederholter  Zusammenziehuiig  und  Streckung  des  Körpers 
abschoben.  Verhoett'  betrachtet  ferner  den  Hymenopteren- 
ajjparat,  den  er  „hetrodermatisch"  nennt,  als  eine  ph3'lo- 
genetische  Vorstufe  der  „locomotorischen"  Apparate  der 
Fliegen  und  Schmetterlinge.  Letzterer  ist  auch  helco- 
dermatisch,  hat  aber  daneben  eine  zweite  Verrichtung 
übernonnncn  und  erfährt  infolgedessen  keine  schliessliche 
Schrumpfung.  Eine  dritte  Function  übernahmen  die  Kopf- 
uud  Analstacheln  der  Anthracinennymplien,  nändich  die 
des  Bohrens.  Auch  von  mehreren  Käfernymphen  kennt 
^'crf.  helcodermatische  Stachelvorkehrungen.  Die  Noth- 
wendigkeit  des  besonderen  Werkzeuges  bei  der  letzten 
Häutung  geht  daraus  hervor,  dass  die  Spannung  bei  der- 
selben am  Hinterleib  am  geringsten  ist,  die  Nymphen 
also  leicht  im  Abdomen  stecken  bleiben  würden.  Da 
hier  aber  die  Mehrzahl  der  Stigmen  liegt,  würde  der 
Gasaustausch  mindestens  erschwert  werden.  Es  sterben 
auch  in  der  That  bei  Züchtungen  solche  steckenbleibenden 
Puppen  bald  ab.  C.  Matzdorfif. 


Die  Forscliuiigsreise  des  französischen  Kriegs- 
schiffes „Manche."  —  Kapt.-Lieut.  a.  D.  Georg  Wisli- 
cenus  entwirft  in  den  Annalen  der  Hydrographie  und 
maritimen  Meteorologie  (1893,  Maiheft)  nach  amtlichen  Be- 
richten eine  Schilderung  von  der  Forschungsreise  des  fran- 
zösischen Kriegsscbiftes  "Manche"  und  der  Islandflseherei, 
der  wir  das  Folgende  entnehmen:  Im  Frühjahr  1892  er- 
hielt Liniensehiffskapitain  Bienaime,  Kommandant  des 
Transportschiffes  „Manche",  den  Auftrag,  die  Station  der 
Islandfischer  zu  lieaufsichtigen  und  dabei  zugleich  wissen- 
schaftliche Beobachtungen  auf  Jan  Mayen  und  Spitz- 
bergen anzustellen.  Nachdem  das  Schiff,  seiner  Sendung 
entsprechend,  ausgerüstet  worden,  verliess  es  am  4.  April 
Cherbourg  und  traf  nach  mehrfachem  Aufenthalte  unter- 
wegs am  4.  Mai  in  Reykjavik  ein.  Der  Aufenthalt  in 
den  isländischen  Gewässern  währte  bis  zum  8.  Juli,  dann 
wurde,  da  inzwischen  die  speciellen  Ordres  für  das  wissen- 
schaftliche Unternehmen  eingetroffen  waren,  nach  Leith 
gesegelt,  wo  die  Mitglieder  der  wissenschaftlichen  Sendung 
(Prof.  Pouchet  vom  Pariser  Museum,  der  österreichische 
Linienschiffslieutenant  August  Gratzl  und  die  Herren 
Charles  Rabot  und  Pettit)  an  Bord  kamen  und  die  letzten 
Vorbereitungen  für  die  Reise  getroffen  wurden. 

Am  20.  Juli  lief  die  „Manche"  von  Leith  aus  und 
erreichte  die  Insel  Jan  Mayen  am  26.  abends  nach  sehr 
guter  Ueberfahrt.  Man  hatte  nicht  den  graden  Kurs  dort- 
hin genommen,  sondern  war  im  Gebiete  der  höchsten 
Wassertemjjeratur  so  lange  nordwärts  gelaufen,  bis  man 
das  Gebiet  kälteren  Wassers  auf  seiner  geringsten  Breite 
schneiden  konnte.  Die  Annäherung  an  die  Insel  auf 
gradem  Kurse  ist  häufig  der  grossen  Eismassen  wegen 
schwierig.  Die  auf  der  „Manche"  beobachteten  Wasser- 
temperaturen stimmten  genau  mit  der  Karte  des  be- 
rühmten Hj'drographen  Prof.  Mohn  Uberein.  Dieselbe 
Methode  wurde  später  bei  der  Ueberfahrt  von  Jan  Älayeu 
nach  Spitzbergen  angewendet.  In  beiden  Fällen  durfte 
nach  der  Karte  kein  Eis  getroffen  werden,  und  es  wurde 
auch  thatsächlich  keins  angetroffen. 

Am  27.  wurde  in  der  Bai  Jlary-Muss  geankert,  vor 
den  Häusern  der  alten  österreichischen  Polarexpedition. 
Lieutenant  Gratzl  landete  hier  mit  einem  Pendelapparat 
und  bestimmte  am  Orte  der  Station  während  des  Tages 
die  Fallbeschleunigung  in  71°  N-Br.  und  11  m  Höhe  über 
dem    Meere    zu    9,82345.     Während    des  28.  wurde   eine 


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Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  31. 


Rundfahrt  um  die  Insel  gemacht  und  am  Nachmittage 
am  Südende,  in  der  Bucht  Bois  Flotte,  g-eankert;  leider 
verbot  die  heftige  Brandung  das  Landen.  Neue  geogra- 
phische Beobachtungen  wurden  nicht  gemacht,  dagegen 
konnte  festgestellt  werden,  dass  die  von  der  österrei- 
chischen Sendung  aufgenommenen  Karten  so  genau  und 
vollständig  sind,  wie  man  es  nur  wünschen  kann:  daher 
ist  die  Seefalirt  an  der  Küste  der  Insel  ganz  so,  als 
wenn  man   in   einer  vielbefabrenen  Gegend  sich  befände. 

Am  Abend  des  28.  wurden  Segel  gesetzt  und  wurde 
Kurs  nach  Spitzbergen  genommen;  nach  einer  günstigen, 
etwas  nebligen  Ueberfahrt  kam  diese  Inseln  um  11''  am 
Abend  des  31.  Juli  in  Sicht.  Am  1.  August  4''  a  ankerte 
die  „Manche"  in  der  Kecherche-Bai,  im  Süden  des  grossen 
Beil-Sundes*).  Die  Karten  dieser  Gegend  von  Spitzen- 
bergen zeigten  keineswegs  die  Genauigkeit  jener  von 
Jan  Mayen.  Es  war  geradezu  erstaunlich,  dass  die  so 
oft  schon  besuchten  und  auch  vermessenen  Küstengegen- 
den so  sehr  ungenau  in  die  Karten  eingetragen  sind.  So 
viel  in  der  kurzen  Zeit  sich  thun  Hess,  geschah  von  der 
„Manche",  um  bessere  Aufnahmen  zu  machen.  Alle 
Ankerplätze  wurden  durch  Triangulation  genau  aufge- 
nommen, die  langen  Küstenstrecken  wurden  unter  Dampf 
durch  „flying  survey"  bestimmt.  Einige  Seiteuthäler 
wurden  von  Land  aus  mittelst  des  Kompasses  aufgenom- 
men, so  das  Innere  der  Sassen-Borg.  Am  4.  August 
dampfte  die  „Manche'"  in  die  Advent-Bucht  im  Eisjord, 
die  an  demselben  Tage  erreicht  wurde.  Am  6.  wurde 
in  die  Sassen-Bai  gelaufen;  Im  Innern  dieses  Golfes 
wurden  der  Liuienschiffsfähnrich  Lancelin  und  Herr 
Rabot  gelandet,  die  einen  viertägigen  Erforschungsmarsch 
in  das  Innere  der  Insel  machen  sollten.  Abends  ankerte 
die  „Manche"  in  einer  vorzüglichen  Bucht  innerhalb  der 
Klaas-Billen-Bai,  nicht  weit  vom  Skaasberg;  Kapt.  Bien- 
aime  gab  dieser  kleinen  Bucht  den  Namen  Manche-Bucht. 
Inzwischen  war  Lieut.  Gratzl  mit  seinem  l'endelapparat 
auf  das  Kap  Thordsen,  den  Stationsort  der  früheren 
schwedischen  Polarexpedition  gestiegen  und  hatte  dort  die 
Fallbeschleunigung  zu  9,82866  in  52  m  Höhe  über  dem 
Meere  bestimmt.  Gleichzeitig  machte  Lieut.  Carfort  in 
der  Recherche-  und  Manche-Bai  Gezeitenbeobachtungen; 
vorher  waren  an  mehreren  Stellen  in  Reykjavik  und  im 
Patrixfjord  auf  Island  ebensolche  Beobachtungen  gemacht 
worden.  Es  zeigte  sich,  dass  die  Gezeiten  in  Spitzbergen 
schwächer  als  in  Island  sind,  und  dass  ihre  Höhe  über- 
haupt abnimmt,  je  mehr  man  sich  dem  Pole  nähert. 

Magnetische  Beobachtungen  wurden  auf  allen  Sta- 
tionen von  Lieut.  Exelmans  gemacht.  Es  zeigte  sich 
dabei,  dass  die  magnetischen  Störungen,  denen  der  Kom- 
pass  in  Island  unterworfen  sein  soll,  eben  so  sehr  in  das 
Reich  der  Fabel  gehören,  wie  die  Störungen,  die  infolge 
von  „Lokalattraktionen"  nach  Jahrhunderte  alten  und 
immer  wieder  aufgefrischten  Berichten  beim  Kap  Finistere 
stattfinden  sollen.  Das  Wahre  an  der  Sache  ist,  dass 
freilich  die  Horizontaliutensität  des  Erdmagnetismus  sehr 
schnell  abnimmt,  je  mehr  man  sich  dem  Pole  nähert,  in- 
folge wovon  geringe  örtliche  Einflüsse  erhebliche  Ab- 
weichungen der  Nadel  erzeugen  und  die  Nadel  bei  jeder 
Ablenkung  nur  langsam  in  ihre  richtige  Lage  zurückkehrt. 
Die  an  Land  angestellten  Beobachtungen  haben  aber 
selbst  unter  den  ungünstigsten  Verhältnissen  besonders  zu 
Reykjavik  ergeben,  dass  diese  Störungen  nie  grösser  als 
2°  bis  3°  werden.  Auf  dem  Meere  ist  dieser  Einfluss 
natürlich  infolge  der  viel  grösseren  Entfernung  von  grossen 
Gesteinsmassen  viel  geringer.  Es  kann  daher  gar  nicht 
die   Rede  davon    sein,    dass    derartige    magnetische    Stö- 


*)  Vergl.    die  Karte    von  Spitzbergen    in    der  ,. Naturwissen- 
schaftlichen Wochenschrift"  Bd.  VI  S.  426.  —  Red. 


rungen  jemals  für  Fischerfahrzeuge,  bei  denen  es  gewiss 
nicht  auf  Yg  Strich  Fehlweisung  ankommt,  schädlich  werden 
könnten.  Die  Fehler,  die  durch  die  veränderlichen  Strö- 
mungen in  das  Besteck  gebracht  werden,  sind  stets  uur 
vergleichlich  viel  grösser. 

Neben  den  gewöhnlichen  meteorologischen  Beobach- 
tungen wurden  auch  fortlaufende  Aufzeichnungen  eines 
Barographs  und  eines  Anemometers  gewonnen,  so  wie 
Messungen  über  Temperatur  und  Dichtigkeit  des  See- 
wassers an  der  Oberfläche  und  einige  Tiefseetempera- 
turen. 

Von  Pflanzen  und  Fossilien  konnten  auf  Jan  Mayen 
und  auf  Spitzbergen  reichhaltige  Sammlungen  angelegt 
werden.  Einige  Pflanzenversteinerungen  vom  Kap  Lyell 
dürften  das  Werthvollste  darunter  sein.  Die  Treibholz- 
proben werden  vielleicht  noch  einige  Aufschlüsse  für  die 
Oceanographie  geben.  Niedere  Thiere  wurden  sowohl 
auf  hoLem  Meere  als  auch  auf  dem  Lande  und  in  der 
nördlichen  Lagune  auf  Jan  Mayen  gefangen.  Die  wenigen 
Wirbelthiere,  deren  man  habhaft  wurde,  gaben  eine  inter- 
essante Ausbeute  an  Eingeweidewürmern. 

Während  des  9.  August  wurden  die  an  Land  ge- 
schickten Beobachter  wieder  eingeschifft;  dann  dampfte 
die  „Manche"  wieder  in  die  Advent-Bucht.  Alle  Fahrten 
wurden  zu  Vermessungen  ausgenutzt,  und  gleichzeitig  eine 
grosse  Zahl  von  Küstenansichteu  photographisch  aufge- 
nommen. Am  11.  August  dampfte  die  „Manche"  nach 
Green-Harbour,  konnte  dort  aber  keinen  Ankerplatz  finden, 
da  noch  in  200  m  Abstand  vom  Lande  60  m  Tiefen  sind. 
Schliesslich  wurde  die  bisher  ganz  unbekannte  äussere 
Küste  der  Prince-Charles-Insel  im  Vorbeidampfen  ver- 
messen. Der  Kommandant  beabsichtigte,  bei  günstigem 
Winde  bis  zur  Eisgrenze  nordwärts  zu  segeln,  doch  auf 
78°  30'  N-Br.  trat  frischer  Nordwind  ein,  deshalb  wurde, 
nm  Kohlen  zu  sparen,  in  den  Beil-Sund  zurückgelaufen. 
Dort  wurden  noch  einige  hydrographische  Arbeiten  voll- 
endet. Am  westlichen  Gletscher  der  Recherche-Bai  konnte 
von  Lieut.  Carfort  aus  mehrtägigen  Beobachtungen  eine 
jährliche  Bewegung  von  nur  30  m  festgestellt  werden. 
Der  östliche  Gletscher  hatte  sich  seit  der  letzten,  1838 
angestellten  Beobachtung  sehr  verändert;  er  ist  um 
2300  m  zurückgetreten  und  hat  an  dem  von  ihm  ver- 
lassenen Platz  Wassertiefen  bis   zu  60  m  zurückgelassen. 

Am  15.  wurde  endgültig  die  Recherche-Bai  verlassen 
und  längs  der  Küste  von  Spitzbergen  südwärts  gesteuert; 
am  16.  kam  das  Land  aus  Sicht. 

Am  19.  August  wurde  Tromsö  erreicht  und  dort  bis 
zum  25.  verweilt;  nach  längerem  Aufenthalte  in  Bergen 
und  Christiania  erreichte  die  „Manche"  am  23.  September 
Kopenhagen.  Am  29.  September  verliess  die  „Manche" 
diese  Stadt  und  traf  nach  stürmischer  Ueberfahrt  am 
7.  October  in  Chcrbourg  wieder  ein. 

Wir  übergehen  aus  Rücksicht  auf  den  Rahmen  unserer 
Zeitschrift  die  sehr  interessanten  Ausführungen  des  Herrn 
Verfassers  über  die  Islandfischerei  etc.  und  bringen  zum 
Schluss  aus  seiner  Abhandlung  noch  den  Abschnitt 
„lieber  den  Nutzen  der  Messung  der  Wasserwärme  für  den 
Kabeljaufang." 

Dr.  Dupouy,  welcher  bei  den  Inseln  Saint  Pierre  und 
Miquelon  nach  dieser  Richtung  hin  interessante  Versuche 
angestellt  hat,  glaubt,  die  Frage,  woher  es  kommt, 
dass  der  Ertrag  des  Fischfanges  an  verschiedenen  Stellen 
und  in  verschiedenen  Tiefen  so  verschiedenartig  aus- 
fällt, mit  Hülfe  folgenden   Grundsatzes   lösen   zu  kiinnen: 

„Der  Kabeljau  hält  sich,  wie  alle  anderen  Fische, 
meist  dort  im  Wasser  auf,  wo  die  Wasserwärme  seinem 
Leben  und  seinem  Gedeihen  am  günstigsten  ist." 

Freilich  giebt  er  zu,  dass  der  Aufenthaltsort  des 
Fisches  je    nach    der  Jahreszeit    noch    von    anderen  ür- 


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Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


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Sachen,  wie  von  der  Laichzeit,  von  der  Verfolgung-  durch 
andere  Fische,  von  der  Nahrung  u.  s.  w.  abhängig  sein 
muss.  Beobachtungen  haben  ergeben,  dass  der  Grund- 
satz vom  Einfluss  der  Wasserw<ärnie  stets  niaassgebend 
ist;  danach  scheint  der  Kabelj'au  sicii  in  Wassertenipera- 
turen  von  6°  bis  7°  C  am  wohlsten  zu  fühlen;  man  findet 
ihn  noch  in  10°  bis  11°,  doch  nie  in  wärmerem  Wasser. 
Dr.  Dupouy  hat  im  Juli  1892  mit  einem  Negretti- 
Zambra'schcn  Unikehrthermometer  folgende  Beobachtungen 
auf  den  Neufundland-Bänken  in  der  Nähe  von  Saint 
Pierre  gemacht: 


Oberflächen- 

Temi)eratur 

Wassertiefe 

auf  dem  Grunde 

der  Bank 

Grund- 
temperatur. 

F"angertrage 

11,3° 

.'i  —  1  j  111 

9.2° 

Sehr  viele  Kabeljaue  (14  in 
ein   paar   Auf;eublicken). 

9,4° 

45  m 

6,0° 

Einige    wenige    Kabeljaue. 

9,8° 

60  m 

4,4° 

Die  Fische  beissen  nicht  an. 

10,6° 

in  20  m 
ohne   Grund 

5,5° 

"            "                 H                "         n 

10,ß° 

05  m 

5,0° 

11             1                  .1                «          „ 

— 

25  m 

7,0° 

Ueborfluss  an  Fischen. 

— 

25  m 

7  2° 

Viele  Fische. 

In  Gegenwart  der  Mitglieder  der  Handelskammer 
machte  später  Dr.  Dupouy  Temperaturbeobachtungen  an 
Stellen,  wo  die  Küstenfischer  täglich  reichen  Fang  er- 
beuten,   und    fand    auch    dort    überall    7^  Wasserwärme. 

Auf  Grund  dieser  Beobachtungen  spricht  Dr.  Dupouy 
die  Hoffnung  aus,  dass  in  Zukunft  der  Hochseefischerei- 
Betrieb  durch  Benutzung  des  Thermometers  in  neue,  er- 
folgreichere Bahnen  gelenkt  werden  könnte. 


Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben. 

Es  wurden  ernannt:  An  der  Technischen  Hochschule  in  Braun- 
schweig der  Professor  der  allgemeinen  und  gerichtlichen  Chemie 
R.  Otto  zum  Geheimen  Hofrath  und  —  der  Privatdocent  der 
Geodäsie  und  Meteorologie  B.  Pattenhausen  zum  Landes-Ver- 
messungs-Director.  —  Der  Privatdoceut  für  anorganische  Chemie 
an  der  Technischen  Hochschule  in  Hannover  G.  Merling  zum 
Professor.  —  Der  ausserordentliche  Professor  für  Psychiatrie  an 
der  Universität  Tübingen  Dr.  E.  Siemerling  zum  Ordinarius 
und  Vorstand  der  Irrenklinik.  —  An  der  Universität  Wien  der 
ausserordentliche  Professor  für  Kinderkrankheiten  Dr.  A.  Monti 
zum  Dircctor  der  Poliklinik  und  —  der  ausserordentliche  Professor 
für  angewandte  medicinische  Chemie  Dr.  J.  M  au  thn  er  zum  stell- 
vertretenden Director  der  Poliklinik.  —  Der  Docent  an  der 
Universität  Basel  Dr.  med.  et  pliil.  Griesbach  von  der  Kaiser- 
lich Deutschen  Regierung  in  Strassburg  zum  Professor.  —  An 
der  Universität  Ko]ieuhagen  der  Privatdocent  für  allgemeine 
Pathologie  und  medicinische  Bacteriologie  Dr.  J.  C.  Salomo  nsen 
zum  ordentlichen  Professor  und  —  der  Privatdocent  für  Geschichte 
der  Medicin  Dr.  J.  J.  Petersen  zum  ausserordentlichen  Professor. 

—  Der  ausserordentliche  Professur  für  specielle  Pathologie  und 
Therapie  an  der  Universität  Moskau  Dr.  W.  J.  Jelsinskij  zum 
Ordinarius.  —  Dr.  .lohann  Franz  Meschedc,  Director  der 
städtischen  Krankenanstalten  in  Königsberg  i  Pr.,  zum  Professor 
für  Irrenheilkunde  an  der  dortigen  Universität.  —  An  der  Uni- 
versität Freiburg  die  Privatdocenten  für  Physik  Dr.  Ludwig 
Zehnder  —  und  Dr.  Georg  Meyer  zu  ordentlichen  Professoren. 

—  Dr.  Westphal,  Hilfsarbeiter  am  Kgl.  geodätischen  Institut  in 
Potsdam,  zum  Professor.  —  Dr.  Gerlach  von  der  agricultur-chemi- 
schen  Versuchsstation  zu  Halle  a.  S.  zum  Director  der  Versuchs- 
station Posen.  —  Dr.  Charles  K.  Mills  zum  Professor  für 
Psychiatrie  und  forensische  Medicin  an  der  Universität  Philadelphia. 

Es  haben  sich  habilitirt:  Dr.  A.  Wieler  an  der  Technischen 
Hochschule  in  Brannsehweig  für  Botanik.  —  Dr.  Bloch  an  der 
Universität  Freiburg  für  Ohrenheilkunde.  —  Dr.  R.  Zuber  als 
Privatdocent  für  dynamische  Geologie  der  Karpathen  au  der 
Univer.sität  Lemberg. 

Professor  der  Physiologie  Dr.  Kahler  in  .Jena  hat  die  Be- 
rufung zum  Leiter  der  zweiten  medieinischen  Klinik  in  Wien  ab- 
gelehnt. —  Der  Senior  der  medieinischen  Facultät  der  Universität 
Dorpat,  Professor  der  Pharmacie  Dr.  Georg  Dragendorff, 
scheidet  aus  seinem  Amte  aus  und  siedelt  nach  Bern  über.  - 
Professor  Naunyn    in  Strassburg    und  Professor  Erb  in  Heidel- 


berg haben  die  Uebernahme  der  zweiten  medieinischen  Lehrkanzel 
an  der  Universität  Wien  abgelehnt. 

Es  sind  gestorben:  Dr.  Gjmo  Pilar,  ordentlicher  Professor 
der  Mineralogie  und  Geologie  und  Custos  des  Naturwissenschaft- 
lichen Museums  an  der  Universität  Agram.  —  Der  Professor  der 
Botanik  an  der  Universität  Klagenfurt  Dr.  G.  A.  Zwanziger. — 
Der  Professor  der  Naturwissenschaften  am  Kgl.  Athenäum  Dr. 
Ursmar  Grosse  in  Folge  Entladens  seines  Revolvers  zu  Ath 
im  Hennegau.  —  Der  Physiker  Marie- Davy  auf  seinem 
Landgute  bei  Clamecy.  —  Der  Professor  der  Anatomie  Poctovin 
zu  Montreal  in  Canada.  —  Der  auch  durch  seine  litterarische 
Thätigkeit  bekannte  Sanitätsrath  Dr.  Adolf  K  a  1  i  s  c  h  e  r  in  Berlin. 
—  Der  augseriirdentliclie  Professor  für  Zoologie  an  der  Universität 
Strassburg  Dr.  Justus  Carriere.  —  Werner  Kümmel,  Di- 
rector der  Altonaer  Gas-  und  Wasserwerke,  bekannt  durch  seine 
Leistungen  auf  dem  Gebiete  der  Wasserfiltration  im  Grossen,  in 
Chicago.  

Zur  Errichtung  eines  Semmelweis-Denkmals  hat  sich  in  Pest 
ein  Comite  gebildet.  Professor  Semmelweis,  der  vor  etwa  30  Jahren 
starb,  erkannte  zuerst  die  wahren  Ursachen  des  Wund-  und  Kind- 
bettfiebers. 

Eine  medioinisch  -  hygienische  Ausstellung  wird  mit  dem 
im  September  d.  .1.  in  Komi  tageudon  Internationalen  medi- 
einischen Cougress  verbiiudeu  sein.  Das  Reichsgesundheitsarat 
hat  seine  Betheiliguug  zugesagt.  Der  Geschäftsausschuss  für 
Deutschland  besteht  aus  den  Herren  Rudolf  Virchow,  Albert 
Guttstadt,  S.  Guttmann,  Posner  und  Theodor  Weyl. 


Die  British  Association  of  Naturalists  h.ilt  ihre   diesjährige 
Versamndung  vom  13.  September  in  Nottingham  ab. 


Die  Nordpolexpedition  Dr.  Fridjof  Nansen's  welche  am 
12.  .Juli  in  Tromsoe  angekommen  war,  hat  dieses  bereits  wieder 
verlassen    und  befindet    sich    auf  dem  Wege  nach  Nowaja-Sendja. 


65.  Versammlung  der  Gesellschaft  deutscher  Naturforscher 
und  Aerzte  in  Nürnii(n-g  vom   11.  bis   15.  September  189.^. 

Am  2!).  August  18i)2  —  12  Tage  vor  Beginn  der  Versamm- 
lung —  wurde  dieselbe  wegen  der  Cholera  abgesagt. 

Der  Vorstand  hat  nun  in  seiuer  Sitzung  vom  12.  Februar  1893 
zu  Leipzig  beschlossen,  die  ausgefallene  65.  Versamudung  im 
laufenden  Jahre  in  Nürnberg  abzuhalten  und  hat  die  1892  in  Halle 
gewählten,  hier  unterzeichneten  CTCSchäftsführer  beauftragt,  die 
Vorbereitungen  so  zu  trefi'en,  dass  die  Versammlung  in  der  Zeit 
vom  11.  bis  15  September  stattfinden  kann.  Diese  Zeit  wurde 
besonders  mit  Rücksicht  darauf  gewählt,  dass  denjenigen  Herren, 
welche  den  internationalen  medieinischen  Congress  in  Rom  be- 
suchen wollen,  die  Möglichkeit  aufrecht  erhalten  werde,  von  Nürn- 
berg aus  mit  aller  Bequemlichkeit  noch  rechtzeitig  zur  Eröfl'nung 
nach  Rom  zu  gelangen. 

Wer  an  der  Versammlung  Theil  nimmt,  entrichtet  einen  Bei- 
trag von  12  Mark,  wofür  er  Festkarto,  Abzeichen  und  die  für  die 
Versammlung  bestimmten  Drucksachen  erhält.  Mit  der  Lösung 
der  Fcstkarte  erhält  der  Theilnehmer  Anspruch  auf  Lösung  von 
Damenkarten,  zum  Preise  von  je  6  Mark. 

An  den  Berathungen  und  Beschlussfassungen  überGesellschafts- 
Angelegenhciten  können  sich  nur  Gesellschaftsmitglieder  bethei- 
ligen, welche  ausser  dem  Theilnehmerbeitrag  noch  einen  Jahres- 
beitrag von  5  Mark  zu  entrichten  haben.  Als  Ausweis  dient  die 
Mitgliederkarte.  Nach  Beschluss  <ler  Vorstandschaft  gilt  die  für 
das  Jahr  1892  bereits  gelöste  Jlitgliederkarte  auch  für  das  Jahr 
1893,  so  dass  diejenigen  Herren,  welche  für  1892  ihre  Mitglieder- 
karte schon  gelöst  haben,  dieses  Jahr  von  der  Boitr.agsleistung 
entbunden  sind. 

Die  drei  allgemeinen  Sitzungen  werden  im  Saale  des  Industrie- 
und  Cultur-Vereins  (vor  dem  Walchthor)  abgehalten,  die  Abthei- 
lungs-Sitzungen  in  den  Räumen  der  Industrieschule,  des  Real- 
gymnasiums, der  Kreisrealschule  und  der  Baugewerkschule,  sämmt- 
lich  im  Bauhofe  (Seitenstrasse  der  Königsstrasse  unweit  des 
Frauenthors). 

Die  Abtheilungen  werden  durch  die  einführenden  A^orsitzenden 
eröffnet,  wählen  sich  aber  alsdann  ihre  Vorsitzenden  selbst.  Als 
Schriftführer  fungirt  der  von  der  Geschäftsleitung  aufgestellte 
Herr  und  je  nach  Wunsch  der  Abtheilung  der  eine  oder  andere 
besonders  zu  ernennende  Herr.  Eine  Ausstellung  wissenschaft- 
licher Apparate,  Instrumente  und  Präparate  veranstaltet  im  eigenen 
Ausstellungsgebäude  (MarienthorgrabonS)  das  Bayerische  Gewerbe- 
museum. Alles  Nähere  hierüber  wird  im  ersten  T.ageblatt  mit- 
getheilt  werden.  Als  Legitimation  für  freien  Eintritt  dient  Thoil- 
nehmerkarto  und  Festabzeichen,  wie  die  Damenkarte.    Die  städti- 


326 


Naturwissenschaftliche  Wochensclirift. 


Nr.  31. 


sehen  Behörden  haben  die  Versammlung  auf  Montag,  den  11. 
September,  Abends  zu  einer  geselligen  Vereinigung  in  den  Stadt- 
park bei  Musik,  Illumination  und  Feuerwerk  eingeladen.  Als 
Legitimation  zum  Eintritt  dient  die  Theilnehmer-  resp.  Damen- 
karte, ebenso  zu  der  geselligen  Vereinigung,  welche  Mittwoch,  den 
13.  September,  Abends  im  Park  der  Rosenau- Gesellschaft  statt- 
findet. Das  Festessen,  zu  welchem  Eintrittskarten  im  Empfangs- 
bureau zu  lösen  sind,  wird  am  Dienstag,  den  12.  September,  im 
Gasthof  zum  Strauss,  der  Festball  Donnerstag,  den  H.September, 
ebendaselbst  stattfinden.  Die  Ballkarten  werden  im  Empfangs- 
bureau derart  ausgegeben,  dass  auf  jede  Theilnehmerkarte  zwei 
Gäste  eingeführt  werden  können. 

Ein  Damen- Ausschuss  wird  es  sich  zur  Aufgabe  machen,  die 
fremden  Damen  zu  den  Sehenswürdigkeiten  der  Stadt  zu  führen 
und  für  deren  Unterhaltung  während  der  Abtheilungssitzungen 
Sorge  zu  tragen.  Die  fremden  Damen  werden  jetzt  schon  ge- 
beten, sich  rechtzeitig  in  die  auf  dem  Empfangsbureau  aufliegende 
Damenliste  einzuzeichnen,  wobei  ein  Pruspect  über  die  beabsich- 
tigten Veranstaltungen  abgegeben  werden  wird. 

Das    Empfangs-,    Auskunfts-    und    Wohnuugsbureau    wird    im 
Prüfungssaal  der  Kreisrealschule  (Bauhof)  geöffnet  sein: 
am  Sonnabend,  den  9.  Septbr.,  Nachmittags  von  4 — S'/o  Uhr, 
„    Sonntag,  „    10.        „         vonSUhr  Morgens  bis  12Ühr  Nachts, 

»    Montag,  „11.        „  „    8     „         „  „     8  „   Abends, 

und  an  den  folgenden  Tagen  an  noch  näher  im  Tageblatt  zu  be- 
zeichnenden Stunden. 

Die  Qeneraldirection  der  Königl.  bayer.  Verkehrsanstalten 
hat  sich  bereit  erklärt,  in  der  Kreisrealschule  gegenüber  dem 
Enipfangsbureau  während  der  Dauer  der  Versammlung  ein  Post-, 
Telegraphen-  und  Telephonbureau  zu  errichten,  welches  den 
Gästen  während  der  Versammlungstage  offen  stehen  wird. 

In  einem  vom  Oberbahnamt  Nürnberg  zur  Verfügung  ge- 
stellten Local  auf  dem  Centralbahnhof  werden  bei  Ankunft  der 
Bahuzüge  junge  Leute  anwesend  sein,  welche  bereit  sind,  den  an- 
kommenden Gästen  als  Führer  zu  dienen. 

Vorausbestellungen  von  Wohnungen  in  Gasthöfen  sowie  von 
Privatwohnungen  —  ohne  oder  gegen  Bezahlung  —  nimmt  der 
Vorsitzende  des  Wohnungsausschusses,  Herr  Kaufmann  J.  Gallinger 
(Burgstrasse  8),  von  jetzt  an  entgegen.  Es  wird  dringend  gebeten, 
diese  Anmeldungen  unter  genauer  Angabe  der  Bettenzahl  etc., 
vor  dem  31.  August  hieher  gelangen  zu  lassen. 

Das  Tageblatt,  welches  jeden  Morgen  im  Empfangsbureau 
ausgegeben  wird,  wird  die  Liste  der  Theilnehmer  mit  Wohnungs- 
angabe in  Nürnberg,  die  geschäftliehen  Mittheilnngen  der  Geschäfts- 
führer und  des  Vorstandes,  die  Tagesordnung  der  Abtheilungs- 
sitzungen etc.  etc.  enthalten. 

Die  Berichte  über  die  gehaltenen  Vorträge  werden  in  den 
Verhandlungen  der  Gesellschaft  deutscher  Naturforscher  und  Aerzte 
veröffentlicht.  Die  Herren  Vortragenden,  sowie  die  an  der  Dis- 
cussion  Betheiligten  werden  ei'sucht,  ihre  Manuscripte  deutlich 
mit  Tinte  und  nur  auf  eine  Seite  der  Blätter  zu  schreiben  und 
dieselben  vor  Schluss  der  betreffenden  Sitzung  dem  Schriftführer 
der  Abtheilung  zu  übergeben.  Berichte,  welche  dem  Redactions- 
ausschuss  nach  dem  15.  September  zugehen,  haben  kein  Recht 
auf  Veröffentlichung. 

Die  Verhandlungen  können  nur  solche  Mitglieder  erhalten, 
welche  mit  ihrem  Jahresbeitrag  von  5  Mk.  noch  6  Mk.  besonders 
eingesandt  haben.  Diese  G  Mk.  werden  denselben  bei  Bezahlung 
der  12  Mk.  für  die  Theilnehmerkarte  abgerechnet.  Die  für  das 
Jahr  1892  bereits  eingezahlten  G  Mk.  (zum  Zweck  des  Bezuges 
der  Verhandlungen)  gelten  nach  Beschluss  der  Vorstandschaft 
gleich  dem  Mitgliederbeitrag  auch  für  das  Jahr  1893. 

Nichtmitglieder,  welche  gemäss  §  4  Absatz  2  der  Geschäfts- 
ordnung als  Theilnehmer  erscheinen,  können  die  gedi-uckten  Ver- 
handlungen in  Nürnberg  während  der  Versammlung  bestellen, 
sind  aber  betreffs  der  Bezahlung  und  des  Bezugs  derselben  auf 
den  Buchhändlerweg  angewiesen. 

Mitgliederkarten  können  gegen  Einsendung  von  5  Mark  5  Pfg. 
vom  Schatzmeister  der  Gesellschaft,  Herrn  Dr.  Carl  Lampe-Vischer 
zu  Leipzig  (F,  C  W.  Vogel)  an  der  I.  Bürgerschule  jederzeit,  Theil- 
nehmcrkarten  gegen  Einsendung  von  12  Mark  25  Pfg.  von  dem 
I.  Geschäftsführer  der  Versammlung  in  der  Zeit  vom  24.  August 
bis  7.  September  bezogen  werden. 

Alle  Mitglieder  und  Theilnehmer  (auch  solche,  welche  schon 
im  Besitze  von  Legitimationskarten  sich  befinden)  werden  drin- 
gendst  ersucht,  im  Empfangsbureuu  ihre  Namen  in  die  aufliegenden 
Listen  einzutragen  und  gleichzeitig  ihre  Karte  mit  Name,  Titel 
und  Heimathsort  zu  übergeben.  Uober  die  Ausflüge,  welche  vor- 
geschlagen werden,  ist  folgendes  zu  bemerken: 

Für  die  Gesammtheit  ist  auf  Sonnabend,  den  16.  September, 
ein  Ausflug  nach  Rothenburg  o.  d.  T.  beabsichtigt,  woselbst  unter 
Mitwirkung  der  Gesammteinwohnerschaft  das  Volkssehauspiel 
„Der  Meistertrunk"  zur  Aufführung  gelangen  wird.  Die  Fahrt 
nach  Rothenburg  geschieht  in  einem  Estrazug,  der  früh  am  Morgen 
Nürnberg  verlässt  und  in  ca.  3  Stunden  Rothenburg  erreicht.    Es 


wird  dafür  gesorgt  werden,  dass  in  den  verschiedenen  Gasthöfen 
und  Wirthschaften  dortselbst  Mittagessen  bereit  ist.  Die  Rück- 
fahrt nach  Nürnberg  wie  die  directe  Weiterreise  nach  Nord  und 
Süd  ist  am  selben  Tage  von  Rothenburg  aus  möglich.  Die  Be- 
dingungen der  Theilnahme  an  diesem  Ausflug,  die  genaue  Zeit 
—  Stunde  —  der  Abfahrt  und  alles  andere  in  Bezug  darauf 
Wissenswerthe  wird  im  ersten  Tageblatt  bekannt  gegeben  werden. 
Die  Nothwendigkeit  der  Vorausbestellung  für  Extrazüge  und 
Schauspiel  lässt  es  höchst  wünschenswerth  erscheinen,  dass  die 
Geschäftsführung  wenigstens  annäherungsweise  die  Zahl  der  Theil- 
nehmer kennt.  Es  wird  deshalb  gebeten,  dass  diejenigen  Herren, 
welche  den  Ausflug  mitzumachen  wünschen,  sich  durch  Einsendung 
von  je  8  Mark  Plätze  zur  Eisenbahn-Hin-  und  Rückfahrt  und  für 
das  Festspiel  innerhalb  der  oben  angegel)enen  Zeit  sichern. 

Zu  einem  Ausflug  nach  Erlangen  ladet  eine  Anzahl  Herren 
im  Namen  der  Vertreter  der  naturwissenschaftlichen  und  medi- 
cinischen  Wissenschaften  dortselbst  auf  Freitag,  den  1-5  September, 
Nachmittag  ein.  Die  Vertreter  der  Abtheilungen  2,  5,  10,  14,  18, 
19  und  23  an  der  dortigen  Hochschule  wünschen  ihren  Abthei- 
lungen in  ihren  Instituten  Demonstrationen  vorzuführen  und  Mit- 
theilungen zu  machen,  welche  ohne  Apparate  und  Instrumente 
ausserhalb  der  Institute  nicht  gut  gegeben  werden  können.  Es 
stehen  aber  auch  alle  anderen  Institute  und  Anstalten  der  Be- 
sichtigung sämmtlicher  Gäste  offen.  Das  Nähere  darüber  soll  in 
den  ersten  Abtheilungssitzungen  besprochen  und  abgemacht  werden. 
Die  Abfahrt  in  Nürnberg  würde  in  keinem  Falle  vor  2  Uhr  Mittag 
stattfinden.  An  die  Vorträge  und  Besichtigungen  soll  sich  eine 
gesellige  Vereinigung,  bei  gutem  Wetter  auf  einem  Keller,  bei 
ungunstiger  Witterung  im  grossen  Redoutensaal  anschliessen. 

Die  einführenden  Vorsitzenden  der  Abtheilungen  für  Botanik, 
Mineralogie  und  Geologie,  Ethnologie  und  Anthropologie  schlagen 
für  denselben  Tag  Nachmittag  Ausflüge  vor  a)  nach  der  Krottenseer 
Trojjfsteinhöhle  bei  Neuhaus,  b)  nach  der  Hubirg  bei  Pommels- 
bruun  zur  Besichtigung  des  prähistorischen  Ringwalles.  Auch 
hierüber  soll  in  den  ersten  Abtheilungssitzungen  beschlossen  werden. 
Die  Gemeindebehörden  Bambergs  haben  freundliche  Einladung 
zum  Besuche  ihrer  Stadt,  besonders  aber  zur  Besichtigung  der 
neuen  Sternwarte  ergehen  lassen.  Die  hiebei  zumeist  interessirten 
Abtheilungen  1,  2  und  32  werden  hierüber  besonderen  Beschluss 
zu  fassen  haben. 

Alle  auf  die  Versammlung  oder  die  allgemeinen  Sitzungen 
bezüglichen  Briefe  (exci.  Wohnungsbestellungen)  bitten  wir  an  den 
ersten  Geschäftsführer  Medicinalrath  Merkel,  Nürnberg,  Josephs- 
platz 3,  alle  auf  die  Abtheilungen  und  die  in  denselben  zu  halten- 
den Vorträge  bezughabenden  Briefe  an  die  einführenden  Vor- 
sitzenden der  einzelnen  Abtheilungen  zu  richten. 

Alle  noch  nothwondig  werdenden  Mittheilungen  über  die  Ge- 
schäftsitzungen der  Gesellschaft,  welchen  vor  allem  die  Vornahme 
der  Wahlen  zum  wissenschaftlichen  Ausschuss  als  Aufgabe  gestellt 
sein  wird,  werden  im  Tageblatt  (No.  1)  veröffentlicht. 

Schliesslich  sei  noch  bemerkt,  dass  die  einfachen  Rückfahrts- 
karten  im  Königreich  Bayern   stets  zehntägige  Giltigkeit   haben. 

Allgemeine  Tagesordnung:  Sonntag,  den  10  September, 
Abends  8  Uhr:  Begrüssuug  in  den  oberen  Räumen  der  „Gesell- 
schaft Museum"  (mit  Damen). 

Montag,  den  11.  September,  Morgens  9  Uhr:  1.  Allgemeine 
Sitzung  im  Saale  des  Industrie-  und  Cultur  Vereins.  1.  Eröffnung 
der  Versammlung ;  Begrüssungen  und  Ansprachen ;  Mittheilungen 
zur  Geschäftsordnung.  2.  Geheimrath  Professor  Dr.  v.  Bergmann 
(Berlin):  Nachruf  auf  <lie  Herren  A.  W.  v.  Hofuiann  und  Werner 
Siemens.  3.  Vortrag  des  Herrn  Geh.  Rath  Professor  Dr.  His 
(Leipzig):  Ueber  den  Aufbau  unseres  Nervensystems.  4.  Vortrag 
des  Herrn  Geh.  Rath  Professor  Dr.  Pfeffer  (Leipzig):  Ueber  die 
Reizbarkeit  der  Pflanzen.  Nachmittags  3  Uhr:  Bildung  und  Er- 
öffnung der  Abtheilungen.  Abends  6  Uhr:  Gesellige  Vereinigung 
in  der  „Restauration  des  Stadtparkes"  (Einladung  der  Stadt 
Nürnberg). 

Dienstag,  den  12.  September.  Sitzungen  der  Abtheilungen. 
Abends  G  Uhr:  Festmahl  im  Gasthof  zum  Strauss. 

Mittwoch,  den  13.  September,  Morgens  9  Uhr:  11.  Allgemeine 
Sitzung.  1.  Vortrag  des  Herrn  Professor  Dr.  Strümpell  (Erlangen): 
Ueber  die  Alkoholfrage  vom  ärztlichen  Standpunkt  aus.  2.  Pro- 
fessor Dr.  Günther  (München) :  Palaeontologie  und  physische 
Geographie  in  ihrer  geschichtlichen  Wechselwirkung.  3.  Geschäfts- 
Sitzung  der  Gesellchaft.  Abends  6  Uhr:  Gesellige  Vereinigung  im 
Park  der  Rosenau. 

Donnerstag,  den  14  September.  Sitzungen  der  Abtheilungen. 
Abends  8  Uhr:  Festball  im  „Gasthof  zum  Strauss". 

Freitag,  den  15.  September,  Morgens  9  Uhr:  III.  Allgemeine 
.Sitzung,  l.  Vortrag  des  Herrn  Geh.  Rath  Professor  Dr.  Hensen 
(Kiel):  Mittheilung  einiger  Ergebnisse  der  Plankton-E.xpedition  der 
Humboldtstiftung.  2.  Vortrag  des  Herrn  Professor  Dr.  Hüppe 
(Prag):  Ueber  die  Ursachen  der  Gährungen  und  Infectionskrank- 
heiten  und  deren  Beziehungen  zur  Energetik.  3.  Schluss  der  Ver- 
sammlung. Nachmittags  2  Uhr:  Ausflüge  der  verschiedenen  Ab- 
theilungcn    (a.    nach    Erlangen;    b.    nach  Bamberg;    c.    nach    der 


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Natiirwissenscliaftliclie  Wochcnsclirift. 


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Krottenseer  Höhle;  d.  nach  der  Huhirg  bei  Poinmelsbruun). 
Abends  8  Uhr  stehen  die  oberen  Räume  der  Gesellschaft  Museum 
den  Theilnehmern  mit  ihren  Damen  zur  Verfügung,  soweit  die- 
selben anwesend  sind. 

Sonnabend,  den  IG.  September.  Morgens:  Ausflug  nach  Rothen- 
burg zum  „Festspiel"  daselbst. 

Uebersicht  über  die  Abtheilungen  sowie  deren  ein- 
führende Vorsitzende  und  Schriftführer.  (Die  Räume 
für  sämmtliche  Abtheilungssitzungen  befinden  sich  in  den  Schulen 
des  städtischen  Bauhofes.  Bildung  der  Abtheilungon  und  Er- 
öffnung der  Sitzungen;  Montag,  den  11.  September,  Nachmittags 
3  Uhr.) 

1.  Abtheilung:  Mathematik  und  Astronomie.  Einführender: 
Kgl.  Professor  K.  Rudel,  Wurzelbaucrstrasse  33.  Schriftführer: 
Kgl.  Gymnasiallelirer  Dr.  Sievert,  Bayreutherstrasse  42. 

2.  Abtheilung:  Physik.  E.:  Kgl.  Rector  G.  Füchlbauer,  Bau- 
hof 2.     S.:  Kgl.  Reallehrer  Dr.  Hess,  Sulzbacherstrasse  24. 

3.  Abtiieilung:  Chemie.  E.:  Kgl.  Professor  Dr.  Kämmerer, 
Albrecht  Dürer])latz   18.     S.:  Dr.  Stockmeier,  Heugasse  2. 

4.  Abtheilung:  Botanik  E.:  Kgl.  Stabsveterinär  A.Schwarz, 
Maxplatz  23.     S. :  pr.  Arzt  Dr.  Buchner,  Karolinenstr.  27. 

5.  Abtheilung:  Zoologie.  E.:  Kgl.  Reallehrer  Dr.  Heerwagen, 
Maxfeldstrasse  23.  S.:  kealschulassistent  K.  Manger,  Tafelhof- 
strasse 8. 

6.  Abtheilung:  Entomologie.  E.:  Dr.  Koch  sen.,  Cramer-Klett- 
strasse  3.     S.:  Kgl.  Pfarrer  M.  Kraussold,  Brunnengässchen  5. 

7.  Abtheilung:  Mineralogie  und  Geologie.  E.:  Kgl.  Professor 
E.  Spiess,  Schildgasse  12.  S.:  Assistent  H.  Schlegel  an  der  In- 
dustrieschule, Hertelstrasse  17. 

8.  Abtheihing:  Ethnologie  und  Anthropologie.  E.:  Dr.  Scheide- 
mandel, prakt.  Arzt,  Gostenhofer  Hauptstrasse  61.  S.:  Dr.  Müller, 
Aufseesplatz  13. 

9.  Abtheilung:  Anatomie.  E.:  Dr.  Emmerich,  prakt.  Arzt, 
Winklerstrasse  11.     S.:  Dr.  Leber,  prakt.  Arzt,  Bankgasse  2. 

10.  Abtheilung:  Physiologie.  E.:  Dr.  Pauschinger,  prakt.  Arzt, 
Kaiserstrasse  38.     S.:  Dr.  H.  Koch,  prakt.  Arzt,  Plärrer  4. 

11.  Abtheilung:  Allgemeine  Pathologie,  pathologische  Anatomie. 
E.:  Krankenhaus  -  Oberarzt  Dr.  Neukirch,  Spittlerthorgraben  49. 
S.:    Dr.  Deuerlein,  prakt.  Arzt,  äussere  Laufei'gasse  24. 

12.  Abtheilung:  Pharmakologie.  E.:  prakt.  Arzt  Dr.  Schilling, 
Sandstrasse  2.     S.:  prakt.  Arzt  Dr.  S.  Weiss,  Lorenzerplatz  14. 

13.  Abtheilung:  Pharmacie  und  Pharmakognosie.  E.:  Apotheker 
Th.  Weigle,  Winklerstrasse  33.  S. :  Apotheker  A.  Weiss,  Wöhrder 
Hauptstrasse  50. 

14.  Abtheilung:  Innere  Medicin.  E. :  Kraukenhaus -Direclor 
Med.-Rath  Dr.  G.  Merkel,  Josephsplatz  3.  S.:  Hofrath  Dr.  Stepp, 
Albrecht  Dürerplatz  G. 

15.  Abtheilung:  Chirurgie.  E.:  Krankenhaus  -  Oberarzt  Dr. 
Göschel,  Josephsplatz  6.     S.:  Dr.  Carl  Koch,  Lorenzerplatz  17. 

IG.  Abtheilung:  Geburtshilfe  und  Gynäkologie.  E.:  Dr.  W. 
Merkel,  Karlsstrasse  3.     S. :  Dr.  Simon,  Spittlerthorgraben  47. 

17  Abtheilung:  Kinderheilkunde.  E.:  Hofrath  Dr.  Cuopf  sen., 
Karolinenstr.  29.     S.:  Dr.  R.  Cuopf,  St.  Johannisstrasse   I. 

18.  Abtheilung:  Neurologie  und  Psvchhatrie.  E.:  Oberarzt 
Dr.  Sclmh,  Obstmarkt  28.     S.:  Dr.  Stein,"  Steinbühlerstr.  10. 

19.  Abtheilung:  Augenheilkunde.  E  :  Dr.  v.  Forster,  Egydien- 
platz  3.5.     S.:  Dr.  Giulini,  Karolinenstrasse  25 

20.  Abtiieilung:  Ohrenheilkunde.  E. :  Dr.  Schubert,  Fleisch- 
lirücke   10,     S.:  Dr.  Bauer,  Füll   12. 

21.  Abtheilung:  Larj'ngologie  und  Rhinologie.  E.:  Dr.  Heller, 
Albrecht  Dürerphitz  9.     S.:  Dr.  Helbing,  Adlerstrasse   19. 

22.  Abtheilung:  Dermatologie  und  Syphilis.  E.:  Krankenhaus- 
Oberarzt  Dr.  W.  Beckh,  Maxplatz  28.  S.:  Dr.  Epstein,  Sulz- 
bacherstrasse 2  a. 

23.  Abtheilung:  Hygiene  und  Medicinal-Polizei.  E. :  Hofrath 
Dr.  Stich,  Adlerstrasso  G.  S.:  prakt.  Arzt  Dr.  Goldschmidt,  Wein- 
markt 12. 

24.  Abtheilung:  Gerichtliche  Medicin.  E.:  Kgl.  Landgerichts- 
arzt Dr.  Hofmann,  Fürtherstrasse  53.  S.:  Dr.  SteiViheimer,  Gosten- 
hofer Hauptstrasse  5. 

25.  Abtheilung:  Medicinische  Geographie,  Klimatologie, Hygiene 
der  Tropen.  E.:  Dr.  Baumüller,  prakt.  Arzt,  Tuchgasse  1.  S.:  Dr. 
Schrcnk,  jjrakt.  Arzt,  Fleischbrücke   1. 

26.  Abtiieilung:  Militär  -  Sanitätswesen.  Einführende:  Ober- 
stabs- und  Divisionsarzt  Dr.  Gassner,  Arndtstrasse  4;  Oberstabs- 
arzt Dr.  Miller,  Hübnerplatz  5.  S.:  Assistenzarzt  I.  Classe  Dr. 
Webersbcrgcr,  Praterstrasse  21. 


27.  Abtheilung:  Zahnheilkunde.  E. :  Zahnarzt  G.  Bock.  The- 
resienstrasse  18.  S.:  Zahnarzt  Dr.  Limpert,  Untere  Pirkhcimer- 
strasse  13  a. 

28.  Abtheilung:  Veterinär-Medicin.  E  :  Schlachthof-Director 
C.  Rogner,  Viehhof  28.  S.:  Bczirksthierarzt  Dr.  Vogel,  Schon- 
hoverstrasse  4. 

29.  Abtheilung:  Agriculturchemie,  landwirthschaftliches  Vir- 
suchs Wesen.  E.:  Kgl.  Reallehrer  Dr.  Wagner,  obere  Baustrasse  18. 
S.:  Cliemiker  Dr.  Metzger,  Jakobsplatz  20. 

30.  Abtheilung:  Mathematischer  und  naturwissenschaftlicher 
Unterricht  E.:  Kgl.  Gymnasialprofessor  Th.  Schroeder,  Paniers- 
platz 22.  S.:  Kgl.  Gymnasialprofessor  Dr.  Hecht,  Schonhover- 
strasse  22. 

31.  Abtheilung:  Geographie.  E.:  Handelsschul-Rector  A.  Volck, 
Liudenaststrasse  12.  S.:  Kgl.  Reallehrer  J.  Rackel,  Friedrich- 
strasse 15. 

32.  Abtheilung:  Instrumentenkunde.  E.:  Kgl.  Gymuasial- 
professor  Chr.  Dietsch,  Obere  Pirkheimerstrasse  43.  S.:  Kgl.  Real- 
lehrer Dr.  J.  Troetsch,  Obere  Baustrasse  33. 


L  i  1 1  e  r  a  t  u  r. 

Dr.  A.  Simon,  Die  Verkehrsstrassen  in  Sachsen  und  ihr  Ein- 
fluss  auf  die   Städteentwickelung  bis  zum  Jahre   1500.     Mit 

einer  Karte  (Forschungen  zur  deutschen  Landes-  und  Volks- 
kunde herausgegeben  von  A.  Kirchhoft',  Bd.  VII.  Heft  2j.  8». 
97  S.     Stuttgart,  J.  Engelhoru.     1892.  —  Preis  4.  M. 

Diese  fleissige  Studie  will  die  Ausgestaltung  der  Verkehrs- 
wege in  ihrer  Beziehung  zur  Anlage  der  wichtigeren  Siedelungen 
darlegen.  Der  Verf  geTit  naturgemäss  aus  von  einem  Ueberblick 
der  Bodeugestalt  und  der  natürlichen  Bedingungen  für  die  Aus- 
bildung der  Strassenzüge  und  giebt  dann  einen  sehr  lehrreichen 
allgemeinen  Ueberblick  der  Hauptphasen  in  der  Besiedelung 
Sachsens  (slavische  und  deutsche  Besiedelung,  Entwickelung  der 
Städte  in  germanischer  Zeit)  und  behandelt  dann  zuletzt  im  Ein- 
zelnen die  Strassen  und  Städte  bis  1500  a)  des  Voigtlandes,  b)  des 
Erzgebirges,  c)  des  Flachlandes  und  der  Lausitzer  Platte.  Im 
Allgemeinen  kommt  Verf.  zu  dem  Ergebniss,  dass  die  Städte 
Sachsens  mit  Ausnahme  der  auf  Bergbau  zurückzuführenden  An- 
lagen (Freiberg  u.  a.)  ihre  Entstehung  der  Lage  an  Wegkreu- 
zungen, Flussübergängen  u.  s.  w.  verdanken ;  er  sieht  also  die 
Strassenzüge,  besonders  diejenigen,  welche  wichtige  Transitolinien 
sind,  wie  die  Strasse  von  Franken  i,ach  Polen  und  Nordostdeutsch- 
land, die  Strasse  von  Nordwestdeutschland  nach  dem  Osten  als 
das  Ursprüngliche  an,  die  Gründung  der  Städte  als  das  Nach- 
folgende. Der  Referent  meint,  dass  in  Wirklichkeit  doch  öfter 
durch  bereits  vorhandene  Städteanlagen  der  Verlauf  des  Strasson- 
zuges  bestimmt  worden  ist.  Es  ist  hier  jedoch  nicht  der  Ort,  auf 
Einzelfälle  näher  einzugehen,  da  sich  die  Untersuchung  durchweg 
auf  historisches  Beweismaterial  stützt.  Im  Ganzen  liegt  eine 
sorgfältige  und  dankenswerthe  Monographie  vor;  nur  hätte  der 
Verf.  die  Ergebnisse  derselVjen  etwas  übersichtlicher  ordnen  und 
für  das  voigtländische  Grenzgebiet  auch  die  neueren  thüringischen 
Geschichtsquellen,  z.  B.  die  Urkundenbücher  von  B.  Schmidt  id)er 
die  Vögte  von  Weida,  Gera  und  Plauen  berücksichtigen  sollen. 
Fr.  Regel. 

Walther,  J.,  Einleitung  in  die  Geologie  als  historische  Wissen- 
schaft.    Jena,     G  M. 

Wassmuth,  A.,  Ueber  die  Lösung  des  Magnetisirungsproblems 
durch  Ri'ihen.     Leipzig.     0,50  M. 

Wegner,  H.,  Ein  Beitrag  zur  Rostocker  Aulageuflora.  Güstrow. 
0,25  M. 

Wundt,  W.,  Logik.     (2  Bde.)     Stuttgart.     15  M. 

—    Gruiidzüge  der    physiologischen   Psycholo.a'ie.      Leipzig.     2  M. 

Zimmermann,  A.,  Beiträge  zur  Morphologie  und  Physiologie  der 
PHanzenzelle.     (1.  Bd.)     Tübingen.     12  M. 

Zirkel,  F.,  Lehrbuch  der  Petrographie.  2.  Autl.  1.  Bd.  Leipzig. 
2,50  M, 


Berichtigung. 


Wie  Herr  Dr,  Kuntze  S,  2G4  aiigielit,  beruht  die  Angabe 
S.  214,  dass  die  früher  als  Pascalia  glauca  angegebene  Pflanze 
ein  Podophyllum  sei,  in  der  That  auf  einem  Irrthum.  Herr  Prof. 
Kurtz  macht  uns  nänüich  darauf  aufmerksam,  tiass  er  nicht  Podo- 
phyllum  sondern   Porophyllum  geschrieben   hat. 


Inhalt:  Wilhelm  Krebs:  Internationale  Uebereinkunft  in  der  Cholerafrage.  (Mit  einer  Karte.)  —  Ueber  den  Werth  der 
Cholerabacterien-Untersuchung.  —  Stachelapparate  der  Insectenpuppen.  —  Die  Forschungsreise  des  französischen  Kriegsschiffes 
„Manche."  —  Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben.  —  LItteratur:  Dr.  A.  Simon:  Die  Verkohrsstrassen  in  Sachsen  und  ilir 
Eiiifluss  auf  die  Städteentwickelung  bis  zum  Jahre  1500.  —  Liste.  —  Berichtigung. 


328 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


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94  ©citcn.     X^vc\§  60  ^f. 

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^)iP~    Dieser  Nimimor  ist  eine  Beilage    dos  Herrn  L.  Graf  von  Pfeil   aiii;rfiigt,  betreffend 
uu(  die   wir  nnsere  Le.^er   bi-senders   :nit'iiierks:iiii   maclien. 


.Trockene  und  nasse  .lalire" 


Verantwoi-tlieher  Redakteur:    Dr.  Henry  Putonii",    Berliu  N.  4.,  luvalidenstr.  40/41,  für  den  Inseratentheil:  Hugo  Bernstein  in  Berlin. 
Verlag:  Ferd.  Diimmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12.  —  Druck:  G.  Bernstein,  Berlin  SW.   12. 


Beilaire   zur  Naturwisseiischaftliebeii  Woelieiischi-ift. 


Trockene  und  nasse  Jahre. 


Durch  zalilreiclie  Beobaclitiingen  steht  fest,  dass  ver- 
mehrte oder  verminderte  Niederschläge  nicht  blos  einzelne 
Gegenden  treffen,  sondern  dass  sie  sich  gleichzeitig  über 
die  ganze  Erde  verbreiten.  Man  hat  bisher  die  Ab- 
dunstungeu  der  Gewässer,  hervorgerufen  durch  die  Wärme 
der  Sonne,  als  die  einzige  Quelle  der  Niederschläge  be- 
trachtet. Diese  Annahme  jedoch  kann  nicht  richtig  sein, 
denn  da  die  Sonucnwärnie  sich  aou  Jahr  zu  Jahr  gleich 
bleibt,  so  müssten  auch,  wäre  jene  Annahme  richtig,  die 
Niederschläge  sich  gleich  bleiben. 

Wir  sind  darum  genöthigt,  uns  neben  der  Abdunstung 
der  Gewässer]  nach  einer  anderen  Quelle  der  Nieder- 
schläge umzusehen.  Nordenskjöld,  der  berühmte  Diirch- 
forscher  der  Polarregion,  giebt  in  seinem  ausgezeichneten 
Werke  „Studien  und  Forschungen",  welches  in  keiner 
Sammlung  naturwissenschaftlicher  Bücher  fehlen  sollte, 
zwar  kosmische  Ursachen  für  das  Heral)fallen  von  Wasser 
in  unsere  Atmosphäre  an;  solche  Ursachen  genügen  je- 
doch für  die  Veränderung  der  Niederschläge  in  keiner 
Weise.  Dagegen  ist  eine,  bisher  unbeachtet  gebliebene 
Quelle  der  Niederschläge  vorhanden,  welche  solche  Ver- 
schiedenheiten vollständig  erklärt.  Diese  Quelle  ist  das 
Vei'brennen  von  Leuchtgas  im  Polarlicht,  wodurch  Wasser 
gebildet  wird,  welches  den  aus  den  Meeren  aufsteigenden 
Dünsten  hinzutritt.  Leuchtgas  bildet  nämlich  die  obere 
Atmosphäre  unserer  Erde,  ebenso  wie  die  der  Sonne  und 
aller  Planeten,  wie  ich  dieses  in  meiner  kleinen  Schrift 
„Die  Lufthülle  der  Erde,  der  Planeten  und  der  Sonne" 
durch  zahlreiche  und  starke  Gründe  nachgewiesen  habe. 
Man  hat  meine  Ausführungen  bis  jetzt  weder  anerkannt, 
noch  durch  Gründe  bekämpft,  und  der  Raum  verbietet 
mir,  sie  hier  näher  auszuführen;  ich  verweise  deshalb  auf 
meine  Schrift.  Nur  einen  der  Gründe  will  ich  anführen, 
welcher  allein  schon  genügt,  obige  Behauptung  als  un- 
widerleglich nachzuweisen. 

Bekanntlich  wird  die  Erde  durch  elektrische  Ströme 
umkreist.  Solche  Ströme  zersetzen  im  Laboratorium  des 
Gelehrten  das  Wasser,  und  es  wäre  wunderbar,  wenn  die 
uuermesslich  stärkeren  Ströme  unserer  Erde  nicht  die 
gleiche  Wirkung  äusserten;  auch  sie  zerlegen  das  Wasser 
in  seine  Bestandtheile  Sauerstoff  und  Wasserstoff.  Der 
erstere  bildet  im  Meere  und  in  allen  Gewässern  den 
Athembedarf  der  im  Wasser  lebenden  Geschöpfe,  und  geht 
aus  diesen  in  die  Atmosphäre  über,  während  das  Wasser- 
stoffgas in  die  Höhe  steigt  und  sich  über  der  uns  zugäng- 
lichen Atmosphäre  lagert,  ebenso  wie  bei  der  Sonne.  An 
der  Berührungsfläche  beider  ei'folgt  die  Verbrennung  im 
Polarlicht,   ebenso  wie  bei  der  Sonne  im  Sonnenlicht. 

leb  beschränke  mich,  um  die  obere  Leuchtgashülle 
unserer  Erde  nachzuweisen,  wie  gesagt,  auf  einen  ein- 
zigen Grund,  der  allein  schon  genügt,  wären  auch  gar 
keine  anderen  vorhanden.  Die  Feuerkugeln  durchziehen 
mit  kosmischer  Geschwindigkeit  die  obere  Schicht  unseres 
Luftkreises,  indem  sie  einen,  durch  eine  halbe,  ja  ganze 
Stunde  glühenden  Schweif  zurücklassen.  Sie  erlöschen 
dann  plötzlich  mit  heftiger  Detonation,  wobei  kleinere 
oder  grössere  Körper  aus  ihnen  verhältnissmässig  langsam 
zur  Erde  fallen.  Man  hat  aus  dem  Schweife  der  Feuer- 
kugeln einen  schwärzlichen  Staub  auf  schwedische  Schnee- 


gefilde und  auf  Polareis  niederfallen  sehen.  Dieser  Staub 
enthält  Eisen  und  Kohle,  löst  sich  leicht  im  Wasser  und 
ist  brennbar.  Die  'Jlieilchen  dieses  Staubes  fallen,  je 
nach  ihrem  specifischen  Gewicht,  früher  oder  später  zur 
Erde  herab;  die  leichtesten  gehen  in  den  Passatstaub 
über  und  scheinen  Monate  lang  in  der  Atmosphäre  zu 
kreisen.  Sic  erfüllen  die  Luft  über  dem  atlantischen 
Ocean  und  haben  in  grossen  Gebieten,  in  China  und 
anderswo,  mächtige  Lager  einer  gelben  Erde  gebildet, 
den  sogenannten  Löss. 

Offenbar  ist  der  Schweif,  welchen  die  Meteoriten 
zurücklassen,  nicht  in  unserer  atmosphärischen  t»ftft  ent- 
standen; die  winzigen  Theilchen,  aus  denen  er  besteht, 
würden  sonst  im  Augenblick  verbrannt  sein.  Dagegen 
haben  bekanntlich  viele  Körper  die  Eigenschaft,  Wasser- 
stoff einzusaugen  und  dabei  zu  glühen.  Der  gleiche  Vor- 
gang also,  und  zwar  dieser  Vorgang  allein,  erklärt  das 
Fortglühen  der  Schweife  der  Feuerkugeln  in  der  oberen 
Luft.    Diese  kann  also  nur  aus  Wasserstoftgasen  bestehen. 

Ferner:  Das  Erlöschen  der  Feuerkugeln  geschieht 
phitzlich,  und  die  dabei  stattfindende  Detonation  in  einer 
Höhe  von  35 — 37  km,  wo  die  atmosphärische  Luft  dünner 
sein  muss,  als  die  beste  Luftpumpe  sie  zu  verdünnen  ver- 
mag, diese  Detonation  ist  gleichwohl  so  mächtig,  dass 
sie  nicht  nur  den  Flug  der  mit  mehr  als  planetarischer 
Geschwindigkeit  fortstürmenden  Boliden  augenblicklich 
hemmt,  sondern  dass  man  sie  auch  aus  solcher  Höhe  herab 
und  auf  Entfernungen  wie  Dresden  von  Berlin,  und  weiter, 
als  lauten  Donner  gehört  hat.  Kein  Gewitter  erzeugt  sich 
in  solchen  Höhen,  und  kein  Donner  eines  Gewitters  wird 
auf  solche  Entfernungen  wahrgenommen.  Hier  erklärt 
wiederum  die  obere  Leuchtgasatmosphäre  allein  die  De- 
tonation. Ich  übergehe,  dass  die  herabgefallenen  Boliden 
stets  das  mehr  als  Hundertfache  ihres  Volumens  an  Wasser- 
stoffgas enthalten,  von  dem  sich  unschwer  annehmen  lässt, 
dass  sie  dasselbe  bei  ihrer  Bewegung  in  der  oberen  Luft- 
schicht durch  den  starken  Druck  aufgenommen  haben. 

Ich  übergehe,  wie  gesagt,  andere  Gründe,  welche  die 
obere  Leuchtgasumhüllung  unserer  Erde  beweisen.  Wird 
dieselbe  jedoch  zugestanden,  so  erklärt  sie  zugleich  die 
Verschiedenheiten  trockener  und  nasser  Jahre,  indem  in 
crsteren  mehr  Meerwasser  zersetzt  wird,  dessen  Product 
durch  Verbrennung  im  Polarlicht  in  die  Atmosphäre  tritt, 
in  letzteren  weniger. 

Bekanntlich  ist  das  Aufflammen  von  Polarlichtern  in 
verschiedenen  Jahren  verschieden.  Das  Gleiche  muss  also 
auch  von  den  daraus  gebildeten  Niederschlägen  gelten. 
Da  der  elektrische  Strom  und  also  die  Zersetzung  des 
Wassers  durch  Berührung  des  letzteren  mit  lösbaren  Me- 
tallen entsteht,  so  liegt  der  Gedanke  nahe,  dass  zeitweilig- 
andere,  grössere  oder  kleinere  Flächen  lösbarer  Metalle 
der  Einwirkung  des  Meerwassers  blossgelegt  werden,  wo- 
durch dann  natürlich  auch  Verschiedenheiten  in  der  Stärke 
und  dem  Ort  der  Wasserzersetzung  und  in  der  Richtung 
der  elektrischen  Ströme  entstehen  müssen.  Die  Richtung 
dieser  Ströme  hat,  seitdem  sie  zuerst  im  Jahre  1580  in 
den  Kellern  der  Pariser  Sternwarte  beobachtet  wurde,  die 
Magnetnadel  um  33°  4'  von  Osten  gegen  Westen,  und 
dann    bis    zum  Jahre  1874  um  5°  4'  von  Westen  gegen 


Osten  in  unseren  Geilenden  verändert,  und  jetzt  ist  ihre 
Abnahme  etwa  jähilich  6':  was  doch  unmöglicli  anders, 
als  dui'ch  Veränderungen  der  Erzeugungsorte  der  elek- 
trischen Ströme  erfolgt  sein  kann.  Auch  die  ungeheure 
Menge  meteorischen  Eisens,  welche  in  der  Nähe  Grön- 
lands vorkommt,  und  wahrscheinlich  auch  daselbst  im 
Meere  liegt,  scheint  den  magnetischen  Pol  in  dieser  Ge- 
gend zu  erklären.  Der  Raum  verbietet  mir  jedoch,  auf 
diesen  Gegenstand  näher  einzugehen. 

Ich  knüpfe  hieran  noch  einige  Bemerkungen  über  den 
gegenwärtigen  Nothstand  der  Vichfütterung,  obschon  sich 
derselbe  durch  die,  gewöhnlich  gegen  Joliannis  fallenden 
Regen  einigermaassen  gemildert  haben  dürfte.  Es  ist 
(ikonomisch  fehlerhaft,  in  solcher  Lage  das  Vieh  durch 
eine  Hungernahrung  zu  erhalten,  anstatt  es  zu  tödten; 
denn  einmal  opfert  man  durch  ein  Hungerfutter  bei  Kühen 
den  Ertrag  der  Milch  und  bei  Schafen  den  der  Wolle  auf, 
und  dann  ist  der  Ankauf,  insbesondere  von  Rauchfutter, 
viel  zu  theuer,  um  die  Erhaltung  des  Viehstandes  zu  lohnen. 
„Die  Kuh  milcht  durch  den  Hals",  wie  das  Sjirichwort 
sagt.  —  In  einer  grösseren  Oekouomie  wurden  wegen 
Futtermangels  ein  Drittheil  der  vorhandenen  Kühe  auf 
den  Markt  geschickt  und  verkauft;  mit  dem  Tage  hob 
sich  der  Milchertrag  beträchtlich.  In  der  Schafherde  liess 
man  in  dem  Nothjahre  keine  Lämmer  konnnen  und  er- 
sparte   dadurch  wesentlich   an  Heu.     Man    hat    mehrfach 


vorgeschlagen,  es  solle  die  Staatsverwaltung  durch  den 
Ankauf  von  Vichfutter  Hilfe  leisten.  Die  Ausführung  dieses 
Vorschlages  wird  sich  sehr  bald  als  unmöglich  heraus- 
stellen, und  der  Versuch  kann  nur  schädlich  sein,  indem 
er  viele  Landwirthe  veranlasst,  ihr  Vieh  mit  Hungerfutter 
zu  erhalten,  welches  sie  sonst,  wenn  auch  zu  den  niedrig- 
sten Preisen,  weggegeben  haben  würden.  Um  nicht  das 
Vieh  zu  verschleudern,  könnte  man  dasselbe  einsalzen, 
ein  Verfahren,  welches  jetzt  fast  gänzlich  ausser  Gebrauch 
gekommen  ist,  obschon  es  in  früheren  Zeiten  allgemein 
üblich  war.  Ehe  Arthur  Young  die  weissen  Rüben,  die 
Turnips,  für  das  Winterfutter  empfahl,  lebte  die  ganze 
Bevölkerung  Englands  den  Winter  über  fast  nur  von  ein- 
gesalzenem Fleisch. 

Sollte  der  Nothstand  die  Oekonomen  veranlassen,  mehr 
als  es  bis  jetzt  geschehen,  Rieselwiesen  anzulegen,  ihre 
Felder  zu  draiuiren,  und  durch  erh(ihten  Futterbau  immer 
mehr  ihre  Anstrengungen  auf  die  Erzeugung  von  fettem 
Fleisch  und  von  Milchproducten  zu  richten,  so  dürfte  die 
Folge  des  gegenwärtigen  Nothstandes  im  allgemeinen  eine 
segensreiche  sein.  Man  wolle  erwägen,  welche  Fort- 
schritte die  Landwirthschaft  seit  dem  Verfolgen  dieser 
Richtung  und  seit  dem  Aufgeben  der  alten  Dreifelder- 
wirthsehaft  gemacht  hat.  Man  ist  hierin  noch  lange 
nicht  au  dem  Ende  der  möglichen  Verbesserungen  an- 
gelangt. 


L.  Graf  von  Pfeil. 


Druck  von  G.  Bernstein  in  Berlin. 


Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12,  Zimmerstr.  94. 


VIII.  Band. 

Sonntag,  den 

6.  August  1893. 

Nr.  32. 

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anstalten,  wie  bei  der  Expedition.    Der  Vierteljahrspreis  ist  Jt  4,— 
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Abdrnek  ii^t  nur  mit  vollständiger  <{nellenaugabe  gestattet. 

Ueber  die  Giftfestigkeit  des  Igels. 


Von  Erich  Ilarnack. 


Auf  die  Kritik,  welche  Willi c Im  l'reyer  in  No.  26 
der  „Naturw.  Wochenselir."  meiner  kleinen  Mittlieiliing 
über  die  relative  Resistenz  des  Igels  gegen  Oyanwirkungen 
hat  angedeihen  lassen,   habe  ich  Folgendes  zu  erwidern: 


1.  Es  gicbt  kein  Tiiier 


unter  unseren  gewöhnlichen 
warmblütigen  Versuchsthiereu,  bei  welchem  sich  die  sub- 
cutane Injection  leichter  und  sicherer  ausführen  Hesse, 
als  beim  Igel.  Wer  das  Gegentheil  beiiaui)tet  oder  gar 
von  besonderer  Schwierigkeit  der  Suljcutaninjection  beim 
Igel  spriclit,  der  erweckt  den  Verdacht,  dass  er  selbst 
eine  solche  beim  Igel  nie  ausgeführt  hat,  was  dann  frei- 
lich auch  zu  grösserer  Vorsieht  in  der  Aufstellung  von 
Beliauptungen  veranlassen  sollte.  Die  Stacheln  hindern 
die  Injection  gar  nicht,  im  Gegentheil:  man  kann  das 
Hautzclt,  in  welches  man  einsticht,  daran  aufheben,  was 
bei  behaarter  Haut  viel  schwieriger  ist.  Wen  aber  wirk- 
lich die  Stacheln  hindern  sollten,  der  kann  sie  zuvor  ab- 
schneiden. Ueberhaupt  muss  jede  Art  der  Beibringung 
eines  Giftes  dem  Toxikologen  von  Fach  ein  Kinder- 
spiel sein. 

2.  Jede  sogenannte  „Giftfestigkeit"  eines  warm- 
blütigen Thicres  ist  selbstverständlich  nur  eine  relative. 
Dieser  Gedanke  liegt  meiner  ganzen  kleinen  Mittheilung  zu 
Grunde,  da  ich  ja  die  schwere  Erkrankung  des  Igels 
nach  Beibringung  von  0,06  Gramm  Cyankaliiim  zur  Genüge 
geschildert  und  hervorgehoben  habe.  Aber  wenn  eine 
grosse  Katze  durch  0,01  Gr.  in  wenigen  Minuten  getiidtet 
wird,  während  der  kleine  Igel  eine  Dosis  von  0,06  über- 
lebt, so  darf  man  von  einer  auffallenden  Resistenz  des 
letzteren  gegen  die  Cyanwirkung  wohl  reden. 


3.  Wodurch  eine  solche  relative  Giftfestigkeit  im 
einzelnen  Falle  bedingt  wird  und  erklärt  werden  kann, 
das  ist  selbstverständlich  eine  andere  Frage.  Es  könnte 
sich  im  Allgemeinen  z.  B.  handeln  um  eine  besonders 
langsame  Aufnahme  oder  eine  besonders  rasche  Aus- 
scheidung des  Giftes,  um  eine 
Giftes  im  Körper  oder  Bindunt 
Verbindung,  um  eine  besondere 
fenden  Thiergattung  oder    eine 


rasche    Zerstörung    des 

zu    einer    unschädlichen 

Organisation   der  betref- 

besondere   Beschatfenheit 


einzelner  Theile  des  Körpers  u.  s.  w.  Dass  die  Re- 
sorption vom  Unterhautzellgewebe  beim  Igel  besonders 
langsam  stattfindet,  ist  eine  Behauptung,  die  mir  indess 
noch  keineswegs  erwiesen  zu  sein  scheint.  Nach  subcu- 
taner Injection  von  1  Milligr.  Stryehninsalz  tritt  beim 
Igel  die  Wirkung  ebenso  rapide  ein  und  führt  mindestens 
ebenso  schnell  zum  Tode,  wie  bei  anderen,  etwa  gleich 
grossen  Thieren.  Wie  sollte  erst  das  flüchtige  Cyanid 
nicht  schnell  resorbirt  werden? 

4.  Eingehende  Untersuchungen  über  die  Wirkung  ge- 
wisser Giftstoffe  auf  den  Igel,  welche  in  meinem  Institute 
von  einem  meiner  Schüler  in  jüngster  Zeit  ausgeführt 
wurden,  haben  zu  dem  Ergebniss  geführt,  dass  verschie- 
dene dem  Thi erreich  entstammende  Gifte  auf  den  Igel 
unverhältnissmässig  viel  sciiwäeher  wirken  als  auf  andere 
Warmblüter,  ohne  dass  es  sich  dabei  um  Unterschiede  in 
der  Schnelligkeit  der  Resorption  handeln  kann.  Gewisse 
dem  Pflanzenreiche  entstammende  Gifte  dagegen 
wirken  auf  den  Igel  nicht  minder  heftig  als  auf  andere 
Warmblüter.  Dass  man  die  Cyanverbindungen  auch 
als  animalische  Gifte  bezeichnen  kann,  halte  ich  für 
wahrscheinlich. 


330 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  32 


Westermarck's  Forschungen  über  die  Naturgeschichte  der  Ehe. 


Der  Dozent  für  Sozioloi;ic  an  iler  tininschcn  Univer- 
sität zu  Melsingl'ors,  Eduard  Westermarck,  hat  vor 
Kurzem  in  englischer  Sprache  ein  Ruch  veniffentlicht,  das 
entschieden  zu  den  interessantesten  und  gelehrtesten 
Werken  der  an  interessanten  Leistungen  so  reichen 
anthi'opologischen  Lilteratur  gehört.  Welch  grosse  wissen- 
schaftliche Bedeutung  seiner  „History  of  human  marriage" 
(London*)  innewohnt,  geht  schon  aus  dem  Umstand 
hervor,  dass  Alfred  Hnssell  Walhice  ein  Vorwort  ge- 
schrieben hat,  in  welchem  er  sagt,  dass  die  Anschau- 
ungen Westermarcks,  soweit  sie  von  denen  Darwins, 
Spencers,  Lubboeks,  Tylors  und  anderer  berühmten  An- 
tln'opologen  abweichen,  berufen  sind,  den  Sieg  davon- 
zutragen und  grösstentheils  in  Fleisch  und  Blut  der 
Wissenschaft  überzugehen.  Dem  was  Wallacc  über  die 
Oründliehkeit  der  Forsclinng,  die  Klarheit  der  Schreibweise, 
die  Schärfe  der  Argnuientatinn  und  die  Wichtigkeit 
der  Schiussfolgeruugen  des  Verfassers  sagt,  möchten  wir 
durchaus  beistimmen,  hinzufügend,  dass  dessen  sich  in 
einem  ganz  besonders  imposanten  Quellenverzeichniss 
spiegelnde  Iklesenheit  unser  Staunen  erregt,  dass  der  nicht 
weniger  als  128  Spalten  lange  Index  höclist  musterhaft 
gearbeitet  ist  und  dass  W.  nicht  nur  viel  neues  Material, 
sowie  manche  neue  Ansicht  l)eibringt,  sondern  sich  auch 
eine  eigene  Untersuchuugsmethode  zurecht  gelegt  hat,  die 
ebenso  geistvoll  wie  praktisch  und  wahrhaft  wissen- 
schaftlich ist  und  der  er  werthvolle  Ergebnisse  verdankt. 

Wir  widerstehen  der  Versuchung,  diese  Methode  ein- 
gehend zu  beleuchten  und  beschränken  uns  anf  eine 
knappe,  aber  übersichtliche  Wiedergaiie  des  luhalts  des 
Buches  an  der  Hand  des  Schlusskapitels,  in  welchem  W. 
die  Resultate  seiner  mühevollen  Arbiet  zusammenfasst, 
wobei  er  selbstverständlich  zug-iebt,  dass  viele  seinerSehlüsse 
„mehr  oder  minder  hyi)otlietisch"  sind,  für  die  meisten 
aller  in  Anspruch  nimmt,  sie  seien  „notliwendige  Folgerungen 
auf  Grund  vertrauenswcrthen  Beweismaterials." 

Was  zunächst  die  naturwisseuschaftliche  Definition 
der  Ehe  betrifi't,  so  bezeichnet  W.  diese  als  „eine  mehr 
oder  minder  dauernde  Verliindung  zwischen  Männchen 
und  AVeibchen,  über  die  Fortpflanzuugsthätigkeit  hinaus 
bis  nach  der  Geburt  des  Sprösslings  anhaltend."  Die 
Ehe  k((mmt  bei  vielen  niedrigeren  Thiergattungen  vor, 
bildet  bei  den  menschenähnlichen  Affen  die  Regel  und 
ist  bei  den  Menschen  allgemein.  Sie  erscheint  eng  ver- 
knüpft mit  Elternpflichtcn,  wobei  die  unmittelbare  Sorge 
für  die  Kinder  hauptsächlich  der  Mutter  obliegt,  während 
dem  Vater  mehr  die  Aufgabe  zufällt,  die  Familie  zu  be- 
schützen. Da  die  Ehe  für  das  Dasein  mancher  Arten  von 
Geschöpfen  unerlässlieh  ist,  nmss  ihr  Ursprung  offenbar 
einem  durch  den  mächtigen  Eintluss  der  natürlichen  Zucht- 
wahl zur  Entwickelung  gebrachten  Instinkt  zugeschrieben 
werden.  Wenn  es  in  der  Urzeit,  wie  sich  als  wahr- 
scheinlich annehmen  lässt,  auch  für  die  Menschen  eine 
bestimmte  Brunstzeit  gab,  so  kann  lieira  Ursprung  der 
menschlichen  Ehe  eine  fortgesetzte  Erregung  des  Ge- 
schlechtstriebes nicht  in  Betracht  gekonnnen  sein,  d.  h. 
falls  der  Urmensch  die  Ehe  überhaupt  schon  kannte. 
Dass  er  sie  kannte,  darf  mau  mit  grösster  Zuversicht 
muthmaasscn,  denn  die  Ehe  der  Primaten  (Menschen  und 
Affen)  scheint  aus  der  kleinen  Anzahl  der  Jungen  und 
aus  der  Länge  des  Kindesalters  hervorgegangen  zu  sein. 
Sjiäter,  als  die  Menschheit  in  erster  Reihe  fleischessend 
wurde,    erwies   sich    die   Mitwirkung    eines    erwachsenen 


*)  Es  ist  aiicli  eine  deutsclie  Uel)ei'setzuni;:  erschienen,  vergl. 
weiter  hinten  in  dieser  No.  —  Ued. 


Mannes  an  dei-  Eilialtung  der  Kinder  umso  nothwendiger, 
als  die  Jagd  üiierall  zu  den  Aufgaben  des  Mannes  zu 
gehören  begann.  Die  v\nnahme,  dass  in  alten  Zeiten 
nicht  der  Vater,  sondern  ein  Bruder  der  Mutter  der 
natürliche  rjcscliiitzer  der  Kinder  war,  ist  ganz  unbe- 
gründet, und  dasselbe  gilt  von  der  Muthmaassung,  dass 
sännntliche  Männer  eines  Stammes  zur  Vornmndschaft 
über  jedes  einzelne  Kind   berufen  waren. 

Ueberhaupt  scheinen  alle  auf  uns  ülicrkonnncnen 
Beweismittel  darzuthun,  dass  bei  den  Urmenschen  nicht 
der  Stannn,  sondern  die  Familie  den  Kern  jeder  (Jesell- 
sehaftsgruppe  bildete  und  in  vielen  Fällen  selber  die 
einzige  vorhandene  Gesellschafts  -  Grupjie  war.  Die 
menschenähnlichen  Affen  leben  nicht  in  Herden  und  ihre 
Einsamkeitsliebe  muss  hauptsächlich  auf  die  Schwierig- 
keiten zurückgeführt  werden,  denen  sie  bei  der  Beschaf- 
fung ausreichender  Nahrungsmengen  begegnen.  Wir 
dürfen  getrost  folgern,  dass  auch  unsere  früchtefressenden 
halbmensehliehen  Vorfahren  nicht  geselliger  waren;  und 
später,  als  der  Mensch  nicht  mehr  ausschliesslich  Früchte 
genoss,  sondern  auch  Fleisch,  setzte  er  sein  EinzcUeben 
fort,  weil  das  Ilerdenleben  allen  grossen  fleischfressenden 
Thieren  Nachtheile  bietet.  Unter  den  auf  der  niedrigsten 
Stufe  stehenden  Wilden  gibt  es  nocli  jetzt  Völkerschaften, 
die  zwar  Familien,  aber  keine  Stämme  bilden,  und  die 
Thatsachen  lehren,  dass  der  Grund  auch  hier  in  der  Un- 
zulänglichkeit der  vorhandenen  Nahrungsmittel  liegt. 
Demgemäss  ist  die  Geselligkeit  des  Menschen  in  erster 
Reihe  ein  Ergebniss  des  geistigen  und  matt'riellen  Cultur- 
fortsehrittes,  während  in  den  Anlangen  des  nicnschlichen 
Gesellschaftslebens  die  einzige  oder  doch  die  wichtigste 
Rolle  den  Banden  zufiel,  welche  Mann  und  Gattin,  Eltern 
und  Kinder  zusannnenhielten.  Mit  aller  Wahrscheinlich- 
keit lässt  sich  die  menschliche  Ehe  als  ein  von  den  aft'en- 
ähnlichen  Urmenschen  Uberkonunenes  Erbe   bezeichnen. 

Die  meisten  der  Anthropologen,  die  über  vorgeschicht- 
liche Sitten  geschrielteu  haben,  glauben,  dass  der  Mensch 
ursprünglich  in  Ehegemeinschaft  lebte.  Diese  Annahme 
erklärt  Westermarck  für  „durchaus  unwissenschaftlich." 
Sie  beruht  auf  Berichten  über  einige  wilde  Völker,  die 
angeblich  die  Ehegemeinschaft  kennen  und  über  gewisse 
seltsame  (iebräuche,  die  für  Ueberbleibscl  aus  einer  Zeit 
gehalten  werden,  in  welcher  es  noch  keine  Ehen  gab. 
Allein  die  Angaben  über  jene  wilden  Völker  sind  bereits 
grösstentheils  als  irrig  nachgewiesen  und  die  Richtigkeit 
der  übrigen  ist  mindestens  zweifelhaft;  sollten  jedoch 
einzelne  wirklich  richtig  sein,  so  wäre  es  nach  Ansieht 
Westermarcks  verfehlt,  aus  diesen  wenigen  Ausnahme- 
fällen zu  sehliessen,  dass  die  ganze  Menschheit  das 
gleiche  Entwickelungsstadium  durchgemacht  habe,  und 
gerade  Ijci  den  am  niedrigsten  stehenden  Völkerschaften 
nähern  sieh  die  geschlechtlichen  Beziehungen  am  wenigsten 
der  Promiskuität.  Auch  die  Thatsache,  dass  in  manchen 
Gegenden  vor  der  Verheirathung  ein  ganz  freier  ge- 
schlechtlicher Verkehr  gestattet  ist,  berechtigt  nicht  zur 
Annahme  des  einstigen  Vorherrschens  der  Ehegemeiu- 
schaft,  denn  es  giebt  zahlreiche  wilde,  barbarische  Völker, 
bei  denen  der  geschlechtliche  Verkehr  ausserhalb  der  Ehe 
äusserst  selten  vorkommt  und  unkensche  Weiber  für  ehr- 
los oder  verbrecherisch  gelten.  „Die  Beridnnmg  mit  einer 
höheren  Gesittung  hat  sich  der  Sittlichkeit  der  Wilden 
verderblich  erwiesen,  und  wir  haben  allen  Grund  zu  dem 
Glauben,  dass  mit  dem  Fortschreiten  der  Cultur  die 
aussereheliehen  Beziehungen  der  Geschlechter  im  grossen 
Ganzen  zugenommen  haben."  Ueberdies  ist  der  freie  ge- 
schlechtliche   Verkehr    vor    der    Verheirathung    durchaus 


Nr. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


)VM 


verschieden  von  der  Ehe/^^-enieinschaft;  diese  bedingt 
niünlicli,  im  Gegensatz  zu  jenem,  eine  Unterdriicliung  per- 
sönlicher Neigungen.  Die  Hauptform  jenes  „freien  Ver- 
kehrs", die  Prostitution,  findet  sieh  nur  sehr  selten  hei 
Natur-Völkern,  die  von  der  Cultur  noch  gänzlich  unbe- 
leckt sind. 

Morgan's  Anschauung,  dass  das  einstige  Vorlicrrschen 
der  rroniiskuitiit  durch  die  bei  vielen  Völkern  geltende 
Art  der  Eintheiluug  der  Verwandtschaftsgrade  bewiesen 
sei,  wird  von  unserem  Gewährsmann  widerlegt.  Diese 
Anschauung  setzt  voraus,  dass  die  Namen  der  Verwandt- 
schaftsgrade auf  der  lilutsverwandtschaft  beruhten,  soweit 
die  Eltern  jedes  Individuums  sieh  feststellen  Hessen.  Aber 
nach  unserem  Autor  unterliegt  es  kaum  einem  Zweifel, 
dass  die  für  jene  Grade  ersonnenen  Bezeichnungen  ur- 
sprünglich blos  Ansprachezwecken  dienten  und  hanptsäch- 
iicli  dem  Alter  und  Geschlecht  des  Angesprochenen,  sowie 
dessen  gesellsciuvftliehen  15eziehungen  zum  Sprecher  au- 
gepasst  waren.  Was  das  Argument  betrifft,  dass  das 
.System  der  „Verwandtschaft  auf  weildidier  Seite  allein" 
(vvonaeli  die  Kinder  nicht  nach  dem  Vater,  sondern  nach 
der  Mutter  benannt  werden  und  Besitz  und  Rang  aus- 
schliesslich in  der  weiblichen  Linie  sich  vererben)  eine 
Eolge  der  aus  der  Eliegenieinschaft  hervorgegangenen 
üngew  issheit  der  Vaterschaft  gewesen  sei,  so  erklärt 
Westermarck  den  einschlagigen  EinÜuss  der  Bamh'  des 
Blutes  ebenfalls  für  viel  geringer  als  man  allgenu'in  an- 
nimmt. Es  giebt  verselnedene  andere  Gründe,  Kinder 
nach  der  IMutter  statt  nach  dem  Vater  zu  benennen.  In 
dieser  Hinsieht  verdient  der  Braueii  vieler  Völker  liervor- 
geiiol)en  zu  werden,  dass  der  .Alann  nach  seiner  Verhci- 
rathnng  das  Weib  nicht  mit  sich  führt,  sondi'rn  ndt  ihr 
das  Haus  seines  Schwiegervaters  bezieht.  Wahrscheinlich 
haben  die  Ursachen,  aus  denen  Kinder  den  Namen  der 
Mutter  annahmen,  auch  die  Erltfolgebestimnmngen  beein- 
dusst;  aber  der  Name  selbst  scheint  eine  noch  grössere 
Macht  ausgeübt  zu  haben. 

Dazu  konnnt,  dass,  soviel  man  überiiaupt  weiss,  keine 
allgemeine  zeitliche  Uebcreinstinnnung  nachweisbar  ist 
zwischen  dem  \^orherrschen  grösserer  oder  geringerer 
Sittlichkeit  oder  Unsittlichkeit  und  dem  Vorherrschen  des 
männlichen  oder  des  weibliehen  Verwandtschaftssystems. 
Auch  bei  solchen  Völkern,  bei  denen  wegen  ihrer  Viel- 
männerei die  Vaterschaft  oft  unsicher  erseheint,  hat  zu- 
weilen die  männliche  Linie  Geltung,  und  die  ausschliess- 
liche Anerkennung  der  weiblichen  Linie  seitens  einer  \'ölker- 
schaft  besagt  durchaus  nicht,  dass  die  letztere  nichts  von 
männlichen  Verwandtschaftsgraden  weiss.  Endlich  ist  zu 
bemerken,  dass  es  zahlreiche  Urviilker  giebt,  die  keinerlei 
Spuren  des  ausschliesslich  weiblichen  Vcrwandtschafts- 
systems  aufweisen. 

Während  somit  die  von  anderen  Forschern  zu  Gunsten 
der  Promiscuitätshypothese  vorgebrachten  Argumente  nach 
unserem  Autor  vidlig  unstichhaltig  sind,  bezeichnet  er  diese 
Hypothese  selbst  geradezu  als  „mit  allen  richtigen  Vor- 
stellungen, die  wir  uns  vom  Urzustand  des  Menschen  zu 
machen  vermögen,  unvereinbar".  Ungeregelter  Verkehr 
der  Geschlechter  erzeugt  leicht  eine  pathologische  Be- 
schaffenheit, die  der  Fruchtbarkeit  entgegenstellt,  und  das 
Vorherrschen  der  Eifersucht  bei  den  Naturvölkern,  die  von 
frenuler  Beeinflussung  frei  sind,  sowie  bei  den  untergeord- 
neteren Säugetliiercn,  lässt  es  als  luichst  unwahrscheinlich 
erscheinen,  dass  die  Menschheit  jemals  die  Eliegenieinschaft 
gekannt  hat.  Der  Gedanke,  dass  ein  Weib  ausschliesslich 
p]incni  Manne  gehört,  ist  bei  manchen  Völkern  so  einge- 
wurzelt, dass  er  zu  verschiedenen  empörenden  Unsitten 
und  Misshandlungen  geführt  hat. 

Hinsichtlich  der  Ehelosigkeit  liel)t  der  Verfassi'v  her- 
vor,  dass  sie   bei  den  wilden  und  barbarischen  Stännnen 


verhältnissmässig  selten  ist.  Die  Angehörigen  di'r  letzteren 
heiratlieii  in  der  Kegel  früher  als  die  der  Culturvölkcr. 
Unverehelicht  sein,  dünkt  ihnen  fast  unnatürlich.  Aehnlich 
dachten  im  Altertlium  auch  die  Culturvölkcr  und  im  Osten 
thun  sie  es  noch  jetzt.  Die  iiiddernc  Civilisalion  dagegen 
ist  —  thcils  aus  wirtliscJiaftlicben,  theils  aus  ideellen 
Gründen  —  dem  Elicstaiide  minder  günstig.  Demgemäss 
hat  in  Europa  die  Zahl  der  Ehclosen  eine  Zunahme,  das 
Durchsebnittsalter  der  Eliescliliessung  eine  Tlinaufscliraubung 
erfahren.  „Eine  sonderbare  Form  der  Ehelosigkeit  ist  die 
erzwungene  von  Personen,  die  mit  dem  Dienste  der  Re- 
ligion verknüpft  sind;  wir  begegnen  ihr  bei  verschiedenen 
\  lilkern  auf  vcrseliicdenrii  Entwickclungsstufen  der  .Mensch- 
heit. Sie  beruht  olfcnl)ar  auf  der  Vorstellung,  der  ge- 
sehleehtliche  N'erkehr  sei  unrein,  und  diese  Vorstellung 
scheint  ursprünglich  aus  einem  uubcwussten  Widerwillen 
gegen  den  gesehlcchtliclien  Umgang  zwischen  Mitgliedern 
derselben  Familie  oder  desselben  Haushaltes  hervorgegangen 
zu  sein." 

Was  die  Bewerbungen  betrilft,  so  s|)ielt  bei  fast  allen 
Tliiergattungen  das  Männchen  die  thätige  Rolle  und  ge- 
wöhnlich hat  es  mit  anderen  Männchen  um  den  Besitz  des 
Weibchens  zu  kämpfen.  Zweifellos  war  das  (Jleiclie  beim 
Urmenschen  der  Fall,  und  noch  heute  findet  sich  diese 
Art  der  Werbung  bei  einigen  mitergeordneten  Rassen, 
während  an  ihrer  Steile  .jetzt  im  allgemeinen  beim  Manne 
eine  längere  Zeit  der  Liebesbezeugungen  getreten  ist,  bei 
denen  der  weibliche  Tlicil  sieh  keineswegs  ganz  unthätig 
verhält.  Die  Wilden  schmücken,  bemalen,  täto\viren  und 
vcrstünnneln  sich,  um  dem  andern  Geseblecht  anziclicndcr 
zu  erscheinen,  die  hierfür  gewählte  Zeit  ist  die  der  .Mann- 
barkeit, —  ein  Beweis  dal'iir,  dass  diese  \'crriclitungen 
nur  Werbungszweeken  dienen.  In  sehr  vielen  Fällen  dürfte 
auch  die  Kleidung  ursprünglich  aus  derselben  Ursache 
hervorgegangen  sein;  weit  entfernt,  die  Grundlage  der 
Bekleidungsgewohnlieit  zu  bilden,  ist  das  Gefühl  der 
Scham  vielmehr  wahrseheinlieh  die  Folge  dieser  Ge- 
wohnheit. 

Li  der  Regel  sind  die  Männer  die  Bewerber,  aber 
meist  steht  es  den  Weiiiern  frei,  anzunehmen  oder  ab- 
zulehnen. Obgleich  die  ^J'öchter  bei  den  niedrigen  Völker- 
schaften als  Besitzgegenstände  gelten  und  oft  schon  in 
der  Kindheit  verlobt  werden,  so  erfolgt  ihre  Verhciratliung 
gewöhnlich  doch  nicht  ohne  ihre  Zustimmung.  Unter  den 
heutigen  Wilden  haben  die  \\'eiber  eine  grosse  Wahl- 
freiheit und  in  den  vorgescliiebtliclien  Zeiten  dürfte  diese 
noch  beträchtliclier  gewesen  sein,  denn  damals  erhielt  sich 
jedes  Individuum  selber,  es  gab  keine  Arbeit  für  Amlere 
und  deshalb  war  die  Tochter  keine  Sciavin  und  kein 
Handelsartikel.  Später  änderte  sich  das,  indem  bei  den- 
j'enigen  Nationen,  die  einen  verhältnissmässig  hohen  (hiltiu-- 
grad  erreichten,  die  Macht  des  Vaters  in  Folge  der  Aus- 
bildung der  Ahnenanbetung  immer  grösser  wurde.  Bei 
vielen  dieser  Völker  ist  die  Vaterverehruug  nicht  nur  auf 
Seiten  der  Töchter,  sondern  auch  auf  Seiten  der  Söhne 
so  bedeutend,  dass  keine  Ehe  ohne  Zustiiinnuiig  des 
Vaters  geschlossen  wird,  während  die  erwaclisenen  Söhne 
der  Wilden  sieh  der  vol 
freuen. 

Der  geschlechtlichen  Zuchtwahl  widmet  Westermarck 
selbstverständlich  eine  sehr  eingebende  Behandlung.  Er 
weist  auf  die  Widersprüche  innerhalb  Darwins  Leine  von 
der  natürlichen  .Viislcse  und  der  gesclileehtliehen  Zucht- 
wahl hin  und  zeigt,  dass  die  letztere  bei  den  niedrigeren 
Tliieren  gänzlich  dem  grossen  Gesetz  vom  Ueberleben  des 
Geeignetsten  unterworfen  ist.  Aus  der  Art  der  Vertheilung 
der  geschlechtlichen  Farben,  Gerüche  und  Laute  bei  ver- 
schiedenen Tliiergattungen  zieht  er  den  Sehluss,  dass  sie, 
obgleich  die  Gattung  stets  bis  zu  einem  g'cw'issen  Maassc 


couimensten  Unabhängigkeit  er- 


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Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


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beeinträchtigend,  im  Ganzen  insofern  vortlieilhaft  sind,  als 
sie  es  den  Geschlechtern  erleichtern,  einander  zu  tinden. 
Er  fuhrt  Thatsachen  an,  welche  sich  nicht  in  Ueberein- 
stimniung-  bringen  lassen  mit  Darwin's  Erklärung-  des  Zu- 
sammenhanges zwischen  Liebe  und  Schönheit  beim  Menschen 
und  des  Ursprungs  der  verschiedenen  Menschenrassen. 
Zwar  ist  der  gesamnitcn  Menschheit  ein  Schönheitsideal  ge- 
meinsam, aber  dasselbe  bleibt  ein  abstracter  Begritf,  da 
den  allgemeinen  Aehnlichkeiten  besondere  Abweichungen 
des  Geschmacks  gegenüberstehen.  Nach  Darwin  sind  die 
Rassen- Verschiedenheiten  Folgen  der  Verscliicdenartigkeit 
der  Schönhcitsl)egriti'e,  nach  Westermarck  gehen  die  letz- 
teren aus  den  ersteren  hervor,  —  also  gerade  umgekehrt. 
Die  Eigcnthümlichkeiten  einer  Rasse  hängen  ciniger- 
maassen  zusammen  mit  den  äusseren  Umständen,  unter 
denen  dieselbe  lebt;  „da  wir  aber  nicht  bestinnnt  wissen, 
ob  angeeignete  Charaktereigenschaften  vererbt  werden 
können,  ist  es  höchst  zweifelhaft,  ob  jene  Verschieden- 
heiten die  ererbten  Folgen  der  Lebensverhältnisse  voran- 
gegangener Gescidechter  sind;  viel  wahrscheinlicher  dürfte 
es  sein,  dass  sie  von  einer  natürlichen  Auslese  herrühren, 
die  diejenigen  angeborenen  Abweichungen,  welche  den 
Lebensl)edingungcn  der  Rassen  am  angemessensten  waren, 
beiböhalten,  bewahrt  und  verstärkt  hat." 

In  dem  Oajntel  „Das  Aehnlichkeitsgesetz"  beschäftigt 
sich  Westermarck   mit  jenem  mächtigen  Trieb,    der    die 
Thiere  fast  stets  von  der  Paarung  mit  anderen  Gattungen 
abhält.     Der  Ursprung   dieser  Abneigung  ist  in  der  Un- 
fruchtbarkeit erster  Kreuzungen  und  Bastarde  zu  suchen. 
Beim   Menschen    werden    die    verschiedenen    Rassen    ^•on 
keinem  solchen  Instinct    einander    ferngehalten,    und    die 
AVissenschaft  weiss  heutzutage,    dass  selbst  zwischen  den 
verschiedenartigsten    Menschen  -  Rassen   die   Unterschiede 
nicht  gross  genug  sind,  um  die  Hervorbringung  einer  ge- 
mischten Rasse  zu  verhindern,    wenn    nur    die    sonstigen 
Umstände  gunstig  sind.    Eine  grosse  Aehnliclikeit  mit  dem 
Abscheu  vor   der   Bestialität    hat  derjenige  vor  der  Blut- 
schande.    Derselbe   macht  sich   im  Principe   fast  bei  der 
ganzen  Menschheit  geltend,    doch  schwanken  die  Verbot- 
grenzen ausserordentlich.     Beinahe    überall    verwirft  man 
P>eziehungen  zwischen  Eltern  und  Kindern,  fast  allgemein 
auch   solche   zwischen  Geschwistern,    oft  solche  zwischen 
Geschwisterkindern   und    bei  zahlreichen  Naturvölkern  ist 
sogar  die  Ehe  innerhalb  des  eigenen  Stammes  oder  Clans 
untersagt.   Westermarck  verschmäht  sännntlichc  bisherigen 
Theorien    über    den    Ursprung    all    dieser  Verbote.     Und 
während    die    anderen    Forscher    voraussetzen,    dass    die 
Menschen   die   Blutschande  nur    deshalb   vermeiden,    weil 
sie  hierzu  angehalten  werden,  meint  unser  Gewährsmann, 
dass  weder  Gesetze  noch  Gewohnheiten  noch  Erziehungs- 
lehren hier  in  Betracht  kouuuen,  vielmehr  ein  Naturtrieb. 
„Ein  solcher  macht  unter  normalen  Verhältnissen  die  ge- 
schlechtliche Liehe  zwischen  den  allernächsten  Verwandten 
zu  einer  seelischen  Unmöglichkeit."     Freilich,   eine  ange- 
borene Alnieigung  gegen   die  Ehe   naher  Verwandten  ist 
nicht  vorhanden,    wohl    alier    eine    natürliche  Abneigung 
gegen  die  Verlieirathung  von  Personen,  die  von  Kindheit 
auf  beisammen  gewohnt  haben,    und   da  solche  Personen 
gewöhnlich  Verwandte  sind,    ninmit  dieses  Gefühl  haupt- 
sächlich die  Gestalt  des  Absehens  vor  Verbindungen  zwi- 
schen  naiien  A'erwandtcn  an.     Nicht  nur  die    allgemeine 
Erfahrung   bestätigt  das  Bestehen   dieser  natürliclicn  Ab- 
neigung, —  auch  eine  Fülle  ethnographischer  Thatsachen 
beweist,    dass  die  Wechselheirathsvcrbotc  weniger  gegen 
Verwandte  als  gegen  Zusannnenlebende  gerichtet  waren 
bezw.  sind.    Bei  vielen  Völkern  haben  .örtliche  Exogamien 
Geltung,  die  überhaupt  nichts  mit  irgendwelchen  Verwandt- 
schaftsgraden   zu   thun   haben,    und  die  Bestinnnung   der 
die  Weclisellieiratli  ausschliesscndcn  Verwandtschaftsgrade 


bei  den  verschiedenen  Nationen  steht  in  engem  Zusanmien- 
hang  mit  dem  Beisamnienleben  der  Betreffenden. 

Die  IMutsehandeverbote  sind  oft  mehr  oder  minder 
einseitig,  indem  sie  sieh  bald  mehr  auf  die  Verwandten 
mütterlicher-,  bald  mehr  auf  diejenigen  väterlicherseits  er- 
strecken. In  vielen  anderen  Fällen  werden  sie  nur  mittel- 
bar vom  Beisammenleben  beeintinsst.  Die  Abneigung 
gegen  Wecliselheirathen  Beisammenlebender  hat  zum  Ver- 
bot von  Verwandtenheirathen  geführt,  und  da  die  Ver- 
wandtschaft in  der  Regel  mit  der  Namensgleichhcit  zu- 
saninicnfällt,  ist  man  mehrfach  dazu  gelangt,  die  letztere 
unter  allen  Umständen  mit  der  ersteren  zu  verknüpfen 
auch  dann,  wenn  keine  Sj)ur  von  Verwandtschaft  vor- 
handen ist,  die  Ehe  zwischen  Namensvettern  zu  unter- 
sagen. Die  Regel,  dass  das  Beisanuuenleben  eine  Ab- 
neigung gegen  Wechselheirathen  eintlösst,  erleidet  Aus- 
nahmen, aber  die  meisten  bekannt  gewordenen  Beispiele 
von  Ehen  zwischen  Bruder  und  Sciivvester  sind  in  krmig- 
lichen  Familien  vorgekommen  und  lediglich  dem  Geburts- 
stolz  zuzuschreiben.  Auch  ein  Ucbcrniaass  von  Abge- 
schlossenheit und  Einsamkeit  kann  zur  Blutschande  führen; 
andere  solche  Verbindungen  gehen  aus  einer  Verderbtheit 
der  Naturtriebe  hervor.  Was  insbesondere  die  Ehe  zwischen 
Halbgeschwistern  I)etrift't,  so  tindet  auf  sie  das  Brincip 
der  Abneigung  schon  deshalb  nicht  innner  Anwendung, 
weil  die  Vielweiberei  sehr  oft  kein  enges  Beisamnienleben, 
sondern  vielmehr  die  Zersplitterung  der  Familie  in  so  viele 
Unterfamilien  nach  sich  zieht,  wie  in  ihr  Weiber  mit  Kin- 
dern vorhanden  sind. 

Die  wichtige  Frage  nach  der  Ursache  der  Al)neigung 
gegen  Wechselheirathen  von  Personen,  die  seit  ihrer  Kind- 
lieit  mit  einander  aufgewachsen  sind,  beantwortet  Wester- 
marck dahin,  dass  die  Ursache  in  der  instinctiven  Scheu 
vor  den  übeln  Folgen  der  Ehen  zwischen  Blutsverwandten 
zu  suchen  ist.  Für  die  Wohlfahrt  der  Gattung  scheint  es 
erforderlich  zu  sein,  dass  die  sich  vereinigenden  gosehlecht- 
lichen  Factoren  sich  von  einander  einigermaassen  unter- 
scheiden, was  natürlich  nicht  ausschliesst,  dass  auch  eine 
gewisse  Aehnlichkeit  zwischen  ihnen  vorhanden  sein  nniss. 
Die  schädlichen  Folgen  der  Selbstbefruchtung  liei  Pflanzen 
und  der  Verwandtenpaarung  bei  Thieren  beweisen  den 
Bestand  eines  solchen  Gesetzes,  und  es  unterliegt  keinem 
Zweifel,  dass  dieses  auch  für  den  Mensehen  Geltung  hat, 
und  zwar  hält  unser  Forscher  den  schlimmen  Eintluss  der 
Blutsverwandten-Ehen  bei  den  Wilden,  die  oft  einen  sehr 
harten  Kampf  ums  Dasein  zu  fechten  haben,  für  weit 
bedeutender  als  bei  der  Culturmenschheit.  Auch  „sind 
bisher  noch  keine  wissenschaftlich  stichhaltigen  Beweise 
gegen  die  Anschauung  vorgebracht  worden,  dass  Wechsel- 
heirathen Blutverwandter  die  Gattung  mein-  oder  minder 
schädigen.  Durch  natürliche  Auslese  muss  sich  ein  In- 
stinct entwickelt  haben,  der  zumeist  mächtig  genug  ist, 
um  schädliche  Verbindungen  zu  verhindern."  Dieser  Trieb 
hat  die  Form  einer  Abneigung  gegen  das  Sichvermählen 
mit  Personen  angenonmien,  mit  denen  man  aufgewachsen 
ist,  und  da  dies  gewöhnlich  Blutsverwandte  sind,  ergiebt 
sich  das  Ueberleben  des  (Geeignetsten. 

Hinsichtlich  des  Einflusses  der  Zuneigung,  der  Sym- 
pathie und  der  Berechnung  auf  die  gi^schlechtliche  Zucht- 
wahl findet  Westermarck,  dass  die  Liebe  sich  nur  langsam 
zu  dem  verfeinerten  Gefüld  herausgebildet  hat,  als  welciies 
sie  in  der  modernen  Culturwelt  eine  so  grosse  Rolle  spielt. 
Innnerhin  ist  auch  den  wildesten  Stämmen  die  eheliche 
Zuneigung  durchaus  nicht  unlickannt.  Die  endogamischen 
Ehevorschriften,  welche  gewissen  Viilkern,  Kasten,  Klassen 
und  Religionsbekennern  die  Weehselheirath  mit  anderen 
Völkern  etc.  verbieten,  rühren  von  gegenseitiger  Abneigung 
her  und  verlieren  innner  mehr  an  Boden,  weil  die 
Nächstenliebe,    die  Duldung    und    die  Civilisation    inmier 


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NaturwissensclKiftliclic  VVoeheiisclirift. 


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mehr  ziinelinieii  und  die  Zahl  der  trenuenden  Schranken 
stetig-  verringern. 

Was  die  Art  der  Elieschliessnng  hetrifl't,  so  darf  aus 
dem  allgemeinen  Abscheu  vor  der  BlutscliaMdc  und  aus  der 
Schwierigkeit  des  AVilden,  sich  in  gütlicher  Weise  ein  Weib 
zu  verschallen,  ohne  den  Vater  für  den  Verlust  der  Tochter 
zu  entschädigen,  geschlossen  werden,  dass  zu  eiuer  Zeit, 
da  die  Menschen  infolge  der  Herausbildung  eines  grösseren 
Geselligkeitssinnes  in  Fannlieiigruppen  zu  leben  begannen, 
aber  den  Tauschhandel  noch  nicht  kannten,  die  Ver- 
heiratlnnig  im  Wege  des  Weiberraubes  etwas  Alltägliches 
gewesen  sein  nuiss.  Mit  dein  Auftreten  des  Tauschhandels 
wich  die  Kaubehe  der  Kaufehe;  später  wurde  auch  diese 
aufgegeben,  weil  man  es  für  unehrenhaft  zu  halten  be- 
gann, die  Töchter  an  (Jatten  zu  verkaufen.  Das  all- 
mälige  Aufhören  des  Wi'iberkaufs  vollzog  sieh  in  zweierlei 
Weise:  theils  verwandelte  sich  der  Kauf  in  eine  blosse 
Förndichkeit,  in  ein  Scheingeschäft  oder  in  einen  Aus- 
tausch von  Geschenken,  theils  machte  man  aus  der  Kauf- 
summe  die  Morgengabe  und  die  Mitgift,  —  die  erstere 
erhält  die  Braut  von  dem  Bräutigam,  die  letztere  vom 
Vater.  Diese  Umgestaltungen  haben  nicht  nur  bei  den 
grossen  Culturnationen,  sondern  auch  bei  mehreren  wilden 
und  halbbarl)arisehen  Völkern  stattgefunden.  Im  AU 
gemeinen  jedoch  spielt  bei  den  Wilden  die  Mitgift  keine 
erhebliehe  R<dle-,  sie  beruht  mehr  auf  einem,  sonst  ein 
Merkmal  höherer  Civilisation  l)ildenden  Gefühl  der  Aclitung 
und  Sympathie  für  das  schwäcliere  Geschlecht.  Oft  dient 
die  Mitgift  nur  zur  Sichei-ung  des  Daseins  tler  Gattin  für 
den  Fall  der  Scheidung  oder  für  denjenigen  des  Todes 
des  Gatten,  oft  auch  als  Beitrag  zu  den  Kosten  des  ge- 
meinsamen Haushaltes. 

Nach  eingehender  Darlegung  der  Entstehung  der 
kirchlichen  und  bürgerlichen  Hochzeitsceremonien  be- 
selireibt  der  tinnische  (ielehrte  die  verschiedenen  Formen 
der  menschlichen  Ehe.  Die  Vielweil)erei  war  im  ge- 
schichtlichen Alterthum  bei  den  meisten  Völkern  gestattet 
und  ist  es  gegi'uwärtig  l)ei  mehreren  Culturnationen  sowie 
den  meisten  wilden  Stännnen.  Immerhin  giebt  es  noch 
recht  viele  wilde  und  barbarische  Völkerschaften,  bei 
denen  sie  entweder  verboten  oder  unbekannt  ist.  Wo 
immer  sie  besteht,  bleibt  sie  auf  eine  kleine  Minderheit 
beschränkt,  auch  erleidet  sie  fast  überall  zweierlei 
Aenderungen,  welche  auf  Monogamie  abzielen:  die  eine 
durch  die  dem  zuerst  angetrauten  Weibe  eingeräumte 
Vorzugsstellung,  die  andere  durch  die  Begünstigung  der 
gelicbtesten  unter  den  Gattinnen,  der  Favoritin.  Manche 
Stännue  kennen  die  Vielmännerei,  aber  auch  diese  er- 
scheint abgeschwächt,  indem  der  erste  Gatte  gewöhnlich 
bevorrechtet  ist.  Unter  den  Ursachen,  welche  die  Form 
der  Ehe  beeinflussen,  fällt  die  Hauptrolle  dem  zitfer- 
mässigen  Verbältniss  der  Geschlechter  in  der  Bevölkerung 
zu.  In  manchen  Ländern  überwiegt  die  Zahl  der  Männer, 
in  anderen  die  der  Weiber.  Diese  Ungleichheit  rührt 
von  Kriegen,  vom  Töchtermord,  von  ungleichen  Geburts- 
zirt'cin  und  anderen  Gründen  her.  Gewisse  Thatsachen 
scheinen  anzudeuten,  dass  in  unwirthlichen  Gebirgs- 
gegenden mehr  Knaben  geboren  werden  und  dass  in 
Ehen  Blutsverwandter  sogar  ein  ganz  ansehnlicher  Uebcr- 
schuss  männlicher  Geburten  obwaltet.  Ist  dem  wirklich 
so,  dann  dürfte  es  schwerlich  ein  blosser  Zufall  sein,  dass 
die  Vielmännerei  hauptsächlich  gerade  unter  Bergvölkern 
uiul  bei  hochgradig  endogandschen  (der  Verwandtschaften- 
elie  fröhnenden)  Stänmien  herrseht.  Was  die  Vielweiberei 
anbelangt,  so  giebt  es  verschiedene  Gründe,  aus  denen 
ein  Blann  wünschen  mag,  mehr  als  ein  Weib  zu  besitzen. 
Erstens  nuiss  sich  der  Mann  bei  vielen  Völkerschaften 
des  Verkehrs  mit  schwangeren  und  säugenden  Gattinnen 
enthalten.     Zweitens  werden  bei  den  Wilden    die  Frauen 


gewöhnlich  frühzeitig  alt  und  verlieren  so  ihre  Anziehungs- 
kraft für  die  Männer.  Drittens  lieben  viele  Männer  die 
Abwechselung.  Viertens  sind  für  manchen  Maiui  zaid- 
reiche  Weiber  gleichbedeutend  mit  zahlreichen  Ar- 
beiterinnen. Fünftens  führt  nicht  selten  die  ünfruehtliar- 
keit  des  ersten  Weibes  zur  Wahl  eines  zweiten,  namentlich 
dort,  wo  auf  Nachkonnnenschaft  grosses  Gewicht  gelegt 
wird.  In  China  gilt  der  Besitz  von  Kindern  für  un- 
erlässlich  und  bei  verschiedenen  wilden  Stännnen  richtet 
sich  Macht  und  Reichthum  jedes  Mannes  nach  der  Anzahl 
seiner  Spröisslinge.  Obgleich  also  die  Vielweiberei  dem 
Manne  unter  Umständen  Vortheile  bieten  kann,  ist  sie 
dennoch  bei  vielen  Völkern  verboten  und  bildet  auch  bei 
den  meisten  übrigen  keineswegs  die  Regel.  Wo  das 
(lel)iet  der  Frauenarbeit  beschränkt  und  kein  ange- 
sammeltes Vermögen  vorhanden  ist,  muss  es  dem  Manne 
schwer  fallen,  der  Vielweiberei  zu  huldigen.  Wo  aber 
die  weibliche  Arbeit  einen  hohen  Wertli  besitzt,  bildet 
hinwiederum  die  Höhe  der  Kaufsumme  ein  Ilindcrniss, 
das  nur  der  Wohlhabende  überwinden  kann. 

Da  die  Vielweilierei  eine  Verletzung  der  (Gefühle  der 
Frauen  in  sich  schliesst,  gilt  dort,  wo  die  letzteren  in 
hoher  x\chtung  stehen,  die  Monogande  für  die  einzige  er- 
laubte Eheform.  Die  verfeinerte  Liebe  der  Culturwelt 
hängt  nicht  nur  mit  äusserlichen  Reizen,  sondern  anch 
mit  Sympathien  geistiger  und  seclisciier  Natur  zusanunen ; 
sie  knüpft  lebenslängliche  Bande  und  die  ausschliessliche 
Leidenschaft  für  eine  Person  bildet  den  wahren  mono- 
gannschen  Trieb,  der  der  Vielweiberei  mächtig  ent- 
gegensteht. Es  ist  ausgemacht,  dass  auf  den  niedrigsten 
Culturstufen  (auf  denen  das  Zahlenverhältniss  der  Ge- 
schlechter nicht  sonderlich  durch  Kriege  gestört  wird, 
man  das  Leben  hauptsächlich  durch  die  Jagd  fristet, 
die  weibliche  Arbeit  folglich  einen  geringen  Werth  bat 
und  man  weder  Reichthümer  anhäuft,  noch  Klassen- 
nnterschiede  kennt)  die  Vielweiberei  minder  im  Sehwange 
zu  sein  pflegt  als  auf  den  nnttleren,  und  aller  Wahr- 
scheinlichkeit nach  herrschte  beim  Urmenschen  fast  aus- 
schliesslich die  Monoganne  vor.  Das  nnttlere  (ie- 
sittungsstadium  ist  zwar  der  Vielweiberei  günstig,  aber 
das  h(ihere  gehört  unbedingt  und  nothwendigerweise  dem 
Gegentheil,  denn  aus  vielen  Gründen,  welche  Wester- 
marck  eingehend  behandelt,  hat  die  Polygynie  für  den 
Culturmenschen  weniger  Verlockendes  als  für  den  Wilden 
oder  den  Barbaren.  Auch  die  Polyandrie  muss  zu  allen 
Zeiten  eine  Ausnahme  gewesen  sein,  denn  sie  setzt  ein 
Ueberwiegen  der  männlichen  (ieburten  und  zugleich  einen 
fast  widernatrn-lichen  Mangel  an  Eifersucht  voraus.  Weit 
entfernt,  als  in  der  Urzeit  allgemein  herrschend  glaubhaft 
nachgewiesen  zu  sein,  scheint  die  Vielmännerei  geradezu 
eingewisses  Maass  von  Gesittung  zu  erheischen.  In  den 
meisten  Fällen  war  sie  vernnitldich  ein  .\usdruck  brüder- 
lichen Wohlwollens  des  ältesten  Bruders  und  führte,  falls 
nachträglich  noch  weitere  Weiber  genonmien  wurden,  zur 
Gruppen-Ehe  nach  dem  Muster  der  Todas.  (Eine  Toda- 
frau  wird  allmählich  die  Gattin  sämmtlicher  erwachsenen 
Brüder  ihres  Mannes  und  gleichzeitig  werden  diese  die 
Gatten  aller  manidiaren  Schwestern  der  Frau.) 

Die  Lebenslänglichkeit  der  Ehe  ist  durchaus  nicht 
ganz  allgemein.  Bei  den  meisten  uncivilisirten  und  vielen 
vorgeschrittenen  Völkern  darf  der  Mann  der  Gattin  jeiler- 
zeit  nach  Belieben  den  Abschied  geben.  Bei  sehr  vielen 
anderen  jedoch  —  auch  solchen,  die  auf  der  niedrigsten 
Stufe  stehen  —  bildet  die  vSeheidung  den  Ausnahmefall. 
Zahlreiche  Nationen  betrachteten  und  betrachten  die  Ehe 
als  eine  Verbindung,  die  der  Jlann  nur  in  bestinnnten, 
vom  Gesetz  oder  Gewohnheitsrecht  vorgesehenen  Fällen 
lösen  darf.  Es  kommt  auch  vor,  dass  dem  Weib  ge- 
stattet ist,  dem  Gatten  den  Laufpass  zu  geben.     Die  die 


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Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


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Dauer  des  Ehehundes  bestiniiuendeu  Ursachen  sind  zwar 
nicht  ganz,  al)er  docli  so  ziemlich  mit  den  die  Form  der 
Ehe  beeinflussenden  identisch.  Während  die  Monogamie 
sehr  oft  eine  lange  Ehedauer  mit  sich  bringt,  war  dem 
beim  Urmenschen  doch  niclit  so.  Im  allgemeinen  lässt 
sich  sagen,  dass  die  Dauer  der  Ehe  mit  der  Vervoll- 
komnuiung  des  Menschengeschlechts  stetig  zunimmt. 

Wir  schliessen  unsere  knappe  Analyse  des  Wester- 
niarck'schen  Meisterwerks,  das  in  seinem  Spezialfache 
zum  „Staudard  work"  berufen  ist,  mit  der  folgenden  Be- 
merkung des  Verfassers : 


„Die  Ehe  hat  verschiedenerlei  Entwickelungsgänge 
durchgemacht,  die  nicht  gleichmässig  verlaufen  sind. 
Schliesslich  hat  diese  Entvviekelung  zur  Erweiterung  der 
Rechte  der  Gattin  geführt.  Die  letztere  ist  nicht  mehr 
Eigenthum  des  Gatten  und  nach  der  modernen  Auffassung 
bildet  die  Ehe  einen  auf  vollkonnnener  Gleichberechtigung 
beider  Theile  beruhenden  Vertrag.  Die  Geschichte  der 
menschlicdicn  Ehe  ist  die  Geschichte  einer  Verbindung,  in 
welelier  die  l'^rauen  allmählich  den  Sieg  davongetragen 
haben  über  die  Leidenschaften,  die  Vorurtheile  und  die 
Selbstsucht  der  Männer."  Leopold  Katscher. 


Zu  Liebi-eicli's  Aeusseniiig  über  deu  Werth  der 
Cholerabacterieii  -  Uiitersuchiiiig  (vergl.  die  vorige 
Nummer  der  „Naturw.  Wochenschr."),  die  einen  Vortrag 
in  der  Jlerliner  nicdicinischen  Gesellschaft  bildete,  liaben 
in  der  Diskussion  zu  dcrsell>en  verschiedene  Mediciner 
das  Wort  ergrift'eu  (vergl.  .,Berliuer  Klin.  Wochenschr." 
No.  30). 

B rieger  sagte  u.  a.:  Herr  Liebreich  hat  mich  der 
Ehre  gewürdigt,  mich  als  denjenigen  zu  bezeichnen,  der 
den  Namen  „Choleraroth"  erfunden  hätte.  Auf  die  Be- 
zeichnung lege  ich  gar  keinen  Werth.  Ich  habe  zuerst 
das  Choleraroth  isolirt  und  als  ein  Indolderivat  erkannt, 
sowie  die  Meinung  ausgesprochen,  dass  dessen  frühzeitige 
Bildung  für  die  Cholera  charakteristisch  ist.  Wenn  nun 
Herr  Liebreich  sich  hier  gegenüber  den  bacteriologischen 
Methoden,  denen  er  Mangel  an  Exactheit  vorwirft,  in 
seiner  Eigenschaft  als  exaeter  Chemiker  brüstet,  so  hätte 
er  wenigstens  für  die  chemisclicn  Vorgänge  bei  der 
Cholera,  soweit  sie  bekannt  sind,  ein  besseres  Verständuiss 
zeigen  müssen.  Ich  habe  das  Indol  aus  dem  Choleraroth 
direet  durch  Zinnstaub  abgespalten  und  konnte  dadurch 
beweisen,  dass  das  Choleraroth  ein  Abkiinnnliag  des 
Indols  ist.  Wenn  Herr  Liebreich  nun  meint,  dass  das 
Cholcraroth  von  Alters  her  bekannt  ist,  so  muss  ich 
doch  Herrn  Liebreich  dahin  belehren,  dass  hier  ganz  ver- 
schiedene Dinge  vorliegen.  Herr  Virchow,  der  nach 
Herrn  Liebreich  angeblich  die  Cholerareaction  zuerst 
anwandte,  hat  mit  Salj)etersäure  gearbeitet,  ebenso  wie 
schon  lange  vorher  Tiedemann  und  Gnielin  durch  Sal- 
petersäure in  Kothextracten  eine  rothe  Färbung  hervor- 
riefen. Nun  ist  es  eine  bekannte  Thatsache,  dass  Sal- 
petersäure mit  Extracten  aus  faulen  Eiweissstoffen  eine 
röthliche  Färbung  giebt.  Die  Cholerarothreactiou  beruht 
aber  auf  Anwendung  von  concentrirter  Schwefelsäure  und 
gerade  die  Salpetersäure  ist  dabei  zu  vermeiden.  Die 
Rothfärbung  mit  Salpetersäure  bat  also  nnt  der  Cholera- 
rothreaction  nichts  zu  scharten.  Das  genügt  wohl,  um 
die  an  meine  Adresse  gerichtete  persönliche  Bemerkung 
auf  ihren  richtigen  Werth  zurückzuführen. 

B.  Frank el:  Ich  möchte  bemerken,  dass  die  ver- 
schiedenen Untersuchungsniethoden,  die  Herr  Liebreich 
kritisirt  hat,  nicht  den  Zweck  haben,  eine  Krankheit  zu 
diagnosticiren,  sondern  nur  den,  einen  Bacillus,  der  unter 
dem  Mikroskop  eine  ganz  bestimmte  Gestalt  hat,  von 
anderen,  ähnlichen  Bacillen  zu  trennen.  Es  ist  selbst- 
verständlich, dass  man  während  dieser  ganzen  Unter- 
suchungsmethoden  immer  wieder  das  Mikroskop  zu  Hülfe 
nehmen  muss.  Alle  diese  Methoden  iiaben  doch  nur  den 
Zweck,  den  Kommabacillus  in  Reinkultur  von  anderen 
ähnlich  aussehenden  Bacillen  zu  unterscheiden,  und  soviel 
ich  mich  damit  beschäftigt  habe  —  es  ist  ja  nicht  viel, 
sondern  immer  nur  mit  dem  Bacillus,  der  im  Speichel 
vorkonuut  und  ähnliche  Gestalt  hat  —  kann  ich  aussagen, 
dass  dieser  Bacillus  nicht  die  Kennzeichen  darbietet, 
welche  der  Cholerabacillus  bei  der  Züchtung  aufweist. 


Litthauer:  Es  steht  zweifellos  fest,  dass  die  echte 
asiatische  Cholera  durch  die  klinische  Analyse  der 
Einzelfälle  häufig  nicht  entdeckt  worden  ist.  Kaum  in 
einer  einzigen  Epidemie  in  der  ganzen  Reihe  der  Epi- 
demien, die  in  Europa  oder  sonst  wo  vorgekommen  sind, 
ist  die  Cholera  festgestellt  worden,  bevor  dieselbe  eine 
bedeutende  Verbreitung  gefunden  und  der  Tod  reiche 
Ernte  gehalten  hatte.  Mit  Hülfe  der  bacteriologischen 
Untersuchung  dagegen  konnten  schon  vor  mehreren  Jahren 
in  Breslau  und  Wien  und  im  vorigen  Jahre  in  sehr  vielen 
Ortschaften  die  Einzelfälle  richtig  erkannt  und  unschäd- 
lich gemacht  werden.  Diese  frühzeitige  Feststellung  der 
Cholera  muss  ich  als  einen  bedeutsamen  Fortschritt  an- 
sehen, und  diesen  verdanken  wir  der  bactcriologischeu 
Untersuchung  der  Darmentleerungen  und  der  mit  dieser 
verunreinigten  Wäschestücke  und  anderen  Gegenständen. 
Wenn  die  bisherigen  Reagentien  und  Methoden  nicht 
diejenige  Exactheit  angenonnnen  haben  sollten,  die  man 
wünschen  möchte,  wie  Herr  Liebreich  vorgeführt  hat, 
so  kann  daraus  in  keiner  Weise  ein  Vorwurf  gefolgert 
werden.  Es  liegt  eben  in  der  Natur  aller  organisirten 
Gebilde,  dass  sie  nicht  eine  derartig  exacte  Reaction 
zeigen  wie  die  physikalischen  und  chemischen  Vor- 
gänge und  Substracte.  Gewiss  dürfen  die  klinischen 
Symptome  nicht  vernachlässigt  werden;  die  Diagnose 
muss  eben  nach  meinem  Dafürhalten  —  und  Koch  und 
seine  .\nhänger  werden  dies  sicherlich  nicht  bestreiten  — 
aus  dem  Verein  der  klinisciien  Symptome  mit  denjenigen 
Thatsachen,  die  durch  die  bacteriiilogische  Forschung 
festgestellt  werden,  hervorgehen.  Klinische  Analyse  und 
bacteriologischc  Forschung  müssen  sich  gegenseitig  er- 
gänzen. Die  durch  die  Bacteriologie  festgestellten  That- 
sachen haben  auch  treft'liche  Handhaben  geliefert  für 
]\Iaassnahmen  in  prophylaktischer  Beziehung. 

Ich  will  hier  nur  auf  eine  Frage,  die  Trinkwasser- 
frage und  die  Bedeutung  des  Trinkwassers  in  Cholera- 
zeiten recurriren.  Wir  waren  alle  gewohnt,  dem  Trink- 
wasser eine  sehr  grosse  Bedeutung  bei  der  Verbreitung 
der  Cholera  zuzuerkennen,  ganz  besonders,  wenn  es  sich 
um  ein  explosionsartiges  Auftreten  der  Cholera  handelte. 
Sobald  mau  sich  aber  an  die  Untersuchung  und  die 
Feststellung  der  Thatsachen  heranwagte,  haben  wir  bis 
zu  Koch's  Auftreten  immer  Schift'brueh  gelitten. 

Eine  gewisse  Berühmtheit  erlangte  die  Cholera- 
epidemie in  London,  die  in  jenen  Stattheilen  heftiger  auf- 
trat, in  welchen  die  die  Wasserleitung  speisenden  Fluss- 
gebiete durch  Dejectionen  Cholerakrankcr  verunreinigt 
waren.  Allein  die  Thatsachen  lagen  so,  dass  die  Ver- 
bindung derselben  im  Sinne  der  Trinkwassertheorie  zwar 
möglich  war,  aber  immerhin  nur  dadurch,  dass  die 
Lücken,  wie  sich  Virchow  ausdrückt,  durch  eine  wohl- 
wollende Kritik  ausgefüllt  wurden.  Virchow  hat  1866 
eine  ganze  Reihe  von  Untersuchungen  vorgenommen,  um 
festzustellen,  welchen  Antheil  scheinbar  inticirtes  Wasser 
au    der  ^'erbreituug    der  Cholera    hat.     Die    statistischen 


Nr.  32. 


Natuvwissen.spliaftliche  WochenschvüY. 


335 


Uiitersuclninj^eii  lial)en  nicht  zu  einem  sieheren  Ergebnis« 
gctulirt.  Nach  der  Epidemie  im  Jahre  1873  hat  vor- 
zug'swei.se  J'istor  in  einer  ganzen  Reihe  von  Ortsciiaften 
üntersnclnnigen  angestellt,  nm  festzustellen,  nli  die  Ort- 
schalten, welche  gutes  Leitungswasser  lialien,  mehr  oder 
weniger  iVei  gelilieheii  sind,  und  unigeUidirt,  oh  solche 
(Jrtsciiat'ten,  welche  durch  Brunnenwasser  gesjjcist  werden, 
besonders  lieimgcsuclit  werden.  Niemals  ist  dies  gelungen. 
Teil  liahe  mieli  ebenfalls  bemüht,  festzustellen,  (dt  das 
Verbreitungsgebiet  der  Cholera  sieh  ndt  dem  zugelnirigen 
,/J'rinkwnsscrfelde"  deckte.  Ich  i)in  ebenfalls  zu  keinem 
annähernd   beweiskräftigen  Ergebniss  gelangt. 

Dagegen  ist  jetzt  wohl  das  Eine  festgestellt  worden, 
dass  das  Trinkwasser  bei  der  Eitidcniie  einen  sehr  be- 
deutsamen Antheil  an  der  Verbreitung  der  Cholera  hatte. 
Ich  mag  nicht  auf  die  ganze  Reihe  von  Beweisgründen, 
welche  Koch  angeführt  hat,  eingehen,  aber  die  eine 
Thatsache  dürt'te  wohl  nicht  angezweifelt  werden,  dass 
die  Wasserverbreitung  oder  die  Sj)eisung  der  Häuser 
durch  die  Altonaer  oder  Ilandiurger  Ijcitung  sieh  mit 
dem  Freibleiheu  der  betreffenden  Häuser  von  der  Cholera, 
bezw.  mit  der  Verbreitung  der  Cholera  deckte,  und  dass 
das  Freibleiben,  bezw.  Befallensein  der  Häuser  an  den 
nrenzgebicten  Altona- Hamburg  exaeter  die  Zugehörigkeit 
der  betreffenden  Häuser  zu  Altona  oder  Hamburg  bewiesen 
hat  als  jedes  andere  Kennzeichen. 

Es  sei  noch  gestattet,  den  einen  Punkt  zu  erwähnen, 
dass  eine  plötzliche  Zunahme  des  Wassers  an  Mikro- 
organismen, mit  der  keineswegs  immer  eine  Zunahme  der 
Mengen  der  ein  verdächtiges  Wasser  anzeigenden  chemi- 
schen Bestandtheile  i)arallel  zu  gehen  braucht,  darauf 
hinweist,  dass  die  Filterwerke  oder  die  einen  ]>runnen 
umgebenden  Erdschichten  nicht  him-cichend  keimfangend 
wirken. 

Ich  bin  daher  der  Ansicht,  dass  man  doch  nicht  so 
mit  einer  gewissen  Leichtigkeit  über  den  Wertli  der 
bacteriologischen  Forschung  hinweggehen  kann,  ich  glaube 
vielmehr,  dass  man  der  baetericdogischen  Forschung  nicht 
bloss  in  Bezug  auf  die  Darlegung  der  Aetiologie,  sondern 
auch  in  Bezug  auf  die  prophylaktischen  Maassnahmen 
eine  grosse  Bedeutung  zuerkennen  mnss.  ^Vir  treten  der 
Cholera  nicht  mehr,  wenn  auch  noch  S(dn-  viele  Punkte 
ihrer  L('isung  harren,  entgegen,  wie  ein  Wanderer,  der, 
um  mit  V.  Peftcnkofer  zu  sprechen,  ein  unbekanntes  Ziel 
mit  verbundenen  Augen  zu  erreichen  sucht.  Die  Proi)hy- 
laxis  der  Cholera  darf  nicht  auf  dem  Cholerabacillus 
balanciren,  sie  muss  auch  heute,  wie  Herr  Liebieich 
richtig  hervorgehoben  hat,  in  der  allgemeinen  Assanirung 
der  ( »rtschaften  ihre  Hauptstütze  haben. 

Als  richtig  anerkennen  muss  ich  ferner  in  den  Aus- 
führungen des  Herrn  Liebreich,  dass  das  Verhalten  der 
Menschen  von  bedeutendem  Einfluss  auf  die  Vcrl)reitung 
der  Cholera  ist.  Es  gehören  eben  zur  Entstehung  der 
Cholera,  wie  Herr  Liebreich  richtig  ausgeführt  hat,  zwei 
Dinge. 

1.  Die  Ursache,  2.  das  Individuum,  auf  welches  die 
Ursache  einwirkt. 

Ich  stehe  ganz  auf  dem  Standpunkt,  dass  die  Be- 
schaffenheit der  Zellen,  der  aus  der  Fusion  der  Zellen 
sich  entwickelnden  Gewebe,  der  aus  der,  wie  nnin  sagt, 
organischen  Verbindung  der  Gewebe  entstehenden  Organe 
und  des  Gesammtorganismus  für  die  Einwirkung  der  I5a- 
cilleu  maassgebend  ist.  Das,  was  wir  früher  Disposition, 
Anlage  zu  Krankheiten  nannten,  ist  keineswegs  durch  die 
bacteriologische  Forschung  aus  der  Welt  geschafft. 

Nach  dieser  Richtung  hin  stehe  ich  ganz  aul'  dem 
Standpunkte  des  Herrn  Liebreich.  Andererseits  aber 
dürfen  wir  auf  die  Bekämpfung  der  Disposition  zu  Krank- 


heiten, welche  durch  Mikroorganismen  erzeugt  werden, 
nicht  den  ausschliesslichen  Werth  legen,  wir  müssen  viel- 
mehr der  Krankheitsursache  selbst  entgegen  zu  treten 
suchen  und  der  bacteriologischen  Forschung  dankbar  sein, 
uns  hierzu  die  Wege  geebnet  zu  halten. 

Lassar  erinnert  daran,  dass  die  Entdeckung  der 
Scabics-Miliien  doch  wohl  älteren  Datums  sei,  als  die 
Anwendung  des  peruanischen  Balsams. 

Das  Schlusswort  Liebreich 's  lautete:  Herrn  Lassar 
nnichte  ich  erwidern,  dass  die  Einfidn-ung  des  peruanischen 
Balsnnnnittcls  von  Bosch,  einem  praktischen  Arzt,  zuerst 
empfohlen  wurde.  Die  Verötfentlichuug  erfolgte  in  einer 
kleinen  Broschüre.  Ich  möchte  noch  erwähnen,  dass  die 
Bacteriologie  in  Bezug  auf  die  Krätzmilbe  ein  Beisiiiei 
dafür  bietet,  wie  sehr  die  Epizoen  selbst  abhängig  von 
dem  Gesundheitszustande  des  Kiirpers  sind.  Wenn  nmn 
v<m  kranken  Hammeln  die  Krätzmiliien  ninmit  und  auf 
sehr  gut  genährte  und  gepflegte  Thiere  setzt,  so  gidien 
die  Milben  nicht  an.  Das  ist  auch  ein  Beispiel,  dass  der 
Zustand  des  Thierkörpers  schliesslich  das  Entschei- 
dende ist. 

Betreffs  des  Herrn  Litthauer  freut  es  mich,  dass  ich 
wenigstens  von  einer  Seite  Anerkennung  finde.  Er  hat 
mich  aber  missverstanden,  wenn  er  ndeh  für  einen  Gegner 
der  bacteriologischen  Untersuchung  hält.  Im  (iegcntheil,  die 
bacteriologischen  Forsehuugeu  finde  ich  sehr  schön  und 
wende  sie  selber  an,  aber  man  soll  nur  nicht  aus  den 
Resultaten,  die  gewonnen  sind,  voreilige  Schlüsse  ziehen. 
Dagegen  kämpfe  ich  an.  Was  man  findet,  soll  man 
natnrwissensehafflich  nüchtern  beurtheilen  und  nicht  bei 
therapeutischen  Maassnahmen  sich  auf  falsche  und  un- 
besonnene Sehlussfolgerungen  stützen.  Sonst  ganz  sattel- 
feste Kliniker  sind  aus  diesem  Grunde  nut  ihren  Theorien 
zu  Falle  gekommen.  Was  die  Wassernntersuchung  an- 
betrifft, führt  mein  Standpunkt  zu  denselben  Maassnahmen, 
wie  es  die  Bacicriologen  wünschen  und  es  bereits  früher 
geschehen  ist.  Die  Baeteriologen  unterscheiden  sich  nur 
von  der  früheren  Schule  in  Bezug  auf  Dcsinfcction  da- 
durch, dass  sie  glauben,  es  sei  möglich,  für  jede  Krank- 
heitsursache eine  specitische  Dcsinfcction  anwenden  zu 
können.  Dies  kann  zu  unnützen  Kosten,  ohne  dass  der 
richtige  Effect  erfcicht  wird,  führen.  Man  weiss  auch 
nicht,  woran  man  ist.  Nach  diesem  Principe  zu  ver- 
fahren ist  nnuKiglich,  da  die  widersprechendsten  Vor- 
schläge die  Anordnungen  durchkreuzen  würden  —  Wasser- 
untersuchuugen  sind  nichts  Neues,  nichts,  was  durch  die 
Cholerauntersuchungen  erst  gemacht  ist. 

In  Bezug  auf  die  Wasscruntersiichung  ist  durch  die 
Entdeckung  der  Cholerabacterien  keine  neue  Direetive 
gegeben  worden.  Dass  faule  Stoffe  enthaltendes  Wasser 
zu  verwerfen  ist,  wissen  wir  schon  lange  und  Cholera- 
bacterien sind  bisher  in  keinem  Leitungswasser  nach- 
gewiesen worden.  Im  Ilandjurger  Leitungswasser  hat 
man  alle  erdenkbaren  Verunreinigungen  gefunden,  aber 
keine  Cholerabactciien.  Für  die  ganze  Auffassung  der 
Cholerafrage  ist  von  Bedeutung,  dass  noch  nie  das 
Cholerabacterium  gefunden  ist  und  die  Cholera  nachher 
ausgebrochen  ist.  Wo  die  Cholera  schon  constatirt  war, 
da  sind  sie  dann  später  aufgefunden  worden.  In  Duis- 
burg hat  man  ihn  im  Wasser  gefunden,  wo  der  Zusannnen- 
hang  mit  schon  bestehender  Clndera  ersichtlich  war;  aber 
glauben  Sic  doch  nicht,  dass  dort  nun  durch  die  jtaar 
Eimer  Desinfectionssttdf- Flüssigkeit  oder  durch  andere 
Anordnungen  die  (Jlndera  unterdrückt  worden  ist.  Die 
Nietlebener  Acten  sind  leider  nicht  veröffentlicht. 


336 


Naturwissenschaftliche  Woclieuschi-ift. 


Nr.  32. 


Die   im  Wa.sser    lebeiuleii    Schmetterliiigsranpeu 

stehen  so  vereinzelt  unter  ilnen  Ordnuni;si;euossen  da  und 
zeigen  infolge  ihrer  absonderlichen  Lebensweise  so  merk- 
würdige Anpassungen,  dass  jede  Nachricht  über  ihre 
Lebensweise  mit  Freude  zu  l)egTüssen  ist.  Wir  ver- 
weisen betretfs  der  bei  uns  vorkommenden  Zünslerarten 
aus  den  Gattungen  Hydrocampa,  Parap(ni\'x  und  Cata- 
clysta  auf  L.  Öorhagen,  die  Kleinschnictterlinge  der  Mark 
Brandenburg,  sowie  auf  E.  Schmidt's  vortretf  liehe  .Schilde- 
rungen des  Insectenlebcns  im  süssen  Wasser  in  ( ).  Zaclia- 
rias,  die  Thier-  und  PÜanzenwelt  des  Süsswassers,  2.  B., 
S.  51.  Neuerdings  hat  die  Lebensweise  zweier  einhei- 
mischen sowie  einiger  brasilianischen  „Wasserraupen" 
G.  W.  Müller  näher  untersucht.  (Zool.  Jahrb.,  Abth.  f. 
Syst.  etc.,  6.  B.,  5.  H.,  Jena  1892,  ,S.  617.)  Das  Gehäuse, 
das  Hydrocampa  nymphaeata  L.  aus  Blattstücken  von 
Potamogeton  baut,  hat  bereits  Reaumur  beschrieben. 
Müller  fand,  dass  ihre  flachgedrückten  Eier  zu  40 — 100 
au  der  Unterseite  der  Futterpflanzenblätter  (Nuphar, 
Nymphaea,  Potamogeton  natans,  Sparganium  ramosum 
u.  e.  a.)  sitzen.  Die  1 ,8  mm  langen  Räupchen  bohren  sich  in 
das  Mesophyll  ein  und  sind  hier  von  Wasser  umgeben. 
Ihre  Stigmen  sind  wenig  markirt,  die  Stigmeuäste  ver- 
klebt. Es  findet  also  auf  dieser  Entwickelungsstufe  keine 
Luftathmung,  sondern  ein  der  Tracheenkiemcnathmung 
physiologisch  gleichwerthiger  Vorgang  statt,  der  eine 
Hautathmung  darstellt.  Später  erst  beisst  das  Thier  Blatt- 
stüeke  (anfangs  kleinere,  dann  grössere)  aus,  heftet  sie 
mit  Fäden  an  die  Unterseite  der  Blätter  und  frisst  von 
diesem  Gehäuse  aus  in  das  Blatt  hinein.  Diese  Lebens- 
weise dauert  bis  Ende  September  oder  Anfang  Oetober. 
Es  folgt  eine  Winterruhe  auf  dem  Boden  der  Gewässer, 
während  der  die  Stigmenäste  geschlossen  bleiben.  Noch 
im  Afjril  fand  Müller  Thiere  im  Herbstgehäuse.  Erst  im 
Mai  oder  Juni,  nach  zweimaliger  Häutung,  bauten  die 
Raupen  die  schon  von  Reaunuir  beschriebenen  Gehäuse 
aus  ovalen  Potamogetonl)lattstüekeu  und  wanderten  mit 
ihnen  umher.  Jetzt  waren  sie,  wie  es  auch  schon  Reaumur 
angegeben  hat,  von  Luft  umgeben  und  hatten  offene  Stigmen. 
Die  Haut,  die  früher  flache  Warzen  trug,  ist  jezt  mit  ko- 
nischen Höckern  und  dazwischen  liegenden  längeren  Er- 
höhungen bedeckt,  sodass  das  Wasser  nicht  adhäriren 
kann.  Es  findet  also  während  der  Larvenzeit  ein  Func- 
tionswechsel  der  Haut  statt,  und  es  sind  die  Wärzchen 
der  ersten  Periode  als  Rudimente  der  durch  die  Anpassung 
an  das  Wasserleben  rückgebildeten  Erhöhungen  anzusehen. 
Während  der  Puppeuzeit,  die  in  einem  luftgefüllten,  mit 
weissem  Gespinnst  ausgekleideten,  an  der  Unterseite  von 
Blättern  angehefteten  Gehäuse  verlebt  wird,  athmet  die 
Puppe  mit  drei  Paar  stark  entwickelten  Stigmen.  Es 
findet  während  dieser  Periode  ein  Gasaustausch  mit  der 
Pflanze,  au  der  die  Puppe  sitzt,  statt.  Bei  Cataclysta 
lemnata  L.,  die  ähnlich  wie  die  beschriebene  Hj'drocampa 
lebt,  konnte  Müller  die  Häutung  beobachten,  die  die 
beiden  Larvenperiodeu  trennt.  Sie  erfolgt  in  dem  mit 
Luft  gefüllten  Gehäuse.  Doch  konnte  auf  keine  Weise 
beobachtet  werden,  wie  die  Raupen  das  Wasser  aus 
diesem  Gehäuse  entfernen.  Schliesslich  lehrt  uns  Müller 
einige  brasilianische  Wasserraupen  kennen.  Die  Eier 
zweier  Cataclystaarten  finden  sich  in  7(X) — 800  Stück  ent- 
haltenden Pflastern  zwischen  Podostomeenstengeln.  Da 
diese  Pflanzen  in  heftigen  Stromschnellen  wuchsen,  so  ist 


die   Ablage   der  regelmässif. 


an   einander  gereihten  Eier 


unter  Wasser  für  den  Schmetterling  eine  beaehtenswerthe 
Leistung.  Den  Paraponyxarten,  von  denen  eine  (stratio- 
tata  L.)  an  unserer  Wasseraloe,  eine  andere  (oryzalis  Wood- 
Mason)  am  Reis  lebt,  fügt  Verf.  eine  neue  an.  Während 
die  Larve  von  P.  stratiotata  sich  ein  loses  Gehäuse  webt, 
lebt  die  von  P.  oryzalis  frei.     Bei  beiden  spinnt  sich  das 


Thier  zur  Puppenruhe  in  Stücke  der  Futterpflanze  ein. 
Die  von  Müller  bei  Blumenau  beobachtete  Art  lel>te  in 
flachen  Gräben  und  Pfützen  an  einem  Gras.  Sic  baut 
ausserhalb  des  Wasers  ein  Gehäu-ie  aus  einer  Bl  attspitze 
und  ninnat  diese  Wohnung,  die  zugleich  Sauerstott'  ent- 
hält, unter  Wasser.  Häufig  wird  ein  neues  Gehäuse  ge- 
fertigt. Die  Larve  lebt  an  sonnigen  Stellen  und  streckt 
in  der  Nacht  den  Körper  aus  dem  Futteral  heraus,  um 
mit  ihm  im  ^V^nsscr  hin  und  her  zu  schlagen.  Beide 
EigeuthüiLdichkeiten  haben  den  Zweck,  die  zur  Athmung 
nöthige  frisclie  Luft  bczw.  den  Sauerstoft'  zu  gewinnen. 
Alle  Paraponyxraupen  haben  Trachccnkiemcn.  Das 
Puppcugehäuse  der  brasilianischen  Paraponyx  wird  an 
der  Wasseroberfläche,  bakl  ül)er,  bald  unter  dem  Wasser, 
angelegt.  C.  Matzdorfl'. 


Wie  lialten  unsere  Raubvögel  <lie  Fänge  im 
Fliegen J  —  Diese  Frage  sucht  Ewald  Ziemer  in  den 
Ornithologischen  Monatsberichten  (herausg.  von  Dr.  Ant. 
Reichenow)  zu  beantworten. 

Nach  der  allgemein  verbreiteten  Ansieht,  sagt  Z.,  ziehen 
die  Raubvögel  im  Fluge  ihre  Fänge  zusammengebogen  unter 
den  Leib,  sowie  z.  J5.  die  Singvögel,  strecken  sie  alter 
nicht  gerade  nach  hinten  weg  unter  dem  Stoss  aus,  wie 
es  z.  13.  die  Störche,  Reiher,  Schnepfen  u.  s.  w.  thun. 
Worauf  sich  diese  Ansicht  eigentlich  gründet,  ist  mir  un- 
bekannt, ich  weiss  nur,  dass  ich  für  dieselbe  weiter  keinen 
Grund  finden  konnte,  als  den,  dass  ich  sie  stets  so  abge- 
bildet gesehen  hatte.  Uebrigens  hatte  ich  mir  diese  Frage 
noch  nie  gestellt,  also  auch  nie  meine  Aufmerksamkeit 
auf  die  Haltung  der  Fänge  gerichtet.  Dies  geschah  erst, 
als  ich  im  Jouru.  für  Ornithologie,  1889  S.  341  gelesen 
hatte,  dass  nach  sehr  vielen  genauen  Beobachtungen 
Herrn  H  Hartert's  die  beiden  indischen  Raubvögel  Milvus 
govinda  imd  Haliastur  indus  ihre  Fänge  stets  gerade 
nach  hinten  weg  unter  dem  >Stoss  ausstrecken,  sie  aber 
nicht  im  Fersengelenk  gebogen  und  unter  den  Leib  ge- 
zogen halten. 

Von  da  an  bemühte  ich  mich,  zu  ermitteln,  ob  unsere 
einheimischen  Raubvögel  ihre  Fänge  im  Fliegen  ebenso 
halten,  wie  die  beiden  genannten  indischen  Arten,  oder 
ob  sie  dieselben  unter  den  Leib  ziehen,  wie  ich  bisher 
geglaubt  hatte  und  wie  es  allgemein  angenommen  wurde. 
Aber  alle  meine  Bemühungen  waren  so  ganz  ohne  jeg- 
lichen Erfolg,  dass  ich  sie  nach  längerer  Zeit  aufgab  und 
schliesslich  die  Frage  überhaupt  ganz  vergass. 

In  letzter  Zeit  gelangen  mir  jedoch  an  drei  einhei- 
mischen Raubvogelarten  einige  ganz  sichere  Beobachtungen, 
die  ich  nachstehend  mittheilen  will. 

Am  1.5.  Mai  a.  c.  richtete  ich  mein  Glas  ohne  be- 
stimmte Absicht  auf  einen  F.  tinnunculus,  der  in  geringer 
Entfernung  von  mir  von  einem  ganz  niedrigen  Busch  ab- 
strich. Seine  laug  herabhängenden  Fänge  brachten  mir 
diese  Frage  wieder  in  Erinnerung,  so  dass  ich  den  Vogel 
scharf  beobachtete,  gespannt  zu  erfahren,  wo  er  seine 
Fänge  lassen  würde.  In  ganz  laugsamem  Fluge,  immer 
mit  lang  herabhängenden  Fängen,  stieg  er  in  schräger 
Richtung  gegen  den  scharfen  Westwind  an,  bis  er  in 
einer  Höhe  von  etwa  10  m  angelangt  war.  Dann  klappte 
er  die  gerade  ausgestreckten  Fänge  nach  hinten  in  die 
Höhe  und  ging  in  wagerechten  Flug  über.  So  lange  ich 
ihn  genau  sehen  konnte,  hielt  er  die  Fänge  ganz  still 
nach  hinten  ausgestreckt  und  als  er  nach  einiger  Zeit 
wieder  in  geringer  Entfernung  an  mir  vorüber  strich,  hielt 
er  sie  noch  ebenso. 

Am  29.  Mai  beobachtete  ich  längere  Zeit  hindurch 
einen  Buteo  buteo.  Der  Vogel  war  nur  etwa  200  m  ent- 
fernt, ungewöhnlich  dunkel,    fast  schwarz,    so    dass  sich 


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Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


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die  gelben  Fänge  ihrer  ganzen  Länge  nach  ganz  be- 
sonders scharf  abholten,  und  obenein  waren  Beleuchtung 
und  Stellung  sehr  günstig,  so  dass  ich  durcii  mein  Doppel- 
glas die  geringsten  Einzelheiten  erkennen  konnte.  Auch 
dieser  Bussard  hielt  die  Fänge  gerade  nach  hinten  weg 
ausgestreckt,  nicht  aber  unter  den  Leib  gezogen,  und 
ausserdem  benutzte  er  sie  aucli  noch  recht  fleissig  zum 
Halanciren. 

Am  4.  Juni  lagen  wir  —  mein  Bruder,  mein  Schwager 
und  ich  ~  gegen  Abend  auf  einem  Hügel,  vou  welchem 
aus  wir  ein  gut  Theil  des  Revieres  übersehen  konnten. 
In  der  Nähe  jagte  ein  Paar  Baumfalken,  F.  subbuteo, 
auf  Insecten.  Beide  Vogel  kamen  mehrmals  ganz  nahe 
an  uns  vorbei,  ausserdem  hatte  ich  meinen  ständigen  Be- 
gleiter, mein  Doppelglas,  zur  Hand.  Beide  Vdgel  hielten 
die  Fänge  gerade  nach  hinten  hin  ausgestreckt. 

Das  sind  nun  zwar  erst  vereinzelte  Fälle,  innuerhin 
aber  beweisen  sie,  dass  die  allgemein  verbreitete  Ansicht 
zum  mindesten  so  ganz  allgemein  nicht  richtig  ist.  Auch 
ist  kaum  anzunehmen,  dass  ich  gerade  lauter  Ausnahme- 
fälle sollte  beobachtet  haben. 


eni   neuer    Fundort    hier    kurz   mitgetheilt 


Die  AVasfsernuss,  Trapa  nataus  L.,  konnut  bekannt- 
lich gegenwärtig  in  Westpreusscn  nicht  mehr  leitend  vor, 
hingegen  mehren  sich  die  Anzeichen  dafür,  dass  sie  früher 
hier  weit  verbreitet  gewesen  ist.  Ueber  das  Vorhanden- 
sein fossiler  Früchte  iu  unseren  Torflagern  ist  bereits 
wiederholt  in  dieser  Zeitschrift  (VL  Bd.  S.  426.  —  VIL 
Bd.  S.  388)  berichtet  worden,  und  daher  mag  im  weiteren 
Verfolg  auch 
werden. 

Bisher  waren  die  Gelände  bei  Mirchau  im  Kreise 
Karthaus,  bei  Lessen  im  Kreise  C4raudenz  und  bei  Jaco- 
bau  im  Kreise  Eosenberg  die  einzigen  in  unserer  Provinz, 
wo  fossile  Wassernüsse  in  grösserer  Menge  mir  bekannt 
geworden  sind.  Neuerdings  habe  ich  ein  neues  Vor- 
konnnen  in  einem  Torfmoor  beobachtet,  welches  unmittel- 
bar südlich  an  EHcrbruch  bei  Waplitz  im  Kreise 
Stuhm  angrenzt  und  ca.  10  ha  gross  ist.  Hier  lagern  die 
Früchte  in  1  bis  1,5  m  Tiefe,  zumeist  schon  im  Leber- 
torf, und  erfüllen  ganz  eine  Schicht,  die  sich  unter  einem 
grossen  Theil  des  Bruches  erstreckt.  Ueber  die  hier  beob- 
achteten Spielarten  der  Trapa  natans  L.,  sowie  über 
die  Reste  der  sie  begleitenden  Pflanzen,  wird  eine  aus- 
führliche Mittheilung  später  folgen. 

Dieser  Fundort  liegt  etwa  vier  Meilen  nördlich  von 
dem  zuletzt  genannten  bei  Jacobau,  und  es  ist  anzu- 
nehmen, dass  vornehmlich  in  dortiger  Gegend  künftighin 
noch  weitere  Lagerstätten  von  Wassernüssen  werden  auf- 
gedeckt werden.  H.  Convventz. 


Receiite  Steiiiiiüsse  als  vernieintliche  FossiHeii.  — 

Angeregt  durch  eine  ^Mitthcilung  des  Herrn  Geh.  Rath 
Rud.  Virchow  in  den  Verhandlungen  der  Berliner  Gesell- 
schaft für  Anthropologie  (1893  S.  41),  in  der  er  den  Kopf 
eines  neugeborenen,  wahrscheinlich  nicht  ausgetragenen 
Kindes  beschreibt,  der  ihm  mit  der  Angabe,  dass  der- 
selbe aus  der  Steinkohle  des  Carbons  stanmie,  übergeben 
worden  war,  will  ich  hier  eine  kleine  Erfahrung  mittheilen, 
die  ich  im  Verlauf  der  letzten  Jahre  während  meiner  Thätig- 
keit  als  Pflanzenpalaeontologe  an  der  Kgl.  Preuss.  Geo- 
logischen Landesanstalt  gemacht  habe.  Kein  der  recenten 
Lebewelt  angehöriges  Object  ist  mir  nämlich  so  oft  und 
aus  Sit  verschiedenen  geologischen  Horizonten  als  ver- 
meintliches Pflanzenfossil  in  die  Hände  gekonnnen  als 
gewisse  Palmensamen,  die  wegen  ihres  harten  Endosperms 
unter  dem  Namen  Elfenbein-  und  Stein-„Nüssc"  resp.  vege- 


tabilisches Elfenbein  bekannt  zu  kleineren  Objecten  der 
Drechslerkunst  (wie  namentlich  Knöpfen)  vielfach  Ver- 
wendung flnden  und  deshallt  nach  Europa  massenhaft  im- 
portirt  werden.  Die  dunkele  Aussenseite  dieser  Objecto 
und  ihre  Härte  machten  es  begreiflich,  dass  der  Laie 
leicht    zu    der   erwähnten    Verwechselung   kommen   kann. 

Die  pflanzenpalaeontologisehe  Abtheilung  der  genann- 
ten Anstalt  besitzt  eine  kleine  Sammlung  von  (Jbjeeten, 
welche  a)  Pflan/.enfossilien  vortäuschen  und  b)  von  Nicht- 
pflanzcnpalaeontologen  als  PHanzenfossilien  angesehen  und 
der  Sannnlung  als  solche  zugestellt  worden  sind.  Unter 
diesen  Jlaterialien  fand  ich  mehrere  Samen  von  Phyte- 
le]dias  (einheimisch  im  tropisciieii  Amerika)  vor,  auf  deren 
Etiquette  von  der  Hand  des  verstorbenen  Prof.  E.  Weiss 
vermerkt  ist  „angeblich  in  Braunkohle  aus  Böiimen  ge- 
funden". Seitdem  sind  mir  von  derselben  Palmen-Art 
zwei  Samen  aus  Oberschlesien  durch  gütige  Vermittelung 
des  Herrn  Gcneraldirectors  O.  Junghann  zugegangen  mit 
der  Angabe,  dass  dieselben  von  Arbeitern  bei  Lublinitz- 
Herby  bei  Schachtarbeitcn  resp.  Eisenbahnbauten  aufge- 
funden worden  seien. 

Dreimal  wurden  mir  ausserdem  von  ganz  verschie- 
denen Seiten  und  Fundpunkten  die  charakteristischen, 
apfelförmigcn,  durch  eine  knollenförmige  Raithewucherung 
tief  ausgehöhlten  (daher  auch  der  Name  der  Untergattung 
Coeloeoccus  Wendl.)  Samen  von  Sagus  amicarum  Wendl. 
von  den  Freundschaftsinscln  als  Fossilien  zur  Bestimmung 
vorgelegt. 

Zuerst  angeblich  aus  Gaskohlen,  die  aus  Australien 
kamen  und  von  der  Gasanstalt  Haag  vergast  werden,  ge- 
funden am  Antwerpener  Hafen.  Zweitens  ebenfalls  an- 
geblich aus  dem  Carbon  (das  Nähere  ist  mir  entfallen) 
ein  Exemplar,  das  dem  Kgl.  Museum  für  Naturkunde  in 
Berlin  zum  Verkauf  als  „versteinerter  Apfel"  angeboten 
worden  war.  Drittens  endlieh  durch  Vermittelung  des 
Herrn  Prof.  Wahnschaffc  ein  Exemplar  des  Samens  der 
genannten  Art  angeblich  aus  dem  Diluvium  von  ßixdorf 
bei  Berlin.  Das  Endosperm  aller  Exemplare  sowohl  von 
Phytelephas  als  vou  Sagus  amicarum  zeigte  durchaus  die 
normale  Beschaft'enhcit  der  recenten  Samen,  dasjenige 
von  Phytelephas  war  schnecweiss,  das  von  Sagus  ami- 
carum hellgelb,  und  auch  das  Aeussere  der  Samen  ent- 
sprach ganz  den  Verhältnissen  der  in  den  Handel  ge- 
brachten, sodass  auch  iu  dieser  Beziehung  an  der  Her- 
kunft der  Objecte  ganz  und  gar  nicht   zu  zweifeln  ist. 

H.  Potonie. 


Eine  iiene,  den  höch.sten  Anforderungen  genügende 
Conservirungsflüssigkeit  für  zoologische  Präparate.  — 

Durch  langjährige,  mühsame  Versuche  ist  es  dem  Präparator 
am  Naturläistorisclien  Museum  in  Hamburg,  Herrn  Wiese, 
gelungen,  eine  Flüssigkeit  iicrzustellen,  welche  Farbe  und 
Biegsamkeit  der  darin  aufbewahrten  Olijectc  zu  erhalten 
im  Stande  ist,  sodass  man  vollkommen  den  Eindruck  des 
lebenden  Thieres  erhält.  Diese  Erfindung  ist  um  so  über- 
raschender, da  ja  alle  bisherigen  Conservirungsmcthoden 
dieses  Ideal  vergeblich  angestrebt  haben,  und  man  sich 
längst  an  die  im  Alkohol  aufbewahrten  farblosen  (»bjecte 
gewöhnt  und  damit  eine  ganz  falsche  Anschauung  der 
Thierwelt  gewonnen  hat.  Schreiber  dieser  Zeilen  hatte 
Gelegenheit,  eine  grössere  Serie  von  auf  die  Wiese'sche 
Art  eonservirter  Thiere  zu  sehen  und  war  von  dem  eigen- 
artigen Anblicke  auf  das  Inichste  überrascht.  Ein  leuch- 
tend rother  Seestern  in  einer  alkoholischen  Flüssigkeit  — 
die  neue  Flüssigkeit  besteht  nämlich  zum  grossen  Theile 
aus  Alkohol  —  ist  fürwahr  ein  ganz  merkwürdiger  Anblick. 
Weiter  eine  Ophiure  mit  zarten  blauen  und  rosafarbenen 
Tonen,   mit  noch  völlig  bcweghchen  Armen  seit  Monaten 


338 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  32. 


in  Alkohol,  das  ist  ja  nicht  nur  für  den  Zoologen  ein  herz- 
erquickender Anblick.  Alle  bisherigen  Versuche  mit  Ver- 
tretern der  verschiedenen  Typen  sind  als  unzweifelhaft 
gelungen  zu  betrachten.  Besonders  schön  sind  die  Fisch- 
präparate. Die  mannigfaltigen  zarten  Farbentöne  des 
Lippfisches,  die  feine  Zeichnung  der  Flossen,  der  silberne 
Glanz  der  Schuppen,  ja  die  typische  Haltung  der  Flossen, 
alles  erscheint  in  derselben  Weise  wie  beim  lebenden 
Thiere.  Dasselbe  gilt  von  den  Batrachiern,  Eidechsen, 
Myriapoden  und  Raupen.  Alle  genannten  Objecto  be- 
finden sich  genügend  lange  in  der  Flüssigkeit,  die  übrigens 
in  allen  Staaten  patentirt  ist,  um  jeden  Zweifel  auszu- 
schliessen.  In  Alkohol  hätten  sämmtliche  Objecte  bereits 
seit  langer  Zeit  Farbe  und  Beweglichkeit  verloren  und 
wären  längst  in  entstellender  Weise  eingeschrumpft,  wie 
es  ja  bekannterweise  das  Loos  aller  Alkoholpräparate  ist. 
Der  Vortheil  der  neuen  Conservirungsflüssigkeit  für  die 
Zoologie,  Anatomie,  Physiologie,  kurz  alle  biologischen 
Wissenschaften  und  nicht  in  letzter  Linie  für  die  Museo- 
logie  ist  schier  unermesslich,  falls  sie  sich,  wie  es  den 
Anschein  hat,  in  allen  Fällen  bewähren  sollte.  Wie  anders 
würden  sich  die  zoologischen  Museen  präsentiren,  wenn 
die  ausgestellten  Präparate  ihre  natürlichen  Farben,  ihre 
volle  Lebensfrische  dem  Beschauer  darbieten!  Um  wie- 
viel bequemer  hat  es  der  zoologische  Sammler,  wenn  er 
sich  nicht  mehr  mit  langen  Schilderungen  über  die  Farben- 
verhältnisse seiner  Objecte  abzuquälen  braucht,  eine  Auf- 
gabe, die  ohnehin  in  den  meisten  Fällen  unmöglich,  min- 
destens aber  sehr  schwierig  ist!  Somit  sei  zum  Schlüsse 
den  interessirten  Kreisen  der  Gebrauch  der  Wiese'schen 
Flüssigkeit  auf  das  Angelegentlichste  empfohlen.  Ein 
näherer  Prospect  des  Erfinders  steht  jederzeit  auf  Anfrage 
zu  Diensten.  Dr.  K.  Hagen. 


Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben. 

Es  wurden  ernannt:  An  der  Universität  München  Professor 
Dr.  Herrn  im  n  Tapp  ein  er,  Vorsteher  des  Instituts  für  Arznei- 
mittellehre, zum  Ordinarius,  —  Dr.  Leo  Grae tz,  Privatdocent 
für  Physik,  zum  ausserordentlichen  Professor.  —  Der  Landes-Ver- 
messungs-Director  und  Privatdocent  für  Geodäsie  und  Meteorologie 
an  der  Technischen  Hochschule  in  Braunschweig  Bernhard 
Pattenhausen  zum  Professor  an  der  Technischen  Hochschule 
in  Dresden.  —  Der  Docent  für  Pädiatrik  und  praktische  Medicin 
Dr.  Hildehrandt  zum  anssei'ordentlichen  Professor  an  der  Uni- 
versität Lund.  —  Der  ausserordentliche  Professor  Dr.  Anton 
Weichselbaum  von  der  Universität  Wien  zum  Ordinarius  für 
pathologische  Anatomie  daselbst.  —  Der  Privatdocent  für  Mathe- 
matik Dr.  Eduard  Study  zum  ausserordentlichen  Professor  an 
der  Universität  Marburg.  —  Prof.  Dr.  Otto  Ernst  Kuestner 
von  der  Universität  Dorpat  zum  Professor  für  Frauenheilkunde 
an  der  Universität  Breslau. 

Es  hat  sich  habilitirt:  Dr.  Jores  in  der  medicinischen  Facultät 
der  Universität  Bonn. 

Der  Privatdocent  für  Ingenieurwissenschaft  an  der  Technischen 
Hochschule  in  München  Frank  tritt  von  seiner  Lehrthätigkeit 
zurück. 

Es  sind  gestorben:  Der  Polarreisende  Dr.  John  Rae  in 
London,  bekannt  durch  seine  Führung  der  zur  Aufsuchung  Sir 
John  Franklins  ausgesandten  Expedition  Anfang  der  fünfziger 
Jahre.  —  Der  Geologe  Oberlehrer  Dr.  Kuniscii  in  Breslau  — 
Der  frühere  Director  der  Landesgeburtsanstalt  in  Wien  Professor 
Dr.  Ferdinand  Weber  von  Ebenhof. 


Eine  Cassini-Statue,  und  zwar  zu  Ehren  des  dritten  Vertreters 
dieser  bedeutenden  Gelehrten  -  Familie  (fünf  ihrer  Angehörigen 
waren  Mitglieiler  der  Französischen  Akademie  der  Wissenschaften) 
—  Cesar  Fran^ois  Cassini's  —  beabsichtigt  die  Societe  de  Topo- 
graphie de  France  in  Clermont-enBeauvais  (Oiso)  zu  errichten. 


Die  Schweizerische  Oeologische ,  Botanische  und  Ento- 
mologische Gesellschaft  halten  in  Verbindung  mit  der  Societe 
Helvetique  des  Sciences  Naturelles  eine  allgemeine  Ver- 
sammlung vom  3.  bis  6.  September  d.  J.  in  Lausanne  ab.  Zahl- 
reiche   den  verschie<ienen   von   den   einzelnen  Gesellschaften  ver- 


tretenen Disciplinen  dienende  Excursioneu  sind  für  die  Zeit  in 
Aussicht  genommen.  Auskunft  ertheilen  die  Secretäre  Professor 
E.  Bugnion  und  M.  A.  Nicoti  in  Lausanne. 


Die  General- Versammlung  der  Deutschen  Botanischen  Ge- 
sellschaft findet  am  12.  September  d.  J.  in  Nürnberg  von  'J  Uhr 
Vormittags  im  Sitzungssaale  der  botanischen  Section  der  Natur- 
forscher -  Versammlung  in  der  Königlichen  Industrieschule  statt. 
Es  wird  Beschluss  zu  fassen  sein  über  die  Trennung  der  Gen.-Vers. 
d.  D.  B.  G.  von  der  Naturforscher -Versammlung  und  Verlegung 
derselben  auf  den  dritten  Pfingstfeiertag. 


L  i  1 1  e  r  a  t  u  r. 

Eduard  Westermarck,  Geschichte  der  menschlichen  Ehe.   Einzig 
autorisirte  deutsche  Ausgabe.     Aus  dem  KngliscIiHn  von  Leopold 
Katscher  und  Kumulus  Grazer.     Bevorwortet  von  Alfred  Rüssel 
Wallace.     Hermann  Costenoble.     Juna  1893.  —  Preis  12  M. 
Ueber   den   interessanten   Inhalt    des  Buches   bringt   die    vor- 
liegende Nummer   der  „Naturw.  Wochenschr."   aus  der  Feder  des 
einen    der   Herren    Uebersetzer    ein   ausführlicheres   Referat,    das 
hoffentlich   recht  viele    der   freundlichen  Leser   anregt,    das  Buch 
selbst  zur  Hand  zu  nehmen.     Es  umfasst  589  Seiten;  das  ausführ- 
liche Namen-  und  Sachregister  beginnt  schon  auf  Seite  551.    Das 
kurze  Vorwort  von  Wallace  enthält  nur  einige  lobende  Worte  und 
dem  Werke  voraus  ist  ein  Litteratur-Quellen-Verzeichniss  (S.  XIII 
bis  XXXVI II)  gegeben.     Es   behandelt    seinen   Gegenstand    nach 
einer  Einleitung,   welche    die  Forschungsmethode  erläutert,   in  24 
Capiteln.     Bezüglich  des  Inhaltes  verweisen  wir  also  auf  den  Leit- 
artikel dieser  Nummer. 


Brehms  Thierleben,  Kleine  Ausgabe  für  Volk  und  Schule. 
2.  Aufl.,  Gänzlich  neubearbeitet  von  Richard  Schmidtlein.   II.  Bd. 

—  Die  Vögel.    Mit  1   colorirten  Tafel  und  240  Texfabbildungen, 

—  Bibliographisches  Institut.  —  Leipzig  u.  Wien  1893.  —   Preis 
geb.   10  M. 

Die  3  Bände  Vögel  der  grossen  Ausgabe  von  Brehms  Thier- 
leben hat  Schmidtlein  geschickt  zu  einem,  gebunden  nur  10  Mk. 
kostenden,  hübschen  Bande  vereinigt.  Die  bunte  Tafel  stellt 
3  Arten  Paradiesvögel  dar,  auch  die  prächtigen  Holzschnitte  sind 
gut  ausgewählt.  Was  wir  über  den  1.  Band  auf  S.  132  der 
„N.  W."  rühmendes  gesagt  haben,  könnten  wir  für  den  2.  Band 
nur  wiederholen,  wir  verweisen  daher  den  freundlichen  Leser 
dorthin.  Es  ist  dankbar  anzuerkennen,  dass  auch  denjenigen, 
denen  die  grosse  Ausgabe  zu  kostspielig  ist,  und  denen  für  ihre 
Bedürfnisse  dieselbe  zu  viel  bringt,  durch  die  für  das  Ge- 
botene ausserordentlich  preiswerthe  kleine  Ausgabe  Ersatz  ge- 
schaffen ist.  Trotz  der  geschickten  Umarbeitung  hat  doch 
Schmidtlein  den  Reiz  der  Brehm'schen  Schreibweise  zu  wahren 
gewusst. 


B.  Bunsen  und  H.  E.  Roscoe,  Photochemische  tlntersuchungen. 

(1855—18.59.)     Herausgegeben  von  Ostwald.    Mit  31  Textfiguren. 

(Ostwald's  Classiker  der  exacten  Wissenschaften.    No.  34  u.  38). 

—  Preis  3,10  M. 

Eine  das  vorliegende  schwierige  Gebiet  fast  erschöpfende, 
mustergültige  Untersuchung,  die  von  Ostwald  treffend  als  eine 
hohe  Schule  der  Experimentirkunst  bezeichnet  wird,  deren  Lec- 
ture  einen  unvergleichlichen,  intellectuellen  Genuss  bereitet. 
Die  fünf  Abhandlungen,  in  denen  die  Verf  ihre  Forschungsergeb- 
nisse niederlegten,  sind  ursprünglich  in  verschiedenen  Jahrgängen 
von  PoggendorfF's  Annalen  erschienen.  Die  geringste  Bedeutung 
für  die  Gegenwart  besitzt  die  erste  Abhandlung,  im  Wesentlichen 
eine  nur  theilweise  gerechtfertigte  Polemik  gegen  eine  gleich- 
zeitige Arbeit  von  Wittwer.  —  Die  zweite  Abhandlung  enthält 
die  Beschreibung  des  zur  photochemischen  Messung  construirten 
Apparats,  durch  welchen  die  Einwirkung  des  Lichts  auf  Chlor- 
knallgas, welche  bekanntlich  in  der  Bildung  von  Salzsäure  be- 
steht, uuter  Vermeidung  zahlreicher  möglicher  Felderquellen  mit 
grosser  Genauigkeit  quantitativ  bestimmt  werden  kann.  —  Die 
dritte  Arbeit  handelt  von  der  sogenannten  photochemischen  In- 
duction,  d.  h.  der  erst  allmählich  eintretenden  Verminderung  des 
Verbindungswiderstandes  infolge  der  Bestrahlung.  — 

Die  Untersuchung  der  optischen  und  chemischen  Extinction 
der  Strahlen  bildet  den  Gegenstand  der  fünften  Abhandlung,  wo- 
bei nachgewiesen  wird,  dass  bei  der  photochemischen  Wirkung 
ein  äquivalenter  Lichtverbrauch  eintritt.  Hier  wird  im  Text 
zweimal  (Seite  12  und  21)  auf  eine  Figur  4  hingewiesen,  welche 
in  der  vorliegenden  Ausgabe  fehlt.  Sollte  die  Einfügung  der  zu 
dieser  Abhandlung  gehörigen  Figuren  vergessen  worden  sein? 

Die  für  die  Klimatologie  wichtigen,  interessanten  Anwendungen 
der  von  den  Verf.  am  Sonnenlicht  angestellten  Messungen  werden, 


Nr.  32. 


Naturwisscnschaftliolic  Wochenschrift. 


3o9 


veranschaulicht  durch  zahh-eicho  Curvendarstellunpon,  in  der 
letzten  und  umfangreichsten  Abhandlung  behandelt.  Als  allge- 
mein vergleichbares  Maass  wurde  eine  KoblenoxydgasHainme  von 
bestimmter  Grösse  gewählt.  Zur  vergleichenden  Messung  der 
optischen  Helligkeiten  diente  das  Bunsen'sche  Photometer  mit 
„Fettfleck".  —  Bemerkenswerth  ist  u.  A.  das  Ergebniss,  dass  bei 
niedriger  Sonnenhöhe  das  zer.streiitc  Himmelslicht  eine  stärkere, 
chemisclie  Wirkung  ausübt,  als  directes  Sonnenlicht.  Am  Scbluss 
der  Abhandlung  wird  die  chemische  Wirkung  der  Sonnenstrahlung 
noch  mit  der  des  Magnesiumlichts  verglichen,  und  endlich  die 
Vertheilung  der  chemischen  Energie  im  Sonnenspectrum  untersucht. 


Dr.  Ad.  Heidweiller.  Hülfsbuch  für  die  Ausführung  elektrischer 
Messungen.  Mit  ä8  Textligiircii.  .Iidiaiiii  Auibmj-iii.s  Uarth 
(Artliur  Meiner).    Leipzig  1S!»2.  —  Prei.s  0  M. 

Eine  gedrängte  Zusammenstellung  aller  der  zahlreichen  elek- 
trischen Messungsniethoden,  deren  Beschreibungen  in  den  ver- 
schiedensten Originalpublicationen  zerstreut  sind,  muss  jedem 
Elektriker  ausserordentlich  willkommen  sein.  Mit  Recht  hält  der 
Verf.  für  eine  solche  Sammlung  gerade  den  gegenwärtigen  Zeit- 
punkt für  geeignet,  da  nunmehr  durch  zuverlässige  Bestimmung 
der  grundlegenden  absoluten  Einheiten  der  Gegenstand  zu  einem 
gewissen  Abschluss  gelangt  ist.  In  der  Einleitung  werden  die 
wichtigsten  allgemeinen  Sätze  und  Begriftsbestimniungen,  sowie 
das  absolute  Maasssystem  rekapitulirt.  Das  erste  Capitel  handelt 
sodann  von  verschiedentlichen  Hülfsmessungen  (Ablesung  mit 
Spiegel  und  Scala  etc.),  die  bei  elektrischen  Ma.assbestimmungen 
eine  grosse  Rolle  spielen.  In  den  folgenden  Capiteln  werden 
nach  einander  die  Strommessungen,  Widerstandsvergleichungen, 
Spannungsmessungen,  die  Bestimmung  der  Constanten  von  Strom- 
kreisen, die  Ermittelung  der  Capacitäten  und  Dielektricitäts- 
constanten,  sowie  schliesslich  die  Ohmbestimmungen  unter  Be- 
nutzung zweckmässiger  Abkürzungen  und  ohne  ausfidu-liche  Be- 
schreibung von  Apparaten  oder  Entwickelung  der  benutzten 
Formeln  behandelt.  Ueberall  ist  durch  Angabe  des  Autors  einer 
Methode  und  Hinweis  auf  ein  Litteraturverzeicbniss  am  Scbluss 
die  Möglichkeit  geboten,  behufs  näherer  Informirung  die  Uriginal- 
publication  nachzulesen.  Ein  Anhang  von  2o  Tabellen  liefert 
theils  bei  gewissen  Messmethoden  zu  verwendende  Hilfsgrössen,  theils 
Uebersichten  über  bisherige  Bestimmungen  wichtiger  Constanten. 
Es  steht  zu  erwarten,  dass  das  mit  vielem  Geschick  zusammen- 
gestellte Werk  sich  in  der  Pra.xis  wohl  bewähren  wird.       Kbr. 


Abhandlungen,  herausgegeben  vom  naturwissenschaft- 
lichen Vereine  zu  Bremen.  Xll.  Band,  3.  Heft;  1893.  Aus  der 
verhältnissmässig  grossen  Zahl  interessanter  Abhandlungen  seien 
hier  die  folgenden  angefülirt:  W.  0.  Focke:  Vorläufige  Mit- 
theilungen über  die  Verbreitung  einiger  Brombeeren  hn  westlichen 
Europa.  Verfasser  macht  an  der  Hand  von  ihm  selbst  unter- 
suchten Materiales  den  dankenswerthen  Versuch,  die  wichtigsten 
westeuropäischen  Rubusarten  auf  ihre  Selbstständigkeit  hin  zu 
prüfen  und  danach  ihre  Verbreitung  festzustellen.  Leider  war 
das  ihm  zur  Verfügung  stehende  Material  eigentlich  nur  aus  dem 
mittleren  und  südlichen  England  genügend  und  in  frischem  Zu- 
stande, während  die  übrigen  Theile  Grossbritanniens,  Belgien, 
Frankreich,  die  Pyrenäen-Halbinsel  und  Italien  nur  mangelhaft 
und  meist  nur  durch  getrocknetes  Material  vertreten  waren.  Auch 
die  Beziehungen  zu  den  in  Deutschland  einheimischen  Species 
sind  berücksichtigt  worden.  Derselbe:  Beobachtungen  an  Misch- 
lingspflanzen. Beschreibung  einer  Anzald  Bastarde  aus  den 
Gattungen  Geum,  Sanguisorba,  Oenothera,  Polemonium,  Nicotiana 
unil  Carex.  Derselbe:  Ueber  Unfruchtbarkeit  bei  Bestäubung 
mit  eigenem  Pollen  (zwei  Abhandlungen).  Mittheilung  von  meist 
eigenen  Beobachtungen  und  Aufzählung  einer  Anzahl  hierher- 
gehöriger Pflanzen.  Derselbe:  Pflanzenbiologische  Skizzen. 
Besprochen  werden  der  Epheu  (Hedera  Helix  L,),  die  Stechpalme 
(Hex  aquifolium  L,),  das  gemeine  Kreuzkraut  (Senecio  vulgaris, 
L,),  die  Mandelweide  (Salix  triandra  L.)  und  der  Besenginster 
(Sarothamnus  vulgaris  Wimm.).  H.  Klebahn:  Zur  Kenntniss  der 
Schmarotzerpilze  Bremens  und  Nordwestdeutschlands.  Die  Arbeit 
schliesst  sich  an  den  „Ersten  Beitrag  zur  Schmarotzerpilz-Flora 
Bremens"  des  Verfassers  im  XI.  Bande  der  Abhandlungen  an  und 
bringt  eine  Uebcrsicht  der  in  dortiger  Gegend  besonders  vom 
Verfasser  während  der  Jahre  1890/91  beobachteten  Pilze.  Die 
Zahl  der  Rostpilze  allein  beträgt  96.    Fritz  Müller:  Mischlinge 


von  Rucilia  formosa  und  silvaccola.  Der  Verfasser  hat  bei  den 
genannten  Arten  die  Narben  der  weiblichen  Pflanzen  gleichzeitig 
mit  dem  Pollen  der  eigenen  Art,  wie  mit  dem  der  fremden  be- 
stäubt und  dabei  ein  von  der  allgemi>inen  Ansicht  abweichendes 
Resultat  erhalten  —  der  Pollen  der  fremden  Art  zeigte  sich  näm- 
lich zum  Theil  sogar  kräftiger  als  derjenige  der  eigenen,  während 
man  bisher  vielfach  annahm,  dass  bei  hinreichender  Menge  des 
eigenen  Pollens  jener  der  Abart  oder  gar  der  fremden  Art  von 
der  Befruchtung  ausgeschlossen  werde.  Hartlaub:  Vier  seltene 
Rallen.  Es  werden  beschrieben  Ralius  monasa  Kittl,  von  <ler 
Insel  Ualan;  R.  ecaudatus  King,  von  Hawai;  R.  sandvichi'usis 
Gm.;  und  Peunula  Palmeri  von  der  Insel  Laysan  nordwestlieh 
der  Sandwichs-Inseln.  Ochsenius:  Naturwissenschaftliche  Mit- 
theilungen. (Zur  Bildung  schwacher  Salzlager.  Wirkungen  der 
Stürme  auf  Pflanzen,  Reste  ausgestorbener  Säugethiere  aus  dem 
bolivianischen  Hochgeljirge.)  Häpke:  Lieber  Selbstentzündung, 
insbesondere  von  .Schift'sladungen,  Baumwolle  und  anderen  Faser- 
stoft'en,  Steinkohlen  und  Heuhaufen,  Der  Verfasser  hat  mit 
grossem  Fleisse  LIntersuchungen  über  die  Ursachen  der  Entst(diung 
der  genannten  Erscheinung  angestellt  und  die  bekannt  gewordenen 
Fälle  gesammelt.  Wir  werden  auf  die  interessanten  Ausführungen 
desselben  noch  an  anderer  Stelle  der  „N.  W."  zurückkommen. 
E.  Lemmermann:  Versuch  einer  Algeuflora  der  Umgegend  von 
Bremen  (excl.  Diatomaeeen),  (Kesultate  der  Durchforschung  der 
Gewässer  der  Umgegend  Bremens,)  Buchenau:  Zur  Geschichte 
der  Einwanderung  von  Galinsogaea  parviflora  Cavanilles.  Verf. 
giebt  eine  kurze  Darstellung  der  allmählichen  Verbreitung  der 
aus  Peru  stammenden  Pflanze  in  Deutschland.  Derselbe:  Natur- 
wissenschaftlich-geographische Litteratur  über  das  nordwestliche 
Deutschland. 


Böhmig,  L.,  Zur  feineren  Anat(unie  von  Rhodope  Veranii 
Kölliker,     Leipzig, 

Britzelmayr,  M.,   Hymenomyceten.     Berlin.     M  M, 

Burckhardt,  R.,  Ueber  Aepyornis.     Göttingen. 

Celakovsky,  L.  J.,  Resultate  der  botanischen  Durchforschung 
Böhmens  in  den  Jahren   1891  und   1892.     Prag.     1   M. 

Celakovsky  Sohn,  L.,  Die  Myxomyceten  Böhmens.     Prag. 

Du  Bois-Reymond,  E.,  Maupertuis.    Leipzig.     l,.5ü  M. 

Ebbinghaus,  H.,    Theorie  des  Farbensehens,     Hamburg.     2,M  M. 

Eckstein,  K.,  Die  Beschädigungen  unserer  Waldbäume  durch 
Thiere.     1.  Bd.     Berlin.    36  M. 

Ergebnisse  der  in  dem  Atlantischen  Ocean  von  Mitte  Juli  bis 
Anfang  November  1889  ausgeführten  Plankton-Expedition  der 
Humboldt-Stiftung.     1.  Bd.     Kiel.     10  M. 

Fischer.  W,,  Weitere  Beiträge  zur  Anatomie  und  Histologie  des 
Sipunculus  Indiens  Peter.     Hamburg.     1  M. 

Gegenbauer,  L..  Arithmetische  Untersuchungen.    Leipzig     2,40  M. 

G-eigenmüller,  R.,  Elemente  der  höheren  Mathematik.  I.  Bd. 
3.  Aufl.     Mittweida.     5  M. 

Hanausek,  T.  F.,  Der  Bau  des  menschlichen  Körpers.  Leipzig. 
1,40  M. 

Hertwig,  R.,  Lehrbuch  der  Zoologie.     2.  Aufl.     Jena.     12  M. 

Hofmarm,  E.,  Die  Raupen  der  Schmetterlinge  Europas.  Stutt- 
gart.    2  M. 

Hörn,  F.,  Piatonstudien.     Leipzig.     6  M. 

Jäger,  G-.,  Ueber  die  kinotische  Theorie  der  inneren  Reibung 
der  Flüssigkeiten.     Leipzig.     0,30  M. 

JoSl,  K.,  Die  Zukunft  der  Philosophie.     Basel.    0,80  M. 

Kayser,  E.,  Lehrbuch  der  Geologie  für  Studirende  und  zum 
Selbstunterricht.     Stuttgart.     29  M. 

Keibel,  F.,  Studien  zur  Entwicklungsgeschichte  des  Schweines. 
Jena. 

Klemencic,  I.,  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Absorption  und  Ver- 
zweigung elektrischer  Schwingungen  in  Drähten.  Leipzig. 
0,50  M. 

Kohn,  K.  Ueber  symmetrische  Functionen  der  Wurzeln  einer 
algebraischen  Gleichung.     Leipzig.     0,30  M. 

Köhne,  E.,  Repetitions-Tafeln  für  den  zoologisclK'U  Unterricht 
an  höheren  Lehranstalten.  I.  Wirbelthiere.  5.  Aufl.  II.  Wirbel- 
lose Thiere.     4.  Aufl.     Berlin.     0,20  M. 

Koenike,  F.,  Die  von  Herrn  Dr.  F.  .Stuhlmann  in  Ostafrika  ge- 
sammelten Ilydrachniden  des  Hamburger  naturhistorischen 
Museums.     Hamburg.     3  M. 

Krümmel,  O.,  Geophysikalische  Beobachtungen  der  Plankton- 
Expedition. 


Inhalt:  Erich  Harnack:  Lieber  die  Giftfestigkeit  des  Igels.  —  Westermarck's  Forschungen  über  die  Naturgeschichte  der  Ehe. 
—  Zu  Liebreich's  Aeusserung  über  den  Werth  der  Cholerabacterien-Unti'rsuchung.  — •  Die  im  Wasser  lebenden  Schmetterling.s- 
raupen.  —  Wie  halten  unsere  Raubvögel  die  Fänge  im  Fliegen.  —  Wassernuss.  —  Recente  Steinnüsse  als  vermeintliidie 
Fossilien.  —  Eine  neue,  den  höchsten  Anforderungen  genügende  Conservirungsflüssigkeit  für  zoologische  Präparate.  —  Aus  dem 
wissenschaftlichen  Leben.  —  Litteratur:  Eduard  Westcrmarck:  Geschichte  der  menschlichen  Ehe.  —  Brehms  Thierlebcn.  — 
R.  Bunsen  und  H.  E.  Roscoe:  Photochemische  Untersuchungen.  —  Dr.  Ad.  Heidweiller:  HiUfsbuch  für  die  Ausführung 
elektrischer  Messungen.  —  Abhandlungen,  herausgegeben  vom  naturwissenschaftlichen  Vereine   zu  Bremen.  —  Liste. 


340 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  32. 


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Verantwortlicher    Redakteur:    Dr.  ilenry  Potonie,   Berlin  N.  4.,    Invalidenstr.  44,    für  den    luserateutheil:    Hugo  Bernstein  in  Berlin. 
Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,   Berlin  SW^.   12.  —  Druck:  G.  Bernstein,  Berlin  SW.  12. 


^^  Redaktion:         ~f         Dr.  H.  Potonie. 

Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12,  Zimmerstr.  94. 


VIII.  Band. 

Sonntag,  den 

13. 

August  1893. 

Nr.  33. 

Abonnement:  Man  abonnirt  bei  allen  Bnchhandhmgen  und  Post- 
anstalten, wie  bei  der  Expedition.    Der  Vierteljahrspreis  ist  M  4.— 
Bringegeld  bei  der  Post  15  4  extra. 

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Inserate :  Die  viergespaltene  Petitzeile  40  A.   Grössere  Aufträge  ent- 
sprechenden Rabatt.  Beilagen  nach  Uebereinkunft.  Inseratenannahme 
bei  allen  Ännoncenbureaux,  wie  bei  der  Expedition. 

Abdruck  ist  nnr  mit  voliständi 

jjer  <{nelleuang;abe  gestattet. 

Zum  Brunnenunglück  in  Schneidemühl. 


^'^011    Bergassessor    G.    Franke, 

lieber  die  Brunnenbohning-  in  Schneidenniiil  und  deren 
so  aiisserordentlicb  unbeihoile  Wiriiiiiiyen  sind  von  den 
Tagesblätteni  zum  'J'lieil  sehr  au.stiiliriiebe  Mittboilrini;-en 
,gebraebt  worden.  Trotzdem  dttri'te  die  naciistebende 
»Scliilderuni;-  der  Eutsteluini;-  und  des  Verlaufes  dieses 
seltenen  Ereignisses  wobl  nocb  Interesse  erwecken,  zumal 
Verfasser  in  Folg-e  persönlicber  Tbeilnahine  an  den  Be- 
strebungen zur  Behebung  der  Kalamität  in  der  Lage  ist, 
manelie  in  den  bisherigen  Darstellungen  entlialtenen  Irr- 
tliUiner  und  Lücken  zu  berieiitigeu  und  auszufüllen. 

Aus  Anlass  der  im  vorigen  Jahre  drohenden  Cholera- 
g-efabr  liess  der  Magistrat  von  Schneidemühl  in  einem 
alten,  an  der  Ecke  (Icr  Kleineu  und  Grossen  Kirchstrasse 
belegenen  4  m  tiefen  jMauerbrunnen,  der  unbrauchbares 
Wasser  lieferte,  durch  einen  dortigen  Hrunnciimaeher  ein 
Tiefbohrloch  zur  (lewinnung  artesischen  Quellwassers 
niederbringen.  Diese  im  Herbst  v.  Js.  begonnene  Bohrung 
wurde  ursprünglich  mit  einem  Durchmesser  von  118,  später 
von  92  mm  betrieben;  und  es  wurden  dabei,  nach  den 
mündliclicn  Angaben  des  Brunnenmeisters  —  Bohrnotizen 
waren  leider  nicht  geführt,  auch  keine  Bohrproben  auf- 
bewahrt worden  —  folgende  Schichten  durchsunken. 

Aufgefüllter  Boden     .     .     .  2,50  in  mächtig- 
Grober  Kies (),80  - 

Fetter  Thon .3,(X)  - 

Thoniger  Sand       ....  2,00  - 

Thon I,.'i0  - 

Feinster       thoniger      Sand 

(Schluff) 5.5,00  - 


70,80  m 


Am  5.  Mai  d.  Js.  stiess  man  bei  etwa  70  m  Tiefe 
auf  eine  besonders  wasserreieiie  Scliicht,  aus  welcher  ein 
durch  feinsten  thonhaltigen  grauen  Sand  (Schwimmsand) 
stark  verunreinigter  Wasserstrahl  mit  grosser  Kraft  zu  Tag-e 


Professor    der    BiTgbaukundo. 

drang  und  mehr  als  5  m  über  die  Strassenkrone  empor- 
schoss.  In  der  ILrwartung,  das  Wasser  werde  allmählich 
klarer  heraufkommen,  liess  es  der  Brunncnmeister  eine 
Zeit  lang  fliessen,  zumal  das  in  der  Kleinen  Kirchenstrasse 
vorhandene  starke  Gefälle  einen  schnellen  Abfluss  durch 
den  Rinnstein  nach  einem  tiefen  Graben  gestattete,  der 
es  nach  kurzem  Laufe  einem  in  den  Küddow-Fluss  ein- 
mündenden Müiilenbach  zuführte.  Als  sich  aber  keine 
Abnahme  der  Sclihunmfülirung  zeigte,  trieb  er  den  die 
Verkleidung  des  Bohrlochs  bildenden  eiserneu  Röhren- 
strang  durch  Drücken  und  Rammen  noch  um  2 — 3  m 
tiefer  ein.  Während  dieser  Arbeit  verminderte  sich  zwar 
die  aus  demselben  heraussprudelnde  Wassermenge,  in- 
dessen quoll  alsbald  auch  neben  den  Röhren  mit  zu- 
nehmender Heftigkeit  schlammiges  Wasser  empor.  Man 
bestellte  nun  bei  einem  Brunnenuiacher  in  Berlin  eiserne 
Rohre  von  weiterem  Durchmesser,  mit  denen  man  nach 
Entfernung  des  alten  Röhrenstranges  die  Quelle  wieder 
zu  fassen  hoft'te.  Nach  längerem  vergeblichen  Warten 
auf  das  Eintreffen  derselben  entschloss  man  sieh  zu  einem 
Verstopfungsversueh  und  liess  zu  diesem  Zwecke  durch 
einen  zweiten  Brunnenmeister  die  Röhren  aus  dem  Bohr- 
loch sämmtlich  herausziehen  und  in  dieses  alsdann  (am 
26.  Mai)  längliche  mit  Thon  und  Sand  gefüllte  Säcke 
eintreiben.  Der  Versuch  misslang,  mit  unverminderter 
Kraft  drang  der  schlammige  Wasserstrom  neben  der  ur- 
s))rünglichen  Bohrlochsinündung  zu  Tage  und  liess  sich 
auch  dadurch  nicht  ziu-ückdämmen,  dass  in  und  auf  den 
Quell  noch  eine  Meufe  Steine,  Sand-  und  Thonsäeke, 
auch  Trottoirplatten  geworfen  wurden.  Inzwischen  waren 
in  dem,  dem  Brunnen  gegenüber  liegenden  massiven  Eck- 
gebäude der  Kleinen  und  Grossen  Kirchenstrasse,  sowie 
an  mehreren  benachbarten  Häusern  feine  Risse  entstanden, 
die  auf  eine,  wenn  auch  nur  sehr  geringe  Bodensenkung 
sehliessen  Messen.  Wie  durch  Ueiierkleben  von  Papier- 
streifeu    festgestellt   wurde,    erweiterten    sich  diese  Risse 


342 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  33 


fast  täg'lich  inii  ein  Weniges,  der  Putz  fiel  in  kleinen 
Stücken  und  Schalen  von  den  Zinnvierdecken,  neue  Risse 
kamen  in  den  bereits  beschädigten,  sowie  in  den  bisher 
noch  unversehrt  geldiebcnen  Gebäuden  zum  Vorsehein, 
mitunter  geschah  das  Bersten  des  Mauerwerks  mit  lautem 
Knall.     Manche  Wohnungen  niusstcn  geräumt  werden. 

So    war    die    Sachlage,    als    Unterzeichneter    infolge 
eines    au   die    hiesige  Königl 


geologische   Landesanstalt 


und  Bergakademie  gerichteten  Ersuchens  des  Schneide- 
mühlcr  Magistrats  um  schleunige  Entsendung  eines  Bcrg- 
sach^'erständigen  am  28.  Mai  dort  eintraf.  Er  gelangte 
zu  der  üeberzeugung,  dass  die  verhängnissvollen  Boden- 
senkungen in  der  Hauptsache  auf  den  Schlammaus- 
wurf der  artesischen  Quelle  zurückzuführen  seien.  Der 
Schlannn  entstammte  unzweifelhaft  dem  Lager  von  feinstem 
das  mit  der  Bohrung  bei  16  bis  70  m 
demnach    04  m   mächtig  aufgeschlossen    war    und 


schlickigem  Sand, 


Tiefe 

in  welchem  die  gegen  das  Borloch  hinströmenden 
und  in  seinem  verwilderten  Schlünde  emporsteigenden 
Drnckwasser,  indem  sie  Schlicksand  massenhaft  lockerten 
und  mit  sich  fortrissen,  jedenfalls  sich  auch  umfangreiche 
Auskesseluugen  unter  den  festeren  oberen  Schichten  her- 
l)eigeführt  hatten.  Eine  am  29.  Mai  vorgenommene 
Messung  der  dem  Bohrloch  entströmenden  Wassermenge 
ergab  rund  2  cbm  in  der  Minute;  gleichzeitig  wurde  der 
Gebalt  des  Schlammwassers  an  festen  Bestandtheilen  zu 
etwa  7,5  oder  6,6  v.  H.  ermittelt.  Unter  der  Annahme, 
dass  während  der  ganzen  Zeit  des  Auftriebs  der  Quelle 
die  Wassernienge  und  der  Festgehalt  auf  gleicher  }Iöhe 
geblieben  wären,  berechnete  sich  hiernach  die  dem  Unter- 
giunde  der  Stadt  Schueidemühl  entführte  und  zu  Tage 
geförderte  Erdmasse  auf  täglich  rund  200  cbm,  mithin 
im  Ganzen  zu  etwa  4600  cbm.  Das  Fehlen  so  be- 
deutender Massen  musste,  selbst  wenn  sich  dieselben  auf 
einen  grösseren  unterirdischen  Flächenraum  vertheilten, 
unausbleibHch  umfangreiche  Bodensenkungen  zur  Folge 
haben,  sofern  es  nicht  gelang,  den  die  ausgespülten 
Räume  erfüllenden  Wassermengen  den  Ausweg  zu  ver- 
schliessen,  durch  welchen  sie  sonst  unter  der  gewaltigen 
Last  der  darüber  gelagerten,  meist  aus  lockeren  Massen 
bestehenden  Gebirgsschichten  alimählich  nach  der  Tages- 
oberfläche hin  verdrängt  werden  mussten.  Es  kam 
also  nach  Ansicht  des  Verfassers  vor  Allem  darauf  an, 
den  diesen  Ausweg  bildenden  ]5runnenschlund  sobald  als 
möglich  zu  verstopfen.  Zur  Erreichung  dieses  Zwecks 
erschien  es  am  natürlichsten,  die  Wasser  der  artesischen 
Quelle  auf  irgend  eine  Weise  zu  umfassen  und  sie  soweit 
über  die  Tagesoberfläcbe  hinaufzutühren,  dass  sie  durch 
ihr  Eigengewicht  dem  aus  der  Tiefe  wirkenden  natür- 
lichen Auftriebe  das  Gleichgewicht  zu  halten  vermochten. 
War  die  Quelle  dadurch  zum  Stillstand  gebracht,  so 
würde  eine  Stopfung  keine  besonderen  Schwierigkeiten 
mehr  darbieten  können. 

Der  nicht  fern  liegende  Gedanke,  die  Quellwasser 
mittelst  eines  neuen  Bohrloches  zu  fassen  und  nach  oben 
zu  leiten,  wurde  gleichfalls  erwogen,  aber  nicht  als  em- 
pfehlenswerth  erachtet,  weil  bei  den  zweifellos  bedeutenden 
Veränderungen,  welche  die  ursj)rüngliche  Bohrlochs- 
wandung in  dem  lockeren  Erdreiche  durch  die  empor- 
strümeuden  Druckwasser  inzwischen  erlitten  haben  musste, 
sieh  nicht  mehr  feststellen  hess,  welcher  Durchmesser 
einer  Bohrröhre  zu  geben  sein  würde,  wenn  sie  den 
wild 
fassen  sollte. 

Dagegen  wurde  in  dem  von  einem  höheren  Bau- 
beamten aus  Bromberg  angerathenen  Abteufen  eines  etwa 
3  m  weiten  runden  Senkbrunnens  ein  Mittel  erblickt,  das 
diesen  Zweck  mit  Sicherheit  erreichen  lassen  würde.  Die 
vom  Verfasser  befürwortete  Ausführung  desselben  wurde 


aufsteigenden  Schlammstrom  sieher  und  ganz    um- 


12  m    unter  Tage    hinabreichte    und  aus  fettem, 

Beendigung- 


undurchlässigem  Thon    bestand 


dieser    grundlegenden  Arbeit 


einem  mit  ähnlichen  Arbeiten  vertrauten  und  zuverlässigen 
dortigen  Maurermeister  übertragen  und  sofort  in  Angriff 
genommen.  Der  Senkbrunnen  sollte  unter  Ausbaggerung 
der  inneren  Erdmassen  bis  in  die  nächste  feste  Thon- 
schicht  niedergebracht  werden,  die  nach  Angabe  des 
ersten  Brunnenmeisters    bei  9  m  Tiefe  begann,    bis  etwa 

wasser- 
War  nach 
ein  Abschluss  der  oberen 
wasserdurchlassenden  Schichten  erzielt,  so  sollte  die 
Mauerung  des  Senkschachtes  über  Tage  bis  zu  der  für 
die  Zurückstauung  der  Quelle  erforderlichen  Höhe  (etwa 
4  bis  6  m)  hinaufgeführt  und  alsdann  die  Verstopfung 
vorgenommen  werden.  Für  die  letztere  war  eine  Aus- 
füllung des  ausgebaggerten  Schachtinnern  mit  einer  im 
Wasser  schnell  erhärtenden  Betonmasse  oder  mit  Thon  in 
Säcken  unter  Belastung  derselben  in  Aussicht  genommen. 

Nachdem  vorerst  die  zur  Verschliessung  der  Bohr- 
lochsmündung hinaufgeworfenen  Steine,  Granitplatten  und 
Sandsäcke  u.  s.  w.  entfernt  worden  waren,  wurde  der 
Senkschacht  um  den  alten  Strassenbrunnen  herum  mit 
3,76  ni  äusserem  und  2,74  m  innerem  Durchmesser  in  der 
üblichen,  bewährten  Weise  aufgeführt.  Seinen  untersten 
Theil,  den  zum  Tragen  der  Mauer  und  zum  Eindringen 
in  das  Gebirge  dienenden  Rost,  stellte  man  aus  mehreren  mit 
der  nöthigen  keilförmigen  Zuschärfung  versehenen  Bohlen- 
kränzen und  einem  daran  befestigten  schneidenden  Schuh 
aus  starkem  Eisenblech  her.  Auf  dieser  Unterlage  wurde 
die  zwei  Stein  starke  Senkmauer,  mit  angemessener  Verjün- 
gung nach  oben  und  unter  Einmauerung  von  acht  senk- 
rechten, unten  am  Rost  festgeschraubten  und  durch  den- 
selben hindurch  gehenden  eisernen  Ankerstangen  empor- 
geführt.  An  den  letzteren  und  den  später  auf  sie  aufzu- 
schraubenden Verlängerungsstangen  sollte  der  Senkschacht 
<auf  einem  über  der  Arbeitsstelle  zu  errichtenden  Balken- 
gerüst mittelst  ])assender  Schraubenmuttern  aufgehängt 
werden,  um  ihn  vor  plötzlichem  Einsinken  und  Kippen  zu  be- 
wahren und  ein  gleiehmässigcs,  lothrechtes  Niedergehen  zu 
ermöglichen.  Zur  thunlichsten  Verminderung  der  Reibung 
beim  Sinken  wurde  der  Senkschacht  aussen  mit  einer  fass- 
förmigen  Umkleiduug  von  5  cm  starken  glatt  gehobelten 
Bohlen  versehen,  die  durch  starke  eiserne  Reifen  zu- 
sammengehalten, zugleich  dem  von  innen  wirkenden  Drucke 
der  später  aufzustauenden  Wassersäule  Widerstand  leisten 
soUten. 

Sobald  der  Senkljrunnen  etwa  2  m  hoch  über  die 
Strassenkrone  aufgemauert  war,  nahm  das  eigentliche 
Senken,  das  Ausbaggern  unter  gleichzeitiger  Belastung 
der  Mauerkrone  mittelst  aufgelegter  Eisenbahnschienen, 
seinen  Anfang.  Verf.  war  inzwischen  wieder  abgereist. 
Als  er  am  2.  Juni  auf  Ersuchen  des  Schneidemühler 
Magistrats  abermals  daselbst  erschien,  hatte  man  den 
Senkschacht  während  der  seit  Beginn  des  Baggerns  ver- 
flossenen 5  Tage  nicht  mehr  als  etwa  1"4  m  tief  nieder- 
gebracht. Au  der  Langsamkeit  des  Eindringens  waren 
verschiedene  Umstände  schuld:  die  ungünstige  ßeschaften- 
heit  der  obersten,  hauptsächlich  aus  aufgefülltem  Bau- 
schutt bestehenden  Bodenschicht,  das  Vorhandensein  von 
Steinen,  die  noch  vom  ersten,  misslungenen  Verstopfungs- 
versuch zurückgeblieben  waren,  ferner  der  beständige  Ab- 
satz von  Schlick  aus  dem  artesischen  Sehlammwasser, 
das  mit  unverminderter  Kraft  emporquoll,  sodann  aber 
auch  zu  schwache  Belastung  der  Senkmauer  und  zu 
wenig  flotter  Betrieb  der  Baggerarbeiten.  Inzwischen  war 
der  Brunnenmacher  Beyer  ans  Berlin  in  Schueidemühl 
eingetroffen  und  hatte  dem  Magistrat  ein  Angebot  dahin 
gestellt,  dass  er  sich  gegen  eine  bestimmte  Entschädigung 
verpflichte,  binnen  acht  Tagen  den  artesischen  Schlamm- 
strom    mit  Bohrröhren    zu    fassen    und    reines  Wasser  zu 


Nr.  33. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


343 


Ta^e  zu  schaflfen.  Er  erklärte,  derartige  Arbeiten  in 
ebenso  schwierigen  Fällen  wiederholt  nnt  völligem  Erfolge 
ausgeführt  zu  haben.  Sollte  Jedoch  sein  Verfahren  niciit 
zum  Ziele  führen,  so  verzichte  er  auf  jegliche  P^ntschädi- 
gung.  üni  bezüglicli  dieses  Angebots,  sowie  der  von 
anderen  Seiten  gemachten  Vorschläge  und  überhaupt 
aller  zur  thunlichsten  Einschränkung  des  Unglücks  erfor- 
derlichen Maassnahmcn  zu  einem  Entschlusse^zu  gelangen, 
hielt  der  Magistrat  am  3.  Juni  eine  Berathung  mit  Sach- 
verständigen ab,  bei  welcher  zunächst  Herr  Landes-Hau- 
inspector  Chudzinski  aus  Schneidcnnihl  statt  der  Fort- 
setzung des  Senkschachtes  die  Fassung  des  verwilderten 
Bohrsclduudes  durch  eiserne  Rohre,  die  Zurückhaltung 
des  Schlannnes  im  Untergrunde  mittelst  einer  geeigneten 
Filtervorrichtung  und  die  scidiessliche  Verstopfung  der 
Quelle  empfahl,  welch'  letztere  Arbeit  zweckmässig  unter 
vorherigem  Hochführen  der  Verrohrung  als  Standrohr  in 
ähnlicher  Weise  vorzunehmen  wäre,  wie  dies  für  den 
Senkschacht  geplant  war.  Herr  Brunnenmacher  Beyer 
wiederholte  hierauf  sein  obenbezeichnetes  Anerbieten,  mit 
dem  Hinzufügen,  dass  er,  falls  es  verlangt  werden  sollte, 
auch  die  Verschliessung  der  Quelle  üljcrnehmen  würde. 
Was  das  von  ihm  in  Aussicht  genonnnenc  Verfahren 
betraf,  so  vermochte  der  im  Auftrage  des  Handels- 
ministeriums erschienene  Oberleitcr  der  fiskalischen  Tief- 
bohrungen, Herr  Bergrath  Köbrich  aus  Schönebeck  in 
Uebereinstinimung  mit  dem  ebenfalls  anwesenden  Verf. 
zwar  nicht  die  Ueberzeugung  zu  gewinnen,  dass  auf 
diesem  Wege  eine  sichere  und  dauernde  Fassung  und 
Verstopfung  der  Quelle  gelingen  würde;  dennoch  erklärten 
sich  Beide  im  Interesse  der  Sache  ausdrücklich  damit 
einverstanden,  dass  auf  das  durchaus  annehmbare  Ange- 
bot des  Herrn  Beyer,  der  überdies  als  ein  erfahrener 
Brunnentechniker  bekannt  war ,  eingegangen  werde. 
Glückte  der  Versuch  in  der  kurzen  zugesagten  Frist  von 
acht  Tagen,  so  war  die  schwierige  Aufgabe  jedenfalls 
auf  die  schnellste  und  billigste  Weise  gelöst.  Entgegen- 
gesetzten Falles  blieb  inuuer  noch  die  Fortsetzung  des 
Senkschachtes  übrig,  welcher  von  den  letztgenannten  Sach- 
verständigen nach  wie  vor  als  das  zuverlässigste,  wenn 
auch  langsamere  und  kostspieligere  Mittel  empfohlen 
wurde.  Der  Magistrat  nahm  hierauf  das  Beyer'sche  An- 
erbieten au  und  beauftragte   denselben,   die  Verrohrungs- 


arbeiten so  schleunig  als  möglich  in  Angriff  zu  nehmen, 
baldigst  alter  auch  einem  weiteren  Rathc  der  Sachver- 
ständigen entsprechend,  in  nächster  Nälie  des  Senk- 
schachtes ein  enges  Untcrsncliuniisbohrlocii  etwa  IT) — 20  m 
tief  niederzubringen,  dannt  über  die  Lage,  Mächtigkeit 
und  Beschaffenlieit  der  obersten  Thonschicht  völlige  Ge- 
wissheit  erbracht  werde.  Mit  Ueberwachung  der  Arbeiten 
wurde  ein  aus  den  Herren  Eisenbalni-Bau-  und  Bctriebs- 
inspector  Weise,  Stadtrath  Radeniaclier  und  Landcs-Bau- 
insi)cetor  Chudzinski  gel)ildeter  Ausschuss    betraut. 

Die  Zeit,  welche  bis  zur  Heranschaflung  der  Bohr- 
gerüste und  -Geräthseliaftcu  vcrstricii,  wurde  zur  weiteren 
Ausbaggerung  des  Schaehtinnern  ausgenützt,  zumal  Herr 
Beyer  erklärte,  dass  ihm  ein  Niedergehen  des  Senk- 
brunnens bis  auf  etwa  2  m  Tiefe  für  die  Verrohrung  des 
alten  Bohrlochs  nur  erwünscht  sei. 

Am  7.  .liini  begann  dann  Herr  Beyer  sein  Werk.  Es 
ist  bekannt,  dass  es  ihm  nach  14tägiger  harter  Arbeit 
thatsächlich  gelungen  ist,  die  sich  in  unerwarteter  Weise 
darbietenden  Schwierigkeiten  zu  überwinden,  den  unheil- 
vollen Schlannnqucil  in  einem  nahe  dem  alten  Bohrschlund 
45  ni  tief  niedergebraeidcn  und  verröhrten  neuen  Bohr- 
loch vollständig  in  seine  Gewalt  zu  bekommen  und 
ihn  am  21.  Juni  in  Gegenwart  der  Herren  (»berberghaupt- 
mann  Freund,  Geheimen  Baurath  Kunnner  und  Bergrath 
Köbrich  durch  Aufschraulten  einer  Dichtungsplatte  auf 
das  oberste,  aus  dem  Bohrloch  heransragendc  Rohr  zu 
verschliessen,  so  dass  kein  Wasser  mehr  aus  oder  neben 
demselben  hervordrang,  ein  Erfolg,  dessen  Zustande- 
kommen anerkanntermaassen  durch  das  V(u-handensein 
des  Senkschachtes  wesentlich  unterstützt  worden  ist. 

Ueber  die  Ausführung  der  Beyer'schen  Arbeiten,  die 
während  derselben  zu  Tage  getretenen  Erscheinungen  wird 
Verf.  später  in  dieser  Wochenschrift  Näheres  bericliten 
und  auch  einige  Illustrationen  bringen.  Es  mag  hier  nur 
noch  soviel  bemerkt  werden,  dass  die  anfänglich  erzielte 
gänzliche  Fassung  der  Quelle  nicht  von  Dauer  geblieben 
ist,  indem  seit  einigen  Wochen  neben  den  Röhren  des 
neuen  Bohrlochs  Wasser  hervorsickert.  Herr  Beyer  soll 
nun  beabsichtigen,  das  Bohrloch  einstweilen  in  seinem 
gegeuwärtigen  Zustande  zu  belassen,  hu  September  d.  J. 
aber  die  endgiltigc  Vei-stopfung  im  Innern  desseUten  Itei 
45  m  Tiefe  mit  Bleiringen  und  Betonfüllung  vorzunehmen. 


Eine  Psilotacee  des  Rothliegenden. 


Von  H.  Potouie. 


In  einer  kürzlich  erschienenen  sorgfältigen  Arbeit  des 
Pflauzenpalaeontologen  Dr.  T.  Sterzel  (Die  Flora  des 
Rothliegenden  im  Planenschen  Grunde  bei  Dresden.  Abth. 
d.  math.-phys.  Gl.  d.  K.  sächs.  (iesellsch.  d.  Wiss.  19.  Bd. 
Leipzig  1893)  wird  ein  fossiler  Rest,  nämlich  Gomphostrobus 
bifidus  (E.  Gein.)  Zeiller  et  Pot.  zu  den  Coniferen  gestellt, 
der  meines  Erachtens  weit  besser  bei  den  Psilotaceen 
untergebracht  wird.  (Vcrgl.  meine  Notizen  in  den  Ber. 
d.  Deutseh.  bot.  Gescllsch.  1891  S.  256  und  Zeitschr.  d. 
Deutsch,  geol.  Gesellsch.  Berlin  1891  S.  979.)  Die  Unter- 
bringung Sterzel's  veranlasst  nnch,  hier  meine  Ansicht  über 
die  Stellung  des  Restes  eingehender  vorzubringen,  da  das 
Werk,  in  welchem  ich  das  gethan  habe  (Die  Flora  des 
Rothliegenden  von  Thüringen.  Herausg.  v.  d.  K.  Preuss. 
geol.  Landesanstalt.  Berlin  1893,  S.  197  ff.),  zwar  seit 
Januar  fertig  gedruckt  vorliegt,  jedoch  —  da  noch  der 
von  dem  Kgl.  Landesgeologen  Herrn  Dr.  Fr.  Beyschlag 
abzufassende    Theil  I    des    Gesammtwerkes    „Ueber    das 


Rothliegende  des  Thüringer  Waldes"  aussteht  —  der  Oeffent- 
lichkeit  noch  nicht  übergeben  worden  ist. 

Vorerst  nnichte  icli  bemerken,  dass  die  fossilen  Reste, 
welche  bisher  von  manchen  Autoren  für  l'silotaceen  gehalten 
worden  sind,  so  wenig  Daten  für  eine  Zurechnung  zu  dieser 
Familie  liefern,  dass  die  systematische  Zugehörigkeit  der- 
selben (auch  nach  Solms-Laubach  „Einl.in  die  Paiaeo- 
phytologie"  1887  S.  194  ff.  und  Schenk  „Die  fossilen 
Pflanzcnreste"  1888  S.59)  in  Wahrheit  liöchst  problematisch 
ist,  da  dieselben  gar  zu  wenig  zeigen. 

Die  beiden  einzigen  nocii  heute  und  zwar  in  den 
Tropen  Icljenden  (iattungen  der  Psilotaceen,  die  monotype 
Gattung  Tniesipteris  und  die  aus  nur  drei  Arten  bestehende 
Gattung  Psilotum,  machen  freilich  ganz  durch  ihre  geringe 
Artenzahl  und  iin-en  Bau  den  Eindruck  von  aussterbenden 
Pflanzen,  die  eher  einem  Typus  der  Vorwclt  angeliören. 
Es  ist  daiier  begreiflich,  dass  die  l'flanzen|)aiaeontologeu 
nach  Resten,  die  dazu  gehören  könnten,  gefalindet  haben. 


344 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  3c 


Schon  Brongniart  hat  in  seiner  „Histoire  des  vegetaux 
fossiles"  (Paris  Bd.  II  18B7)  die  Psilotaceen  als  lobendes 
Vergleichsmaterial  für  die  fossilen  Reste  beschrieben  und 
gut  abgebildet,  und  C.  Eg.  Bertrand  sagt  gar  ganz  positiv*): 
„Ce  sont  les  derniers  survivants  de  familles  vegetales  qui 
avaient  atteint  l'apagee  de  leur  developpenicnt  bien  avant 
la  fin  de  la  periode  houilliere.  Ces  faniillos  vegetales 
dont  les  genres  furent  puissants  et  nombrenx  au  tenijjs 
jadis,  se  sont  eteintes  peu-ä-]ieu.  Aujourd'hui,  alles  sont 
mono-  QU  bi-generiques.  Bientot  elles 
auront  disparu  ä  tont  janiais  de  la 
surface  de  notrc  planete.  En  attendant 
leur  exstinction  coniplete,  leurs  derniers 
representants  se  sont  presquc  tous  re- 
fugies  vers  les  regions  chaudcs  du 
globe  terrestre."  Auch  H.  zu  Solnis- 
Laubach  möchte  ich  hier  nicht  zu  er- 
wähnen unterlassen,  dessen  Arbeit  über 
Psilotuni  triquetrum**)  nach  seiner  An- 
gabe erst  den  Anstoss  aus  seiner  Be- 
schäftigung mit  der  Palaeophytologie 
erhalten  hat. 

Vor  allem  erinnere  ich  an  die 
Wnrzellosigkeit  der  mit  den  Lycopo- 
diaceen  verwandten  Familie  der  Psilo- 
taceen,  wie  wir  sie  ja  auch  bei  den 
palaeozoischen  Lepidophyten  mit  ihren 
den  Rhizouien  zuzuzählenden  Stignia- 
rien  wiederfinden.  Auch  bei  den  Psilo- 
taceen  sind  die  unterirdischen  Organe 
gegal)elte  Rhizome.***)  Die  oberir- 
dischen Sprosse  der  Psilotaceen  sind 
schwach  und  mit  kleineu,  einfachen, 
einnervigen  Laubblättern  besetzt.  Die 
blühenden  S]irosse  tragen  an  ihrem 
Gipfel  an  Stelle  der  Laubblätter  einmal 
gegabelte  Sporophylle,  die  auf  ihrer 
Oberseite,  etwas  vom  Stengel  abgerückt, 
je  ein  2-  oder  3-  (zuweilen  auch  4-  oder 
5fächriges)  Sporangiuni  tragen.  Zwi- 
schen den  beiden  Blattarten,  also  den 
Laubl)lättern  und  den  Sporophyllen, 
können  bei  Psilotuin  und  Tmesipteris 
Mittelformen  auftreten. 

Abgesehen  von  dem  untergeord- 
neten Unterschiede,  dass  die  Sporan- 
gien  von  Goniphostrobus  bifidus  — 
vergl.  unsere  Figur  2  —  an  der  Basis 
der  Sporophylle  sitzen  und  wie  bei 
den  Lycopodiaceen  einfächrig  zu  sein 
scheinen,  herrscht  in  dem  Aufbau  der 
allein  bekannten  oberirdischen  Sprosse 


voUkonnnenc  Ucbereinstimmung  mit  den 


Psilotaceen:    die  Lauljblätter  sind  ein- 
fach,   fast    nadeiförmig,    von    der   (Te- 
stalt   derjenigen     unserer    einheimischen    Lycopodiaceen, 
und    am    Gipfel    tragen    diese  Sprosse    einmal -gegabelte 
Sporophylle.  —  Fig.  1. 

Nur  insofern  besteht  also  —  wiederhole  ich  —  soweit 
cruirbar  ein  Unterschied  zwischen  dem  Sporopliyll  von 
Psilotaceen  und  dem  von  G()m]diostr()bus,  als  die  Sori  resp. 
gefächerten    Sporangien    der  Psilotaceen   in    dem  Gabel- 


Gomphostrobus  bifidus  (E.  Ci.)  ZeiUer  et  Hot.  — 
1.  Spni^js^tü^k  mit  cntstäiuiiger  Bliithe  nach 
Marion  in  }.  —  2.  Kin  Spoiophyll  von  innen 
gesehen  in  }■  n  =  Mittehierv,  a  =  Karljc  der 
Ansatzstelle  au  die  Stengelaxe,  c  =  Ansatzstelle 
des  Sporangiunis,  h  =  Epidermaler  Fetzen  der 
Stengelaxe 


*)  Recherehes  sur  les  Tmesipteridees  (Arch.  hotanique  du 
iioid  de  la  France.  No.  17.  3.  Jahrgang.  August).  Paris  1882. 
**)  Der  Aufbau  des  Stockes  von  Psilotura  triquetrum  und 
dessen  Entwickeking  aus  der  Brutknospo.  (S.  139  — 194  und  Tat'. 
18 — 23  der  von  Trcub  herausgegebenen  „Anuales  du  jardin  bota- 
niqne  de  Buitenzori;.''     Vol.  I\'.)     Leiden   1884. 

***)  Vergl.  „Näturw.  Wochcuschr."  Bd,  VII  S.  337  ff. 


winke!  der  Sporophylle  sitzen,  während  sicii  bei  Goni- 
phostrobus das  Sporangium  —  ob  nur  einfächrig,  oder  wie 
man  ferner  sagen  kann,  als  inonangischer  Sorus  entwickelt, 
bleibt  zweifelhaft  —  an  der  AbgangsstcUe  des  Sporophylls 
ganz  basal  vorfindet  und  die  Gabelung  erst  sehr  viel  weiter 
oben  erfolgt.  Angenommen  Gomphostrobus  sei  in  der 
That  ein  Vorfahre  der  Psilotaceen,  so  wäre  der  Gabel- 
winkel der  S})orophylle  erst  im  Verlauf  der  Zeiten  immer 
tiefer  herabgerückt,  bis  er  bei  den  heutigen  Arten  die  Spo- 
rangien selbst  erreicht  hat,  und  ferner 
sind  die  Sporangien,  die  sich  an  jedem 
Sporopliyll  um  einige  vermehrt  resp. 
gefächert  haben,  durch  Entwickelung 
eines  Blattstieles  um  die  Länge  des- 
selben von  dem  Sporophyllträger,  der 
Stengelaxe,  abgerückt:  dies  der  ganze 
eruirbare  Unterschied,  der  auch  den 
spalfungssüchtigsten  botanischen  Syste- 
matiker lebender  Pflanzen  kaum  ver- 
anlassen würde,  eine  Trennung  durch 
Stellung  der  Arten  in  ganz  verschie- 
dene Gruppen  höherer  Ordnung  vorzu- 
nehmen. Ich  erwähne  hierbei,  dass 
ja  auch  die  Stellung  der  Sporophylle 
am  Gipfel  der  Sprosse  in  ähren-  oder 
za]ifent'(irmigen  Blüthen  und  ferner  die 
Form  und  Stellung  der  Lanbblätter 
bei  Goniphostrobus  bifidus  durchaus 
beides  lyeojiodineenmässig  ist.  Man 
kann  also  diese  Art  auf  Grund  der 
bisherigen  Kenntnisse,  die  vnx  von  ihr 
haben,  eigentlich  nur  als  eine  Psilo- 
tacee  ansehen. 

Die  angeführte  Vermuthung  der 
phylogenetischen  Entwickelung  des 
Psilotaceen  -  Siiorophylls  hat  die  An- 
nahme, dass  Gomphostrobus  in  der 
That  zu  den  Psilotaceen  gehört,  zur 
Voraussetzung  und  stützt  sich  auf  den 
Bau  unseres  Fossils. 

Ich  meine  also,  dass  Gomphostro- 
bus auf  Grund  unserer  bisherigen 
Kenntnisse  über  diese  Gattung  vor- 
läufig als  eine  palaeozoisehe  Psilo- 
taceen-Gattuiig  angesehen  werden  kann 
oder  muss,  dass  wir  nicht  genug 
wissen,  um  sie  sicher  den  C'oniferen 
einreihen  zu  dürfen.  Die  die  heutigen 
Psilotaceen  wesentlich  übertrefl'enden 
Grössenverhältnisse  der  Organe  von 
Gom]ihostrobus  stehen  im  Einklang 
mit  der  Thatsache,  dass  die  palae- 
zoischen  Lycopodineen  (vor  allem  Le- 
pidodendron  und  Sigillaria)  überhaupt 
im  allgemeinen  sehr  viel  grössere  Di- 
mensionen aufweisen,  als  ihre  heutigen  Nachkommen. 
p]ine  zweifellose  systematische  Unterbringung  von  Gom- 
phostrobus ist  aber  eben  noch  unmöglich;  vielleicht  ge- 
hört die  Gattung  in  der  That  —  wie  Marion,  der  die 
Gattung  Gomphostrobus  begründet  hat.  will  —  zu  den 
Coniferen,  speeiell  den  Salisburieen,  wofür  sich  ebenfalls 
Gründe  beiiiringen  lassen,  alier  sie  kann  drittens,  bei 
der  Verwandtschaft  der  Lycopodineen  mit  den  Coniferen, 
auch  einen  Mischtypus  zwischen  beiden  Abtheilungen 
vorstellen. 

Für  die  Unterbringung  bei  den  Coniferen  lässt  sich 
geltend  machen,  dass  hier  die  Eichen  (Sporangien)  eben- 
falls blatfbiirtig  sind  und  zuweilen  in  der  Eiiizalil  am 
Grunde   der   Fruchtblätter  vorkommen,    dass    die  Blätter, 


Nr.  33. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


34.Ö 


speciell  bei  dem  Typus  der  Oattung;  Ginkgo,  eine  dicho- 
tonie  Ansliihluni;-  erfaln'cn,  dass  die  Laubblätter  vou  Goni- 
phdstnilius  den  Charakter  von  Coniferen-Nadehi  haben 
u.  s.  w.;  aber  es  g'iebt  keine  lebende  Coniferen- Gattung, 
mit  der  sieii  direct  in  den  Einzelheiten  des  Aufbaues 
Gomphostrobus  in  gleicher  Weise  vergleichen  Hesse,  wie 
mit  dem  der  Psilotaeeen,  und  auch  der  breite  Mittelnerv 
der  Gomphostrobus  -  Sporophylle  spricht  mehr  für  diese 
letztere  Familie  als  für  die  Salisburieen. 

Gomphostr(d)us-Reste  sind  bisher  nur  im  Rothliegendeu 
gefunden  worden,  meist  linden  sieh  einzelne  Sporophylle. 


Laubblattspross- Stücke  sind  kaum  von  solchen  von  der 
rdtbliegenden  Conifere  Walchia,  namentlich  von  der 
W.  filieiformis,  zu  luilerscheiden.  Erst  Herr  Marion  hat  den 
Zusaumienhang  der  Sprosse  mit  den  Spordpliyllen  bekannt 
gegeben*),  aber  noch  nicht  zur  Aliliildung  gebracht.  Ich 
bin  ihm  daher  zu  Dank  verpflichtet,  dass  er  mir  eine 
unedirte  Tafel  mit  2  blühenden  Sprossen  zur  Reproduction 
der  Abbildung  Figur  2  zur  Verfügung  gestellt  hat. 

*)  .Siu-  Ic  Goiniiliostrobus  (Extrait  Jes  Comptes  reiiflus 
il.  iiiiiinces  di^  rAcad.  A.  Sc.  t.  CX,  seancc  du  28.  Avril  1890.) 
Paris  1890. 


Die  bacteriologische  ('holeradiasnose  und  ihre 
Anteinduiis?  betitelt  der  Stabsarzt  Dr.  H.  Jäger  einen 
gegen  Lieijreieh's  in  No.  31  der  „Naturw.  Wochenschr.'" 
mitgetheilte  Aeusserungcn  gerichteten  Artikel  in  der 
„Deutschen  Medicinischen  Wochenschrift."  Der  Vortrag 
Ijiebreich's  —  sagt  J.  —  kann  in  seinem  ganzen  Inhalt 
nicht  anders  bezeichnet  werden,  denn  als  eine  Provoeation 
gegen  die  ganze  im  letzten  Jahrzehnt  von  Koch  und  seiner 
Schule  ausgebildete  Lehre  von  der  Aetiologie  der  In- 
fectiouskrankheiten. 

Wenn  ich  einen  Speer  in  diesen  Krieg  trage,  so  ge- 
schieht das  deshalb,  weil  ich  es  für  dringend  geboten 
halte,  dass  so  perverse  Doctrinen,  wie  sie  Liebreich  über 
die  .Vetioldgie  der  Infectiduskrankheiten  und  über  den 
Werth  der  bacteriologisehen  Diagnostik  ausspricht,  so 
liald  wie  milglich  rcctiticirt  werden. 

Ich  halte  das  ganz  besonders  für  geboten  in  einer 
Zeit  wie  die  jetzige,  wo  die  Cholera  vor  der  Thür  steht, 
und  wo  uns  endlich  das  langersehnte  Ileichsseuchengesetz 
in  hotfentlich  nicht  zu  ferner  Aussicht  steht.  In  einer 
solchen  Zeit  sollten  nicht  die  Auschauungen  der  Aerzte 
durch  Vorführung  von  Schattenbildern  eines  Schein- 
kam])fes  über  längst  abgeklärte  Thatsachen  immer  wieder 
wankend  gemacht  werden. 

Will  L.  beweisen,  dass  die  Cholerabacterien  nicht 
zu  diagnosticireii  seien,  weil  sie  in  ihren  biologischen 
Eigenschaften  zu  variabel  oder  zu  wenig  eharakterisirt 
seien,  so  etwa,  wie  mau  das  vielleicht  bezuglich  der 
Typhusbacillen,  wenn  es  sich  um  deren  Nachweis  im 
Wasser  handelt  behaupten  kann?  Nein!  Denn  er  spricht 
von  Cholerabacillen,  welche  er  selbst  aus  dem  Darm  ge- 
züchtet hat.  Diese  haben  also,  wie  es  scheint,  doch  so 
ausreichende  Artmerkmale  besessen,  dass  sogar  Liebreich, 
welcher  sich  darin  so  sehr  anspruchsvoll  erweist,  die- 
selben als  solche  erkainit  hat.  Aber  in  seinen  Aus- 
führungen, betreft'end  die  neuestens  von  R.  Koch  auf- 
gestellten sechs  diagnostischen  Merkmale,  konunt  er  zu 
dem  Resultate,  dass  keines  derselben  etwas  taugt,  denn 
vielleicht  konnnt  der  Fall  vor,  dass  eines  der  Merkmale 
oder  auch  zwei  derselben  fehlen.  Dann  müssen  wir  uns 
bloss  wiederholt  wundern,  wenn  es  dem  Antor  doch  ge- 
glückt ist,  Cholerabacillen  aus  dem  Darm  zu  züchten. 
Nehmen  wir  aber,  um  näher  auf  die  Einwände  ein- 
zugehen, einmal  an:  man  findet  bei  der  mikroskopischen 
Untersuchung  des  Darminhaltes  eines  verdächtigen  Kranken 
gekrümmte  ßacillen  oder  man  findet  eben  solche  in  dem 
Häutehen,  welches  sich  auf  der  Oberfläche  einer  nach 
Schottelius  behandelten  verdächtigen  Wasserprobe  ge- 
bildet hat,  so  haben  wir  bekanntlich  als  nächstes  und 
ältestes  Verfahren  die  Aussaat  dieses  Materials  auf  der 
Gelatineplatte.  Dass  diese  „nicht  die  Peptoncultur  an 
Feinheit  übertrifft",  sagt  doch  nicht,  dass  sie  unzuverlässig 
sei!  Ferner:  „geringe  Unterschiede  in  der  Zusammen- 
setzung der  Gelatineplatte  liefern  ein  abweichendes  Aus- 
sehen".    Das  weiss  aber  jeder  Bacteriologe,   dass  er  zu 


Cholerazeiteu  eiue  Gelatine  vorräthig  halten  muss,  von 
welcher  er  weiss,  dass  Cholerabacillen  kräftig  darauf 
wachsen.  Frisch  aus  dem  Darm  oder  Wasser  gezüchtete 
Cholerabacillen  wachsen  auf  einer  solchen  auch  typiseli ; 
das  haben  die  Erfahrungen  des  vorigen  Herbstes  genug- 
sam erwiesen,  und  um  das  Auffinden  von  im  Laboratorium 
lange  fortgezüchteten  Culturen  handelt  es  sieh  ja  über- 
haupt nicht. 

Dass  überhaupt  seit  Koch's  Entdeckung,  also  seit 
zehn  Jahren,  das  Hauptgewicht  auf  das  charakteristische 
Aussehen  der  Colonieen  auf  der  bei  20 — 22°  C  gehaltenen 
Gelatineplatte  gelegt  worden  ist  und  noch  gelegt  wird, 
davon  si)richt  Liebreich  kein  Wort;  im  Gegentheil,  er 
berichtet  von  den  Untersuchungen  Bujwid's  über  zwei 
eholeraähnlich  wachsende  Bacterienarten:  „Sie  zeigen  im 
Verhalten  gegen  Gelatine  und  .Vgar  nur  graduelle  Unter- 
schiede", und  doch  schreibt  Bujwid  wörtlich:  „bei  höherer 
Temperatur"  (als  10 — 12°  R)  kann  man  aber  sofort  einen 
bedeutenden  Unterschied  bemerken."  —  „Pepton-  und 
Gelatineeultur  müssen  sieh  gegenseitig  ergänzen,"  wie 
ausdrücklich  von  C.  Günther  in  seinem  Referat  über  die 
Koch'sche  Veröffentlichung  hervorgehoben  wird. 

Dass  die  Agarplattencultur  nur  zur  Beschleunigung 
der  Diagnose  eingeführt  wurde  und  keineswegs  zur 
weiteren  Sicherstellung  derselben,  scheint  sich  Liebreich 
nicht  klar  gemacht  zu  haben.  —  Bleil)t  uns  die  Häutchen- 
bildung auf  dem  Pepton  aus,  uiul  sollte  gar  auch  die 
Indolreaction  ausbleiben,  so  können  wir  eben  nicht  so 
rasch  die  Diagnose  beenden,  sondern  müssen  die  Eut- 
'  Wickelung  der  Gelatineplatte  abwarten. 

Was    sodann    die  Indolreaction  betrifft,    so  bringt  er 

■  damit  ja  allerdings  nichts  Neues,  ja  sogar  recht  Altes : 
dass  es  sich  um  eine  Indolreaction  handelt,  ist  alt;  neu 
aber  ist,  dass  die  Indolreaction  eine  Cholerareaction  ist, 
d.  h.  dass  die  Reineultur  der  C'holeraculturen  zum  Unter- 

,  schied  von  gekrümmten  und  nicht  gekrünnnten  Fäulniss- 
,  bacterien  gleichzeitig  Indol  und  Nitrite  zu  bilden  vermag, 
und  dass  sie  so  die  Indolreaction  ohne  Zusatz  von  Nitrit 
giebt,  während  bei  der  Eiwcissfäuluiss  nur  durch  das 
Zusammenwirken  von  Nitritbildnern  und  ludolbildnern  die 
Reaction  gelingt. 

Bleibt  nun  bei  der  Cholerauntersuehung  eines  oder 
das  andere  der  genannten  Merkmale  aus,  z.  B.  bei  der 
Wasseruntersuchung  die  Bildung  des  Iläutchens,  oder 
finden  sich  auf  der  (ielatineplatte  keine  Colonieen  von 
charakteristischem  Aussehen  —  nun  dann  gelingt  eben 
hier  der  Nachweis  der  Cholerabacillen  nicht,  wie  er  ja 
bis  zur  Einführung    der  Methode    von  Heim   bei  Wasser- 

■  Untersuchungen  meist  fehlgeschlagen,  seither  aber  über- 
raschend häufig  gelungen  ist. 

Gelingt    aber  der  Nachweis  nicht,    dann    stehen    wir 
auch  an  keinem  anderen  Punkte,  als  wenn  bei  der  Unter- 
suchung des  Sputums  eines  der  Tuberculose  Verdächtigen 
:  keine    Tubcrkelbaeillen    nachgewiesen     werden.       Sollte 
l  Liebreich  aus  solchen  Befunden  auch  schlicssen,  dass  die 


346 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  3.S. 


diagnostische  Untersuchung  auf  Tuberkelbacilleu  werth- 
los  sei? 

Bezüglich  der  Bedeutung  des  Thierexperimentes 
schliesslich  legt  Liebreich  grossen  Werth  darauf,  dass  eine 
Oese  auch  etwas  mehr  oder  weniger  Cultur  aufnehmen 
könne  als  1,5  mg,  wie  R.  Pfeiffer  angicbt. 

Dieser  Einwand  scheint  in  der  That  gerechtfertigt, 
wenn  man  sich  die  Meerschweinchencholera  bei  Bauch- 
höhleninfection  als  reine  Intoxication  vorstellt;  derselbe 
scheint  mir  also  nur  gegen  die  Richtigkeit  der  Pfeiffer- 
schen Theorie  zu  sprechen,  nimmt  man  dagegen  mit 
Gruber  und  Wiener  an,  dass  das  wesentliche  die  Re- 
productionsfähigkeit  des  Infeetiousstoft'es  ist,  dann  erklärt 
sieh  sofort,  warum  in  der  experimentellen  Praxis  that- 
sächlich  auf  die  Dosirung  der  Platinöse  so  wenig  an- 
konmit:  die  Toxine  müssen  sich  erst  im  inficirten  Or- 
ganismus bilden,  und  darin  zeigt  der  Choleravibrio  seine 
pathogene  Natur  gegenüber  den  Saprophyten. 

Aus  diesem  Grunde  ist  auch  die  Grösse  der  Platinöse 
nicht  von  so  grosser  Bedeutung,  weil  die,  wenn  auch 
schwankende,  so  doch  absolut  kleine  Menge  des  In- 
fectionsstoftes  schon  Erscheinungen  auslöst,  welche  man 
mit  saprophytischen  Culturen  nur  bei  weit  grösseren 
Quantitäten  vielleicht  erreichen  könnte. 

Es  hat  sonach  Liebreich  mit  seinen  Versuchen,  die 
Methode  der  bacteriologischen  Diagnose  der  Cholera  zu 
discreditiren,  wenig  Glück  gehabt;  dem  Bacteriologen  von 
Fach  —  einer  Berufsclasse,  welcher  er  die  Existenz  ab- 
spricht —  hat  er  aber  gezeigt,  dass  er  in  der  bacterio- 
logischen Methode  über  das  Kartofielschälen  allerdings 
nocii  nicht  sehr  weit  hinaus  gediehen  ist. 

Thatsächlich  hat  die  baeteriologische  Methode  bei 
der  Diagnose  der  Cholera  im  vorigen  Jahre  überall  mit 
einer  Promptheit  functionirt,  so  dass  nirgends  eine  epi- 
demische Ausbreitung  erfolgt  ist,  in  welcher  über  das 
Vorhandensein  der  Koch'scheu  Kommabacillen  auch  nur 
eine  Unsicherheit  geherscht  hätte. 

So  viel  zur  Technik.  Aber  Liebreich  geht  noch  viel 
weiter,  ja  er  landet  an  einer  Stelle,  wo  er  gewiss  selbst 
nicht  zu  landen  erwartet  hatte,  als  er  den  Titel  zu 
seinem  Vortrage  aussann:  er  leugnet  rundweg  die  ätio- 
logische Bedeutung  der  Choleral)acilleu.  In  der  That, 
da  hat  Liebreich  viel  gewagt!  Er  bekämpft  nicht  nur 
Koch  —  das  ist  uns  ja  seit  der  Zeit  des  eantharidinsauren 
Kali  nichts  Neues  —  sondern  die  gesammten  Forscher, 
welche  sich  zur  Ermittelung  der  Aetiologie  der  Cholera- 
epideniieen  der  bacteriologischen  Methoden  bedient  haben. 
Ja  er  schmäht  sogar  den  in  anderem  Lager  stehenden 
greisen  Forseher,  welcher  mit  stolzer  Kühnheit  den  ge- 
fährlichen Tropfen  trank,  und  stellt  die  Choleraattaque 
als  „Einwirkung  der  Psyche  auf  den  Darm"  —  als 
Angstproduct  —  dar!  Ein  solcher  Zug  liegt  nicht  in  der 
individuellen  Disposition  des  Altmeisters  in  München. 


Ueber  den  iiatiirwiissenschafHiclien  Unterricht  auf 
Uliseren  höheren  Schulen  veröffentlicht  Paul  Harms 
einen  Aufsatz  in  den  Grenzboten,  dem  wir  das  Folgende 
entnehmen : 

Kant  hat  den  Materialismus  überwunden,  sagt  Albert 
Lange  in  seiner  Geschichte  der  materialistischen  Welt- 
anschauung. Das  kann  man  zugeben;  al)er  zu  glauben, 
dass  der  Materialismus  nun  auch  überwunden  sei,  wäre 
ein  grosser  Irrthum.  In  einer  einfiussreichen  Klasse  von 
Gebildeten  ist  der  Materialismus  noch  durchaus  die  herr- 
schende Weltanschauung:  in  dem  Kreise  der  akademisch 
gebildeten  Vertreter  der  Naturwissenschaft.  Einflussreich 
ist  diese  Klasse  insofern,  als  zu  ihr  die  Lehrer  der  höheren 
Schulen   gehören,    die   ihre  Ansichten   natürlich    auf   die 


Schüler  übertragen.  In  den  jugendlichen  Köpfen  pflegen 
diese  nun  zwar  nicht  zu  einer  festen  Weltanschauung  aus- 
zureifen, wohl  aber  die  ärgste  Begrift's\  erwirrung  anzu- 
richten und  ein  beispiellos  unklares  Denken  zu  züchten. 
Und  innner  noch  fordern  namentlich  die  Vertreter  der 
Technik  in  ihren  .,Resolutioneu"  zur  Schulfrage  den  Auf- 
bau der  modernen  Bildung  „auf  neuspraehlich-naturwissen- 
schaftiicher  (irrundlage."  Ob  sie  sich  wohl  darüber  klar 
sind,  wie  diese  wunderliche  Grundlage  aussehen  soUV  Am 
„ueusprachlichen"  Unterrieht  ist  von  berufenster  Seite 
Kritik  geübt  worden,  und  wie  er  in  Zukunft  betrieben 
werden  muss,  darüber  sind  wir  so  ziendich  im  reinen. 
Mit  der  gegenwärtigen  Praxis  des  naturwissenschaftlichen 
Unterrichts  dagegen  scheint  man  vidlig  zufrieden  zu 
sein,  höchstens  wünscht  man  die  Unterrichtsstunden  ver- 
mehrt zu  sehen.  Man  thut  sich  etwas  zu  gute  auf  den 
(irundsatz,  die  Mittel  zum  Unterricht  nach  Möglichkeit 
der  Anschauung  zu  entnehmen,  und  cntninnnt  dabei  die 
Gegenstände  des  Unterrichts  der  Theorie,  die  —  ofl'en 
gestanden    —    nicht   einmal   der  Lehrer  versteht. 

Die  beiden  grundlegenden  Hypothesen  der  modernen 
Naturwissenschaft  sind  die  Descendenztheorie  und  die 
Theorie  von  den  Bewegungen  der  Moleeüle.  Die  erste  hat 
ihre  Quelle  in  der  Beol)acbtung  und  kann  daher  schliesslich 
jedem  Gebildeten  verständlich  gemacht  werden,  der  Augen 
hat  zu  sehen  und  Ohren  zu  hören.  Die  zweite  hat  ihre 
Quelle  in  dem  begrifflichen  Denken  und  kann  daher  nur 
von  dem  begriffen  werden,  dessen  Denken  philosophisch 
geschult  ist.  Wo  aber  hätten  unsere  Kandidaten  des 
höheren  Lehramts  eine  pliilosoidiische  Schulung  genossen? 
Das  Insehen  Notizengelehrsamkeit,  das  sie  einst  in  dem 
mit  der  Aufschrift  „Philosophie  und  Pädagogik"  ver- 
sehenen Schubfach  ihrer  Examenausrüstung  mit  sich 
führten,  haben  sie  als  Lehrer  ja  längst  wieder  vergessen. 
Es  würde  ihnen  auch  wenig  helfen  znr  Lösung  des  Wider- 
sjiruchs,  den  sie  an  die  Spitze  ihres  Unterrichts  in  Chemie 
und  Physik  stellen.  Denn  in  der  That,  mit  einem  Wider- 
spruch fängt  die  ganze  Geschichte  an.  Die  Chemie  und 
die  mathematische  Naturwissenschaft,  beide  von  verschie- 
denen Punkten  ausgehend,  sind  bestrebt,  alle  Erschei- 
nungen der  sinnlichen  Welt  auf  Bewegungen  der  Moleeüle 
zurückzuführen.  Ihre  Systeme  —  denn  von  einem  ein- 
heitlichen System  sind  sie  noch  weit  entfernt  —  beginnen 
daher  mit  dem  Satz:  Die  Materie  besteht  aus  kleinsten 
Theilchen,  Moleeüle  genannt,  die  durch  mechanische 
Mittel  nicht  weiter  theilbar  sind.  Untheilbare  Theilchen! 
Ein  Widerspruch,  über  den  kein  unbefangenes  Denken 
hinwegkommt.  Es  ist  wahr,  dass  man  sich  schliesslich 
einredet,  man  glaube  an  die  materielle  Existenz  dieser 
untheilbaren  Theilchen.  Der  Schüler  aber  trägt  schwer 
an  diesem  Widerspruch.  Immer  wieder  sagt  ihm  sein 
noch  unverdorbnes  wissenschaftliches  Gewissen,  dass  er 
sein  stolzes  System  auf  einer  Lüge  aufbaut,  und  immer 
wieder  besticht  ihn  die  scheinbare  Konsequenz  dieses 
Systems,  das  die  physikalischen  Erscheinungen,  die  che- 
mischen Reactionen  und  —  wer  zweifelt  noch  daran!  — 
über  kurz  oder  lang  auch  die  psychischen  Vorgänge  durch 
Bewegungen  der  kleinsten  untheilbaren  Theilchen,  zur 
bessern  Verschleierung  des  Widerspruchs  Moleeüle  ge- 
nannt, zurückführt. 

Aber  —  könnte  ein  Jünger  der  Wissenschaft  ausrufen, 
der  mit  Ungeduld  bis  hierher  gelesen  hat    —  sollen  denn 


die  Moleeüle,  mit  deren  Dasein  die  gelehrtesten  Männer 
erfolgreich  gerechnet  haben,  gar  nicht  vorhanden  seinV 
Ja,  wer  bestreitet  denn,  dass  sie  vorhanden  sind!  Nur  wo 
sie  sind,  das  ist  die  Frage.  Als  ein  Grundbegriff'  der  mathe- 
matischen Naturwissenschaft  führen  sie  ein  sehr  reales 
Dasein,  aber  dass  sie  in  der  sinnlichen  Welt  vorhanden 
seien,  dass  sie  körperliche  Gebilde   im  Raum  seien,    das 


Nr.  33. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


347 


bestreitet  Verfasser  ganz  entscliieden.  Untlicilbarc  Materie 
ist  der  sinnliciien  Weit  ebenso  unliekanut,  wie  die  nneudlieh 
kleine  Grösse  der  Mathematiker,  das  Üiflcrential.  Und 
docli  recimct  die  höhere  Mathematik  sehr  erfolgreich  mit 
unendlich  kleinen  Grössen,  aber  freilich  ist  es  ihr  noch 
nicht  eingefallen,  diese  Gebilde  des  reinsten  Denkens  für 
körperiiciie  Gebilde  zu  erklären,  die  für  die  Sinne  vor- 
handen sind.  Auf  der  Prima  der  Realgymnasien  wird  in 
Physik  und  Chemie  nicht  geleint,  dass  sich  das  System 
dieser  Wissenschaften  anf  dem  Begriff  des  Molecüls  auf- 
baut, sondern  dass  sich  die  sinnliciie  Materie  aus  untheil- 
baren  Körperchen  zusammensetzt.  l)(n't  wird  niciit  gelehrt, 
welche  Art  von  Bewegung  die  rechnende  Wissenschaft 
diesen  Molccülen  beilegen  muss,  um  ein  den  sinniieli 
wahrgenommenen  Erscheinungen  entsprechendes  logisches 
System  von  Begriffen  aufstellen  zu  können;  sondern  es 
wird  die  kühne  Behauptung  aufgestellt,  dass  das,  was 
wir  als  Sehall,  Licht,  Wärme  emjjfinden,  nichts  anderes 
sei,  als  die  und  die  Bewegung  der  untheiUniren  kleinsten 
Tiieilchen  der  Materie!  Es  ist  der  alte  eirculus:  aus  den 
sinnlichen  Erscheinungen  wird  ein  Begriff  abgeleitet;  dann 
wird  auf  Grund  dieses  Begriffes  eine  mehr  oder  minder 
vollständige  Theorie  aufgestellt;  und  schliesslich  wird  die 
sinnliche  Erscheinung  einfach  mit  der  Theorie  zusammen- 
geworfen. Oder,  in  der  Sprache  des  alten  Kant  zu  reden: 
was  ein  regulatives  Prinzip  bleiben  sollte,  wird  zu  einem 
konstitutiven  erhoben. 

Wie  soll  sich  nun  die  Schule  zu  der  theoretischen 
Wissenschaft  stellen?  Soll  sie  dem  Schüler  den  Unter- 
schied zwischen  begrifflicher  und  sinnlicher  AVirklichkeit 
klai'machen":'  Dann  muss  die  Universität  den  Lehrer  vor 
allen  Dingen  in  den  Stand  setzen,  diesen  Unterschied  zu 
verstehen,  dann  muss  ihm  die  Universität  eine  gründliehe 
philosophische  Schulung  geben.  Die  Schule  kann  sich  be- 
gnügen, die  Betrachtungsweise  der  theoretischen  Wissen- 
schaft anzudeuten. 

Eine  Abhülfe  wäre  nur  dadurch  geschaffen,  dass  man 
zunächst  die  theoretische  Wissenschaft  auf  der  Schule  fallen 
liesse.  Damit  dürfte  ein  gut  Stück  wissenschaftlichen  Dün- 
kels, ein  gut  Stück  unklaren  Denkens  und  unklaren  Schwär- 
meus  (für  Bebeische  und  Bellamysche  Utopien*)  zum  Bei- 
spiel) aus  den  Köpfen  unserer  Jugend  weggefegt  werden. 
Statt  dessen  leite  man  sie  erstens  an,  die  Augen  offen  zu 
halten  und  die  Erscheinungen  um  sie  her  zu  beobachten. 
Zweitens  leite  man  die  Schüler  mehr  zu  praktischer 
Thätigkeit  an.  Der  Handfertigkeitsunterricht,  den  man  in 
den  unteren  und  mittleren  Klassen  einzuführen  bestrebt  ist, 
könnte  sich  in  praktischer  Thätigkeit  auf  dem  Gebiete  der 
wissenschaftlichen  Technik  sehr  erfolgreich  fortsetzen. 
Wie  gelehrt  wird,  das  mögen  die  Fachleute  ausmachen; 
was  gelehrt  wird,  das  ist  eine  Frage,  an  der  jeder  Ge- 
bildete Antheil  zu  nehmen  berechtigt  ist.  Gegenwärtig 
liegt  der  Schwerpunkt  des  naturwissenschaftlichen  Unter- 
richts in  der  Moleculartheorie,  denn  in  den  Oberklassen 
beschränkt  sich  der  Unterricht  auf  Physik  und  Chemie. 
Verfasser  fordert,  dass  der  Schwerpunkt  des  naturwissen- 
sehaftlicben  Unterrichts  in  die  auf  anschauliche  Beobach- 
tung gegründete  Naturwissenschaft,  in  die  Biologie  verlegt 
wird.  Chemie  und  Physik  sind  auf  den  anschaulichen 
Theil,  auf  das  praktische  Experiment  und  die  empirische 
Technik  zu  beschränken,  Zoologie  und  Botanik  auch  auf 
den  Oberklassen  weiter  zu  lehren.  Die  Zoologie  darf  dann 
natürlich  nicht  mit  dem  Affen  absehliessen,  auch  nicht 
mit  einem  dünnen  Destillat  aus  Anatomie  und  Physiologie, 
sondern  sie  muss  in  die  Anthropologie,  in  die  Völkerkunde 
auslaufen. 

Es  liegt  nicht  in  des  Verfassers  Absiebt,  einen   voll- 

*)  Vergl.  die  Besprechung  von  Belhiniy's  Buch:  „N:itm- 
wissenschal'tliche  Wochonschiift"  Bd.  V  S.  339.  —  Hed. 


ständigen  Unicrriciitsi)hin  aufzustellen,  sondern  er  will 
nur  das  ungesunde  l'rinzij)  des  l)isherigen  Unterrichts 
kennzeichnen.  Besonders  ist  die  heutige  Vertheilung  des 
Unterrichtsstoffes  geradezu  widersinnig.  Auf  den  Unter- 
klassen stopft  man  den  Schülern  den  Kopf  mit  frenulen 
Sprachformen  voll,  die  ihnen  böhmische  Dörfer  sind;  oder 
glaubt  man  etwa,  dass  ein  Sextaner  je  begreift,  wie  das 
eine  Wort  amavi  die  drei  Worte  ..ich  habe  geliebt"  richtig 
wiedergeben  kann?  Auswendig  lernt  er's,  aber  begreifen? 
Wie  kann  er's  überhaupt  begreifen,  so  lange  er  nichts  von 
historischer  Grannnatik  weiss?  In  den  Mittelklassen  lässt 
man  dann  die  Schüler  Pflanzen  zerlegen  und  Thiere  be- 
schreii)en  und  giebt  ihnen  in  der  Untersekunda  nebenbei 
eine  Ahnung  von  der  modernen  Entwickelungsichre. 
Als  Folge  ihrer  zoologischen  Studien  z.  B.  verblüffen 
sie  ihren  Papa  mit  der  fabelhaften  Behauptung,  dass 
er  geradeswegs  vom  Alfen  abstamme,  und  nennen  das 
„Darwinsche  Theorie."  Auf  den  oberen  Klassen  cntl- 
iich,  wo  mikroskopische  Arbeiten,  wo  die  Fragen  nach 
der  Entwickelung  organischen  Lebens,  nach  der  Ent- 
wickelung  des  Menschengeschlechts  die  Schüler  ganz  ge- 
waltig interessircn  würden,  setzt  man  ihnen  das  unver- 
dauliche Gericht  von  der  Moleculartheorie  vor.  Und  in 
dem  hochnothpeinlichen  Verhör,  Abiturientenexaraen  ge- 
nannt, das  die  schöne  Geistesdressur  abschliesst,  überzeugt 
sich  dann  der  Scltulrath,  dass  von  alledem  ein  befrie- 
digendes (jnantum  hängen  geblielien  ist,  und  die  Scind- 
verwaltung  kann  sich  mit  dem  erhebenden  Bewusstsein 
aufs  (Jhr  legen,  die  ihr  zur  Bildung  anvertraute  Jugend 
mit  einem  kondensirten  Extract  von  allem,  was  heute 
wisseuswerth  ist,  ausgerüstet  zu  haben.  Die  also  aus- 
gerüsteten aber  werfen  ihrerseits,  von  allem  Wissens(iualm 
entladen,  den  ganzen  Ballast  so  rasch  als  möglich  wieder 
ab  und  verlegen  sich,  ohne  sich  um  das  ideale  Ziel,  das 
ihnen  der  Director  in  seiner  Eutlassungsrede  vorgehalten 
hat,  sonderlich  zu  kümmern,  die  einen  auf  rationelles  Geld- 
verdienen im  Kaufmannsstande,  die  anderen  anf  rationelles 
(ieldverthun  auf  der  Universität. 

Solange  nicht  auf  den   höheren  Schulen   der  Schwer- 
punkt des  naturwissenschattlichen  Unterrichts  in   die  Bio- 


logie verlegt  wird 


als  Lehre  vom    organischen   Leben 


Biologie  im  weitesten  Sinne  gefasst. 


,  so  lange  ist  die 
Forderung  einer  „neusprachlich  -  naturwissenschaftlichen 
Grundlage"  für  unsere  Schulbildung  blauer  Dunst.  Wie 
kann  man  so  verschiedene  Dinge  wie  Sprachwissenschaft 
und  Naturwissenschaft  zu  einer  Grundlage  vereinigen 
wollen,  wenn  nicht  durch  die  Gleichheit  ihrer  wissen- 
schaftlichen Methode!  Die  Biologie  aber  hat  mit  der  ver- 
gleichenden Sprachwissenschaft  die  Methode  gemeinsam, 
die  .Methode,  die  die  ganze  moderne  Wissenschaft  be- 
herrscht, und  die  am  reinsten  ausgeprägt  ist  in  der 
.sogenannten  Darwinschen  Theorie  und  in  der  historischen 
Grammatik.  Es  ist  die  Metliode,  alle  Dinge  dieser  Welt 
zu  betraghten  als  Früchte  organischen  Werdens  und 
Wachsens.  Das  sollte  die  höhere  Schule  ihre  Zöglinge 
vor  allen  Dingen  lehren,  wie  die  moderne  Wissenschaft 
die  Dinge  betrachtet,  und  lummt  man  in  die  Grundlage 
dann  noch  Geschichte  auf,  Geschichte  auch  im  weitesten 
Sinne,  dann  lässt  sich  allerdings  auf  kulturhistorisch-neu- 
sprachlich-naturwissenschaftlicher Grundlage  eine  harmo- 
nische Bildung  aufbauen,  eine  Bildung,  die  den  Schüler 
befähigt,  das  Wisssen  der  Gegenwart  in  sich  aufzunehmen 
und  zu  dem  Wollen  der  Gegenwart  mitzusprechen.  Aber 
freilich,  dazu  müsste  noch  mancherlei  geschaffen  werden. 
Dazu  müssten  z.  B.  in  den  Sprachunterricht  die  Gruudzüge 
der  historischen  Grammatik  aufgenommen  werden.  Und 
soll  dem  Schüler  diese  wirklich  verständlich  und  nutzbar 
werden,  so  müsste  es  —  die  deutsche  Grammatik  sein!     x. 


348 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  3.3. 


Die  Assiiiiilatioii  des  Eisens  im  thienscheii  Körper 
iiiul  die  therapeutische  Wirkung:  der  Eisenpräparate. — 

Wie  schon  vor  Jahrzehnten  experimentell  nachgewiesen 
worden  ist,  sind  die  Pflanzen  im  Stande,  das  Eisen  aus 
anorganischen  Verbindungen  direct  zu  assirailircn.  be- 
kannt ist  das  Experiment,  eine  in  eisenfreicr  Nährlösung 
gezogene  und  dadurch  chlorotisch(l)leichsiichtig)  gewordene 
Pflanze  durch  Zusatz  der  zur  Ohloropiiyllbildung  unbedingt 
nöthigen  Eisensalze  in  wenigen  Tagen  normal  grün  werden 
zu  lassen.  Die  Erfolge,  welche  bei  Behandlung  der  mensch- 
lichen Chlorose  durch  Verabreichung  von  Eisenpräparaten 
erzielt  worden  sind,  haben  deshall)  viele  Aerzte  und  Phy- 
siologen zu  der  Annahme  verleitet,  der  menschliche  Orga- 
nisnnis  besitze  die  Eähigkeit,  durch  Synthese  aus  an- 
organischen Eisenverbindungen  und  Eiweiss  Hämoglobin, 
den  Hauptbestandtheil  der  rothen  Blutkörperchen,  zu  bilden. 
Denn  wenn  man  einerseits  den  Eisengehalt  des  rothen 
Blutfarbstoffs,  andererseits  die  zunehmende  Vermehrung  der 
Menge  des  Farbstofl's  bei  fortgesetztem  Gebrauch  von 
Eisenpräparaten  in  Betracht  zieht,  so  ist  man  ohne  weiteres 
zu  der  Annahme  geneigt,  dass  das  Eisensalz  nach  einer 
mehr  oder  weniger  vollständigen  Resorption  durch  Ver- 
bindung mit  Eiweiss  Hämoglobin  bilden  könnte. 

Nun  haben  aber  zahlreiche  hierauf  bezügliche  Unter- 
suchungen bewiesen,  dass  die  Eisensalze  nach  P^inführung 
in  den  Verdauungscanal  im  allgemeinen  nicht  resorbirt 
werden  oder  nur  in  verschwindend  geringen  Quantitäten, 
welche  zu  der  Menge  des  eingenommenen  Eisensalzes  in 
keinem  Verhältniss  stehen. 

Wie  ferner  Thierversuche  gezeigt  haben,  bewirken 
Eisensalzc,  wenn  sie  ins  Blut  gelangen,  Vergiftungserschei- 
nungen, älinlich  denen  der  Arsenwirkung.  Es  musste  also 
zunächst  die  Frage  entschieden  werden:  In  welcher  Form 
wird  unter  normalen  Verhältnissen  das  Eisen  resorbirt  und 
assimilirtV     Woraus  bildet  sieh  Hämoglobin? 

Zur  Entscheidung  dieser  Frage  hat  Bunge*)  bereits 
1884  die  Eisenverbindungen  der  Milch  und  des  Eidotters 
untersucht.  Die  Milch,  als  die  ausschliessliche  Nahrung 
des  Säuglings,  muss  das  Material  zur  Hämoglobinbildung 
enthalten,  ebenso  der  Eidotter,  aus  dessen  Bestandtheilen 
während  der  Bebrütung  Hämoglobin  sieh  bildet,  ohne 
dass  von  aussen  etwas  hinzukonunt.  Nach  Bunge's  Unter- 
suchungen enthalten  unsere  Nahrungsmittel  keine  resorhir- 
baren  anorganischen  Eisenverl)indungen.  Das  Eisen  findet 
sich  in  unserer  Nahrung  nur  in  der  Form  von  sehr  com- 
plicirten  organischen  Verbindungen,  die  durch  den  Lebens- 
process  der  Pflanze  erzeugt  werden.  In  dieser  Form 
wird  das  Eisen  resorbirt  und  assimilirt;  diese  Verbindungen 
liefern  das  Material  zur  normalen  Hämoglobin -Bildung. 
Die  Assimilation  des  Eisens  geschieht  somit  im  thierischen 
und  ])flanzlichen  Organismus  in  wesentlich  verschiedener 
Weise ;  das  Thier  ist  nur  im  Stande,  das  von  der  Pflanze 
bereits  assimilirte  und  organisch  gebundene  Eisen  weiter 
zu  verarbeiten. 

Die  therapeutische  Wirkung  der  Eisenpräparate  er- 
klärt Bunge  in  folgender  Weise:  Chlorose  ist  oft  von 
Störungen  im  Verdauungsapparat  und  von  daselbst  auf- 
tretenden, abnorm  gesteigerten  Zersetzungsprocessen  be- 
gleitet. Der  hierbei  sich  entwickelnde  Schwefelwasserstoff 
zerstört  die  organischen  Eisenverbindimgen  und  verhindert 
dadurch  die  Resorption  des  Eisens.  Die  verabreichten 
Eisenpräparate  schützen  nun  die  organischen  Eisenverbin- 
dungen vor  der  Zersetzung  im  Darm,  vor  der  Abspaltung 
des  Eisens;  denn  dass  die  Anhäufung  eines  Spaltungs- 
products  die  weitere  Abspaltung  desselben  verhindert,  ist 
eine   Erscheinung,    für  welche   sich   zahlreiche  Analogien 


Zeitsclu-.  f.  physiol.  Chemie  Bd.  9  S.  49. 


anführen  lassen,  die  in  dem  Bcrtliollet'schcn  Gesetz  der 
„Masseuwirkung"  ihren  allgemeinen  Ausdruck  finden. 

Eine  Ergänzung  haben  die  Bunge  sehen  Untersuchungen 
kürzlich  durch  Moerner*)  erfahren.  Bunge  hatte  bereits 
angedeutet,  dass  die  Eisenmittel,  wenn  sie  in  so  grosser 
Menge,  wie  bei  Chlorose  üblich  ist,  eingeführt  werden, 
antiseptisch  (Bacterien  tödtend)  wirken  und  dadurch  den 
Fäulnissprocess  im  Darndcanal  und  die  hierbei  stattfindende 
Bildung  von  Schwefelwasserstoff  auf  ein  möglichst  geringes 
Maass  beschränken  könnten. 

Einen  Maassstab  für  die  Intensität  des  Fäulnisspro- 
cesses  im  Darm  liefert  aber  das  Verhältniss  der  im  Urin 
enthaltenen  Aether- Schwefelsäuren  zu  der  in  Form  von 
Sulfaten  gebundenen  Schwefelsäure.  Eine  Steigerung  der 
relativen  Menge  von  Aether- Schwefelsäure  giebt  erhöhte 
Zersetzung  an,  eine  Abnahme  derselben  deutet  auf  ver- 
minderte Zersetzung  im  Darm.  Durch  mehrere  Wochen 
lang  an  sich  selbst  angestellte  Versuche  hat  Moerner  ge- 
funden, dass  sogar  eine  Eisenmenge,  welche  das  Drei- 
fache der  sonst  in  der  medicinischen  Praxis  verordneten 
Dosis  betrug,  nicht  im  Stande  gewesen  ist,  die  relative 
Menge  der  im  Urin  enthaltenen  Aether -Schwefelsäure  zu 
vermindern.  Es  hat  sich  somit  die  von  Bunge  gegebene 
Erklärung  bestätigt,  dass  die  Eisenmittel  bei  Chlorose  da- 
durch günstig  wirken,  ilass  sie  auf  die  in  den  Nahrungs- 
mitteln enthaltenen  emjtfindlichen  organischen  Eisenverbin- 
dungen einen  schützenden  Einfluss  ausüben.  R.  M. 


Die  Function    der   Grannen    der    Gersten -Aehre 

haben  die  Herren  Zoebl  und  Mikosch  durch  eine  Reihe 
sorgfältiger  Versuche  festgestellt,  deren  Resultate  sie  in 
den  Sitzungsberichten  der  Wiener  Akademie**)  (Bd.  101, 
S.  1033  ff.)  veröffentlichen.  —  Ueber  die  Bedeutung  der 
Grannen  der  (4ramineenfrüchte  für  die  lebende  Pflanze 
ist  bisher  kaum  etwas  veröffentlicht  worden  —  die  Ver- 
fasser konnten  in  der  ihnen  zugänglichen  Litteratur  nur 
eine  darauf  bezügliche  Notiz  in  A.  von  Kerner's  Pflanzen- 
Jeben  finden,  nach  welcher  die  Grannen  bei  manchen 
Gräsern  den  Früchten  zur  Verbreitung  dienen.  —  Aus 
dem  Bau  der  Grannen  schlössen  die  Verfasser  bereits  auf 
ihre  transpiratorische  Function:  Dreieckig  im  Querschnitt, 
besitzen  sie  auf  jeder  der  beiden  convergirenden  Unter-  resp. 
Aussenseiten  zwei  Reihen  Spaltöffnungen,  welche  durch 
ihre  Athemhöiilen  die  Verbindung  zwisciien  der  Atino- 
si)häre  und  dem  verzweigten  Intercclluhirsystem  eines 
dünnwandigen,  ehlorophyllführenden  Parenchyms  her- 
stellen. Die  auf  das  Sorgfältigste  durchdachten  und  aus- 
geführten Experimente  zerfielen  in  mehrere  (iruiipen. 
Eine  begrannte  Aehre  mit  dem  obersten  Stengelgliede 
wurde  in  einem  mit  destillirtem  Wasser  gefüllten  Probir- 
gläschen  mittels  dünnen  Drahtes  befestigt,  der  Halm  dann 
unter  Wasser  abgeschnitten,  die  Oberfläche  des  letzteren 
zur  Verhinderung  der  Verdunstung  mit  einer  Oelschicht 
bedeckt  und  der  Apparat  auf  einer  analytischen  Waage  be- 
festigt. In  gleicher  Weise  wurde  mit  einer  entgrannten 
Aehre  verfahren.  Die  transpirirte  Wassermenge  wurde 
dann  in  gewissen  Zwischenräumen  leicht  durch  Wägen 
der  Apparate  festgestellt.  Das  Ergebniss  zeigt  die  folgende 
Tabelle: 

I.  II. 

Secliszeilige  Gerste  Zweizeilige  Gerste 

Wiisserverliist   innerhalb  24  Stunden 

in  "/o  v. 


Begrannt 
Entgraunt 


in  gr. 

G,683 
1,356 


in  %  V. 

Lebendgew. 

der  Aohrn 

212 
51,5 


in  gr. 

7,351 
1,513 


Lebendgew. 
der  Aehre 

305,9 
96,3 


*)  Zeitschr.  f.  physiol.  Chemie  18.  Bd.  I.Heft  S.  i:}  ff. 
*)  Vergl.  „Naturw.  Wocheiischr."  Bd.  VIII,  S.  223. 


Nr.  33. 


Naturwisseuscliaftliche  Wochenschrift. 


349 


Die  begTanntcii  Aehren  vci-Hiicütigteu  demnach  4,'.l- 
resp.  4,8  oder,  auf  gleiches  Lebendgewicht  bezogen,  4,1 
resp.  3,2-mal  soviel  Wasser,  als  die  entgrannten.  Die 
Transpiration  erreichte  Morgens  zwischen  8  und  10  Uhr 
(der  Arbeitsraum  hatte  Morgensonne)  ihr  Maximum,  sank 
während  des  Nachmittags  und  Abends  und  stieg  ganz 
bedeutend  nach  Sonnenaufgang. 

In  zwei  weiteren  Versuchen  wurde  die  Transpiration 
der  Blätter  beobachtet:  es  wurde  je  ein  mit  den  3  olieren 
normal  entwickelten  Blättern  besetzter  Halm,  dessen  Aehre 
noch  in  der  Entwickelung  begriffen  war  (schossender 
Halm),  in  der  ol)igen  Weise  in  einem  Erleumeyer'sclien 
Kölbchen  adjustirt.     Das  Ergebniss  war  das  folgende: 

III. 

/Cweizcilige  Gerste 

Wiisservorhist  innorlialli  24  Stuiulen 

in  "/o  V.  auf  1  Dem 

in  gr.  Lebeiidgew.       Biattfläclio 

des  Hahnes  in  gr.    ' 

A       1.  Tag  7,262  126,7  4,3 

"      2.      .,  9,S72  172,;'.  5,8 


B. 


1.  Tag 

2.  „ 


5,921 

6,775 


144,0 
164,8 


4,5 

5,2 


Der  Verlauf  der  Transpiration  (Eintritt  von  Maximum 
und  Minimum)  glich  dem  der  früheren  Versuche.  In 
einer  Stunde  transpirirte   denniach 

die  sechszeilige   begrannte  Aehre  (Versuch     I)  0,278  gr., 

„    zweizeilige  „  „       (       ,,        11)  0,306    „ 

der   beblätterte   schosseude   Hahn   (       „    IIIA)  0,302    „ 

resp.  0,411    „ 
.       (       .    HIB)  0,246    „ 
resp.  0,282    „ ; 

es  transpiriren  also  die  Aehren  allein  nahezu  eine  gleich 
grosse  Menge  Wasser,  „wie  die  beblätterten  Halme." 

Durch  eine  Reihe  weiterer  Versuche  wurde  fest- 
gestellt, welchen  Antheil  die  Aehre,  bczw.  die  Blätter  an 
der  Gesammttranspiration  der  Pflanze  nehmen:  Auf  zwei 
nebeneinanderstehemle  analytische  Waagen  wurde  je  ein 
beblätterter  Halm  zweizeiliger  Gerste,  in  derselben  Weise 
wie  früher  adjustirt,  gebracht  und  denselben  äusseren 
Bedingungen  ausgesetzt;  nach  einer  bestinmiten  Zeit 
wurden  von  dem  Halme  A  die  Blätter  und  von  dem 
Halme  B  die  Aehren  entfernt.  Es  ergab  sicii,  dass  die 
Reduction  in  der  Transpiration  in  beiden  Fällen  annähernd 
die  gleiche  war:  setzt  man  nämlich  die  Transpiration  der 
ganzen  Pflanze  am  ersten  Versuchstage  =  100,  so  ging 
dieselbe  beim  ersten  Versuche  am  zweiten  Tage  bei  .i 
(nach  Entfernung  der  Blätter)  auf  357ü,  hei  B  (nach  Ent- 
fernung der  Aehre)  auf  30  "/o  zurück.  Bei  einem  zweiten 
Versuche  mit  anderen  Individuen  betrug  die  Transpiration 
der  entsprechenden  Exemplare  unter  denselben  Verhält- 
nissen in  den  gleichen  Zeiträumen  60  bezw.  62  "/o  von 
den  derjenigen  der  intacteu  Pflanzen.  —  Aus  den  Versuchen 
hat  sich  ergeben,  dass  die  Grannen  Transpirations- 
organe sind  und  die  Transpiration  eine  vom  Lichte  be- 
einflusste,  periodische  Thätigkeit  ist;  ferner  haben  die- 
selben gezeigt,  das  die  Transpiration  am  intensivsten  ist 
zur  Zeit  der  stärksten  Entwickelung  des  Kornes,  also 
während  der  Periode  des  grössten  Saftzuflusses.  Es  scheint 
demnach  die  starke  Transpiration  der  Grannen  zur  Stoff- 
wanderung, mithin  zur  normalen  Entwickelung  der 
Frucht  in  enger  Beziehung  zu  stehen. 

In  Einklang  hiermit  steht  die  Thatsache,  dass  je 
grösser  die  Früchte  bei  der  Gerste,  desto  länger  auch 
ihre  Grannen  sind  —  die  schwersten  Körner  sitzen  aber 
unten,  während  nach   oben  zu  immer  leichtere  folgen,  in 


gleicher  Weise  nimmt  auch  die  Länge  der  Grannen  ab. 
Endlich  werfen  manche  Gerstenformen  nach  der  Frucht- 
reife die  Grannen  ab,  was  ebenfalls  für  die  Bedeutung 
der  letzteren  für  die  Fruchtbildung  spricht. 


Ueber  den  mikroskopischen  Nachweis  der  Kohle 
in  iliren  verschiedenen  Formen  und  über  die  Ueber- 
einstimmnng  des  Lungeupigments  mit  der  Rus.skohle 

veröffentlicht  Prof.  J.  Wiesner  in  den  Sitzungsberichten 
der  kaiserl.  Akademie  der  Wissenschaften  in  Wien  (Matem.- 
naturw.  Classe;  Bd.  CI.  Abth.  I.  März  1892)  eine  Abhand- 
lung, deren  Hauptresultate  die  folgenden  sind: 

1.  Der  wesentliche  Bestandtheil  der  Braunkohle  ist 
eine  Sul)stanz,  welche  selh.st  in  Form  kleiner  Splitter 
folgende  Eigenschaften  hat.  Die  Theilchen  sind  braun, 
durchscheinend,  werden  durch  Chromsäure  (eigentlich 
Chromsäuregemiscii;  Gemenge  von  chronisaurem  Kali  und 
Schwefelsäure)  farblos  und  lassen  einen  häufig  nicht  mehr 
histologisch  bestimmbaren  Gewebsdetritus  zurück,  welcher 
die  Reaetionen  der  Cellulose  zeigt.  Da  auch  diese  der 
Einwirkung  der  Chromsäure  nicht  widersteht,  so  wird  die 
Braunkohle,  abgesehen  von  mineralischen  Beimengungen, 
durch  Chronisäure  zerstört. 

2.  Alle  übrigen  der  Untersuchung  unterzogenen 
Kohlenarten,  nämlich  Anthracit,  Steinkohle,  Holzkohle, 
Russ  und  Graphit,  enthalten  eine  zumeist  geringe  Menge 
einer  durch  Chromsäure  leicht  oxydirbaren  Substanz. 
In  Form  feinen  Pulvers  auf  dem  Objectträger  mit  Chrom- 
säure behandelt,  wird  das  Reagens  braun  und  endlich 
grün.  Der  Rückstand  erfährt  aber  selbst  nach  woehen- 
langer  Einwirkung  des  frischen  Reagens  sichtlich  keine 
Aenderung;  derselbe  verhält  sich  so  wie  amorpher  Kohlen- 
stoff" und  wird  durch  Chromsäure  (bei  gewöhnlicher  Tem- 
peratur) nur  ausserordentlich  langsam  angegriffen. 

3.  Anthracit  besteht  der  Hauptmasse  nach  aus  durch 
Chromsäure  so  gut  wie  nicht  zerstörbarer  schwarzer  Sub- 
stanz (amorpher  Kohlenstoff),  ferner  aus  einem  tief- 
braunen durchscheinenden  Körper,  welcher  durch  Chrom- 
säure langsam  oxydirt  wird,  aber  keine  Cellulose  zu- 
rücklässt. 

4.  Steinkohle  verhält  sich  unter  dem  Mikroskop  so  wie 
ein  Gemenge  von  Braunkoide  und  Anthracit,  hinterlässt 
mithin  nach  Chromsäureeinwirkung  noch  kleine  Mengen 
von  Cellulose. 

5.  Sogenannte  Rothkohle  (braune  Holzkohle)  wird 
durch  Chromsäure  vollkommen  zerstört.  In  einem  be- 
stimmten Stadium  der  Chromsäureeinwirkung  bleibt  Cellu- 
lose in  Form  wohlerhaltenen  Holzgewebes  zurück,  welche 
vor  der  Zerstörung  lange  dunkle  Fäden  (Reste  von 
Aussenhäuten)  und  zarte  Ringe  (äusscrste  Grenzen  der 
Tüpfel)  erkennen  lassen,  wodurch  eine  Unterscheidung 
von  Braunkohle  ermöglicht  wird.  Schwarzkohle  (schwarze 
Holzkohle)  wird,  abgesehen  von  kleinen  Mengen  leicht 
oxydirbarer  Substanz,  im  Reagens  fast  gar  nicht  an- 
gegriffen. 

6.  Frisch  auf  einer  Glasplatte  aufgefangener  Russ 
besteht  aus  überaus  feinen  schwarzen,  in  Chromsäure  sich 
wochenlang  erhaltenden  Kohlentheilclien,  und  zum  Tiieile 
in  einander  fliessenden  Tröpfchen  von  ölartiger  Beschaffen- 
heit. Der  aus  der  Atmosphäre  sich  niederschlagende 
Russ  besteht  zum  Theile  aus  feinen  Kohlepartikelchen, 
zum  Theile  aus  Aggregaten  solcher  Partikel,  welche  ent- 
weder dentritische  Formen  oder  uuregelmässige,  seltener 
rundliche  Brocken  bilden,  welche  entweder  in  brauner 
Grundmasse  feine  schwarze  Körnchen  führen  oder  sich 
bloss  als  ein  mehr  oder  minder  lockeres  Aggregat  von 
schwarzen  Körnchen  darstellen. 


350 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  33. 


7.  Das  scliwarze  Lnng-eiipiginent,  welches  im  Laufe 
des  Lebens  in  jeder  nicuschlichen  Lunge,  besonders  im 
interlol)u]aren  P>indegewebe  der  Lunge  sicli  ansammelt 
und  bisher  seiner  wahren  Natur  nach  noch  nicht  genü- 
gend aufgeklärt  wurde,  bestellt  aus  Russkohlc  in  Form 
kleinerer  oder  grfisserer  dunkler  Körper,  welche  durch 
Chronisäure  in  feine  punktförmige,  wochenlang  in  diesem 
Reagens  sich  anscheinend  unverändert  erhaltende  Körnehen 
zerfällt. 

Die  Melanine  unterscheiden  sich  von  den  Körnchen 
des  Lungenpigments  durch  ihre  leichte,  häufig  schon  nach 
wenigen   Minuten   erfolgende  Zerstörung   in  "Chromsäure. 


lieber   den    AVirtliweclisel    der   Ro.stpilze   äussert 
sich    der    Myeologe    F.  v.  Tavel    in    den  Berichten  der 
schweizerischen  botanischen  Gesellschaft  (Heft  IIL  1S93). 
—  Der  Verfasser  geht  von  einer  Untersuchung  aus,  welche 
Stehler  und  .Schröter  über  die  Wiesentjpen   der  Schweiz 
im   Jahre  1892  veröftentliehten    und  worin    sie    die    Ver- 
gesellschaftungen der  PHanzenarteu  feststellten,  welche  für 
die  einzelnen  Wiesentypen  charakteristisch  sind.     Die  ge- 
nannten Autoren  unterscheiden    z.  ß.  eine    „Burstwiese," 
ausgezeichnet  durch  das  Vorherrschen  von  Bromus  erectus, 
der  regelmässig  von  Carex  montana  und  verna,    Brachy- 
podium  piunatum,  Festuca  ovina,  Briza  media,  zahlreichen 
Bapiliouaceen,  Labiaten,  Plantago- Arten,  Euphoibia  Cypa- 
rissias  u.  s.  w.  begleitet  wird.     Das  regelmässige  gemein- 
schaftliche Vorkommen  dieser  Pflanzen  gestattet  die  Auf- 
stellung eines  besonderen  Wiesentypus,  eben  der  Burstwiese. 
Der  Verfasser  macht  nun  darauf  aufmerksam,    dass  unter 
den  Pflanzen,  deren  gemeinsames  Vorkommen  das  Wesen 
eines  Wiesentypus  ausmacht,  sich  auch  jeweileu  die  Nähr- 
pflanzen gewisser  heteröciseher  Rostpilze  befinden,  in  der 
Burstwiese  z.  B.  die  Träger  des  Uromyces  Pisi  und  stria- 
tus.      Man     kann     also     solche    Rostpilze     mit     zu    den 
Charakterpflanzen    eines  Wiesentypus    rechnen,   z.  B.  die 
genannten  Uromyces    für    die  Burstwiese,    aber  auch  für 
die  „Borstgras- Wiese";  Puccinia  Sesleriae  für  die  „Blau- 
grashalde", Puccinia  firraa  für  den  „Polsterseggenrasen," 
Puccinia  Moliniae,    P.  dioicae,    P.  paludosa,    Melampsora 
repentis  für  die  „Besenriedwiese",  das  „Molinietum",  u.  s.  w. 
Diese    Beziehungen    heteröciseher    Uredineen    zu    beson- 
deru  Vegetationstypen    gelten    übrigens    nicht    bloss    für 
Wiesen,  sondern  auch  für  andere  Formationen.     Indessen 
lassen    sich    durchaus    nicht    alle  heteröcischen  Rostpilze 
besoudern  Vegetationstypen  zuweisen,  so  wenig  als  man 
das  mit  allen  höheren  Pflanzen  thun  kann.     Wo   es  aber 
möglich    ist,    ergiebt   sieh    die  betreifende  Formation  ge- 
wissermaasseu  als  die  Heimath  des  entsprechenden  Rost- 
pilzes   und    es    lässt    sich    somit  erkennen,    dass  die  Be- 
ziehungen des  einen  Pilzes    zu   zwei  Nährpflanzen  keine 
ganz  zufällige  sind.  X. 


Die  Verbreitung  der  Kreuzotter  ist  seinerzeit  von 
J.  Blum  (Abhandlungen  Senckenb.  Naturf.  Gesellschaft 
Frankf.  a.  M.,  B.  15,  H.  3)  für  Deutschland  abgehandelt 
worden.  Neuerdings  schildert  L.  von  Mehely  ihr  Vor- 
kommen in  Ungarn.  (Zoologischer  Anzeiger,  1893,  S.  186.) 
Die  Grösse  der  ungarischen  Kreuzotter  ist,  wie  in  Deutsch- 
land, beträchtlich.  Verfasser  besitzt  ein  Exemplar  von 
68  em  Länge.  Die  britischen,  niederländischen  und 
Schweizer  Individuen  sind  kleiner.  Die  Männchen  sind 
stets  kleiner  und  schmächtiger  als  die  Weibchen.  Die 
von  Entz  in  Anbetracht  der  Kopfform  aufgestellten  schmal- 
und  breitköpfigen  Abarten  sind  die  beiden  Geschlechter. 
Die  erstere  Abart  bilden  die  Männchen,  die  letztere  die 
Weibehen.     Bei  erstereu  verhält  sich  die  Längsachse  des 


Kopfes  zur  Breitenachse  wie  1,94  bis  1,53  :  1,  bei  letzteren 
wie  1,52  bis  1,27  :  1.     Nach  Leydig    ist   jedoch  bei  den 
deutschen  Kreuzottern  der  Kopf  des  Weibchens  länglicher. 
Sodann    hält    Verfasser    die  Schreibersche  Angabe,    dass 
beim  Männchen    der  Schwanz    etwa  ',(,,    beim   Weibchen 
etwa    Vs    iler    Gesammtlänge    betrage,     für    irrthümlich. 
Boulanger  fand,  dass  der  Schwanz  der  britischen  ,S  5'/o 
bis  7-/3  mal,  der  der  2  8  bis  9^/4  mal    in    der  Gesannnt- 
länge  enthalten  ist;  ein  russisches  Exem|>lar  zeigte   einen 
Körper,  der  11,4  mal  so  lang  als  der  Schwanz  war;  und 
bei  der    ungarischen  Otter    betrug  die  Sehwanzlänge  des 
Weibchen    den    8,5    bis  12,4 ten,    die  des  Männchen  den 
7,1  bis  8,9 ten  Theil    der    Gesammtlänge.     Es    sind    also 
die  westeuropäischen  Kreuzottern  mit  längerem,    die  ost- 
europäischen    mit     kürzerem    Schwänze    versehen.     Das 
Schuppenkleid  ist  ziemlich  beständig.     Interessant  ist  das 
Vorkommen    von  zwei  das  Auge  umgürtenden  Sehuppen- 
reihen  (anstatt  einer),  da  dies  eine  Beziehung  zur  Aspis- 
viper  darstellt.     Die    aus   dem   abweichenden  Individuum 
gewonnenen   Jungen   zeigten   jedoch    das    normale    Ver- 
halten.    Freilich    waren   bei  einem  russischen  in  gleicher 
Weise  gekennzeichneten  Thiere  von  14  Jungen  sieben  der 
Mutter  gleich,  sieben  nicht.     Die  Rumpfschuppen    stehen 
in  21  Reihen;   je  einmal    wurden  20  und  23  Reihen  ge- 
funden.    Die  Var.  räkosiensis  (s.  u.)  hat  stets  19.     Die 
Männchen    hatten    141    bis    148,    die  Weibchen    146   bis 
154  Paare  Bauchschilder,    erstere  32  bis  40,    letztere  24 
bis  32  Paare  Sehwanzschilder.     Der  Färbung  nach   kann 
man  drei  ungarische  Abarten  unterscheiden.     Die  Stamm- 
form typica  s.  montana  entspricht  der  westeuropäischen 
Form.      Das    Zickzackband    ist    für    sie    charakteristisch. 
Die  Var.    räkosiensis    (s.  0.)   ist   in    der  Jugend    oben 
lichtbraun,  im  Alter  hell  grünlichgrau.    Die  Zickzackbinde 
ist  gleichgefärbt,  nur  dunkler,  und  schwarz  gesäumt.     An 
diesen  Saum  schliesst  sich  ein  hellerer  Streifen    an.     Die 
Rumpfseiten  sind  mit  3  Längsreihen  schwärzlich -brauner 
Flecken    geziert.     Die  Bauchseite    zeigt    weisse  Fleckeu- 
reihcn.     Diese  Abart  ist  bisher  nur  auf  dem  Räkos-B^elde 
(linkes  Donauufer  bei  Budapest)    gefunden   worden.     Die 
dritte  Form  ist  die  Var.  prester  L.;  sie  kommt  in  Ungarn 
als  seltene  Gebirgsform  vor,  doch  steigt  sie  nicht  so  hoch 
als  die  Stammform.     Die    schwarze  Färbung    kommt    so- 
wohl Männchen   als  Weibchen   zu.  —  Dass    die  Formen 
typica  imd  prester  Gebirgsformen    sind,    bestätigt    die 
Ansicht  Blums,  dass  die  Kreuzotter    ein   ziemlich  rauhes, 
feucht-kaltes  Klima  beansprucht.     Die  Var.  räkosiensis 
ist  eine  an  die  ungarische  Tiefebene,  die  wärmer  als  die 
deutsche    ist,    angepasste    Form.      Prester   fand    sie   in 
den  Karpathen  und  dem  südliehen  Siebenbürgen  zwischen 
1000  und  1400  m   abs.   Höhe;  typica  wurde    noch    bei 
1958  m    (südl.    Siebenbürgen)    erbeutet.     Ebendort    kann 
man  beobachten,  wie  die  Kreuzotter  bei  steigender  Wärme 
immer  mehr  ins  Gebirge  flüchtet  und  die  Thalsohlen  der 
Sandviper,  die  Wärme  liebt,  überlässt.     Im  Banater  Erz- 
gebirge   herrscht   letztere    allein.     Schliesslich    tritt    Ver- 
fasser   für    die    Immunität   des   Igels    gegen    Kreuzotter- 
bisse ein.  Matzdorif. 


Ueber  die  Niederschlagsmessungeu  im  Königreich 
Preusseu.  —  Seitdem  im  Jahre  1885  mit  der  Reorgani- 
sation des  Kgl.  preussischen  meteorologischen  Institutes 
begonnen  wurde,  bat  die  Thätigkeit  desselben  eine  fort- 
währende Vermehrung,  das  Stationsnetz  eine  rasch  wachsende 
Ausdehnung  erfahren.  Hand  in  Hand  damit  ging  eine 
entsprechende  Erweiterung  des  Umfanges  der  von  dem 
Director  des  Institutes,  Professor  W.  von  Bezold,  heraus- 
gegebenen Veröft'entlichungen,  und  während  das  gesammte 
Beobachtungsmaterial  des  Jahres  1890  noch  in  einem 
Bande    vereinigt  werden    konnte,    so    schien    es    deshalb 


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Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


351 


ncueidinfjs  geboten,  die  Ergebnisse  von  den  Stationen 
II.  und  III.  Ordnung,  von  den  Regen-  und  von  den  Ge- 
witter-.Stationen,  sowie  diejenigen  der  magnetischen  und 
der  meteorologischen  Beobachtungen  des  Observatoriums 
in  Potsdam  alljährlich  in  fünf  getrennten  Abschnitten 
zum  Druck  zu  bringen.  Den  Anfang  hiermit  hat  jetzt  die 
unter  der  bewährten  Leitung  von  Professor  6.  Hellmann 
stehende  Regenabtheilung  des  meteorologisclicn  Institutes 
gemaclit,  von  welcher  die  „Ergebnisse  der  Nicder- 
schlagsbeobachtungen  im  Jahre  1891"  soeben  er- 
schienen sind. 

In  der  Einleitung  wirft  Hell  mann  einen  kurzen  Rück- 
blick auf  die  Entwickelung  des  Netzes  der  Stationen  zur 
ausschliesslichen  Beobachtung  der  atmosphärischen  Nieder- 
schläge, aus  welchem  man  ersieht,  imieriialb  wie  kurzer 
Zeit  dasselbe  von  recht  unbedeutenden  Anfängen  sieh  zu 
einem  wahren  Riesenkörper  ausgewachsen  hat.  Nachdem 
nämlich  im  Jahre  1847  das  neu  gegründete  preussisehe 
meteorologisclie  Institut  etwa  35  meteorologische  Stationen 
zur  Erforschung  der  allgemeinen  klimatiselien  Verhält- 
nisse der  Monarchie  ins  Leben  gerufen  und  deren  Zahl  in 
Preussen  und  den  übrigen  norddeutschen  Staaten  in  den 
folgenden  Jahren  sich  schon  etwas  vermehrt  hatte,  wurde 
bei  einem  ersten  Versuche  des  Königl.  Oekouomie-Com- 
missarius  vonMoellendorff,  eine  zusammenhängende  Dar- 
stellung der  Regenverhältnisse  Deutschlands  zu  geben,  die 
Unzulänglichkeit  des  dafür  vorhanilenen  Beobachtungs- 
materiales  deutlich  erkannt  und  durch  denselben  die  natur- 
forschende Gesellschaft  in  Görlitz  veranlasst,  einige  be- 
sondere Regenstationen  einzurichten.  Dieselben  lagen 
fast  sämmtlich  in  der  Lausitz,  in  der  Uckermark  und  der 
Neumark;  die  meisten  haben  nur  5  l)is  6  Jahre,  von  1856 
an,  bestanden,  andere  dagegen,  welche  später  vom  Königl. 
meteorologischen  Institut  übernommen  wurden,  blieben  bis 
in  die  achtziger  Jahre  in  Thätigkeit  und  gingen  dann 
grösstentheils  in  Stationen  höherer  Ordnung  über.  Erst 
vom  Jahre  1879  ab  folgte.  Dank  der  Fürsorge  des 
Pfarrers  Richter  in  Ebersdorf,  die  Anlage  einiger  Regen- 
stationen in  der  Grafschaft  Glatz,  deren  Beol)achtungs- 
ergebnisse  vom  Königl.  meteorologischen  Institute  mit  ver- 
öffentlicht wurden.  Kurz  vorher  hatte  Hellmann  in  einer 
bei  Gelegenheit  des  zweiten  internationalen  Meteorologen- 
Congresses  (Rom  1879)  veröffentlichten  kleinen  Schrift  den 
näher  motivirten  Vorschlag  gemacht,  die  Einrichtung  eines 
dichten  Netzes  von  etwa  2000  Regenstationen  in  Nord- 
deutschiand  mit  besonderer  Rücksicht  auf  die  Bedürfnisse 
derLandwirthschaft  und  die  wasserwirthschaftlichen  Fragen 
ins  Werk  zu  setzen,  und  da  zu  dessen  Verwirklichung 
die  nöthigeu  Mittel  vorderhand  noch  fehlten,  so  war  der- 
selbe seitl882  bemüht,  wenigstens  die  grössten  räumlichen 
Lücken  im  Stationsnetze  durch  Gründung  von  etwa  25 
Regenstationen  auszufüllen,  während  ungefähr  gleichzeitig 
durch  einige  locale  Vereine  für  Wetterkunde  in  deren  Itc- 
sonderen Gebieten  sehr  viel  dichtere  Netze  eingerichtet 
werden  konnten.  Die  Anlage  des  ganz  Norddeutschland 
umfassenden  Netzes  von  Regenstationen,  welches  in  den 
Reorganisationsplan  des  Königl.  meteorologischen  Institutes 
mit  aufgenommen  worden  war,  nahm  im  Johre  1887  mit 
Einverleibung  der  schon  vorhandenen  Vereinsstationen  im 
Regierungsbezirk  Gumbinnen  und  in  Mitteldeutschland,  so- 
wie mit  der  Einrichtung  zahlreicher  neuer  Stationen  in 
der  Provinz  Schlesien  ihren  Anfang,  schritt  in  den  folgenden 
Jahren  ungefähr  von  Osten  nach  Westen  allmählich  fort 
und  hat  bereits  1892  ihren  Abschluss  erreicht.  —  Im 
Jahre  1891,  als  nur  noch  das  nördliche  Hessen-Nassau  und 
die  Rheinprovinz  übrig  blieben,  war  die  Zahl  der  Regen- 
stationen des  Institutes  schon  auf  1425  angewachsen,  von 
denen  1300  im  Königreiche  Preussen,  125  in  anderen  nord- 
und  mitteldeutschen  Staaten  gelegen  sind.     Alle  sind  mit 


gleichartigen  Regenmessern  von  '/,,,„  Quadratmeter  grosser 
Auffangfläche  ausgerüstet,  deren  oberer  Rand  sich  in  der 
Regel  1  Meter,  nur  in  schneereicheren  Gegenden  IV4  bis 
IV3  Meter  über  dem  Erdboden  befindet.  Die  Messung  der 
von  denselben  etwa  aufgefangenen  Niederscidagsmengen 
wird  täglich  um  7  Uhr  Morgens  und  ausserdem  bei  starken 
Regenfällcn,  Gewitterregen,  sogenannten  Wolkenbrüchen 
u.  s.  w.  gleicli  nach  deren  Aufhören  vorgenommen. 

Die  vorliegende  Veröffentlichung  enthält  in  ihrem  ersten 
Hauptabschnitte  kurze  Ueb  er  sichten  über  die  in  den  ein- 
zelnen Monaten  und  im  Jahre  1891  vorgekommenen  Nieder- 
schläge von  fast  sämmtlichen,  nach  Kreisen  angeordneten 
Stationen,  von  denen  nur  28  ausgeschlossen  werden  mussten, 
weil  ihre  Beobachtungen  der  im  meteorologischen  Institut 
vorgenommenen  scharfen  Prüfung  nicht  Stand  hielten.  Der 
Vergleich  bei  denjenigen  Stationen,  von  welclien  schon 
langjährige  Niederschlagsmessungen  vorlianden  sind,  mit 
den  mittleren  Ergebnissen  derselben  zeigte,  dass  das  Jahr 
1891  fast  üljerali  zu  nass  war.  Die  Monate  ]\Iärz,  April, 
Juni,  Juli  und  Decembcr  wiesen  zum  Theil  sehr  erheb- 
liche Ucbcrschüsse  auf,  während  nur  der  Februar  durch- 
weg und  der  October  im  grössten  Theile  vctn  Nord- 
deutschland zu  trocken  waren;  namentlich  im  südwestlichen 
Theile  der  Monarchie  fielen  im  Februar  1891  ungewöhn- 
lich geringe  Niederschläge,  an  manchen  Orten  kaum  5  Pm- 
cent  der  normalen  Menge. 

Wenn  die  zahlreichen  Einzeltabellen  des  ersten  Ab- 
schnittes wohl  ausschliesslich  als  Material  für  rein  meteo- 
rologische und  klimatologische  Untersuchungen  Verwendung 
finden  dürften,  so  werden  die  folgenden  Abschnitte  des 
Werkes  hingegen  ebenso  sehr  den  besonderen  Zwecken 
der  Hydroteclmik  dienen.  Im  zweiten  Abschnitte  sind  die 
Monats-  und  Jahressunnnen  des  Niederschlags,  sowie  die 
grösste  Tagesmenge  im  Jahre  nach  Flussgebieten  ge- 
ordnet, und  zwar  für  jedes  in  einer  solchen  Reihenfolge,  dass 
man  bei  jeder  beliebigen  Station  eines  Flussgebietes  die 
oberhalb  gelegenen  ohne  weiteres  übersehen,  also  auch 
schnell  ermitteln  kann,  welche  Niederschlagsmengen  bei 
der  Beurtheilung  der  an  dem  betreffenden  Orte  zum  Durcli- 
fluss  gelangenden  Wassermengen  in  Betracht  konnnen.  — 
Zum  ersten  Male  für  ein  dichteres  Beobachtungsnetz  findet 
man  ferner  eine  Zusammenstellung  der  stärksten  Nieder- 
schläge, welche  in  den  meisten  Fällen  nur  sehr  kurze 
Zeit  angehalten  haben.  Die  heftigsten  Gussregen  von 
etwas  mehr  als  9  Stunden  Dauer  kamen  im  Jahre  1891 
am  1.  Juli  zu  Kalvörde  im  Herzogthum  Braunschweig 
und  am  25.  Mai  zu  Kobylin  in  der  Provinz  Posen  vor, 
wobei  im  Ganzen  86, H  und  73,5  Millimeter,  in  der 
Minute  durchschnittlich  0,16  und  0,13  Millimeter  Regen 
fielen.  Die  heftigsten  Gussregen  von  374  und  S'/^  Stunden 
Dauer  lieferten  am  27.  .hini  zu  Grevcl  in  Westfalen  53,7 
und  am  21.  Juni  zu  Lübcn  in  Schlesien  61,6  Millimeter, 
in  der  Minute  dalier  0,28  und  0,29  Millimeter.  Bei  27^-, 
2-  und  1  -  stündiger  Dauer  waren  die  grössten  Erträge, 
welche  alle  drei  an  verschiedenen  Stationen  Westfalens 
am  I.Juli  gemessen  wurden,  78,2,  66,0  und  63,3  Millimeter, 
so  dass  also  auf  jede  Minute  schon  durchschnittlich  0,52, 
0,55  und  1,06  Mdlimeter  Regen  kamen.  Am  30.  Juni  fielen 
zu  Kosuchen  in  Ostpreussen  binnen  24  Minuten  50,2  Milli- 
meter, am  16.  Juli  zu  Pinnow  in  Pommern  binnen  15  Mi- 
nuten 32,0  Millimeter,  also  auf  die  Minute  berechnet  2,09 
bezw.  2,13  Millimeter.  Die  dichtesten  unter  sämmtlichen 
Regenfallen  des  Jahres  1891  aber  waren  diejenigen,  welche 
am  1.  Juli  binnen  5  Minuten  zu  Oesterholz  in  Lijipc- Det- 
mold 12,5,  zu  Melle  in  Hannover  13,0  und  am  30.  Juni 
binnen  3  Minuten  zu  Mühlenthal  in  Ostiireusscn  11,7  Milli- 
meter, in  der  Minute  daher  die  enormen  Mengen  von  2,5, 
2,6  und  3,9  Millimetern  erbrachten.  Schon  das  eine  Jahr 
1891  zeigt  also  auf  das  deutlichste,   wie  die  Dichtigkeit, 


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Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  33. 


bis  zu  welcher  sich  ein  Niederschlag  zu  steigern  vermag, 
mit  der  Dauer  desselben  abninmit.  Doch  wird  man  bei 
Benutzung  jener  Zahlen  wohl  zu  beachten  haben,  dass 
fast  jeder,  noch  so  starke  Gussregen  mit  Regentropfeu  zu 
beginnen  und  wieder  aufzuhören  pflegt,  woraus  eine  Un- 
sicherheit in  der  Zeitbestimmung  der  Regenfälle  erwächst, 
die  bei  den  kürzesten  gerade  am  schwersten  ins  Ge- 
wicht fällt. 

Da  von  den  in  der  Form  von  Schnee  fallenden  Nie- 
derschlägen nur  ein  Bruchtiieil  sofort  zum  Abfluss  gelaugt, 
so  darf  man  einem  Vergleich  der  Wasscrniengen  der  Flüsse 
mit  den  Niederschlagsmengen  im  Winter  nicht  die  gewöhn- 
lichen Angaben  der  letzteren  zu  Grunde  legen,    in  denen 
die  dem  Schnee  entsprechende  Wasserschicht  mitenthalten 
ist.    Es  ist  zu  einem  solchen  vielmehr  noch  die  Kenntniss 
der  Höhe  der  Schneedecke  erforderlich,  welche  den  Erd- 
boden bedeckt,  und  die  deshalb  an  den  Stationen  II.  und 
III.  Ordnung  des  preussischen  meteorologischen  Institutes 
jeden  Morgen  um  7  Uhr  gemessen  wird.    Die  Ergebnisse 
dieser  Beobachtungen  sind  im  letzten  Hauptabschnitte  des 
vorliegenden  Werkes  mitgetheilt.    Auf  einer  kleinen  Zahl 
zweckmässig  vertheilter  Stationen  wurde  ferner  im  Winter 
1890/91  zum  ersten  Male  der  Versuch  gemacht,  systematisch 
die  Werthe  des  wechselnden  Wassergehaltes  zu  ermitteln, 
welchen   die  Schneedecke  an    bestimmten   Tagen    besitzt 
und   den   man  kenneu  muss,    um   beurtheilen  zu  können, 
welche  Wassermengen  bei  plötzlich  eintretender  Schnee- 
schmelze im  Frühjahr  den  Flüssen  zugeführt  werden.    Für 
diese  Messungen  wird    ein  nach  Helhnann's  Angaben  ge- 
fertigter kräftiger  Zinkblechcylindcr  von  50CentinieterHöhe 
zum  Ausstechen  eines  Schneecylinders  von    Vöo  Quadrat- 
meter Fläche    angewandt.     Nach    erfolgtem   senkrechtem 
Ausschnitt  führt  mau  eine  kleine  Blechschaufel  unter  die 
Oeifnung,  dreht  den  Cylinder  vorsichtig  um  und  lässt  die 
so  gewonnene  Schneeschicht,   deren  Höhe  man  zuvor  mit 
einem  Maassstabe    bestimmt  hat,    im  Gefässe    schmelzen, 
nachdem  man  dasselbe,    zur  Verhütung  der  Verdunstung, 
mit  einem  passenden  Blechdeckel  bedeckt  hat.    So  lange 
eine   Schneedecke   vorhanden  war,    wurde   jeden    fünften 
Tag   ihr  Wassergehalt    an    11  Stationen  in   dieser  Weise 
ermittelt.    Schon  die  Ergebnisse  des  einen  Winters  lehren, 
wie   das  specifische   Gewicht    der  Schneedecke,    das    bei 
frisch    gefallenem    Schnee    um  0,1   herumschwankte,    mit 
deren  Alter  zunimmt    und  bisweilen  Werthe  (0,4  bis  0,7) 
erreichen  kann,  welche  an  die  beim  Firnschnee  der  Hoch- 
gebirge gemachten  Befunde   heranreichen.     Es  lässt   sich 
ja  auch  sehr  wohl  begreifen,  dass  der  Schnee  einer  alten 
Schneedecke  im  Flachlande,  auf  welchen  dieselben  Kräfte 
eingewirkt  haben,  wie  auf  den  Hochgebirgsschnee,  dessen 
Structur  annehmen  muss.     Die  Fälle  sind  freilich  ausser- 
ordentlich   selten,    weil    eine    mehr    als    8    Wochen    alte 
Schneedecke  im  Tieflaudc  nicht  häutig  vorkommt. 

Dr.  E.  Less. 


Ueber  die  Bedeutung  der  liheiiivegetation  für  die 
Selbstreinigung  des  Rheines  hat  jüngst  Dr.  H.  Schenck 
in  Bonn  Beobachtungen  veröffentlicht,  indem  er  liier  zum 
ersten  Male  die  scharf  präcisirte  Fiage  aufvvirft,  welche 
Organismen  denn  überhaupt  vermöge  ihres  massenhaften 
Auftretens  eine  Selbstreinigung  des  Wassers  verursachen 
könnten. 

Fettenkofer  hatte  die  Ansicht  aufgestellt,  dass  die 
Isar  bei  München  durch  die  in  ihr  vorkonmienden  Bac- 
terien,  grünen  Algen,  Diatomeen  u.  s.  w.  einen  Selbst- 
reinigungsprocess  vollzöge,  so  dass  bereits  wenige  Meilen 
unterhalb  der  Stadt  die  in  den  Fluss  geleiteten  Abfall- 
stoffe vollständig  durch  die  Lebensthätigkeit  der  genannten 
Organismen  unschädlich  gemacht  wären.    Er  stützte  dabei 


seine  Ansicht  hauptsächlich  auf  Beobachtungen,  aus  denen 
hervorging,  dass  niedere  grüne  Algen  in  geringem  Maasse 
im  Stande  seien,  organische  Stotl'e  aufzunehmen.  Dass 
die  Bacterien  natürlich  immer  eine  Hauptrolle  bei  der 
Vernichtung  der  organischen  Reste  spielen  würden,  gie))t 
auch  Fettenkofer  ohne  weiteres  zu. 

Schenck  argumentirt  nun  folgendermaassen:  Wenn  in 
einem  verunreinigten  Flusse  wirklich  die  Algen  Vegetation 
eine  so  hervorragende  Rolle  bei  der  Selbstreinigung  spielt, 
so  müssen  diese  Organismen  an  den  Stellen,  wo  sie  nütz- 
lich sein  sollen,  erstens  massenhaft  auftreten  und  zweitens 
auch  das  ganze  Jahr  über  vegetiren.  Beides  ist  nun  für 
den  Rhein  zwischen  Bonn  und  Köln  nicht  der  Fall. 

um  ein  Urtheil  darüber  zu  gewinnen,  in  welcher 
Masse  die  Algen  und  Pilze  sich  im  AVasser  vorfinden,  sind 
während  längerer  Zeit  genaue  Beobachtungen  über  die 
Zusammensetzung  der  Wasservegetation  vorgenonnnen  wor- 
den. Daraus  ergiebt  sich,  dass  die  Algen  ausschliesslich 
an  solchen  Stellen  vorkommen,  wo  sie  gegen  allzustarke 
Strömung  geschützt  sind  und  zugleich  eine  geeignete  Unter- 
lage finclen,  um  sich  festzusetzen.  So  sind  geschützte 
Uferbuchten,  grosse  Steine  im  seichteren  Wasser,  Pfähle 
und  schwiunnen<le  Holztheile,  z.  B.  an  Pontonbrücken  und 
Badeanstalten,  der  Ansiedlung  der  Algen  sehr  günstig,  im 
eigentlichen  Strombett  war  die  Anzahl  der  Arten  gleich 
Null,  oder  es  fanden  sich  höchstens  einige  losgerissene 
Fadenalgcn  und  Diatomeen.  Etwas  anders  gestaltet  sich 
das  Biki  an  Stellen,  wo  Abwässer  grösserer  Städte  in  den 
Rhein  fallen  und  zugleich  die  äusseren  Bedingungen  für 
eine  Ansiedlung  von  Algen  gegeben  sind.  Hier  kommen 
zwar  Algen  auch  vor,  docli  in  augenscheinlich  ganz  kümmer- 
licher Entwickeluug;  die  Hauptmasse  der  Vegetation  macht 
an  solchen  Stellen  die  Beggiatoa  alba  und  Crenothrix 
dicliotoma,  zu  gewissen  Zeiten  auch  Leptomitus  und  end- 
lich das  Heer  <ier  übrigen  Bacterien  aus,  die  sich  in  jedem 
nnt  faulenden  organischen  Stoffen  geschwängerten  Wasser 
befinden. 

Was  nun  die  zweite  Frage  betrifft,  ob  diese  Vegetation 
von  grünen  oder  blaugrünen  Algen  das  ganze  Jahr  in 
gleichmässiger  Stärke  vorhanden  ist,  so  sind  die  hier  ge- 
wonnenen Resultate  der  Pettenkofer'schen  Wasserreinigungs- 
hypothese noch  weniger  günstig.  Bei  der  geringen  Tiefe, 
in  welche  die  Algenvegetation  hinuntergeht,  wird  bei 
jedem  Fallen  des  Rheines  ein  beträchtlicher  Theil  der 
'Algenvegetationszone  trocken  gelegt,  und  die  Algeu  gehen 
also  zu  Grunde.  Nur  einige  wenige  Arten  besitzen 
die  Fähigkeit,  ihre  Wachsthumszone  mit  dem  Fallen  und 
Steigen  des  Wassers  zu  verschieben,  so  z.  B.  Ulothrix, 
Oscillarien  und  Diatomeen.  Ferner  sind  in  deu  verschie- 
denen Jahreszeiten  auch  die  einzelnen  Arten  nicht  in 
gleicher  Masse  entwickelt,  indem  gewisse  Species,  wie 
Ulothrix  zonata,  ihre  Hauptentwickelungsperiode  während 
der  kühleren,  wieder  andere,  wie  Stigcoclonium  tcnue, 
nur  während  der  heissen  Jahreszeit  haben;  jedenfalls  ist 
die  Entwickelung  der  in  grösseren  Mengen  auftretenden 
grünen  Algen  in  den  verschiedenen  Jahreszeiten  sehr  un- 
gleich, und  die  Betheiligung  bei  der  Selbstreinigung  in 
Folge  dessen  nur  sehr  gering.  Anders  mit  den  Pilzen, 
welche  das  ganze  Jahr  in  annähernd  gleicher  Ueppigkeit 
vorhanden  sind. 

Ganz  besonders  nun  noch  spricht  gegen  die  Mit- 
betheiliguug  der  Algen  an  der  Selbstreinigung  des  Wassers 
der  Umstand,  dass  sie  da  am  kümmerlichsten  gedeihen, 
wo  sie  sich  nach  der  Hypothese  am  wohlsten  fühlen  sollten, 
also  an  Stellen,  wo  Abfallgewässer  in  den  Fluss  einmünden. 
Jedenfalls  geht  das  eine  aus  der  anregenden  Unter- 
suchung hervor,  dass  für  den  Rhein  die  Algen  bei  der 
Selbstreinigung  nicht  in  Frage  kommen  können,  sondern 
dass  hier  in  erster  Linie  die  Fadenbacterien  Beggiatoa 


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Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


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alba  und  Cronotlirix  dicliotonia  und  die  iStäliciicnhaetcricn 
die  or^'aniüclicn  Stoft'e  aufnelmien.  Wenn  aber  die  ge- 
wonnenen Resultate  am  Rhein  sieh  so  ungünstig-  für  die 
Pettenkofer'sclie  Hypothese  erweisen,  so  mnss  mit  Recht 
angenommen  werden,  dass  auch  für  die  Isar  sieh  l)ei 
genauer  Untersuchung  durch  einen  faehmiinnischen  Bo- 
taniker die  Sachlage  etwas  anders  herausstellen  wird,  als 


sie  Pcttenkofer  hinstellt. 


Lindau. 


Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben. 

Es  wurden  ernannt:  Der  Privatdocent  an  der  Univmsität 
Moskau  Fürst  B.  Galizyn  zum  aussorortlentliclien  Professor  der 
Physik  an  der  Universität  Dorpat.  —  DerPrivatdocent  Dr.  Edmund 
Neusser  zum  Professor  für  klinische  Medicin  an  der  Universität 
Wien.  —  An  der  Universität  Tomsk  die  ausserordentlidien  Pro- 
fessoi'en:  Dr.  Jerofejew  für  (^phthaUnolopie,  —  Dr.  Anfimour 
für  Psychiatrie  —  und  Dr.  Gramniat  ikati  für  Gynäkologie  zu 
(trdinarien. 

Es  haben  sich  habilitirt:  Dr.  Mayer  für  Psychiatrie  und  Neuro- 
patholofjie  an  der  Universität  Wien.  —  Dr.  Adolf  Sclimitt  für 
Chirurgie  an  der  Universität  München.  —  Dr.  Victor  Well- 
mann für  Astronomie  an  der  Universität  Greifswald. 

Dr.  Hans  Rebel  ist  bei  der  zoologischen  Abtheilung  des 
Kais.  Königl.  Hofmusenms  in  Wien  eingetreten. 

Es  sind  gestorben:  Henry  E.  Seaton,  Assistent-Curator 
am  Gray  -  Herbarium  der  Harvard- Universität.  —  Der  Erforscher 
der  Flora  von  Philadelphia  Isaak  Burk  daselbst.  —  Adolf 
von  Chamisso,  früher  ( »berförster  der  Landesschule  Pforta,  in 
Naumburg  a.  S.  —  Der  Astronom  Dr.  Alexander  Brown  in 
London.  —  Der  um  die  Entwickelung  der  Zuck<'rindustric  in 
Deutschland  verdiente  Dr.  Ivarl  Stammer  in  Kcdandseck.  — 
Der  Director  der  mediciniscben  Klinik  zu  Palermo  Dr.  Benjamin 
Luzzato.  —  Der  Chemiker  Senator  Dr.  Friedrii-h  Witte  in 
Rostock.  —  Der  Sectionsrath  Professor  Dr.  med.  Ludwig  Mar- 
k  uro  vsky  in  Abliazia.  —  Der  Professor  der  Chirurgie  Dr.  Theo  - 
doros  Arotaios  in  Athen. 


—  Das  römische  Organisations-Komito  des  XI.  internationalen 
medicinischen  Kongresses  hat  die  Mittheilung  ergeiien  la-sen, 
das.-5  der  Kimgress   Ijis  zum  April   1894  vertagt   ist. 

Eine  Statue  Claude  Chappe's,  des  Erfinders  des  Sema|ih(ns, 
ist  jüngst  in  Paris  auf  dem  Boulevard  Saint  -  Germain  errichtet 
worden. 

Ein  Internationaler  medicinischer  Congress  wird  im  Getober 
unter  dem  Vorsitze  von  I^rofessor  William  l'epp'<r  (Phibididphia) 
abgehiüten  werden. 

Eine  zweite  internationale  Sanitätsconferenz  soll  im  S|)ät- 
herbst  d.  J.   in   Paris  .siattfindm. 

Ein  ethnologischer  Afirika-Congress  soll  demnächst  in  Chicago 
stattfinden.  Unter  Anderen  soll  auch  der  Reicbscommissar  Dr. 
Peters  sein  Erscheinen  zugesagt  haben. 


Eine  Bergschule  in  Irkutzk   zu  errichten,   ist  von  der  russi- 
schen Regierung  definitiv  beschlossen  worden. 


L  j  1 1  e  r  a  t  u  r. 

Dr.  P.  Bergemann,  Die  Verbreitung  der  Anthropophagie  über 
die  Erde  und  Ermittelung  einiger  Wesenszüge  dieses 
Brauches.  Eine  ethmigrajdnsch-ethiiulogische  Sdidic  S".  b'o  S. 
Bunzlau.     (G.  Kreuschner.)   1893.  —  Pr.   1,20  Mk. 

Die  Verbreitung  der  Menschenfresserei  wird  hier  einerseits 
zeitlich  abgehandelt,  wie  sie  von  den  ältesten  Perioden  des 
Alterthunis  liis  in  unsere  Tage  hineinreicht;  andererseits  wird  ihre 
geographische  Verbreitung  über  die  Ei-de  besprochen.  Mit  grosser 
Genugthuung  kann  es  festgestellt  werden,  dass  dieser  ekelhafte 
Ciebrauch  in  stetem  Abnehmen  begriffen  ist.  Denn  Europa  und 
das  Festland  von  Asien,  sowie  fast  das  gesammte  Nord-Amerika 
und  der  grösste  Theil  von  Süd-Amerika  können  jetzt  vollständig 
aus  der  Betrachtung  ausscheiden,  und  in  .Afrika,' im  malayischen 
Archipel  und  in  Oceanien  schränkt  sich  die  räumliche  Ausdehnung 
der  Anthropophagie  von  Jahrzehnt  zu  Jahrzehnt  erheblich  ein. 
Des  Verfassers  Siieculationen  über  den  Ursprung  der  Menschen- 
fresserei können  wir  mit  Stillschweigen  übergehen.  Die  Beweg- 
gründe für  diese  Sitte  hätten  eine  eingehende  Erörterung  ver- 
dient. Die  ausführliche  Abhandlung  von  Schaaflfhausen  scheint 
dem  Verfasser  entgangen  zu  sein.     Sanitätsrath  Dr.  Ma.\  Bartels. 


Max  Schulze,  Die  Orchidaceen  Deutschlands,  Deutsch -Oester- 
reichs  und  der  Schweiz  .Mit  ca.  IIIO  Chnimotafehi.  1. — 4./5. 
Lieferung.  Gera  -  Unterndiaus,  Fr.  Eugen  Köhler's  Verlag.  — 
Preis  5  Mk. 

Bei  den  Freunden  der  einheimischen  Flora  —  und  es  giobt 
deren  erfreulicher  Weise  noch  eine  bedeutende  Zahl,  wie  dies  das 
Erscheinen  von  IG,  neuerdings  recht  starken  Auflagen  der  rühm- 
lich bekannten  Garcke'schen  Flora  innerhalb  vier  Jahrzehnte,  und 
fast  noch  mehr  das  von  vier  Auflagen  von  Potonie's  mit  Recht 
geschätzter  Illustrirter  Flora  in  der  kurzen  Zeit  von  188Ö — 1889 
beweisen  —  hat  sich  von  jeher  die  Familie  der  Orchidaceen  einer 
besonderen  Beliebtheit  erfreut.  Zwar  bieten  ihi-e  einbeimischen 
Vertreter  nur  einen  schwachen  Abglanz  der  Arten-  und  Formen- 
fidle,in  der  die  Orchidaceen- Floren  feuchter  tropischer  Landschaften 
und  selbst  mancher  anscheinend  wenig  von  der  Natur  begünstigten 
Gebiete,  wie  Süd-Afrikas  nnd  Australiens,  prangen.  Immerhin  ge- 
hören manche  unserer  einheimischen  Arten,  wie  Orchis  militaris, 
purpureus,  Piatanthera  bifolia,  Cephalanthera  rubra,  Limodorum 
abortivum  und  Epipactis  rubiginosa,  an  Form,  Farbe  und  Duft 
zu  unseren  schönsten  Wald-  und  Wiesenblumen.  Bei  anderen, 
wie  Cypripedilum  Calceolus,  dem  widerwärtig  riechenden  Himanto- 
glossum  hircinum,  den  mitunter  täuschend  einer  Fliege,  Spinne 
oder  Biene  gleichenden  Ophrys-Arten,  welche  in  Thüringen  geradezu 
mit  den  Namen  der  genainiten  Gliederthiere  bezeichnet  werden, 
ersetzt  die  Seltsamkeit  der  Form,  was  ihnen  an  eigentlich  ästheti- 
schem Reiz  abgeht.  Bei  noch  anderen,  wie  Neottia  Nidus  avia, 
Epipogon,  Coralliorrhiza,  deutet  das  fast  gespenstische  Aussehen, 
der  Mangel  des  Blattgrüns  auf  Sonderbarkeiten  ihrer  Ernährung. 
Endlich  wird  der  Sammeleifer  dadurch  gereizt,  dass  verhältniss- 
mässig  viele  zu  den  seltenen  und  seltensten  Arten  unserer  Flora 
gehören,  andere  wieder,  wie  die  Mala.xideen,  durch  ihr  Vorkommen 
in  schwer  zugänglichen  Sümpfen  vor  allzu  eifrigen  Nachstellungen 
geschützt  sind.  Alles  dies  vereinigt  sich,  um  die  Orchidaceen  zur 
beliebtesten  Beute  unserer  eifrigen  Pfianzensannnler  zu  machen. 
Ja  in  dem  artenreichen  Thüringen  haben  sich  die  Behörden  ge- 
nöthigt  gesehen,  durch  polizeiliche  Maassregeln  die  seltensten 
Arten  vor  der  vernichtenden  Ausbeutung  durch  gedankenlose 
Sammler  und  gewissenlose  Pfianzenhändler  zu  schützen,  denen, 
wenn  auch  wohl  noch  keine  Art,  doch  mancher  Fundort  zum 
Opfer  gefallen  sein  dürfte. 

Während  diese  Anreize  mehr  auf  den  Anfänger  und  Liebhaber 
wirken,  entbehren  auch  für  den  vorgeschrittenen  nnd  Berufs- 
Botaniker  die  einheimischen  Orchidaceen  keineswegs  eines  hervor- 
ragenden wissenschaftlichen  Interesses.  Dass  sie  sowohl  dem 
Systematiker,  wie  dem  Morpho-  und  Biologen  eine  Anzahl  der 
wichtig.sten  und  interessantesten  Aufgaben  gestellt  haben  und 
noch  stellen,  ist  allgemein  bekannt.  Es  genügt,  um  nur  Ver- 
storbene zu  nennen,  die  Namen  Lindley,  Reichenbach  fil., 
Irmisch,  Darwin  anzuführen. 

So  anziehend  nun  das  Aufsuchen  und  das  Studium  der  ein- 
heimischen Orchidaceen  auch  für  Botaniker  und  Botanophilen  sein 
mag,  so  grossen  Schwierigkeiten  begegnet  das  Bestreben  derselben, 
die  Arten,  mitunter  auch  die  Gattungen,  zu  unterscheiden.  Die 
Merkmale,  die  dabei  in  Frage  kommen,  beziehen  sich  fast  aus- 
schliesslich auf  die  Blüthen.  Um  die  oft  minutiösen  Formverhält- 
nisse derselben  festzustellen,  bedarf  es  fast  ausnahmslos  frischer 
Exemplare,  da  die  Form  dieser  oft  kleinen  und  versteckt  liegenden 
Organe  beim  Pressen  und  Trocknen  der  Beispiele  in  der  Regel 
so  unkenntlich  wii'd,  dass  Herbarexemplare  für  den  Anfänger 
häufig  unbestimmbar  sind,  ihr  Besitz  auch  als  Vergleichsmaterial 
beim  Bestimmen  lebender  Pflanzen  nur  eine  geringe  oder  gar 
keine  Hilfe  leistet. 

Diese  Schwierigkeit  kann  nur  durch  die  Benutzung  guter, 
naturgetreuer  Abbildungen  überwunden  werden.  Zwar  fehlt  es 
an  solchen  keineswegs  in  der  botanischen  Litteratur;  vor  Allem 
wäre  hier  das  klassische  Kupferwerk  von  G.  Reiehenbach  fil. 
über  die  europäischen  ( Irchidaceeu  zu  nennen.  Allein  der  Preis 
dieser  Werke  ist  so  hoch,  dass  sie  den  Kreisen,  welche  derselben 
am  meisten  bedürfen  würden,  völlig  unzugänglich  sind.  Es  war 
daher  ein  sehr  glücklicher  Gedanke  des  auf  dem  Gebiete  botani- 
scher Ikonographie  schon  längst  erfolgreich  thätigen  Verlegers, 
ein  wohlfeiles  und  doch  gediegenes  Tafelwerk  über  die  einheimi- 
schen Orchidaceen  herzustellen,  und  er  hat  kein  Opfer  gescheut, 
um  denelbeu  zu  verwirklichen.  Er  hat  jedenfalls  eine  sehr  glück- 
liche Wahl  getrort'en.  den  richtigen  Mann  an  den  richtigen  Platz 
gestellt,  als  er  den  Verfasser  aufforderte,  die  Bearbeitung  dieses 
Werkes  zu  übernehmen.  Herr  Max  Schulze,  einer  der  besten 
Kenner  unserer  einheimischen  Flora  überhaupt,  hat  bereits  mehrere 
mit  Recht  hoch  geschätzte  Arbeiten  über  die  Orchidaceenflora 
seines  Wohnortes  Jena  veröft'entlicht,  welche  bekanntlich  von 
keiner  anderen  in  Nord-  und  Mitteldeutschland  an  Reichthum 
übertroft'en  wird.  Beherrscht  der  Verfasser  somit  den  Gegenstand 
wie  wohl  Wenige  ausser  ihm,  so  ist  es  seinem  Eifer  und  Ansehen 
auch  gelungen,  sich  die  Beihilfe  der  competentesten  Fachmänner  des 
Gebietes  zu  sichern  und  die  seltensten  Objecte  oder  deren  un- 
veröffentlichte Abbildungen    zur   Benutzung    für    dieses  Werk   zu 


354 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  33. 


erlangpii,  welches  mithin  nicht  nur  das  bereits  Veröffentlichte 
(darum  aber  keineswegs  immer  allgemein  Bekannte!)  in  möglichster 
Vollstilndigkeit,  sondern  auch  vielfach  Neues  bringt. 

Von  jeder  Art  wird  eine  ausführliche  Beschreibung  gegeben, 
die  nothwendigste  Synonymie  (auch  mit  Angabe  der  ileiitschen, 
besonders  der  Volksnamen,  wo  solche  vorhanden)  geliefert,  die 
Verbreitung  kurz  aber  treffend  angegeben  und  sodann  werden 
eingehend  die  Formen  und  Bastarde  besprochen. 

Auch  die  Abbildungen  sind  vorzüglich  gelungen.  Dass  die- 
selben im  Allgemeinen  richtig  sind,  dafür  bürgt  die  peinlich  ge- 
wissenhafte Revision  seitens  des  Verfassers.  Aber  auch  die  künst- 
lerische*) und  technische  Ausführung  verdient  alles  Lob.  Bei  einigen 
der  zuerst  erschienenen  Blätter,  namentlich  bei  Cephahmthera**) 
rubra,  ist  insofern  des  Guten  zu  viel  gethan,  als  durch  die  grossen 
farbigen  Flächen  der  vergrössorten  Analysen  die  Hauptfigur  ge- 
drückt wird.     Bei  den  späteren  ist  dieser  Missgriff  vermieden. 

Dass  der  so  sorgfältige  und  gewissenhafte  Verfasser  auch 
der  Nomenclatur,  diesem  so  vielfach  streitigen,  an  sich  trockenen 
und  den  Anfänger  mehr  abschreckenden  als  anziehenden  Gegen- 
stände die  gebührende  Berücksichtigung  angedeihen  lassen  werde, 
war  vorauszusehen.  Mau  vergleiche  z.  B.  das  Gutachten  über  die 
Benennung  der  Ophrys-Arten,  welches  Verfasser  vom  Ref.  erbeten 
und  vollständig  zum  Abdruck  gebracht  hat.  Indess  ist  Verfasser 
meiner  Ansicht  nach  in  diesem  Punkte  zu  conservativ  gewesen. 
Gerade  in  einem  Werke,  das  vielfach  in  die  Hände  von  Lesern 
kommt,  'die  mit  der  Bürde  der  Jahrhundertc  hindurch  fortge- 
schleppten Synonymie  noch  nicht  belastet  sind,  wäre  es  am  Platze 
gewesen,  mit  den  lierkömmlichen  Irrthümern,  für  die  nichts  als 
ihr  „ehrwürdiges"  Alter  spricht,  zu  brechen.  Ich  meine  nament- 
lich die  Form  Cypripedium,  die,  wenn  überhaupt  einen  Sinn,  nur 
einen  von  den  ersten  Urhebern  dieses  Schi-eibfehlers  sicher  nicht 
gemeinten  obscönen  haben  kann,  und  für  welche  P fitzer  zu 
meiner  Genugthuung  das  von  mir  schon  1864  gebrauchte  richtige 
Cypripedilum  aufgenommen  hat.  Ferner  hätte  der  Verfasser  der 
Gattung  ( )rchis  ihr  richtiges  grammatisches  Geschlecht  nach  den 
Mahnungen  von  Saint- Lager,  denen  schon  Lange  in  seiner 
Dänischen  Flora  gefolgt  ist***),  wiedergeben  sollen.  Das  Wort 
öp/tf  wird  als  Appellativum  wie  als  Pflanzenname  von  den  Schrift- 
stellern des  Alterthums  nur  männlich  gebraucht,  was  für  die 
männliche  Geschlechtsdrüse  der  Thiere  gewiss  auch  das  Pas- 
sendste ist. 

Für  den  Schluss  des  Buches,  von  dem  bis  jetzt  etwa  die 
Hälfte  erschienen  ist,  ist  eine  systematische  Uebersicht  nach 
Maassgabe  der  Pfitzer'schen  Bearbeitung  der  (»rchidaceen  in 
Engler  -  Prantl's  Pflanzenfamilien,  ein  Bestimmungsschlüssel 
der  Arten  und  eine  tabellarische  Zusammenstellung  der  Verbreitung 
derselben  in  den  Specialgebieteu  in  Aussicht  gestellt. 

So  sei  dies  vortreffliche  Werk,  das  bei  der  Fülle  des  Ge- 
leisteten in  der  That  für  einen  äusserst  niedrigen  Preis  geboten 
wird,  dem  botanischen  Leserkreis  und  jedem  Naturfreunde  bestens 
empfohlen.  P.  Aschorson. 


Prof.  Dr.  Johannes  Gad  und  Prof.  Dr.  J.  F.  Heymanns,  Kurzes 
Lehrbuch  der  Physiologie  des  Menschen.  Mit  ö'2  Text-Ab- 
bildungen und  1  Tafel.  —  Friedrich  Wredeu.  Berlin  18Ö2.  — 
Preis  10  Mk. 

Da  in  dem  Titel  das  Buch  ausdrücklich  als  ein  „kurzes" 
Lehrbuch  bezeichnet  wird,  wollen  wir  doch  angeben,  dass  es  sich 
um  einen  stattlichen  Band  von  515  S.  incl.  Register  handelt.  Das 
vortreffliche  Buch  gliedert  sich  in  2  Theile,  1.  Physiologie  der 
animalen  Processe,  2.  Physiologie  der  vegetativen  Processe.  Unter 
1  werden  nach  einer  Einleitung  der  Reihe  nach  behandelt:  das 
Muskelgewebe,    die   Körperbewegungen,    das   Nervengewebe,    das 


*)  Die  Originale  einiger  Tafeln  wurtlen  in  uneigennütziger 
Weise  von  Fachgenossen,  wie  dem  hochverdienten  schlesischen 
Floristen    E.    Fiek    und    stud.    phil.    Beyer    in  Hanau    geliefert. 

**)  Verfasser  vereinigt  mit  R.  v.  Wettstein  die  Gattungen 
Cephalanthera  und  Limodoruni  mit  Epipactis. 

***)  Derselbe  verdienstvolle  Florist  gebraucht  auch,  gleichfalls 
nach  Saint -Lager,  Stachys  als  Masculinum  und  Polygala  als 
Neutrum. 


Centralnervensystem,  die  specielle  Nervenphysiologie  und  die  Phy- 
siologie der  Sinne,  unter  2.  Blut,  Lymphe  \ind  Kreislauf,  die 
Athmung,  die  Drüsen,  die  Nahrung  und  Nahrungsaufnahme,  die 
Verdauung  und  die  Bilanz  des  Stoffes,  der  Wärme  und  der 
Arbeit.  

Dr.  Karl  Russ,  Der  Wellensittig,  seine  Naturgeschichte,  Pflege 
und    Zucht.     3.  Aufl.     Mit  1   ^'ollbild    und    14   Abbildungen    im 
Text.  Magdeburg  1893.  (Creutz'sche  Verlagshdlg.)  —  Pr.  r,50  Mk. 
Neben  dem  Kanarienvogel  ist  der  Wellensittich  der  z.  Z.  wohl 
am  meisten  gezüchtete  Stubenvogel    und   aus  diesem  Grunde  hat 
ihn  Herr  Dr.  Russ,  der  bekanntlich  ein  allgemeines  Handbuch  der 
Stubenvogelzucht  herausgiebt,  noch  ein  besonderes  Werkchen  ge- 
widmet,   das,    bereits   in  dritter    Auflage  vorliegend,    mit    grosser 
Sachkunde    und    Gründlichkeit    über     alles    berichtet,     was     zur 
Kenntniss  des  Wellensittigs  und  seiner  Zucht  und  Pflege  wissens- 
werth  ist.  B. 

Handbuch  der  Physik,  herausg.  von  Prof.  Dr.  A.  Winkel- 
mann.  Mit  Holzschnitten.  13.  und  14.  Lief.  Eduai-d  Trcwendt 
in  Breslau  1892—1893.  —  Pr.        Mk. 

In  den  vorliegenden  beiden  Lieferungen  des  von  uns  wieder- 
holt warm  empfohlenen  Handbuches  der  Physik  wird  die  Optik 
(Band  II)  fortgesetzt.  Die  Artikel  stammen  aus  der  Feder  der 
Herren  Czapski,  Pulfrich  und  Straubel.  Bis  zum  Abschluss  eines 
Bandes  beschränken  wir  uns  auf  eine  Aufführung  der  bearbeiteten 
Artikel:  Die  künstliche  Erweiterung  der  Abbildungsgrenzen;  die 
chromatischen  Abweichungen  in  dioptrischen  Systemen-Theorien 
der  Achromasie;  Prismen  und  Prismensysteme:  die  Begrenzung 
der  Strahlen  und  die  von  ihr  abhängigen  Eigenschaften  der  op- 
tischen Instrumente;  die  Hauptgattungen  optischer  Instrumente; 
die  Methoden  zur  empirischen  Bestimmung  der  Constanten  op- 
tischer Instrumente;  die  dioptrischen  Methoden  zur  Bestimmung 
von  Brechungsindices  und  dei-en  Ergebnisse ;  Dioptrik  in  Medicin 
mit  contiunirlich  variabehn  Bi'echungindex. 


Index  Kewensis  plantarum  phanerogamarum  nomina  et  Syno- 
nyma omnium  generum  et  specierum  a  Linnaeo  iis(iue  ad  annum 
MDCCCLXXXV  complectens  nomine  recepto  auctore  patna  uni- 
cuique  plantae  subjectis  sumptibus  Caroli  Roberti  Darwin,  ductu 
et  consilio,  Josephi  D.  Hooker  confecit  B.  D.  Jackson.  —  Mit 
der  Fertigstellung  dieses  Werkes  ist  von  einem  wichtigen  Nach- 
schlage-Werk  der  1.  Band  erschienen.  Angeregt  wurde  das  Werk 
von  Charles  Darwin,  ausgeführt  von  dem  wissenschaftlichen  Per- 
sonale am  Herbarium  des  Königlichen  Botanischen  Gartens  in 
Kew  bei  London  unter  der  Leitung  des  früheren  Direktors  dieses 
Institutes  Sir  Joseph  Hooker's.  Letzterem  hatte  Darwin  kurz  vor 
seinem  Tode  mitgetheilt,  dass  er  eine  bedeutende  Summe  für  das 
Zustandekommen  eines  für  die  biologische  Wissenschaft  wichtigen 
Werkes  herzugeben  beabsichtige  und  falls  dasselbe  nicht  mehr  zu 
seinen  Lebzeiten  fertiggestellt  werden  könnte,  dafür  zu  sorgen, 
dass  die  Mittel  vorhanden  wären.  Die  Schwierigkeiten,  welche 
sich  ihm  selbst  während  seiner  Studien  beim  Bestimmen  der  Ge- 
wächse und  Feststellung  ihrer  Heimath  entgegengestellt,  hätten 
ihn  von  der  Nothwendigkoit  der  Herstellung  eines  Werkes  über- 
zeugt, welches  ein  Verzeichniss  der  Namen  und  Autoren  aller 
bekannten  Blütenpflanzen  und  ihrer  Heimath  enthalte.  Dasselbe 
sei  für  Systematiker,  Pflanzengeograplion  und  Hortikultoure 
von  höchster  Wichtigkeit.  Elf  Jahre  nach  dem  Tode  des  grossen 
Forschers  ist  das  Werk,  welches  aus  vier  Theilen  besteht,  so  weit 
gediehen,  dass  der  erste  jetzt  erscheint,  der  zweite  im  Drucke 
sich  befindet  und  die  beiden  anderen  im  Laufe  des  nächsten 
Jahres  der  wissenscliaftlichen  Welt  übergeben  werden  können. 
Der  erste  Band  ist  728  Quartseiten  stark  und  kostet  2  Pfund,  das 
ganze  Werk  im  Abonnement  8  Pfund. 

Briefkasten. 

Herrn  R.  u.  a.  —  Die  Verlagsbuchhandlung  Wilhelm  Engel- 
mann in  Leipzig  theilt  uns  mit,  dass  die  Herausgabe  von 
Chr.  Conr.  SprengeTs  Werk  „Das  entdeckte  Geheimniss 
der  Natur"  in  den  Ostwald'schen  Klassikern  in  Aussicht  ge- 
nommen ist.  Das  Ganze  wird  in  drei  Bändchen  zerlegt,  die  vor- 
aussichtlich noch  in  diesem  Jahre  erscheinen  werden. 


Inhalt:  Bergassessor  Prof  G.  Franke:  Zum  Brunnenunglück  in  Schueidemühl.  —  Dr.  H.  Potonie:  Eine  Psilotaceo  des  Roth- 
liegenden. (Mit  Abbild.)  —  Die  bacteriologische  Choleradiagnose  und  ihre  Anfeindung.  —  Ueber  den  naturwissenschaftlichen 
Unterricht  auf  unseren  höheren  Schulen.  —  Die  Assimilation  des  Eisens  im  thierischen  .Körper  und  die  therapeutische  Wirkung 
der  Eisenpräparate.  —  Die  Function  der  Granneu  der  Gersten-Aehre.  —  Ueber  den  mikroskopischen  Nachweis  der  Kohle  in 
ihren  verschiotlenen  Formen  und  über  die  Uebereinstimniung  des  Lungenpignients  mit  der  Russkohle.  —  Ueber  den  Wirth- 
w-echsel  der  Rostpilze.  —  Verbreitung  der  Kreuzotter.  —  Ueber  die  Niederschlagsmessungen  im  Kfhiigreich  Preussen.  —  Ueber 
die  Bedeutung  der  Rheinvegetation  "für  die  Selbstreinigung  des  Rheines.  —  Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben.  —  Litteratur: 
Dr.  P.  Bergemann:  Die  Verbreitung  der  Anthropophagie  über  die  Erde  und  Ermittelung  einiger  Wesenzüge  dieses  Brauches.  — 
Max  Schulze:  Die  Orchidaceen  Deutschlands,  Deutsch-Oesterreichs  und  der  Schweiz.  —  Prof.  Dr.  Johannes  Ciad  und 
Prof.  Dr.  J.  F.  Heymanns:  Kurzes  Lehrbuch  der  Physiologie  des  Menschen.  —  Dr.  Karl  Russ:  Der  Wellensittig.  —  Hand- 
buch der  Physik.  —  Index  Kewensis.  —  Briefkasten. 


Nr.  33. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


355 


Die  Insekten-Bürse 

jetzt  vereinigt  mit  der  „Sammler -BÖrSe" 


^ 


M     üfferUnblaU  Pd^'"- 

I    'mJQiensle  aller  Sammcl-Interessen.j|^^ 


ist  für  „Eiitomologfeu"  und  „Sammler"  das  hervorragendste  Blatt,  welches  vregen 
der  belehrenden  Artikel  sowie  seiner  internationalen  und  grossen  Verbreitung  betreffs 
Ankauf,  Verkauf  und  Umtausch  aller  Objekte  die  weitgehendsten  Erwartungen  erfüllt 
wie  ein  Probeabonnement  lehren  dürfte.  Zu  beziehen  durch  die  Post  (Zeitungsliste  No.  3 135) 
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welclier,  ein  scharfer  Beobachter,  auch  seine  Beobaclitungen  in  vollwertbiger  Miinze 
ausprägt,  plaudert  darin  über  die  verschiedensten  Dinge:  die  Psychologie  der  Ich- 
sucht, Parn,assier  und  Diaboliker,  Decadenten  und  Aestheten.  Ibsenismus,  Friedrich 
Nietzsche,  Zola  und  die  Zolaschulen,  die  .jungdeutschen  Nachättcr  u.  s.  w.  und  be- 
schäffigt  sich  dann  mit  dem  20.  Jahrhundert,  dem  er  die  Prognose  stellt  und  von 
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Verantwortlicher    Redakteur:    Dr.  Henry  Potonie,   Berlin  N.  4.,    Invalidenstr.  44,    für  den    Inseratentheil:    Hugo  Bernstein  in  Berlin. 
Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12.  —  Druck:  G.  Bernstein,  Berlin  SW.  12. 


Redaktion:  t         Dr.  H.  Potonie. 

Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12,  Zimmerstr.  94. 


VIII.  Band.               iSonntag,  den 

20. 

August  1893. 

Nr.  34. 

Abonnement:  Man  abonnirt  bei  allen  BuchhaiKllungen  und  Post- 

anstaiten.  wie  bei  der  Expedition.    Der  Vieiteljalirspreis  ist  M  4.— 

Bringegeld  bei  der  Post  15  -4  extra. 

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bei  allen  Ännonccnbureaux,  wie  bei  der  Expedition. 

Abdruck  ist  um-  mit  volls«t 

indij; 

er  4(aellenau^abo  g^oi^tattet. 

Ueber  die  Raumvorsteliung  eines  Blindgeborenen. 


Von  Dr.  G.  WallenberK. 


Vor  einig-er   Zeit 
blindgeborenen  Matiiematikers  —  und  zwav 
Fachkreisen 


Wis.sens    die 


machte   die   Doctorpromotion  eines 
nicht  nur  in 
—    berechtigtes    Aufsehen,    weil    es    meines 
erste    derartige   Promotion   au   der   Berliner 


Universität  war.  Da  ich  nun  das  Glück  hatte,  diescu  be- 
galtten  Blinden  zwei  Jahre  hindurch  zum  Doctorexameu 
vorzubereiten  und  in  die  höheren  und  höchsten  Gebiete 
der  Mathematik  einzuführen  —  ich  sage  Glück,  weil  diese 
Stunden  mir  oft  einen  hohen  Geuuss  gewährten  — ,  so 
wurde  ich  naturgemäss  von  allen  Seiten  gefragt,  wie  das 
denn  überhaupt  möglich  gewesen  sei,  ob  man  denn  ohne 
directe  Anschauung  von  etwas  complicirteren  Raumgebilden 
sich  eine  Vorstellung  machen  könne.  Diese  unablässigen 
Fragen  brachten  mich  auf  die  Idee,  dass  es  vielleicht 
dankenswerth  sei,  meine  Erfahrungen  in  dieser  Hinsicht 
zu  ordnen  und  der  Üeft'entlichkeit  zu  übergeben.  Mein 
ehemaliger  Schüler  Herr  Dr.  Meyer  hatte  die  Liebens- 
würdigkeit, mir  das  Material  zu  dieser  kleinen  Abhand- 
lung vollständig  zur  Verfügung  zu  stellen,  und  wir  haben 
es  gemeinsam  unternommen,  diejenigen  Momente  zu  fixiren, 
welche  bei  der  Bildung  der  Raumvorstellung  eines  Blind- 
geborenen von  wesentlicher  Bedeutung  sind.  Wir  hoffen 
durch  diese  Feststellung  ein  wenig  zur  Klärung  in  dieser 


Frage  —  wenigstens 


bei  dem  gebildeten  Laienpublicum  — 
beizutragen;  denn  über  die  Raumvorstellung  ilcr  Blinden 
sind  unter  den  Sehenden  vielfach  recht  irrthümliebe  An- 
schauungen verbreitet.  Insbesondere  glaubt  man,  dass 
der  Blindgeborene  sich  über  die  Grössenverhältnisse  der 
ihn  umgebenden  Gegenstände  und  ihre  Anordnung  im 
Räume  nicht  zu  oricntiren  vermöge.  Wir  wollen  im  folgen- 
den nachzuweisen  versuchen,  dass  diese  Ansicht  jeder 
Begründung  entbehrt  und  dass  die  übrigen  Sinne,  ins- 
besondere der  Tast-  und  Gehörssinn,  im  Stande  sind, 
durch  ihr  Zusammenwirken  den  fehlenden  Gesichtssinn 
fast    vollständig    —    bis    auf    die    Farbenunterscheidung 


zu    ersetzen.    —    Dieser    Aufsatz    ist, 


um    das    hier 

grosse  rublieußi  be- 

auch  der  Fachmann 

für    ihn    Interessante 


noch    ciumal    zu    betonen,    für    da.s 
stimmt;    doch  wird,  wie  wir  hoifen, 
in    diesen    Ausführungen    manches 
finden. 

Wir  thun  wohl  am  besten,  uns  der  bewährten  Darwin- 
schen Methode  der  Entwickelung  zu  bedienen,  und  be- 
ginnen mit  den  Eindrücken,  die  das  blindgeborene  Kind 
von  der  Aussenwelt  empfängt.  Durch  das  Betasten  der 
in  seiner  unmittelbaren  Umgebung  belindlichen  Gegen- 
stände gewinnt  es  zunilchst  die  Vorstellung  einer  be- 
schränkten Anzahl  von  unterschiedenen  Formen,  indem 
sich  die  successiven  Empfindungen  durch  die  Einheit  des 
Bewusstseins  zu  einem  einheitlichen  Ganzen  vereinigen. 
Eine  so  gewonnene  Vorstellung  prägt  sich  nun  allmählich 
durch  das  Gedächtniss,  gleichsam  durch  Erinnerungsbilder, 
so  tief  in  seinem  Geiste  ein,  dass  aus  der  successiven 
schliesslich  eine  simultane  Vorstellung  wird,  wie  sie  der 
Sehende  mühelos  durch  Anschauung  gewinnt.  Ich  möchte 
hier  noch  einmal  als  besonders  wichtig  hervorheben,  dass 
Blindgeborene  wirklich  simultane  Vorstellungen  von  Ge- 
genständen besitzen,  d.  h.  dass  sie  nicht  erst  jedesmal 
die  durch  einen  Gegenstand  verursachte  Empfiudungsreihc 
wieder  zu  durchlaufen  In-auchen. 


Dieser  Vorstellungskreis  des  Blinden 


beginnt 


sich  mit 


dem  Momente  bedeutend  zu  erweitern,  wo  er  gehen  lernt 
und  so  im  Stande  ist,  sich  in  weiterem  Umfange  will- 
kürlich zu  bewegen.  Hat  er  bisher  hauptsächlich  nur  die 
Formen  der  Objecto  seiner  unmittelbaren  Umgebung  in 
seinen  Bewusstseinsinhalt  aufgenommen,  so  beginnt  er  jetzt, 
in  einem  grösseren  Räume  sich  zu  oricntiren  und  nicht  nur 
die  Grössen-,  sondern  auch  die  Lagenverhältnisse  der 
Gegenstände  zu  unterscheiden.  Er  gelangt  zunächst  da- 
hin, dass  er  sich  in  seiner  Wohnung  vollkommen  zurecht- 
findet;   bald  al)er  ist  er  auch  im  Stande,   einfachere  und 


358 


Natiii-wisscnscliaftlielic  Wocliciisclirift. 


Nr.  34 


bei  einiger  Intelligenz  selbst  complicirtere  Wege  im  Ge- 
däcbtniss  zu  behalten.  So  entwickelt  sich  neben  dem 
Raumsinn  auch  der  Ortssinn.  Dr.  Meyer  entsinnt  sich 
deutlich,  dass  der  Weg  zur  Schule  ganz  klar  vor  seinem 
„geistigen  Auge"  stand,  und  er  würde  denselben  ohne 
weiteres  allein  zurückgelegt  haben,  wenn  nicht  die  Gefahr 
des  Ueberfahrenwerdens  ihn  daran  gehindert  hätte.  Heute 
ist  derselbe  so  gut  in  Berlin  orientirt,  dass  er  mir  so 
ziendich  jeden  bekannteren  Weg,  auch  nach  entfernteren 
Stadttheilen,  zu  beschreiben  vermag  und  bei  Spaziergängen 
dem  ihn  begleitenden  Knaben  stets  die  Richtung  angicbt, 
der  Blinde  dem  Sehenden.  Es  könnte  dies  bei  ober- 
flächlicher Betrachtung  doch  vielleicht  manchem  wunder- 
bar ei-scheinen, .  ist  es  aber  bei  näherer  Ueberlegung  durch- 
aus nicht,  wenn  man  bedenkt,  dass  hier  nur  Richtungen 
und  Lagenverhältnisse  in  Frage  konnnen,  wclclie  ja  der 
Blinde  nach  unseren  obigen  Ausführungen  vollständig  be- 
herrscht. Es  sei  hier  schon  bemerkt,  dass  bei  den  Rich- 
tungsbestimmungen des  Blinden  auch  das  Gehör  eine  Rolle 
spielt,  indem  er  die  Richtung  und  Entfernung  der  Schall- 
quelle in  Folge  grösserer  Uebung  jedenfalls  besser  ab- 
schätzen kann,  als  der  Sehende;  doch  ist,  wie  wir  uns 
durch  eingehende  Versuche  überzeugt  haben,  auch  bei 
dem  Blinden  eine  Täuschung  nicht  ausgeschlossen. 

Wie  steht  es  nun  mit  Objecteu,  welche  dem  Tastsinn 
nicht  unmittelbar  zugänglich  sind?  Da  bieten  dem  Blind- 
geborenen zunächst  der  Druck-  und  Tcniperatnrsinn  ein 
erwünschtes  Hilfsmittel:  er  vermag  die  Anwesenheit  von 
Gegenständen  wahrzunehmen,  welche  nicht  direct  von  ihm 
berührt  werden,  sondern  sich  in  einiger  Entfernung  (c.  1dm) 
von  ihm  befinden,  selbst  bei  verschwindend  geringen  Tem- 
peratur- und  Luftdruckdift'erenzen ;  die  Feinheit  seines  Ge- 
fühls ist  hierin  nur  dem  der  Fledermäuse  zu  vergleichen. 
Dieselbe  schützt  ihn  vor  unangenehmen  Berührungen  und 
Zusammenstössen  und  erleichtert  ihm  auch  die  Orientirung 
im  Räume. 

Wie  aber  bildet  sich  der  Blinde  die  Vorstellung  von 
einem  Hause,  einem  Baume  etc.,  überhaupt  von  Objecten, 
die  er  doch  niemals  selbst  vollständig  abtasten  kann?  — 
Nehmen  wir  als  Beispiel  den  Baum,  so  hat  der  Blinde 
zunächst  Gelegenheit,  an  einer  strauchartigen  Pflanze  die 
einzelnen  Theile,  besondeVs  den  Stannn,  die  Blätter  und 
Blüthen  durch  directes  Befühlen  kennen  zu  lernen  und 
sich  von  ihren  Lagen-  und  Grössenverhältnissen  zu  über- 
zeugen. Wenn  er  dann  die  Dicke  eines  Baumstammes 
prüft,  so  tritt  nunmehr  eine  geistige  Function  bei  ihm  in 
Kraft,  nämlich  die  des  Vergrösserns  und  Ergänzens:  er 
vergrössert  in  Gedanken  die  abgetastete  Pflanze  und  er- 
gänzt in  diesem  Sinne  den  Baumstannn  zu  einem  voll- 
ständigen Gebilde.  Es  ist  natürlich,  dass  die  so  ge- 
wonnenen Vorstellungen  nicht  innner  vollständig  mit  der 
Wirklichkeit  übereinstimmen  werden,  aber  sie  werden  sich 
auch  niemals  allzuweit  davon  entfernen:  davor  schützen 
den  Blindgeborenen  zunächst  Beschreibungen  und  Erläu- 
terungen; dann  aber  bietet  sich  ihm  auch  zuweilen  Ge- 
legenheit, diesen  oder  jenen  Theil  des  sonst  im  Ganzen 
unzugänglichen  Gegenstandes  durch  directes  Betasten 
kennen  zu  lernen.  Um  bei  unserem  Beispiele  zu  bleiben, 
so  stellt  sich  der  Blinde  die  Blätter  und  Blüthen  eines 
Baumes  nicht  etwa  in  riesigen,  der  Dicke  des  Stammes 
entsprechenden  Dimensionen  vor;  denn  er  weiss  z.  B.  aus 
Besehreibungen,  dass  die  meisten  Bäume  als  windblüthige 
Pflanzen  gerade  unscheinbare  BlüthcJi  besitzen,  und  hat 
auch  häufiger  Gelegenheit,  au  einem  abgebrochenen  Ast 
sieh  von  den  Grössenverhältnissen  der  Blätter  und  Blütbea 
direct  zu  überzeugen.  ' 

Der  Tastsinn  in  Verbindung  mit  dem  Druck-  und 
Temi)eratursinn  setzt  aber  den  Blinden  nicht  nur  in  den 
Stand,  die  Formen  der  ihn  umgebenden  Gegenstände  zu 


erkennen,  sondern  ermöglicht  ihm  auch  die  Wahrnehmung 
der  verschiedenen  Stoffe,  aus  denen  dieselben  bestehen, 
die  Unterscheidung  der  Qualitäten.  Es  gicbt  da  für 
ihn  mannigfache  fein  nnancirle  Erkennungszeichen:  die 
BeschafCcnheit  der  Oberfläche,  der  verschiedene  Grad  ihrer 
Rauiiigkeit  oder  Glätte,  ihrer  Trockenheit  oder  Feuchtig- 
keit res|).  Fettigkeit;  ferner  der  Härtegrad,  die  Wärme- 
leitungsfähigkcit,  Eiasticität,  Festigkeit  und  Schwci-c.  So 
vermag  der  Blindgeborene  nach  einiger  Uebung  mit  Leichtig- 
keit Gold  und  Silber,  Kujjfer  und  Nickel,  Marninr  und 
Glas,  Stein  und  Holz,  Plüsch  und  Sannnct  etc.  zu  unter- 
scheiden. 

Das  Tastgefühl  des  Blindgeborenen  in  bezug  auf  Form 
und  Stolf  der  Objecte  entwickelt  sich  allmählich  zu  einem 
liiihen  Gi'ade  von  Feinheit:  er  ist  später  im  Stande,  jeden 
Gegenstand,  der  ihm  in  die  Hand  gegeben  wird,  sofort 
zu  bestimmen.  Er  vermag  anzugeben,  wie\iel  die  Uhr 
ist,  und  es  wird  ihm  niclit  leicht  wie  unsereinem  passiren, 
dass  er  dem  Kellner  statt  eines  Zelinpfennigstückcs  ein 
Fünfzigpfennigstück  giebt.  Er  vermag  Pflanzen  von  ein- 
ander zu  unterscheiden  und  selbst  Büsten,  die  er  abge- 
tastet, wiederzuerkennen.  Bei  dieser  Gelegenheit  kann 
ich  es  mir  nicht  versagen,  ein  wenig  auf  die  Aesthetik 
des  Tastgefühls  einzugehen,  die  bei  dem  Blindgel)orencn 
naturgemäss  mehr  ausgeprägt  ist,  als  bei  dem  Sehenden: 
Alles  Eckige  und  Kantige  empfindet  der  Blinde  als  un- 
schön, und  so  Ycrkörpert  ihm  z.  B.  die  Kugel  den  Schön- 
heitstypus in  iKiherem  Maasse  als  ein  Würfel.  Doch  ist 
ihm  die  Kngel  wegen  ihrer  Eintönigkeit  nicht  die  Voll- 
kommenheit dieses  Typus  selbst,  und  so  konunt  auch  er 
dahin,  das  Schönheitsideal  in  einem  menschlichen  Antlitz 
zu  finden.  Er  empfindet  beim  Abtasten  eines  menschlichen 
Kopfes  wie  der  Sehende  das  Unschöne  einer  niedrigen 
Stirn,  einer  zu  grossen  oder  zu  kleinen  Nase,  eines  breiten 
Mundes  oder  hervorstehender  Backenknochen  als  etwas 
Unangenehmes  und  würde  entschieden  der  Milonischen 
Venus  vor  einem  Aztekenweibe  den  Vorzug  gel)en.  —  Es 
ist  natürlich,  dass  dieses  Gefühl  für  Formenschönheit  bei 
dem  Blinden  nicht  entfernt  so  lebhaft  wie  bei  dem  Sehen- 
den ist,  so  dass  eine  eigentliche  Begeisterung  für  ein 
l)lastisehes  Kunstwerk  oder  die  Schönheit  eines  Menschen 
ihm  fremd  bleibt.  —  Um  so  intensiver  ist  sein  Schönheits- 
gefühl in  bezug  auf  das  Gehör  entwickelt;  und  so  wird 
auch  seine  Sympathie  oder  Antipathie  gegen  einen  Men- 
schen hauptsächlich  durch  dessen  Stimme  beeinflusst,  die 
dem  Blinden  gewissermaassen  den  Gesichtsausdruck  er- 
setzt. Ueberhaupt  sjiielt  das  Gehör,  für  das  Geistes- 
leben des  Blinden  der  wichtigste  Sinn,  auch  bei  seiner 
Auffassung  der  Aussenwclt  eine  keineswegs  untergeordnete 
Rolle:  die  durch  die  verschiedenen  Gegenstände  verur- 
sachten Geräusche,  der  Klang  der  Metalle,  das  Knarren 
einer  Thüre,  das  Rasseln  eines  vorüberfahrendeu  Wagens, 
insbesondere  aber  die  Stimmen  verschiedener  Menschen 
sind  für  ihn  vorzügliche  Erkennnngs-  und  Unterscheidungs- 
mittel der  ihn  umgebenden  Objecte  nnd  Subjectc. 

Nachdem  wir  gezeigt  hal)cn,  wie  vortrefllich  der 
Blindgeborene  sich  in  der  Welt  der  realen  Objecte 
orientirt,  wird  es  uns  nicht  schwer  fallen,  auseinander- 
zusetzen, dass  er  auch  die  idealen,  die  mathematischen 
Raumfornien  vollständig  beherrscht.  Wir  bemerken  zu- 
nächst, dass  der  Blinde  von  irgend  einem  räumlichen 
Complex,  sei  es  ein  System  mathematischer  Körper  oder 
ein  Strahlcnbündel  oder  dergleichen,  im  allgemeinen  sogar 
viel  richtigere  Vorstellungen  erwirbt  als  der  Sehende,  weil 
jener  von  vorn  herein  gezwungen  ist,  denselben  wirklich 
körperlich  vorzustellen,  während  dieser  in  der  Regel  eine 
ebene  Figur  zu  Hilfe  nimmt.  So  erhält  auch  das  blind- 
geborene Kind  von  den  Himmelskrirpern  sogleich  einen 
richtigen  Begriff  und  kommt  gar  nicht  erst  in  die  Lage, 


Nr.  34. 


Natuiwisscnscliaftliclje  Wocliciischrif't. 


359 


sich  z.  B.  Mond  und  Sonne  als  eine  Sclieil)e  zu  denUcii. 
Dieses  rein  liörperli*  lie  ^'ol•stellen  ist  so  intensiv,  dass  ^s 
dem  Blinden  j^-erade/.u  schwer  füllt,  sich  die  Zeichnnu!;- 
eines  körperlichen  (ic,i;cnstandcs  in  einer  Ehene  zu  denken. 
Ein  Gehiet  hleiht  ihm  also  —  aueli  aliyesehen  von  tlem 
Unterschied  der  Earhen  —  in  der  Tliat  verschlossen,  das 
der  Malerei,  und  er  hat  von  der  Luftperspective  einer 
gemalten  Landschaft  ehen  so  wenig-  eine  Ahnung',  als  von 
der  stereoskopischcii  Wirkung'  eines  guten  l'ortraits;  dies 
hängt  eben  daudt  zusammen,  dass  der  Tastsinn  alles  rein 
körperlich  eniptindct,  wahrend  unser  .Vugo,  aal'  dessen 
Netzhaut  sich  die  Gegenstände  projiciren,  dieselben  zu- 
nächst flächeniiaft  wahrninniit,  also  tleshalb  auch  gerade 
geeignet  ist,  tiächenhafte  Zeielniungcn  umgekehrt  in  den 
Raum  zu  verlegen.  Natürlich  besein-änkt  sich  dieser  Vor- 
stellungsmangel nur  auf  die  Zeichnungen  körperlicher,  also 
dreidimensionaler  Gegenstände,  während  geometrische  Fi- 
guren, die  wirklich  nur  zweidimensionale  Gebilde  dar- 
stellen, der  Erkenntniss  des  Blinden  vollkommen  zugäng- 
lich sind.  Von  einfachen  Figuren,  z.  B.  einem  Dreieck 
oder  einem  Kreise,  ausgehend,  gelangt  der  Blinde  bald 
zur  Vorstellung  complicirtercr  Gebilde  und  kann  dcm- 
geniäss  auch  einen  geometrischen  Lehrsatz  verstehen  und 
beweisen,  wie  ja  auch  der  Seilende  einen  ihm  geläutigen 
Satz  ohne  Figur  abzuleiten  ^ernlag.  Gerade  in  der  Geo- 
metrie der  Ebene,  der  i'lanimetrie,  ist  der  Blinde  dem 
Sehenden  gegenüber  am  wenigsten  im  Nachtheil,  weil  er 
hier  anfangs  noch  von  der  Methode  der  Blindenschrift, 
welche  ihm  die  Figuren  wirklieh  abzutasten  gestattet, 
nützlichen  Gebrauch  machen  kann,  während  die  Methode 
bei  längeren  niatheniatischen  Formeln,  wie  sie  in  der 
Algebra  oder  Analysis  ^orkonnnen,  ihrer  Umständlichkeit 
wegen  fast  vollständig  versagt  und  der  Blinde  hier  ledig- 


lich auf  das  Gehör  angewiesen  ist.  In  der  Körperlehre, 
der  Stereometrie,  ist  der  Blinde  dem  Sehenden  sogar  vor- 
aus, weil,  wie  wir  schon  bemerkten,  die  Nothwendigkeit, 
körperliche  Gegenstände  auch  wirklich  körperlich  zu  den- 
ken, ihn  sogleich  zu  richtigen  Vorstellungen  führt,  also 
der  Mangel,  dreidimensionale  Gehildc  zweidimensional 
darzustellen,  hier  gerade  zu  einem  Vorzuge  wird. 

Aus  diesen  Erörterungen  ergiebt  sieh  nun,  was  auf 
den  ersten  Blick  nicht  einzuleuchten  scheint,  dass  geo- 
metrische Betrachtungen  dem  Blinden  im  allgemeinen  viel 
leichter  fallen  als  algebraische,  sobald  die  letzteren  nicht 
blosse  Gedankengänge  und  Schlüsse,  sondern  grössere 
llechnungen  und  eomplicirtere  Formeln  enthalten.  Der 
Grund  dafür  liegt  darin,  dass  die  ursprünglich  durch  den 
Tastsinn  wahrgenommenen  Raumgebilde  viel  leichter  in 
simultane  Vorstellungen  umgesetzt  werden,  als  die  durch 
das  Gehör  übermittelten  Formeln,  und  dass  .simultane  Vor- 
stellungen stets  eine  viel  bessere  Uebersieht  gewähren  als 
successive,  d.  h.  solche,  die  zu  ihrer  Bildung  eine  nicht 
unbeträchtliche  Zeit  beanspruchen. 

Wir  sehen  jedenfalls,  dass  die  Mathematik  dem  Blind- 
geborenen kein  verschlossenes  Gebiet  ist.  Nimmt  man 
dazu,  dass  der  Blinde  bei  seinem  nach  innen  gekehrten, 
durch  die  Aussenwelt  weniger  beeinflussten  (ieistesleben 
in  viel  höherem  Grade  zur  A))straetion  befähigt  ist  und 
daher  auch  ungleich  intensiver  über  ein  mathematisches 
Rroblem  nachzudenken  vermag,  als  der  durch  die  wechseln- 
den Bilder  der  ihn  umgebenden  Objecte  fortwährend  ge- 
störte Sehende,  so  gla,ube  ich  die  Möglichkeit,  dass  ein 
Blindgeborener  Mathematik  studiren  könne,  welche  Dr. 
Meyer  bereits  durch  die  That  erwiesen  hat,  auch  den  in 
der  Einleitung  erwähnten  Zweiflern  begreiflich  gemacht 
zu  haben. 


Die    Gehörfarben. 

Von  R.   Ed.  Liesegantr. 


A  noir,  E  blanc,   I  rouye,   U  vert, 

0  bleu,  voijelles 
Je  dirai  quelque  jour  vos 
puis/sances  latentes. 

Verlaine  „  ]'oi/elles." 

In  seiner  „Geschichte  der  malerischen  Harmonie" 
zieht  L.  IIofiFmann  (1786)  Parallelen  zwischen  Licht  und 
Schall,  wie  das  schon  von  Aristoteles  angeregt  worden 
war.  Er  erwähnt  dabei,  dass  bei  den  Tönen  verschiedener 
Instrumente  Farben  in  seinem  Gesichtsfehle  erscheinen. 
So  erzeugt  das  Violonccll  Indigo,  die  Violine  Ultramarin, 
die  Menschenstinmie  Grün,  die  Clarinelte  Gelb,  die  Trom- 
pete Hochroth,  das  Hoboe  Rosenroth,  die  Flöte  Cernics- 
roth,  das  Waldhorn  Purpur,    das  Fagot  Violett. 

Eckardt,  (,, Vorschule  der  Aesthetik"  S.  i53G)  erzählt 
1864,  dass  ein  ihm  bekannter  Blinder,  der  als  Kind  we- 
nige Zeit  gesehen  hal)e,  „sich  bis  in  das  höhere  Alter 
die  Eigcnthümlichkcit  bewahrt  hatte,  Namen,  Worte,  Per- 
sonen innerlich  als  Farbe  zu  emptindcn;  so  hatte  er  bei 
dem  Worte  Schiller  die  Empfindung  des  Rothen." 

Im  nächsten  Jahre  berichtete  Verga  (Arch.  ital.  per 
la  malatte  nerv.  1865  S.  23)  über  diese  „subjective  Ver- 
knüpfung von  Ton-  und  Farbenempfindungen."  Aber  erst 
durch  die  Arbeit  Nussbaumers  (Klin.  med.  Wochenschr. 
1873  No.  1  —  3.)  wurde  die  Aufmerksamkeit  weiterer 
Kreise  auf  die  Erscheinung  gelenkt.  Dann  folgte  eine 
grössere  Anzahl  von  Arbeiten  auf  diesem  Gebiete.  Medi- 
ciner,  Componisten  (Joachim  Raff)  u.  A.  bestätigten  die 
Thatsache,  jedoch  traten  sehr  grosse  individuelle  Ver- 
schiedenheiten zu  Tage. 


I  So   sah    eine   von    Pedrono  (Ann.  d'ocul.    1882  Nov. 

u.  Dez.)  beobachtete  Person  bei  den  Klängen  des  Har- 
moniums Gelb;  die  Clarinette  erzeugte  Roth,  das  Piano 
Blau.  Beim  Sprechen  sah  sie  Blau,  Gelb,  Roth  und  Grün; 
Blau  am  häufigsten  und,  im  Gegensatz  zu  Hoffmann, 
Grün  am  seltensten.  Ein  Arzt,  über  welchen  Ughetti 
(La  Natura.  1884)  berichtet,  hatte  beim  Hören  der  Flöte 
die  Empfindung  Roth;  Clarinette  Gelb,  Guitarre  und  Trom- 
pete Goldgelb,  Piano  Weiss.  Deichmann  („Erregung 
secund.  Empf.  i.  Geb.  d.  Sinnesorgane."  Dissert.  1889) 
beschreibt  die  Farbenerscheinungen,  welche  bei  ihm 
selber  durch  den  Schall  einiger  Instrumente  hervorgerufen 
werden:  Flöte  erzeugt  Blau  oder  Blaugrüu,  Clarinette 
Gelbweiss  u.  s.  w. 

Malonay  (New-York  Med.  Journ.  u.  Sc.  1888)  nimmt 
an,  dass  hier  ein  mechanischer  Reiz  der  Sehnerven  vor- 
liegt. Die  Schädelknochen  werden  durch  den  Schall  in 
Schwingungen  versetzt,  und  diese  wirken  auf  den  Opticus. 

Deichmann  verlegt  den  ( )rt  des  Zustaudekonmiens  in 
die  Sinnessphären  des  Grosshirns.  Er  glaubt,  eingedenk 
der  zahlreichen  Associatiationsfasern,  welche  die  ver- 
schiedenen Einzelbezirke  der  Hirnrinde  mit  einander  ver- 
knüpfen, dass  der  Reiz,  welcher  einem  bestinnnten  Rinden- 
centrum  zugeleitet  wird,  unter  gewissen  Umständen  durch 
jene  Associationsfasern  auf  ein  anderes  benachbartes 
übergeht  und  dieses  in  Miterregung  versetzt.  Eine  Aus- 
nahmestellung komme  den  mit  Secundärempfindungen  be- 
hafteten Personen  nur  insofern  zu,  als  bei  ihnen  dieser 
Irradiationsvorgang  besonders  leicht  von  statten  ginge. 


360 


Naturwisseuscliaftlicbe  Wochenschrift. 


Nr.  34. 


Collineau  (Rev.  de  l'EcoIe  d'Aiithroii.  1891.  Juni), 
Niniier  (Gaz.  hebd.  Med.  Chir.  1891,  S.  134)  und  de  Men- 
doza  (L'Audition  coloree.  Paris  1891)  suchen  die  Er- 
scheinung; mit  dem  Timbre  der  Instrumente  in  Zusammen- 
hang zu  bringen. 

Der  Vorgang  iä.sst  sich  jedoch  einfacher  erklären. 
Die  Versuchsperson  associirt  natürlich  leicht  auf  den  Ton 
einer  Trompete,  einer  Glocke  u.  s.  w.,  das  Photisnia 
einer  Trompete,  einer  Glocke.  Bemüht  sie  sich  nun,  eine 
Farbe  bei  der  Schallempfindung  zu  sehen,  .so  abstrahirt 
sie  unbewusst  die  Farbe  jenes  Photisnia.  Ist  das  mehr- 
mals geschehen,  so  bilden  sich  die  Associationsfasern 
zwischen  den  beiden  Centren  immer  mehr  aus.  Deshalb 
sieht  die  Versuchsperson  üghetti's  beim  Trompetenton 
Goldgelb;  Deichniann  bei  Blechin.strunicnten  Gelb,  l)ei 
Glocken  einen  Ton  zwischen  Orange  und  Braun.  Dem 
Blau,  welches  er  beim  Hören  der  Stimmgabel  sieht,  ent- 
spricht die  Farbe  des  Stahls.  Die  weissen  Tasten  des 
Claviers  lassen  dem  von  Ughetti  erwähnten  Arzt  den 
Ciavieranschlag  weiss  erscheinen;  das  Holz  des  Harmoniums 
giebt  sich  bei  Pedrono  als  Gelb  wieder,  das  der  Clari- 
nctte  als  Bra^nroth.  Achnliche  Resultate  ergeben  die 
Beobachtungen  von  Velardi,  Berti,  Barcggi,  Quaglino, 
Lussana,  Grazzi,  Algavc,  Baratoux,  Fechner,  Fere,  llil- 
bert,  Galton,  Meyerhausen,  Schenkel  u.  A.  Eine  von  mir 
befragte  Person  sah  während  eines  Concertes  sogar  den 
Metallglanz  des  Gelben  bei  Posaunenstössen. 

Aber  das  Farbenhören  tritt  auch  beim  Hören  von 
Buchstaben  ein.     Es  wurde  gesehen: 


a 

e 

i 

0 

u 

Rochas. 

Alter  Advokat 

Karmin 

Weiss 

Schwarz 

Gelb 

Azurblau 

Eochas.    Dame. 

Gelb 

Weiss 

Schwarz 

Roth 

Roth 

Deichmann. 

Roth 

Gelb 

Weiss 

Rothbraun 

Schwarz- 
braun 

Berti. 

Grau 

Blau 

Ughetti. 

Schwarz 

Gelb 

Roth 

Weiss 

Kaffeebraun 

Verlaine  erklärt  in  seinem  Sonett,  dessen  Anfang  als 
Motto  benutzt  wurde: 

„A,  noir  corset  velu  de  mouches  eclatantes 
Qui  bourbillent  autour  de  puanteurs  cruelles. 

Golfes  d'ombre.     E,   candeur   des  vapeurs   et  des  dentes, 
Lames  des  glaciers  fiers,   rois  blancs,  frissons  d'ombelles. 
I,  pourpres,  sang  crache,  rire  des  levres  belies 
Dans  la  colere  ou  les  ivresses  pcnitentes. 

U,  cycles,  vibrements  divins   des  mers  virides 
Paix  des  pätis  semes  d'animaux,  paix  des  rides 
Que  ralehimie  iniprime  aux  grands  forts  studieux. 

0  suprcme  clairon  plein  de  strideurs  etranges 
Silences  traverscs  des  mondes  et  des  anges; 
0  l'omega,  rayon  violet  de  ses  yeux!" 

De  Briale  (La  Nature.  1885.  II.  S.  343)  glaubt  die 
Erscheinung  durch  eine  unvollkommene  Erinnerung  an 
eine  Farbenvvahrnehmung  deuten  zu  können,  welche  früher 
mit  dem  Hören  oder  Lesen  des  Buchstaben  verknüpft 
war.     Die   betreffenden  Personen  könnten  i.  B.    in  ihrer 


Jugend  Bücher  gehabt  haben. 


n  welchen  der  Buchstabe 
A  rotli,  E  violett  u.  s.  w.  war.  Es  wäre  das  ein  weiterer 
Beweis  für  meine  Annahme  einer  unvollkoimnenen  Asso- 
ciation. 

Complicirter  ist  der  Vorgang   bei   dem   von  Eckardt 
erwähnten  Fall.    Der  Blinde  associirte  walirscheinlicli  bei 

hm  ein  Vertreter  des  Grossen 
Schiller    —   Erhaben    —  Purpur- 


dem   Worte  Schiller,    „der 
war" : 


e  angewandt 

Beobachtungen  der  früher  genannten 

sich  nicht  damit  in  Zusanimenhang  bringen. 


und    Erhabenen 
mantel  —  Roth. 

Danach  müsste  de  Rochas,  welcher  beim  Anhören 
verschiedener  Sprachen  verschiedene  Farben  sah;  —  so 
bei  Deutsch,  Englisch  und  Französisch  Grau,  bei  Spanisch 
Rothgelb  und  bei  Italienisch  Gelb,  Roth  und  Schwarz  — 
wahi-scheinlich  beim  Anhören  einer  Indianersiirache  Kupfer- 
roth gesehen  haben. 

Ich  will   nicht  behaupten,   dass   die  Erklärung  durch 
eine  unvollkommene  Association' auf  alle  Fä 
werden  kann.    Viele 
Forscher  lassen 

Auch  nicht  die  pathologischen  Fälle,  welche  neuerdings 
Albertoni  beschrieb.  Derselbe  wies  nach,  dass  Farben- 
blinde auch  typische  Defecte  der  Gehörscnipfindung 
zeigen.  So  nahmen  zwei  Rothblinde  das  g  nicht  wahr 
und  konnten  es  im  Gesang  niciit  richtig  wiedergeben. 
Bei  einem  Grünblinden  fehlte  die  P]mpfindung  für  d. 

Eine  Reihe  von  Versuchen,  welche  ich  im  Psycholo- 
gischen Institut  in  Freiburg  i.  B.  (Münsterberg)  anstellte, 
blieben  ohne  Ergebniss.  Die  Versuchsperson  betrachtete 
aus  einer  Entfernung  von  2  m  durch  ein  Rohr,  welches 
alles  Nelienlicht  ausschloss,  eine  kleine  farbige  Glas-  oder 
Seidenpapierfläche,  welclie  von  der  Rückseite  gleich- 
massig  beleuchtet  wurde.  Die  Oeffnung  des  Brettes, 
hinter  welchem  sich  diese  befand,  konnte  von  0,3  bis 
2,4  mm  Durchschnitt  um  je  0,1  mm  vergrössert  werden. 
Ermüdungserscheinungen  wurden  dadurch  vermieden,  dass 
die  Person  vor  jeder  Aussage  eine  bestimmte  Zeit 
die  Augen  sehloss  und  bald  durch  eine  andere 
wurde.  Ich  Hess  die  verschiedensten  Reize  auf  sie  wirken 
mit  Stimmgabeln,  Cri-Cri,  Ciavier,  reine  Töne  und  Disso- 
nancen  u.  s.  w. ;  ferner  angenehme  und  unangenehme 
Gerüche,  Kälte,  Elektricität;  Combinationen  dieser  Reize; 
sie  musste  activen  Druck  und  Zug  ausüben;  ihre  Auf- 
merksamkeit wurde  durch  Rechnen  abgelenkt  u.  s.  w. 
Die  kleinen  Verschiedenheiten,  welche  die  Aussagen  der 
untersuchten  Personen  ergaben,  waren  zuweilen  grö.sser  bei 
desselben  Versuches  als  bei  zwei  ver- 
Auch  die  unklaren  Resultate,  welche  Urbant- 


lang 
abgelöst 


Wiederholung 
schiedcnen. 

schitsch  (Pflüger's  Arch.  Physiol.  1888.  XLII.  S.  154)  bei 
einer  ähnlichen  Untersuchung  erhielt,  machen  die  Erklä- 
rung der  Gehörfarben  durch  physische  Vorgänge  sehr  un- 
wahrscheinlich. 

Nicht  zu  verwechseln  mit  solchen  qualitativen  Ver- 
änderungen sind  die  quantitativen,  welclie  häufiger  auf- 
treten. Diese  Erscheinungen,  wie  ich  sie  bei  einigen  Per- 
sonen bei  Einwirkung  eines  unerwarteten  Schalles,  bei 
Schmerz  und  Aehnlicliem  beobachtete,  sind  auf  längst 
bekannte  Reactionen  der  Iris  (durch  den  Sympaticus) 
zurückzuführen.  Die  alten  Folteracten  beweisen  sie,  und 
nach  Foä  und  Schiff  finden  sie  selbst  durch  leichte  Tast- 
eindrücke statt.  Alte  Leute  nehmen  zuweilen  Schnupf- 
tabak, um  besser  sehen  zu  können. 

Die  Veränderung  der  Liclitintensität  kann  qualitative 
Veränderung  des  Farbentons  zur  Folge  haben  (Albert, 
Ann.  Phys.  Chem.  1882.  —  Liesegang,  Phot.  Arch.  1891, 
S.  292);  doch  können  diese  bei  den  kleinen  Schwan- 
kungen der  Pupillenweite  von  keiner  grossen  Bedeu- 
tung: sein. 


Nr.  34. 


Naturwissensciiaftlichc  Wochenschrift. 


361 


Uiitersuchuiigeii  über  den  kleinsten  Gesichts- 
winkel, d.  h.  (Ion  Winkel,  nnter  wcichi'ni  zwei  ins  Ani;e 
tretende  Lichtstrahlen  im  Mininuini  ^-enei.^t  sein  dürfen, 
um  nocli  als  i;-etrcnnte  .Strahlen  zu  erscheinen,  hat 
E.  A.  Wiilfling'*)  kürzlich  veröflentliclit. 

In  den  Handiiüehern  der  Anatomie  und  Physiologie 
giebt  man  den  Querdurchmesser  der  Coni  in  der  Fovea 
centralis**)  zu  0,6  — 1,0 /y.  an  und  als  ihren  gegenseitigen 
Abstand  2,0—2,5  fi.  Zwei  Strahlen  müssen  daher,  um 
zwei  benachbarte  lielitemplindliehe  Klementc  zu  tretüen, 
einen  Winkel  von  20"  (d.  h.  V,^„°)  bilden.  Im  AVider- 
sprueh  hiermit  steht  jedoch  die  Tliatsaehc,  dass  als 
kleinster,  bisher  beobaciitcter  Gesichtswinkel  stets  nur  1' 
(also  nur  '/,io°)  .lugcgcbcn  wird.  Diese  auffallende  Differenz 
erklärt  W.  daraus,  dass  man  sich  bei  den  hierauf  bezüg- 
lichen Versuchen  meist  iiaralleler  Linien  oder  schwarzer 
Punkte  auf  weissem  Grunde  bediente.  Infolge  der  hierbei 
auftretenden  Irradiation  erscheinen  nun  al)cr  zwei  nahe 
neben  einander  liegende  Punkte  auch  bei  vollkommenster 
Accomodatiou  als  kleine  kreisförmige  nacli  dem  Rande 
hin  abschattirte  Flächen,  welche  bei  grösster  Annäherung 
der  Punkte  theilweise  über  einander  fallen  und  den  Kin- 
druck im  Auge  zu  einem  verwaschen. 

Durch  Beobachtung  von  Nonieu  (als  schwarze  Linien 
auf  weissem  Grunde  gezeichnet)  konnte  W.  noch  Winkel 


von   12" 


°)    und    bei  Versuchen    mit  verstellbaren 


Spalten  (welche  als  weisse  Linien  auf  schwarzem  Grunde 
erschienen)  sogar  noch  solche  von  10"  (=  ^^^o")  er- 
kennen. W.  schliesst  daraus,  dass  man  bei  günstigsten 
Helciichtungs- Verhältnissen,  d.  h.  bei  Linien,  welche  sich 
ganz  besonders  scharf  von  ihrem  Grunde  abheben,  als 
Grenze  der  Wahrnelunbarkeit  vielleicht  einen  noch  klei- 
neren Gesichtswinkel  erhalten  würde.  R.  M. 


Die  m.yrmekoi»hilen  Akazien,   über   die  C.   Keller 

(s.  „Naturw.  Wochenschr."  Bd.  7,  S.  496)  berichtet  hat, 
sind  schon  vor  ihm  bekannt  gewesen.  C.  Emery,  (Zool. 
Anz.,  No.  394,  S.  237)  tjieilt  mit,  dass  schon  1876  Iteob- 
achtungeu  von  J.  Monkhouse-Hutchinson  veröff'entlicht 
worden  sind,  der  in  Natal  Akaziendornen  fand,  die  von  den 
Ameisen  Meranoplns  intrudens  F.  Sm.  und  Sima  natalcnsis 
F.  Sm.  bewohnt  waren.  Auch  eine  Biene  aus  der  Gattung 
Allodape  kam  in  ihnen  vor.  Bemerkenswerth  ist  es,  dass 
Sima  der  typischen  amerikanischen  symbiotiscli  lebenden 
Ameisengattnng  Pseudomyrma  sehr  nahe  konnnt.       M. 

Dass  die  Maden  der  der  Stubenfliege  nahestehenden 
Lucilia  sylvarum  iMeigm.  an  lebenden  Kröten  schmarotzen, 
ist  neuerdings  mehrfaeh  beobachtet  worden.  Georg 
Duncker  fand  bei  Kiel  wiederholt  Exemplare  von  Bufo 
vulgaris  Lam-.,  deren  Nasenlöcher  die  Maden  der  ge- 
nannten Fliegen  besetzt  hatten.  (Auffällige  EntwickeUing 
von  L.  sylv.  Meigm.  Zool.  Anz.  No.  379,  S.  4ö3).  Die 
Schmarotzer  hatten  sogar  die  Backen-  und  Halsmuskulatnr 
zerstört.  Aus  einem  Cadaver  wurden  die  Fliegen  erzogen. 
Eine  zu  ihnen  gebrachte  Kröte  zeigte  keine" Furcht %or 
ihnen,  sondern  frass  fast  40  Stück  auf  Einen  ähnlicli(>n 
l'^all  erwähnt  Fr.  Meinert.  Er  fand,  dass  eine  Lucilia  sp. 
ihre  Eier  auf  die  Rückenliant  der  Kröte  absetzte.  Die 
Larven  drangen  sodaini  in  die  Augen  des  Lurches  ein. 
Endlich  konnte  R.  C.  iMortenscn  die  Dnnckersche  Beoii- 
achtujng  bestätigen.    (L.  sylv.  als  Schmarotzer  an  1!.  vnlg. 

*)  Zt'itschr.  f.  Biologie.     -.'9.  Bd.  Hoft  2.    S    V.19. 

**)  fl.  h.  der  ziipffiiföriiiigeu  Norven  KiuIl-u  in  der  .sug. 
Stäbflicn  Scliicht  der  Nutzliaut.  Den  in  dm-  horizontalen  A.\e,  in 
der  Mitto  der  Hinterwund  des  Augapfel.-^  gelegenen  und  für 
Liclitemdrücke  besonders  stark  empfindliehen  Theil  der  Netzhaut 
nennt  man  fovea  centralis  (auch  „gelbor  Fleck-'). 


Zool.  Anz.  No.  392,  S.  193.)  Er  fand  bei  Kopenhagen 
eine  Kröte  deren  Nase  die  genannten  Maden  enthielt. 
Dieselben  tödteten  den  Wirth,  krochen  dann  in  die  Erde 
und  verpuppten  sieh  hier.  Die  Frage,  ob  die  Lueilicn 
etwa  nur  kranke  Tliiere  befallen,  ist  nicht  sicher  gelöst. 
Duncker  glaubt  sie  verneinen  zu  müssen.  M. 


Ueber  die  Feldnian.splase  in  Schottland    hat  die 

deswegen  eingesetzte  Konnnission  unlängst  ihren  lierielit 
erstattet,  der  insofern  von  allgemeinem  Interesse  ist,  als 
darin  auch  des  von  Professor  Löft'ler  entdeckten  Mäuse- 
typhus-Bacillus*)  nnd  der  damit  gemacliten  Erfahnmgen 
eingebend  Erwähnung  geschiciit.  Wir  entnehmen  dem 
I5erichte  nach  der  „Nature"  (10.  Juli  1893)  das  Folgende: 
.,Die  in  so  ungeheurer  Zahl  und  so  zerstörend  auf  den 
südlichen  Berg-Farmen  auftretende  Art  ist  die  kurz- 
schwänzige  Wühlmaus  (Arvicola  agrestis),  welche  auf  den 
Weidegründen  Englands  zu  jeder  Jahreszeit  und  in  allen 
Hrdicn  angetroffen  wird.  Gewöhnlich  wirft  sie  3-  bis 
4  mal  je  4  bis  8  Junge  im  Jahre;  in  manchen  Zeiten 
aber  ist  sie  weit  fruchtbarer,  die  Wurfzeit  dauert  alsdann 
bedeutend  länger,  und  Junge  können  von  Februar  bis 
November  beobachtet  werden.  Die  einzelnen  Würfe  be- 
stehen in  solchen  abnormen  Zeiten  aus  10  und  selbst 
mehr   Jungen. 

Der  Beginn  der  gegenwärtigen  Plage  muss  bis  in 
das  Jahr  1888  zurückdatirt  werden,  wo  man  bereits  eine 
Zunahme  der  ftfäuse  auf  der  Glenkerry-Farm  und  an  an- 
deren Orten  in  Selkirkshire  k(nistatiren  k(mnte.  Im 
Scnnmer  1.S89  waren  die  tiefliegenden  Weidegründe  bei 
Closcburn  (Dunifriesshire)  von  ungeheuren  Mengen  dieser 
Schädlinge  lieinigesucht,  welche  sich  dort  auch  das  Jahr 
1890  über  hielten,  dann  aber  im  Laufe  von  1891  ver- 
schwanden und  wahrscheinlich  nach  den  höher  gelegenen 
Gegenden  zogen,  über  welche  sie  sich  im  Juni  1892  aus- 
breiteten. 

Hau])tsächlich  davon  zu  leiden  haben  die  Bergwiesen 
nordwestlich  von  Roxburglishire,  die  südlichen  Thcile  der 
Grafschaften  Sclkiik,  Peebles  und  Lanark  und  endlich 
der  Norden  von  Dumfries  zwischen  Eskdalenniir  (Moff'at) 
und  Thornhill.  Viele  Mäuse  sind  auch  in  der  Gegend 
von  Dalry,  Carsjjliairn  und  Kirdcudi)right  beobachtet 
worden. 

Ein  genauer  Kenner  der  Verhältnisse,  R.  F.  Dudge, 
schätzt  die  Sehadenfläche  in  Roxburglishire  auf  30—40 
Tausend  acres,  wovon  12— lo  Tausend  vollständig  ver- 
wüstet sind,  in  Dunifriesshire  auf  40—50  Tausend  und  in 
Kirkcudbright  auf  10 — 12  Tausend  acres. 

Dem  IJcrichte  der  Kommission  ist  eine  Karte  beige- 
gegeben,   auf  welelier    sich    der  von    den    Mäusen   Iieim- 


lange 


gesuchte  Landstrich  als  eine  600  englische   Meilen 
und  12  —  20  englische  Meilen  breite  Zone  darstellt. 

Die  Kommission  ist  zu  den  folgenden  Schlüssen  ge- 
langt: Sie  sieht  sich  vollkommen  ausser  Stande,  irgend 
eine  geeignete  JIcthode  zu  empfehlen,  welche  wirksam 
wäre,  um  der  gegenwärtigen  Kalamität  ein  Ende  zu 
setzen.  Dieselbe  scheint  wieder  einmal  dafür  ein  Beispiel 
zu  sein,  welche  Gewalt  kleinen  Geschöpfen  innewohnt  und 
vyic  massenhaft  die  letzteren  sich  unter  günstigen  klima- 
tischen und  Nahrungsverhältnissen  zu  vermehren  im  Stande 
sind.  Die  Ei'fahrung  lehrt,  dass  ein  Zusammentreffen  so 
glinstiger  Bedingungen  stets  auch  dieselbe  Plage  zeitigt. 
Es  ist  daher  jedes  Landniannes  und  Schafzüehters  Pflicht, 
stets  aufzupassen  und  den  vorgesetzten  Instanzen  sofort 
Mittheilung  zu  machen,  sobald  er  irgend  wie  ein  Häufiger- 
werden der  Schädlinge   bemerkt,    damit   geeignete  Mittel 

*)  Vorgl.    „Naturwissenschaft!.  Wocheiischr."    VIT,  S.   396    ff": 
VIII,  S.  273. 


362 


Naturwissenschat'tlicbe  Wochenschrift. 


Nr.  34. 


nicht  uur  auf  einer  Farm  allein,  sondern  im  ganzen  Be- 
zirlvc  ergriffen  werden  liönnen. 

Die  wirksamsten  Mittel  scheinen  periodisches  Ab- 
brennen der  Wiesen  und  Stoppeln  zu  sein,  worauf  dann 
die  Menschen  selbst  mit  Holzspaten  und  Hunden  in 
Thätigkeit  treten.  Geschieht  dies  sofort  beim  Ausbruch 
der  Plage,  so  ist  alle  Aussicht  vorhanden,  dass  dieselbe 
ganz  abgewendet,  oder  doch  sehr  eingeschränkt  wird. 
Vor  allen  Dingen  nmss  sofort  der  Besitzer  des  Grund  und 
Bodens  benachrichtigt  werden,  damit  er  seine  rächter 
und  Beamten  zu  gegenseitiger  Unterstützung  anhält, 
weil  sonst  bei  weniger  schnellem  Einschreiten  das  Uebel 
rascii  wächst  und  bald  alle  Kreise,  welche  mehr  oder 
minder  von  der  Landwii'thschaft  al)hängig  sind,  in  Mit- 
leidenschaft zieht. 

Wo  kleinere  Landparzellen  befallen  sind,  empfiehlt 
sich  die  Anwendung  von  Grubeufalleii,  welche  am  Boden 
weiter  als  an  der  Oeft'nung  und  etwa  18  Zoll  tief  sind. 
Die  Mäuse  fallen  in  dieselben  hinein  und  können  nicht 
entrinnen-,  das  Land  ist  bald  von  ihnen  gesäubert.  Ver- 
giftetes Korn  kann  die  Konnnission  höchstens  nur  bei  ganz 
kleinen  Ackern  empfehlen. 

Die  Kommission  hat  von  der  durch  Professor  Löffler 
angewandten  JMetliode  kein  günstiges  Resultat  zu  erzielen 
vermocht.  Der  Vorsitzende  und  Sekretär  haben  sich  in 
Thessalien  persönlich  davon  überzeugt,  dass  die  wirk- 
lichen Resultate  weit  hinter  den  erhoft'ten  zurückbliebeu. 
In  manchen  Theilen  l'liessaliens  waren  die  Mäuse  nach 
den  Aussagen  der  Laudeigentlüimer  und  anderer  Personen 
im  Januar  1893  ebenso  zaiilvcich,  wie  je  zuvor.  Die 
Kommission  giebt  gern  zu,  dass  die  Löft'ler'sche  Flüssig- 
keit im  frischen  Zustande  ein  wirksames,  wenn  auch 
etwas  dilatorisches  Gift  für  Mäuse  etc.  ist  und  überdies 
vor  mineralischen  Giften  den  Vortheil  hat,  dass  es  er- 
fahrungsgemäss  für  Menschen  und  andere  Thiere  un- 
schädlich ist. 

Prof.  Löffler  hat  die  ihm  aus  Schottland  zu  Versuchs- 
zwecken lebend  übersandten  Jläuse  ebenso  für  den  Mäuse- 
typhusbacillus  empfänglich  gefunden,  wie  ihre  griechischen 
Verwandten,  Indessen  stehen  der  Anwendung  des  Mittels 
drei  Hindernisse  im  Wege,  welche  es  mit  Ausnahme  von 
Häusern,  Gärten,  eingehegten  Acekern  und  anderen  kleinen 
Landparzellen  nahezu  werthlos  machen: 

i.  Die  bedeutenden  Kosten.  Das  der  griechischen 
Regierung  gelieferte  Mittel  kostete  4  Schillinge  (ca.  4  M.) 
pro  Gefäss  und  genügte  für  zwei  Aecker.  In  Scliottlaud 
würde  dieser  Preis  in  vielen  Fällen  den  Ertrag  der  Berg- 
weiden übersteigen.  Vermehrt  werden  die  Kosten  noch 
durch  das  zur  Vertheilung  nöthige  Brod.  Sollte  denniach 
ein  schottisches  Berggut  von  beispielsweise  6000  acrcs 
wirksam  damit  behandelt  werden,  so  würde  dies  einen 
Kostenaufwand  von  700 — 1000  I'fund  Sterling  verursachen 
—  dadurch  käme  das  Mittel  theurer  zu  stehen  als  der  an- 
gerichtete Schaden. 

2.  Der  Mäusetyphus  ist  nicht  contagiös.  Er  kann  nur 
auf  solche  Thiere  übertragen  werden,  welche  von  dem 
Virus  selbst  geniessen.  Die  Annahme,  dass  gesunde  Thiere 
durch  das  Verzehren  solcher  am  Mäusctyithus  Verendeter 
inticirt  werden,  ist  nicht  genügend  bestätigt  worden.  Die 
Beobachtung,  dass  griechische  Mäuse  in  der  Gefangenschaft 
die  Kadaver  ihrer  Artgenossen  auffrassen,  bedingt  noch 
nicht,  dass  die  schottischen  es  in  freiem  Znstande  ebenso 
machen;  und  wenn  die  Krankheit  nicht  von  einem  leben- 
den Thiere  auf  ein  anderes  übertragbar  ist,  so  lässt  sich 
schwer    absehen,   wie   das  Mittel  im  Grossen  wirken  soll. 

3.  Die  Flüssigkeit  wird  in  8  bis  10  Tagen  nach  der 
Herstellung  unwirksam.  Wenn  demnach  Regenwetter  oder 
Schneefall  die  Vertheilung  des  Mittels  über  ein  Areal 
unterbräche,  so  würde  seine  Wirkung  überhaupt  illusorisch. 


Am  wirksamsten  hat  sich  in  Thessalien  Schwefel- 
kohlenstoff' erwiesen,  dessen  Dämpfe  in  die  Löcher  geleitet 
wurden;  indessen  ist  dies  IMittel  noch  kostspieliger  und 
überdies  für  die  damit  Arbeitenden  schädlich.  Dazu  konunt, 
dass  die  schottische  Wühlmaus  (Arvieola  agrestis)  nicht 
solche  tiefen  Löcher  gräbt,  wie  ihre  thessalisehe  Ver- 
wandte (Arvieola  Güntheri),  sondern  nur  in  oberflächlichen 
Gängen  zwischen  den  Wurzeln  der  Kräuter  lebt;  mithin 
die  Anwendung  von  Schwefelkohlenstoftdämpfen  aus- 
schliesst. 

Die  Konmiission  bespricht  alsdann  die  natürlichen 
Feinde  der  Mäuse  und  theilt  dieselbe,  mit  Ausnahme  der 
drei  weiter  unten  zu  nennenden  Arten,    in  zwei  Klassen: 

I.  Mäusevertilger,  welche  dem  Landmanne  wenig  oder 
keinen  Schaden  zufügen  (ungefährlich  für  Schafe,  Getreide, 
Geflügel):  Alle  Arten  von  Eulen,  Bussarde,  Kestrels  und 
die  kleineren  J\löwen. 

II.  Mäusevertilger,  welche  dem  Landnianne  schädlich, 
daher  von  der  Schonung  auszuschliessen  sind:  Füchse, 
Raben,  Aaskrähen,  Seemöwen,  Nattern. 

Die  Kommission  eniptiehlt  dringend  Maassnahmeu  zur 
Verhütung  des  Wegfangens  und  Tödtens  der  unter  I  auf- 
geführten Vögel.  Wenn  diese  zahlreich  vorhanden  sind, 
so  vermögen  sie,  wenn  auch  nicht  die  Plage  zu  verhüten, 
so  doch  bedeutend  abzuschwächen,  und  die  Erfahrung  hat, 
z.  B.  hinsichtlich  der  kurzohrigen  Eule,  gelehrt,  dass  sie 
bei  ungewöhnlich  reichlicher  Nahrung  sich  überaus  stark 
vermehrt.  Auf  alle  Fälle  sind  sie  dem  Menschen  höchst 
nützliche  Verbündete  in  der  Bekämpfung  von  Schädlingen, 
die  auf  dem  Boden  leben.  Ferner  schlägt  die  Konnnission 
die  strengsten  Maassregeln  vor,  um  das  Wegfangen  der 
Habichte  mittels  Fallen  zu  verhindern,  da  es  sowohl  un- 
menschlich als  auch  ungerechtfertigt  ist,  und  gleichzeitig 
auch  ganz  unschädliche  Eulen,  Kestrels  und  Bussarde 
auf  diese  Weise  vernichtet  werden. 

Ausser  den  oben  genannten  Thieren  giebt  es  noch  drei 
Arten,  welche  eifrigste  Mäusevertilger  sind,  gleichzeitig 
aber  auch  dem  Geflügel  gefährlich  werden.  Die  erste  ist  die 
gewöhnliche  Saat-  oder  Mandelkrähe,  deren  Nützlichkeit 
für  den  Landmann  jetzt  aber  allgemein  anerkannt  wird. 
Die  beiden  anderen  Thiere  sind  der  Iltis  und  das  Wiesel. 
Dem  Geflügelzüchter  sind  sie  am  meisten  verhasst,  und  es 
ist  wohl  kaum  angängig,  für  den  Iltis  in  der  Nachbar- 
schaft von  Geflügelställen  und  Fasanerien  Schonung  zu 
empfehlen.  Dagegen  thut  letzteres  die  Kommission  unbe- 
dingt hinsichtlich  des  Wiesels,  welches  ein  wüthender 
Mäusejäger  ist  und  dem  Geflügel  nur  wenig  Schaden  zu- 
fügt. Wenn  nicht  anders,  so  sollte  man  dem  Letzteren 
wenigstens  auf  den  Mooren  und  Bergwiesen  nicht  nach- 
stellen, weil  es  hier  wenig  Schaden  anzurichten  vermag, 
dagegen  durch  ^'ernichtung  zahlreicher  Schädlinge  sehr 
nützlich  werden  kann. 


Zwei  neue  Trapa-Lager  in  Westpreussen.  —  Etwa 

1  km  östlich  von  Schadrau  bei  Sclnincck  in  Westpreussen, 
zwischen  den  nach  Neu-  und  nach  Alt-Englershütte  füh- 
renden Wegen,  liegt  ein  Torfbrueh,  welches  neuerdings 
insofern  die  Aufmerksamkeit  weiterer  Kreise  auf  sich  ge- 
lenkt hat,  als  dort  vom  Besitzer  Derra  ein  Einkahn  zu 
Tage  gefördert  ist.  Aus  diesem  Anlass  besuchte  ich  ge- 
meinsam mit  Henn  Treichel-lloch-Paleschkcn  am  1.  August 
die  vorerwähnte  (»ertlichkeit  und  stellte  Nachfolgendes  fest. 
Am  Nordrande  des  Bruches,  wo  der  schwarze  Torf 
schon  früher  bis  1  m  tief  abgestochen  war,  steht  derselbe 
noch  0,4  m  mächtig  an.  Er  enthält  von  grösseren  Ein- 
schlüssen: Stamm-  und  Aststücke  von  Eichen,  Birken, 
Kiefern  u.  s.  w.  und  an  einzelnen  Stellen  viele  Zapfen 
der  letzteren  Baumart;    überdies   iindet  sich  auch  ange- 


Nr.  34. 


Naturwissenschaf'tliclic  Wochenschrift. 


86.S 


brannte»  Kiefernholz  in  derselben  Schicht.  Das  Lieg'endc 
derselben  bildet  gelblichbrauner  Lebertorf  —  dort  Fuchs 
genannt  — ,  der  auch  noch  einzelne  Kicfern/apfen,  vor- 
nehndieh  aber  zahlreiche  verdrückte  Wassernüsse  (Trapa 
natans  L.)  nebst  anderen  Früchten  und  Hamen,  sowie 
Flügeldecken  von  Küfern  u.  a.  führt.  Auf  das  Voi'- 
liandensein  dieser  Schicht  war  ich  aufmerksam  geworden, 
weil  ieii  schon  vorher  in  den  dort  in  Haufen  gesetzten 
Ziegeln  ein  paar  zusammengetrocknete  Trn])a  Früchte  be- 
merkt hatte. 

Am  Ostendc  des  Bruches  war  schon  seit  lauger  Zeit 
eine  grössere  Fläclie  tiefer  ausgestochen  und  iiatte  sieh 
nachher  mit  Wasser  gefüllt,  in  welches  man  Karauschen 
(Oarassius  vulgaris  Nilss.)  eingesetzt  hatte.  IJeini  Fischen 
mit  Netzen  hiernach  war  man  auf  jenen  Kahn  gestossen, 
dessen  eines  Ende  ins  Wasser  ragte,  während  das  andere 
noch  im  torfigen  Untergrund  steckte.  Das  Fahrzeug  ist 
13,90  m  laug  und  0,45  m  breit  und  im  Innern  mit  zwei 
aus  dem  vollen  Holz  gearl)eitctcn  Querwänden  versehen. 
Es  besteht  aus  Holz  von  Pinus  silvcstris  L..  das  ober- 
Hächlich  vom  Wasser  stark  angegriften  ist  und  daher 
schon  lange  Zeit  der  Einwirkung  desselben  ausgesetzt 
gewesen  sein  niuss.  Sein  Alter  ist  kaum  annähernd  zu 
bestimmen,  zumal  jegliche  Beigaben  fehlen;  indessen  lässt 
die  Verwendung  von  Kiefernholz  zum  Bau  nicht  darauf 
schliessen,  dass  es  einer  frühg-eseiiichtliciicn  Zeit  angehört. 
Die  alten  Einkähne,  wie  ein  solcher  z.  B.  in  dem  gleich- 
falls im  Kreise  Bereut  gelegenen  Przsiboda-See  früher 
gefunden  Avurde,  bestehen  hier  durchweg  aus  Eichenholz. 

Das  andere  Torfbruch,  in  weleiiem  Trappa  natans  L. 
fott.  vorhanden  ist,  erstreckt  sich  um  eine  ehemalige 
Insel  bei  Ostrow  Lewark,  3  km  westlich  von  Stuhm. 
Die  Früchte  sind  den  Besitzern  schon  seit  Jahrzehnten 
bekannt,  ohne  dass  sie  denselben  eine  besondere  Be- 
achtung geschenkt  hätten.  Erst  als  neulich  Herr  Töebter- 
schullehrer  Floegel  in  Marienburg  im  Interesse  des  Pro- 
vinzial-Museums  bei  fTelegenheit  eines  'i'orfeinkaufs  nach- 
fragte ob  etwa  auch  Wassernüsse  dort  vorkämen,  wurde 
ihm  dies  bestätigt.  Darauf  reisten  wir  am  11.  d.  M. 
gemeinsam  dorthin  und  trafen  die  mit  zahlreichen  Früchten 
von  Trapa  natans  L.,  ferner  mit  Zapfen  von  Pinus 
silvcstris  L.  u.  a.  erfüllte  Schicht  etwa  2  m  unter  Tage 
im  nördlichen  Theile  des  Bruches  unweit  der  von  Wcissen- 
berg  nach  Stuhm  führenden  Chaussee  an.  In  derselben 
Schicht  und  besonders  im  Hangenden  finden  sich  auch 
Holz  unrl  liindenreste  von  Kiefern,  Birken,  Erlen  u.  a.  ni. 

Durch  die  obigen  neuen  Funde  von  Trapa  natans  L. 
ist  in  Westpreussen  das  fünfte  und  sechste  grössere  Lager 
fossiler  Früchte  dieser  jetzt  hier  ansgest(u-benen  Wasser- 
pflanze festgestellt,  und  zwar  vertheileu  sich  die  bisher 
bekannten  Fumhn-te  folgendcrniaassen.  Reg. -Bez.  Danzig: 
Mirchau  im  Kreise  Karthaus  und  Schadrau  im  Kreise 
Bereut.  Reg.-Bez.  Marienwerder:  Abbau  Stuhm  und 
Ellerbrueh  im  Kreise  Stuhm,  Jacobau  im  Kreise  Kosen- 
berg  und  Lessen  im  Kreise  Graudenz.*)         Conwentz. 


Ergebnisse  der  Forschungen  im  lUuterlande  von 
Togo  1890  bis  1S92  von  Hauptmann  E.  Kling  und  Dr. 
R.  Büttner.  Die  „Mittheilungen  von  Forschungsreisenden 
und  Gelehrten  aus  den  deutschen  Schutzgebieten"  bieten 
im  neuesten  Heft  des  6.  Bandes  unter  obigem  Titel  eine 
sehr  dankenswerthe  Zusammenfassung  der  in  den  letzten 
Jahren  geleisteten  Arbeit.  Der  Herausgeber  der  „Mitthei- 
lungen", welche  bekanntlich  die  wissenschaftliche  Beilage 
des  Deutschen  Colonialblattes  bilden,  hat  sich  zunächst 
der  mUhsaiiien  Aufgabe  unterzogen,   die  Tagebücher  des 


*)  Vbi-gl.    „Niitnr\yisscnschaftl.  Woolicnschr.''    Bd.  VT.  S.    12(1. 
Bit.  VII.  S.  388.  —  Bd.  Vlli.  S.  337. 


leider  verstorbenen,  so  verdienten  Reisenden  Hauptmann 
Kling  zu  bearbeiten,  welche  derselbe  auf  seiner  letzten 
grossen  Reise  1891  geführt  hat  und  die  fleissigen 
Routenaufuahmen  Klings  zu  einem  Kartenbild  der  von 
ihm  bereisten  (Tcbicte  zusammenzustellen.  Als  sehr  branch- 
bar erwiesen  sieh  die  Breitenbestimmungen,  die  Längen- 
bestimmungen waren  hingegen  wegen  der  Mangelhaftig- 
keit der  gebrauchten  Uhr  nicht  verwerthbar. 

Die  allgemeinen  Ergebnisse  der  von  Kling  geleiteten 
Exi)cdition  bestehen  zunächst  in  der  Berichtigung  einer 
Anzahl  Irrthihncr  in  dei-  Wolf'schen  Karte:  Wolf  hatte 
namentlich  die  Stromrichtungen  vieler  Wasserläul'e  ver- 
kehrt eingetragen,  weil  dieselben  in  der  Jahreszeit,  in 
welcher  Dr.  Wolf  diese  Gebiete  durchreiste,  meist  aus- 
getrocknet waren  —  vor  allem  aber  in  der  Erweiterung- 
der  Wolf'schen  Karte  von  Sugu  aus  nach  Norilen  hin. 
Das  Gebiet  zwischen  Salaga  und  den  Borgustaaten,  der 
Schauplatz  eines  sehr  lebhaften  Karawanenverkehrs  von 
den  Haussaläuderu  her,  ist  durch  Klings  Expedition  zum 
ersten  Mal  betreten  und  kartographisch  fixirt  worden;  die- 
selbe brachte  die  erste  Kenntniss  ganz  unerwartet  reicher 
Volkscentren  wie  Bafilo  und  Basari  —  übertrifft  dfich 
Bafilo  das  berühmte  Salaga  an  Häuser  und  Mensehenzahl 
bedeutend.  Wir  vernehmen  mit  Staunen  von  den  unab- 
sehbaren Flächen  auf  das  sorgfältigste  bestellter  und  mit 
peinlichem  Fleiss  gepflegter  Yamsfelder;  auf  schier  end- 
los .sich  ausdehnenden  Hirsefeldern  wogen  5  ni  hohe, 
schwere  Aehrcn,  eine  fleissige,  ihr  Loos  zufrieden  tra- 
gende Selavenschaar  birgt  von  Sonnenaufgang  bis  Sonnen- 
untergang die  reiche  Ernte  und  zieht  unter  Trommel-  und 
Pfeifenklang  zur  Arbeit  in  den  Dörfern  aus  und  ein.  Die 
Bilder  einer  ausgedehnten  Landbau  und  Viehzucht  trei- 
benden Bevölkerung  berichtigen  unsere  Vorstellung  von 
dem  angeblich  wenig  fruchtbaren  Charakter  der  Hinter- 
länder Togos.  Wird  diesem  Lande  der  Schutz  seiner 
friedlichen  Arbeit  seitens  einer  europäischen  Macht  ge- 
bracht, gegen  feindliche  Nachbarn  und  herumziehende 
Räuberschaaren,  werden  ferner  gesicherte  Verkehrsstrassen 
angelegt,  so  niuss  einem  solchen  Lande  eine  gewisse,  den 
Handel  der  Küste  befruchtende  Kaufkraft  inne  wohnen. 
Die  durchzogeneu  Gebiete  bestehen  aus  vielen,  von  ein- 
ander unabhängigen  Staatengebilden,  welche  noch  frei 
von  dem  politischen  Einfluss  irgend  einer  anderen  euro- 
päischen Macht  geblieben  waren  und  am  wenigsten  mit 
den  Borgustaaten  in  politischem  Zusammenhang  stehen-, 
bisher  war  kein  Vertreter  irgend  einer  euro])äisclien  JMacht 
in  dieses  unabhängige  Land  gedrungen:  Wolf  und  Kling 
haben  als  die  beiden  ersten  Europäer  in  moderner  Zeit 
die  Grenze  der  Borgustaaten  erreicht. 

Auch  die  Reise  Klings  von  Salaga  nach  Westen 
gegen  Kiutanipo  hat  geographisches  Interesse.  Durch 
dieselbe  ist  das  Zusammenflussgebiet  der  drei  Quellströme 
des  Volta,  des  weissen,  des  rothen  und  des  schwarzen 
Volta  zum  ersten  Male  umgangen  worden;  Kling-  hat  hier 
die  Aufnahmen  seiner  Vorgänger  von  Frangois  und 
Binger  wesentlich  vervollständigt. 

Unter  den  ethnographischen  Sammlungen  haben  be- 
sonders die  seltenen  (Gegenstände  aus  dem  Mosiland 
Interesse;  die  zoologische  Sammlung  ist  leider  während 
der  Krankheit  des  Reisenden  grüssteutheils  zu  Grunde 
gegangen.  Klings  Angaben  über  das  Auftreten  einzelner 
Charakterpflanzen  in  den  von  ihm  durchzogenen  Land- 
schaften berichtigen  zum  Theil  ganz  wesentlich  die  karto- 
graphische Darstellung  des  Sheabutterbaumes,  der  Oel- 
palme,  des  Maniok  im  westlichen  Sudan  im  zweiten  Band 
von  Bingers  grossem  Reisewerk  (Du  Niger  au  Golfe  de 
Guinee,  Tome  II).  So  ist  z.  B.  die  Südgrenze  der  Ver- 
breitung vom  Sheabutterbaum  (Passia  Parkii  und  biglo- 
bosa)  als  viel  zu  weit  nördlich  verlaufend  gezeichnet  unter 


364 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  34. 


etwa  12°  n.  l>r.,  während  diese  Bäume  noch  unter  8°  40°, 
ja  bei  Kratgc  noch  unter  ca.  8°  n.  Br.  vorkommen.  Auch 
die  Nordgreuze  der  Oelpahne  gestaltet  sich  durch  Klings 
Angaben  wesentlieii  anders. 

Diesen  austuhrlichen  Mittheilungen  aus  den  Tage- 
büchern des  Hauptmann  Kling  reihen  sich  sodann  die 
von  Dr.  L.  Ambronn  berechneten  geographischen  Orts- 
bestimmungen an,  welche  1888/89  von  Dr.  Wolf  und 
1891/92  von  Kling  im  Hinterland  des  Togogebieles  aus- 
geführt wurden,  ferner  Siedepunkt-Bestimmungen  \on 
Klings  Reise  nnd  Erläuterungen  zu  den  Karten -Con- 
structiouen. 

Weiter  folgen  nicht  weniger  als  acht  verschiedene 
Originalbeiträge  zur  Fauua  des  Togolandes,  meist  nach 
den  von  Dr.  R.  Büttner  herrührenden  Sammlungen  von 
Specialforschern  bearbeitet,  Säugcthiere  von  P.  Matschie, 
Vögel  von  A.  Reichenow,  Reptilien  und  Amphibien  eben- 
falls von  P.  Matschie,  Fische  von  F.  Hilgendorf,  Mollusken 
von  E.  v.  Martens,  Hexapoden  von  Dr.  Stadelmanu,  H.  J. 
Kolbe  und  Dr.  F.  Karsch,  Würmer  von  A.  Collin. 

Ueber  die  Flora  des  Togolandes  ist  ein  Verzeichniss 
der  von  Dr.  R.  Büttner  1890  und  1891  in  Bismarckburg 
gesammelten  Pflanzen  mitgetheilt.  Den  Beschluss  machen 
fesselnd  geschriebene  Bilder  aus  dem  Togohinterlande  von 
R.  Büttner,  welche  die  Erläuterung  zu  13  beigefügten 
Lichtdrnckbildern  «eben. 


Derartige 
neuesten 


zusanniienfassende   Veröffentlichungen    der 
über   ein   deutsches  Colouialgebiet 


Forschungen 


werden  in  wissenschaftlichen  Kreisen  gewiss  mit  grossem 
Dank  aufgenonnnen  werden,  dieselben  sind  aber  auch  geeig- 
net, in  weiteren  Kreisen  durch  die  getreue  Uebermittelung 
der  Reiseergebuisse  ein  reges  Interesse  zu  erwecken. 


Fr. 


Regel. 


Maistre's  Reise  vom  Coiigo  zum  Benue-Nigei*  er- 
weist sich  als  glänzende  geographische  wie  colonial-poli- 
tische  Leistung.  Nach  Crampels  Tod  am  Oberlauf  des 
Sehari  i.  J.  1891  entsandte  das  Comite  de  rAfriipie  fran- 
Qaise  C.  Maistre  mit  einer  neuen  Expedition,  obwohl 
bereits  J.  Dybowski  am  Congo  war,  um  Crampel  zu  folgen. 
Schon  am  1.  April  1892  war  Maistre  in  Brazzaville  und 
traf  hier  mit  dem  von  seinem  Vorstoss  an  den  Sehari 
zurückgekehrten  Dybowski  zusammen.  Anfang  Juni  wurde 
die  Station  Baugeei  am  Ubangi  und  sodann  die  von 
Dybowski  am  Kemo  gegründete  gleichnamige  Station  er- 
reicht und  das  Material  von  dessen  Expedition  übernommen. 
Maistre  brach  am  28.  Juni  nach  N.  anf,  hielt  sich  jedoch 
westlicher  als  Crampel  und  Dybowski;  Mitte  Juli  über- 
schritt er  bereits  die  niedrige  Wasserscheide  zwischen 
Congo  und  Sehari,  erreichte  aber  erst  Ende  September 
den  Oribingi  oder  Gribissi,  einen  Quellfluss  des  Sehari, 
durch  Regen  und  Feindseligkeiten  aufgehalten.  Am 
7.  November  erreichte  M.  in  Palem  den  Anschluss  an 
Nachtigals  Route  im  S.  von  Bagirnd;  Gundi,  Nachtigals 
zweimonatlicher  Aufenthalt  i.  J.  1873,  lag  in  Trümmern. 
M.  konnte  nicht  nach  N.  bis  Kuka  vordringen,  sondern 
musste  nach  W.  reisen,  um  möglichst  bald  Adamaua  zu 
erreichen.  Am  Zusammenfluss  der  beiden  Quellflüsse 
des  Benue  betrat  er  bereits  erforschtes  Gebiet.  (Peterm. 
Mitth.,  Juliheft,  S.  175.) 

Durchkreuzung  von  Tibet.  —  Kapt.  H.  Bower  und 
Dr.  G.  W.  Thorold  ist  es  gelungen,  das  .so  schwer  zu- 
gängliche Tibet  von  W.  nach  0.  in  voller  Ausdehnung 
zu  durchkreuzen,  eine  Grossthat  ersten  Ranges  auf  dem 
Gebiete  geographischer  Forschungen.  Ein  erster  Bericht 
erschien  im  Londoner  Geogr  Journ.  1893,  No.  5.  Im 
Juni  1891  erfolgte  der  Aufbruch  von  Leb,  im  Passe  Lanak 
Pa  wurde  die  Grenze  übersehritten  und  am  See  Mangtza 


Cho  der  fernste  von  einem  Europäer  (Carey)  erreichte 
Punkt  berührt;  von  hier  verlief  die  Route  fast  immer  um 
1 — 2°  nördlicher  als  der  Weg  des  Punditen  Naiu  Singh 
zum  Tengri  uor  nnd  nach  Lhasa  (1873 — 1875).  Der 
Marsch  führte  über  eine  4G00 — 5200  m  hohe  Hochebene 
an  zahlreichen  Seen  vorüber.  Um  Bowers  Aimäherung 
an  Lhasa  zu  verhindern,  wurde  die  Ex])edition  im  NW. 
vom  Tengri  nor  zu  einem  weiten  Umwege  nach  N.  ge- 
zwungen Ueber  Tschiamdo  erreichte  die  Expedition  in 
Batang  die  häufig  begangene  Haupt-Handelsstrasse  zwischen 
China  und  Tibet,  welche  über  Thatsienlu  bis  Ya  Tu  ver- 
folgt wurde;  von  hier  wurde  bis  Shanghai  der  Flussweg 
benutzt.     (Petermanns  Mittheilungen,  Juliheft,  S.  174.) 


Ueber  die  Eiszeit  im  Reiclienlialler  Thale  macht 
J.  Jäger  im  Ausland  (S.  415)  die  folgende  Mittheilung: 
Das  breite  Thal  von  Reichenhall,  heute  durch  seine  Milde 
und  Lieblichkeit  berühmt,  hat  in  alten  Zeiten  auch  an  der 
Vergletscherung  theilgenommen,  welche  unser  Alpen-  und 
Voralpenland  ähnlich  dem  heutigen  Grönlande  mit  Kälte, 
Eis  und  Unfruchtbarkeit  heimsuchte  und  das  organische 
Leben  hinausdrängte. 

Bei  einem  Spaziergange  von  Reiehenhall  nach  dem 
freundlichen  Kirchberg  sieht  ein  für  die  Natur  offenes 
Auge,  wie  die  i\[oränen  des  hier  aus  dem  Hochgebirge 
heraustretenden  Saalachgletsehers  sich  den  Höhen  im 
Süden  wie  im  Osten  und  Westen  des  grossen  Thalbodens 
anschmiegen,  das  Thal  selbst  aber  freilassen.  Dabei 
macht  die  auf  dem  linken  Saalaehufer  sich  hinziehende 
Seitenmoräne  beim  Austritt  der  Saalach  aus  dem  Gebirge 
mit  diesem  Flusse  eine  Unddegung  und  schmiegt  sieh  den 
Abhängen  des  Müllnerhorns  an,  dort  westlich  von  Kirch- 
berg und  noch  vor  St.  Pankraz  endigend;  die  Seitenmo- 
räne des  Saalachgletschers  am  rechten  Saalachufer  bildet 
den  breiten  Hügelrüeken  des  Schlossberges  und  Streit- 
bühls, der  Rcicbenliall  östlich  begrenzt  und  in  das  viel 
besuchte  Kirehholz  übergeht.  Ein  aus  dem  Hallthurmpasse 
herausdrängender  Gletscher  hat  hier  offenbar  mitgewirkt 
und  dieser  grossen  Vereinigung  von  Moränen  die  Richtung 
nach  Nordosten  auferlegt. 

Vom  Thumsee  dringt  ein  anderer  Moränenzug  am 
Fusse  des  Zwiesels  bis  an  den  hohen  Staulfen  vor  und 
trägt  u.  a.  die  Padinger  Alp  und  das  liebliche  Non. 

Auf  diesem  Wege  schob  sich  ein  vom  Ristfeuchthorne 
herabkounncnder  Gletscher  in  unser  Thal,  welcher  im 
Tinunsee  —  nach  Pencks  Ausdruck  —  seine  centrale  Depres- 
sion fand,  durch  die  Kalkfelsen  Karlstein  und  St.  Pankraz 
aufgehalten  und  auf  die  westliche  Seite  des  Reiehenhaller 
Thaies  hingedrängt  wurde,  wobei  er  am  nordöstlichen 
Ende  des  Thumsees  eine  grosse,  wollsackähnliche  Moräne 
aufhäufte,  die  man  als  den  Aushub  dieses  Seces  ansehen 
könnte,  wenn  man  mit  Tyndall,  Kamsay,  Penck  u.  a.  an- 
ninnnt,  dass  die  Gletscher  sich  die  Becken  solcher  Alpen- 
secen  selbst  ausgruben.  Auch  z.  B.  beim  Starnberger-, 
Ammer-,  Traunsee  u.  a.  liegt  gerade  am  Nordende  ein 
grosser  Aufwurf,  auf  den  noch  weitere  Moränen  in  nörd- 
licher Richtung  folgen.  Au  dem  Thumsee  und  den  Mo- 
ränen seines  ehemaligen  Gletschers  möchte  sich  mit  Vor- 
theil  die  immer  noch  offene  Frage  studiren  lassen,  ob 
dieser  See  und  ähnliche  durch  Gletschererosion  oder  durch 
tektonische  Verbältnisse  oder  aber  lediglich  in  Folge  Ab- 
dämmung durch  die  vorlagernde  Moräne  entstanden  seien. 
Vielleicht  haben  hier  mehrere  Ursachen  zusammengewirkt. 
Wie  bedeutend  hier  die  Gletscherwirkung  war,  geht  sclion 
daraus  hervor,  dass  man  am  hohen  Stauften  noch  in  einer 
Höhe  von  1000  m  Granitfindliuge  trifit,  während  Reichenhall 
nur  470  m  über  der  Nordsee  liegt. 

Hatten  aber  die  Gletscher  nur  Tod  und  Erstarrung 
verbreitet,  so  spriesst  doch  jetzt  aus  dem  Lehm  ihrer  Mo- 


Nr.  34. 


Naturwissenschaftliche  Wochcusciirift. 


365 


räiieu  ein  frisches,  üppiges  Lel)en,  da  gerade  diese  Ruiid- 
buekel  die  herrliciisten  Alpeuwiosen  tragen,  während  das 
Kalkgebirge  vorzugsweise  nur  Wahl  und  dürftige  Gräsercien 
beherbergt. 

Augenscheinlich  ist  der  heutige  Thalboden  Reichenhalls 
ganz  frei  geblieben  von  den  Zügen  der  Moränen.  Hier 
niuss  der  mächtige,  von  dem  Thumsee-  und  Hallthurmglet- 
sehcr  Hankirte  Eisstrom  des  Saalachthalcs  sich  in  voller 
lireite  gedehnt  und  den  ganzen  Thalboden  bedeckt  haben, 
Sil  dass  für  Seitcnnioränen  kein  Platz  im  heutigen  'J'hale 
blieb,  diese  vicinieiir  links  und  rechts  an  die  alten  Gebirge 
hingedrängt  wurden,  wie  wir  dies  oben  zu  schildern  ver- 
suchten. Diese  grossen  Gletscher  und  später  deren  Schmelz- 
wasser haben  uns  das  weite,  liebliche  Thal  ausgeglättet, 
auf  welchem  sich  nun  gesun(U'  und  kranke  Menschen  an 
den  Reizen  einer  erhabenen  Bergwelt  in  milder  balsa- 
mischer Luft  erfreuen. 

Dass  auch  schon  die  alten  Völker  an  diesem  Thale 
Gefallen  fanden  und  es  besiedelten,  geht  aus  den  Funden 
von  römischen  Alterthümern  und  nachrömischen  aber  vor- 
christlichen Gräbern  hervor,  welche  vor  mehreren  Jahren 
am  Fusse  des  Müllnerhorns  \)vi  Kirchlierg  entdeckt  wurden. 
In  neuester  Zeit  hat  Herr  v.  Chlingensperg  aljcr  auch  bei 
„Langacker",  nordöstlich  vom  Thumsee,  eine  grosse 
Niederlassung  aus  der  sog.  Broucezeit  aufgedeckt,  wobei 
dieUeberreste  von  Tausenden  geschlachteter  und  verbrannter 
Thiere,  ausserdem  zahlreiche  Broncegegenstände  zu  Tage 
traten. 

Erwägt  man  die  Lage  dieser  Niederlassung  auf  höherem 
Terrain  an  den  Abhängen  des  Stauffengebirges  und  im 
Moränengel)icte  des  Thumseegletschers,  so  wird  man  un- 
willkürlich an  das  ,.Schvveizerbild"  bei  Schaft'hausen  er- 
innert, ein  Hoehthal,  das  —  nächst  dem  Rheingletscher 
und  seinen  Moränen  gelegen  —  schon  Renthierjägcrn  aus 
der  Periode  der  letzten  Eiszeit  zur  Niederlassung  gedient 
hatte,  dann  aber  auch  s})äteren  Bewohnern  bis  zur  neo- 
lithischcn  Zeit. 

Es  wäre  nicht  verwunderlieh,  wenn  au  den  End- 
moränen des  Saalach-  oder  Thumseegletschers  auch  einmal 
eine  Renthierstation  gefunden  und  so  der  Beweis  geführt 
werden  würde,  dass  auch  diese  heute  so  liebliche  Land- 
schaft schon  vom  Ende  der  Eiszeit  an  von  Menschen  auf- 
gesucht und  besiedelt  wurde. 


Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben. 

Es  wurden  eniaiint:  I-'rofossor  Dr.  lians  Sohiiiz  zum  Di- 
rector  des  BütaiiisL-lii'n  Gartens  in  Zürich.  —  Der  Privattlocent 
Dr.  Otto  Schirm  er  in  Halle  zum  ausserordentlichen  Professor 
der  Augenheilkunde  an  der  Universität  Greifswald.  —  Der  Privat- 
docent  Dr.  Ivraus  zum  ausserordentlichen  Professor  für  interne 
Modicin  an  der  Universität  Wien.  —  Professor  Dennstedt  zum 
Director  des  chemischen  Staatshxboratoriums  in  Hamburg. 

Es  haben  sich  habilitirt:  Dr.  Pommerang  für  Chemie  an  der 
Universität  Wien.  —  Dr.  Wien  für  I^hysik  an  der  Universität 
Würzburg.  —  Dr.  Voit  in  der  medicinischon  Facultät  der  Univer- 
sität München. 

Der  Director  der  Universitäts-Augenklinik  in  Greifswald  Pro- 
fessor Dr.  Hermann  Schirmer  tritt  von  seiner  Lehrtliätigkeit 
zurück. 

Es  sind  gestorben:  Dr.  Libbrecht,  Leiter  <ler  von  ihm 
begründeten  bedeutenden  Augenklinik  in  Gent.  —  Der  Docent  für 
Botanik  au  dt;r  Technischen  Hochschule  in  Ivarlsruhe  Dr.  Ma.x 
Scholtz  daselbst.  —  Dr.  Leibius,  erster  Chemiker  an  der  Münze 
in  Sydney.  —  Der  Petrograph  Thomas  Da  vi  es,  Custos  am 
Britischen  Museum  in  London.  —  Dr.  Nicolai  Skworzow, 
Leiter  der  Abtheilung  für  Nervenkranke  am  Ujasdow'schen  Militär- 
hospital in  Warschau.  —  Der  um  die  Medicinalstatistik  verdiente 
wirkliche  Staatsrath  Jans  on,  Professor  der  Statistik  an  der  Uni- 
versität Petersburg,  daselbst.  —  Dur  Erfinder  der  automatischen  Ma- 
schinen, Ingenieur  Percy  Everitt  in  Ncw-York.  —  Der  frühere 
Arzt  Emin  Pascha's  Vita  Hassan,  bekannt  durch  sein  Werk  „Die 
Wahrheit  über  Emin  Pascha,  die  ägyptische  Aequatorialproviuz 
und  der  Sudan",  in  Kairo.  —  Der  Ingenieur  Baron  Ciiristian 
von    Hesse    in   New -York.     Er  wies  zuerst  die  Möglichkeit  der 


Durchlegung  eines  Cauales  durch  die  Landenge  von  Panama  durch 
Messungen  an  Ort  und  Stelle  nach.  —  Im  Jesuiten-Pensionate  zu 
Feldkirch  der  ehemalige  Professur  der  Mathematik  und  Physik 
Pater  Joseph  Kolping.  —  Der  durch  seinen  mediciniachen 
Taschenkalender  bekannte  Staatsrath  Dr.  Carl  Foerster  in  Riga. 
—  Der  ehemalige  Professor  der  Therapie  an  der  Universität  Kasan, 
wirklicher  Staatsrath  Dr.  Michael  Subbotin  in  Moskau  —  Der 
hervorragende  schottische  Kartograph  John  Bartholomew  in 
Edinburgh.  —  Dr.  Rawdon  Macnamara,  Professor  der  Medicin 
an  der  Universität  in  Dublin. 

Ein  Internationaler  Pharmaceutischer  Congress  findet  Ende 
August  in  Chicago  statt,  nachdem  S  Tage  vorher  die  41.  Ver- 
sammlung der  American  Pharmaceutical  Association  daselbst 
getagt  liat.  

-  Der  Internationale  Botanische  Congress*)  tritt  am  Mitt- 
woch, den  23.  August  d.  J.,  um  10  Uhr  Vormittags,  in  Madison, 
Wisconsin,  Ver.  St.,  zusammen.  Gegen  Erlegung  der  Einschreibe- 
Gebühr  von  zwei  Dollars  kann  Jeder  Botaniker  Mitglied  werden. 

Die  Sitzungen  werden  in  der  Wissenschafts-Halle  der  Univer- 
sität von  Wisconsin  gehalten  werden.  Die  erste  Sitzung  wird  der 
Organisation  gewidmet  sein.  In  derselben  werden  die  bei  den 
Verhandlungen  des  Congresses  zu  beobachtenden  Regeln  festge- 
stellt,   sowie   die  Stunden  der  Zusammenkünfte  bestimmt  werden. 

Der  Zweck  dieses  Congresses  ist  ein  Ideen-Austausch  betreffs 
aller  auf  die  Botanik  bezüglichen  Gegenstände  im  allgemeinen, 
einschliesslich  der  durch  den  bestehenden  Gebrauch  eingeführten 
Ausdrucksweise  ,  und  Anstrebung  von  Gleichheit  derselben  in 
Wort  und  Schrift,  sowie  Förderung  der  Wissenschaft  überhaupt. 
Vorträge,  welche  sich  mit  besonderen  Versuchen  oder  Beobach- 
tungen beschäftigen,  sind  ausgeschlossen. 

Obwohl  Englisch  die  officielle  Sprache  des  Congresses  sein 
wird,  kann  jedes  Mitglied  dennoch  sich  irgend  einer  Sprache 
bedienen. 

Die  Auslagen  für  Kost  und  Wohnung  werden  zwischen  einem 
und  drei  Dollars  täglich  betragen.  Zimmer  mit  oder  ohne  Be- 
köstigung können  im  Voraus  gesichert  werden,  wenn  man  sich 
schriftlich  an  Herrn  Professor  W.  H.  Rosenstengel,  Madison,  Wis., 
wendet.  Sobald  als  möglich  nach  Ankunft  in  der  Stadt  melde 
man  sich  in  „Science  Hall",  Zimmer  17,  zu  ebener  Erde,  erlege 
die  Gebühren  und  trage  seinen  Namen  ein,  indem  man  dem  an- 
wesenden Officianten  mittheilt,  dass  die  Eintragung  zum  Zwecke 
der  Theilnahme  am   Botanischen  Congress  geschehe. 

Im  August  tagen  in  Madison  noch  folgende  wissenschaftliche 
Gesellschaften:  Vom  17.  bis  23.  August  die  „Amerikanische  Gesell- 
schaft zur  Beförderung  der  Wissenschaften"  (Jahresversammlung) 
und  in  Verbindung  mit  dieser  die  „Versammlung  der  amerikani- 
schen Botaniker";  —  1.5.  und  16.  August  die  „Gesellschaft  zur  För- 
derung der  Ackerbau -Wissenschaften";  —  14.  bis  16.  August  die 
„Amerikanische  Mikroskopische  Gesellschaft". 

Mehrere  andere  wissenschaftliche  Gesellschaften,  welche  für 
Botaniker  von  geringerem  Interesse  sind,  werden  gleichfalls  inner- 
halb der  genannten  zwei  Wochen  in  Madison  V^ersammlungen 
abhalten. 

Der  Naturforschenden  Gesellschaft  zu  Danzig  hat  zur  Feier 

des  Jubiläums  ihres  l.jOjälirigen  Bestehens  die  Provitizial  -  Com- 
mission  zur  Verwaltung  der  Westpreussischen  Provinzial- Äluseen 
die  Summe  von  „Eintausend  Mark"  mit  der  Bestimmung  über- 
geben, „dieselbe  zur  Preiskrönung  der  besten  Arbeit  über  eine 
von  der  Naturforschenden  Gesellschaft  demnächst  zu  stellende, 
die  naturwissenschaftliche  Landeskunde  der  Provinz  Westpreusseu 
betreffende  Aufgabe  zu  verwenden". 

Veranlasst  durch  die  Thatsache,  dass  bei  den  verheerenden 
Insectenfrassen  in  umfangreichen  Waldgebieten  der  Provinz  West- 
preusseu, wie  dergleichen  ihr  uocli  fortgesetzt  drohen,  unzählbare 
Schaaren  der  Schädlinge  durch  einen  Pilz  aus  der  Gattung  Einpusa 
vernichtet  worden  sind**),  und  dass  auch  die  der  Forstcultur  unserer 
Provinz  so  schädlichen  Maikäferlarven  durch  Pilze  aus  der  Gat- 
tung Isaria  (Botrytis)  getödtet  werden,  und  im  Hinblick  darauf, 
dass  den  von  einigen  französischen  Forschern  veröft'entlichten 
günstigen  Resultaten  ihrer  Iiifectionsversuche  im  Freien***)  andere 
Versuche    mit    ungünstigen  Erfolgen    entgegenstehen f),    setzt  die 

*)  Vergl.  „Naturwissenschaftliche  Wochensohr."  No.  26,  S.  262 
und  No.  30,  S.Öl 4. 

**)  S.  Dr.  Bail,  Pilzepidemie  an  der  Forleule.  Preussische 
land-  und  forstwirthschaftliche  Zeitung  1867,  und  Pilzepizootieen 
der  forstverheerenden  Rau))en.  Schriften  der  Danziger  Naturf. 
Gesellschaft  1869. 

***)  Giard,  Comptes  rendus  des  seances  de  la  Societe  de  Bio- 
logie, und  Prillieu.x  et  Delacroix,  Comptes  rendus  1891,  und  Maxime 
Buisson,  „Le  Botrytis  tenella",  Comjiiegne.  Imprimerie  Henry  Le- 
febvre.     Ruo  Solferino  1892. 

t)  z.  B.  Dufour  in  Zeitschrift  für  Pfianzenkrankhciten,  Jahr- 
gang II,  1892. 


366 


Naturvvisscnscbaftliclic  Woclienschrift. 


Nr.  34. 


N a t u r f o r s c h e n de  Gesellschaft  zu  D a n z i g  den  Preis  von 
1000  Mark  für  die  beste  Arbeit  aus,  welche  durch  Er- 
forschung der  Entstehung  und  Verbreitung  von  Pilz- 
epidemien unter  wald  verheer  enden  in  Westpreussen 
einheimischen  I  n  s  e  c  t  e  n  zuverlässige  und  durch  den 
nach  zu  weisenden  Erfolg  im  Freien  bewährte  Mi  t  toi  zur 
durchgreifenden  Vernichtung  solcher  Insecten  tiietet. 
Die  Arbeiten  nüis.sen  in  deutscher  oder  französischer  Sprache 
abgefasst  sein  und  sind  einzusenden  an  die  ^ Naturforschende  Ge- 
sellschaft zu  Danzig"  bis  zum  letzten  December  1898.  Dieselben 
werden  der  Natur  der  Sache  nach  auch  Originalzeiclinungen  ent- 
halten. Manuscripte  sind  mit  Motto  und  versiegeltem  Namen  ein- 
zureichen. Die  Gesellschaft  behält  sich  das  ausschliessliche  Recht 
der  Veröffentlichung  des  prämiirten  vor,  erklärt  sich  aber  bereit, 
wenn  sie  davon  keinen  Gebrauch  macht,  die  Arbeit,  ebenso  wie 
jede  nicht  prämiirte,  dem  Verfasser  zur  freien  Verfügung  zurück- 
zustellen. Auch  gedruckte  Abhandlungen  sind  von  der  Preis- 
bewerbung nicht  ausgeschlossen. 


Der  Plan  zur  Errichtung  einer  biologischen  und  Fischerei- 
Versuchsstation  am  Müggelsee  bei  Berlin  ist  jüngst  dem  Magistrat 
durch  den  Präsidenten  des  Deutschen  Fischerei- Verein.s  vorgelegt 
worden.  Der  Magistrat  von  Berlin  hat  sich  dem  Voi'schlage  ge- 
neigt gezeigt  und  wird  bei  der  Stadtverordneten  -Versammlung 
die  Unterstützung  des  Unternehmens  befürworten. 


L  i  1 1  e  r  a  t  u  r. 

Wilhelm  Wundt,  Ethik.  Eine  Untersuchung  der  Thatsachen 
und  Gesetze  des  sittlichen  Lebens.  2.  umgearb.  Autl.  \'erlag 
von  Ferdinand  Enke.     Stuttgart  1892.  —  Preis  1.5  M. 

Wundt  lehnt  sich  in  seiner  Ethik  an  den  speculativen  Idealis- 
mus der  nachkantischen  Philosophie  an,  steht  also  nicht  auf  dem 
Standpunkte,  den  unseres  Erachteus  nach  die  heutige  Naturforschung 
gebietet,  und  den  wir  Bd.  VI  S.  151  kurz  angedeutet  haben,  in- 
dem wir  dort  an  die  triviale,  aber  wie  sich  immer  wieder  zeigt, 
doch  nicht  unnütz  betonte  Selbstverständlichkeit  erinnern,  dass 
jede  Einheit  —  sei  sie  ein  Individuum,  eine  Familie  oder  ein  an- 
derer A'erband  höherer  Ordnung  —  zu  Grunde  gehen  muss,  wenn 
sie  sich  nicht  mächtigeren  Aussenverhältnissen  fügt,  und  dann 
fortfahren:  „Auf  ethischem  Gebiete  sind  die  Machthabenden 
innerhalb  einer  Einheit  in  der  Mehrzahl.  Der  Einzelne  muss 
den  ethischen  Forderungen,  die  sich  durch  das  Zu.sammeuleben 
entwickelt  haben,  folgen,  oder  er  findet  keinen  gesellschaftlichen 
Platz.  Diejenigen  ethischen  Gesetze,  ohne  welche  ein  Zusammen- 
leben undenkbar  ist,  erscheinen  uns  begreiflicherweise  als  kate- 
gorisch."    Wundt  weist   also  den  Militarismus  zurück. 

Das  umfangreiche  (XII  und  684  S.  umfassende)  Werk  darf  aber 
deshalb  auf  keinen  Fall  von  dem  Naturforscher,  der  die  Neigung 
hat  und  dem  die  Zeit  vergönnt  ist,  sich  naturphilosophisch  zu  be- 
schäftigen, d.  h.  der  bestrebt  ist,  auch  hinaus  zu  blicken  über 
sein  Specialgebiet  und  den  Zusammenhang  desselben  mit  dem 
Ganzen  zu  erkennen,  ausser  Acht  gelassen  werden.  Der  Ge- 
dankenreichthum  und  die  tiefe  philosophische  Schulung  des  Ver- 
fassers, die  ausserordentliche  Fülle  des  beigebrachten  Materiales, 
die  geschickte  Verwendung  desselben,  bringen  jedem,  der  das 
Werk  studirt  —  stehe  er  nun  auf  der  Seite  Wundt's  oder  nicht 
—  grössten  Gewinn. 

Nach  einer  15  Seiten  umfassenden  „Einleitung"  werden  zu- 
nächst „die  Thatsachen  des  sittlichen  Lebens"  bes])rochen,  dann 
die  „Entwicklung  der  sittlichen  Weltanschauungen",  „die  Prin- 
cipien  der  Sittlichkeit"  und  endlich  die  sittlichen  Lebensgebilde. 
Näher  auf  den  gediegenen  Inhalt  eingehen,  hiesse  ein  Buch  über 
ein  anderes  schreiben,  und  so  müssen  wir  uns  denn  leider  auf  die 
wenigen  obigen  Worte  beschränken.  P. 


Prof.  Dr.  Conrad  Keller,  Alpentiere  im  Wechsel  der  Zeit  (Zoo- 
logisclie  Vorträge  herausg.  v.  Marshall  Heft  9).  Kichard  Frese. 
Leipzig,  1892.    48  S.  8".  —  Pr.  1  Mk. 

Der  Verf.  schildert  die  Aenderungen,  welche  in  dem  Thier- 
bestande  der  Schweiz  von  der  Tertiärperiode  bis  zur  Gegenwart 
eingetreten  sind,  namentlich  in  Betreff  der  Säugethiere  und  einiger 
Vögel.  Zu  der  tropischen  Thier-  und  Pflanzenwelt  der  Miocän- 
Zeit,  deren  Urkunden  wir  in  den  Süsswasserablageiimgen  von 
Öningen  vor  uns  haben,  darunter  Affen  und  Viverren,  steht  im 
schroffsten  Gegensatz  die  diluviale  Fauna  gegen  Ende  der  Eiszeit, 
als  die  höhern  Theile  des  Landes  noch  bleibend  von  Firn  und 
Gletschern  bedeckt  waren  und  die  Grenze  der  Thierwelt  gegen 
das  ewige  Eis  noch  in  dem  Tieflande  lag,  wie  heut  zu  Tage  in 
Grönland.  Steinbock,  Gemse.  Murmelthier  und  Alpenhase,  Kenn- 
thier,  Vielfrass,  Eisfuchs  und  Lemming  lebten  hier  im  Flachland 
zusammen  und  das  Schneehuhn  war  damals  wohl  das  häutigste 
Geflügel  und  in  ununterbrochener  Keihe  von  der  Schweiz  bis 
Schottland  und  Skandinavien  verbreitet.     Aber  auch  grössere,  ge- 


waltigere Thiere  lebten  damals  auf  diesem  Boden:  Mammut  und 
Nashorn ,  Ur  und  Wisent,  Elch  und  wildes  Pferd,  Höhlenbär, 
Höhlenhyäne  und  eine  löwenartige  Katze.  In  diese  Thierwelt 
tritt  der  Mensch  ein,  zunächst  als  Höhlenbewohner  und  Jäger, 
noch  ohne  Hausthiere,  gewissermaassen  Mitbewerber  und  gleich- 
stehender Kämpfer,  noch  nicht  entschiedener  Herrscher.  Alpen- 
hase und  Schneehuhn  bilden  der  Zahl  der  Individuen  nach  den 
grössten  Theil  seiner  Jagdbeute,  aber  er  wagt  doch  auch  schon 
den  Angriff  auf  die  grossen  Thiere,  wie  eben  die  von  ihm  hinter- 
lassenen  Speisereste  in  der  Höhle  bei  Thayngen  zeigen.  Mit  der 
fortschreitenden  Milderung  des  Klimas,  dem  Rückgang  des  Eises, 
wodurch  die  Gebirgsthäler  zugänglich  werden,  und  der  weiteren 
Ausbreitung  und  Vermehrung  des  Menschen  tritt  eine  Aeuderung 
und  Scheidung  ein,  Steinbock,  Gemse  und  Murmelthier  ziehen  sich 
ins  Gebirge  und  erhalten  sich  nur  da,  Rennthier,  Eisfuclis  und 
Lemming  weichen  nach  Norden  aus,  Alpenhase  und  Schneehuhn 
nach  beiden  Seiten.  Die  grossen  gewaltigen  Dickhäuter  und 
Raubthiere  aber  sind  die  ersten,  die  ganz  aussterben;  sie  konnten 
sich  den  Veränderungen  des  Bodens  und  Klimas  am  wenigsten  an- 
passen und  den  Verfolgungen  des  Menschen  am  wenigsten  ent- 
ziehen. Die  von  Rütimeyer  so  eingehend  untersuchten  Reste 
der  Pfahlbauten  am  Zürcher  und  Neuchateier  See  geben  uns  ein 
Bild  der  Thierbevölkerung  dieser  noch  vorhistorischen  Periode, 
die  ganz  fremdartigen  Formen  sind  verschwunden,  die  Arten  sind 
wesentlich  dieselben,  die  jetzt  noch  in  Mitteleuropa  vorkommen, 
aber  die  Alpenthiere  reichen  weiter  herab,  Elch,  Wisent.  Ur  und 
Biber  sind  noch  in  der  Schweiz  vorhanden,  Bär  und  Wolf  nicht 
selten,  die  Thiere  des  Waldes  spielen  eine  grössere  Rolle  und  neu 
sind  die  Hausthiere  aufgetreten,  sei  es  dass  dieselben  an  Ort  und 
Stelle  gezähmt,  jung  eingefangen  und  aufgezogen  wurden,  wie 
z.  B.  bei  dem  Ur  möglich  ist,  sei  es  dass  sie  aus  dem  Osten  und 
Süden  schon  als  zahme  Thiere  eingeführt  wurden,  was  bei  Schaf 
und  Ziege  unabweislich  und  bei  einigen  Rinder-Rassen  wahrschein- 
lich ist.  Mit  der  Ausbreitung  der  Viehzucht  und  des  Ackerbaues 
erhält  der  Mensch  neuen  Grund  zur  Verfolgung  der  grössern  freien 
Thiere,  wegen  des  Schadens,  den  sie  seinen  Heerden  und  Pflanzun- 
gen zufügen,  und  so  werden  jene  immer  weiter  aus  dem  Kultur- 
gebiet weggedrängt;  darin  bestehen  hauptsachlich  die  Veränderun- 
gen des  Vorkommens  der  Thiere,  welche  wir  in  der  geschicht- 
lichen Zeit  nachweisen  können. 

Es  haben  sich  uns  noch  einige  Angaben  erhalten  über  die 
Arten  von  Wildpret,  welche  um  1000  nach  Chr.  im  Kloster 
St.  Gallen  auf  den  Tisch  der  Mönche  kamen,  darunter  auch  Ur 
und  Wisent,  Elch  und  Steinbock,  die  also  damals  noch  in  diesem 
Theil  der  Schweiz  lebten.  Zu  Conr.  Gessner's  Zeit,  um  1.550 
waren  die  drei  ersteren  längst  daselbst  verschwunden  und  der 
Steinbock  schon  eine  Seltenheit,  den  die  Meisten  nur  vom  Hören- 
sagen kannten.  Seitdem  ist  auch  der  Biber  ausgerottet,  Edelhirsch, 
Bär,  Fuchs  und  Lämmergeier  dem  Verschwinden  nahe,  meist  nur 
noch  einzeln  an  einzelnen  Stellen  auftauchend,  aus  den  Nachbar- 
gebieten übertretend.  Versuche,  eine  bestimmte  Thierart  wieder 
zu  vermehren  oder  neu  einzuführen,  sind  erst  in  unserer  Zeit  ge- 
macht worden  und  öfters  ohne  bleibenden  Erfolg.  Am  meisten 
hat  sich  noch  strengerer  Jagdschutz  und  die  Einrichtung  von 
„Freibergen"  für  den  Schutz  der  Gemsen  bewährt.  All  diese  Ver- 
hältnisse sind  in  der  vorliegenden  Schrift  anziehend  und  eingehend 
besprochen. E.  v.  Martens. 

Dr.  Arth.  Looss,  Schmarotzer  in  der  Thierwelt.  (Zool.  Vorträge, 
herausgeg.  v.  W.  Marschall,  10.  Heft.)  Richai'd  Freese.  Leipzig 
1892.     180  S.  8".     Preis  4  M. 

Der  Verf.  bespricht  zunächst  die  Begriflsbestimmung  der 
Schmarotzer  oder  Parasiten  als  Thiere,  die  sich  von  den  lebenden 
Bestandtheilen  eines  andern  Thiers  (oder  Pflanze)  nähren,  ohne 
dasselbe  sofort  zu  tödten,  im  Gegensatz  zu  den  Tischgenossen  oder 
Commensalen  und  solchen,  welche  nur  des  Schutzes  oder  der 
leichteren  Fortbewegung  wegen  (z.  B.  Echeneis)  sich  an  andere 
Thiere  halten;  sodann  werden  die  Beziehungen  des  Parasitismus 
zur  freien  Lebensweise  behandelt  und  dabei  besprochen  die  In- 
secten, welche  nur  zeitweise,  im  Larveuzustande,  parasitisch  leben, 
wie  die  Schlupfwespen  (Ichneumoniden),  dann  folgen  Gordius  und 
Mermis,  sowie  die  Wurzelkrebse  (Rhizocephalen),  welche  als  Larven 
frei,  später  zu  Schmarotzern  werden,  ferner  die  Fälle  von  Hetero- 
gonie,  wobei  eine  freilebende  Generation  mit  einer  parasitischen 
regelmässig  abwechselt,  wie  bei  manchen  Fadenwürmern,  und  end- 
lich der  Brutparasitismus  der  Kukuksbienen,  welche  ihre  Eier  in 
von  andern  Bienen  für  die  eigenen  Eier  angefertigten  und  mit 
Nahrungsstoft'  gefüllte  Zellen  legen,  und  derjenige  der  Raubwespen, 
welche  ihren  Larven  eine  durch  einen  Stich  gelähmte  Raupe  als 
Nahrungsvorrath  mitgeben.  Hieran  schliesst  sich  eine  mehr  theo- 
retische Erörterung,  wie  der  Parasitismus  im  Thierleben  entstehen 
konnte.  Verkümmern  oder  Schwinden  der  Bewegungsorgane,  da- 
gegen die  Ausbildung  eines  kräftigen  Haftapparates,  auch  Ver- 
einfachung der  die  Nahrung  aufnehmenden  Organe  ist  die  gewöhn- 
liche Folge  des  Schmarotzerlebens,  betreffs  der  Fortpflanzung 
Zwitterthum,    um    die    Befruchtung    zu    sichern,    und   sehr   grosse 


Nr.  34. 


Naturwisscnscliarilielic   Woclicnsclirit't. 


3Ü7 


Zahl  von  Kiern,  diimit  wi'iiigstens  einige  der  jungen  Brut  durch 
glücklielien  Zufall  ein  neues  Nahitliier  eneielien.  In  einzelnen 
Fällen  lebt  nur  diis  eine  der  beiden  Geschlechter  parasitisch,  ja 
das  Männchi'n  ist  zuweilen  Parasit  des  Weibchens.  All  diese  und 
manche  andere  Fälle  werden  mehr  oder  weniger  eingehend  be- 
sprochen, namentlich  aber  auch  die  verschiedenen  Kmgeweide- 
würmer  des  Menschen,  und  dabei  der  Fortschritt  in  der  Erkenntniss 
ihres  Wesens  und  Lebens  seit  etwa  hundert  Jahren  dargelegt. 

V.  Martens. 


Ad.  Alf.  Michaelis,  Die  bekanntesten  deutschen  Giftpflanzen 

nacli   ihren   botanischen    und   luedicini^clieii   Kigeiiscliatfen.     Mit 
,   IG  Tafeln    in    Farbendruck.     Verlag  von   Fr.   Junge.     Krlaugen 

1892.  —  Preis  1,80  Mk. 
Mit  den  allerersten  Elementen  der  Botanik  steht  Verf.  auf 
gespanntem  Fusse,  so  lesen  wir  S.  41  bei  Colchicum:  „Die 
Wurzel  bildet  eine  Heischige  Zwiebel"!  Das  Buch  ist  leider 
auch  im  Uebrigen  nichts  wertli.  Es  werden  nur  IG  Giftpflanzen 
aufgeführt:  es  fehlen  z  B.  Cytisus  Laburnum,  Robimia  pseuda- 
cacia,  Br_vonia,  Digitalis,  Ranunculus  sceleratus,  ja  sogar  Cicuta 
virosa  (!)  u.  s.  w.  Es  darf  wohl  von  einem  Autor,  der  ein  Buch 
über  Giftpflanzen  schreibt,  verlangt  werden,  dass  er  die  wich- 
tigsten Resultate  der  Pflauzentoxikologie  der  letzten  Jahre  kennt, 
also  hatte  Verf.  Robinia  pseudacacia,  deren  Rinde  und  Samen 
sich  als  sehr  giftig  herausgestellt  haben*)  und  die  doch  gewiss 
zu  den  „bekanntesten"  Pflanzen  unserer  Heimath  gehört,  aufzu- 
nehmen u.  s.  w.  Dass  nun  gar  Cicuta  virosa  auf  S.  35  in  dem 
Artikel  über  Conium  maculatum  nur  mit  den  AVorten  abgethan 
wird:  „Aehnlich  dem  gefleckten  Schierling  sind  drei  gefährliche 
Giftpflanzen  dieser  Pflanzengruppe:  Wasserschierling  (Cicuta 
virosa)  .  .  .  ."  ist  doch  gewiss  nicht  zu  billigen.  Gerade  die 
genaue  Kenntniss  dieser  Pflanze  kann  derjenige,  iler  sich  mit  den 
einheimischen  Giftpflanzen  beschäftigen  will  und  zu  diesem  Zweck 
etwa  das  vorliegende  Werk  zur  Hand  nimmt,  gar  nicht  umgehen. 
I''s  kommen  hin  und  wieder  iuich  immer  Vergiftungen  mit  Cicuta 
virosa  vor,  und  wenn  etwa  der  Arzt  oder  der  Apotheker  mit 
Hilfe  des  Michaelis'schen  Buches  den  Versuch  machen  wollte  einen 
Cicuta-Pflanzentheil  sicher  zu  bestimmen,  so  würde  ihn  dasselbe 
vollkommen  in  Stich  lassen.  Noch  im  Mai  dieses  Jahres  bin  ich 
an  die  Gefahr,  die  ein  Verkennen  der  Cicuta  virosa-  Pflanzen- 
theile  mit  sich  bringen  kann,  erinnert  worden.  ;Ich  erhielt  nämlich 
ein  Stückchen  des  charakteristischen  Rliizomes  der  Pflanze  aus 
Kevelaer  von  Hrn.  Apotheker  Claud.  Thoenissen  zur  Bestimmung 
zugesandt,  der  dazu  schrieb:  „Gestern  kam  unser  Dr.  med.  zu  mir 
und  brachte  mir  beifolgendes  Rhizom,  von  welchem  zwei  Knaben 
von  9  und  14  Jalu-en  genossen  hätten,  wodurch  der  9jährige  ohne 
noch  zu  seinen  Eltern  zurückkehren  zu  können,  bereits  gestorben 
ist,  der  14jährige  aber  mit  gelähmten  Gliedern  und  heftigen  Kopf- 
schmerzen etc.  noch  recht  krank  darnieder  liegt.  Ein  dritter 
Bruder  war  eben  bei  mir  und  sagte  mir,  dass  die  beifolgende 
W^urzel  jene  war,  wovon  die  zwei  anderen  genossen  hätten.  Von 
Blättern  wisse  er  nichts.  Die  Kinder  hätten  die  Wurzel  frei 
liegend  in  der  Nähe  des  Niers  (Flüsschen)  gefunden  und  die- 
selbe   für    Sellerie    gehalten Dieselbe  riecht  nach   Daucus 

carota,  schmeckt  in  etwas  nach  Sellerie  "  P. 


1.  Prof.  Johannes  Walther,  Binomie  des  Meeres.  Beobachtuugin 
über  die  marineu  Lebensbezirke  und  Existenzbedingungen. 
1.  Theil  einer  Einleitung  in  die  Geologie  als  historische  Wissen- 
schaft.    Gustav  Fischer.     Jena  1893.  —  Preis  G  Mk. 

2.  Walther,  Allgemeine  Meereskunde.  Mit  72  Te.xt-Abbildungen 
und   einer  Karte.     J.   J.  Weber.     Leipzig   1893.    —     Preis  i  Mk. 

1.  .Die  Entstelmng  erloschener  Vulcane  erschliessen  wir,  in- 
dem wir  die  Bildung  thätiger  Vulcane  beobachten;  die  Geschichte 
eines  fossilen  Korallenriffes  ergründen  wir,  indem  wir  lebende 
Korallenritt'e  untersuchen;  und  die  Meerestiefe,  in  welcher  eine 
fossile  Austernbank  gebildet  worden  ist,  erkennen  wir,  wenn  wir 
vergleichen,  in  welchen  Tiefen  die  Gattung  Gstrca  heutzutage 
lebend_  gefunden  wird."  Das  ist  dem  Geologen  geläufig,  und  es 
bedarf  (laher  keines  eindringlichen  Wortes  mehr,  dass  eine  Kennt- 
niss der  heutigen  Vorgänge  auf  der  Erde  für  den  Geologen  zum 
Verständniss  des  Werdens  der  Erdkruste  unerlässlich  ist,  und  —  da 
die   Geologie   überwiegend   eine   Geschichte  versteinerter  Meeres- 


—  böden  ist  dass  im  Speciellen  die  Meereskunde  dem  Geologen 
geläufig  sein  sollte.  Daher  nennt  Walthor  sein  unter  1,  aufge- 
führtes Buch  eine  „Einleitung  in  die  Geologie  als  historische 
Wissenschaft."  E)s  ist  für  den  Gelehrten  und  den  Geologie-Stu- 
direnden  bestimmt,  von  denen  namentlich  der  letztere,  .wenn. er 
das  Buch  zur  Hand  nimmt,  bevor  er  an  das  .Studiuui  der  Geologie 
herantritt,  nacliher  den  griissten  Vi.>rtheil  verspüren  wird.  Haud- 
und  Lehrbücher,  in  ilenen  die  astrophysischen,  tektonischen  und 
experimentalen  Fragen  für  geologisch-historische  Probleme  vor- 
bereitet und  angewandt  werden,  besitzt  die  Litteratur  zur  Ge- 
nüge aller  keines,  das  wie  das  vorliegende  zusammenfassend  die 
Beurtheilung  vorbereitet:  wie  sind  die  Gesteine  des  I'lötzgebirges 
gebildet  worden,  welches  sind  die  Bedingungen,  unter  denen  die 
fossilen  Organismen  gelebt  haben  und  gestorben  sind.  Das  Buch 
füllt  daher  eine  bedenklich!'  Lücke  in  der  Litteratur  aus. 

2  Die  ,.AIlgemeine  Meereskunde"  hat  zwar  nicht  den  ausge- 
sjjrochenen  Zweck  als  Grundlage  für  ein  Studium  der  Geologie 
zu  dienen,  aber  es  ist  nach  dem  voran."!  Gesagten  klar,  dass  anch 
diese  eiiu'  Vorschule  für  die  Geologie  bildet;  der  Verf^.  behandelt 
denn  auch  in  dem  '7b.  Abschnitt  die  „Geschichte  des  Meeres"  uml 
erreicht  so  den  Anschluss  an  die  Geologie.  Das  Buch  ist  in  erster 
Linie  für  den  Laien,  den  Naturfreund,  berechnet,  und  wir  wünschen, 
es  mochte  von  den  Besuchern  des  Meerosstrandes  als  Lektüre 
und  treÖ'liche  Anregung  für  eine  Beurtheilung  des  zu  Sehenden 
weite  Verlireitung  finden.  Jedem  der  der  Natur  gern  denkend 
gegenüber  stellt,  wird  ein  Studium  desselben  grossen  Genu.ss 
bereiten. 


Eunz,  W.,  Ueber  die  Abhängigkeit  der  magnetischen  Hysteresis, 

der  Magnetisierbarki.'it  und  des  elektrischen  Leitungsvermögens 

des  Eisens    und    des  Nickels    von  der  Temperatur.     Diirmstadt. 

1  M. 
Kurella,  H,,    Naturgeschichte    des  ^'erbrechers.     Stuttgart.     7  M 
Lipps,  Th.,  Gruudzüge  der  Logik.     Hamburg.     3  M. 
Lübsen,  H.  B.,    Ausführliches    Lehrbuch    der    analytischen    oder 

hohem    Geometrie    zum    Selbstunterricht.      13,    Aufl.      Leipzig. 

4  M. 
Luerssen,  Ch.,  Grundzüge  der  Botanik.     ;>.  Aufl.     Leipzig.     8  M, 
Mach's    Gruiidriss     der    Physik,    für    die    höheren    Schulen    des 

Deutsehen   Keicdies,     1,  Theil.     Leipzig      2  M. 
Mach,  E.  u,  B    Boss,  Bemerkungen    zu  den  Theorien  der  Schall- 

phänoui.'ne   bei   iMrteoritenfällen.     Leipzig,     0,30  M, 
Mantegazza,  P,  Die  Physiologie  des  Weibes.     Jena,     4,50  M. 
Marchand,    Die  Morphologie    des  Stirnlappens  und  der  Insel  der 

.\iitlirii|ionu.irplien.     Leipzig. 
Marenzeller,    E.    v.,    Neue    Echinodermen    aus    dem  Mittelmeere. 

Leipzig.     0,20  M. 
Nägeli,  C.  V.,  Ueber  oligodynamische  Erscheinungen  in  lebenden 

Zellen.     Basel.     2,80  M. 
Neumann,    Gr.,    Beiträge    zur  Biologie  anaerobiotisch  wachsender 

gasbilileniler  Bacterieuarten.     Leipzig.     0,50  M. 
Niessl,    Gr.  V.,    Bahnbestimmung    des    Meteors    vom    7,  Juli    1892. 

Leipzig.     (1,70  M, 
Oppolzer,  E,  v.,  Ueber  die  Ursache  der  Sonncuflecken.     Leipzig 

0,80  M, 
Ozegowski,    A„    Die    Quadratur    des  Kreises,     Ostrowo.     1,50  M. 
Paulitschke,  Ph  ,  Ethnographie  Nordost-Afrikas.     Berlin.     23  M. 
Pfeffer,  G.,  Ostafrikanische  Reptilien  und  Amphibien.    Hamburg 

~  M. 
Pompeckj,  J.  F.,  Beiträge   zu  einer  Revision  der  Ammouiten  des 

Scliwiildselien  Jura.     1.  Lfg,     Stuttgart,     5  M, 
Posewitz,  Th.,    Erläuterungen    zur  geologischen  Special  karte 

Umgebungen  von  Körösmezö  und  Bogdän,  Blätter 

(l  :  75  000)    der     geologischen    Specialkarte 


der 


de 


*)  Vergl.  Naturw.  Woclienschr.  Bd.  VI,  No.  3,  S.  28. 


Col.  XXXI 

Länder  der  ungarischen  Krone.     Budapest.     1,20  M. 

Priwozuick,  E.,   Ueber  Vorkommen  von  Tellur. 

Puluj,  J.,  Methode  zur  Messung  der  Phasendift'erenz  von  har- 
monischen Wechselströmen  und  deren  Anwendung  zur  Be- 
stimmung der  Selbstinduction.     Leipzig.     0,^0  M. 

—  Ueber  die  Phasendift'erenz  zwischen  der  elektromotorischen 
Gesanimtkraft  und  der  Spannungsdifl'erenz  au  einer  Verzwei- 
gungsstello  des  Stromkreises  bei  Anwendung  harmonischer 
Wechselströme.     Leipzig.     0,50  M. 

—  Ueber  die  Wirkung  gleichgerichteter  sinusartiger  elektro- 
motorischer Kräfte  in  einem  Leiter  mit  Selbstinduction.  Leipzig. 
0,50  M. 


Inhalt:  Dr.  G.  Walleuberg:  Ueber  die  Rauinvorstelluug  eines  Blindgeborenen.  -  R.  Ed.  Liesegang:  Die  Gehörfarben.— 
UnteTsuchungen  über  den  kleinsten  Gesichtswinkel.  -  Myrmekophile  Akazien.  —  Die  Maden  an  lebenden  Kröten  —  Ueber 
die  leldmaiisplage  m  Scliottland,  —  Zwei  neue  Trai.a-Lager  in  W^•^tl)reussen.  —  Ergebnisse  der  Forschungen  im  Hinter- 
lande von  Fogo  1890  bis  1892.  -  Maistie's  Reise  vom  Congo  zum  Beiiue-Niger.  —  Durchkreuzung  von  Tibet.  —  Ueber  die 
Eiszeit  im  Keicheuhaller  Tliale.  -  Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben,  -  Litteratur,  —  Wilhelm  Wundt:  Ethik.  Eine  Unter- 
suchung der  Thatsachen  und  Gesetze  des  sittlichen  Lebens,  -  Prof.  Dr.  Conrad  Keller:  Alpenthiore  im  W'echsol  der  Zeit. 
Dr.    Arth.  l.oos:    Schmarotzer    in    der    Thierwelt.    —    Ad.    Alf.    Michaelis:    Die    bekanntesten    deutschen    Giftpflanzen.  — 


1.  Prof   Johannes  W^alther:  Bi 


Meeri 


W^alther:  Allgemeine  Meereskunde.  —  Liste. 


368 


Naturwisseiischaftliclic  Wucliensclirift. 


Nr.  34. 


Die  Insekten-Borse 

jetzt  vereinigt  mit  der  „Sammler -BÖrSe" 


vl^N^         EntomolpQi<.vi)e^  Organ 


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'icinimUr^örsQ.  U| 

üffertcnblatt  ^-'' 

im  JDicnsle  aller  Samrr.el-InltressenU, 


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Verantwo  rtlicher  Redakteur:  I.  V.  Dr.  F.  Kaunhowen,   Berlin  N.  4.,  luvalidenstr 
Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12. 


■11,  lür  ilrn    Inseratentlieil:    Hugo  Bernstein  in   Berlin. 
-  Druck:  G.  Bernstein,  Berlin  SW.   12. 


Redaktion:         7         Dr.  H.  Potonie. 
Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung^  Berlin  SW.  12,  Zimmerstr.  94. 


VIII.  Band. 


Sonntag,  den  27.  August  1893. 


Nr.  35. 


Abonnement :  Man  abonniit  bei  allen  Buchhandlungen  und  Post- 
anstalten,  wie  bei  der  Expedition.    Der  Vierteljahrspreis  ist  M  i.— 
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bei  allen  Annoncenbureaux,  wie  bei  der  Expedition. 


Abdrnck  ist  nnp  mit  vollständiger  «^nellenaiigabe  gestattet. 


Mathematische  Spielereien  in  kritischer  und  historischer  Beleuchtung. 


Von  Prof.  Dr.  H.  Schubert. 


VII.*) 


Boss-Puz'/lc  oder  Fuufzchner-Spicl. 

Seit  Meiischeiigetlenken  hat  kein  GeduUlspiel  ein  der- 
artij;'es  Interesse  bei  der  ganzen  g-ehildetenJIensclilieit  hervor- 
gerufen, als  in  den  Jahren  1879  und  1880  das  in  Deutsch- 
land unter  dem  Namen  „Boss-Puzzle",  in  Frankreich 
unter  dem  Namen  „Jeu  du  Taiiuin"  (Neek-Spiel),  in  England 
unter  dem  Namen  „Fifteenth-Puzzle"  eingeführte  Spiel. 
Monate  lang  bildeten  die  an  dieses  Spiel  sieh  anknüpfenden 
Erörterungen  eine  stehende  Itnbrik  in  Journalen  und  Zei- 
tungen. In  Hamburg  ging  das  Interesse  an  dem  Spiel  so- 
weit, dass  man  selbst  in  Pferdebahn-Wagen  die  kleinen 
Kästchen  mit  den  IT)  llolzklötzehen  erblicken  und  un- 
ruhige Hände  darin  schieben  .sehen  konnte.  In  manchen 
Comptoiren  sah  man  Warnungen  angeschlagen,  welche 
den  Gomptoiristeii  l)ei  sofortiger  Entlassung  verboten, 
Boss  -  Puzzle  -  Spiele  mit  in  das  Comptoir  zu  bringen, 
weil  der  Principal  sich  davor  schützen  musste,  dass  seine 
Angestellten  die  ihren  kaufmännischen  Pflichten  gehörende 
Zeit  auf  das  fesselnde  Spiel  verwandten.  Der  unter- 
nehmende Wirth  des  Elb-Pavillon  veranstaltete  ein  grosses 
Boss-Puzzle-Tournier,  zu  dem  mit  amerikanischer 
Reclame  eingeladen  wurde;  und  an  einem  schönen 
Sonntag  Nachmittag  sah  man  im  Elb-Pavillon  viele  Hun- 
derte von  Menschen  an  kleinen  Tischen  sitzen,  auf  denen 
Boss-Puzzle-Kästchen  standen,  und  vergebliche  Versuche 
machen,  das  vom  Wirth  gestellte,  überall  angeschlagene 
Boss-Puzzle-Problem  zu  lösen.  Obwohl  eine  hohe  Summe 
demjenigen  versprochen  war,  der  es  zuerst  gelöst  hätte, 
war  Niemand  im  Stande,  den  Preis  zu  erringen  —  aus 
dein  einfachen  Grunde,  weil  das  Problem  zu  den  unlös- 


aus 


dem   Folgenden    hervorgehen 


*)  Der   am   28.  Mai    und  4.  Juni  erschienene  Artikel  i.st  von 
uns  aus  Versehen  mit  VII  statt  mit  VI  bezeichnet.  Ke<l. 


baren  gehörte,    wie 
wird.  — 

Aber  auch  ernste  Gelehrte  widmeten  dem  neuen  Ge- 
duldspiel ihr  Interesse  und  ihre  Zeit.  Die  erste  mathe- 
matische Uehandlung  des  Spiels  erschien  sclion  1879  in 
dem  „American  Journal  of  mathematics  pure  and  applied" 
(Baltimore  1879),  und  hatte  den  Mathematiker  Woolsey 
Johnson  zum  Verfasser.  Eine  Verallgemeinerung  der 
Theorie  dieses  Gelehrten  verritfentlichte  dann  in  demselben 
Journal  Professor  Story.  In  Deutschland  gab  der  Ver- 
fasser dieser  Artikel  eine  gemeinverständliche,  sich  aus- 
schliesslich an  die  Laien  wendende  Erörterung  des  Sjiiels. 
Dieselbe  erschien  1880  in  Hamburg  als  kleine  Broschüre 
mit  dem  Titel  „Theoretische  Entscheidung  über  das  Boss- 
Puzzle-Spiel,  allgemeinverständlich  dargestellt  mit  Anlei- 
tung zur  schnellen  Bildung  lösbarer  und  unlösbarer  Aui- 
gaben."  Der  Ertrag  war  für  das  Hamljurger  Lessing- 
benkmal  bestimmt.  In  den  folgenden  Auseinandersetzungen 
schliesst  sich  der  Verfasser  im  wesentlichen  an  die  in 
diesem  Bttchelchen  niedergelegten  Erörterungen  an,  da 
die  von  Anderen  aufgestellten  theoretischen  Prüfungen  des 
Spiels  für  Nicht-JIathematiker  schwerer  verständlich  sind. 
Mit  Recht  wird  man  naclv  dem  genialen  Ertinder 
dieses  fesselnden  Geduldspiels  fragen.  Darüber  ist  nichts 
weiter  bekannt,  als!  was  der  Mathematiker  Sylvester,  Pro- 
fessor an  der  Hopkins-Universität  zu  Baltimore,  auf  der 
Jahres -N'ersammlung  der  „Association  fraugaise  pour 
ravanceincnt  des  scienccs"  in  Reims  mittheilte.  Danach 
soll  im  December  1878  das  Spiel  von  einem  taubstummen 
Amerikaner  erfunden  sein,  als  derselbe  Nummern,  die  in 
einem  Kästchen  lagen  und  in  Unordnung  gerathen  waren, 
in  die  natürliche  Reihenfolge  bringen  sollte.  Aus  irgend 
welchem  Grunde  nahm  er  eine  Nummer  heraus,  und 
suchte  nun  durch  lilosses  Schieben  sein  Ziel  zu  erreichen. 
•  Wir  gehen  nun  zu  der  Eröirterung  des  urs]n-iinglichen 
Bo.ss-Pu/.zle-Problems  ülier.  Dasselbe  verlangt,  in  einem 
quadratischen  Kästchen,    welches  für    ll>   gleich 


370 


Natnrwisscnscliuftlichc  Wocliensclivift. 


Nr.  35 


g-rosse  Steine  mit  quadratisclicr  Oberfläche 
gerade  Platz  hat,  aber  nur  15  solche  mit  den 
Zahlen  von  1  bis  15  beschriebene  und  sich  be- 
rührende Steine  enthält,  diese  Steine,  wenn  sie 
))eliebig  liegen,  durch  blosses  Verschieben  so  zu 
ändern,  dass  die  folgende  Figur  entsteht: 


1 

2 

3 

4 

5 

6 

7 

8 

9 

10 

11 

12 

13 

14 

15 

leer 

Die  durch  diese  Figur  bestimmte  Stellung  der  lö 
Steine  zu  einander  wollen  wir  die  reguläre  Stellung 
nennen.  Beispielsweise  sei  die  folgende  Stellung  durch 
Verschieben  in  die  reguläre  überzuführen: 


1 

6 

2 

o 

ö 

10 

7 

4 

11 

8 

1-2 

l.'-) 

9 

n 

14 

Unter  anderm  wird  man  dieses  Problem  dadurch  lösen 
können,  dass  man  bei  der  gegebenen  Anfangs-Stellung 
zunächst  den  mit  1.')  beschriebenen  Stein  auf  das  leere 
Feld  rückt,  dann  die  drei  Steine  11,  8,  12  nach  rechts 
schiebt.     Ans   der  so  gewonnenen  Stellung 


1 

6 

2 

3 

5 

10 

7 

4 

11 

8 

12 

9 

13 

14 

15 

kann  man  nach  und  nach  die  folgenden  Stellungen  leicht 
durch  Schieben  erreichen: 


1 

G 

2 

3 

5 

10 

7 

4 

9 

11 

8 

12 

13 

14 

15 

1 

G 

2 

3 

5 

10 

7 

4 

9 

11 

S 

13 

14 

15 

12 

1 

2 

3 

5 

G 

7 

4 

9 

10 

11 

8 

13 

14 

15 

12 

1 

2 

3 

4 

5 

G 

7 

9 

10 

11 

8 

13 

14 

15 

12 

woraus  nun  durch  Aufwärts-Schieben  der  Steine  8  und  12 
die  reguläre  Stellung  sofort  erreicht  werden  kann. 


Es  fragt  sich  zunächst,  wieviel  Probleme  mög- 
lich sind,  d.  h.  wieviel  verschiedene  Anordiumgen  sich 
den  15  Steinen  geben  lassen,  wobei  vorausgesetzt  werden 
soll,  dass  bei  jedem  Problem  das  leere  Feld,  wie  bei  der 
regulären  Stellung,  rechts  unten  ist.  Wir  kommen  in  das 
(lebiet  der  Permutationslehre.  Zunächst  sieht  man  ein, 
dass  zwei  Dinge  a  und  b  nur  zwei  Anordnungen  a  b  und 
b  a  haben  können.  Bei  drei  Dingen  giebt  es  schon  drei- 
mal soviel,  also  6,  weil  a  vor  b  c  und  vor  c  b  gesetzt 
werden  kann,  und  ebenso  zwei  Anordnungen  da  sind,  die 
mit  b  anfangen,  sowie  zwei,  die  mit  c  anfangen.  Hieraus 
folgt  wieder,  dass  vier  Dinge  a,  b,  c,  d  viermalsoviel,  also 
4x3X2  =  2-1  verschiedene  Anordnungen  haben  können. 
Und  so  muss  diese  Schlussfolge  beliebig  fortgesetzt 
werden  können.  Also  kann  man  den  15  Steinen  im 
Ganzen 

2x3x4x5x6x7x8x9xl0xllxl2xl3x  14  x  15 

Anordnungen  geben.  Rechnet  man  dieses  Multiplications- 
Exempel  aus,  so  erhält  man  die  stattliche  Anzahl  von 

1  Billion  307  674  Millionen  und  365  000 

Boss-Puzzle-Aufga])en.  Dieselbe  Zahl  ergiebt  sich  natür- 
lich auch,  wenn  man  fragt,  wieviel  Platz-Verschiedenheiten 
eine  Tischgesellschaft  von  15  Personen  haben  kann,  wo- 
bei es  natürlich  schon  als  eine  neue  Platzordnung  gerechnet 
ist,  wenn  nur  zwei  Personen  ihre  Plätze  geändert  haben. 
Wollte  also  eine  solche  'J'ischgesellschaft  alle  Tage  anders 
sitzen,  so  brauchte  sie  über  3600  Millionen  Jahre  dazu, 
alle  möglichen  Anordnungen  durchzusitzen;  und  selbst, 
wenn  die  15  Personen  im  Stande  wären,  alle  Secunde 
eine  neue  ( *rdnnng  einzunehmen,  so  würden  sie  ohne  Unter- 
brccliung  über  41  000  .fahre  daran  arbeiten  müssen,  ehe 
sie  alle  denkbaren  Platzverschiedenhciten  durclijjrobirt 
hätten.  Dieses  Beispiel  giebt  vielleicht  eine  Ahnung  von 
der  Grösse  der  berechneten  Zahl  aller  möglichen  Boss- 
Puzzle- Aufgaben. 

Wer  eine  dieser  Aufgaben  zu  lösen  unternimmt,  wird 
bald  die  ersten  12  Steine  auf  ihre  richtigen  Plätze  durch 
Schieben  bringen  können.  Dann  al)er  wird  er  in  der 
vierten  Reihe  eine 
müssen: 

1)  13,  14,  15; 
4)  13,  15,  14; 


der  folgenden  6  Stellungen   erhalten 


2)  14,  15,  13;     3)  15,  13,  14; 
.5)  14,  13,  15;     G)  1.5,  14,  13. 


Die  Praxis  wird  dann  Jedem  bald  zeigen,  dass  man 
das  durch  die  erste  Stellung  angegebene  Ziel  auch  bei 
der  zweiten  und  dritten  Stellung  durch  Mitbenutzung  der 
Steine  9,  10,  11,  12  der  dritten  Reihe  erreichen  kann, 
und  zwar  nach  mindestens  18  maligem  Rücken  eines 
Steines,  dass  man  aber  bei  der  vierten,  fünften  und 
sechsten  der  6  angegebenen  Stellungen  die  geforderte 
reguläre  Stellung  nicht  erreichen  kann.  Die  Lösung 
einer  solchen  Aufgabe  kann  nur  durch  Betrug  oder 
Taschenspielerei  bewerkstelligt  werden.  Man  gelangt 
nändich  immer  dann  zur  Lösung,  wenn  man  irgendwann, 
statt  zu  schieben,  einmal  zwei  Steine  ihre  Plätze  wech- 
seln lässt. 

Um  der  Theorie  der  Boss-Puzzle-Aufgaben  näher 
treten  zu  können,  gehen  wir  von  folgenden  einfachen 
Ueberlegungen  aus.  Unter  „Zug"  hn  Boss-Puzzle-Spiel 
verstehen  wir  die  Verschiebung  eines  Steines  auf  den  be- 
nachbarten leeren  Platz.  Bewegen  wir  nun  einen  Stein 
von  seinem  anfänglichen  Platze  fort,  schieben  dann  so, 
dass  er  weiter  wandern  kann,  und  lassen  ihn  nun  so  be- 
liebige und  beliebig  unterbrochene  Wanderungen  aus- 
führen, aber  derartig,  dass  er  schliesslich  einmal  auf 
seinen  alten  Platz  zurückkehrt,  so  hat  der  Stein  innner 
eine  gerade  Anzahl    von  Zügen    ausgeführt,    gleichviel, 


Nr.  Sf). 


Natiuvvisscuscliat'tliche  Wochenschrift. 


welche  Platz- Aeiulcrungcn  die  Ul)rigen  Steine  dabei  er- 
halten haben.  Denn  jeder  Zug  in  horizimtalcr  oder  ver- 
tikaler Richtung  muss  irgendwann  und  irgendwo  einmal 
wieder  durch  eine  parallele  Verschiebung  in  entgegen- 
gesetzter Richtung  rückgängig  gemacht  sein.  Was 
hiermit  von  einem  Stein  als  richtig  erkannt  ist,  muss  auch 
für  das  leere  Feld  gelten,  welches  ja  auch  bei  .jedem  Zuge 
horizontal  oder  vertikal  um  einen  Schritt  vorwärts  oder  rück- 
wärts wandert.  Hieraus  geht  aber  folgende  Wahrheit  hervor: 
„Wird  eine  Stellung  der  15  Steine  durch  beliebig  fort- 
gesetzte Verschiebung  iu  eine  andere  Stellung  übergeführt, 
bei  welcher  der  leere  Platz  wieder  da  ist,  wo  er  vorher 
war,  so  ist  die  Gesa mmtsu nunc  aller  der  während 
der  Ueberführung  der  einen  Stellung  in  die  andere  aus- 
geführten Züge  eine  gerade  Zahl.  Bei  jeder  s<dchen 
Verschiebung  kann  man  sich  denken,  dass  (b'r  zuerst  auf 
den  leeren  Platz  unten  rechts  gerückte  Stein  nach  ein- 
ander mit  sänuntlichen  sonst  noch  gezogenen  Steinen  den 
Platz  wechselt.  Beispielsweise  ziehen  wir,  von  der 
regulären  Stellung  ausgehend,   nach  einander  die  Steine: 

12,  8,  7,  3,  2,  6,  10,  14,  15,  12, 

sodass  wir  als  neue  Stellung  erhalten: 


1 

6 

2 

-1 

b 

10 

o 

7 

fl 

11 

11 

8 

IS 

15 

12 

Die  vorgenommene  Verschiebung  können  wir  uns  nun 
durch  eine  Vertauschungs-Folge  ersetzt  denken,  wenn 
wir  uns  vorstellen,  dass  der  leere  Platz  immer  von  dem 
zuerst  gezogenen  Stein  12  besetzt  ist.  Stein  12  tauscht 
dann  zuerst  mit  8,  dann  mit  7,  dann  mit  3,  mit  2,  mit  6, 
mit  10,  mit  14,  endlich  mit  15.  Es  sind  also  bei  den 
10  Zügen  8  Platzwecliscl  vorgekommen,  nändieh  2  Platz- 
wechsel weniger  als  Züge,  weil  das  Hineiiu-ückcn  der  12 
in  den  leeren  Platz  und  das  Entfernen  von  demselben 
keinen  Tausch  von  Steinen  veranlasst.  So  muss  es  aber 
bei  jeder  noch  so  complicirten  Verschiebung  sein;  immer 
kann  man  sagen,  dass  der  zuerst  auf  den  leeren  Platz 
gerückte  Stein  mit  allen  sonst  noch  gezogenen  vSteinen 
tauscht.  Dabei  ist  die  Zaid  der  gedachten  Vertauschungen 
immer  um  2  kleiner  als  die  Zahl  der  Züge.  Da  nun  die 
Zahl  der  Züge,  wie  schon  oben  eingesehen  ist,  eine  gerade 
sein  muss,  eine  um  2  verminderte  gerade  Zahl  wieder 
gerade  ist,  so  ist  auch  die  Zahl  der  vorgekommenen 
Vertauschungen  eine  gerade.  Statt  die  Vertauschung 
mit  Stein  12  zu  beginnen,  kann  ich  sie  natürlich  mit 
irgend  einem  der  gezogenen  Steine  beginnen,  z.  B.  mit  3. 
Es  tauscht  dann  3  mit  2,  dann  mit  (3,  mit  10,  mit  14, 
mit  15,  dann  über  das  leere  Feld  schräg  mit  12,  dann 
mit  8,  dann  mit  7.  Oft  kehren  Steine  im  Laufe  der  Ver- 
schiebungen wieder  an  ihre  Plätze  zurück.  Da  sie  dazu 
eine  gerade  Zald  von  Zügen  brauchen,  so  bleibt  die 
Zahl  der  Vertauschungen  gerade,  wenn  man  solche  Ver- 
tauschungeu,  die  aus  rückkehrenden  Steinen  entstanden 
sind,  nicht  mitzählt.  Zieht  man  z.  B.,  von  der'  regulären 
Stellung  ausgehend,  nach  einander  die  Steine 
15,  14,  10,  11,  7,  6,  11,  10,  14,  15, 

so  kann  man,  statt  15  mit  14,  dann  mit  10,  mit  11,  nnt  7, 
mit  G,  mit  11,  mit  10,  endlich  mit  14  tauschen  zu  lassen, 
auch  bloss  11  nnt  7  und  dann  11  mit  i'>  tauschen  lassen, 
um  die  neue  Stellung  zu  erzielen.  Jedenfalls  erhalt  man 
auch  dann  eine  gerade  Zahl  von  Vertauschungen.    Wenn 


also  zwei  Stellungen  durch  Verschiebung  aus  einander 
hervorgehen,  so  kann  man  sie  auch  durch  eine  gerade 
Zahl  von  Vertauselningen  zweier  benachbarter  Steine  in 
einander  überfülu'cn.  Befolgt  man  dabei  nun  nicht  gerade 
die  aus  der  Verschiebung  selbst  resultirende  Vertauschungs- 
( Ordnung,  sondern  irgend  welche  andere,  bei  der  man  aber 
auch  das  Ziel  erreicht,  so  hat  man  vielleicht  mehr  oder 
weniger  Vertauschungen  gemacht,  jedenfalls  aber  eine 
gerade  Anzald  mehr  oder  weniger,  weil  man  eine  gerade 
Anzahl  von  ^'ertauschungen  vornehmen  muss,  um  aus  einer 
gewissen  Anordnung  von  Dingen  dieselbe  Anordnung  wieder 
zu  erhalten.  Hieraus  kann  man  also  die  folgende  Wahrheit 
scidiessen:  Ist  eine  alte  Stellung  der  15  Steine  des  Boss- 
Puzzle  durch  blosses  Verschieben  in  eine  neue  übergeführt, 
bei  welcher  der  leere  Platz  wieder  auf  sein  altes  Feld  zu- 
rückgekehrt ist,  so  nmss  die  Zahl  der  Vertauschungen, 
die  man  mit  je  zwei  benachbarten  Steinen  vornehmen 
muss,  um  ebenfalls  aus  der  alten  Stellung  die  neue  zu  er- 
halten, gerade  sein. 

Wenn  man  min  zwei  nicht  benachbarte  Steine  ihre 
Plätze  wechseln  lässt,  z.  B.  bei  der  regulären  Stellung 
2  und  11,  so  kann  man  diesen  Tausch  auch  durcii  niclir- 
malige  Vertauschung  je  zweier  benachbarter  Steine  er- 
setzen. Man  hat  nändieh  2  mit  3,  2  mit  7,  2  mit  11  und 
dann  nur  nocli  7  mit  11,  7  mit  2  die  Plätze  wechseln  zu 
lassen. 

Man  sieht  also,  dass  die  Vertauschung  zweier  nicht 
benachbarter  Steine  immer  dadurch  geleistet  werden  kann, 
dass  man  soviel  Vertausehungen  je  zweier  Nachbarsteine 
vornimmt,  als  die  um  1  verminderte  doppelte  Anzahl  der 
Züge  beträgt,  welche  mau  von  dem  Platz  des  einen  Steins 
zum  Platz  des  andern  Steins  niaclien  müsste.  AVenn  man 
also  eine  Vertauschung  zweier  nicht  benachbarter  Steine 
an  die  Stelle  zweier  benachbarter  Steine  setzt,  so  fügt 
man  dadurch  immer  eine  gerade  Anzahl  von  Vertauschungen 
zweier  l)enachbarter  Steine  hinzu.  Dieses  Resultat  giebt 
im  Verein  mit  der  oben  erkannten  Wahrheit  das  folgende 
wichtige  Resultat: 

Wenn  man  zwei  durch  blosses  Verschieben 
in  einander  überfülir))are  Stellungen  der  15Steine 
des  Boss-Puzzle  dadurch  in  einander  überführt, 
dass  man  auf  irgend  welche  Weise  immer  je  zwei 
beliebige  Steine  mit  einander  vertauscht,  so 
nimmt  man  stets  eine  gerade  Zahl  von  Ver- 
tausehungen  vor. 

Es  wird  zweckmässig  sein,  dieses  Resultat  durch 
einige  Beispiele  zu  eriiärten: 

1)  Man  gehe  von  der  regulären  Lage  der  Steine  aus, 
schiebe  auf  den  leeren  Platz  den  Stein  12,  auf  den  dann 
leer  gewordenen  Platz  den  Stein  11,  auf  den  so  erhaltenen 
leeren  Platz  den  Stein  15  und  auf  dessen  Platz  den  Stein  12. 
Dann  kann  man  diese  auch  dadurch  bewirken,  dass  man 
erst  Stein  11  und  12  ihre  Plätze  wechseln  lässt  und  darauf 
Stein  12  mit  Stein  15  vertauscht.  Man  hat  dann  zwei, 
also  eine  gerade  Zahl,  von  Vertauschungen  vorgenommen. 

2)  Man  gehe  wieder  von  der  regulären  Stellung  aus, 
rücke  auf  den  leeren  Platz  den  Stein  15  und  dann  immer 
auf  den  jedesmal  leer  gewordenen  Platz  die  Steine 

14,  10,  11,  7,  (•),  11,  10,  14,  15. 

Dann  kann  man  die  neue  Stellung  natürlich  aucii 
erreichen,  wenn  man  den  Stein  15  nach  einander  mit 
14,  10,  11,  7,  (j,  11,  10,  14  austauscht.  So  führt  man 
8  Vertauschungen  aus.  Da  jedoch  die  erste  Vertauschung 
der  Steine  15  und  14  durch  die  letzte  von  14  und  15 
wieder  rückgängig  gemacht  wird,  und  dasselbe  dann  für 
die  zweite  und  vorletzte,  sowie  für  die  dritte  und  dritt- 
letzte Vertauschung  gilt,  so  kann  man  statt  durch  8  auch 
durch  3  mal  2  weniger,  also  nur  durch  2  Vertauschungen 


372 


Naturwissciiseliaf'tliclic  Woclicuschril't. 


Nr.  35. 


die  neue  Stellung  erzielen.    Man   braucht  nämlich  nur  11 
mit  7   und   dann  11  mit  6   den  Platz  wechseln  zu  lassen. 
3)  Man    gehe   \on    der    regulären  Stellung    aus    und 
rücke  auf  den  jedesmal  leeren  Platz  die  Steine 

1-2,  11,  10,  14,  15,  10,  14,  9,  13,  15,  10,  14, 
9,  10,  15,  13,  10,  9,  11,  12. 

Dadurch  erhält  man  als  neue  Stellung: 


1 

•-} 

o 

4 

5 

6 

7 

8 

10 

9 

11 

12 

13 

15 

14 

Diese  neue  Ordnung  geht  aber  auch  aus  der  alten  durch 
zwei,  also  durch  eine  gerade  Zahl  von  Vertauschungen 
hervor,  nändich  durch  den  Platzwechsel  der  Steine  9  und  10, 
sowie  der  Steine  14  und  15. 

4)  Man  verschiebe  die  Stellung 


1 

3 

4 

7 

1 

2 

3 

4 

5 

2 

8 

5 

6 

7 

9 

6 

11 

12 

m 

9 

10 

11 

8 

Vä 

14 

Iti 

ir> 

18 

14 

15 

12 

z.  B.  durch  die  Züge  11,  10,  15,  12,  8,  7,  4,  3,  2,  6, 10,  11. 
Wie  man  nun  auch  versuchen  mag,  durch  Vertausehung 
von  Steinen  aus  der  alten  Stellung  die  neue  zu  erreichen, 
immer  wird  man  eine  gerade  Zahl  von  Vertauschuugen 
vorzunehmen  haben;  z.  B.  kann  man  die  Steine  15  und  4, 
15  und  3,  15  und  10,  dann  10  und  2,  10  und  6,  dann 
8  und  4,  8  und  12,  endlich  7  und  4  ihre  Plätze  wechseln 
lassen. 

Aus  unseren  obigen  Ueberlegungen  folgt  auch  die 
ümkchrung  des  erhaltenen  Resultats,  die  wir  hier  aus- 
sprecheu  und  dnrcli  Beispiele  verdeutlichen  wollen: 

Eine  alte  Stellung  der  15  Steine  des  Boss- 
Puzzle  ist  in  eine  neue  Stellung  überführbar 
oder  nicht,  je  nachdem  die  Anzahl  der  irgend 
wie  vorgenommenen  Vertauschungen,  welche 
gleichfalls  aus  der  alten  Stellung  die  neue  her- 
stellen können,  gerade  ausfällt  oder  nicht. 

Hierzu  einige  Beispiele: 

1)  Die  Preis-Aufgabe,  welche  1880  im  Eibpavillon  zu 
Hamburg  angeschlagen  war  (vergl.  Einleitung),  verlangte, 
die  Stellung,  bei  welcher  alle  Steine  bis  13  an  ihren 
richtigen  Plätzen  waren,  dagegen  15  und  14  vertauscht 
waren,  in  die  reguläre  Stellung  überzuführen.  Die  Auf- 
gabe war  unlösbar,  weil  eine  Vertauschung  zweier  Steine 
dasselbe  bewirkt,  und  1  eine  ungerade  Zahfist.  Aus  dem- 
selben Grunde  sind  auch  die  beiden  Aufgaben  unlösbar, 
bei  denen  die  Steine  von  1  bis  12  an  ihren  richtigen 
Plätzen  stehen,  dann  aber  14,  13,  15  oder  15,  14,  13  folgt. 
Dagegen  sind  lösbar  die  beiden  Aufgaben,  bei  denen  die 
Steine  der  ersten  drei  Reihen  richtig  stehen,  dann  aber 

14,  15,  13  oder  15,  13,  14 

folgt.  Denn  hier  erreicht  man  durch  zwei  Vertauschungen 
die  reguläre  Stellung  13,  14,  15,  und  2  ist  eine  gerade  Zahl. 

2)  Man  hat  sich  die  Aufgabe  gestellt,  durch  Ver- 
schieben die  erste  der  beiden  folgenden  Stellungen  in  die 
andere  überzuführen: 


1 

2 

3 

4 

5 

6 

7 

8 

9 

10 

11 

12 

ir, 

14 

13 

4 

3 

2 

1 

5 

14 

13 

12 

G 

15 

11 

7 

8 

9 

10 

Unsere  oben  gefundene  Regel  entscheidet  sofort  dar- 
über, ob  es  möglich  oder  unmöglich  ist.  Man  schiebe 
zunächst  so,  dass  der  leere  Platz  bei  beiden  Stellungen 
an  demselben  Orte  ist,  also  etwa  12  auf  den  leeren  Platz 
und  auf  den  dadurch  leer  gewordenen  Platz  den  Stein  11. 
Darauf  kann  man  etwa  so  tauschen:  4  mit  1,  2  mit  3, 
9  mit  6,  15  mit  7,  14  mit  8,  13  mit  9,  12  mit  10,  14  mit  12, 
15  mit  13,  14  mit  15.  Da  man  durch  10,  also  durch  eine 
gerade  Zahl  von  Vertauschungen  auch  zum  Ziel  gelangen 
kann,  so  ist  die  gestellte  Aufgabe  lösbar. 

3)  um  zu  prüfen,  ob  man  die  Stellung: 


4 

3 

2 

1 

8 

7 

6 

5 

12 

11 

10 

9 

15 

14 

13 

in  die  reguläre  verschieben  kann,  schie))e  man  13,  14,  15 
nach  links,  so  dass  der  leere  Platz  an  seine  richtige  Stelle 
konnnt.  Dann  erkennt  man  sofort,  dass  man  nur  die 
Steine  4  und  1,  3  und  2,  8  und  5,  7  und  (i,  12  und  9, 
11  und  10,  13  und  15  zu  vertauschen  braucht,  um  die 
reguläre  Stellung  zu  erzielen.  Da  dies  7,  also  eine  un- 
gerade Zahl  von  Vertauschungen  sind,  so  ist  die  Aufgabe 
unlösbar. 

Aus  den  beiden  oben  als  richtig  erkannten  Regeln 
folgt  auch:  1)  dass  zwei  Stellungen,  welche  sich  durch  Ver- 
schieben in  eine  und  dieselbe  dritte  Stellung  bringen 
lassen,  in  einander  verschoben  werden  können;  2)  dass 
zwei  Stellungen,  welche  sich  beide  nicht  durch  Verschieben 
in  eine  und  dieselbe  dritte  Stellung  überführen  lassen, 
in  einander  verschiebbar  sind;  3)  dass  zwei  Stellungen 
nicht  in  einander  verschoben  werden  können,  wenn  sich 
die  eine  in  dieselbe  dritte  Stellung  überführen  lässt,  nicht 
aber  die  andere.  Ebenso  erkennt  man  nun  leicht,  dass 
jede  nicht  in  die  reguläre  Stellung  verschiebbare  Stellung 
zu  einer  doch  so  verschiebbaren  wird,  wenn  man  einmal 
oder  eine  ungerade  Anzahl  Male  entweder  zwei  Steine 
vertauscht  oder,  was  auf  dasselbe  hinauskommt,  einen  Stein 
oder  eine  ungerade  Anzahl  von  Steinen  überspringt. 

Wenn  bei  einer  Boss-Pnzzle-Aufgabe,  welche  die  Ver- 
schiebung in  die  reguläre  Stellung  verlangt,  viele  Steine 
zufällig  auf  ihren  richtigen  Plätzen  liegen,  so  wird  man 
schnell  die  Zahl  der  Vertauschungen  übersehen,  die  vor- 
zunehmen sind,  um  die  übrigen  Steine  richtig  zu  ordnen. 
Fällt  jene  Zahl  gerade  aus,  so  ist  die  Aufgabe  lösbar, 
fällt  sie  ungerade  aus,  unlösbar.  Wenn  aber  bei  einer 
complicirteren  Aufgabe  sehr  wenige  oder  gar  kein  Stein 
an  seinem  richtigen  Platze  liegt,  so  hätte  man  viele, 
h(ichstens  freilich  15,  Vertauschungen  vorzunehmen,  um 
die  Entscheidung  über  die  Lösbarkeit  treffen  zu  können. 
Man  kann  aber  in  solchem  Falle  die  Vertauschuugen 
ordnungsmässig  in  Reihen  zusammenfassen  und  so 
übersichtlicher  gestalten,  wie  folgendes  Beispiel  zeigt:  Es 
sei  zu  prüfen,  ob  die  erste  der  beiden  folgenden  Stellungen 
in  die  zweite  reguläre  verschiebbar  ist: 


Nr.  35. 


Naturwisscnscluil'tlichc  Wochcuschriit. 


2 

4 

(j 

s 

5 

O 

10 

12 

1 

U 

11 

7 

0 

13 

15 

1 

2 

o 

1 

.) 

G 

1 

8 

'.1 

10 

11 

12 

13 

U 

lö 

Da  auf  dem  ersten  Felde  oben  links  der  Stein  2 
liegt,  der  Stein  1  aber  liegen  soll,  so  vertausche  ich  die 
beiden,  dann  lege  ich  Stein  2  an  die  Stelle,  wo  4  liegt, 
den  Stein  4  wieder  dahin,  wcdiin  er  gehört,  also  auf  das 
Feld,  wo  Stein  !-!  liegt,   dann  werden  in  derselben  Weise 

14,   13,   9    herausgenonnnen,    nnd 


die    Steine    12,   7,    lU, 

schliesslich  wird    der    Stein  9   auf   den  Platz  gelej. 


anfänglich  der  Stein  1 


t,  wo 
ag.  Auf  diese  Weise  bilden  die 
Steine  1,  2,  4,  8,  12,  7,  lü,  14,  13,  9  einen  Vertauschungs- 
kreis,  der  aus  9  Vertauschungen  von  10  Steinen  besteht. 
Ebenso  bilden  die  Steine  3  und  ß  einen  zweiten  Kreis, 
der  aus  einer  Vertauschung  von  zwei  Steinen  bestellt. 
Endlich  bleiben  noch  drei  Steine,  nändich  .">,  11,  If),  übrig, 
die  schon  auf  ihren  richtigen  Plätzen  liegen.  Man  kann 
also  sagen,  dass  jeder  dieser  Steine  einen  Kreis  von  0  Ver- 
tauschungen und  einem  Steine  darstellt.  Wir  erkennen 
dabei,  dass  jeder  solcher  Vertauschungskreis  einen  Stein 
mehr  unifasst,  als  Vertauschungen  darin  vorkommen.  In 
unserem  Peispiel  haben  wir  f)  Vertauschungskreisc,  also 
im  ganzen  5  Steine  mehr  als  Vertauschungen.  Folglich 
ist  immer  die  Gesanuntzahl  der  Vertauschungen 
gleich    dem  Ueberschuss   der  Steiuzahl   über  die 


Zahl  dei 


15  weniger  5, 


Vertauschungskreisc, 


d.  b.  bei  uns  gleich 

oder  10.     Da  10    gerade    ist,    so    ist   die 

Aufgabe  lösbar.     So   haben  wir  die   folgende  Uauptrcgel 


gerade    aus- 


Eine  Boss-Puzzle-Stellung  ist  in  eine  andere 
verschiebbar  oder  nicht,  je  nachdem  der  Ueber- 
schuss der  Steinzahl  (beim  gewöhnlichen  Boss- 
Puzzle  l,''))über  die  Zahl  der  Vertauschungskreisc, 
die  man  durchwandern  muss,  um  die  eine  Stel- 
lung in  die  andere  überzuführen 
fällt  oder  ungerade. 

Diese  Hauptrcgel  ermöglicht  die  denkbar  schnellste 
^Entscheidung  üher  die  liösbarkeit  von  Boss- Puzzle -Auf- 
gaben. Man  verfährt  behufs  dessen  am  zweckmässigsten, 
wenn  man  sich  die  beiden  Stellungen,  die  in  einander 
verschoben  werden  sollen,  der  Reihe  der  Zahlen  nach, 
unter  einander  schreibt.  Dann  kann  man  mit  dem  Auge 
schnell  und  sicher  die  Vertauschungskreisc  erkennen,  und 
demgemäss  nach  dem  obigen  Satze  die  Entscheidung 
treffen.     Dies  verdeutlichen  folgende  Beispiele: 

1)  Es  sei  zu  prüfen,  ol)  die  erste  der  beiden  folgen- 
den Stellungen  in  die  zweite  reguläre  verschiebbar  ist: 


G 

S 

12 

11 

1 

2 

O 

4 

5 

11 

4 

1 

5 

6 

7 

8 

13 

15 

'2 

9 

in 

9 

10 

11 

12 

3 

10 

7 

13 

11 

15 

Dann  schreibe   man  die  beiden  Stellungen  in  folgen- 


der Weise: 


G 

8 

12 

11 

5 

14 

4 

1 

13 

15 

2 

9 

3 

IG 

1 

2 

3 

4 

5 

6 

7 

8 

9 

10 

U 

12 

13 

14 

14 

2 

13   1 

9 

8 

3   (i 

4 

7 

5   12 

11 

15 

10 

13 

0 

11 

4 

14 

o 

G 

8 

2 

7 

1 

12 

15 

10 

'.) 

Nun  erkennt  man  leicht  die  folgenden  Vertauschungs- 
kreise: 

1)  1,  fi,  14,  10,  15,  7,  4,  11,  2,  S; 

2)  3,  VI,  9,  13; 

3)  5. 

Die  Zahl  '.\  der  Vertauschungskreisc,  abgezogen  von 
der  Steinzahl  15,  gicht  die  gerade  Zahl  12;  also  sind  die 
beiden  Stellungen  in  einander  verschiebbar. 

2)  Man  habe  zu  prüfen,  ob  die  beiden  tblgeudcn  Stel- 
lungen in  einander  verschiebbar  sind: 


UlJll 


Man  schreibe  die  in  gleichliegenden  Feldern  stehenden 
Zahlen  unter  einander,  um  die  V^ertauschungskreise  leichter 
zu  erkennen.     Also: 


10 
9 


Mau  erkennt  nun  leicht  die  folgenden  Vertauschungs- 
kreisc : 

1)  13,  14,  9,  10,  15,  11; 
2)5,2,4,1; 

3)  3,  S,  «; 

4)  7; 

5)  12. 

Wir  haben  also  5  Vertauschungskreisc  bei  15  Steinen, 
15  minus  5  giebt  eine  gerade  Zahl.  Daher  lautet  die 
^Entscheidung^  dass  die  vorgelegten  Stellungen  in  einander 
verschiebbar  sind. 

Unsere  Regel  giebt  uns  auch  die  Entscheidung  dar- 
id)er  an  die  Hand,  ob  bei  einer  vorliegenden  Stellung  des 
Boss- Puzzle  die  Steine  in  richtige  Reihenfolge  gebracht 
werden  können,  ohne  dass  gerade  die  Stellung  erzielt 
wird,  die  oben  als  regulär  bezeichnet  ist.  Es  giebt  im 
ganzen  8  Stellungen,  bei  denen  man  sagen  kann,  dass  die 
Zahlen  auf  den  Steinen  in  natürlicher  Reihenfolge  stehen; 
und  unsere  Regel  ergiebt  dann  leicht,  dass  diese  8  Stel- 
lungen in  zwei  Gruppen  von  je  4  so  zerfallen,  dass  die 
\ier  Stellungen  jeder  Gruppe  in  einander  verschiebbar 
sind,  dass  aber  keine  Stellung  einer  Grupiic  in  eine  Stel- 
lung der  andern  verschiebbar  ist.  Die  beiden  Gruiipeu 
sind  folgende: 

G  V  u  p  p  '■    A. 


4 

2 

13 

1 

9 

8 

3 

6 

4 

7 

5 

1-2 

11 

15 

3 

5 

11 

4 

14 

3 

0 

8 

2 

7 

1 

12 

15 

10 

1 

2 

3 

4 

-> 

G 

7 

8 

9 

10 

11 

12 

l.'. 

11 

15 

1 

1 

5 

9 

13 

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G 

10 

14 

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7 

11 

15 

1 

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12 

12 

8 

4 

15 

11 

7 

3 

14 

10 

6 

2 

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9 

5 

1 

15 

14 

13 

12 

11 

10 

9 

8 

7 

G 

5 

4 

3 

2 

1 

374 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  35. 


G  r  u  2)  p  <-    ii- 


4 

3 

2 

1 

8 

7 

6 

5 

12 

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10 

3 

15 

14 

13 

13 

9 

5 

1 

14 

10 

6 

2 

15 

11 

7 

12 

8 

4 

4 

8 

12 

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7 

11 

15 

2 

6 

10 

14 

1 

5 

9 

13 

13 

14 

15 

9 

10 

11 

12 

1 

2 

3 

1 

Da  jede  beliebige  Stellung,  die  nicht  in  eine  bei 
Gruppe  A  angegel)ene  Stellung  durch  Verschieben  gebracht 
werden  kann,  nothwcndig  in  eine  Stellung  der  Gruppe  B 
verschiebbar  sein  muss,  so  kann  man  jede  Boss-ruzzle- 
Aufgabe  lösl)ar  nennen,  wenn  man  unter  „lösen"  versteht, 
die  gegebene  Stellung  in  irgend  eine  der  obigen  acht 
Stelhmgen  zu  verschieben.  Da  zwei  Stellungen  der  Gruppe  B 
aus  der  regulären  Stellung  hervorgeben,  indem  man  die- 
selbe in  einem  Spiegel  betrachtet,  der  senkrecht  auf  der 
Ebene  des  Boss-Puzzlc-Quadrats  und  parallel  einer  Seite 
desselben  ist,  so  kann  man  auch  sagen,  dass  jede  Stellung 
der  Uy  Steine  durch  Verschieben  in  eine  Stellung  gebracht 
werden  kann,  die  entweder  selbst  regulär  ist,  oder,  in 
einem  Spiegel  betrachtet,  regulär  erscheint. 

Bisher  haben  wir  das  Boss -Puzzle -Spiel  immer  nur 
unter  der  Annahme  betrachtet,  dass  15  Steine  in  einem 
Kästchen  liegen,  der  für  4  mal  4  Steine  Platz  hat.  Es 
lassen  sich  jcdocli  alle  obigen  Erörterungen  ohne  Weiteres 
auf  den  Fall  ausdehnen,  dass  das  quadratische  oder  recht- 
eckige Kästchen  für  beliebig  viele  Steine  Platz  hat,  und 
einen  Stein  weniger  wirklieh  enthält.  Namentlich  gilt  für 
diesen  allgemeinen  Fall  auch  die  oben  bewiesene  llaupt- 
regcl  ganz  unverändert,  wie  folgende  Beispiele  zeigen: 

1)  Es  sei  zu  prüfen,  ob  verschoben  werden  kann: 


Aus  der  bequemeren  Schreibweise 


5 

2 

8 

3 

7 

G 

1 

1 

2 

4 

5 

6 

7 

ergeben  sich  vier  Vertauschungskreise,  nämlich: 
1)  1,  5,  7;    '>)  2;    3)  3,  8,  4;   4)  6. 

Da  die  Steinzahl  8  beträgt,  und  8  weniger  4  eine 
gerade  Zahl  ist,  so  sind  die  l)eidcn  Stellungen  in  einander 
verschicl)l)ar. 

2)  Es  sei  zu  entscheiden,  ob  die  beiden  folgenden 
Stellungen  durch  Schieben  in  einander  übergeführt  werden 
können : 


1 

2 

3 

4 

5 

6 

7 

8 

9 

10 

11 

12 

13 

14 

15 

IG 

17 

18 

19 

20 

1 

2 

8 

IG 

15 

4 

17 

14 

5 

18 

13 

6 

19 

12 

7 

20 

11 
10 

8 
9 

Schiebt  mau  bei  der  zweiten  Stellung  die  Steine  10 
und  II  beide  nach  links,  damit  der  leere  Platz  bei  beiden 
Stellungen  gleich  liegt,  so  hat  man  zu  schreiben: 


14 


18  19  20 
8jl0  9 


Hieraus  gehen  die  folgenden  4  Vertauschungskreise 
hervor: 

1)  1;    2)  2;    3)  3;    4)  4,  1(3,  20,  9,  5,  15,  7,  17, 
11,  13,  19,  10,  18,  8,  14,  12,  6. 

Da  20  weniger  4  eine  gerade  Zahl  ergiebt,  so  ist  die 
gestellte  Frage  mit  ja  zu  beantworten. 

Zum  Schluss  wollen  wir  noch  kurz  eine  Boss-Puzzle- 
Spielerei  besprechen,  welche  bald  nach  Erfindung  des 
gewöhnlichen  Boss-Puzzle-Spicls  auftauchte  und  auch  das 
Interesse  und  die  Geduld  vieler  Menschen  in  Anspruch 
nahm.  Man  In-achte  nändich  das  Spiel  in  Verbindung  nnt 
dem  Problem*)  der  magischen  Quadrate  und  verlangte, 
die  reguläre  Stellung  der  15  Steine  derartig  zu  verschieben, 
dass,  wenn  man  sich  das  leere  Feld  durch  die  Zahl  IG 
besetzt  denkt,  die  Summe  der  4  Zahlen  in  jeder  iiori- 
Zdntalen,  verticalen  oder  diagonalen  Richtung  immer  gleich 
ausfällt.  Dieses  Problem  möchte  der  Verfasser  dahin  ver- 
bessern, dass  man  sich  das  leere  Feld  gar  nicht  l)csetzt 
denke,  und  demgemäss  es  beim  Addiren  nicht  mitrechne. 
Die  Lösung  des  so  verbesserten  Problems  ist  im  wesent- 
lichen ganz  dieselbe,  wie  die  Lösung  des  ursprünglich 
gestellten.  Am  einfachsten  entsteht  ein  magisches  Quadrat 
von  1()  mit  den  Zahlen  von  0  bis  15,  indem  man  diese 
Zahlen  sich  der  Reihe  nach  in  die  Ki  Felder  geschrieben 
denkt,  bei  den  8  Feldern  aber,  die  nicht  die  Mitte  und 
die  Ecken  bilden,  die  Zahl  wählt,  welche  sich  ergiebt, 
wenn  man  die  eigentlich  hineingehörige  von  15  abzieht. 
Demnach  handelt  es  sich  darum,  etwa  die  beiden  fol- 
genden Stellungen  in  einander  überzuführen: 


1 

2 

O 

4 

5 

6 

7 

8 

9 

10 

11 

12 

13 

11 

15 

15 

1 

2 

12 

4 

10 

9 

7 

8 

G 

5 

11 

O 

13 

14 

Das  zweite  Quadrat  erfüllt  die  gestellte  Bedingung, 
indem  sich  innner  die  Summe  30  ergiebt,  gleichviel,  ob 
man  horizontal,  vertical  oder  diagonal  addirt.  Es  fragt 
sich  aber,  ob  die  Ueberführung  der  einen  Stellung  in  die 
andere  durch  Verschieben  möglich  ist.  Unsere  Haupt- 
regel verneint  diese  Frage,  da  es  4  Vertauschungskreise 
giebt.     Hieraus  können  wir  aber  schliessen,  dass  sich  die 


*)  Dieses    Problom    ist    in    dem    vorigen    Artikel  („Naturw. 
Woeheuschr."  vom  28,  Mai  und  4.  Juni)  behandelt. 


Nr.  35. 


Naturwisscnschaf'tlielic  Woclicnschrit't. 


;>('.) 


rei;uläre  Stellung  in  das  Spiegelbild  der  zweiten  Stel- 
Iniig  verseliieben  lilsst.  Es  kann  also  die  reguläre  Stel- 
lung durch  Seiliehen  in  das  folgende  auch  magische 
Quadrat  verwandelt  werden: 


12 

•> 

1 

1.') 

7 

9 

10 

4 

11 

fj 

G 

8 

14 

13 

3 

Ebenso  wird  man  leicht  finden,  dass  die  reguläre 
Stellung  von  8  Steinen  in  ein  magisches  Quadrat  nnt  der 
eonstantcn  Summe    12  verschohen  werden  kann,    nämlich: 


1 

') 

3 

:; 

s 

1 

4 

r> 

f, 

in 

0 

4 

i; 

7 

8 

t 

f) 

(Willi  fortgesetzt.) 


Ueber  die  Vererbbarkeit  erworbener  Organabänderungen   als  Grundlage 

für  eine  Theorie  der  Vererbung. 


Von  Robert  Lucks. 


Dui'ch  zahlreiche  Versuche  ist  festgestellt  worden, 
dass  in  Folge  veränderter  Ernährung  und  äusserer  Ein- 
wirkungen morphologische  und  physiidogische  Verände- 
rungen der  betreft'enden  Organe  sich  ergeben,  und  man 
glaubt  dadurch  den  Boden  für  eine  Theorie  der  Ver- 
erbung erworbener  Eigenschaften  gewonnen  zu  haben. 
Aber  mau  hat  dabei  weit  am  Ziel  vorbeigeschossen,  in- 
dem von  verschiedenen  Forschern  die  anscheinend  so 
günstig  für  die  erwähnte  Theorie  sprechenden  lleob- 
achtungen  auf  ganz  andere  Ursachen  zurückgeführt  worden 
sind.  Ich  erinnere  nur  an  die  Correlation  in  der  Spross- 
cntwickelung  bei  Thuja  oecidentalis,  Hcdera  etc.,  weiches 
einfach  Anpassungserscheinungen  sind.  Als  Musterbeispiel 
steht  aber  dasjenige  der  schwanzlosen  Katzen  da.  Wie 
überall,  so  wird  auch  hier  bei  dem  Strelicn  nach  Klar- 
heit im  Eifer  des  Gefechtes  der  goldene  Mittelweg,  man 
verzeihe  mir  den  bereits  sehr  profan  gewordenen,  aber 
dessenungeachtet  nicht  minder  bezeichnenden  Ausdruck, 
verfehlt,  indem  man  aus  einem  I'^xtrem  in  das  andere 
geräth.  Auch  ich  bin  gegen  eine  Vererbung  erworbener 
Eigenschaften  in  der  grobsinnlichen  Bedeutung  des  Wortes, 
welche  zu  dem  oben  erwähnten  Versuch  geführt  hat: 
aber  ich  l)in  nichtsdestoweniger  für  eine  solche  Vererbung, 
wenn  man  darunter  einen  nach  bestinnnten,  noch  aufzu- 
findenden Gesetzen  exact  sich  vollziehenden  Vorgang  meint. 
Ganz  abgesehen  von  den  Anpassungserseheinungen  von 
Thuja  und  Hedera  will  ich  das  berühmte  oder  vielmehr 
berüchtigte  Katzenbeispiel  näher  ins  Auge  fassen.  Ich 
würde  mich  nicht  darüber  wundern,  wenn  nach  einer 
Reihe  von  Schwanzal)hackungcn,  welche  von  mitleidslosen 
Forschern,  allerdings  in  der  besten  Absicht,  gemacht 
wurden,  die  Natur  sich  wirklieh,  wenn  auch  nur  aus  Mit- 
leid für  die  so  unbarmherzig  verstümmelten  Wesen,  bereit 
finden  Hesse,  auf  die  Idee  der  bewussten  Forseher  ein- 
zugehen, ich  wundere  mich  aber  über  die  Kurzsichtigkeit 


jener  Forscher,  welche,  die  Möglichkeit  nnt  der  Noth- 
wendigkeit  verwechselnd,  sich  selbst  eine  solche  harte 
Geduldsprobe  auferlegten.  Dass  ihre  Bemühungen  zum 
Theil  erfolgreich  schienen,  ist  wohl  mehr  ein  Spiel  des 
Zufalls  als  eine  nothwendige  Consequenz.  In  demselben 
Sinne  fasse  icli  aucli  einen  mir  mitgctheilten  Fall  auf,  dass 
nämlich  von  dem  Wurfe  einer  .lagdhiindin,  welcher,  sowie 
einer  Reihe  ihrer  Ahnen,  der  Schwanz  a))gehaekt  worden 
war,  von  4  Jungen  o  nur  einen  Sclnvanzstummel  bcsasscn. 
Die  wirklich  vorhandenen  Fälle  sind  weiter  nichts  als 
Missbildungen  in  Folge  Organerkrankungen  etc.,  wie 
solche  ja  auch  an  anderen  Organen  beobachtet  werden, 
und  nicht  das  Resultat  gegebener  Voraussetzungen,  und 
zwar    aus    folgendem    Grunde:      Der    Schwanz     ist    ein 


wesentlicher  Bestandtheil  des  Individuums,  wenn  er  Art- 
eigenthum  ist;  sogar  seine  bestimmte  Länge  ist  von 
Bedeutung,  selbst  wenn  sich  herausstellen  sollte,  dass 
bei  verschiedenen  Arten  I)edeutcnde  Schwankungen  statt- 
finden, welche  auf  eine  in  Entwickelung  begrifl'ene 
Verlängerung  oder  Verkürzung  hinzielen.  Im  letzteren 
Falle  ist  er  bedeutungsv(dl  gewesen;  die  Verhältnisse 
haben  sich  jedoch  dergestalt  verändert,  dass  der  Schwanz 
allmählich  an  Bedeutung  verloren  hat.  Es  ist  nun  gleich- 
giltig,  ob  er  als  Steuer,  Gegengewicht,  Greifwerkzeug  oder 
dergleichen  benutzt  wird,  er  ist  in  seiner  vorhandenen 
Ausbildung  nöthig,  wenn  der  Besitzer  den  Cliarakter  der 
Art  beibehalten  will,  und  nur  wenn  die  Verhältnisse  in 
der  angedeuteten  Weise  sieh  verändern,  so  dass  an  die 
Organe  ganz  andere  .Vnforderungen  gestellt  werden,  dass 
das  Individuum  unter  den  neuen  Bedingungen  mit  den  alten 
Voraussetzungen  nicht  weiterexistircn  kann,  wenn  also 
eingreifende  Veränderungen  der  Organe  n(ithig  werden, 
kann  ein  Organ  ülterflüssig  werden,  indem  seine  Functio- 
nen entweder  nicht  mehr  erforderlich  sind,  oder  aber  auch 
durch  andere  <_)rgane  ersetzt  werden.  Es  liegt  liier  eine 
ganz  eigenartige  Correlation  vor.  Verliert  z.  B.  die  Katze 
durch  Zufall  ihren  Schwanz,  dann  w'ird  sie  in  ihrer  Er- 
werlisfähigkeit  beeinträchtigt.  Sie  ist  auf  F^rwerb  durcli 
Sprung  angewiesen;  darauf  deuten  die  zum  Ergreifen  des 
ßeutethieres  dienenden  seliarfcn  Krallen  an  den  Vorder- 
füssen,  das  zum  Erfassen  im  Sprunge  untaugliche  Maul, 
die  kräftige  Beinmusculatur  hin.  Der  Schwanz  leistet 
beim  Sprunge  eine  wesentliche  Unterstützung,  indem  er, 
gewissermaassen  als  Steuer  dienend,  die  genaue  Richtung 
des  beabsichtigten  Sprunges  sichert.  Fehlt  der  Schwanz 
aber,  dann  kann  der  Sprung  nicht  mehr  mit  derselben 
Sicherheit  erfolgen,  und  das  Thier  wird  manchmal 
hungern  oder  aber  sieh  an  Nahrung  gewöhnen  müssen, 
welche  es  auf  leichtere  Weise  erlangt,  aber  im  Vollbesitze 
seiner  Organisation  aus  verschiedenen  Gründen  verschmähte. 
Daraus  ergiebt  sich  eine  der  neuen  Erwerbsweise  ent- 
sprechendere Ausbildung  der  Organe:  das  Maul  muss 
unter  Umstilnden  die  Nahrung  selbst  ergreifen  können, 
die  Füsse  zum  Schwimmen  etc.  eingerichtet  sein,  die 
Sinnesorgane  wechseln  in  Bezug  auf  die  Höhe  ihrer  Aus- 
bildung u.  s.  w.  u.  s.  w.  Es  wür<le  zu  weit  fuhren,  wollte 
ich  auch  nur  annähernd  die  Organveränderungen  angeben, 
welche  nöthig  werden,  wenn  die  Lebcnsgewohnheiten 
plötzlich  und  anhaltend  verändert  würden.  Ausserdem  ist 
das  gar  nicht  einmal  erforderlich,  sondern  wir  besitzen  ja 
Material  genug,  um  nachweisen  zu  können,  wie  sehr  sich 
die  Organisation  an  die  Verhältnisse  anschliesst. 

Was  ist  daraus  für  uns  von  Bedeutung?  Doch  gewiss 


B76 


Naturwissenschaftliche  Woehcnschriit. 


Nr. 


oo. 


sehr  viel.  Wenn  wir  einer  Katze  den  Schwanz  abschnei- 
den, um  zu  zeigen,  dass  erworbene  Charaktere  sich  ver- 
erben, dann  verlangen  wir  bloss  die  Kleinigkeit,  dass  sicfi 
während  einiger  Generationen  all'  die  Umänderungen  er- 
geben, welche  einst  nöthig  waren,  um  im  Laufe  von  Jahr- 
tausenden den  vorhandenen  Typus  zu  erzeugen.  Der 
Unterschied  ist  nur  der,  dass  hier  das  eigenartige  Thier 
gegeben  wird,  mit  der  Bestimmung,  sich  an  gegebene 
Verhältnisse  anzupassen,  während  die  Natur  umgekehrt 
verfährt,  indem  sie  eigenartige  Verhältnisse  dem  Thier 
darbietet,  und  es  diesem  ttberlässt,  sich  dieselben  zu  Nutze 
zu  machen.  Wer  das  nicht  beachtet,  der  handelt  ohne 
Ueberleguug.  Nun  wissen  wir  aber,  dass  ganz  geringe 
Umwandelungen  viele  Generationen  erfordern,  wenn  die 
Umwandelungen  nöthig  waren.  AVie  viel  Zeit  wird  dann 
eine  solche  gewaltige  Aenderung  brauchen,  die  dazu  noch 
nicht  einmal  nothweudig  ist?  ^\'ir  müssen  bei  Vererbnngs- 
fragen  immer  ein  Princip  im  Auge  behalten,  nämlich  das 
der  Nothwcndigkeit.  Wer  nur  mit  Möglichkeiten  rechnet, 
dessen  Versuche  arten  in  Spielerei  aus,  die  zu  nichts 
führt.  Durch  Nothweudigkeit  erzeugte  Abänderungen 
müssen  also  stets,  namentlich  wenn  die  Einflüsse 
dauernd  sind,  mögliche  aber  werden  nie,  am  wenig- 
sten unter  momentanen  Einwirkungen  vererbbar  werden. 
Durch  Zufall  können  Organe  verloren  gehen,  welche  für 
die  Existenz  der  Art  von  grösster  Bedeutung  sind,  so  dass 
sie  erhalten  bleiben  müssen,  wenn  die  Art  fortbestehen 
bleiben  will.  Eine  Vererbung  des  Defectes  ist  daher  aus- 
geschlossen, mn  so  mehr,  als  nicht  anzunehmen  ist,  dass 
eine  Reihe  Generationen  hindurch  einzelnen  Individuen 
dasselbe  Organ  verloren  geht,  wodurch  dieses  durch  ein 
anderes  ersetzt  werden  müsste,  wenn  ein  Ersatz  überhaupt 
möglich  wäre,  weil  solche  verstümmelten  Individuen  früher 
oder  später  zu  Grunde  gehen,  also  wohl  nur  in  den  selten- 
sten Fällen  zur  Fortpflanzung  gelangen.  Wird  aber  ein  Or- 
gan nothwendiger  Weise  viele  Generationen  hindurch  mehr 
und  ausgiebiger  benutzt,  als  es  bei  den  Ahnen  der  Fall  war, 
dann  muss  eine  allmähliche  Weiterltildung,  wird  dasselbe 
jedoch  eine  ebenso  lange  Zeit  durch  begründeten  Nicht- 
gebrauch ausser  Thätigkeit  gesetzt,  dann  muss  eine  all- 
mähliche Rückbildung  stattfinden.  Ein  Princip  ist  es  also, 
welches  alte  Organe  weiterbildet  und  neue  schafft,  näm- 
lich andauernde  Nothwcndigkeit,  und  eins,  welches 
vorhandene  Organe  rückbildcn  und  verschwinden  lässt, 
nämlich  andauernde  üeberflüssigkcit. 

Diese  beiden  Prineipien  in  Verbindung  mit  der  durch 
Selection  sich  ergebenden  Verstärkung  der  erworbenen 
Anlagen  sind  die  Triebfedern,  welche  das  Räderwerk  der 
organischen  Natur  in  steter  Bewegung  erhalten;  sie  sind 
die  Ursachen,  welche  den  Formenreichthum  der  Orga- 
nismenwelt geschaffen  haben  und  ihn,  erweiternd  und  ein- 
schränkend, bis  zur  höchsten   Vollendung  führen. 

Wenn  man  von  dieser  Seite  sich  an  den  Nachweis 
heranwagt,  dass  erworbene  Eigenschaften  sich  vererben, 
dann  wird  man  seine  Versuche  von  besserem  Erfolg  be- 
gleitet sehen.  Nur  muss  man  sich  durch  die  Länge  der 
Zeit  nicht  abschrecken  lassen,  denn  die  Umbildung  ist 
eine  ganz  allmähliche,  oft  erst  nach  sehr  vielen  Generatio- 
nen wahrnehmbare,  wenigstens  äusserlich.  Innerlich  werden 
die  Abänderungen  sich  früher  bemerkl>ar  machen.  Die 
Versuche  müssen  an  einer  .sich  schnell  vermehrenden  Art 
ausgeführt  werden,  die  veräuderudeu  Einflüsse  immer 
schärfer  hervortreten  und  dauernd  bleiben,  und  es  muss 
eine  beständige  planmässige  Kreuzung  vorgenommen  werden. 
Zu  den  Versuchsthieren  eignen  sich  am  besten  solche 
Thiere,  welche  sich  in  einem  Uebergangsstadium  befinden, 
also  vielleicht  gewisse  Amphibien  etc.  Pflanzenfresser 
müssen  allmählich  an  Fleischnahrung,  Baumthiere  an  Leben 
auf  der  Erde  gewöhnt  werden  u.  s.  w.    Es  sollte  mir  zur 


Freude   gereichen,    wenn    man   allmählich  von   der  grau- 

keinem  be- 


Zwangslage 


Samen  Methode   der  Verstümmelung,    die    zu 
friedigenden   Resultat    führen    kann,    zu    der 
übergeht,  welche  zwar  auch  in  gewissem  Sinne  grausam, 
dafür    aber    auch    aussichtsreicher    und   dcnniach    zweck- 
entsprechender ist. 

Zum  Schlüsse  möchte  ich  noch  eine  Frage  ins  Auge 
fassen.  Professor  Weissmann  („Ueber  Vererbung",  Jena 
1892.)  ist  im  Princip  gegen  eine  Vererbung  erworbener 
Eigenschaften  und  füln't  jede  Veränderung  der  Organismen 
auf  Keimesabänderungen  zurück.  Eine  solche  Annahme 
hat  ja  insofern  viel  für  sich,  als  sich  dadurch  eine  ganze 
Reihe  von  Erscheinungen 
lässt,  aber  im  Grunde  j 
durchaus  nichts  nähe 


leicht    und  genügend   erklären 
[•enommen    führt   sie    dem  Ziele 


denn  es  drängt  sich  uns  sofort  die 
Frage  auf,  wie  eine  solche  Keiraesabänderung  und  deren 
Rückwirkung  auf  den  Organismus  möglich  ist.  Die  ganze 
Vcrerbuugsfähigkeit  auf  eine  speeifische  Molecularstructur 
zurückzuführen,  ist  entschieden  falsch,  weil  man  dadurch 
zu  der  Annahme  gedrängt  wird,  dass  zu  jedem  Organ, 
und  zu  jedem  Theil  desselben,  ja  zu  jedem  Fäserchen, 
welches  im  Organismus  vorhanden  ist,  die  Anlage  im 
Keime  liegen  muss.  Welche  horrende  Zahl  von  Modifi- 
cationen  müssen  im  Keime  resp.  in  den  mikroskopischen 
Kernstäbchen  der  Keimkerne  liegen,  und  wie  genau  nuiss 
die  Embrvdgenese  arbeiten,  damit  keine  Verschicbungen 
zu  Ungunsten  des  Keimlinges  entstehen,  welcher  doch 
dadurch  den  ^rössten  Zufälligkeiten  ausgesetzt  ist.  Und 
wie  ist  übrigens  die  Molecularstructur?  Wie  werden  die 
Keimesanlageu  durch  die  ganze  Embryogenese  hindurch 
aufgespart,  bis  die  Reihe  der  Entwickelung  an  sie  kommt? 
Wie  gelangen  sie  au  ihre  Stelle?  Wenn  wirklich  eine 
Wanderung  der  Anlagekör]ierchen  stattfindet,  dann  müsste 
der  Fall  eintreten,  dass  einmal  die  Anlage  zu  einem  Organ 
an  falscher  Stelle  liegen  bleibt,  so  dass  z.  B.  eine  Nase 
aus  dem  Rücken  herauswachsen  müsste.  So  lächerlich 
eine  solche  Annahme  erscheint,  so  berechtigt  ist  sie.  Der- 
ii'leichen  Einwände  lassen  sich  noch  viele  machen,  so  dass 
der  Organismus  sich  aus  den  Anlagen 
welche  im  Keime  enthalten  sind,  ein- 
Diese  Theorie  ist  weiter  nichts  als 
enie  Umlormung  der  Einsehachtelungstheorie,  und  man 
konnte  zu  einem  solchen  Ergebniss  nur  auf  dem  Wege 
der  speculativen  Vernunft  gelangen.  Was  aber  hat  man 
durch  mikroskopische  Untersuchungen  gewonnen?  Nichts, 
was  einer  solchen  Theorie  einen  Stützpunkt  gewähren 
kann.     Zwar    sind  Keim-  und  Samenzellen    bei    den  ver- 


die  Annahme,  dass 
heraus  entwickelt, 
fach   unhaltbar  ist. 
Umformung 


schiedenen  Arten,  abgesehen  von  iln-er 
logischen  Gleich werthigkeit,  verschieden, 
ist  aber  weiter  nichts  als  Anpassun; 
enthalten    einen    Kern, 


welcher   sich  in 


eigenen  physio- 
Der  Grund  dazu 
Alle  Keimzellen 
der   Hauptsache 


wenig  unterscheidet.  Dieser  Kern  enthält  zu 
Zeiten  ganz  eigenthümliche  Gebilde  —  Kernschleifen  — 
welche  in  ihrerZahl  abwechseln.  Diese  Schleifen  sind  es, 
welche  man  als  die  Träger  der  Vererbungserscheinungen 
auffasst,  nachdem  die  Annahmen,  dass  die  Keimzelle  oder 
der  Kern  die  Vererbungstendenzen  enthalten,  unhaltbar 
geworden  sind,  wobei  man  aber  vevgisst,  dass  zu  Zeiten 
gar  keine  Schleifen  vorhanden  sind,  indem  sich  diese  auf- 
hisen  und  im  ganzen  Kern  vertheilen  und  in  einem  nur 
scheinbaren  Zusammenhange  bleiben.  Das  einzige,  was 
man  mit  Sicherheit  weiss,  ist,  dass  während  der  Ent- 
wickelung mit  dem  Kern  ganz  eigenartige  Umwandlungen 
vor  sich  gehen,  über  deren  letzte  Ursachen  man  aber 
noch  sehr"  im  Unklaren  ist.  Soviel  aber  steht  fest,  dass 
von  der  Ausstossung  der  Riehtungskörperchen  an  die  Ent- 
wickelung durch  einen  steten Zelltheilungsprocess  im  ganzen 
Reich  der  Organismen  vor  sieh  geht,  dass  die  Entwicke- 
lung auf  einem  frühern  oder  spätem  Standpunkte  stehen 


Nr.  35. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


377 


blcilit    und  diircli   diesen  Standi)uukt  eine   bestimmte  Art 
cliarakteiisirt. 

Im  Gegensatz  zu  der  Tiieorie  ^■on  der  Keiniesahande- 
rung  nehme  ich  an,  dass  im  Keime  nur  sein-  wenig  von 
dem  angedeutet  ist,  was  aus  demselben  einst  werden  soll, 
so  dass  derselbe  nur  ein  bestinnntes  Entwiekelungsstadium 
darstellt  mit  der  Fälligkeit,  in  das  folgciule  überzugehen. 
In  <leni  letztern  sind  dann  wieder  die  ISedingungen  gegeben, 
weiche  den  üebergang  in  das  folgende  gestatten,  so  dass 
eine  Stufe  der  Entwiekelung  nur  die  F(dge  der  vorherigen 
ist,  und  die  Ursache  zur  nächsten  enthält.  Die  weitere 
Entwiekelung  des  End)ryos  hängt  also  vou  dem  jedes- 
maligen Eintritt  der  nothwendigen  Bedingungen  ab.  Wn 
diese  ausbleiben,  tritt  eine  Hennnung  in  der  Ausbildung 
des  betroffenen  Theiles  ein,  indem  der  neuen  Anlage  die 
Grundlage  fehlt.  Im  Keime  sind  die  <  'rgane  nicht  an- 
gedeutet, sondern  die  Möglichkeit  ihrer  Anlage  ergiebt 
sich  erst  im  Laufe  der  Entwiekelung.  Der  Vererbungs- 
mechanisnius  beruht  also  auf  der  Wiederkehr 
einer  Reihe  Erscheinungen  in  gleichem  Sinne 
unter  der  Bedingung,  dass  die  Voraussetzungen 
zum  Eintritt  eines  neuen  Stadiums  im  vorherigen 
gegeben  worden  sind.  Das  Ausbleiben  der  Bedingungen 
haben  Hemniungsbildungen  zur  P^olge,  die  um  so  bedeu- 
tender sein  müssen,  je  früher  sie  eintreten.  Die  Eizelle 
kann  sich  erst  in  vier  Zellen  zerspalten,  wenn  eine  Zwei- 
theilung vorangegangen  ist,  und  diese  wiederum  findet 
erst  statt,  nachdem  die  Befruchtung  vollzogen  ist.  Die 
Bildung  der  Eingerkuochen  konnte  erst  beginnen,  als  die 
Finger  angelegt,  und  dieser  wiederum  konnte  sich  nur 
entwickeln,  als  die  Gliedniaassen  bereits  gegeben  waren. 
Wie  aber  war  die  erste  Anlage  eines  Organes  oder  eines 
Thciles  dessell)en,  und  wie  konnte  dieselbe  vererbt  werden? 

Wird  vou  einem  Individuum  ein  Organ,  z.  B.  der 
Fuss,  zu  andern  Leistuugeu  benutzt,  als  es  von  den  Eltern 
geschah,  dann  werden  in  Folge  öfteren  Gebrauches  die 
betheiligten  Muskeln  intensiver  ernährt  und  daher  kräftiger 
werden.  Die  Nachkommen  dieses  Thieres  erlernen  von 
ihren  Eltern  den  neuen  Gebranch  schon  frühzeitig,  so  dass 
die  Kräftigung  des  betroftenen  Muskelcomplexes  hier  früh- 
zeitiger eintreten  wird.  Dasselbe  wird  bei  den  Nach- 
konnnen  wieder  in  erhöhtem  Maasse  der  Fall  sein.  Da- 
durch nun,  dass  ein  und  derselbe  Muskel  nach  zwei  ver- 
schiedenen Richtungen  hin  zu  functioniren  hat,  wird  es 
dahin  konnnen,  dass  eine  Spaltung  desselben  stattfindet, 
anfangs  ganz  gering,  allmählich  innner  stärker.  In  der 
Spaltungsebene  bildet  sich  eine  Muskelhaut,  welche  schliess- 
lich die  beiden  Theilc  von  einander  trennt.  Die  Theilung 
des  Muskels  und  die  weitere  Ausbildung  der  Theile  ge- 
schieht anfangs  immer  erst  im  spätem  Lebensalter  nach 
stetem  Gebrauch.  Bald  aber  wird  die  Spaltung  in  einer 
innner  frühern  Zeit  des  Lebens  eintreten,  bis  sie  zuletzt 
in   das   Ende   der  Embryonalentwickelung   fällt,    um    nun 


als  ererbte  Anlage  dem  Individuum  mit  auf  die  Welt  ge- 
geben zu  werden.  Selectionsprocesse  bemächtigen  sich 
der  zweckmässigen  neuen  Einrichtung  und  bewirken  eine 
inmier  weiter  gehende  Steigerung  bis  zur  Vollkommenheit. 
Der  Keim  aber,  aus  welchem  das  neue  Individuum  her- 
vorgegangen ist,  ist  gänzlich  unverändert  geblieben,  und 
bleibt  CS  auch,  selbst  wenn  die  Anlage  des  erworbenen 
Organes  in  innner  frühere  Zeit  fallen  sollte. 

Hier  liegt  der  Schlüssel  für  die  Entstehung  der  Arten: 
Jedes  Individuum  wird   ursprünglich  in  einfach- 
ster Form    angelegt    und  würde    auch  in   solcher 
Form    geboren   werden    müssen,    wenn    nicht    die 
von    seinen    Eltern    im    Kampfe    ums    Dasein    er- 
worbenen Fähigkeiten  allmäiilich  in  einer  immer 
früheren    Zeit    des    Lebens    angelegt    würden,    so 
dass  sie  schliesslich  in  einer  kurzen  Spanne  Zeit 
zusammenfallen,    welche    man    die  Zeit    der  Ent- 
wiekelung   nennt,    wodurch    der  Nachkomme    als 
ein  den  Eltern  ähnliches  Wesen  zur  Welt  kommt. 
Freilich  ist  es  möglich,  <lass  die  Anlage  einiger  und  zwar 
der    zuerst    aufgetretenen  Organe    oder  wenigstens    ihrer 
Grundlagen  bereits  in  einer  sehr  frühen  Zeit  der  Kcinies- 
bilduug    fallen    kann,    im   grossen  und  ganzen   tindet  die 
Feststellung    derselben    zu    einer    Zeit    der  Entwiekelung 
statt  in  der  Weise,  dass  im  Durchschnitt  diejenigen  Organe, 
welche    als    erste    erworben    wurden,    am    frühesten,    die 
später  erworbenen  später,    die  zuletzt  erworbenen  zuletzt 
angelegt  werden.     Damit    soll   jedoch  nicht   gesagt  sein, 
dass  eine  Einwirkung  auf  den  Keim  überhaupt  nicht  statt- 
finden   kann.     Im   Gegentheil    wird    bei    einschneidenden 
Veränderungen  stets  eine  Rückwirkung  auf  denselben  statt- 
finden,  jedoch  nie   in  der  Weise,    dass  der  Keim   später 
den  Anstoss    zu    der    betretfenden  Organentwickelung  zu 
geben  hat.     Der  Keim  ist  selbst  nur  eine  Stufe  der  Ent- 
wiekelung,   aus  welcher  heraus  die  folgende  sich  ergiebt 
auf  Grund  der  gegebenen  Verhältnisse.    Die  Entwieke- 
lung eines  Individuums  ist  also  die  Concentration 
sämmtlicher  von  seiner  bis  auf  die  Urzelle  zurück- 
reichenden Ahnenreilic   erworbenen  Eigenschaf- 
ten, und  das  Individuum  selbst  ist  die  Sunimirung 
derselben.    Es  werden  daher  während  der  Entwiekelung 
nicht   nur  die  Organe  angelegt  und   ausgebildet,    welche 
der  fertige  Organismus  besitzt,    sondern  zum  Theil  auch 
noch  solche,  welche  er  in  früheren  Zeiten  einmal  besessen 
hat.     Die    letzteren    gelangen   jedoch    in    den    seltensten 
Fällen  zur  vollkonnnencn  Ausbildung  und  dann  meist  nur 
für  die  Zeit  der  Embryogenese,  während  welcher  sie  dann 
wieder  rUckgebildet  werden.     Viele  von   ihnen  sind  bloss 
noch  angedeutet  und  viele  mögen  überhaupt  kein  Zeiciicn 
mehr  ihrer  früheren  Existenz  geben.    Diejenigen  aber,  die 
noch  zu  einer  relativ  hohen  Ausliildung  gelangen,  werden 
vom  fertigen  ( »rganismus  mit  ins   Leben  genonnnen,    um 
dann  als  Rudimeute  Zeugen  ihres  einstigen  Daseins  zu  sein. 


Es  giebt  Dasselfliegen,  deren  Larven  auch  in  der 
Hant  des  Menschen  leben.  R.  Blanchard  liehandclte 
sie  neuerdings  im  Zusammenhang.  (Sur  les  Oestrides 
americaius  dont  la  larve  vit  dans  le  peau  de  riiounne. 
Ann.  Sdc.  ent(»mol.  France,  V.  61,  S.  109.)  Sie  kommen 
sännntlich  in  dem  Tropengürtel  Amerikas  vor  und  gehören 
zur  Gattung  Derniatobia  Brauer.  Jedoch  kommt  keine 
Art  dem  Menschen  allein  zu,  sondern  alle  leben  sowohl  in 
wilden  wie  in  Ilaussäugern.  Ein  Oestrus  hominis  existirt 
nicht.  Bisher  sind  \ier  Arten  menschenbewohnender  Derma- 
tohieu  bekannt  geworden,  jedoch  nur  von  einer  die  Imago. 
Blanchard  unterscheidet  daher  die  schmarotzenden  Larven, 
die  Dasseln,  nach  den  Vulgärnamen.  „Ver  maca((ue"  ist 
die  Larve  von  D.  noxialis  Goudot.    „Torcel"  gehört  sicher 


nicht  D.  Cyauiventris  Mae(iuart  an.  Dass  „Bernc"  zu  dieser 
Art  gehiirt,  ist  lediglich  eine  Annahme.  Die  vierte  Dassel 
ist  „Ver  moyocuil".  Bei  der  ersten  Larve  sind  das  2.  und 
3.  Segment  mit  sehr  feinen  Stacheln  besetzt,  bei  den  drei 
andern  glatt.  Bei  Borne  l)esitzt  der  Hinterrand  des  8.  Seg- 
mentes eine  Reihe  Häkchen,  die  Torcel  und  dem  Ver 
moyocuil  fehlen;  und  bei  ersterem  Thier  umgürten  Häkchen 
den  Vorderrand  des  3.  Segmentes,  während  bei  Ictzerem 
au  dieser  Stelle  nur  auf  dem  Rücken  Häekehen  stehen. 
Sodann  geht  Blanchard  ausführlich  auf  die  31  Litteratur- 
angaben  ül>er  diese  Schmarotzer  ein.  De  la  Condann'nc 
hat  zuerst  174'J  die  Krankheit  „Maca([uc"  von  Caycnnc; 
erwähnt.  M. 


378 


NaturwisscnschaCtlicIic  Woclicnschrift. 


Nr.  35. 


Keceute  Steiimüsse  als  vermeintliche  Fossilien.  — 

Zu  der  unter  dieser  üeberschrift  in  No.  32  S.  337  der 
„N.  W."  eutlialtenen  Mittbeiiung  des  Herrn  Dr.  Potonle 
lassen  sich  aus  der  neunzelinjäiiri^-en  Praxis  des  Mär- 
kischen Provinzial-Museums  mehrere  Parallelen  au  die 
yeitc  setzen.  Die  >Steinniisse  werden  der  Direction  nicht 
selten  als  Versteinerungen  überbracht,  und  die  Finder 
sind  meist  nur  schwer  vom  Gegentlieil  zu  überzeugen. 
Bei  den  Baggerarbeiten  für  die  neue  KönigsbrUcke,  welche, 
noch  nicht  vidlig  fertig,  wieder  abgebrochen  ward,  um 
der  Stadtbahn  Platz  zu  machen,  wurden  mehrere  Stein- 
nüsse in  dem  nunmehr  verschütteten  Königsgraben  ge- 
funden, wahrscheinlich  gelegentlich  von  Knopfarbeitern  oder 
Drechslern  hineingeworfen,  desgleichen  bei  Arbeiten  zur 
Austiefung  der  Spree  innerhalb  Berlins.  Hier  brachte  der 
gehorsam  arbeitende  Bagger  Steinnüsse  mit  wirklichen 
Versteinerungen  aus  der  Kreideformation,  sogen.  „Kröten- 
steinen" und  „Donnerkeilen"  herauf.  Auch  in  alten,  nach 
Art  der  Raritätencabinets  von  Sammler-Laien  angelegten 
Steinsannnlungen  findet  sich  ab  und  zu  die  Steinnuss  als 
„Fossil",  meist  für  versteiuerte  Aepfel  oder  versteinerte 
Wallnüssc  geltend. 


Sechellen-Nuss  aus  dem  Spreebett.  —  Hieran  an- 
knüpfend, sei  noch  ein  Fund  aus  unserm  heimathlichen 
Strom  erwähnt,  der  gewiss  zu  den  seltensten  und  eigen- 
artigsten gehört.  Gleichzeitig  mit  allerhand  Geräthsehaften 
wurde  in  diesem  Frühjahr  von  der  Königl.  i\linisterial- 
Baukomniission  als  im  Flussbett  vorm  Schloss  gegenüber 
der  Burgstrasse  ausgebaggert  „ein  grosser  unbekannter 
Gegenstand"  dem  Märkischen  Museum  übergeben.  Ich 
erkannte  in  demselben  sofort  eine  ausgehöhlte  halbe 
Meer-  oder  See-Cocosnuss,  auch  Sechellen-Nuss  oder  Ma- 
ledivische Nuss  genannt.  Die  gewaltigen,  mitunter  ein- 
knolligen, meist  aber  zweiknollig  aneinander  gewachsenen 
Früchte  rühren  von  der  Palme  Lodoicea  Sechellarum 
her,  die  anscheinend  nur  auf  zwei  von  den  Sechellen- 
Inseln,  Curieuse  und  Praslin,  wild  wächst.  Lange  vor 
der  Entdeckung  und  Besiedelung  der  entlegenen  Insel- 
gruppe sind  diese  seltsamen  grossen  Früchte  bekannt 
gewesen.  Sie  treiben  vermöge  der  herrschenden  Winde 
und  Strömungen  nordnordöstlich  auf  das  Ufer  der  ein- 
samen Tschagos-Inseln  und  Diego  Garzia  sehr  selten, 
dagegen  am  Strande  der  Malediven,  die  aus  etwa  fünf- 
zebntausend  Korallen-Atolls  bestehen  und  sieh  in  n('ird- 
licher  Richtung  längs  des  91.  Meridians  zwischen  dem 
Aequator  und  10°  n.  Br.  hinziehen,  etwas  häufiger  an, 
mögen  deshalb  auch  schon  den  antiken  Taprobane-Fahrern 
bekannt  gewesen  sein.  Jedenfalls  galten  sie  im  Mittel- 
alter und  bis  ins  vorige  Jahrhundert  als  äusserst  seltene 
und  kostbare  Stücke  unbekannter  Herkunft,  welche  für 
die  sogen.  Kunstkammern  der  Vornelimen  und  Fürsten 
sehr  begehrt  waren.  Auf  Ceylon  und  in  ( »stindien  sollten 
sie  gegen  Schlangenbiss,  selbst  gegen  die  Cobra  helfen, 
auch  in  Europa  maass  man  ihnen  allerhand  abergläubische 
Beziehungen  und  Kräfte  bei.  Wie  kommt  die  Sechellen- 
Nuss  nun  in  das  Spreebett  vorm  Königlichen  Schloss? 
Seit  dem  Grossen  Kurfürsten  ])efand  sich  hier  nach  der 
Wasserseitc  die  Kunstkammer,  welche  wirkliche  Kunst- 
sachen, aber  auch  Geräthe  von  wilden  und  halbwilden 
Völkern,  sowie  abenteuerliche  und  seltene  Naturerzeugnisse 
umfasste.  Von  dieser  Kunstkanmier  wird  man  beim  Auf- 
räumen, vielleiclit  während  der  Franzosenzeit,  die  kostbare 
Nuss  aus  dem  Fenster  in  die  Spree  geworfen  haben,  wo 
sie  sich  im  Schlamm  und  Sand  leidiicii  erlialten  hat. 

Ernst  Friede!. 


C.  Engler  und  Ed.  Loew:  Verhalten  einiger  or- 
ganischer Säuren  und  Ester  bei  höherer  Temperatur.  — 

(D.  Chcm.  Ges.  Ber.  1893,  1436.)  Diese  Untersuchung 
liefert  einen  Beitrag  zur  Erklärung  der  Petroleumbildung 
aus  thierischen  Stoffen.  Es  wird  nachgewiesen,  dass  aus 
Phenylessigsäure,  einem  normalen  Zersetzungsproduct  fau- 
lender Eiwcisskörper,  durch  Hitze  und  Druck  Toluol 
entsteht.  Sp. 

Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben. 

Es  wurden  ernannt:  Dr.  nioil.  i't  ))lul.  Richard  Nounieister, 
l'rivatdocent  für  physiologische  Chemie  an  der  Universität  Jena, 
zum  ausserordentlichen  Professor.  —  Dr.  Paul  Ernst,  Privat- 
docent  in  der  modicinischen  Facultät  der  Universität  Heidelberg, 
zum  ausserordentlichen  Professor.  —  Dr.  Oskar  Loew,  Privat- 
docent  an  der  Universität  München,  zum  Professor  der  Agricultur- 
Chernie  an  der  Kaiserlichen  Universität  Tokio,  Japan.  —  Dr.  Her- 
mann Köttger  zum  Suppleanten  des  Medicinalcomites  der  Uni- 
versität Würzbiirg.  —  Der  ausserordentliche  Professor  Dr.  David 
Hilbert  zum  Ordinarius  für  Mathematik  an  der  Universität 
Königsberg.  —  Privatdocent  Dr.  J.  Jaumann  zum  ausserordent- 
lichen Professor  für  Experimentalphysik  und  physikalische  Chemie 
an  der  deutschen  Universität  Prag.  —  Dr.  A.  Kolisko,  ausser- 
ordentlicher Professor  für  pathologische  Anatomie  an  der  Univer- 
sität Wien,  zum  provisorischen  Nachfolger  Kundrat's.  —  D.  T.  Mac 
Dougal,  Assistent  an  der  Purdue-Universität,  zum  Docenten  der 
Pflanzenphysiologie  an  der  Universität  von  Minnesota.  —  Miss 
Alice  Eastwood  zum  Curator  des  Herbariums  der  California 
Academy  of  Sciences  in  San  Francisco. 

Es  haben  sich  habilitirt:  Dr.  Hippel  für  Augenheilkunde  an 
der  Universität  Heidelberg.  —  An  der  Universität  Wien  Dr.  Ko- 
vacs  für  innere  Medicin,  —  Dr.  Helder  für  Hygiene.  —  Prof. 
Dr.  Rzchak  für  Paläontologie  und  Geologie  an  der  Universität 
Brunn.  —  Dr.  Ivepinski  für  Mathematik  an  der  Universität 
Krakau. 

Der  ordentliche  Professor  der  Mineralogie  an  der  Universität 
Zürich  Dr.  A.  Kenngott  tritt  von  seiner  Lehrthätigkeit  zurück 
—  Der  Privatdocent  der  Thierheilkunde  und  Vorsteher  der  Thier- 
klinik  in  Breslau,  Dr.  Georg  Schnei  demühl,  legt  sein  Amt 
nieder. 

Es  sind  gestorben:  Dr.  Julius  Sommerbrodt,  ausser- 
ordentlicher Professor  für  innere  Medicin  an  der  Universität 
Breslau.  —  Das  Mitglied  der  Livingstone-Mission  in  Central- Afrika, 
der  Reisende  Dr.  George  Henry.  —  Der  Professor  der  Psychiatric 
und  Director  der  Irrenanstalt  Dr.  Heinrich  Cramer  in  Mar- 
burg. —  Dr.  Antoine  Emil  Blanche,  bedeutender  Irrenarzt 
in  Paris.  —  Professor  an  der  Salpetriere  Dr.  Jean  Martin 
Charcot,  einer  der  bedeutendsten  Forscher  auf  dem  Gebiete  der 
Nervenkrankheiten,  auf  seinem  Landsitze  in  Morvan  (Dep.  Nievre). 

Die  VII.  Conferenz,  betreffend  das  Idiotenwesen,  findet  vom 
5.  bis  7.  September  d.  J.  in  Berlin  statt. 


Die  Jahresversammlung  der  Australian  Association  for 
the  Advancement  of  Science  findet  im  Laufe  des  September  in 

Sydney  statt. 

Der  Internationale  Samariter  -  Congress ,  welcher  in  der 
ersten  Hälfte  des  September  (vgl.  „Naturw.  Wochenschr."  No.  30, 
S.  314)  in  Wien  stattfinden  sollte,  ist  wegen  der  drohenden  Cholera- 
gefahr vertagt  worden.  

Eine  Meteorologische  Gesellschaft  ist  in  Zi  -  Ka  -  Wei  bei 
Shanghai  gegründet  worden.  Präsident:  Rev.  S.  Chevalier.  Die 
Vorgänge  in  der  Gesellschaft  und  wissenschaftlichen  Arbeiten 
werden  in  jährlich  erscheinenden  Berichten  veröffentlicht. 

Eine  Allgemeine  Ausstellung  industrieller  und  landwirth- 
schaftlicher  Maschinen  findet  im  November  d.  J.  in  Porto  Rico 
zur  Feier  der  vierhundertsten  Wiederkehr  des  Tages  der  Ent- 
deckung der  Insel  statt.     

Das  Bacteriologische  Institut  in  der  Cap-Colonie  ist  jetzt 
fertig  gestellt.  Zu  seiner  Unterhaltung  steuern  ausser  der  Colonie 
noch  Transvaal  und  Natal  bei. 


Eine  Biologische  Station  ist  soeben  seitens  der  Universität 
von  Minnesota  an  dem  in  diesem  Staate  gelegenen,  ca.  \b  km 
langen  und  etwa  5  km  breiten  GuU-See  errichtet  worden.  Die 
Lage  des  Sees,  dessen  Gewässer  zum  Mississippi  abfiiessen,  in- 
mitten einer  abwechslungsreichen  Umgebung  (Berge,  Ebenen  und 
Sümpfe),  ist  eine  sehr  günstige,  und  dem  neuen,  aufs  beste  aus- 
gestatteten Institute  steht  ein  grosses  Arbeitsfeld  zu  Gebote. 


Nr.  35. 


Natuiwisseuscbaftliclie  Wochenschrift. 


379 


L  i  1 1  e  r  a  t  u  r. 

F.  H.  Haase,  Die  atmosphärische  Elektricität.  Bctraditiinf];cn 
über  ilcreii  Kiifsti'luiiif;  iiiiil  Wiikungswoist'.  (ieors  Sieinons. 
Berlin  1892.  —  Preis  1,20  M. 

Das  voiliegoiKle  Scliiiftchcn  will  einen  Beitrag  zur  Erklärung 
der  mit  der  atuiospliiiriselien  Elektrieität  zusaininenh.ängcnden  Er- 
scheinungen geben.  Nacli  des  Referenten  Ansieht  kann  diese  Ab- 
sicht jedoch  nicht  als  erreicht  gelten.  Was  der  Verf.  vorbringt, 
ist  entweder,  soweit  es  neue  Gedanken  sind,  unklar  und  unhalt- 
bar, oder  aber  es  sind  nur  Ausführungen  bekannter  Dinge,  rcsp. 
selbstverständlicher  Folgerungen  aus  solclien.  Die  Ur.sache  der 
atmosphärischen  Elektrieität  sucht  Verf.  im  Auftreten  von  „wäl- 
zenden Lufwellen"  in  der  Atnios]diiire,  womit  er  offenbar  Luft- 
strömungen meint,  die  liekanntlich  ganz  etwas  anderes  sind,  als 
Wellen.  Ein  anderer  Irrthum  ist  ■/..  B  die  Annahme,  dass  die 
Luft  vor  einem  Gewitter  sehr  trocken  sei,  während  die  Seliwüle 
der  Gewitterli;ft  bekanntlich  gerade  einen  hohen  Feuchtigkeits- 
gehalt beweist.  Dass  die  grosse  Klarheit  der  Luft  vor  dem 
Wetterumschlag  eine  Folge  der  Feuchtigkeit  ist,  leugnet  Verf., 
indem  er  das  Gegentheil  behauptet;  er  weiss  offenbar  nicht,  dass 
gelöster  Wasserdampf  durchaus  keine  Trübung  der  Luft  Viedingt, 
sondern  sogar  deren  Durchsichtigkeit  erhöht.  Den  Ausführungen 
des  Verf.  fehlt  auch  alle  Anknüpfung  an  die  einschlägigen,  früheien 
Untersuchungen  hervorragender  Gelehrter,  wie  Sohncke,  Elster 
und  Geitcl  und  anderer.  —  Am  ehesten  dürften  die  Ausführungen 
über  Blitzableiter  von  Wcrth  sein.  Hier  befindet  sich  der  Verf. 
als  Ingenieur  und  Patentanwalt  auf  dem  Felde,  wo  er  Fach- 
mann ist.  F.  Kbr. 

Dr.  Carl  Barus,  Die  physikalische  Behandlung'  und  die  Mes- 
sung hoher  Temperaturen.  Mit  30  TextHguren  und  2  Tafeln. 
Johann  Ambrosius  Barth  (Arthur  Meiner)  Leipzig  1892.  —  Preis 
3  Mk. 

Der  Verfasser,  Physiker  der  U-S.  Geological  Survey  in  Wash- 
ington, giebt  im  ersten  Theil  des  Buches  zunächst  eine  kurze 
Uebersicht  über  die  so  verschiedenen,  bisher  in  Anwendung 
gekommenen  Methoden  der  Messung  hoher  Temperaturgrade. 
Ziemlich  alle  e.xistirenden  physikalischen  Wirkungen  der  Wärme 
sind,  wie  aus  dieser  Zusammenstellung  zu  ersehen  ist,  zu  Ver- 
suchen der  Lösung  pyrometrischer  Aufgaben  herangezogen 
worden.  Für  das  in  der  Praxis  brauchbarste  Verfahren  hält 
Barus  das  thermoclektrische.  Das  von  ihm  gebrauchte  Thermo- 
element besteht  aus  Platin  und  Iridioplatin. 

Im  zweiten  Abschnitt  des  Buches  werden  dann  die  wichtigsten 
Calibrirungsmethoden  des  Thermoelements  (mit  Ausnahme  des  in 
einer  weiteren  Publikation  zu  behandelnden  gasthcrmometrischen) 
besprochen.  Barus  wandte  hierzu  bekannte  Siedei)unkte,  le  Cha- 
felier  dagegen  Schmelzpunkte  an.  Schliesslich  folgt  noch  eine 
Beschreibung  des  Galvanometers  und  der  besten  Beobachtungs- 
methoden. Das  Buch  wird  voraussichtlich  dazu  beitragen,  die 
Verdienste  des  Verfassers  um  die  thermoelektrische  Pyrometrie, 
über  deren  Nichtbeachtung  derselbe  sich  im  Anfang  beklagt,  neben 
denen  le  Chatelier's  ans  Licht  zu  stellen.  Kbr. 


Sitzungsberichte  der  Naturforscher-Gesellschaft  bei  der 
Universität  Dorpat.  X.  Band,  1.  Heft,  1802.  Dorpat  1893.  — 
Das  Heft  enthält  die  Berichte  über  die  im  Jahre  1892  abgehal- 
tenen Sitzungen  der  Gesellschaft,  darunter  die  Festsitzung  zur 
Feier  des  lüO.  Geburtstages  Karl  Ernst  von  Baer's  (17.  Februar), 
und  eine  grosse  Anzahl  von  Vorträgen  und  Mittheilungen,  von 
denen  wir  die  folgenden  nennen.  Schur:  lieber  den  Flächen- 
inhalt gradlinig  begrenzter  ebener  Figuren.  —  Dragendorff: 
Bericht  iUjer  die  von  Hiller-Bombien  ausgeführten  Untersuchungen 
der  Cortex  Geoff'royae.  1824  stellten  Hüttenschmied  in  Heidel- 
berg und  Overduin  in  Breda  aus  den  zu  jener  Zeit  als  vortreff- 
liches Anthelmiuthicum  gerühmten  Rinden  von  Arten  der  Geoffroya 
(Andira)  einen  crystallinischen,  mit  Säuren  sich  zu  Salzen  ver- 
bindenden Körper  her,  den  sie  deshalb  als  Alkaloid  ansprechen 
zu  müssen  glaubten  und  Geoft'royin  resp.  Surinamin  benannten. 
Seit  der  Zeit  ruhten  die  Untersuchungen  darüber,  bis  sie  jetzt  von 
Hiller-Bombien  wieder  aufgenommen  worden  sind,  wobei  sich 
herausgestellt  hat,  dass  das  Geofroyin  oder  Surinaniin  ein  Methyl- 
Tyrosin  und  ident  mit  dein  von  Kuge  aus  einem  amerika- 
nischen Ratanhiaextract  hergestellten  und  Eatanhin  benannten, 
sowie  mit  dem  durch  Gintl  aus  dem  Harze  des  Ferreira  spectabilis 
(Resina  d'angeline  pedra)   erzeugten  Angelin  ist.     Es  wird  vorge- 


schlagen, die  ISfZeiehnungen  Surinaniin,  Geoffroyin.  Katunkin  mid 
Angelin  fallen  zu  lassen  und  dafür  fortan  ilen  Namen  Andirin 
zu  gebrauchen.  —  K  romer:  Die  Ilar/.glycosido  der  .Scaunnonia- 
und  der  Turpethwurzel.  (Untersucluingeu  über  zwei  Con\olvula- 
ceenharze).  —  Graf  Alcxan  der  Kayserling:  Ueber  die  Lehre 
Darwins  (bisher  un veröffentlicher  Brief  vom  7.  Decemb.  1888). 
Graf  Ber  g -Sa  gn  i  tz:  Das  nifritieirendo  Moment  des  Bodens. 
—  Thomson:  Ueber  die  Wirkung  von  schwefels.aunin  Eiseii- 
oxydul  auf  ilie  PHanze.  Verfasser  berichtet  über  seine  Versuche 
an  Triticum  vulgare,  Zea  Mays.  Aviuia  orientalis  und  elatior, 
Pisum  sativum,  Mcdicago  sativa  und  Trifolium  pratense,  bei 
denen  sich  da.'^s  Eisenvitriol  als  solches  für  sämmtliche  Versuchs- 
ptlanzen  in  den  verschiedenen  Vegetationsstadien  als  schädlich 
erwies.  —  Stieren:  Ueber  einige  Dero  aus  Trinidad  nebst  Be- 
merkungen zur  Systematik  der  Naidomorphen.  1  Tafel.  — 
Schmidt:  Die  Chorda  dorsalis  und  ihr  Verhalten  zur  Wirbel- 
säule im  Schwanzende  der  Wirbclthiere.  Verfasser  bespricht  die 
Zusammensetzung  der  Chorda  dorsalis  und  die  Herausbildung  der 
Wirbelsäule  im  Schwanzende  und  kommt  zu  dem  Schlüsse,  dass 
bei  den  Knochenfischen  die  Wirbelsäule  kürzer  angeh'gl  winl  als 
die  Wirbelsaite,  das  spätere  Axenskeictt  kürzer  ist  als  das  ur- 
sprüngliche. Bruthan:  Bryologische  Ergebnisse  des  Jahres  1S92. 
LTntersu(diungen  über  die  Moostlnra  der  Umgegend  von  Dorpat. 
Kobert:  Ueber  Giftstoffe  der  P^leehten.  Derselbe:  Ueber  die 
wirksamen  Bestandtheile  im  Wurmfarnextract.  Auf  beide  Mit- 
theilungen werden  wir  noch  an  anderer  Stelle  der  ..Xaturw. 
Wochenschr."  zurückkommen  Barfurt  h:  Extraovat  und  Intrao- 
vat.  Untersuchungen  an  nach  dem  Vorgange  Roux's  operirten 
Am))hibieneiern. 

Beichenow,  A.,  Die  von  Herrn  Dr.  F.  Stnhimanu  in  Ostafrika 
gesanunelten  Vögel.     Hamburg.     I  M. 

Bhiner,  J.,  Die  Gefässpflanzen  der  Urkantone  u.  v.  Zug.  2.  .\ufl. 
St.  Gallon.     1,60  M. 

Bogel,  F.,  Trigonometrische  Entwicklungen.     Prag.    0,80  M. 

Schiflfner,  V.,  Ueber  exotische  Hepaticae,  hauptsächlich  aus  Java, 
Amboina  und  Brasilien.     Leipzig.     1.5  M. 

Schmeil,  O.,  Copepoden  des  Rhätikon-Gebirges.     Halle.     3  M. 

Schroeder's,  K.,  Lehrbuch  der  Geburtshülfe.  12  Aufl.  Bonn. 
1,2.5  M. 

Siebenrock,  F.,  Das  Skclet  von  Brookesia  superciliaris  Kühl. 
Leipzig.     1,70  M. 

Siebert,  H.,  Ueber  einige  aromatische  Thionylamine  und  über 
die  Einwirkung  von  Thionylchlorid  auf  Säureamide.   Berlin.  1  M. 

Sieger,  R.,  Postglaciale  Uferlinien  des  Bodenseees.    Lin<lau.  0,80M. 

Silex,  P.,  Compendium  der  Augenheilkunde.  2.  Aufl.  Berlin. 
4,80  M. 

Simony,  F.,  Das  Dachsteingebiet.     Wien.     14  M. 

Stolz,  O.,  Die  Maxima  und  Minima  der  Functionen  von  mehreren 
Veränderlichen.     Leii)zig.     0,30  M. 

Studnicka,  F.  Ch.,  Sur  les  organes  parietaux  de  Petromvzon 
Planeri.     Prag.     1,60  M. 

Suess,  E.,    Ueber    neuere  Ziele    der    Geologie.     Görlitz.      1,.')0  M. 

Szontagh,  Th.  v.,  Erläuterungen  zur  geologischen  Specialkarte 
der  Umgebungen  von  Nagy  -  Karoli  und  Akos  (Zone  15, 
Col.  XXVII. I  und  von  Tasuäd-Szeplak  (Zone  16,  Col.  XXVIL) 
1:7.5  OCX)  der  gi'ologis(dien  Specialkarte  der  Länder  der  unga- 
rischen Krone.     Budapest.     I,.50  M. 

Tillmanns,  H.,  Lehrbuch  der  allgemeinen  und  speciellen  Chi- 
rurgie, einschliesslich  der  Operations-  u.  Verbandslehre.  1.  Bd. 
Lei])zig.     17  M. 

Zeller,  E.,  Grundriss  der  Geschichte  der  griechischen  Philosophie 
4.  Aufl.     Leipzig.     5  M. 


Briefkasten. 

Herrn  A.  R.,  Frankfurter  Allee. —  1)  Conchyliologische  Zeit- 
schriften: Nachrichtsblatt  der  Den  tsc  hon  M  a,l  acozoo  logi- 
schen Gesellschaft.  Frankfurt  a.  JI.  Verlag  M.  Diesterweg. — 
Mal  acozoologische  Blätter.  Herausgegeben  von  S.  Clessin. 
Cassel  (F.  Fischer).  —  2)  Ausser  einigen  Notizen  (z.  B.  „Naturo" 
vom  27.  April  1893,  S.  613)  ist  uns  nichts  bekannt. 


Inhalt:  Prof.  Dr.  H.  Schubert:  Mathematische  Spielereien  in  kritischer  und  historischer  Beleuchtung.  —  Kobert  Lucks: 
Ueber  die  Vererbbarkeit  erworbener  Organabänderungen  als  Grundlage  für  eine  Theorie  der  Vererbung.  —  Dasselfliegen,  deren 
Larven  in  der  Haut  des  Menschen  leben.  —  Kecente  Steinnüsse  als  vermeintliche  Fossilien.  —  Sechellen-Nuss  aus  demSpreebett. 
Engler  und  Ed.  Loew:  Verhalten  einiger  organischer  Säuren  und  Ester  bei  höherer  Temperatur.  —  Aus  dem  wissenschaft- 
lichen Leben.  —  Lilteratur.  F.  H.  Haase:  Die  atmosphärische  Elektrieität.  —  Dr.  Carl  Barus:  Die  physikalische  liehandbing 
und  die  Messung  hoher  Temperaturen.  —  Sitzungsberichte  der  Naturforscher-Gesellschaft  bei  der  Universität  Dorjiat.  —  Liste. 
—  Briefkasten. 


380 


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Nr.  35. 


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unb  bem  ©efel^  betr.  öeitjülfc  3U  aioltäftt^ulßauten. 

1(37  ©eilen,    ^preiü  1  iWort. 

3u  Oejietjeit  biird^  jebc  Siudjrjanblung. 


Verantwortlicher  Kedakteur:  1.  V.  Dr.  F.  Kaunhmvon,   Berlin  N.  4., 
Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Ber 


Invaliilcnstr.  44,  für  ileii    Inscratentheil:    Hnj;o  Beni.stein  in   Bürlin. 
lin  SW.  12.  —  Druck:  G.  Bornstein,  Berlin  SW.  12. 


Redaktion:  7         Dr.  H.  Potonie. 

Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12,  Zimmerstr.  94. 


VIII.  Band. 


»Sonntag,  den  3.  September  1893. 


Nr.  36. 


Abonnement :  Man  abonnirt  bei  allen  Buchhandlungen  und  Post- 
anstalten, wie  bei  der  Expedition.    Der  Vierteljahrspreis  ist  M  4.— 
Bringegeld  bei  der  Post  15  4  extra. 


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Inserate :  Die  viergespaltene  Petitzeüe  40  .A.   Grössere  Aufträge  ent- 
sprechenden Rabatt.  Beilagen  nach  Uebereinkunft.  Inseratenannahme 
bei  allen  Äunoncenbureaux,  wie  bei  der  Expedition. 


Abdruck  ist  nnr  mft  vollständiger  Quellenangabe  gestattet. 


Zur  Physiologie  der  Fortpflanzung  von  Vaucheria  sessilis. 


Eine  nothwendig'c  Anfeinaiulertblg'e  von  ungeschlecht- 
lichen und  g-esehlechtlichen  Generationeu,  wie  sie  in  der 
Eutvvickclungsgesehiclite  der  Farne  und  Moose  begründet 
liegt,  galt  bisher  auch  als  eine  Eigenthünilichkeit  einer 
grösseren  Anzahl  von  Algen.  Vor  Allem  schien  für  ein' 
(lerartiges  Verhalten  der  Entwickelungsgang  des  gemeinen' 
Wassernetzes,  Hydrodictyon  utriculatum,  zu  sprechen. 
Wie  aber  in  jüngster  Zeit  in  diesen  Blättern  schon  mehr-, 
fach  zur  Sprache  gekommen  ist,  ist  diese  Annahme  durch 
die  neuesten  Arbeiten  von  Professor  Dr.  Gg.  Klebs  in 
Basel  als  eine  irrige  erwiesen  worden.  Aus  seineu  um-j 
fassenden  Versuchen  hat  sich  niiinlicli  ergeben,  dass  die  bei 
dieser  Alge  beobachtete  Aufeinanderfolge  der  beiden  Ver- 
mehrungsweisen, deren  Regelmässigkeit  die  Annahme  eines 
Generationswechsels  bisher  zu  rechtfertigeu  schien,  nur, 
eine  Folge  des  zufälligen  Zusammentreifens  derjenigen 
Bedingungen  ist,  welche  die  Fortpflanzung  in  die  eine 
oder  in  die  andere  der  beiden  Bahnen  lenken.  Es  ge- 
schieht dies  entgegen  der  bisher  herrschend  gewesenen 
Meinung  nicht  etwa  aus  iuneren  Ursachen,  welche  sich 
deshalb  der  Erforschung  entziehen,  sondern  lediglich  unter 
der  Einwirkung  von  Einflüssen,  welche  von  der  Aussen- 
welt  nur  ausgehen.  Es  musste  sich  deshalb  ein  Weg  auf- 
finden lassen,  auf  welchem  man  die  Alge  veranlassen 
kann,  bei  ihrem  Uebergang  zur  Fortpflanzung  den  einen 
oder  den  anderen  der  beiden  Wege  einzuschlagen.  Durch 
die  Auffindung  geeigneter  Cuiturinethoden  ist  es  denn  auch 
Klebs  thatsächlich  gelungen,  dieses  Ziel  zu  erreichen. 
Denn  er  konnte  z.  B.  durch  Versetzen  ausgewachsener 
Netze  aus  einer  0,5  7o  Knop'schen  Nährlösung  in  reines 
Wasser  bei  geeigneter  Lichtzufuhr  die  Bildung  von  Zoo- 
sporen, aus  deren  Vereinigung  wieder  ein  Netz  hervor- 
geht, uud  durch  längeres  Belassen  derselben  in  einer  5  7o 
Rohrzuckerlösung  bei  einer  Temperatur  von  ungefähr 
28°  C  die  Bildung  von  Gameten,  durch  deren  Verschmel- 
zung die  den  Winter  überdauernden  Zygoten  entstehen, 
hervorrufen.     Auf  diesem  Wege  konnte  er  der  Frage,  ob 


bei  der  Entwickelung  des  Wassernetzes  ein  Generations- 
wechsel stattfinde,  mit  Erfolg  näher  treten,  und  es  gelang 
ihm  auch,  aus  ungeschlechtlich  entstandenen  Netzen  sowohl 
Zoosporen  wie  auch  Gameten  zu  erhalten.  Aber  durch 
den  umständlichen  Entwickelungsgang,  welchen  die  ge- 
schlechtlich erzeugten  Zygoten  während  und  nach  ihrer 
Winterruhe  durchzumachen  haben,  glückte  es  ihm  nicht, 
auch  mit  diesen  den  gleichen  Erfolg  zu  erzielen,  und  in 
Folge 


dessen    entstand    in    seineu    Untersuchungen    eine 


Lücke,  wodurch  sich  immer  noch  die  Annahme  eines  Ge- 
nerationswechsels rechtfertigen  lassen  könnte.  Denn  nach 
den  bisherigen  Erfahrungen  gehen  aus  den  Zygoten  immer 
nur  auf  ungeschlechtlichem,  dagegen  niemals  auf  geschlecht- 
lichem Wege  entstandene  Nachkommen  hervor.  Um  eine 
endgiltige  Entscheidung  in  dieser  wichtigen  Frage  herbei- 
zuführen, suchte  Klebs  einen  anderen  Gegenstand  für 
seine  Untersuchungen  zu  gewinnen,  welcher  das  Verhalten 
der  Zygoten  besser  zu  beobachten  gestattet.  Er  fand 
einen  solchen  in  Vaucheria  sessilis,  einer  Fadenalge,  welche 
in  langsam  fliessenden  Gewässern  und  auf  feuchter  Erde 
sich  in  Form  von  mehr  oder  weniger  dichten  Rasen 
allenthalben  vorfindet.  Dieselbe  gehört  in  die  Familie  der 
Siphoneen,  in  welcher  alle  diejenigen  Formen  vereinigt 
sind,  deren  Körper  im  Gegensatz  zu  allen  anderen  Algen 
einen  einfachen  oder  verzweigten  Schlauch,  welcher  aus 
einer  einzigen  vielkernigeii  Zelle  gebildet  ist,  darstellt. 
Ihre  Fortpflanzung  erfolgt  sowohl  auf  ungeschlechtlichem, 
als  auch  auf  geschlechtlichem  Wege.  Im  einen  Falle  ge- 
schieht sie  durch  die  Bildung  von  Zoosporeu  und  im  an- 
dern durch  die  Eutwickelung  von  männlichen  und  weib- 
lichen Geschleehtsorganen,  Anthcridien  und  Oogonien, 
durch  deren  Znsammenwirken  ein  der  Zygote  des  Wasser- 
netzes entsprechendes  Gebilde,  die  Oospore,  hervorgeht. 
Diese  beiden  Fortpflanzungsweisen  sollen  bei  dieser  Alge 
ebenso  wie  beim  Wassernetz  in  einer  bestimmten  Auf- 
einanderfolge auftreten.  Unter  den  älteren  Beobachtern 
kam  schon  Walz  auf  Grund  seiner  Untersuchungen  über 


382 


Natunvisse.nschaff liehe  Woclienschrift. 


Nv.  36 


diesen  Punkt  zu  dem  Schluss,  „dass  aus  der  Spore  g-e- 
wöhnlich  Individuen  sich  entwiclceln,  welche  BefVuchtungs- 
organe  tragen,  und  aus  den  Oosporen  Individuen,  welche 
sich  zunächst  dnrcii  Sporen  fortpHanzen."  Dem  pflichtete 
auch  Pringsheim,  welcher  unter  vielen  anderen  Algen  auch 
Vaucheria  auf  ihre  Fortptlanzungserscheinungen  untersucht 
und  die  gleichen  Beobachtungen  gemacht  hatte,  später 
vollkommen  bei,  obgleich  er  mit  seinem  Vorgänger  ein- 
gestehen  musste,    dass    dabei    mancherlei  Unregelmässig- 


Und  «-erade  dieser  Umstand 


Grund  hat.     Er 

suchung  dieser  Frage*),    über 


keiten  vorkommen  könnten, 
war  es,  welcher  Klebs  den  Gedanken  nahe  legte,  dass 
auch  bei  dieser  Alge  kein  Generationswechsel  stattfindet, 
sondern  dass  die  Aufeinanderfolge  ihrer  beiden  Fort- 
pflauzungsweisen  in  einem  zufälligen  Zusammentreffen  der 
für  ihren  Eintritt  erforderlichen  äusseren  Bedingungen  ihren 
unternahm  daher  eine  eingehende  ünter- 
deren  Ergebnisse  wir  im 
Folgenden  berichten  wollen. 

Zu  diesem  Zweck  verwandte  KlebsRasen  von  Vaucheria 
sessilis  in  der  Form  repeus,  welche  auf  Coaksstücken  im 
Gewächshause  gewachsen  waren.  Wenn  er  sie  in  Wasser 
brachte,  so  trat  die  schon  längst  beobachtete  Erscheinung 
ein,  dass  die  Alge  anfangs  zur  Zoosporenbildung  und 
nachher  zur  Eutwickelung  von  Antheridien  und  (Jogonien 
überging.  Es  musste  ihm  dabei  sofort  auffallen,  dass  hier 
kein  Generationswechsel,  sondern  nur  eine  einfache  Auf- 
einanderfolge der  geschlechtlichen  Fortptlanzungsweise  auf 
die  ungeschlechtliche  stattfindet,  weil  sich  diese  Erschei- 
nung nicht  nur  an  dem  gleichen  Rasen,  sondern  sogar 
an  ein  und  demselben  Faden  beobachten  Hess.  Die 
keimungsfähigeu  Zoosporen,  welche  er  auf  diesem  Wege 
erhalten  hatte,  sammelte  er  durch  Filtrireu  über  Glaswolle 
und  verwendete  sie  zu  seinen  weiteren  Versuchen,  durch 
welche  entschieden  werden  musste,  ob  sie  im  Staude  sind, 
bei  ihrer  Fortpflanzung  sowohl  den  einen,  wie  den  anderen 
der  beiden  vorhandenen  Wege  einzuschlagen  oder  gar 
vollständig  unfruchtbar  zu  bleiben.  Er  musste  deshalb 
ihre  Entwickelung  durch  geeignete  Culturmethoden  in 
solche  Bahnen  zu  lenken  suchen,  dass  ein  jeder  von  diesen 
drei  möglichen  Fällen  mit  grösster  Sicherheit  zu  seiner 
Verwirklichung  gebracht  werden  konnte.  Seine  Bemühungen 


um  die  Lösung  dieser 
folge  begleitet. 


Aufgabe  waren  vom  schönsten  Er- 


Von  diesen  drei  Fällen  lässt  sich  die  geschlechtliche 
Fortpflanzung  am  leichtesten  hervorrufen.  Wenn  die  Keim- 
linge nur  auf  einige  Tage  in  eine  2—5  'Vo  Rohrzucker- 
lösung verbracht  werden,  so  bilden  sie  selbst  unmittelbar 
an  der  Zoosporenkugel  ihre  Antheridien  und  Oogonien 
aus.  Bei  der  näheren  Untersuchung  der  Bedingungen, 
unter  denen  diese  Erscheinung  eintritt,  hat  sich  ergeben, 
dass  Wasser,  ein  gewisser  Mangel  an  anorganischen  Nähr- 
salzen, Vorhandensein  von  organischen  Nährstotfen,  eine 
Temperatur  über  3  Grad  und  Licht  unbedingte  Erforder- 
nisse sind,  um  ihren  Eintritt  mit  zwingender  Nothweudig- 
keit  herbeizuführen. 

Gelegentlich  gehen  die  Keimlinge  sofort  wieder  zur 
ungeschlechtlichen  Fortpflanzung  über.  Dies  ist  schon  seit 
längerer  Zeit  bekannt,  und  Walz  war  es  sogar  gelungen, 
dies  durch  Zugiessen  von  frischem  Wasser  zu  bewirken. 
Klebs  hat  nun  auch  hier  die  ertbrderlichen  Bedingungen 
genauer  erforscht  und  gefunden,  dass  sich  der  Eintritt 
dieser  Vermehrungsweise  auch  mit  unfehlbarer  Sicherheit 
durch  eine  zweckmässige  Cultur  herbeiführen  lässt.  Zu 
diesem  Zwecke  lässt  mau  die  Vaucherienrasen  auf  einige 
Zeit  in  einer  0,5  "/^  Knop'schen  Nährlösung  am  Lichte 
verweilen,    worauf   man    sie  in  reines  Wasser  überträgt 

*)  Gg.  Klebs,  Zur  Physiologie  der  Fortpflanzung  von  Vauclieria 
sessilis.  Verhandlungen  der  Naturforsclienden  Gesellschaft  in 
Basel,  1892. 


und  unter  Lichtabschluss  bringt.  Es  werden  alsdann  un- 
geheure Mengen  von  Zoosporen  gebildet,  welche  bei  ge- 
nügendem Vorratii  an  Nährstotfen  ihrerseits  sofort  wieder 
zur  Zoosporenbildung  übergehen  können. 

Auch  den  dritten  Fall,  die  Keimlinge  anf  längere 
Dauer  an  ihrem  Uebergang  zur  Fortpflanzung  zu  hindern, 
konnte  Klebs  auf  verschiedenen  Wegen  zur  Verwirklichung 
bringen.  Am  einfachsten  gelang  ihm  dies  durch  Cultur 
in  concentrirter  Zuckerlösung.  Während  die  Keimlinge 
in  einer  S-procentigcn  Lösung  noch  Fortpflanzungsorgane 
ausbilden  können,  werden  sie  bereits  in  einer  10-|)rocentigen 
daran  verhindert.  Aber  auch  unter  solchen  Verhältnissen, 
in  welche  die  Alge  in  der  freien  Natur  zuweilen  kommen 
mag,  kann  die  Bildung  von  Geschlechtsorganen  unter- 
bleiben. Wenn  die  Keindinge  sich  in  ständig  fliessendem 
Wasser  befinden,  so  zeigen  sie  keine  Neigung  zur  ge- 
schlechtlichen Fortpflanzung.  Zoosporenbildung  kann  in 
S(dchem  Falle  hin  und  wieder  eintreten,  unterbleibt  aber 
bei  Culturen  auf  feuchtem  Torf  oder  Lehm,  wodurch 
wiederum  die  geschlechtliche  Vermehrungsweise  in  hervor- 
ragendem JMaasse  begünstigt  wird. 

Weim  mit  diesen  Versuchen  für  die  Zoosporen  fest- 
gestellt war,  dass  ihre  Keindinge  durch  äussere  Einflüsse 
nur  zum  Uebergang  zu  der  einen  oder  der  anderen  Fort- 
pflauzungsweise  veranlasst  werden,  so  musste  dies  auch 
für  die  Oosporen  in  gleicher  Weise  dargethan  werden,  da 
ja  die  Möglichkeit  nicht  ausgeschlossen  war,  dass  sie  ein 
anderes  Verhalten  in  dieser  Hinsieht  zeigen.  Nachdem 
dieselben  zwei  Monate  nach  ihrer  Aufsaninilung  im  Dun- 
keln verweilt  hatten,  wurden  sie  unter  geeigneter  Licht- 
zufuhr in  Wasser  gebracht,  wo  sie  bald  zur  Keimung 
kamen.  Hierauf  wurden  die  Keindinge  zum  einen  Theil 
in  eine  Zuckerlösung  versetzt,  wo  sie  grösstentheils  in 
wenigen  Tagen  schon  zur  geschlechtlichen  Fortpflanzung 
übergingen.  Zum  anderen  Theil  wurden  sie  nach  kurzem 
Verweilen  in  U,4  "/o  Knop"seher  Nährlösung  bei  genügender 
Belichtung  in  reines  Wasser  übertragen  und  ins  Dunkele 
gestellt,  wodurch  sie  in  kurzer  Zeit  zur  Zoosporenbildung 
geuöthigt  wurden.  Bei  Cultur  auf  Lehm  in  einem  über 
Winter  ungeheizten  Zinnner  blieben  die  Keindinge,  welche 
sich  ungestört  weiter  entwickelten,  auf  einige  Wochen 
vollkonnnen  steril. 

Aus  den  sännntlichen  Versuchen,  welche  Klebs  mit 
den  sowohl  aus  Zoosporen,  als  auch  aus  Oosporen  er- 
zogenen Keindingen  angestellt  hat,  geht  unzweifelhaft  her- 
vor, dass  eine  bestinmite,  aus  inneren  Gründen  verursachte 
Reihenfolge  im  Auftreten  der  verschiedenen  Lebensprocesse 
nicht  befolgt  wird.  Vielmehr  sind  alle  die  Erscheinungen, 
welche  zur  Annahme  eines  solchen  Generationswechsels 
geführt  haben,  nur  auf  ein  zufälliges  Zusannnenwirken 
derjenigen  äusseren  Einflüsse,  welche  eine  solche  Auf- 
einanderfolge in  vielleicht  nicht  sehr  seltenen  Fällen  ver- 
anlassen können,  zurückzuführen.  Mit  Hilfe  der  von  Klebs 
angegebenen  Behandlungsweisen  kann  man  die  Alge  ganz 
nach  seinem  Belieben  zu  derjenigen  Lebensäusserung 
zwingen,  welche  man  hervorrufen  will,  und  Vaucheria 
bietet  für  derartige  Versuche  gegenüber  Hydrodictyon  den 
sehr  wesentlichen  Vortheil,  dass  sich  die  verschiedenen 
Lebensvorgänge  hier  zur  selben  Zeit  am  gleichen  Objeete 
vollziehen  können,  während  sie  sich  dort  gegenseitig  aus- 
schliessen.  Auch  konunt  hier  das  Alter  der  Pflanze  nicht 
in  Betracht,  da  sowohl  bei  den  Zoosporen,  wie  auch  bei 
den  Oosporen  der  Uebergang  zur  Fortpflanzung  gleich 
nach  der  Keinnnig  geschehen  kann,  während  dies  dort 
beim  Wassernetz  nur  au  der  ausgewachsenen  Zelle  mög- 
lich ist. 

Eine  Reihe  anderer  Versuche,  welche  Klebs  mit 
Vaucheriarasen  von  beliebiger  Herkunft  angestellt  hat, 
sprachen  ebenfalls  sehr  deutlich  dafür,  dass  hier  ein  gesetz- 


Nr.  36. 


Natui-wisscnschaftliche  Wochenschrift. 


383 


Illässiger  Geiiei-ationswechsel  nicht  vorliciicn  kann,  da  sich 
ihr  AhiiängigkeitsverhiUtniss  von  der  Aussenwelt  dazu  ver- 
wenden lässt,  um  sie  jederzA'it  durch  geeignete  Versuchs- 
anstclhiug  zur  Vermehrung  auf  ungeschleciitliclicm  oder 
geschlechtlichem  Wege  zu  zwingen.  Es  entsteht  jetzt  für 
die  weitere  Forschung  die  keineswegs  so  einfache  Frage, 
in  welcher  Weise  die  Einflüsse  der  Aussenwelt  auf  die 
Lebensvorgänge  im  Inneren  der  Pflanze  einwirken,  um  sie 
zu  derartigen  Lebcnsäusserungen  zu  veranlassen.  Eine 
Lösung  derselben  ist  bei  dem  gegenwärtigen  Stande  unserer 
Kenntnisse  in  der  Zellphysiologic  noch  niclit  möglich, 
allein  zu  ihrer  allmählichen  Anbahnung  hat  Klebs  bereits 
die  physi(dogischen  Bedingungen  der  beiden  Vermehrungs- 
weisen eingehender  untersucht  und  weitere  Aufschlüsse 
hierüber  dürften  von  den  fortgesetzten  Arbeiten  auf  diesem 
interessanten  Gebiete  zu  erhörten  sein. 

Ungeschlechtliche  Fortpflanzung. 

Die  Verdunkelung  der  zuvor  belichtet  gewesenen  Vau- 
cheria-Rasen,  welche  von  Klebs  dazu  benutzt  wurde,  um 
die  ungeschlechtliche  Fortpflanzung  hervorzurufen,  ist  für 
diesen  Vorgang  keineswegs  ein  unumgängliclies  Erforder- 
niss.  Schon  Walz  hatte  bemerkt,  dass  Zoosporcnljildung 
ebensowohl  im  Lichte  als  wie  im  Dunkeln  niöglicli  ist. 
Sobald  die  auf  CoaksstUcken  gewachsenen  Vaucherien- 
rasen  in  Wasser  gebracht  und  der  Belichtung  ausgesetzt 
werden,  gehen  sie  bis  zum  nächsten  Tage  schon  zur 
Zoosporenbilduug  über.  Als  Ursache  dieser  Erscheinung 
betrachtete  Walz  die  Einwirkung  des  atmosphärischen 
Sauerstoft'es.  Klebs  hat  indessen  sowohl  bei  seinen  Ver- 
suchen mit  Hydrodictyon,  wie  mit  Vaucheria  die  Ueber- 
zeugung  gewonnen,  dass  dieser  dabei  nur  insoweit  in  Be- 
tracht konnnt,  als  er  für  das  Leben  der  Alge  überhaupt 
von  Bedeutung  ist.  Wenn  nändich  Vauchcricn,  welche 
sieh  auf  CoaksstUcken  angesiedelt  haben,  in  Wasser  ge- 
bracht und  dem  Lichte  ausgesetzt  werden,  bilden  sie  be- 
kanntlich anfangs  Zoosporen  und  nachlicr  Geschlechts- 
orgaue. Wird  hierauf  die  Cultur  ins  Dunkele  gebracht, 
so  stellt  sieh  die  ungeschlechtliche  Fortpflanzung  wieder 
ein  und  nach  einiger  Zeit  tritt  die  geschlechtliche  an  ihre 
Stelle.  So  kann  durch  den  wiederholten  Wechsel  von 
Licht  und  Dunkelheit  sowohl  in  Culturen  mit  Wasser,  als 
auch  nach  längerem  Aufenthalt  in  0,2  "/o  Näin'lösung  mit 
nachfolgender  Versetzung  in  reines  Wasser  dieser  Wechsel 
der  beiden  Vermehrungsweisen  bis  zur  schliesslichen  Er- 
schöpfung der  Alge,  welche  aber  durch  neue  Zufuhr  von 
Nährstoffen  die  Fähigkeit  zur  Wiederaufnahme  ihrer  Fort- 
pflanzungsthätigkcit,  wenn  auch  nur  auf  kurze  Dauer, 
wiedererlangt,  herl)cigeführt  werden.  Hierbei  kann  also 
eine  besondere  Einwirkung  des  Sauerstoft'es  keinesfalls  in 
Frage  kommen,  weil  Itci  einer  derartigen  Versuchsanstellung 
die  Zoosporenbildung  innuer  erst  daim  eintritt,  wenn  die 
Alge  unter  Lichtal)sciduss  gebracht  worden  ist.  Da  durch 
die  Assimilation  Sauerstoff'  in  grrissert'u  Mengen  gebildet 
wird,  so  sollte  man  glauben,  dass  sie  gerade  l)ei  reich- 
licher Liclitzufuhr  in  besonders  hohem  Grade  angeregt 
werden  müsste.  Dieser  Annahme  widersprechen  ausser 
den  bereits  angeführten  noch  andere  Tliatsachen.  So 
gehen  solche  Keimlinge,  welche  sich  vorher  in  ständig 
fliessendem  Wasser  befanden,  sofort  zur  Bildung  von 
Zoosporen  über,  sobald  sie  in  ruhig  stehendes  übertragen 
werden,  trotzdem  ihnen  dort  verhältnissmässig  mehr  Sauer- 
stoff' zu  Gebote  stand  als  hier.  Ferner  hat  Klebs  Vaucherien- 
keimlinge  auf  zwei  Gläschen  vertheilt,  wovon  das  eine 
mit  frischem  Wasser  angefüllt  und  olfen  stehen  gelassen, 
und  das  andere  mit  abgekochtem  Wasser  versehen  und 
durch  einen  eingcsehliff'enen  Stopfen  luftdicht  verschlossen 
wurde.  In  beiden  Gefässen  war  in  den  nächstfolgenden 
Tagen    fast   zur  selben  Zeit  die  Zoosporenbildung  einge- 


treten, obgleich  diejenigen  Keimlinge,  welche  sich  in  dem 
verschlossenen  Gläschen  befanden,  kaum  mehr  Sauerstotf 
zu  ihrer  Verfügung  hatten,  als  durch  sie  in  das  abgekochte 
Wasser  hineingelangt  war. 

Die  mitgetheilten  Versuche  lassen  klar  erkennen,  dass 
keine  anderen  Umstände  die  Veranlassung  zum  Uebergang 
zur  Zoos]iorenbildung  sein  k(innen,  als  die  Veränderung 
der  äusseren  Bedingungen.  Es  ergiebt  sich  dies  aus  dem 
Verhältniss,  in  welchem  das  Waehsthum  und  die  unge- 
schlechtliche Fortjjflanzung  zu  einander  stehen.  Beide 
Vorgänge  spielen  sich  nämlich  am  Ende  der  Fäden  ab, 
wesshalb  der  eine  den  anderen  aussehliesseu  muss,  und 
äussere  Bedingungen  k(innen  nur  darüber  entscheiden, 
welcher  von  ihnen  überwiegt.  Da  das  Waehsthum  unter 
gewöhnlicheren  Verhältnissen  vor  sich  gehen  kann,  so 
muss  die  Zoosporenbildung  meistens  hinter  demselben 
zurückstehen.  Eine  Erklärung  für  diese  Erscheinung  lässt 
sich  vielleicht  darin  flnden,  dass  im  Stoffwechsel  Stofi'e 
entstehen,  welche  unmittelbar  zum  Waehsthum  verwendet 
werden  können,  während  sie  durch  weitere  Veränderungen 
erst  für  die  Zoosporenbildung  Itrauchliar  gemacht  werden 
müssen,  wozu  die  Mitwirkung  besonderer  äusserer  Be- 
dingungen unentbehrlich  zu  sein  sciicint. 

Unter  solchen  Umständen,  welche  auf  das  Waehsthum 
einen  förderlichen  Einfluss  ausüben,  findet  daher  keine 
Bildung  von  Zoosporen  statt.  Dies  ist  beispielsweise  unter 
der  Einwirkung  von  Temperaturen  bei  0—3°  und  bei 
26°  C  der  Fall.  Ferner  erfolgt  in  feuchter  Luft  ein  sehr 
lebhaftes  Waehsthum,  dagegen  nmss  die  Zoosporenbildung 
unterbleiben,  weil  sie  nur  in  einem  flüssigen  Medium  von 
Statten  gehen  kann.  Ebenso  vermögen  die  Vaucherien- 
rasen  in  einer  1  "/„  Nährlösung  zu  wachsen,  aber  nicht  sich 
fortzupflanzen.  Unter  solchen  Verhältnissen,  unter  denen 
beide  Vorgänge  sicli  vollziehen  können,  tritt  solange  keine 
Störung  im  Waehsthum  ein,  als  dieselben  keine  Aenderung 
erfahren.  Soll  die  Zoosporenbildung  eintreten,  so  muss 
das  Waehsthum  zeitweise  unterbrochen  werden,  ohne  dass 
die  Pflanze  dadurch  in  ungünstige  Lebensverhältnisse  ge- 
bracht wird.  Durch  die  Unterbrechung  des  Wachsthunies 
werden  die  Bedingungen  zum  Eintritt  der  Zoosporcnbildung 
gegeben.  Die  Ueberführung  in  fliessendem  Wasser  er- 
wachsener Fäden  in  stehendes  und  die  Versetzung  in 
feuchter  Luft  erzogener  Fäden  in  Wasser  bedingen  eine 
Störung  des  Wachsthunies  und  führen  den  Eintritt  der 
Zoosporenbildung  in  F(dge  dessen  nach  sich.  Wenn  diese 
stattgefunden  hat,  so  wird  das  Waehsthum  wieder  fort- 
gesetzt, bis  durch  Verdunkelung  wieder  von  neuem  eine 
Unterbrechung  desselben  herbeigeführt  wird,  welche  die 
Wiederkehr  der  Zoosporenbilduug  zur  Folge  hat. 

Es  liegt  auf  der  Hand,  dass  die  Umgestaltung  der 
äusseren  Bedingungen  einen  förderlichen  Einfluss  auf  die 
Fortpflanzungsverliäitnisse  der  Alge  Idoss  dann  ausülien 
kann,  wenn  der  Zustand,  in  welchem  sich  die  Fäden 
gerade  befinden,  ein  guter  ist.  Nach  vorau.sgegangener 
schlechter  Ernährung  unterbleibt  deshalb  der  Eintritt  der 
Zoosporenbildung,  wenn  sie  nach  längerem  Verweilen  im 
Dunkeln  ans  Licht  gebracht  werden,  weil  vorerst  nur  das 
Waehsthum  die  geeigneten  Bedingungen  findet. 

Wenn  man  das  Verhalten  der  Vaucheria  mit  dem- 
jenigen von  Hydrodictyon  vergleicht,  so  bemerkt  man 
einen  sehr  auffallenden  Unterschied  in  der  Einwirkung  des 
Lichtes  auf  die  Zoosporenbilduug.  indem  diese  hier  daran 
gebunden  ist,  dort  aber  ganz  unabhängig  davon  vor  sich 
gehen  kann.  Ferner  erfordert  die  Cultur  des  Wasser- 
netzes eine  reichliehe  Zufuhr  von  Nährsalzen.  Dieselben 
sind  auch  für  Vaucheria  von  hoher  Bedeutung.  Die  aus- 
giebigste Zoosporenbilduug  kounte  Klebs  dann  erzielen, 
wenn  er  die  Versuehsobj'ecte  nach  vorhergegangener  Cultur 
in  0,41  'Vo  Nährlösung  in  Wasser  übertrug  und  ins  Dunkele 


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Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  36. 


brachte.  Die  Neiii'ung  zur  Zoosporenbildung-,  welche  durch 
den  längeren  Aufenthalt  in  der  Nährlösung  wachgerufen 
wurde,  kann  offenbar  nicht  zum  Durchbruch  kommen, 
solange  durch  die  äusseren  Bedingungen,  unter  denen  sich 
die  Alge  befindet,  das  Wachsthuni  mehr  begünstigt  wird 
als  die  Fortpflanzung.  Dies  geschieht  indessen  sofort, 
wenn  die  Nährsalzlösung,  welche  durch  die  osmotischen 
Eigenschaften  ihrer  Bestandtheile  den  Eintritt  dieser  Er- 
scheinung verhinderte,  entfernt  und  durch  Wasser  ersetzt 
wird,  weil  dadurch  eine  Aufhebung  des  Wachsthumes 
herbeigeführt  wird.  Gleichwohl  kann  aber  die  Fort- 
pflanzung noch  nicht  dafür  eintreten,  wenn  man  die  Cultur 
unter  eine  Temperatur  von  0—3°  oder  24—26°  C  bringt, 
da  in  Folge  dessen  die  Bedingungen  für  ihren  Eintritt 
bereits  nicht  mehr  gegeben  sind,  indem  jetzt  wieder  das 
Wachsthuni  überwiegt.  Erst  wenn  sie  unter  eine  mittlere 
Temperatur  (12°  C)  zurückversetzt  wird,  steht  ihrem  Ein- 
tritt nichts  mehr  im  Wege.  Es  muss  vor  der  Hand  dahin- 
gestellt bleiben,  worin  bei  diesem  Verfahren  die  nähere 
Veranlassung  zu  den  beobachteten  Vorgängen  zu  suchen 
ist,  da  es  sich  nicht  entscheiden  lassen  wird,  ob  der  Tem- 
peraturwechsel unmittelbar  die  Unterbrechung  der  Wachs- 
thumsvorgänge  veranlasst,  oder  ob  durch  ihn  bloss  das 
Hcmmuiss  lieseitigt  wird,  wodurch  die  Neigung  zur  un- 
geschlechtlichen Fortpflanzung  nicht  zum  Durchbruch  kom- 
men konnt(\ 

Es  bedarf  wohl  kaum  einer  besonderen  Erwähnung, 
dass  grössere  oder  geringere  Veränderungen  der  äusseren 
Bedingungen,  unter  denen  die  Zoosporenbildung  statt- 
findet, z.  B.  durch  Wechsel  in  dem  Gehalt  der  Nährlösung 
oder  in  der  Gr/isse  der  Lichtzufuhr,  in  der  Höhe  der 
Temperatur  oder  in  der  Bewegung  des  Wassers,  auch  nur 
entsprechende  Wirkungen  auszuüben  im  Stande  sind.  Es 
erklären  sieh  hieraus  alle  die  Beobachtungen  eines  ge- 
legentliehen Auftretens  von  Zoosporen  in  solchen  Culturen, 
welche  scheinbar  unter  scheinbar  unveränderten  äusseren 
Einflüssen  sich  befunden  hatten. 

Die  Abhängigkeit  der  ungeschlechtlichen  Fortpflanzung 
von  der  Aussenwelt  spricht  sich  bei  Vaucheria  sessilis 
nach  den  mitgetheilten  Ergebnissen  der  Klebs'schen  Ver- 
suche in  den  Wirkungen  aus,  welche  eine  merkbare  Ver- 
änderung der  äusseren  Bedingungen  —  mögen  sie  nun 
in  einem  Uebergang  aus  Luft  in  Wasser  oder  aus  lebhaft 
bewegtem  in  ruhig  fliesscndes  Wasser  bestehen  oder  durch 
einen  Wechsel  in  der  Beleuchtung  oder  in  dem  Gehalt 
der  Nährlösung  an  Mineralsalzen  oder  in  der  Höhe  der 
Temperatur  herbeigeführt  werden  —  auf  einen  stark  ge- 
wachsenen und  kräftig  ernährten  Rasen  ausübt.  Ein 
weiteres  unumgängliches  Erforderniss  bildet  hierbei  das 
Vorhandensein  von  Wasser  und  die  Einwirkung  einer  Tem- 
peratur zwischen  3  —  22°  C.  Eine  reichliche  Zufuhr  von 
anorganischen  Nährsalzen  übt  einen  f(irderlichen  Einfluss 
auf  die  Zoosporenbildung,  welche  in  Folge  dessen  mit 
besonderer  Lebhaftigkeit  vor  sich  geht,  aus. 

Geschlechtliche  Fortpflanzung. 

Wie  die  ungeschlechtliche,  so  lässt  sich  auch  die  ge- 
schlechtliche Fortpflanzung  bei  Vaucheria  sessilis  nach 
Belieben  hervorrufen,  wenn  die  äusseren  Bedingungen, 
wovon  ihr  Eintritt  abhängt,  herbeigeführt  worden  sind. 
Bei  dem  Wassernetz  schliessen  sich  diese  beiden  Vor- 
gänge gegenseitig  aus,  bei  Vaucheria  dagegen  nicht, 
weil  sie  sich  nicht  an  ein  und  demselben,  sondern  an  ver- 
schiedenen Orten  abspielen.  Aus  dem  nämlichen  Grunde 
schliessen  sich  auch  das  LängenAvachsthum  und  die  ge- 
schlechtliche Fortpflanzung  nicht  unmittelbar  aus,  denn 
jenes  erfolgt  nur  an  den  Enden,  diese  dagegen  an  allen, 
sowohl  älteren,  wie  jüngeren  Theilen  der  Fäden.  In 
Wirklichkeit    muss    aber    doch   wohl  eine  Hemmung   der 


Wachsthumsvorgänge  stattfinden,  sobald  die  Alge  zur  ge- 
schlechtlichen Fortpflanzung  ül»ergelit.  Von  diesem  Gesichts- 
punkte ist  Klebs  bei  der  Anstellung  seiner  Versuche,  welche 
die  Abhängigkeit  dieser  Vermehrungsweise  von  äusseren 
Einflüssen  darthun  sollten,  ausgegangen  und  erreichte 
seinen  Zweck  durch  die  Vorenthaltnng  einer  Zufuhr  von 
anorganischen  Nährsalzen,  welche  bekanntlich  das  Waehs- 
thum  in  erheblicher  Weise  fördern,  in  der  vollkommensten 
Weise.  Bei  diesen  Vorgängen  lassen  sich  die  engen  Be- 
ziehungen, welche  zwischen  dem  Wachsthuni  und  der  ge- 
schlechtlichen Fortpflanzung  bestehen,  nicht  verkennen. 
Zu  ihrer  Erklärung  muss  man  hier  ebenso  wie  bei  der 
vegetativen  Vermehrung  annehmen,  dass  bei  der  geschlecht- 
lichen Fortpflanzung  keine  so  einfach  gebauten  .Stoffe  zur 
Verwendung  kommen,  als  beim  Wachsthuni.  Die  bei  der 
Assimilation  unter  der  Gegenwart  von  anorganischen  Nähr- 
salzen entstehenden  organischen  Substanzen  können  also 
bei  den  Vorgängen  des  Wachsthums  unmittelbar  verwandt 
werden,  wogegen  sie  für  diejenigen  der  geschlechtlichen 
Fortpflanzung  erst  durch  besondere  Wandlungen  verwend- 


bar gemacht  werden  müssen. 


Demnach  hängt  die  J5ildung 


dieser  Substanzen  nicht  unmittelbar  von  dem  Vorhanden- 
sein von  Nährsalzen  ab,  sondern  vielmehr  von  dem  Vor 
rath  an  solchen  Stoffen,  welche  aus  diesen  durch  Ver- 
mittelung  der  Assimilation  hervorgegangen  sind.  Da  aber 
bei  der  geschlechtlichen  Fortpflanzung  eine  grössere  Menge 
solcher  vorgebildeter  Substanzen  nöthig  wird,  so  ist 
unter  gewöhnlichen  Lebensverhältnissen  eine  derartig  reich- 
liche Anhäufung  derselben,  wie  sie  zu  diesem  Zweck  er- 
forderlich ist,  nur  durch  Aufhebung  der  Wachsthums- 
vorgänge bei  ununterbrochen  fortgesetzter  Ernährungs- 
thätigkeit  möglich.  Es  lässt  sich  dies  auf  künstlichem 
Wege  durch  eine  reichliche  Zufuhr  von  organischen  Stoffen 
von  aussen  erreichen,  indem  man  die  Fäden  oder  Keim- 
linge von  Vaucheria  in  einer  2 — 5  %  Rohrzucker-  oder 
1 — 2%  Maltoselösung  cultivirt,  wodurch  sie  in  kürzester 
Zeit  zu  einer  lebhaften  Fortpflanzungsthätigkeit  angeregt 
werden. 

Für  den  Eintritt  der  geschlechtlichen  Fortpflanzung, 
welcher  nur  bei  einer  mittleren  Temperatur  von  10  bis 
20°  C  stattfindet,  ist  vor  Allem  die  Einwirkung  des 
Lichtes  ein  unbedingtes  Erforderniss.  Es  ist  dies  deshalb 
besonders  bemerkenswerth,  weil  dieser  Factor  bei  der 
sexuellen  Vermehrung  des  Wassernetzes  überhaupt  nicht 
in  Betracht  kommt.  Klebs  konnte  unter  völligem  Liclit- 
abschluss  die  Vaucherien  niemals  zur  Bildung  von  Ge- 
schlechtsorganen veranlassen.  Dagegen  gelang  es  ihm 
bei  vorhergegangener  Belichtung  angelegte  Antheridien 
und  Oogonien  im  Dunkelen  zum  Abschluss  ihrer  Ent- 
wickelung  zu  bringen,  worauf  die  Befruchtung  eintrat 
und  die  Reife  der  Öospore  unbehindert  nachfolgte.  Eine 
weitere  Anlage  von  Geschlechtsorganen  fand  aber  nicht 
statt,  sondern  die  Fäden  gingen  wieder  nach  und  nach 
zum  Wachsthuni  über.  Dass  der  Grund  für  diese  auf- 
fallende Erscheinung  nicht  in  einem  Mangel  an  genügender 
Ernährung  zu  suchen,  geht  daraus  hervor,  dass  das  Wachs- 
thum  bei  Culturen  in  feuchter  Luft,  in  welcher  die  unge- 
schleclitliehe  Fortpflanzung  nicht  aufzutreten  vermag, 
unter  einer  ständigen  Temperatur  von  12 — 1,5°  C  auf 
längere  Zeit  unter  Ausschluss  jeder  Lichtwirkung  erfol.uen 
kann.  Der  Einfluss  des  Lichtes  ist  daher  für  den  Ein- 
tritt der  geschlechtlichen  Fortpflanzung  eine  nothwendige 
Bedingung.  Die  Stärke  der  Belichtung  kann  sich  inner- 
halb weiter  Grenzen  bewegen.  Durch  einen  sehr  ein- 
fachen Versuch  konnte  Klebs  nachweisen,  dass  bei  hellem 
Licht  die  Vaucherien  in  kürzerer  Zeit  und  mit  grösserer 
Lebhaftigkeit  zur  geschlechtlichen  Fortpflanzung  über- 
gehen, als  bei  schwachem. 

Der  Uebergang    der  Alge  aus  dem  vegetativen  Zu- 


Nr.  36. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


385 


stand  zur  Fortpflanzungsthätigkeit,  sowie  die  Meng-e  der 
dabei  entstellenden  Oos])oren  iiängt  von  den  vorerwähnten 
Bedingungen  al),  wch-lie  die  Aufliebung  der  Waclistlmnis- 
vorgänge  zur  l'Vilgc  haben.  Dieselben  verwirklielien  sieh 
ebensowohl  in  der  Natur,  wie  im  g-esciilossenen  Kauuie. 
Um  sterile  Rasen  zu  erzielien,  muss  man  auf  die  Alge 
entweder  eine  niedere  Temperatur,  oder  schwaches  Licht, 
möglicherweise  auch  beides  zu  gleicher  Zeit  einwirken 
lassen.  Klebs  konnte  auf  diesem  Wege  die  Keimlinge 
von  Vaucheria  sessilis  innerhalb  einiger  Monate  zu  kräf- 
tigen Rasen  heranziehen,  ohne  dass  sie  eine  Neigung 
zeigten,  zur  Fortpflanzung  überzugehen.  Es  lässt  sich 
hieran  die  interessante  Frage  knüpfen,  ob  die  Vaucherien 
im  Stande  sind,  längere  Zeit  fortzuwacbsen,  ohne  in- 
zwischen wieder  zur  Fortpflanzung  übergehen  zu  müssen, 
um  nicht  an  einer  allmählich  eintretenden  Erschöpfung 
zu  Grunde  zu  gehen.  Denn  nach  neueren  Untersuchungen 
von  Maupas  gehen  gewisse  Infusorien,  welche  sich  durch 
viele  Generationen  hindurch  durch  Theilung  vermehrt 
haben,  einer  senilen  Erschöpfung  entgegen,  indem  sie 
nicht  durch  geschlechtliche  Fortpflanzung  in  den  Stand 
gesetzt  werden,  sich  gleichsam  wieder  zu  verjüngen.  Auch 
für  die  höheren  Pflanzen  wird  die  Vermehrung  durch 
Stecklinge  u.  s.  w.  als  die  Ursache  eines  nach  und  nach 
eintretenden  Rückganges,  der  sich  durch  das  Auftreten  krank- 
hafter Erscheinungen  bemerkbar  machen  soll,  angeschen 
und  die  geschlechtliche  Fortpflanzung  als  der  einzige  Weg, 
welcher  zur  sicheren  Erhaltung  der  Art  führt,  betrachtet, 
ohne  dass  ein  sicherer  Beweis  für  die  Richtigkeit 
dieser  Annahme  bis  jetzt  erbracht  worden  ist.  Die  vor- 
liegenden Beobachtungen  über  das  Verhalten  der  Vau- 
cherien lassen  vermuthen,  dass  eine  derartige  Auffrischung 
bei  ihnen  nicht  nothwendig  ist,  denn  in  der  freien  Natur 
werden  sehr  häutig  vollkommen  steril  gebliebene  Rasen 
gefunden,  besonders  solche  von  der  in  stark  strömenden 
Bächen  und  Brunnen  vorkommenden  Form  Vaucheria 
sessilis  fluitans.  Klebs  hat  diese  nachweisbar  fortpflanzungs- 
fähigen Rasen  in  einem  kleinen  Wasserfalle  mehrfach 
geprüft  und  stets  steril  gefunden.  Aller  Wahrscheinlich- 
keit nach  dürfte  die  Alge  unter  derartigen  Umständen 
vorwiegend  günstigere  Bedingungen  für  die  Fortpflanzung 
ihres  Waclisthums  finden.  Klebs  glaubte  anfänglicli  den 
Grund  für  diese  Ercheinung  in  der  Bewegung  des  Wassers 
suchen  zu  sollen  und  brachte  daher  die  Keimlinge  von 
Vaucheria  zum  Theil  in  reinem  Wasser,  zum  Theil  in  47o 
Zuckcrlösung  auf  einen  Centrifugalapparat,  welcher  in 
der  Secunde  etwa  1 — 3  Umdrehungen  ausführte,  um  sie 
einer  ähnliehen  Wirkung  zu  überlassen,  wie  sie  das  fliessende 
Wasser  eines  Wasserfalles  oder  eines  Brunnens  ausübt.  In- 
dessen wurde  dadurch  keineswegs  eine  Störung  in  der 
Fortpflanzungsthätigkeit  herbeigeführt,  sondern  es  trat 
diese  um  dieselbe  Zeit  ein,  wie  bei  denjenigen  Rasen, 
welche  in  ruhig  stehendes  Wasser  gebracht  worden  waren, 
um  zur  Controlle  zu  dienen.  Offenbar  müssen  sich  mit 
der  Erschütterung  noch  andere  Wirkungen  verl)inden,  wo- 
durch der  Alge  der  üebergang  zur  Fortpflanzung  unmög- 
lich gemacht  wird. 

Wenn  man  zwischen  der  ungeschlechtlichen  und  der 
geschlechlichen  Fortpflanzung  einen  Vergleich  zieht,  so 
ergeben  sich  daraus  die  Beziehungen  Ijeider  zu  einander. 
Dass  sie  sich  nicht  mit  Nothwendigkeit  einander  aus- 
schliessen,  ist  früher  bereits  hervorgehoben  worden. 
Wälirend  beim  Wassernetz  die  ungeschlechtliche  Fort- 
pflanzung als  die  ursprünglichere  und  darum  häutiger  sich 
einstellende  Vermehrungsart  erschien ,  scheint  dies  bei 
Vaucheria  sessilis  im  Gegensatz  hierzu  für  die  geschlecht- 
liche Fortpflanzung  zu  gelten,  denn  sie  tritt  überall  und 
sicher  ein,  wogegen  die  ungeschlechtliche  Vermehrung 
ohne   besonderen   Schaden    ausgeschlossen   bleibeni'^kann, 


wie  dies  bei  Culturen  auf  feuchtem  Nährboden  geschieht. 
In  flüssigen  Medien,  wo  die  Möiglichkeit  zum  gleichzeitigen 
Eintritt  beiden  ^'ennehrungsweis('n  gegeben  ist,  ist  ein 
gemeinsames  Auftreten  derselben  dennoch  nicht  UKigiieh, 
weil  die  Bedingungen  für  beide  zu  verschieden  vonein- 
ander sind.  Die  ungeschlechtliche  Fortpflanzung  tritt  am 
stärksten  auf,  sobald  ein  gut  ernährter  Rasen  unter  ver- 
änderte Lebensbedingungen  gebracht  wird  und  läuft  in 
kürzester  Zeit  ab.  Die  geschlechtliche  dagegen  zeigt  sich 
dann,  wenn  bei  ununterbrochen  fortgehender  Ernährung 
das  Wachsthum  nach  und  nach  zum  Stillstand  gebracht 
wird,  wozu  viel  mehr  Zeit  erforderlich  ist.  Daher  konnnt 
die  vielfach  beobachtete  regelmässige  Aufeinanderfolge 
dieser  beiden  Vermehrungsarten,  welche  die  Veranlassung 
zur  Annahme  eines  Generationswechsels  gewesen  ist.  Die 
vorliegenden  Untersuchungen  haben  den  Beweis  erbracht, 
dass  zu  jeder  Zeit  die  eine  oder  die  andere  der  beiden 
Vermehrungsarten  hervorgerufen  und  folglich  die  Reihen- 
folge derselben  ganz  nach  unserem  Belieben  geändert 
werden  kann.  Aus  der  Verschiedenheit  der  Bedingungen, 
unter  denen  die  Fortpflanzungserscheinungen  bei  Vaucheria 
sessilis  im  Vergleich  zum  Wassernetz  auftreten,  geht  klar 
und  deutlicii  hervor,  dass  das  Abhängigkeitsverhältniss 
der  Vermehrungsvorgänge  gegenül»er  den  Einflüssen  der 
Aussenwelt  unter  den  einzelnen  Pflanzenformen  ein  ver- 
schiedenes, aber  für  eine  jede  Art  ein  bestimmtes  ist, 
wofür  die  Gattung  Vaucheria  selbst  das  beste  Beispiel 
liefert.  Der  Eintritt  der  geschlechtlichen  Fortpflanzung 
geschieht  bei  den  einzelnen  Arten  unter  den  gleichen 
Bedingungen  wie  bei  Vauclieria  sessilis.  Bei  der  unge- 
schlechtlichen Vermehrung  zeigt  sich  eine  grosse  Ver- 
schiedenheit unter  denselben.  Es  giebt  einige  Formen 
darunter,  wie  Vaucheria  terrestris  und  aversa,  welche 
überhau])t  keine  für  diese  Fortpflanzungsweise  bestimmten 
Organe  iicsitzen,  während  andere,  wie  Vaucheria  gemi- 
nata  und  uncinata,  nur  unbewegliche  Sporen  (sogenannte 
Aplanosporen)  bilden  können,  deren  Entstellung  oftmals 
unter  solchen  Bedingungen  vor  sich  geht,  welche  ohne 
Weiteres  als  sehr  ungünstige  bezeichnet  werden  müssen. 
Das  verschiedene  Verhalten  einzelner  Arten  bei  der 
ungeschlechtlichen  Fortpflairzung  tritt  in  einem  Vergleich 
zwischen  Vaucheria  sessilis  repens  und  einer  ihr  sehr 
nahe  stehenden,  von  Unger  zum  ersten  Male  beobachteten, 
aber  von  Klebs  erst  neuerdings  wieder  aufgefundenen 
Form,  Vaucheria  clavata,  besonders  deutlich  hervor.  In 
morphologischer  Beziehung  weisen  diese  beiden  Arten 
keine  bemerkenswerthen  Unterschiede  auf,  so  dass  zu 
ihrer  Unterscheidung  nur  die  physiologischen  Eigenschaften 
herangezogen  werden  können.  Die  letztgenannte  Form 
lebt  vorzugsweise  in  fliessendem  Wasser.  Da  sie  durch 
die  besonderen  Wirkungen  desselben  an  der  geschlecht- 
lichen Fortpflan'/ung  liehindert  wird,  so  ist  sie  darauf  an- 
gewiesen, sich  auf  ungeschlechtlichem  Wege  zu  vermehren, 
was  unter  Bedingungen  geschieht,  wie  man  sie  für  \'au- 
cheria  sessilis  überhaupt  nicht  kennt.  Wenn  nändich 
diese  Form  aus  lebhaft  Ijcwegtem  in  ruhig  stehendes 
Wasser  überführt  wird,  so  erfolgt  die  Bildung  von  Zoo- 
sporen  nicht  nur  innerhalb  einiger  Tage,  sondern  setzt 
sich  unter  passenden  Temperatur-  und  Beleuehtungs- 
verhältnissen  auf  mehrere  Monate  ohne  Unterbrechung 
fort,  ohne  dass  in  den  äusseren  Bedingungen  eine  der- 
artige Veränderung  stattgefunden  hatte,  wie  sie  zum  Ein- 
tritt der  vegetativen  Vermehrung  bei  Vauclieria  sessilis 
erforderlich  ist.  Ferner  erfolgt  die  ungeschlechtliche  Fort- 
pflanzung bei  Vaucheia  clavata  selbst  in  feuchter  Luft, 
während  ihr  Auftreten  bei  Vaucheria  sessilis  innner  an 
das  Vorhandensein  eines  flüssigen  Mediums  gebunden  ist. 
Selbstverständlich  können  unter  solchen  Umständen  keine 
beweglichen,   sondern   nur  unbewegliche  Sporen  (Aplano- 


386 


Naturwissenschaftliche  Wochenschritt. 


Nr.  36. 


sporeu)  g-ebildet  werden.  Je  mehr  der  Feuchtii;k.eitsf;ehalt 
der  Luft  abninnnt,  umsomchr  schwindet  auch  die  Neigunj;- 
zur  Zoosporenbildung-  und  auch  das  Wachstlnun  kommt 
nach  und  nach   zum  Stillstand.     Die  Cultur   in  0,5  —  1% 


Knop'scher    Nährlösung-    ruft 


nur 


eine    vorüberg-ehende, 


und  die  Verdunkelung  überhaupt  keine  Neigung  zur 
Zoosporenbildung  bei  Vaueheria  clavata  hervor,  während 
diese  beiden  Factoren  für  Vaueheria  sessilis  ein  unum- 
gängliches Erforderniss  für  den  üebergang-  zur  ungeschlecht- 
lichen Vermehrung  bilden.  Unsere  Form  lässt  sich  aber  merk- 
würdigerweise durch  Zerschneiden  ihrer  Fäden  zur  Zoo- 
sporenbildung veranlassen.  Die  dabei  entstehenden  Schnitte 
schliessen  ihre  Wunden  und  treiben  neue  Zweige  hervor, 
au   deren  Enden    die   Zoosporen    gebildet   werden.     Wie 


sieh  aus  diesem  Vergleich  zweier  einander  so  nahe 
stehender  Formen  ergiebt,  können  die  physiologischen 
Eigenthündichkeiten  der  einzelnen  Arten  mit  Erfolg-  zu 
ihrer  Unterscheidung  herangezogen  werden. 

Durch  die  auszugsweise  hier  mitgethcilteu  Unter- 
suchungen hat  Klebs  den  Beweis  geliefert,  dass  die  Fort- 
pflanzung bei  Vaueheria  se.^silis  und  einigen  anderen  ihr 
verwandten  Arten  in  einem  gleichen  Abhängigkeitsver- 
hältniss  zu  den  Einflüssen  der  Aussenwelt  steht,  wie  die- 
jenige des  Wassernetzes.  Es  ist  damit  ein  weiterer 
Schritt  auf  dem  von  ihm  selbst  augebahnten  Wege  ge- 
scliehcn,  um  das  dunkele  Gebiet  der  Fortpflanzungs- 
physiologie der  experimentellen  Forschung  zu  unterwerfen. 

A.  J.  Schilling. 


Experimental  -Teratogenie. 

Nacli  Cumille  Darestr.*) 


ahrzchnten  beschäftigt  sich  Camille  Dareste 


Seit  vier 
mit  der  künstlichen  Hervorbringung  von  Monstruositäten: 
mit  Experiiuental-Teratogenie.  Die  von  ihm  geseliaffcnen 
Methoden  dienen  dem  Studium  der  Variabilitätsfälligkeit 
der  thierischen  Organisation,  seine  Untersuchungen  stehen 
daher  im  Dienste  der  Klärung  der  Theorie  der  Ali- 
stammungslehre. 

Die  Arten  besitzen  und  vererben  auf  ihre  Naeh- 
kommeuschaft  eine  Anzahl  Merkmale,  welche  einen  be- 
stimmten „Typus"  bilden.  Nun  kommt  es  bekanntlich 
vor,  dass  gewissen  Individuen  einer  Art  ein  oder  mehrere 
Merkmale  fehlen  können,  für  welche  eventuell  neue  Merk- 
male auftreten.  Dies  der  Ursprung  der  Varietäten.  Sind 
die  neuen  Charaktere  nicht  lebeugefährdend,  d.  h.  sind 
sie  nicht  unvereinbar  mit  den  Aussenbedingungcn  des 
Lebens,  so  vermögen  sie  sich  oft  erblich  zu  erhalten  und 
werden  Ausgangspunkte  neuer  Racen  (wenn  man  unter 
„Race"  eine  systematische  Einheit  verstehen  will,  mit 
einer  Zwischenstellung  zwischen  Varietät  und  Species). 

Die  Variationsfähigkeit  ist  grösser  als  man  gemeinhin 
anzunehmen  geneigt  ist,  ja  das  Verschwinden  einer 
grösseren  Anzahl  von  Merkmalen  und  ihr  Ersatz  durch 
neue  kann  mehr  oder  minder  den  ursprünglichen  Typus 
zum  Verschwinden  bringen:  wir  erhalten  dann  Monstru- 
ositäten. Dies  die  Deflnition  Darcste's  über  diesen  Be- 
griff. Geringfügig  vom  Tyjius  abweichende  Varietäten 
und  extreme  Monstruositäten  gehören  also  in  dieselbe 
Kategorie:  sie  unterscheiden  sich  nur  hinsichtlich  des 
Grades  der  Variationsschwankung  vom  Typus. 

Die  Ursachen  der  Variation  lassen  sich  in  der  freien 
Natur  nur  sehr  schwer  erkennen:  das  Experiment  nuiss 
zur  Eruirung  derselben  Platz  greifen. 

Die  Entwickelungsrielitung  eines  Individuums  ist  das 
Resultat  zweier    Factoren: 
Constitution     des     Keimes     und     2 
bedingungeu. 

Schon  Geoffroy  Saint-Hilaire  versuchte  es  1820 — 1826, 
bei  Experimenten  die  Aussenbedingungcn  zu  variiren,  in- 
dem er  Hühner-Eier  künstlich  ausbrütete,  diese  aber  hier- 
bei unter  Bedingungen  brachte,  von  denen  er  annehmen 
konnte,  dass  sie  auf  die  Eier  einen  Einfluss  ausüben 
mussten,  und  er  erzielte  in  der  That  mehrere  Male 
Monstruositäten.  Jedoch  hat  erst  Dareste  eine  Wissenschaft 
aus  der  Experimental-Teratologie  gemacht.  Speciell  beim 
Huhne,  seinem  Hauptuntersuchungsobject,  hat  Dareste  ge- 

*)  Vergl.  C.  Daresto:  Kecherchos  sur  la  production  artiticiellr 
des  monstruositds  on  essais  de  teratogenie  e.xperimentale.  2.  edition 
revue  et  augment^e.  Q2  fig.  et  16  planches.  C.  Roinwald  &  Co. 
ä  Paris  1891.  -  Preis  28  fres. 


nändich  abhängig  1.  von  der 
von     den     Aussen- 


funden,  dass  fast  alle  teralogischen  Typen,  die  er  con- 
statireu  konnte,  schon  bei  den  Säugethieren  und  bei 
Menschen  beobachteten  Typen  entsprechen:  eine  Er- 
scheinung, die  sich  aus  der  Einheit  des  Wirbelthiertypus 
erklärt.  Alle  Wirbelthiere  durchlaufen  ja  zunächst,  Ijcim 
Beginne  ihrer  Entwickelung  gleiche  inid  dann  sehr  ähn- 
liche Zustände,  bevor  sich  in  der  Form  der  Embryoneu 
die  Verschiedenheiten  der  Charaktere  der  Klassen  l)emerk- 
bar  machen.  Die  Entwickelung  muss  denniach  bei  allen  in 
gleicher  Weise  moditicirt  werden  können,  woraus  gleiche 
tcratologische  Typen  folgen.  Die  Teratogenie  des  Huhns 
gilt  also  für  alle  Wu-belthiere. 

Der  Embryo  besteht  zuerst  aus  lauter  gleich werthigen 
Zellen,  und  erst  später  bilden  sich  die  einzelnen  Organe 
aus  solchen  Theileu,  welche  ihrer  allgemeinen  Form  ent- 
sprechen oder,  wie  Dareste  sich  ausdrückt,  ihren  Ver- 
richtungen sozusagen  zuerst  dienen.  In  gleicher  Weise 
entstehen  nun  die  terat<dogischen  Organe  in  solchen  Zell- 
massen, welche  in  ihrer  Form  durch  irgend  eine  terato- 
gene  Ursache  modificirt  worden  sind.  Der  Anstoss  zur 
Bildung  einer  Monstruosität  ist  also  in  den  ersten  Stadien 
des  embryonalen  Lebens  zu  suchen  und  lässt  sich  ent- 
weder auf  eine  Hemmung  der  Entwickelung  oder  auf  die 
Vereinigung  ähnlicher  Theile  zurückführen.  Dies  war 
auch  Geoffroy  Saint-Hilaire  bekannt,  al)er  die  Kenutniss 
der  embryonalen  Entwickelung  war  nocli  zu  mangelhaft, 
und  er  konnte  daher  weder  den  Zusammenhang  verstehen 
noch  die  grosse  Verbreitung  der  von  ihm  beobachteten 
Erscheinungen  beurtheilen. 

Bei  der  normalen  Entwickelung  treten  die  Organe 
in  der  primären  Zellenmasse  nach  einander  auf  und 
machen  bis  zu  ihrer  endgültigen  Ausbildung  eine  Reihe 
von  Formen  durch.  Es  kann  nun  der  Fall  eintreten,  dass 
ein  oder  mehrere  Organe  sich  nicht  ausbilden,  oder,  besser 
gesagt,  dass  ihre  Ausbildung  unterbrochen  wird;  sie 
bleiben  also  auf  einer  Zwischenstufe  stehen.  Dies  ist 
daran  zu  erkennen,  dass  die  histologischen  Elemente  er- 
scheinen, bevor  das  oder  die  betreflenden  Organe  ihre 
Endgestalt  erlangt  haben.  Es  werden  also  gewisse  Em- 
bryonalzustände dauernd.  Es  ist  dies  eine  Erscheinung, 
welche  sich  häufig  zeigt  und  sich  sowohl  auf  den  Embryo 
selbst,  wie  auf  seine  Annexe  erstreckt.  Zu  den  letzteren 
geh(irt  vor  allen  Anderen  das  Amnium,  das,  in  seiner  Ent- 
wickelung gehemmt,  kleine  oder  grössere  Partien  des 
Embryo  zusammendrückt  und  eine  ganze  Anzahl  von 
Anomalien  erzeugt.  Die  Entwickelungshemmung  des 
Embryos  oder  seiner  Annexe  ist  der  Ausgangspunkt  der 
meisten  Monstruositäten. 

Liegen    in    der    ersten  Lebensperiode   zwei  ähnliche 


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Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


:^87 


Theile  neben  einander,  so  verschmelzen  dieselben  und 
bilden  fortan  die  beiden  Hälften  nur  eines  Organes.  Es 
ist  dies  der  Kall  l)ei  den  meisten  Or.nanen,  welche  in  dei' 
Mittellinie  des  Embryos  licg-en.  Ein  gleicher  Vorgang 
kann  aber  auch  eintreten,  wenn  hei  ancu'inaler  Eut- 
wickclung  zwei  ähnliche  Theile,  die  bei  normalem  Ver- 
laufe getrennt  bleiben  und  daher  getrennte  Organe  bilden, 
durch  irgend  eine  andere  Ursache  mit  einander  in  Be- 
rührung konnnen  und  verwachsen.  Dies  tritt  aber  bei 
Einzelmonstruositätcn  nur  selten  ein  und  ist  stets  auf  eine 
Störung  in  der  Entwickelung  zurückzuf(iin-en;  es  ist  aber 
stets  der  Fall  bei  Zwillings-Monstruositäten,  die  dadurch 
entstehen,  dass  eine  geringere  oder  grössere  Zahl  von 
Organen  zweier  Individuen  verschmilzt.  Diese  Zwillings- 
nionstruositäten  haben  sich  aber  bisher  nicht  künstlich  er- 
zeugen lassen,  sondern  haben  ihren  Ursprung  im  Keime, 
der  zwei  Eml)ryonalköri)er  enthält,  welche  im  weiteren 
Verlaufe  der  Entwickelung  mehr  oder  minder  verwachsen. 
Die  von  vielen  Physiologen  bisher  vertretene  Ansicht, 
dass  Zwillingsmissgestalten  durch  ])artielle  Teilung  eines 
urs|u-ünglich  in  der  Einheit  Norhandcnen  Keimes  entstehen, 
ist  nicht  richtig,  da  dieselben  dann  auch  künstlicli  erzeugt 
werden  müssten. 

Alle  Monstruositäten,  einfache  wie  doppelte,  erscheinen 
mit  allen  ihren  teratologisehen  Cliarakteren  schon  ganz 
früh  in  Zellpartien,  die  vorher  durch  eine  teratogene  Ur- 
sache beeinÜusst  worden  sind. 

Dareste  führt  für  seine  Ansicht  die  folgenden  Bei- 
spiele an: 

Die  Spinalspalte,  spina  bifida,  wurde  Idsher  als  eine 
pathologische  Erscheinung  des  Embryos  angesehen.  Die- 
selbe stellt  einen  Zustand  der  Wirbeisäule  dar,  bei  welchem 
der  obero  Wirbelbogen  nicht  geschldsscn  ist.  Man  erklärte 
ihr  Auftreten  dadurch,  dass  eine  theilweisc  llydropisie 
das  Rückenmark  in  seinem  hinteren  Theile  eiweitert  habe, 
und  dadurch  der  Bogen  gesprengt  worden  sei. 

Dareste  hat  Folgendes  gefunden:  Durch  irgend  eine 
Ursache  kann  die  Entwickelung  der  Markröhre  in  ihrem 
hinteren  Theile  an  einem  Punkte  gehemmt  werden,  so 
dass  die  Ränder  der  ursprünglichen  Rinne  sich  nicht  be- 
rühren, also  auch  nicht  verwachsen  können.  Sie  ver- 
knöchern getrennt,  der  obere  Bogen  wird  nicht  gescldossen. 
Es  wurde  dies  bei  mehreren  Huhnembryonen  und  einmal 
bei  einem  sehr  jungen  menschlichen  Embryo  beobachtet. 
Die  gewöhnlich  vorhandene  Anschwellung,  welche  auf 
Hydropisie  des  Markes  zurückgeführt  wurde,  hat  mit  dem 
Marke  nichts  zu  thun;  denn  sie  liegt  unter  demselben,  in 
den  Hirnhäutehen  und  wird  durch  eine  Ausannnlung  der 
eephahi-rachidären  Flüssigkeit  erzeugt.  Sie  konnnt  also 
häufig  mit  der  spina  bifida  zusammen  vor,  bedingt  dieselbe 
aber  durchaus  nicht. 

Bei  der  Cyclopie  liegt  in  der  Mittellinie  des  Gesichtes 
nur  ein  Auge;  zuweilen  sind  auch  zwei  dicht  beisammen 
liegende  Augen  vorhanden,  die  entweder  eine  gemein- 
schaftliche Höhle  haben,  oder  in  getrennten  liegen.  Nach 
Dareste  treten  die  Anlagen  zu  den  Augen  oder  besser  zu 
den  retinae  in  einer  Zellpartie  der  Wände  des  vorderen 
Gehirnbläschens  auf,  aus  welchem  sieh  später  das  für  die 
dritte  Kammer  bildet.  Dieses  Bläsehen  geht  aus  einer 
Erweiterung  des  Vorderendes  der  Markrinne  hervor,  bleibt 
ziemlich  lange  offen  und  dehnt  sich  während  dessen  mehr 
und  mehr  in  die  Breite.  Man  ersieht  hieraus,  dass  die- 
jenigen Theile,  welche  sich  zu  den  retinae  nnd)ilden,  an- 
fangs zu  beiden  Seiten  der  Mittellinie  neben  einander 
liegen,  in  Folge  der  Ausdehnung  in  die  Breite  aber  aus- 
einanderrücken und  endlich  an  den  entgegengesetzten 
Enden  des  Bläschens  liegen.  Die  Rinne  schliesst  sich 
nicht  früher,  bevor  das  Bläsehen  seine  volle  Breite  erreicht 
hat.     Schliesst    sich    nun  die  Rinne  aus  irgend  einer  Ur- 


sache zu  früh,  so  bleiben  die  retinae-Partien  nebeneinander 
liegen  und  vereinigen  sich;  es  entsteht  also  die  Anlage 
nur  eines  Auges,  welches  bald  einfach  gebaut  sein,  bald 
die  Elemente  von  zweien  zeigen  kann.  Mit  dieser  Ver- 
scimielzung  der  retinae-Anlageii  der  Wand  des  vorderen 
Bläschens  hängt  ein  anderer  wichtiger  anatcmiischer  Vor- 
gang zusannnen:  Es  l)ilden  sich  keine  Gehirnhemisphären. 
Bei  normalem  Entwickelungsverlauf  nändich  tieten  zwischen 
den  auseinanderrückenden  retinae  an  der  Bläschen-Wand 
zwei  Falten  auf,  welche  sich  zu  einem  neuen  Bläschen 
umldlden,  dem  Hemisphaerenbläschen,  das  bei  der  Cy- 
clopie nicht  auftreten  kann.  Häufig  trifft  man  bei  den 
Cyclopen  eine  kleine  Hervorragung  über  dem  Auge.  Die- 
selbe stellt  den  (ieruchsapparat  vor.  Bei  normaler  Ent- 
wickelung besteht  dieser  Anfangs  aus  zwei  kleinen  vor 
den  Augen  liegenden  Grübehen,  welche,  ähnlich  denjenigen 
der  Fische,  nicht  mit  der  Mundhöhle  communicircn.  Bei 
der  Cyclopie  bedingt  nun  die  Einheit  des  Auges  auch  die 
Bildung  nur  einer  Rieehhöhle,  die  nicht  mit  der  Mund- 
höhle in  Verbindung  steht  und  zuweilen  trompetenartig 
nach  aussen  hervortritt.  Höchst  wahrscheinlich  ist  die 
vorzeitige  Schliessung  des  vorderen  Gehirnbläschens  nicht 
der  eigentliche  Anfang  der  Cyclojjic,  sondern  wird  selbst 
schon  durch  eine  früher  wirkende  Ursache  bedingt.  Als 
solche  ist  der  Druck  anzusehen,  welcher  durch  den  anderen 
Theil  des  in  seiner  Entwickelung  gehennnten  Annuums 
ausgeübt  wird. 

Dass  das  Amnium  in  Folge  totaler  oder  nur  theil- 
weiser  Hennnung  seiner  Entwickelung  bei  dem  Entstehen 
gewisser  Monstruositäten  eine  grosse  Rolle  spielt,  hat 
Dareste  an  tlen  folgenden  Beispielen  gefunden: 

Es  gehören  hierzu  die  Exencephalen,  bei  denen  das 
Gehirn  ganz  oder  theilweisc  ausserhalb  des  Schädels  zn 
lieg-en  scheint.  Bislang  glaubte  man,  dass  Hydropisie  das 
Gehirn  erweitert  und  zur  Si)rengung  des  Schädels  gefuhrt 
habe  ((iehirn-Brüche).  Nach  Dareste  ist  die  f^xence- 
plialie  auf  folgenden  Vorgang  zurückzuführen:  Wird  das 
Amnium  in  seiner  Entwickelung  gehemmt,  so  kann  der- 
jenige Theil  der  Mend)ran,  welcher  den  Kopf  umhüllt  und 
Gehirnkappe  heisst,  ganz  fehlen  oder  dem  Kopfe  des 
End)ryos  eng  aufliegen.  Der  Kojjf  wird  alsdann  entweder 
durch  die  Eischale  oder  das  Anmium  zusannnengedrückt 
und  hierdurch  eine  deutliche  Umformung  des  Gehind)läs- 
chens  hervorgerufen:  Seine  oberen  Partien  sind  abgeplattet 
und  ragen  allerseits  über  die  darunter  befindlichen  hinaus, 
von  denen  sie  durch  eine  Furche  getrennt  werden.  Sie 
scheinen  so  ausserhalb  des  Schädels  zu  liegen  —  dies  ist 
aber  nur  Schein ;  denn  in  Wirklichkeit  umsehliesst  der 
Schädel  auch  die  hervorstehenden  Theile,  allerdings  nur 
als  Membran,  da  eine  Verknöcherung  nur  bis  an  die  Furche 
hat  fortschreiten  können. 

Eine  Hennnung  der  Entwickelung  in  der  hinteren 
Partie  des  Amniums  bedingt  eine  Umformung  der  hinteren 
Gliedmaassen  des  Embryos  (Eetromelie).  Es  können  Theile 
der  Gliedmaassen  fehlen;  in  einem  anderen  Falle  können 
dieselben,  wenn  sie  schon  ausgebildet  sind,  nur  weiter 
wachsen,  indem  sie  von  ihrer  eigentlichen  Richtung  ab- 
weichen (hierzu  gehört  der  Klumpfnss). 

Eine  der  auft'älligsten  Missbildungen  der  unteren 
Gliedmaassen  ist  die  Symelie,  bei  welcher  nur  Ein  unteres 
Glied  vorhanden  ist,  das  aber  die  Elemente  beider  in 
sich  vereinigt.  Diese  Elemente  sind  daini  häufig  noch 
abweichend  angeordnet,  die  inneren  liegen  aussen  und 
umgekehrt;  die  Ferse  liegt  vorn,  die  Zehen  hinten.  Nach 
Dareste  wird  diese  Missbildung  dadurch  hervorgerufen, 
dass  die  in  ihrer  Entwickelung  gehemmte  Sehwanzkappe 
beiderseits  das  normale  Wachsthum  der  Glieder  hindert 
und  dieselben  zwingt,  sich  nach  der  Rückenseite  des  Em- 
bryos auszudehnen.     Dort    tretien    sie  mit  ihren  äusseren 


388 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  36. 


Rändern  zusammen  und  verwachsen  damit;  die  ursprünglich 
inneren  werden  so  zu  äusseren. 

Alle  diese  teratolog-ischen  Typen,  welche  bisher  an 
Embryonen  des  Huhnes  beobachtet  worden  sind,  kommen 
aber  auch  bei  den  Säugethiereu  und  beim  Menschen  vor. 

Mit  Omphalocephalie  —  Nabelbruch  des  Kopfes  — 
bezeichnet  Darestc  folgende  Erscheinung:  Der  mehr  oder 
weniger  verkümmerte  Kopf  scheint  durch  die  Nabelöflf- 
nung  herauszutreten,  und  das  Herz  liegt  nicht  an  seinem 
gewöhnlichen  Platze  im  Rumpfe,  sondern  nackt  auf  dem 
Rücken  des  Embryo.  Diese  Monstruosität  ist  ferner  durch 
das  nicht  seltene  Auftreten  zweier  getrennter  Herzen  aus- 
gezeichnet. Dareste's  Untersuchungen  haben  das  nach- 
stehende Resultat  ergeben :  Das  Herz  bildet  sich  zu  einer 
gewissen  Zeit  des  embryonalen  Lebens  aus  der  Vereini- 
gung zweier  Keimzellmembranen,  welche  in  dem  Herz- 
räume (Erweiterung  des  Pharynx)  zusammentretfen  und 
verschmelzen.  Geschieht  letzteres  nicht,  so  entwickeln 
sich  die  Blätter  getrennt  und  es  entstehen  zwei  Herzen. 
Diese  ursprüngliche  Dualität  des  Herzens  wurde  schon 
1866  von  Dareste  entdeckt  und  ist  seitdem  beim  Kanin- 
ehen und  bei  verschiedenen  Fischarten  beobachtet  worden, 
so  dass  man  dieselbe  wohl  bei  allen  Wirbelthieren  vor- 
aussetzen darf  Das  einfache  Herz  der  Omphalocephalen 
musste  also,  wie  das  der  normal  sich  entwickelnden  Em- 
bryonen, aus  der  Verschmelzung  der  beiden  Blätter  ent- 
stehen. Auf  welche  Weise  vereinigten  sie  sich  aber  ge- 
rade über  dem  Kopfe?  Auch  die  Frage  hat  der  Forscher 
gelöst:  Am  dritten  und  vierten  Entwickelungstage  ist  der 
Embryo  allerseits  von  einem  lilutgefässnetz  umgeben, 
welches  den  ersten  Circulationsapparat  darstellt  und  in 
einer  bes(jnderen  Membran,  der  Gefässlamelle,  liegt. 
Man  glaubte  zuerst,  dass  diese  Gefässlamelle  von  Anbe- 
ginn an  einen  Kreis  bilde,  dessen  einen  Durchmesser  der 
Endjryo  einnehme;  dies  ist  jedoch  nicht  der  Fall.  Das 
vordere  Segment  des  Kreise«  fehlt  zuerst,  und  die  Lamelle 
schneidet  vorn  nahezu  geradlinig  ab.  Nur  in  der  Mitte  be- 
findet sich  ein  kleiner  Vorsprung,  der  Kopf  des  Embryos. 


An  jeder  Seite  des  Kopfes  entwickelt  sich  alsdann  ein 
kleiner  Fortsatz,  der  sich  vor  und  unterhalb  desselben 
ausdehnt  und  in  der  Mittellinie  mit  dem  anderen  zu- 
sammenstösst  und  versclunilzt,  wodurch  der  Kreis  ge- 
schlossen wird.  Bei  den  (»mphalocc|)halen  senkt  sieh  nun 
der  von  einer  Entwickelungsstörung  betroffene,  schluud- 
lose  Kopf  nach  unten  und  tritt  in  den  Zwischenraum  ein, 
welchen  die  beiden  vorderen  Ansätze  der  Gefässlamelle 
anfangs  freigelassen  haben.  Die  beiden  Herzkeimblätt- 
chen,  welche  gleichzeitig  mit  den  beiden  Fortsätzen  ent- 
stehen, und  daher  ebenfalls  an  beiden  Kopfseiten  liegen, 
stossen  jetzt  über  demselben  zusammen,  nicht,  wie  tiei 
normaler  Entwiekelung,  unter  demselben.  Es  bildet  sich 
also  nur  ein  Herz  aus,  wenn  die  beiden  vorderen  Ansätze 
der  Gefässlamelle  verschmelzen,  zwei,  wenn  sie  getrennt 
bleiben.  Bisher  ist  die  Omphahtcephalie  nur  bei  Vögeln 
beobachtet  worden,  noch  nie  bei  Säugethieren  oder  beim 
Menschen,  trotzdem  gerade  deren  Teratologie  so  bekannt 
ist.  Die  Frage,  weshalb  dies  geschieht,  ist  noch  eine 
offene. 

Einen  grossen  Theil  seiner  Versuchsobjecte  hat  der 
Verfasser  aufbewahrt  und  daraus  eine,  wohl  einzig  in 
der  Welt  dastehende,  Sannnlung  gebildet.  Leichtere  Ano- 
malien hervorzubringen,  die  mit  den  Lebens-  und  Fort- 
pflanzungsbedingungen vereinbar  wären,  hat  Dareste  nicht 
versucht,  da  hierzu  die  ihm  verfügbaren  Mittel  zu  be- 
schränkt waren.  Als  passendes  Object  für  dergleichen 
Versuche  hält  er  das  Perl-Huhn,  das  allerdings  eine  nur 
geringe  Anzahl  Eier  producirt.  Er  hat  sich  nur  mit  dem 
gewöhnlichen  Haushuhn  beschäftigt.  Wünschenswerth  ist 
es,  dass  jüngere  Kräfte  diese  Untersuchungen  auf  andere 
Arten  ausdehnen.  —  Für  die  Entwickelungsgeschicide  der 
Thiere,  und  besonders  auch  des  Menschen  sind  die  Unter- 
suchungen des  französischen  Gelehrten  von  sehr  grosser 
Bedeutung,  und  wir  dürfen  wohl  den  Wunsch  aussprechen, 
dass  es  dem  verdienstvollen  Manne  noch  recht  lange  ver- 
gönnt sein  möge,  seine  Forschungen  rüstig  weiter  zu 
führen. 


„lieber  die  Uiigleiclizeitigkeit  in  der  Ersclieiiiung 
des  Oeschleclites  bei  Scliiuetterlingeii"  iiat  Wilhelm 
Petersen  eine  Studie  l)ekannt  gegeben.  (Zool.  Jahrb., 
Abth.  f  Syst.  etc.,  Bd.  G,  Heft'  5 j  Jena  1892,  S.  671.) 
Sie  beruht  nicht  auf  geschlechtlicher  Zuchtwahl,  auch 
nicht  auf  der  bedeutenderen  Gr<'isse  der  Weibchen,  sondern 
ist  durch  natürliche  Zuchtwahl  erworben  und  dient  zur 
Verhinderung  engerer  Inzucht.  Wir  haben  hier  ein  Ana- 
logon  zur  Dichogamie  der  Pflanzen.  Petersen  nennt  die 
vorliegende  Thatsache  Dichogeuese  und  unterscheidet 
protandrische  und  protogynische  Arten.  Die  Protandrie 
kommt  bei  Schmetterlingen  vor,  deren  Weibchen  träge 
oder  gar  ungeflügelt  sind.  Sie  locken  die  Männchen  mitDuft- 
stoft'en  an  und  die  Fühler  dieser  sind  sehr  entwickelt. 
Die  Männchen  durchfliegen  wild  das  Revier.  Beispiele 
sind  der  Nagelfleck  (Aglia  tau  L.),  der  Eichenspinner 
(Gastropacha  quercus  L.),  Bürstenspinuer  (Orgyia)  u.  a. 
Zweitens  sind  solche  Arten  protandrisch,  welche  die  Eier  in 
Klumpen  ablegen  und  deren  Raupen  sich  nicht  zerstreuen, 
so  bei  der  Kupferglucke  (Gastropacha  quercifolia  L.). 
Zerstreuen  sich  die  Raupen,  wie  z.  B.  bei  dem  braunen 
Bären  (Arctia  caja  L.),  so  ist  keine  Protandrie  entstanden. 
Drittens  erscheinen  bei  Arten,  die  ein  beschränktes  Ge- 
biet bewohnen  und  schlecht  fliegen,  wie  die  Bläulinge, 
die  Männchen  vor  den  Weibchen. 


Ueber  den  fossilen  Schlangen-Ciiftzahn,  welchen 
F.  Kinkelin  besehrieben  iiat  (s.  „Naturw.  Woehenschr." 
Bd.  7,  S.  486),  bemerkt  E.  D.  Cope  (Remarks  on  tlie 
comniunication  etc.,  Zool.  Anz.,  No.  393,  S.  224),  dass 
bereits  vor  30  Jahren  Lartet  eine  fossile  Viper  und  ihre 
Giftzähne  beschrieben  hat.  Auch  hat  1880  Cope  eine 
Crotalide  mit  charakteristischen  Giftzähnen  in  dem  oberen 
Miocäu  von  Kansas  entdeckt.  Scidiesslich  erhebt  Cope 
Bedenken  gegen  die  Naniengebung  Kinkelins,  da  derselbe 
nicht   einmal    die  Zugehörigkeit    zu    den   Viperinen    oder 


Crotalinen  festzustellen  im  Stande  gewesen  sei. 


M. 


Ueber  Giftstoffe  der  Flechten  berichtet  Professor 
Kobert  in  den  „Sitzungsberichten  der  Naturforscher-Ge- 
sellschaft bei  der  Universität  Dorpat"  (X.  Band,  S.  157  ff.). 
Die  Flechten,  welche  mancher  in  ihnen  enthaltener  Stofte 
wegen  (z.  B.  Cetrariu,  Lackmus,  Lichenin  etc.)  seit  alters 
als  sogenannte  Volksmittel  zumal  unter  den  nordischen 
Völkern,  deren  Heimatli  besonders  reichlich  dieselben 
hervorbringt,  weite  Verwendung  tinden,  gelten  l'ür  den 
Menschen  als  ungiftig.  Nur  von  wenigen  waren  über- 
haupt scliädliche  Stoffe  bekannt,  so  von  Cetraria  juni- 
perina,  welche  Ludwig  als  Fuchsgift  bezeichnet.  Ueber 
das  Vorkommen  von  Chrysophansäure  in  der  an  alten 
Bäumen  und  trockenen  Zäunen  häufigen  Wandflechte, 
Parmelia  parietina  Ach.  (Physcia  parictina  Körb.),  gehen 
dieAnsichten  auseinander;  während  seit  den  Untersuchungen 


Nr.  36. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


380 


vt)n  Roclileder  und  Held  ihr  Vorhandensein  allgenicin  in 
der  Wandflechte  anj;ci;eben  und  auch  durch  Prof.  Zojjf  in 
Halle  liestätigt  wird,  hat  Kohert  dieselbe  nicht  darin 
nachzuweisen  vermocht,  sondern  nur  eine  nahestehende 
andere  Säure.  Stein  in  Frankfurt  giebt  Krysopikrin  in 
der  Parmelia  parietina  an,  einen  Stoff,  welchen  Bolley 
für  Vuli)iusäure  erklärt  hat.  Da  letztere  nur  nach  einigen 
Autoren  giftig  sein  soll,  so  hat  Prof.  Robert  sich  speeiell 
mit  ihr  und  ihrem  Vorkonniien  in  Flechten  beschäftigt 
und  ist  dabei  zu  einer  Reihe  ganz  neuer,  wichtiger  Re- 
sultate gelangt.  Hauptsächlich  findet  die  Vulpinsäure 
sieh  in  dem  sogenannten  Wolfsmoos,  Parmelia  vulpina 
Ach.  (Everina  vulpina  Ach.,  =  Cetraria  vulpina  ^  Liehen 
vulpinus  L.),  welches  l)esonders  auf  den  Arven  der  Ost- 
und  Westalpen  und  im  Kjölengebirge  Skandinaviens  all- 
gemein verbreitet  ist.  Sie  wurde  von  Bebert  1831  zuerst 
darin  nachgewiesen  und  seitdem  von  vielen  Forschern 
näher  untersucht.  Die  gefundenen  Mengen  schwanken 
al)er  ganz  bedeutend  (nach  Möller  und  Strecker  in  nor- 
dischen Exemplaren  bis  12  "/„;  nach  Si)iegel  in  solchen 
von  Ponteresina  1,5  7oi  Kobcrt  sell)st  konnte  in  Ijaltischen 
Exemplaren  nicht  einmal  Spuren  nachweisen)  und  sind 
vielleicht  von  dem  Standorte  der  Pflanze  und  ihrem  je- 
weiligen Entwieklungsstadiuni  abhängig. 

K.  wurde  um  so  mehr  zu  seineu  Untersuchungen  ge- 
drängt, als  er  die  Vulpinsäure  C'H'^O''  in  letzter  In- 
stanz als  ein  Derivat  der  Oxalsäure  ansieht  und  nach  ihm 
diese  letztere,  ihre  löslichen  Salze,  sowie  alle  uns  zugängigen 
Derivate  derselben,    wie  Oxalursäure,    Oxamid   und  Oxa- 

CO 
minsäure  giftig  sind,  .sobald  sie  die  Gruppe    i       enthalten. 

1_/D 
I 
Ihre  Wirkungen  erinnern  an  die  des  freien  CO,  des 
Kohlenoxydes.  Die  bereits  von  Guibourt  hervorgehobene 
irritirende  Wirkung  der  pulverisirten  Flechte  auf  Schleim- 
häute kommt  auch  der  pulverisirten  Säure  (gelbe  Nadeln  oder 
monokline  Crystalle)  zu,  sowie  Lösungen  derselben  und 
ihrer  Salze.  Das  schnellere  Absterben  von  Elementaror- 
ganismen in  solchen  Lösungen,  von  isolirtenFrosehmuskeln, 
(in  8  Stunden  bei  Concentration  von  1  :  4000),  des  am 
William'seheu  Apparate  arbeitenden  Herzens  (in  1  Stunde 
bei  Concentration  von  1  :  G600;  in  l'/o  Stunden  bei  Con- 
centration von  1:13  000)  lassen  die  Vulpinsäure  als  ein 
Protoplasmagift  erkennen.  Auch  bei  den  lebenden  Thieren 
zeigten  sich  schnell  und  sieher  ihre  giftigen  Wirkungen: 
Frösche,  selbst  grosse  Exemplare,  wurden  durch  als 
Natronsalz  verabreichte  Dosen  von  4  mg  Säure  getödtet, 
und  Warmblüther  Hessen  die  Wirkungen  des  Giftes  er- 
kennen, ob  ihnen  dasselbe  als  Natronsalz  innerlich  ge- 
geben oder  als  Injcction  subcutan  oder  intravenös  bei- 
gebracht worden  war.  Am  cmptindlichsten  erwiesen  sich 
Katzen,  bei  denen  pro  kg  innerlich  30  mg  und  intravenös 
innerlicii  25  mg  tödtlieh  wirkten;  am  unempfindlichsten 
dagegen  waren  die  Igel,  welche  Dosen  von  121  mg  pro 
kg  Körpergewicht  überstanden.  Die  Symptome  der  Ver- 
giftung bestanden  namentlich  bei  Katzen  in  Erbrechen, 
Zuckungen,  vermehrtem  Blutdruck,  Athennioth,  Lähmungen 
etc.  Das  Blut  der  Leichen  hatte  seine  Gerinnbarkeit 
beinahe  ganz  eingebüsst,  bei  Kaninchen  Hessen  sieh  im 
secernirenden  Nierenparenchym  unter  dem  Mikroskop 
amorphe  oder  halbkrystallinische  Massen  von  vulpinsaurem 
Kalk  nachweisen.  Sowohl  die  synthetisch  als  auch  die 
aus  dem  sogenannten  Wolfsraoos  dargestellte  Vuli)insäure 
brachten  diese  Wirkungen  hervor,  welche  denen  der 
Oxalsäure  und  ihrer  Salze  sehr  ähnlich  sind.  Das  Vor- 
handensein der  Vulpinsäure  konnte  sowohl  im  Blute  als 
auch  im  Harn  der  Versuchsthiere  nachgewiesen  werden. 
Auch  mit  der  von  Prof.   Zopf  in  Halle  aus  der  Ce- 


traria pinastri  dargestellten  Pinastrinsäure  hat  K.  Ver- 
suche angestellt,  welche  gleichfalls  deren  Giftigkeit  er- 
geben haben.  Die  Wirkungen,  welche  an  Fröschen  beob- 
achtet werden  konnten,  waren  ebenso  heftig,  wie  bei  der 
Vulpinsäure,  und  auch  die  Anwesenheit  von  Pinastrin- 
säure Hess  sieh  auf  dieselbe  Weise  feststellen,  ^vie  bei 
jener.  Vielleicht  handelt  es  sich  auch  bei  der  von  Ludwig 
als  Fuciisgift  bezeichneten,  der  eben  genannten  Art  ausser- 
ordentlich ähnlichen  Cetraria  juniperina  der  baltischen 
Provinzen  um  Pinastrinsäure. 


Nachweis  von  Paraffin  und  von  Scliiuieröl  in 
dem  Dnickdestillat  des  Fisclithraus.  (C.  Engler  und 
L.  Fischer,  D.  Chem.  Ges.  Ber.  lH<yd,  1449).  -Gegen 
die  Theorie,  dass  die  Bildung  des  Petroleums  durch  die 
Zersetzung  thieriseher  Stoffe  bedingt  sei,  war  verschiedent- 
lich geltend  gemacht  worden,  dass  die  für  ersteres  ty- 
pischen Paraffine  und  Schmieröle  in  den  im  Laboratorium 
erhaltenen  Druckdcstillaten  niemals  aufzufinden  seien. 
Den  Verfassern  ist  nun  unter  Beihülfe  der  Winterkälte  die 
Isolirung  festen  crystallinischen  Paraffins  und  durch  geeig- 
nete Behandlung  diejenige  von  sogen.  Schmierölen  aus 
dem  Druckdestillat  von  Fisclithran  gelungen. 


lieber  das  neue  (^necksilberthernionieter  für  Tem- 
peraturen bis  550°  (1.  (Max  von  Peeklinghausen, 
D.  Chem.  Ges.  Ber.  18'J3,  1514.)  —  Durch  Benutzung  einer 
besonders  vorzüglichen  Glassorte  und  durch  Erzeugung 
von  Druck  im  Capillarrohr,  durch  Einführung  comprimirter 
Kohlensäure  in  den  oberen  Theil  desselben  ist  es  seit 
Kurzem  gelungen,  Glas- Quecksilberthermometer  herzu- 
stellen, welche  Temperaturen  bis  zu  5.50°  zu  messen  ge- 
statten. Auf  Veranlassung  von  V.  Jleyer  hat  Reckling- 
hausen die  Brauchbarkeit  dieses  Instruments  durch  eine 
Anzahl  von  Versuchen  festgestellt. 


lieber  eini!a:e  AniUde  und  Toluide,  welche  in 
zwei  Modificationen  auftreten.  (('.  A.  Bisehoff  und 
P.  Waiden,  D.  Chem.  Ges.  Ber.  1893,  1461.)  —  Nach 
der  Hantzsch-Werner's(H)en  Hypothese  wären  von  gewissen 
Aniliden  je  zwei  Modificationen,  entsprechend  den  Typen 
X  :  C  .  Y  X  ■  C  •  Y 

tl  "H.l  II 

CeH.-N  N-CH, 

zu  erwarten,  doch  ist  die  Auffindung  derartiger  Isomerie- 
fälle  bisher  nicht  geglückt.  Die  Verfasser  sind  nun  durch 
Einwirkung  von  Phosphorpentaehlorid  auf  die  Anilide  und 
Toluide  der  Milchsäure  zu  Derivaten  der  Brenztrauben- 
säure  gelangt,  welche  durch  Auflösen  in  Alkali  und  Wieder- 
ausfällen durch  Säuren  eine  eigenthümliehc  Umlagerung 
in  eine  zweite  isomere  Modification  erleiden.  Desmotropic 
erscheint  ausgeschlossen,  dagegen  ist  nach  einem  vorläu- 
figen Versuch  zur  Moleculargewichts-Bestinnnung  Polymerie 
wahrscheinlich.  Der  in  Aussieht  gestellten  näheren  Unter- 
suchung darf  man  mit  Interesse  entgegensehen.        Sp. 

Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben. 

Es  wurden  cniannt:  An  der  Kgl.  Prouss.  Geologischen  Lauiles- 
anstalt  und  Bergakmlcniic  in  Bi'rlin:  dor  Bezirksgeologe  Dr.  Tli. 
Ebert  zum  Liiudespi.'ol(i>;on  und  der  HiltsKOologH  T)r.  Ernst 
Zimmermann  zum  Bczirksgeologen.  —  Der  ( )rnitiiol(ip;e  Dr.  med. 
Paul  Leverkiihn  in  Miinclien  zum  Dirrotor  di'r  wi.s.senschat't- 
lichen  Sammlungen  und  der  Bibliothek  des  Fürston  Ferdinand  von 
Bulgarien  in  Sofia.  —  Der  Unterbibliothekar  Dr.  Pa  u  1  S  e  h  wen  k  e 
zum  Bibliothekar  der  Königliclien  Universitäts-Bibliothek  in  Königs- 
berg. —  Dr.  Dunbar  in  Giessen  zum  Leiter  des  hygienischen 
Institutes  in  Hamburg. —  Dr.  Moeller,  Privatdocent  der  Botanik 
au  der  Universität  üreit'swakl,    zum    l'nit'essor.  —   Der   Professor 


390 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  36. 


E.  P.  Mall  zum  Lehrer  der  Anatomie  an  der  John-Hopkins-Univor- 
sität  (Baltimore). 

Professor  Dr.  Johannes  Gad  vom  physiologischen  Institut 
der  Universität  Berlin  begiebt  sich  mit  Urlaub  auf  1  Jahr  nach 
Cleveland.  Ohio,  um  den  physiologischen  Unterricht  an  der  dortigen 
Universität  zu  organisiren.  —  Dr.  V.  Schiffner,  Privatdocent 
an  der  deutschen  Universität  Prag,  geht  auf  10  Monate  nach 
Buitenzorg  (Java),  um  daselbst  wissenschaftliche  Forschungen  an- 
zustellen. 

Es  sind  gestorben:  DerKönigl.Oberbergamtsmarkscheider  a.  D. 
Bergrath  Moritz  Kliver  in  Saarbrücken,  der  sich  um  die  Er- 
forschung der  stratigraphischen  Verhältnisse  des  kohleul'ührenden 
Saar-Rhein-Gebietos  verdient  gemacht  hat,  daselbst.  —  Der  Königl. 
Hofgärtner  Ferdinand  Ludwig  Ters check,  der  letzte  Spross 
einer  um  die  Entwickelung  des  Gartenbaues  liochverdienten  Familie, 
in  Dresden. —  Dr.  Henri  Viallanes,  Director  der  zoologischen 
Station  Arcachon. 

Der  nach  Utrecht   einberufene   Astronomisoh.e  Congress   ist 

mit  Rücksicht  auf  die  drohende  Choleragefahr  verschoben  worden. 


Die  unter  Dr.  Fr.  Benecke's  Leitung  stehende  Versuchs- 
station für  Zuckerrohrcultur  „Midden-Java"  ist  laut  Beschluss 
der  PHanzer  aufgelöst  worden. 


Freisaufgabe  betreffend  die  Entdeckung  des  Ansteckungs- 
stoffes bei  der  Maul-  \uid  Klauenseuche.  —  Im  Auftrage  des  Herrn 
Ministers  für  Landwirthschaft,  Domänen  und  Forsten  schreibt  die 
Königliche  Technische  Deputation  für  das  Veterinärwesen  folgende 
Preisaufgabe  aus: 

Der  Stoft',  durch  welchen  die  Ansteckung  bei  der  Maul-  und 
Klauenseuche  vermittelt  wird,  ist  bis  jetzt  unbekannt.  Es  wird 
nunmehr  ein  Preis  von  3000  Mk.  für  die  Entdeckung  desselben 
ausgesetzt.  Der  Bewerber  hat  die  Aufgabe,  nicht  nur  den  ge- 
suchten Stoff  unter  Anwendung  der  für  derartige  Untersuchungen 
gebräuchlichen,  eventuell  neuer  Methoden  zu  ermitteln  und  ihn 
womöglich  zu  isoliren,  sondern  auch  die  Wirksamkeit  desselben 
durch  entscheidende  Thierversuche  zu  erweisen. 

Der  schriftlichen  Darlegung  sind  die  nöthigen  Beläge,  wie 
mikroskopische  Präparate,  Culturen,  Versuchsprotokolle  u.  s.  w. 
beizufügen. 

Vor  Krtheilung  des  Preises  hat  der  Bewerber  eine  etwa 
erforderliche  Demonstration  der  beweisenden  Experimente  vor 
einer  von  der  genannten  Deputation  zu  wählenden  Commission 
zu  geben. 

Die  Bewerbungsschriften  sind  bis  zum  30.  Juni  1894  an  die 
Königliche  Technische  Deputation  für  das  Veterinärwesen  im 
Ministerium  für  Landwirthschaft,  Domänen  und  Forsten  zu  Berlin 
einzureichen.  DieVerkündung  desUrtlieils  erfolgt  am  I.Januar  1895. 

Jede  Bewerbungsschrift  muss  leserlich  geschrieben  und  in 
deutscher  Sprache  abgefasst  sein.  Sie  ist  mit  einem  Motto  zu 
versehen  und  dieses  auf  dem  versiegelten  Briefumschlage,  welcher 
den  Namen  und  die  Adresse  des  Verfassers  enthält,  aussen  zu 
wiederholen. 

Preisaufgaben   aus   der   Hodgkins  -  Stiftung.     Mr.  Th.  G" 

Hodgkins  aus  Setauket,  N.  Y..  überwies  im  October  1891  der 
Smithsonian  Institution  in  Washington  eine  bedeutende  Summe, 
deren  Einkünfte  zum  Theil  „für  die  Vermehrung  und  Verbreitung 
e.xacteren  Wissens  in  Bezug  auf  die  Natur  und  die  Eigenschaften 
der  atmosphärischen  Luft  im  Zusammenhange  mit  der  Wohlfahrt 
der  Menschen"  zu  verwenden  sind. 

Die  Smithsonian  Institution  hat  jetzt  folgende  Preise  aus- 
gesetzt: 

1.  Einen  Preis  von  10  000  Dollar  für  eine  Abhandlung,  welche 
irgend  eine  neue  und  wichtige  Entdeckung  in  Bezug  auf  die  Natur 
oder  die  Eigenschaften  der  atmosphärischen  Luft  enthält.  Diese 
Eigenschaften  können  in  ihrer  Beziehung  zu  einer  oder  allen  von 
den  einschlägigen  Wissenschaften  betrachtet  sein,  —  z.  B.  nicht 
allein  in  Bezug  auf  Meteorologie,  sondern  auch  auf  Hygiene  oder 
irgend  einen  Zweig  des  biologischen  oder  physikalischen  Wissens. 

2.  Einen  Preis  von  2000  Dollar  für  die  beste  Abhandlung 

a)  über  die  bekannten  Eigenschaften  der  atmosphärischen 
Luft,  in  ihren  Beziehungen  zu  allen  Zweigen  der  Naturwissen- 
schaft, und  über  die  Wichtigkeit  des  Studiums  der  Atmosphäre 
angesichts  dieser  Beziehungen; 

b)  über  die  beste  Kiclitung  für  künftige  Studien  in  Zusammen- 
hang mit  den  Lücken  unseres  Wissens  von  der  atmosphärischen 
Luft  und  der  Verknüpfung  dieses  Wissens  mit  anderen  Wissen- 
schaften. 

Die  Abhandlung  soll  den  Zweck  verfolgen,  den  geeignetsten 
Weg  zu  zeigen,  um  bei  der  weiteren  Verwaltung  der  Hodgkins- 
Schenkung  werthvoUe  Ergebnisse  zu  erzielen. 


3.  Einen  Preis  von  1000  Dollar  für  die  beste  populäre  Schrift 
über  atmosphärische  Luft,  ihre  Eigenschaften  und  Beziehungen 
(einschliesslich  jener  zur  Hygiene).  Diese  Schrift  braucht  nicht 
mehr  als  20  000  Worte  zu  umfassen  und  muss  in  leicht  verständ- 
licher Sprache  geschrieben  sein. 

I.  Es  wird  eine  goldene  Denkmünze  gestiftet  unter  dem  Namen 
„The  Hodgkins  Medal  of  the  Smithsonian-Institution",  welche  alle 
1  bis  2  Jahre  ertheilt  werden  wird  für  wichtige  Beiträge  zu  uuserm 
Wissen  über  die  Eigenschaften  der  atmosphärischen  Luft  oder  für 
praktische  Anwendung  des  vorhandenen  Wissens  über  diese  zur 
Wohlfahrt  des  Menschengeschlechts. 

Die  Abhandlungen  müssen  in  englischer,  deutscher,  französi- 
scher oder  italienischer  Sprache  geschrieben  sein  und  dem  Secrctär 
der  „Smithsonian-Institution"  bis  1.  Juli  1894  (für  Preis  1  bis  zum 
31.  December  1894)  eingesandt  werden. 

Ausserdem  können  Originaluntersuchungen  von  Specialisten 
über  atmosphärische  Luft  durch  Geldbewilligungen  unterstützt 
werden.  Gesuche  in  dieser  Richtung  müssen  von  der  Em|)fehlung 
seitens  einer  der  bekannten  gelehrten  Körperschaften  begleitet  sein. 


L  i  1 1  e  r  a  t  u  r. 

Prof.  August  Weismann,    Das  Keimplasma.     Eine  Theorie  der 
Vererbung.     Mit  24  Te.xt- Abbildungen.     Gustav  Fischer.     Jena 
1892.  —  Preis  12  M. 
Das   umfangreiche  Buch    (es  umfasst  628  S.)    fasst   die  Weis- 
mann'sche  Theorie    der  Vererbung  erschöpfend  zusammen.     Nach 
einer  Einleitung,    welche  Geschichtliches   bringt    und   den  Begriff 
der  Vererbung  erläutert,   werden    die  materiellen  Grundlagen  der 
Vererbungserscheinungen  besprochen.     Sodann  geht  der  Verf.  ein 
auf  die  Vererbung  bei  oinelterlicher  und  bei  geschlechtlicher  Fort- 
pflanzung.    Das  „4.  Buch"  ist  überschrieben  „Die  Abänderung  der 
Arten    in   ihrer    idioplasmatischen  Wurzel".      Den   Schluss  bildet 
eine  Zusammenfassung  und  ein  ausführliches  Register. 


A.  B.  Frank,  Lehrbuch  der  Botanik.     Nach  dem  gegenwärtigen 
Stand  der  Wissenschaft  bearbeitet.     Zweiter  Band:    Allge- 
meine und  specielle  Morphologie.     Mit  417  Abbildungen 
in  Holzschnitt.     Nebst  einem  Sach-  und  Pflanzennamen-Register 
zum  I.  und  II.  Band.     Leipzig  1893.    Verlag  von  W.  Engelmann. 
—  Preis  15  M. 
Dem    im    vorigen  Jahre  erschienenen  1.  Bande    des   früheren 
Sachs 'sehen  Lehrbuches  der  Botanik,  welcher  nach  seiner  Neu- 
bearbeitung   durch   Professor   Dr.   A.  B.   Frank    in   der  jetzigen 
Form  die  Zellenlehre,    Anatomie  und  Physiologie    umfasst  (vergl. 
„Naturw.  Wochenschr."   1892,    Bd.  VII,    S.   499),    ist   nunmehr    in 
gleicher   Vorzüglichkeit    der   II.  Band  gefolgt,    mit    welchem    das 
Werk  seinen  Abschluss  gefunden. 

Dieser  vorliegende  IL  Band  behandelt  die  Allgemeine  und 
specielle  Morphologie,  welche  durch  417  beigefügte  gute  Abbil- 
dungen im  Holzschnitt  trefflich  erläutert  wird. 

Am  Schluss  des  Werkes  finden  wir  sodann  ein  sehr  ausführ- 
liches und  musterhaft  bearbeitetes  Sach-  und  Pflanzennamenregister 
sowohl  zu  dem  früher  erschienenen  1.  als  auch  dem  2.  Bande, 
welche  für  den  Gebrauch  und  die  schnelle  Orientirung  in  dem 
ziemlich  umfangreichen  Werke  von  grosser  Wichtigkeit  sind. 

Was  die  Behandlung  des  Stoffes  im  Einzelnen  anlangt,  so 
wird  in  dem  4.  Buche  die  Allgemeine  Morphologie  (Unterschei- 
dung der  Gestalten  im  Pflanzenreiche,  Wachsthumsrichtungen, 
Allgemeine  Stellungsgesetze  der  Glieder  des  Pflanzenkörpers)  be- 
handelt. Das  5.  Buch  von  S.  55—380  umfasst  die  specielle 
Morphologie  der  Systematik  und  zwar  zunächst  der  Thallo- 
phyten  mit  den  Unterabtheilungen  Myxomycetes,  Schizophyten, 
Peridineae,  Diatoniaceae,  Algae  und  Fungi.  Zweitens  die  Arche- 
goniaten  mit  den  Unterabiheilungen  Muscinei  und  Pteridophyta 
und  drittens  von  S.  234 — 380  die  Phanerogamen  mit  den  beiden 
Unterabtheilungen  Gymnospermae  und  Angiospermae  (Monocotyle- 
doneae,  Dicotyledoneae).  Bei  der  Unterabtheilung  Angiospermae 
werden  im  1.  Capitel  die  Vegetationsorgane  (Vegetationsformen, 
Stamm-  und  Blattoildung,  Metamorphose  der  Blattbildung,  Spross- 
folge, metamorphe  Stengel-  und  Blattformen,  Wurzelbildung,  vege- 
tative Vermehrungsorgane,  Gewebebilduug  und  Eruährungsverhält- 
nisse),  im  2.  Capitel  die  Fortpflanzungsorgane  (Blüthenstand  und 
Blüthe)  mit  ihren  einzelnen  Theilen  sehr  eingehend  besprochen. 
Ferner  befinden  sich  auch  hier  im  zweiten  Bande,  wie  in  dem 
früheren  ersten,  unter  den  einzelnen  Capiteln  zahlreiche  Litteratur- 
augaben,  wodurch  der  Werth  dieses  sch(m  an  und  für  sich  vor- 
züglichen, ausführlichen  Lehrbuches  der  Botanik  noch  sehr  erhöht 
wird.  Das  Werk  wird  sich  sicherlich  zu  den  alten  Freunden  noch 
viele  neue  erwerben.  Dr.  R.  Otto. 


Nr.  36. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


391 


Prof.  Eduard  Strasburger,    Histologische    Beiträge.     Heft  IV: 
1)    Ufbe-r   das    V  it  iiul  tc  ii    des   Pullrns    und  clie    Hefrucli- 

t  u  iiss  V  orgiingü  ln'i  ilon  Gy  in  imn  jinin  lui. 
l')    S  c  li  wiirinsporen,     (Jitmeteii,     ji  t'l  anz  1  iche    S  puiina  to- 

zoidon  und  das  Wesen  der  Befruchtung. 

Mit  3  litliographischon  Tafeln.     Gustav  Fischer  in  Jena  IS9:J.  — 

Preis  7  M. 
In  der  ersten  Abhandlung  bestätigt  Veif.  im  Wesentliclien 
diu  Untersuchungen  Belajett"s  ül)er  denselben  Gegenstand,  dass 
nämlich  auch  bei  den  Gymnospermen  e))enso  wie  bei  den  Angio- 
spermen, die  kleineren  aus  dem  Pollenkoru  hervorgehenden 
Zeilen  die  generativen  und  die  grosse  Zelle  die  vegetative  ist. 
Das  Hauptresultat  der  2.  Abhandlung  ist,  dass  bei  dem  Bo- 
fruchtungsprocess  nicht  der  Kern  allein,  sondern  auch  die  Centro- 
Sphären  und  das  Kinoplasma  betheiligt  sind. 


Hippolyt  Haas,   Aus  der  Sturm-  und  Drangperiode  der  £rde. 

Krster  Theil.  Verlag  des  Vereins  der  Uiielierfreiinde  (Seliall 
u.  Grund).     Berlin   1893.  —  Preis  4  Mk. 

DieseSkizzen  aus  derEntwickelungsgeschiehte  unseres  Planeten 
sind  Muster  populärer  Darstellung.  Der  Verf.  besitzt  in  hohem 
Maasse  die  Gabe,  trotz  aller  Wissenschaftliehkeit  doch  gemein- 
verständlich zu  schreiben.  In  leichter,  gefälliger,  vielfach  auch 
poetischer  Form  werden  die  wichtigsten  Ergebnisse  der  geologi- 
schen Forschung  vorgetragen,  so  dass  hier  eine  zugleich  lehr- 
reiche und  unterhaltende  Leetüre  geboten  wird. 

In  der  Einleitung  schildert  Verf.  die  Entstehung  des  Weltalls 
und  der  Erde.  Es  werden  nacheinander  die  Ansichten  von  Plinius, 
der  Brahmanen,  von  Leibniz,  Büti'on  und  Kant  dai-gelegt;  alsdann 
wird  die  Kant-Laplace'sche  Theorie  eingehend  gewürdigt  und  da- 
bei die  Beweise  für  die  Kichtigkeit  derselben,  sowie  die  ver- 
schiedenen Ansichten  über  den  jetzigen  Zustand  des  Erdinnern 
mitgetheilt. 

Der  erste  Abschnitt:  „Aus  der  Esse  Vulcans",  schildert  zu- 
nächst die  Entwickehmg  unserer  Kenntniss  der  Vulcane,  sodann 
die  Entstehungsbedingungen  der  Feuerberge,  sowie  die  verschie- 
denen Formen,  welche  dieselben  annehmen  können,  unter  besonderer 
Berücksichtigung  von  Vesuv  und  Aetna.  Namentlich  dieser  Theil 
des  Werkes  ist  mit  zahlreichen,  erläuternden  Abbildungen  ver- 
sehen. Hieran  schliesst  sich  die  Schilderung  der  Thätigkeit  der 
Vulcane:  Vorboten,  Anfang,  Höhe  und  Abnahme  der  Eruption, 
die  Beschaft'enheit  der  Lava  und  der  E.xhalationen,  der  Fumarolen, 
Solfataren  und  Motetten.  Dem  Ausbruche  des  Vesuv  im  December 
](i31  und  der  Geschichte  der  Insel  Ferdinandea,  ihres  Erscheinens 
und  Wiederverschwindens  im  Jahre  1831,  ist  ein  besonderes  Capitel 
in  diesem  Abschnitte  gewidmet.  Alsdann  geht  Verf.  zur  Schilde- 
rung der  Reihen-  und  Gru]ipenvulcane,  zur  Vertheilung  der  er- 
loschenen und  thätigen  Vulcane  Europas,  des  Vulcangürtels  um 
die  Oceane  über  und  schildert  im  Schluss-Ca|)itel  die  Ursachen 
der  vulcanischen  Erscheinungen,  insbesondere  die  Rolle,  welche 
das  flüssige  und  gasförmige  Wasser  hierbei  spielt.  „Alles  spricht 
für  das  Vorhandensein  eines  gemeinsamen  Feueroceans  in  der 
Tiefe  unseres  Planeten",  doch  lassen  sich  nach  Reyer  die  vulcani- 
schen Erscheinungen  mit  der  Voraussetzung  eines  starren  Erd- 
körpers in  Einklang  bringen. 

Der  zweite  Abschnitt:  „Etwas  vom  Bau-Material  unserer  Erde 
und  den  hauptsächlichsten  Kräften,  welche  dasselbe  bilden  und 
wieder  zerstören",  belehrt  uns  zuerst  über  den  Begriff  des  Ge- 
steins, sowie  die  Klintheilung  der  Felsarten  und  beschreibt  Vor- 
kommen und  Arten  der  massigen  Gesteine,  und  zwar  der  vulcani- 
schen oder  Ergussgesteine,  sowie  der  plutonischen  oder  Tiefenge- 
steine  und  der  Ganggesteine.  —  Die  letzten  vier  C'a)iitel  behandeln 
die  Thätigkeit  des  Wassers  auf  der  Erde:  Kreislauf,  chemische 
Thätigkeit,  Verwitterungserscheinungen,  Auflösung,  Einsturzbeben, 
Tropfsteinbildung,  sodann  die  (.,»uellen,  Thermen,  Geysire,  Salsen 
oder  Schlannnvulcane,  ferner  Fluss  und  Meerwa.^ser  und  deren  Ab- 
sjltze,  die  sedimentfiren  Gesteine,  endlich  die  Gletscher,  ihre  Ent- 
stehung, Beschaffenheit  und  geologische  Arbeit,  das  Inlandeis 
Grönlands  und  die   Erosionsarbeit  der  ililuvialen   Gletscher. 

Es  ist  zu  hotten,  dass  der  zweite  Band  dieses  trett'lichen 
Werkes,  welcher  die  Entwickelungsgeschichto  der  Erde  behandeln 
wird,  bald  erschenit.  P.  Knuth, 


Prof.  Pr.  Carl  Arnold,  Repetitorium  der  Chemie.  .Mit  besonderer 
Berück.siclitigun;;  der  für  die  Medicin  niiditigen  \'erbindungeii, 
sowie  des  „Arzneibuches  für  das  Deutsche  Reicli,"  namentlich 
zum  (iebrauche  für  Meilicinur  und  Pharmaceulen.  b.  vcrb.  und 
ergänzte  Aufl.  Leopold  Voss.  Hamburg  und  Leipzig  1803.  — 
Preis  6  M 

Die  1.  Aufl.  des  guten  Buches  ist  erst  vor  9  Jahren  (1884) 
erschienen. 

Gegenüber  der  vorletzten  4.  Aufl.,  die  erst  vor  l'/z  Jahren 
erschien,  haben  ilie  Arzneimittel  eine  etwas  grössere  Berück- 
sichtigung gefunden.  In  einem  Anhange  sind  die  Beschlüsse  der 
Genfer  internationalen  Conferenz  zur  Reform  der  chemischen 
Nomenklatur  enthalten.  Auch  sonst  finden  sich  überall  Ver- 
besserungen, und  in  jeder  Beziehung  sind  die  neuesten  Errungen- 
schaften berücksichtigt. 


Mach's  Grundriss  der  Physik  für  die  höheren  Schulen  des 
Deutschen  Reiches  bearbeitet  von  l)r.  Feril.  H.irburdt  lunl 
Max  Fischer.  I.  Theil.  Vorbereitender  Lehrgang.  Au.sgabe 
für  das  Gymnasium.  Mit  3(l6  Abbildungen.  G.  Frevtag. 
Leipzig  1893.  —  Preis  geb.  2  Mk. 

Der  vorliegende  (irundriss  ist  eine  Bearbeitung  des  vorzüg- 
lichen „Grundriss  der  Naturlehre"  Mach's  im  Anschluss  an  die 
Lehrpläno  für  die  höheren  Schulen  des  Deutschen  Reichs  und 
unter  Berücksichtigung  der  preussischen  Lehrpläne  von  1891.  Der 
Grundriss  ist  wohl  der  beste,  den  Referent  kennt.  Nach  Mach's 
Vorgang  werden  durchaus  und  wir  möchten  sagen  einzig  richtig 
erst  die  Erscheinungen,  ilann  das  Gesetz  bespi-ochen.  „Theorien 
und  Hypothesen  kommen  erst  dann  zur  Sprache,  wenn  ein  Be- 
dürfniss  für  dieselben  fühlbar  wird." 


Hans  Januschke,  Der  Aetherdruck  als  einheitliche  Naturkraft. 

(Beilage  zum  XX    Jahresbericht    d.    k.  k.  Staats-Gberrealschule 

in  Teschen.)     Teschen. 

Der  Verfasser  sucht  in  der  vorliegenden  Schrift  einen  Bei- 
trag zur  Lehre  von  der  Einheit  der  Naturkräfte  zu  geben.  Die 
Grundannahmen,  von  denen  er  ausgeht,  sind  eine  Verallgemeine- 
rung der  MaxweH'schen  Theorie  der  elektrischen  Verschiebung. 
Die  Aetheratome  und  die  Körperatome  werden  als  cartesische 
Aetherwirbel  von  verschiedener  Grösse  angenommen,  deren  Centri- 
fugalkraft  die  Elasticität  entwickelt.  Kräfte  werden  durch  Aether- 
verschiebungen  geweckt.  Die  kinetische  Energie  hat  als  Träger 
die  Körpermasse,  die  potentielle  den  Aether.  Die  Schwerkraft 
wird  durch  eine  bei  der  Bildung  der  Körper  entstandene  Aether- 
verschiebung  erklärt,  ähnlich  wie  eine  solche  auch  durch  elek- 
trische Ladung  eines  Körpers  bewirkt  werde.  Alle  Gesetz«  der 
Physik  sucht  der  Verfasser  aus  diesen  Grundanschauunuen  liiM-aus 
durch  mathemathische  Entwickelungen  abzuleiten.  Trotz  der 
strengen  Darstellung  seiner  Gedankenreihen  bleiben  aber  doch 
einem  Neuling  gar  viele  Vorstellungen  des  Autors  unklar  und  es 
wird  durch  die  Kürze  der  erläuternden  Auseinandersetzungen  die 
Bildung  eines  Urtheils  über  die  Zulässigkeit  der  geistvollen  Hypo- 
thesen erheblich  erschwert.  F.  Kbr. 


Joöl,  Privatdoc.  Dr.  Karl,    Die  Zukunft  der  Philosophie.     Basel. 

0,80  M. 
Krümmel,   Prof.  Dr.  Otto,    Geophysikalische'   Beobachtungen    der 

l'lankt(in-Ex])eilifif)n.     10  M. 
Luerssen,    Prof.    Dr.    Chr.,     Grundziigi'    der    Botanik       .'i.    .VuH. 

S  M. 
Schiflfner,    Dr.  "Vict.,    Ueber    exotische    llepalicae,    liauptsä(ddich 

aus  Java,  Auiboina  und   Brasilien.     Halle  a.  S.     ].j  M. 
Sieger,  Dr.  Rob.,  Po.sfglaciale  Uferlinien  d'  s  Bodensees     Lindau. 

11,80  M. 
Simony,  Ho&.  eni.  Prof.  Dr.  Frdr.,   Das  Daclistein^-ebii't.     Wien. 

14  M. 


B  e  r  i  c  h  t  i  [j  II 11  (j. 


In  No.  34  muss  es  auf  Seite  oiW  (^^■il|lelnl  Womit,  Ethik. 
Erster  Abschnitt,  letzte  Zeile)  statt  Militarismus  —  U  til  i  tar  ism  us 
heissen. 


Inhalt 


llt:  Zur  Physiologie  der  Fortpflanzung  von  A'aucheria  sessilis.  —  C'aniille  Dareste:  Experimi'Utal-Teratogenie.  —  Die  Un- 
gleichzeitigkeit  in  der  Erscheinung  des  Geschlechtes  bei  Schmetterlingen,  —  Ueber  dini  fossilen  Schlaugen-Üiftzalin.  —  Ueber 
Giftstoffe  der  Flechten.  —  Nachweis  von  Paraffin  und  Schmieröl  in  dem  Druckdestillat  des  Fischthrans.  —  Ueber  das  neue 
Quecksilberthermometer  für  Temperaturen  bis  550°  C.  —  Ueber  einige  Anilide  und  Toluide,  welche  in  zwei  Modificationen 
auftreten.  —  Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben.  -  Litteratur:  Prof.  August  Weismann:  Das  Keimplasma.  Kine  Theorie 
der  Vererbung.  —  A.  B.  Frank:  Lehrbuch  der  Botanik.  —  Prof.  Eduard  Strasburger:  Histologische  Beiträge.  — 
Hippolyt  Haas:  Aus  der  Sturm-  und  Drangperiode  der  Erde.  —  Prof.  Dr.  Carl  Arnold:  Repetitorium  der  Chemie.  - 
Mach  s  Grundriss  der  Physik  für  die  höheren  Schulen  des  Deutschen  Reiches.  —  Hans  Januschke:  Der  Aetherdruck  als 
einheitliche  Naturkraft.  —  Berichtigung. 


392 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  3ß. 


Dr.  F.^Krantz, 

Rheinisclies   Mineralien- Contor. 

Verlag  geognostlscher  Reliefkarten. 
Geschaftsgrüiulung  ISICi.   BoPll    ü.  Rh.    lieschäftgrüiulung  183J. 
In  meineüi  Verlage  sind  erscliienen ; 

1.  Geognostische  Reliefkarte  der  Umgegend  von  Coblenz 

auf  «rundlage  des  Messtischblattes   der  topographisclien   Landesaulnalime 

nnd  geognostiscben  üearbeituni?  von  E.  Kayser;  modellirt  von  Ur.  Fr.  Vogel 

Maassstab    1  :  i'5,i-iuu    (vierfaehe    Ueberhcihiing.)     In    elegantem    schwarzen 

Ilolzrahmen  M.  45.  —  . 

2.  Geognostische  Reliefkarte  des  Harzgebirges 

auf  firnndlage  der  .\nliagen'schen  topographischen  Karte  inid  der  geo- 
gnostischen  Uebersichtskarte  von  K.  A.  I.ossen;  modelUrt  von  Dr.  K.  Bnsi. 
Maassstab  1:  Kiu.oOn  (.achtfache  Ueberhohung.)    In  eleg.  Holzrahmen  M.  IbO.—. 

3   Gegnostisctae  Reliefkarte  vom  Kaiserstuhl  i./B. 

auf  (inindlaae  der  topographischen  Landesaulnahme  und  der  geognostischen 
Karte  von   A.Knop  (Leipzig  Ts^2:;    modellirt   von   Dr.   Fr.    Vogel.     Maass- 
"'">>    1:25  DUO   (vierfache    Ueberhöhung.)     In    elegantem    schwarzen   Holz- 
'  rahmen  M.  TtO.  — . 


Stab 


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Verantwortlicher  Redakteur:  I.  V.  Dr.  F.  Kaunhowen,  Berlin  N.  4.,  Invalidenstr.  44,  für  drn    Inserat enthe^l:    Hugo  Bernstein  in  Berlin. 
Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12.  —  Druck:  ü.  Bernstein,  Berlin  bW.  1^ 


/^^-  ^-^  Redaktion:  (         Dr.  H.  Potonie. 

Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12,  Zimmerstr.  94. 


VIII.  Band. 


Sonntag,  den  10.  »September  1893. 


Nr.  37. 


Abonnement :  Man  abonnirt  bei  allen  liuchhantllungeu  und  Post- 
anstalten,  wie  bei  der  Expedition.    Der  Vierteljahrspreis  ist  M  4.— 
Bringegeld  bei  der  Post  l.i  4  extra. 


ij-  Inserate:  Die  viergespalteue  Petitzeile  40  .A.    Grössere  Aufträge  ent- 

sprechenden Rabatt.  Beilagen  nach  Uebereinkunft.  Inseratenannahme 
bei  allen  Annoncenbiu*eaux,  wie  bei  der  Expedition. 


Abdruck  ist  nnr  mit  vollstän«li|»;er  Quellenangabe  gestattet. 


Neuere  Untersuchungen  über  das  diluviale  Torflager  bei  Klinge  unweit  Kottbus. 

Nacli    den    Verüffeutlkliungcn    von   IL  Creduer,    K.  Keilliack,    A.  Nohriug,    IL  Potuuie, 
F.  Wahnschaffe,    C.  A.  Wclier   und  A.  Weberbauer. 


Im  Anscilluss  an  die  in  der  „Naturwissenschaftliclien 
Wochenschrift"  ül)cr  das  von  Prot".  A.  Nehring'  verdienst- 
lich der  Wissenschaft  ersclilossene  ililuviale  Klinger  Torf- 
lager erschienenen  Mittheilungen*)  soll  im  Nachstehenden 


über    die 


tersuchung-en 
richtet 
In 
Sitzung- 
sehen 
scheu 
Schaft 
1892 

Keilhack 
Grund    einer 


neueren 
be- 
werden. 
der  Mai- 
der deut- 
geologi- 
Gesell- 
im  Jahre 
K. 
auf 
in 


diesen    Gegenstand    betreffenden    Un- 


von  nordischem  Geschiebesand  überlagert  wird. 
Während  das  diluviale  Alter  der  Sehichteiifolge  nicht  zu 
bezweifeln  ist,  hält  es  Keilhack  bei  dem  Mangel  an  Grund- 
moränen  vor  der  Hand  für  unentschieden,  ob  das  Torf- 
lager den  interglacialeu  oder  den  altdiluvialen  Schichten 

zuzurechnen  ist. 
Die  von  A.  Neh- 
ring hieran  ge- 
knüpften Bemer- 


Deoksand 


gab 


kuiigen  enthalten 

eine 

fassung 


Gemeinschaft  mit 
H.  S  c  h  r  ö  d  c  r 
ausgeführten  Be- 
siehtiguiigeine  ta- 
bellarische Ueber- 
sicht  der  Klinger 
Schichten, welche 
in  den  beiden 
der  Eisenbahn 
zunächst  gelege- 
nen Gruben  auf- 
geschlossen sind. 

Ausser  der  Neuauffindung  eines  Süsswasserkalkbänkchens 
mit  Fischschuppen,  Valvatcndeckeln  und  Cliaia- Oosporen 
im  Liegenden  des  Lebertorfes  (Nehring's  Schicht  7)  wurde 
festgestellt,  dass  der  dortige  Schichtencomplex  von  dilu- 
vialem grandigen  Sand    mit  Feldspath  unterteuft  und 


Figur  1. 


*)  Bd.  VII,  S.  31,  234,  451,  5-20. 


Zusammen- 
der  von 
ihm  bereits  in  der 
„Nat.  Wochen- 
schrift" und  in 
den  Sitzungsbe- 
richten derGesell- 
schaft  naturfor- 
sch enderFreuude 
zu  Berlin  ver- 
öffentlichten Re- 
sultate. 

Das  diese  Mit- 
tlieilungen  ent- 
haltende Heft  der 
Zeitschrift  der 
deutschen  geolo- 
gischen Gesellschaft  war  noch  nicht  erschienen,  als 
II.  Grediicr  den  Klinger  Thongruhen  einen  zweitägigen 
Besuch  abstattete  und  die  Ergebnisse  desselben  für  die 
Berichte  der  math.-phys.  Classe  der  Königl.  Sachs.  Gesell- 
schaft der  Wissenschaften  1892  niederschrieb.  Von  der 
Ansicht  ausgehend,  dass  die  in  jenen  Schichten  vor- 
baudencu    organischen    Reste    untauglich    seien,    um    die 


Unterer 
Thunmergel 


394 


Natuvwissenschaftlicbe  Wochensclirift. 


Nr.  37 


Frage  zu  entscbeideu,  ob  sie  und  die  sie  bergenden 
Lagerstätten  der  präglacialeu  oder  einer  interglacialen 
Zeit  entstammten,  versnobte  er  eine  Altersbestimmung 
auf  stratigrapbisebem  Wege  unter  Berüciisicbtigung  der 
Lagerungs-  und  Verbandsverbältnisse  anszufübren.  An 
der  Hand  des  beigefügten,  von  Hrn.  Creduer  uns  gütigst 
zur  Verfügung  gestellten  Protiics  Fig.  1  aus  dem  südlieben 
Tbeile  der  Sebulz'scben  Tbongrube  suebte  er  naebzu- 
weisen,  dass  die  von  den  .Steilwänden  in  terrassen- 
förmigem Abbau  angeschnittenen  Diluvialscdiiebten  vom 
rein  geologiscben  Standpunkte  aus  in  zwei  Stufen  zer- 
fallen, von  denen  die  untere  drei  Horizonte  entbält. 

Untere  Stufe  (Klinger  Sebicbten): 

u.  th.  =  unterer  Tbonmergel;  t  =^  Torfflötz,  zu  uutcrst 
Lebertorf;  o.  <A.  ^  oberer  Tbonmergel,  zu  unterst  mit 
dünnen  Lagen  von  Torf,  im  nördlieben  Tbeile  des  Tage- 
baues zu  Oberst  mit  einer  wolkig  begrenzten  hnmosen  bis 
torfigen  Einlagerung. 


Obere  Stufe: 


Unterlage 


diseordant    alj- 


(h.  =  Deeksand.  Seine 
schneidend.  Sowohl  der 
Decksand  als  auch  der 
im  Liegenden  auftretende 
Grand  f/r.  enthalten  nor- 
disches und  einbeimisches, 
von  Süden  her  staunnen- 
des  Material.  Creduer 
wendet  sich  zunächst 
gegen  die  Nehriug'sche 
Auffassung,  dass  der  von 
jenem  als  „Geschiebe- 
sand" bezeichnete  Deck- 
sand, als  ein  Prodnct  der 
Schmelzwasser  der  letzten 
Eiszeit  zu  betrachten  sei. 
Gegen  diese  Thatsache 
scheint  ihm  der  Umstand 
zu     sprechen,     dass    der 

Decksaud  aus  weiter  Entfernung  stammende  südliche  Ge- 
schiebe führt.  Ferner  hat  das  Vorkommen  von  Drei- 
kantern in  demselben  keinerlei  Beweiskraft  für  die  Zuge- 


Figur  2. 


Profil  in  dem  zur  neuen  Dominial-Tliongrube  bei  Klinge  hinabführenden  Einschnitt. 
gr  =  saudiger  Grand,  local  mit  Nestern  von  grobem,  kiesigen  (Jrand;  th  =  Thon- 
mergel,  ds  =  Decksand,  stellenweise  mit  kiesiger  Steinsohle,  Seh  =  Schienengelelse. 


biliscbe  Massen  anhäuften  und  Trübtheile  der  Hochwasser 
absetzten. 

Da  die  Ausbreitung  des  Decksandes,  welcher  den 
Grand  und  die  mit  ihm  in  Wechsellagerung  stehenden 
Klinger  Schichten  diseordant  überlagert,  nach  Credner's 
Ansicht  sich  nicht  durch  einen  zweiten  Verstoss  des  Inland- 
eises erklären  lässt,  so  bietet  sicli  nach  ihm  kein  Anhalts- 
punkt, um  auf  stratigrai)bisclicni  Wege  die  interglaciale 
Stellung  des  dortigen  Torflagers  beweisen  zu  kiiunen. 

In  den  Bemerkungen,  welche  A.  Ne bring  zu  der 
Credner'scben  Arbeit  in  der  Sitzung  der  Gesellschaft 
naturforschender  Freunde  am  15.  November  1892  machte, 
gab  er  zunächst  eine  Definition  der  von  Creduer  nicht  im 
üblichen  Sinne  gebrauchten  Begriffe  „interglacial"  und 
„postglacial",  die  auf  solche  Ablagerungen  anzuwenden 
sind,  welche  einerseits  während  der  Interglacialzeit,  an- 
dererseits nach  der  zweiten  Eiszeit  Mitteleuropas  ent- 
standen sind.  Sodann  trat  Nehriug  der  Credner'scben 
Ansicht  entgegen,  dass  das  untere  Torfflötz  zusammeu- 
gescbüemmt  worden  sei.  Seiner  Auffassung  nacii  ist  es 
ein  primäres  Torflager. 

In  völliger  Uebereinstiramung  mit  den  Nehring'schen 

Ausführungen  befinden 
sich  die  Mittheilungen, 
welche  F.W  a  h  n  s  c  h  a f f e 
auf  Grund  einer  Besichti- 
gung der  Aufschlüsse  in 
der  Sitzung  der  genannten 
Gesellschaft  am  20.  De- 
cember  vortrug.  Für  die 
primäre  Beschaffenheit 
des  unteren  Torfflölzes 
scheinen  ihm  folgende 
Umstände  zu  sprechen: 
1.  Das  untere  Torf- 
flötz stellt  sowohl  in 
seinem     oberen. 


'IW 


hörigkeit    zu 


irgend 


einem    Formationse-liede ,    sondern 


bekundet  uns  die  Thatsache,  dass  die  betreifenden  Ge- 
schiebe längere  Zeit  hindurcli  äoliscber  Einwirkung  aus- 
gesetzt gewesen  sind.  Die  wellenförmigen  Lagerungs- 
verhältnisse des  unteren  Tbones  und  des  Torfflötzcs  sind 
nicht,  wie  Nehring  verniutbet,  durch  den  Druck  des  sieb 
vorschiebenden  Binnenland-Eises  der  zweiten  Eiszeit  ver- 
ursacht worden,  sondern  werden  einfach  durch  die  Con- 
figuration  des  Untergrundes  Ijedingt. 

Auf  Grund  der  Beobachtungen,  w^elcbe  Credner  in 
der  etwas  weiter  östlich  gelegenen  neuen  Dominial-Tlion- 
grube angestellt  bat,  aus  welcher  das  nebenstehende  Profil 
(Figur  2)  abgebildet  wurde,  folgert  er,  dass  die  Klinger 
Schichten  durch  auskeilende  Wechsellagerung  mit  den 
fluviatileu  Diluvialsanden  und  -granden  in  engster  Ver- 
knüpfung stehen  und  deshalb  mit  dem  obersten  Horizonte 
derselben  gleicbalterig  sein  müssen.  Diese  Grande  der 
Hochfläche  zwischen  Spree  und  Neisse  bei  Kottbus  stellen 
nach  ihm  wabrscbeinHch  die  nördliche  Fortsetzung  der 
Lausitzer    Eandfaeies 


Altdiluviums 


und    sollen 


des  Aitcliluviums  vor 
demnach  dem  durch  fluviatile  Beisteuer  und  Umlagerung 
modificirten  Abschmelzfelde  der  ersten  und  ausgedehn- 
testen Eisinvasion  Norddeutscblands  angehören.  Die  in 
langgestreckten  schmalen  Mulden  vorkommenden  Klinger 
Schichten  werden  als  versumpfte  Flussarme  anfgefasst,  in 
denen    sich    durch    Strömungen    angeschwemmte    vegeta- 


koblig- 
torfigen,  als  auch  in 
seinemunteren,  aus  Leber- 
tort bestehenden  Tbeile 
eine  in  den  verschiedensten  Niveaux  vollkommen  gleich- 
massig  entwickelte  Schicht  dar,  welche  keine  Spuren 
von  grandigen,  sandigen  oder  thonigen  Zwischenlagerungen 
entbält,  was  man  doch  erwarten  sollte,  falls  die  Fragmente 
von  Holzgcwäcbsen  hier  durch  strömendes  Wasser  zu- 
sammengeschwemmt  wären. 

2.  In  dem  obersten  Theile  dieses  Torfflötzes  sab  er 
einen  senkrecht  stehenden  Baumstu  mpf  mit  deutlich 
entwickelter  Pfahlwurzel  und  gut  erhaltenen  Nebenwurzeln, 
von  einem  Baume  herrührend,  der  oflenbar  an  dieser 
Stelle  auf  dem  Moor  gewachsen  sein  muss.  Es  stimmt  diese 
Beobachtung  mit  den  Aussagen  des  Herrn  Ziegelmeisters 
Kayser  überein,  der  häufig  derartige  aufrecht  stehende 
Baumstümpfe  gesehen  bat. 

3.  Der  Erhaltungszustand  der  im  Torf  vorkommen- 
den Blätter,  Früchte  und  Holztheile  ist,  wie  auch  Nebring 
mehrfach  hervorgehoben  hat,  ein  so  vortreft  lieber,  dass  an 
einen  meilenwciten  Transport  derselben  in  strömendem 
Wasser  nicht  gedacht  werden  kann. 

Es  finden  sich  im  Hangenden  des  oberen  Thonflötzes 
aus  nordischem  und  südlichem  Material  bestehende  Sande, 
die  zum  Decksand  gerechnet  werden  müssen,  und  wenn 
ihre  Gescbieliefübrung  auch  gerade  innerhalb  des  Gruben- 
gebietes nur  unbedeutend  ist,  so  siebt  man  doch  in  nächster 
Nachbarschaft  auf  den  Feldern  und  in  dem  Kiefernwäld- 
ehen westlich  von  der  Sebulz'scben  Grube  eine  grosse 
Zahl  nordischer  Blöcke.  Sie  sind  entweder  der  Rückstand 
eines  durch  strömendes  Wasser  aufbereiteten,  durch  das 
Inlandeis  abgelagerten   Gescbiebemergels,    oder    sie    sind 


Nr.  37. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


395 


von  dem  etwas  weiter  nördlicii  liegenden  Inlandeisrande 
der  zweiten  Kiszeit  durch  Drift  auf  Eishlöcken  dorthin 
getragen  worden.  Für  die  letztere  Annahme  scheint  der 
Umstand  zu  sprechen,  dass  unter  dem  zum  Tlieil  ge- 
schichteten Decksandc  in  den  obersten  Partien  des  oberen 
Thonfliitzes,  sowie  auch  des  unteren  Tortflötzes,  wo  das- 
selbe, wie  am  südlichen  Eingange  in  die  Schulz'sche  Grube, 
nahe  an  die  Obcrfliiche  tritt  und  unmittelbar  vom  Deck- 
sandc überlagert  wird,  eigenthümliche  Htauchungen  der 
Schichten  sich  linden,  die  völlig  der  „concorted  drift"  ent- 
sprechen und  auf  die  Wirkung  aufrenuender  oder  am 
Boden  schleifender  Eisblöeke  zurückgeführt  worden  sind. 
Auch  H.  l'otonic  glaubt  sich  und  zwar  auf  Grunil 
der  Florula,  die  sich  bisher  in  dem  (unteren)  TorfH(itz 
gefunden  hat,  und  deren  verhältnissmässig  gute  Erhaltung 
er  ebenfalls  an  ( )rt  und  Stelle 
constatiren  konnte*),  auf  die 
Wahn- 
müssen. 
Sitzung 
irschen- 


Uni  dem  Leser  während  des  Studiums  der  Potonie- 
schen  Beschreibung  sofort  eine  betpieme  Vergleiehung  mit 
den  Diagnosen  Nehring's  und  Zenker 's  zu  ermöglichen, 
giebt  er  die  auf  (4ruud  seiner  Ansichten  und  Untersuchung 
über  die  Organe  und  Organtheile  der  beiden  Folliculites- 
Arten  angewendeten  Termini  —  soweit  sie  von  denen  der 
beiden  genannten  Autoren  abweichen  —  mit  Beifügung 
der  Termini  Nehring's  (N.)  und  Zenker's  (Z.)  in  der  fol- 
genden Weise: 

1.  Exocarp  (von  N.  und  Z.  nicht  constatirt). 

2.  Endocarp    (Iniichtsehale  N.  —  Hüllenparenchym, 
Cortex,  Epicarpium  Z.  — ). 

3.  Aussentiäche    des    Endocarps    (Aussenfläche    der 
N.  —    Aeusserste    Haut,    Überhaut, 


Fruclnsehale 
Epidermis  Z, 


-)• 


Seite    Nehring's     und 
schaffe's     stellen     zu 
In  der   letztgenannten 
der  Gesellschaft  iinturfi 


der  Freunde  vom  20.  Dezember 
1892  machte  er  niunlich  darauf 
aufmerksam,  dass  die  von 
Nehring  in  der  „Naturwissen- 
schaftlichen Wochenschr.-'  VII, 
S.  454  u.  456  abgebildeten 
und  als  Paradoxocarpus  cari- 
uatus  bezeichneten  eigenthüm- 
lichen  „wurstförmigen"  Früchte 
zu  einer  schon  von  Zenker  1833 
b  eschricl)enen  m  i  1 1  e  1 1  e  r  t  i  - 
ären,  wohl  ausgesttu'benen 
Gattung  gehören:  zu  Folli- 
culites. 

Da  die  erste  ausführliche 
Beschreibung  des  wichtigen 
diluvialen  Fossils  1.  e.  in  der 
„Naturw.  Wochenschrift"  er- 
schienen ist,  wollen  wir  als 
Ergänzung  dieser  Beschreibung 
hier  näher  auf  die  Untersuch- 
ungen  Potouie's  eingehen. 

P.  giebt  zunächst  eine  Be- 
schreibung der  Reste  der  Zen- 
ker'schen,  Art  des  Folliculitcs 
Kalteunordheimensis  —  ti  u.  10 
in  Fig.  3  — ,  die  ersterer  u.  A. 
von  einer  Anzahl  mitteltertiärer 
Fundinnikte    zwischen    der    Rhön 

und  dem  Fichtelgebirge,  unter  diesen  auch  von  dem  Fund- 
punkt Kalten-Nordhcim  Itei  Meiningen  und  von  mehreren 
Tertiär-Fundorten  der  Wetterau  untersucht  hat.  Man  er- 
sieht aus  dieser  Beschreibung,  dass  zwischen  den  Resten 
des  Paradoxocarpus  und  des  Folliculites  eine  noch  weit 
grössere  üebereinstimmung  herrseht ,  als  sie  aus  den 
Diagnosen  Nehring's  und  Zenker's  hervorgeht.  Es  ergiebt 
sieh,  dass  der  Paradoxocarpus  carinatus  eine  Folliculites- Art 
ist,  die  zwar  ausserordentlich  hohe  Verwandtschaft  mit  dem 
Folliculites  Kaltennordheimensis  besitzt,  aber  als  besondere 
Art,  also  als  Folliculites  carinatus  bestehen  bleiben  muss. 

Eine  einigermaassen  den  Botaniker  befriedigende  aus- 
reichende Besehreibung  und  eingehendere  Untersuchung 
des  Folliculites  Kaltennordheimensis  ist  trotz  der 


eai' 


call 


Figur  3. 

1— .5  Folliculites  carinatus  (Nehring)  Potonle.  —  1  Vier  Früchte 
resti.  rutaniina  iji  natürlicher  Grösse,  2—.')  in  ,,  2  u.  3  von  der  S'jite  kg- 
seht-n,  4  die  klatleude  CVarina  nach  vorn  gezeichnet,  5  das  Innere  einer 
Putanien  -  Hälfte.  —  (i— lu  Follicnlites  Kaltennordheimensis 
Zenker.  —  i;  Vier  Früchte  rcsp.  Pntauiina  in  natürl.  Gr.,  7  n.  S  von  der 
Seite,  it  die  klaffende  Carina  nach  vorn  gezeichnet,  lo  das  Innere  einer 
Piitamen  Hälfte.  In  allen  Figuren  hedeuteu  ex  =  E.xocarp,  «b  =  En- 
docarp, /  —  Leiste,  Carina,  can  —  Caual  des  Pntamens,  n  —  Narbe  am 
proximalen  Ende  des  Putamens,  (  =  Testa,  car  =  Caruncula. 


dem    Thüringer   Wald 


keit   des  Fossils    in   der 
Weise  nicht  zu  finden. 


'•anzen  Litteratur 


Häufig- 
raerkwürdiger 


*)  Er  hat  dort  im 
Abtheilung  der  Köiiigl. 
sammliim^en  fremaeht 


Interesse    der   pflanzenpalaeontologisclien 
Preuss.    geologischen  Landesanstalt  Auf- 


4.  Testa,  Sanienhaut 
([dünnhäutiger  resp.  häutiger] 
Sack  oder  Säckehen,  Samen- 
schale N.  —  [Zarte,  durch- 
scheinende] Membran,  Sanien- 
decke,    Arillus  Z.  — ). 

5.  Caruncula  (Hütchen  N. 
—  Von  Z.  nicht  constatirt  resp. 
übersehen). 

Folliculites  Kalteunordhei- 
mensis ist  wahrscheinlich  eine 
Frucht  und  kein  Früchtchen. 
Die  Länge  der  Früchte  beträgt 
im  Durchschnitt  gegen  8  mm 
oder  etwas  darüber  oder  dar- 
unter, die  Breite  gegen  4  mm 
oder  etwas  mehr  oder  weniger; 
ihre  Gestalt  ist  im  Ganzen 
ellipsoidigch-eiförmig  bis  cylin- 
drisch,  jedoch  nicht  vollkonimeu 
sticlrund,  sondern  schwach  zu- 
sammengedrückt. 

Die  Fruehtwandung,  das 
Pericarp,  sondert  sich  in 
zwei  Schichten,  in  eine  äussere, 
wie  es  scheint  mehr  lederige, 
die  P.  als  Exocarp,  und  in 
eine  innere  holzfeste,  aus 
Sklerenchym  bestehende,  die 
P.  als  Endocarp  aufführt. 
Die  Frucht  ist  daher  als 
eine  Drupa,  Steinfrucht,  zu 
bezeichnen. 

Die  Epidermis  des  Exo- 
carps  ist  schwach  glänzend  und  glatt;  jedoch  sieht  man 
die  Aussenfläche  des  Exocarjis  an  manchen  Exemplaren, 
die  dasselbe  noch  in  voller  Integrität  besitzen,  von  starken, 
unregelmässigen  Längsfurcheu  durchzogen,  die  aber  ver- 
muthlieh  durch  nachträgliche  Schrumpfung  zu  Staude 
gekommen  sind. 

Der  Steinkern,  das  Putamen,  der  Frucht  ist  gerade, 
seltener  mehr  oder  weniger  sichelförmig  gekrümmt,  die 
Gestalt  ist  dieselbe  wie  die  der  ganzen  Frucht:  sie  neigt 
zur  cylindrischen.  Der  Querschnitt  ist  gewöhnlich  mehr 
elliptisch  als  krcisf(irmig.  Die  eine  der  beiden  von  der 
grossen  Ellipsen-Achse  getroffeneu  Längslinieu  des  Endo- 
carps, und  zwar,  wenn  der  Steinkern  gekrümmt  ist,  meist 


die  convex  gebogene  Linie,  tritt  mehr  oder  minder  deut- 
lich gekielt,  leistcnftirmig-verschniälcrt,  als  Carina  hervor, 
zuweilen  förmlicli  eine  Schneide  bildend;  hier  ist  das 
Länge  nach  aufgesprungen;  zuweilen 
in  2  Klappen  auseinander.  In  manchen 
also   auch  das  Endocarp    an    der    der 


Endocarp   oft   der 
fällt  es  vollständiü- 


Fällen 
Leiste 


zeigt 


sich 


gegenüberliegenden 


Längslinie 


aufklaft'end,     in 


396 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  37. 


noch  anderen  endlich  sind  die  beiden  Endocarp-Hälften 
vollständig  von  einander  g-etrenut.  Das  Endocarp  ist  unter- 
halb der  Carina  —  genau  wie  oft  bei  recentcn  Drupen 
an  der  homologen  Stelle  auch  —  wescntlicli  dickwandiger 
als  unter  der  der  Carina  gegenüber  befindlichen  Längs- 
linie und  wird  parallel  der  äussersteu  Kante  der  Carina 
von  einem  feineu  Canal  durchzogen,  in  welchem  sicher- 
lich, entsprechend  den  Verhältnissen  bei  den  reeenten 
Steinkernen  der  Drupen  —  Fig.  4  —  ein  Leitbündcl  ver- 
lief, und  zwar  war  in  den  untersuchten  Fällen  der  Zwischen- 
raum zwischen  der  Aussentläche  des  Putanicns  und  dem 
Canal  geringer,  als  der  Zwischenraum  zwischen  dem  Canal 
und  der  Innenfläche  des  l'utamens.  Der  Canal  beginnt 
an  der  Narbe,  also  am  proximalen  Pol,  und  mündet  am 
distalen  Pol  in  das  Innere  des  Endocar])S-,  natürlich  ist 
die  Mündungsstelle  in  das  Innere  die  Stelle,  wo  der  Samen 
angesessen  hat,  also  ist  hier  die  Placenta  zu  suchen. 
Meist  erscheint  die  erhaltene  Testa  mitsammt  der  Carun- 
cula  etwas  in  den  Hohlraum  des  Putamens  hinabgerückt. 
In  manchen  Fällen  kann  man  aber  noch  das  Ansitzen 
der  Caruncula  au  der  inneren  Einmündungs- 
stelle  des  Leitbüudel  -  Canais  eonstatiren. 
Der  in  Rede  stehende  Canal  markirt 
sich  an  der  homologen  Stelle  bei  recentcn 
Drupen  ebenfalls  deutlich  und  auffällig 
(z.  B.  bei  der  Pflaume,  dem  Pfirsich  u.  s.  w.). 
Der  dem  distalen  Ende  entsprechende 
Pol  ist  abgerundet,  der  proximale  Pul  an 
der  Ausgangsstelle  des  die  Putauienwandung 
durchziehenden  Leitbündelcanals  nar])en- 
förmig-rauh  gestaltet,  genau  ebenso  wie 
an  der  homologen  Stelle  der  recentcn 
Putamina,  wo  die  Ansatzstelle  des  Frucht- 
stieles wie  eine  echte  Blattnarbe  erscheint. 
Die  Aussentläche  des  Endocarps  ist  mit 
gewöhnlich  deutlichen,  stärkeren  punkt-  oder 
kurz-strichförmigen ,  unregelmässigen  Er- 
habenheiten besetzt,  die  im  (»anzen  in  Läugs- 
zeilen  stehend,  den  Steinkern  als  mit  Läugs- 
runzeln  und  Grübchen  verschen  erscheinen 
lassen,  ebenso  wie  bei  reeenten  Steinkernen, 
fläche  des  Endocarps  ist  glatt  und  glänzend. 

Von  dem  Samen  ist  nur  die  begreiflicher  Weise  meist 
etwas  versehrumpfte  hellglänzende,  durchscheinende  Testa 
und  am  „distalen-'  Pol  derselben  —  in  manchen  Fällen 
ausserordentlich  deutlich  —  das  „schwarze  Hütchen"  Neh- 
ring's  übrig  geblieben. 

Die  Testa,  oder  besser  das,  was  von  der  Samenhaut 
übrig  geblieben  ist,  wird  aus  einer  einzigen  Lage  dünn- 
wandiger, gestreckt-parenchymatischer  Zellen  zusammen- 
gesetzt, deren  Wandungen  sich  oft  corrodirt  zeigen,  so 
dass  sie  ein  perlschnurartiges  Aussehen  haben.  Stellen- 
weise sind  die  senkrecht  auf  der  Ansscuflächc  stehenden 
Wandungen  ganz  verschwunden,  und  dann  sieht  man  nur 
eine  homogene  gelblich -braune  Fläche:  die  erhaltene 
Cuticula  des  Samens.  Mit  der  Franz  Schulze'schen  Ma- 
cerationsflüssigkcit  behandelt,  also  mit  chlorsaurem  Kalium 
in  Salpetersäure,  schwinden  auch  noch  die  letzten  ßeste 
der  corrodirten  Memljrauen,  und  es  bleibt  nur  die  Samen- 
Cuticula  übrig. 

Das  „Hütchen"  hat  etwa  die  Gestalt  einer  plau-con- 
vexen  Linse  oder  besser  eines 
hutes,    es    sitzt    ausserhalb    der 
und  gar    der    unter 


des 
das 
den 


eaiv 


Figur  4. 

Die  eine  Läugs-Hälfte  des  Stcin- 
kenies  vom  Pfirsich  (Prunus 
Persica  (L)  Sieb  et  Zuce.)  in  ]• 
71  =  iiarben förmige  Stelle  am 
proximalen  Ende,  can  =  der 
durch  das  Endocarp  an  der 
Leisteuseite  {l)  verlaufende  ein 
Leitbündel  enthaltende  Canal. 


Die  Innen- 


Gestalt  ganz 


sehr  dickwandigen  Tiroler- 
glei cht 


Testa, 
dem  Namen 


in   der 
Caruncula 
bekannten  Wucherung  mancher   Samen  unserer  reeenten 
Pflanzen  —  so  zeigen  eine  ganze  Anzahl  Euphorbiaceen- 
Samen    und    die    Samen    von    Melampyrnm    die    Carun- 


cula    von    derselben    Gestalt    wie     das 
Folliculites    — ,    und    so     ist    denn    die 


„Hütchen"     von 


Deutung 


dieses 


Hütchens    bei    Folliculites    als    Caruncula    fast    selbstver- 
ständlich. 

P.  hat  die  Caruncula  bei  einigen  einheimischen  Eu- 
phorbia-Arten  untersucht  und  findet  sie  gebildet  aus  einem 
interstitienlosen,  kleinzellig-parenchymatischen,  mehr  oder 
minder  dickwandigen  bis  coilenchymatischcn  Gewebe,  das 
in  concentrirter  Schwefelsäure  sich  erst,  aber  nicht  voll- 
ständig, nach  mehreren  Stunden  löst,  während  die  inner- 
halb der  Testa  befindlichen  Gewebepartieu  mit  concentrirter 
Schwefelsäure  lieliandelf,  in  kürzester  Frist  vollständig 
verschwinden.  Wir  dürfen  wohl  daraus  schlicssen,  dass 
sich  eine  solche  Caruncula  vorkommendenfalls  fossil  besser 
erhalten  würde,  als  die  inneren  Bestandtheile  der  Testa, 
und  diese  Erwägung  unterstützt  die  Auffassung  des  „Hüt- 
chens" als  Caruncula,  des  „Säckehens"  als  Testa,  als  Haut 
des  verschwundenen  Embryos  resp.  Endosperms  +  Em- 
bryos, gewiss  nicht  gering. 

P.ehandelt  man  die  Caruncula  des  Folliculites  mit 
Schulze 'scher  Macerations-Flüssigkeit,  so  hellt  sie  sicii  auf 
und  lässt  ein  undeutliches  Gewebe  von  dem  Charakter 
der  von  P.  angesehenen  Carunculae  bei  Eu- 
phorbia erkennen.  Man  gewinnt  u.  a.  die 
Ueberzengung,  dass  das  Kandgewebe 
Caruncula -Hutes  dickwandiger  ist  als 
übrige  Gewebe:  genau  cltenso  wie  an 
untersuchten  reeenten  Carunculis. 

Folliculites  earinatus  —  1  bis  5  in  Fig.  3 
—  gleicht  in  anatomischer  Beziehung  dem 
Folliculites  Kaltennordheimcnsis  ganz  unge- 
mein; so  erscheinen  z.  B.  die  Wände  der 
Testa-Zellen  in  genau  derselben  Weise  cor- 
rodirt wie  bei  Folliculites  Kaltennordhei- 
mcnsis u.  s.  w. 

Folliculites  earinatus  unterscheidet  sich 
von  Folliculites  Kaltennordheimensis  nur 
durch  gewöhnlich  schlankeren  Bau, 
durch  zartere  Oberflächenstractur  des 
dünnwandigeren  Endocarps  und  durch 
ein  nicht  so  deutlich  entwickeltes 
kopfförmiges  Anhängsel  am  proxi- 
wo  sich  oft  nur  eine  rauhe  Stelle  von 
ganz  entsprechend  wie  bei  den 
reeenten  Steinkernen  (der  Amyg- 
daleen,  Drupaceen).  Jedoch  finden  sich  unter  den  Exem- 
plaren des  Folliculites  earinatus  auch  solche,  die  gedrun- 
generen Bau,  eine  etwas  rauhere  Oberflächenbeschafi'enheit 
des  Endocarps  und  deutliche  Anhängsel  am  proximalen 
Pol  zeigen.  Das  Exocarp  scheint  bei  Folliculites  earinatus 
noch  seltener  erhalten  zu  sein  als  bei  Folliculites  Kalteu- 
nordlieimeusis. 

Eine  sichere  Mittelform  zwischen  dem  Folliculites 
Kaltennordheimensis  und  dem  Folliculites  earinatus  bildet 
der  Folliculites  des  (unter -diluvialen)  Cromer  Forest- bed 
in  England. 

Danach  dürfen  wir  wohl  bis  auf  Weiteres  annehmen, 
dass  sich  von  dem  typischen  Folliculites  Kaltennord- 
heimensis aus  dem  Jlitteltertiär  bis  zum  typischen  Folli- 
culites earinatus  die  Mittelformen  in  den  Schichten  zwischen 
den  beiden  genannten  Horizonten  befinden,  dass  der  Folli- 
culites Kaltcnuordlicimensis  einer  Pflanzenart  angehört  hat, 
welche  als  der  directe  Vorfahre  der  Art,  zu  der  der  Folli- 
culites earinatus  gehört,  anzusehen  ist.  Wir  haben  es 
mit  dem  interessanten  Fall  einer  phylogenetischen 
Formenreihe  zu  thun,  aus  der  bis  jetzt  3  Mutatio- 
nen bekannt  geworden  sind. 

Bei  den  vergeblichen  Bemühungen,  welche  die  Be- 
stimmung der  Sternkerne  des  Folliculites  earinatus  vielen 
erfahrenen  Systcinatikern  bisher  gemacht  hat,  denen  eine 
Unterbringung  unter  eine  noch  lebende  Art  oder  Gattung, 


m 


ilen  Pol, 
Narbenform    findet, 
proximalen  Enden   bei 


Nr.  37. 


Natnrwissenscliaftlichc  Wochenschrift. 


397 


ja  sogar  FamiUe  bisher  nicht  gelungen  ist,  ist  es  wohl 
bis  auf  Weiteres  annehmbar,  dass  unsere  Reste  einer  Art 
angeh(iren,  die  zur  Diluvialzeit  ausgestorben  ist.  Da  aber 
das  Vorkounneu  einer  Oaruneula  auf  bestimmte  Gattungen 
beschränkt  ist,  so  giebt  die  Constatirung  dieses  Organes 
bei  der  fossilen  Gattung  Folliculites  einen  Fingerzeig, 
wo  die  ^'crwandtschaft  derselben  zu  suchen  ist. 

'rrotzdeni  das  Kndocarp  der  beiden  Folliculites-Arten 
oft  aufgesprungen  ist,  sind  sie  doch  nicht  als  „Folliculi" 
anzusehen.  Es  sind  Drupen,  cinsamige  Sehliess- Früchte, 
deren  Putamina,  Steinkerne,  sich  der  Regel  nach  erst 
beim  Keimen  lilngs  der  Nähte  öffneten,  oder  auch  dann, 
wenn  sie  überreif  durch  langes  Liegen,  wie  unsere  Fossilien, 
durch  äussere  Agenticn  angegriffen  wurden,  wie  wir  das 
liei   rccenten  Drupen  kennen. 

Da  Folliculites  carinatus  ausgestorben  zu  sein  scheint, 
weist  diese  Art  wegen  ihrer  ungemein  hohen  Verwandt- 
schaft mit  Folliculites  Kaltennordhcimensis  ins  Tertiäre 
und  da  auch  von  der  ausgestorbenen  Gratopleura  helvetica 
Wel)cr  ( vergl.  „Nat.  Wochenschr."  Bd. VII  S.  454  Fig.  6—9) 
des  Klinger  Torfes  bei  ihrer  nahen  Verwandtschaft  ndt 
lloloplcura  Victoria  Caspary,  die  ebenfalls  im  Tertiär 
vorkounnt  —  eine  Verwandtschaft,  die  derartig  ist,  dass 
r.  dieGattungCratopleura  zu  Holopleura  einziehen  möchte  — 
dasselbe  zu  sagen  ist,  so  wird  schon  deshalb  der  Fflanzen- 
))aläontologe  geneigt  sein,  die  K  linger  Schichten  eher 
in  die  unteren  oder  mittleren  Horizonte  des  Di- 
luviums zu  stellen,  um  so  mehr,  als  die  Gesammtflora 
des  Klinger  Torfes  für  eine  solche  Auffassung  keine  Wider- 
sprüche bietet. 

Wie  wir  in  unserer  heutigen  Flora  Nord- 
deutschlands Reliefe  aus  der  Eiszeit  antreffen*), 
so  finden  wir  im  Dihniuni  Reliefe  aus  der  Tertiär- 
zeit: denn  als  solche  glaubt  also  P.  bis  auf  Wei- 
teres die  beiden  Arten  Folliculites  carinatus  und 
Cratopleura  helvetica  im  Torf  von  Klinge  auf- 
fassen zu  müssen. 

Ueber  die  systenuitische  Zugehfirigkeit  des  Folliculites 
Kaltennordhcimensis  und  des  Folliculites  carinatus  hat 
dann  H.  Potonie  in  der  Sitzung  der  Gesellschaft  naturf. 
Freunde  vom  21.  Februar  1893  eine  Mittheilung  gemacht. 

Er  versucht,  die  Berechtigung,  die  Fcdlieulites-Frttchte 
als  solche  von  Anacardiaeeen   anzusehen,    zu   begründen. 

Schon  in  seiner  vorgenannten  ersten  Arbeit  (Ges.  nat. 
Fr.,  1892,  S.  208)  giebt  er  an.  dass  die  fJonstatirung  einer 
Caruncula  bei  Folliculites  einen  Fingerzeig  gebe,  wo  die 
Verwandtschaft  der  Gattung  zu  suchen  sei.  „Ich  würde 
—  sagte  er  damals  —  demnach  zuerst  die  Gattungen  der 
Euphorbiaceen,  Polygala,  Melampyrum  u.  a.  Gattungen, 
die  sich  eben  durch  den  Besitz  einer  Caruncula  aus- 
zeichnen, in  Vergleich  ziehen."  Berücksichtigen  wir  die 
Stellung  der  Anacardiaeeen  zu  den  Familien  der  genannten 
Gattungen,  wenn  wir  von  den  weit  abstehenden  synijietalen 
Scrophulariaceen  mit  Melampyrum  absehen,  so  sehen  wir 
z.  B.  nach  der  Gruppirung  Engler's,  dass  die  drei  in  Rede 
stehenden  Familien  nicht  gar  zu  fern  von  einander  unter- 
gebracht sind,  indem  die  Polygalaceen  und  Euphorbiaceen 
zusammen  in  die  1.5.  Reihe  Gerauiales  und  die  Anacar- 
diaeeen in  die  Kl.  Reihe  Sapiudales  gestellt  werden. 

Es  ist  im  höchsten  Grade  beachtenswerth,  dassPistacia- 
Arten  —  die  ja  zu  den  Anacardiaeeen  gehören  —  im 
Tertiär  angegeben  werden.  A.  Schenk,  der  bekanntlieh 
Vergleiche  fossiler  Reste  mit  recenten  Gattungen  nur  mit 
grösster  Vorsicht  als  berechtigt  anerkennt,  stellt  das  Vor- 
kommen der  Gattung  Pistacia  im  Tertiär  und  Quartär 
zusammen,    indem    er    sich    über    die  Verbreitung    dieser 

*)  Vergl.  H.  Potonio,  Illustrirte  Flora  von  Nord-  und  Mittel- 
Deutschland  mit  einer  Einführung  in  die  Botanik.  4.  Aufl.  Ver- 
lag von  Julius  Si)ringer.     Berlin  188'J,  S.  38. 


Gattung  u.  a.  dahin  äussert,  dass  es  ohne  Zweifel  die  mit 
dem  Eintritt  der  Glacialperiode  eintretenden  Aenderuugen 
gewesen  seien,  welche  die  Gattung  in  ihre  heutige  Nord- 
grenze einengten.  Auf  den  Hrdien  von  Greuoble  kommen 
übrigens  auch  noch  heute  Pistacia  Terebinthus  L.  vor,  die 
„einen  Theil  ihres  früheren  Gebietes  wieder  erobert  haben 
mag".  Auch  Folliculites  carinatus  mag  —  falls  das  Torf- 
moor zu  Klinge  in  der  That  interglacial  ist  —  nach  dem 
Verschwinden  während  der  ersten  Eisbedeckung  wieder 
nördlichere  Grenzen  gewonnen  haben.  Pistacia  'l'crebinthus 
s))eciel],  die  kleine  kugelige  Früchte  besitzt,  ist  nach  der 
Meinung  Planchon's  die  Stammart  von  Pistacia  vera.  Der 
Kenner  der  Anacardiaeeen,  Herr  Prof.  Engler,  schildert 
in  den  natürlichen  Pflanzenfamilieu  die  Früchte  von  Pistacia 
als  Steinfrüchte  von  schief-eiförmiger  Gestalt,  mehr  oder 
weniger  zusammengedrückt,  mit  dünnem  Exocarp  und 
hartem  einsamigen  Endocarp  und  die  zusammen- 
gedrückten Samen  als  mit  dünner  Schale  versehen.  Diese 
wenigen  Angaben  passen  trefflich  zu  Folliculites,  und  be- 
rücksichtig,-en  wir  ferner,  dass  Rudolph  Ludwig  frucht- 
stand-ähnliche  Anhäufungen  von  Folliculites  Kaltennord- 
hcimensis abbildet,  die  zu  Pistacia  resp.  Anacardiaeeen 
passen  könnten,  da  in  Ludwig-'s  J'igixr  die  Früchte  ährig 
an  Achsen  ansitzen,  so  erhellt,  dass  ein  Vergleich  von 
Folliculites-  mit  Anacardiaceen-Früchten  der  näheren  Prü- 
fung durchaus  werth  ist. 

P.  hat  sich  daher  mit  den  Früchten  von  Pistacia 
näher  beschäftigt  und  zunächst  einmal  den  von  Herrn 
Prof.  Ascherson' („Naturw.  Wochenschr."  VII  S.  58— 59) 
angegebenen  „mächtigen  Funiculus"  näher  angesehen. 
Dieser  ist  nun  aber  —  wie  1.  c.  bereits  angegeben  wurde  — 
nichts  anderes  als  die  „Caruncula"  bei  der  Gattung  Folli- 
culites, und  auch  in  allen  übrigen  Punkten  stinnnt  Folli- 
culites mit  den  Pistacitn- Früchten   überraschend  überein. 

Die  trockenen  Früchte  von  Pistacia  vera  mit  ihrem 
eingeschrumpften,  dünnen,  ledrigen  Exocarp  sind  etwas 
un.synnnetrisch-ellipsoidisch- eiförmig,  mehr  oder  minder 
seiflich  sehwach  zusammengedrückt,  am  proximalen  Ende 
al)gerundct,  am  distalen  spitz.  Ihre  Länge  beträgt  etwas 
mehr  oder  weniger  als  2  cm.  Meist  löst  sich  das  Exocarp, 
wie  das  auch  bei  dem  seltenen  Vorhandensein  desselben 
bei  Folliculites  gewesen  sein  muss,  ausserordentlich  leicht 
und  in  allen  seinen  Theilen  ohne  Weiteres  von  dem 
Putamen  ab.  Diese  Erscheinung  erklärt  sich  durch  das 
Vorhandensein  eines  von  den  Autoren  unterschiedenen 
dünnen,  zuletzt  eintrocknenden  Mcsocariis,  das  an  den 
trockenen  Früchten  kaum  mehr  constatirbar  ist,  und  das 
sich  begreiflicher  Weise  an  den  mehr  oder  nnnder  ver- 
kohlten Folliculites-Früchten  —  falls  es  vorhanden  war  — 
nicht  mehr  ernireu  lässt,  wie  überhaupt  das  Exocarp  von 
Folliculites  sich  wegen  seiner  Erhaltung  für  eine  anatomi- 
sche Untersuchung  unzugänglich  gezeigt  hat.  Das  Putamen 
von  Pistacia  vera  ist  aueli  am  Gipfel  ai)gerundet  und 
trägt  dort  eine  sehr  kleine  aufgesetzte  Spitze;  die  Aussen- 
fläche  ist  glatt,  so  dass  also  von  Folliculites  Kaltennord- 
hcimensis durch  Folliculites  carinatus  bis  Pistacia  vera 
die  rauhe  Oberflächenbcschaft'enheit  abninnut  und  endlich 
verschwindet.  Alte  und  gut  gereifte  Pistacia- Früchte 
trennen  sich  in  ganz  entsprechender  Weise  wie  Folliculites 
mit  grosser  Leichtigkeit  wie  Balgfrüchte  (Folliculi)  und 
Leguminosen-Hülsen  in  zwei  symmetrische  Hälften;  offen- 
bar springen  sie  bei  der  Keimung  wie  Folliculi  auf.  Das 
Endocarp  ist  verhältnissmässig  dümiwandig  und  besteht 
aus  knochig  -  sclerenchymatischem  Gewebe.  Die  Durcli- 
trittsstelle  des  Leitbündels  zum  Samen  befindet  sich  natür- 
lich am  proxinmlcu  Ende,  wo  er  jedoch  auch  in  das 
Innere  mündet.  Hier  constatiren  wir  also  die  erste  wesent- 
liche Abweichung  von  Folliculites,  bei  welcher  Gattung 
ja   der  Leitbündelcanal    durch    die  Putamenwandung   bis 


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Natnrwisscnscliaftliclie  Wochenschrift. 


Nr.  37. 


zum  distalen  Ende  verläuft  und  erst  dort  in  das  Innere 
mündet.  Diese  Tliatsache  erscliüttert  aber  die  Berechti- 
gung, Foiliculites  als  Anacardiacec  anzugeben,  nicht  im 
Geringsten,  da  die  Placenta  der  Anacardiaceen- Früchte 
je  nach  der  Gattung  bald  grundständig  ist,  wie  bei  Pistaeia 
und  Rhus,  bald  gii)t'elständig,  wie  bei  Sehinus,  und  in 
anderen  Fällen  Mitteilagen  einninnnt. 

Der  Funieulus  von  l'istacia  vera  erweitert  sich  zwischen 
dem  Samen  und  dem  Endocarp  zu  einem  einen  bedeuten- 
den Kaum  einnehmenden  kreis-  bis  elliiitisch- eiförmigen, 
bis  7  mm  breiten  Oaruncula-Gebilde,  von  Hacher,  schUssel- 
förmiger  bis  etwas  kalmförniigcr  Gestalt.  P.  legt  Gewicht 
darauf,  dass  auch,  z.  B.  von  Eichler  und  anderen  Autoren, 
bei  Anaeardiaccen-Friichten  der  Terminus  „Oaruncula"  An- 
wendung tiudet.  Die  Oaruncula  reicht  bis  zur  Mitte  der 
Frucht  hinauf,  wo  auch  der  Samen  dem  Funieulus  ansitzt: 
die  Anheftungsstellc  des  Samens  befindet  sich  also  am 
Gipfel  der  „Oaruncula",  respectivc,  um  es  anders  aus- 
zudrücken, natürlich  an  der  Spitze  des  Hach-schüssel-  bis 
kahnforniig  verbreiteten  Funieulus.  Es  lässt  sich  nicht 
entscheiden,  ob  auch  bei  Foiliculites  die  Ansatzstelle  des 
Samens  an  der  Oaruncula  die  gleiche  ist.  Der  das  Pistacia- 
Endocarp  vollständig  ausfüllende  Samen,  ebenso  wie  es 
von  Foiliculites  angcnonmien  werden  muss,  ist  von  einer 
dünnen  Testa  bekleidet.  Es  ist  wohl  eigentlich  kaum 
nöthig,  ausdrücklich  zu  betonen,  dass  die  Caruni'ula  und 
die  Testa  bei  Pistaeia  weit  resistenzfähiger  sind  äusseren 
Agentien  gegenüber,  als  das  Gewebe  des  Embryo;  mit 
Sehulze'scher  Macerationsflüssigkeit  und  Säuren  behandelt, 
lässt  sich  das  schnell  constatiren.  Wie  bei  Foiliculites 
würde  also  bei  Pistaeia  bei  der  Fossilisation  der  Embryo 
zuerst  verschwinden. 

Als  Resultat  des  Vergleichs  ist  also  zu  sagen:  alle 
bei  Foiliculites  coustatirbaren  Daten  passen  mit  den- 
jenigen, die  wir  an  recenten  Anacardiaceen-Früchten  finden, 
zusammen;  kein  einziger  Punkt  bietet  einen  Widerspruch. 
Da  wir  ferner  von  dem  Bau  von  Foiliculites  für  fossile 
Früchte  jetzt  verhältnissraässig  viel  wissen,  so  liegt  kein 
Grund  vor  —  so  lange  eben  kein  Widerspruch  aufgedeckt 
wird,  was  wohl  nur  durch  günstigere  Funde  zu  erwarten 
wäre,  oder  bevor  nicht  ein  noch  ])assenderes  Vergleichs- 
object  gefunden  wird  —  diese  Gattung  nicht  als  Anacar- 
diacec oder  doch  als  vermuthlich  zu  dieser  Familie  gehörig 
anzusehen.  Nur  wenn  noch  eine  Familie  oder  Gattung 
angegelten  wird,  bei  denen  die  Vergleichspunkte  ebenso  auf- 
fällig übereinstimmen  wie  zwischen  Anacardiaceen-Früch- 
ten und  Foiliculites,  wird  die  vorgeschlagene  Unterbringung 
der  Früchte  zweifelhafter;  so  lange  das  aber  nicht  ge- 
schieht, dürfen  oder  besser  müssen  wir  Foiliculites  als  höchst 
wahrsclicinlich    zu    den   Anacardiaceen    gehörig   ansehen. 

Eine  ausführlichere  und  zusammenfassende  Arbeit  über 
die  beiden  Follieulites-Arten  hat  Potonie  unter  Beigabe 
von  2  Tafeln  im  „Neuen  Jahrbuch  für  Mineralogie  etc." 
(Stuttgart  1893,  Bd.  II,  S.  86—113  Tafel  V  und  VI)  ge- 
liefert. Der  Tafel  V  dieser  Abhandlung  sind  die  hier 
in  Fig.  3  gebotenen  Abbildungen  entnommen,  Tafel  VI 
bringt  die  anatomischen  Details. 

No.  40  des  „Beiblattes  zu  den  Botanischen  Jahr- 
büchern" von  Engler  (Leipzig  1893)  bringt  eine  Arbeit 
von  0.  A.  Weber,  in  der  er  sich  über  die  diluviale 
Vegetation  von  Klinge    und   über   ihre  Herkunft  äussert. 

Auf  Grund  seiner  Beobachtungen  ergiebt  sich  zunächst 
die  allgemeine  Tliatsache,  dass  die  Vegetation  von  der 
achten  bis  zu  der  fünften  klingischen  Schicht*)  zusammen- 
hängend ist,  dass  in  der  vierten  Schicht  eine  auffällige 
Unterbrechung  erfolgt  und  dass  der  Detritus  in  der  dritten 
wieder  eine  ziemlich  reichhaltige  Vegetation  enthält. 

*)  Die  Zahlen  beziehen  sich  auf  Nehrint^'s  Classification  der 
Schiebten  in  der   „Naturw.  Wochenschr."    Bil^  VII,    No.  4,   S.  31. 


Die  Vegetation  der  unteren  vier  Schiebten  lässt  deut- 
lich iln-cn  Entwickelungsgang  erkennen.  Das  Gewässer, 
das  den  unteren  Thonmergel  absetzte,  hatte  anfänglich 
an  seinen  Ufern  gar  keine  oder  nur  eine  armselige  Vege- 
tation. Allmählich  erschienen  Kiefern,  wahrscheinlich 
gleieiizeitig  mit  ihnen  die  weniger  reichlich  Pollen  er- 
zeugenden 15irken  und  Espen,  und  ferner  I\loose  nebst 
Oypcraceen.  Höher  liinauf  treten  diese  Pflanzen  reich- 
licher auf,  es  gesellen  sich  Fichten,  Haseln,  Hainbuchen, 
Eichen,  Weiden,  Farne  nebst  zaldreichen  Sumpf-  und 
Wasserpflanzen  zu  ihnen.  Die  reichste  Entfaltung  zeigt 
diese  Flora  in  dem  untersten  Theile  der  sechsten 
Schiebt.  Die  Fichte  tritt  innner  zahlreicher  hervor,  neben 
ihr  nuiclien  sich  der  Hülsenbusch  (Ilex  Aquifolium),  die 
breitl)lätterige  Linde,  der  Massholder  (Acer  campestre) 
an  den  Ufern  des  Gewässers  bemerklich.  Nach  einer 
nachträglich  uns  gemachten  Mittheilung  hat  Herr  W. 
in  der  Schicht  6  auch  Samen  der  Eibe  (Taxus  baccata) 
gefunden.  In  der  Oberkante  der  secbten  Schicht  wird 
die  Vegetation  aber  wieder  ärmer,  die  Fichte  tritt 
vor  der  Kiefer  innner  stärker  zurück  und  dies  macht 
sich  in  zunehmendem  Maassc  in  der  fünften  Schicht  be- 
merklieh. 

Nun  erfolgt  die  angedeutete  Unterbrechung.  Das 
Gewässer,  das  die  vierte  Schicht  sich  al)setzeu  Hess,  muss 
in  sich  wie  an  seinen  Ufern  wieder  eine  sehr  dürftige 
Flora  getragen  haben,  in  der  wahrscheinlich  die  Nadel- 
hölzer, deren  Pollen  doch  so  massenhaft  erzeugt  und  weit 
verljreitet  werden,  gänzlich  fehlten,  oder  es  war  überhaupt 
keine  Vegetation  zu  der  Zeit  vorhanden,  und  die  spilrlich 
bemerkten  Reste  sind  vielleicht  secundär  in  den  Thon- 
mergel eingelagert. 

Um  so  auffallender  ist  es,  dass  wieder  in  dem  Detritus 
der  dritten  Schicht  eine  Waldvegetation  erscheint,  und  es 
ist  eine  berechtigte  Frage,  woher  der  Detritus  stammen 
mag.  Die  Annahme,  dass  er  aus  dem  unteren  Torfe  her- 
rühre, scheinen  zwei  Umstände  zu  verbieten:  erstlich,  dass 
man  dann  wohl  in  dem  Thonmergel  der  vierten  Schicht 
überall  Spuren  dieses  Detritus  gefunden  hätte,  und  zwei- 
tens die  abweichende  Zusannnensetzung  der  Vegetation, 
insbesondere  das  Fehlen  (oder  vielleicht  sehr  spärliche 
Vorkommen)  der  Fichte  und  der  Hainbuche.  Weit  näher 
scheint  W.  der  Gedanke  zu  liegen,  dass  hier  die  Reste 
eines  ganz  anderen,  vielleicht  jüngeren,  zerstörten  Torf- 
lagers vorliegen.  Es  wird  weiterer  Untersuchung  vorbe- 
halten bleiben  müssen,  diese  Vcrmuthung  näher  zu  prüfen 
und  zu  ergründen,  wie  der  Zerstörungsvorgang  selbst  zu 
denken  ist. 

Ueber  die  schon  von  Potonie  (vergl.  S.  397  Sp.  1  als 
generisch  mit  der  Gattung  Holopleura  Oaspary  aus  dem 
Tertiär  zusannncngelir>rig  erkannte  Gattung  fossiler  Nym- 
pbaeaceen-Samen  Orafoiilcura  Weber''')  aus  dem  Klinger 
Torf  hat  A.  Weberbauer  (wie  es  scheint  ohne  auf  die 
Acusserung  Potonie's  aufmerksam  geworden  zu  sein)  iu 
den  Berichten  der  Deutschen  Botan.  Gesellschaft  (Berlin 
1S93,  S.  3C)6— 374,  Taf  XVIII)  einen  Aufsatz  veröffent- 
licht, in  welchem  er  die  Beziehungen  der  beiden  genannten 
Gattungen  zu  der  recenten  Gattung  Brasenia  bespricht.**) 
Er  kommt  zu  dem  Schluss,  dass  die  beiden  fossilen 
Gattungen  sogar  zu  ein  und  derselben  Art  gehören  und 
sogar  in  die  reccnte  Gattung  Brasenia  unterzubringen  sind. 
Er  nennt  die  fossilen  Samen  Brasenia  Victoria. 


*)  In  seiner  schon  citirten  Abhandlung  im  N.  min.  .Jahrb. 
wiederholt  Potonie  in  einer  Fussnote  (S.  87):  „Ausser  Foiliculites 
cariuatus  weist  auch  die  mit  der  tertiären  Holopleura  Caspary 
offenbar  mindestens  generisch  zusammengehörige 
„Cratopleura  helvetica"  Weber's  aus  dem  Klinger  Torf  auf  das 
Tertiär." 

**)    Ueber  Brasenia    vergl.    „Naturw.  Wochenschr."    Bd.  VII, 
S.  454  ff.  u.  Figg.  27-30. 


Nr.  37. 


Nat  11  rwisseiiscliat't liehe  Wocl 


•hriff. 


H99 


Wiilireiul  bei  dem  mcxikani.seljcu  Axulotl  Geschlechts- 
reife Larven  alli;cinein  bekannt  sind,  ja  die  liiiii;cn- 
atlnnenden  Thiere  erst  si)ät  als  zu  ilineii  gehörig-  erkannt 
wurden,  gehören  bei  uiLSeru  Lurchen  derartige  Ab- 
weichungen zu  den  gi-össteii  Seltenheiten.  Bei  dem  bei 
uns  liäutigeii  kleinen  Molch,  Triton  taeiiiatus  Laur.,  sind 
von  Jullien  1869  gesehleehtsrcife  Männclieii  und  ^^■eibchen 
in  der  Nähe  von  Chatillou  gefunden  worden.  Neuerdings 
besehreibt  nun  Fr.  West  hoff  ein  träehtiges  Weibehen 
dei'selben  Art  aus  der  Koerheide  bei  Münster  in  West- 
falen.*) Das  1'hier  hat  die  Länge  der  ausgewachsenen 
luftatlnnenden  Indi\iduen,  ist  aber  abweichend  gefärbt. 
Ks  fehlen  die  dunkleren  Flecken  und  Punkte  des  Rückens 
sowie  die  hellen  Seitenpunkte,  lieber  den  Rücken  hin 
läuft  ein  sich  bis  1,0  mm  erhebender  Ilautkaniin.  Die 
C'loakenlippen  sind  nicht  so  stark  und  nicht  gcköi'iit,  wie 
bei  gewöhnlichen  lungenathnienden  Weibchen.  Die  Kienien- 
spalte  ist  ofl'en.  Es  ragen  jederseits  drei  grosse  BUschel- 
kiemen  nach  hinten  heraus.  Lungen  felden  völlig.  In 
den  Eierstöcken  nnd  dem  linken  Oviduct  liegen  auf  allen 
Entwickelungsstufen  betindliche  Eier.  C.  M. 


E.  Jahns :  Vorkommen  von  Betaiii  nnd  Cholin  im 
Wurmsamen.  (D.  Chem.  Ges.  Ber.  1893,  1493.)  —  Im 
Jahre  1885  fanden  Heckel  und  Schlagdenhauften  in  Ar- 
temisia  gallica  Wild  neben  verschiedenen  anderen  Körpern 
ein  nicht  näher  untersuchtes  Alkaloid,  während  in  der 
nach  den  sonstigen  llefunden  sclir  nahe  stehenden  Arte- 
misia  Cina,  der  Stannnptianze  des  tifticinclleu  Wnrnisaniens 
nach  Flüekiger  ein  solches  nicht  aufzutindcn  war.  Der 
Verfasser  hat  jetzt,  bei  erneuter  Prüfung  des  Wiu-msamens, 
auch  in  diesem  organische  Basen  aufgefunden  und  die- 
selben als  Betai'n  und  Cholin  identitieiren  können.    Sp. 


C.  Liebermann:  Ueber  eine  neue  Synthese  der 
Allozimmtsäure.  (D.  Chem.  Ges.  Ber.  1893,  1571.)  —  Die 
Tsomerie  der  Zimmtsäure  und  Allozimmtsäure  ist  nur  er- 
klärbar auf  Grund  der  Van't  Hoft-Wislicenus'schen  Theorie, 
nach  welcher  sich  die  Formeln  ableiten: 


CßH^-C 


II 


C'  H-C-H 


und 


CO.II  •  C  •  H 
Allozimmtsäure 
diese  Constitution 


resp. 


H  •  C  •  CO^H 

Zimmtsilure 

Einen   hübsehen   Beweis    für 
Structur  erbringt  die  vorliegende  Untersuchung.    Aus  der 
Benzalmalonsäure,   welcher  zweifellos  die  Formel 
<'oH5-C.H 

II  zukommt,    hatten    Claiscn    und   Crösmer 

CO.H  •  C  •  CO2H 

durch  Erhitzen  gegen  195°  angeblieh  quantitativ  Zimmt- 
säure und  Kohlensäure  erhalten;  es  war  also  die  Kohlen- 
säure der  dem  C^  H^  räumlich  nächsten  COall-Gruppe  ab- 
gespalten worden. 

Ist  das  Formel- Verhältniss  zwischen  Ziinmt-  und  Allo- 
zinnutsäure  das  oben  angedeutete  und  lässt  sich,  statt  der 
oben  erwähnten,  die  andere  Carboxylgruppe  in  derselben 
Weise  abspalten,  so  müsste  Allozimmtsäure  entstehen. 

Dies  ist  nun  in  der  That  der  Fall.  Schon  bei  dem 
Versuch  nach  Claiscn  und  Crosmer  entsteht  neben  der 
Zimmtsäure,  wie  Lieberniann  nachweist,  Allozimmtsäure, 
und  zwar  in  solchem  Verhältniss,  dass  etwa  5— 6  "/„  der 
Benzalmalonsäure  diese  Zersetzung  erlitten  haben  niuss. 
Es  sollen  noch  Bedingungen  gesucht  werden,  unter  denen 
die  Spaltung  zu  Allozimmtsäure  die  begünstigtere,  das 
jetzige  Nebenprodnct  also  llauptproduct  der  Reaction  wird. 

'^P- 

*)  Geschlechtsreife   Larve   von   Triton    taeiiiiitus  Laur.    (Zoul 
Anz.  1893,  S.  256.) 


Das    Verhalten  der  Zeolitlie   beim  Erwärmen.  — 

Bekanntlich  verlieren  die  Zeolitlie  beim  Erwärmen  Wasser 
und  werden  zu  trül>en,  undurchsichtigen  Substanzen,  deren 
Aussehen  die  Vennuthung  nahe  legt,  dass  nach  dem 
Weggange  des  Wassers  das  Krystallgefüge  Ndllkommen 
zerstört  und  nunmehr  ein  regelloses  Haufwerk  von  Zer- 
setzungsi)rodueten  an  seine  Stelle  getreten  sei.  In  der 
That  hat  diese  naheliegende  Vermuthnng  die  Forscher 
von  der  weiteren  Untersuchung  abgehalten.  Ausserdem 
trat  der  optischen  Prüfung  die  Undurchsichtigkeit  dieser 
umgeänderten  Zeolithe  hindernd  in  den  Weg.  Erst  Rinne 
(Ueber  die  Umänderungen,  welche  die  Zeolithe  durch 
Erwärmen  bei  und  nach  dem  Trübewerden  erfahren. 
Sitzungsbericht  der  Königl.  Aead.  1890,  S.  11(33)  hat 
durch  ein  einfaches  Verfahren  auf  optischem  Wege  nach- 
gewiesen, dass  diese  Vernnithung  eine  irrige  ist  und  dass 
höchst  interessante  Umlagerungen  in  den  Krystallen  statt- 
finden. Er  fand  nämlich,  dass  die  erwärmt en  und  da- 
durch trübe  gewordenen  Zeolithe  ihre  volle  Durchsichtig- 
keit wieder  annehmen  und  eine  genaue  optische  Prüfung 
zulassen,  sobald  man  sie  in  Gel  oder  Canadabalsam  ein- 
bettet. 

Es  zeigen  die  einzelnen  Zeolithe  nach  Rinne  folgendes 
liöchst  interessante  Verhalten,  das  zu  manchen  anderen 
Mineralien,  wie  Leucit,  Boracif  u.  a.  ein  Anabigon  sein 
dürfte.  Auch  hier  geht  nämlich  die  molcculare  Um- 
lagerung  unter  Erhaltung  der  ursprünglichen 
Kry  st  allform  vor  sich. 

Der  rhombische  Natrolith  zeigt  nach  der  Erhitzung 
und  Aufhellung,  dass  er  unter  Beibehaltung  seiner  Form 
monokliii  geworden  ist.  Und  zwar  ist  die  frühere  Axe  c 
jetzt  zur  Orthodiagonalc  h  geworden  und  demzufolge 
haben  die  Flächen  folgende  liezeichnung  jetzt  anzu- 
nehmen: 


Natrolith  normal : 
oP 

ooP 


Natrolith,  erhitzt: 
P  ^  und  —  P  00 . 


Zugleich  ist  aber  der  Krystall  zu  einer  Zwillings- 
(iruppe  vnngestaltet  nach  den  Zwillingsebenen  r_^  P^ 
und  oP. 

Bleiben  erhitzte  Natrolithe  einige  Stunden  an  der 
Luft  liegen,  so  hellen  sie  sich  zwar  nicht  auf,  aber  die 
optische  Untersuchung  zeigt,  dass  sie  wieder  rhombisch 
geworden  sind  in  Folge  von  Wiederaufnahme  des  vorhin 
verlorenen  Wassers. 

Bei  dem  monoklinen  Skolecit  bleibt  nach  der  Er- 
hitzung bis  zur  vollkommeiißn  Trübung  wohl  das  niono- 
kline  System,  aber  die  Grientirung  ist  eine  andere  ge- 
worden. Aus  00  P'^  ist  ^  P  oa  und  umgekehrt  geworden. 
Die  Zwillingsbildnng,  welche  im  unerhitzten  Skolecit  nach 
„P„  geht,  verläuft  auch  jetzt  nach  ooPod,  d.  h.  nach 
dem  früheren  »Pc»,  so  dass  sich  also  die  Substanz  in 
der  alten  Form  gewissermaassen  uin  90°  gedreht  hat.  Er- 
hitzt man  diese  umgeänderten  Krystalle  noch  weiter,  so 
werden  sie  rhombisch.  Eine  Rückkehr  zum  wasserhaltigen 
Zustande  beim  Liegen  an  feuchter  Luft  tindet  nicht  statt. 

Besonders  einfach  stellen  sich  die  Umänderungen 
beim  Thomsonit  dar,  bei  dem  alles  erhalten  bleibt,  nur 
die  Doppelbrechung  schwächer  wird. 

Der  Desmin,  welcher  ebenso  wie  die  folgenden 
Harmotom  und  Phillipsit  dadurch  ausgezeichnet  ist,  dass 
er  durch  Verzwillingung  minder  symmetrischer  Individuen 
Formen  höherer  Symmetrie  erlangt,  nimmt  durch  die  Um- 
lagerung  diese  höhere  Syninietrie  wirklich  an. 

Er  wird  durch  das  Erhitzen  nun  wirklich  rhombisch 
und  zwar  so,  dass  die  Ebene  der  optischen  Axen  der 
früheren  Basis  und  die  erste  positive  Mittellinie  der  Axe  a 
entspricht. 


400 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  37. 


Beim  Liegen  au  feuchter  Luft  stellt  sich  der  frühere 
Zustand  wieder  ein. 

Erhitzt  man  Phillipsit  bis  zum  Trübe  werden,  so 
erkennt  man  bei  der  Untersuchung,  dass  das  trikliue 
System  und  die  Zwillingsbilduug-  geblieben  sind.  Die 
Ebene  der  optischen  Axeu  aber,  welche  im  stumpfen 
Winkel  ß  gegen  oF  geneigt  liegt,  hat  sich  um  etwa  6U° 
der  l'arallelstellung  mit  dieser  Fläche  genähert.  Erhitzt 
man  ihn  nun  noch  stärker,  so  nimmt  die  optische  Axen- 
ebene  schliesslich  eine  Stellung  ein,  welche  sich  nur  wenig 
von  der  senkrechten  auf  der  Basis  und  der  parallelen  zu 
CO  P  ^  unterscheidet;  zugleich  nähert  der  Axenwiid\cl 
stark  dem  Werthe  von  Ö°.  „Es  ist  (nach  Rinne)  un- 
benommen bei  letzterem  Verhältnisse  eine  Annäherung  an 
die  Zustände  im  tetragonalen  Systeme  zu  sehen,  dessen 
Symmetrie  der  Phillipsit  in  seiner  Flächenanlage  in  Folge 
vielfacher  Zwillingsbildung  zur  Schau  trägt." 

Bei  dem  Harmotom  dagegen  tritt  nur  eine  Erhöhung 
der  Doppelbrechung  und  eine  Annäherung  der  optischen 
Axenebene  an  die  Basis  nni  ungefähr  bO°  ein. 

Der  monokline  Epistilbit,  welcher  durch  Zwillings- 
aufbau nach  oo  -P  «  rhombische  Symmetrie  in  vollendetster 
Weise  nachahmt,  wird  durch  Erwärmen  rhombisch.  In 
der  umgewandelten  Substanz  liegt  die  optische  Axenebene 
im  oo  P  oo ,  a  wird  =  b,  i  ^  a  und  c  =  c. 

Phillipsit,  Harmotom  und  Epistilbit  kehren  ebenfalls 
beim  Liegen  an  der  Luft  in  ihren  früheren  wasserhaltigen 
Zustand  zurück. 

Ganz  besonders  interessant  sind  aber  die  Verhältnisse 
beim  monoklinen  Heulandit.  Auch  er  ahmt  rhombische 
Symmetrie  nach,  was  besonders  deutlicli  wird,  wenn  man 
unter  Üeibehaltung  von  oP  das  2P  der  üblichen  Auf- 
stellung zu  CO  P  macht.  Seine  Umänderungen  lassen  sich 
nach  Rinne  in  vier  Stadien  gruppireu,  über  welche  er 
folgendes  angiebt: 

Uuerhitzte  Krystalle:  Monoklin.  Ebene  der  opti- 
schen Axen  senkrecht  zu  ^  P„.  Erste  positive  Mittel- 
linie in  Axe  b.  Feldertheiluug  auf  dem  seitlichen  Pina- 
koid. 

L  In  Oel  gekochte  Krystalle:  Rhombisch.  Ebene 
der  optischen  Axen  parallel  ooP^,  negative  Mittellinie 
senkrecht  uP.  Keine  Feldertheilung  auf  dem  seitliehen 
Pinakoid. 

II.  Bis  zur  vollzogenen  Trübung  erhitzte 
Krystalle.  Rhombisch.  Ebene  der  optischen  Axen 
senkrecht  auf  oo  P  ^.  Positive  Mittellinie  senkrecht  /-"  c^. 
Feldertheilung  auf  ^  P]„. 

in.  Stark  erhitzte  Krystalle.  Rhombisch. 
Schwache  Doppelbrechung.  Eliene  der  oi)tischen  Axen 
senkrecht  zum  seitlichen  l'inakoid.  Positive  Mittellinie 
senkrecht  P~.    Keine  Feldertheilung  auf  =»  P\. 

O  ^  CO 

IV.  Auf  glühendem  Platinl)lech  erhitzte 
Krystalle.  Rhombisch.  Ausserordentlich  schwache 
Doppelbrechung.     Sonst  wie  III. 

Nur  die  ersten  Stadien  nehmen  an  der  Luft  wieder 
Wasser  auf. 

Beim  regulären  Analeim  ist  schon  lange  die 
optische  Anomalie  bekannt,  und  Bensaude  (N.  Jahrb.  für 
Min.  1882  I.  S.  41)  war  zu  der  Anschauung  gelangt,  dass 
die  Krystalle  aus  Pyramiden  bestehen,  deren  Basis  die 
Krystallfläehen  sind  und  deren  Spitzen  im  Mittelpunkte 
des  (Janzen  liegen,  so  dass  also  etwa  ein  Ikositetraeder 
aus  24  Pyramiden  bestehen  würde.  Diese  Erscheinungen 
treten  nun  nach  dem  Glühen  noch  viel  schärfer  hervor 
und  ergeben  eine  bemerkenswerthe  Aehnlichkeit  mit 
Leucit.  Bei  näherer  Untersuchung  kam  Rinne  in  der 
That  zu  dem  Resultat,  dass  der  entwässerte  Analcim  einen 
trikliuen  Natronleucit  darstelle. 


Und  zwar  ist  derselbe,  ganz  dem  rhombischen  Kali- 
leucit  entsprechend,  aufgebaut  aus  sechs  pseudoquadrati- 
schen Hauptsectoren,  deren  Längsrichtungen  liegen  wie 
die  drei  Hauptaxen  des  Würfels,  und  die  ihrerseits 
zwillingsmässig  in  vier  Einzelsectoren  zerfallen,  nach  den 
ihrer  Längsrichtung  parallelen  zwei  Würfelebenen.  Es 
ist  das  um  so  interessanter,  als  hier  die  Natronverbindung 
ebenfalls  einem  System  niederer  Synnnetrie  angehört, 
ebenso  wie  bei  Feldspath,  Orthoklas  und  Albit. 

Bezüglich  des  Chabasits,  der  in  der  Natur  in  positiv 
und  negativ  doppclbrechendcn  Krystallen  vorkommt,  ist 
Rinne  zu  der  Vei-nnithung  gelangt,  dass  es  wesentlich 
eine  Verschiedenheit  des  Wassergehaltes  ist,  welche  diese 
Unterschiede  hervorruft.  Bei  seinen  Untersuchungen  stellte 
sich  heraus,  dass  die  positiv  doppelbrechenden  Cliabasite 
beim  Erhitzen  negativ  werden.  Bei  weiterem  Erhitzen 
werden  dann  positive  und  negative  Krystalle  gleiehmässig 
zu  stark  positiv  doiii)elbrechenden,  innner  unter  Bei- 
behaltung der  triklinen  Zwillingsbilduug.  Doch  ist  zu 
beachten,  dass  Rinne  sich  bezüglich  des  Chabasits  „mit 
dem  nöthigen  Vorbehalte"  äussert  und  auf  weiterhin  an- 
zustellende chemische  und  optische  Untersuchungen  ver- 
weist. 

Aus  allen  diesen  Untersuchungen  geht  nun  hervor, 
dass  zunächst  moleculare  Umlagerungen  tiefgreifender  Art 
bei  den  Zeolithen  vor  sich  gehen,  ohne  dass  die  ursprüng- 
liche Krystallform  geändert  wird.  Man  kannte  solche 
Vorgänge  von  den  Paramorphosen  her,  wie  beim  Leucit, 
BoracitjAragonit  (Ueberführung  in  Kalkspath).  Hier  linden 
wii-  dasselbe  bei  durch  Wasserverlust  entstandenen  Pseudo- 
morphosen.  Zu  beachten  ist  feruer,  dass  wie  ))eim  Ara- 
gonit  die  angedeutete  hexagonale  Symmetrie  durch  den 
Uebergang  zu  Kalkspath  erreicht  wird,  auch  bei  den 
Zeolithen  "dasselbe  stattfindet  (Desmin,  Skolecit,  Epistilbit, 
Heulandit). 

Andererseits  sind  diese  Erscheinungen  aber  eine  feste 
Stütze  für  die  Erklärung  der  optischen  Anomalien  der 
Zeolithe  von  Prof  C.  Klein.  Eine  optische  einheitliche 
Substanz  kann  durch  Entwässerung  in  ojjtiscli  abnorme 
übergeführt  werden,  deren  Verhalten  bei  verschiedenen 
Krystallen  ein  wechselndes  ist,  je  nach  dem  mehr  oder 
minder  grossen  Wasserverluste,  und  deren  Zwillingsaufbau 
deutliche  Beziehungen  zu  den  ursprünglichen  Krystall- 
fläehen zeigt 

Ferner  betont  Rinne  noch  die  Beziehungen  zwischen 
den  Zeolithen  und  den  Mineralien,  welche  als  wasserfreie 
Silicate  in  der  Natur  vorliegen.  Heulandit  z.  B. 
CaÄl.,Si^Oic -\- 5HJ )  entspricht  wasserfrei  zunächst  dem 
Albit^  Na.^Al.ßif^Oif,,  welcher  mit  dem  Anorthit  in  be- 
kannter Weise  in  Verbindung  gebracht  werden  kann. 
Vergleicht  man  die  Formen  beider,  indem  man  bei  dem 
Heulandit  das  übliche  oP  zu  „  P  oo  macht,  wodurch 
derselbe    zu    einem    rhombisch     erscheinenden     Complex 


P 


P«:,oP  und    /' 


wird,  so  ergiebt  sich  eine 
Aehnlichkeit  in  den  Hauptzonen,  die  sieh  bis  auf  die 
Winkelwerthe  erstreckt : 

Heulandit  Anorthit 

„P-:oP       =116° 20'  116°    3' 

oP-.P-^     =  129°  40'  128°  34' 

P»:»P^  =  114°    0'  115°  23' 

Aehnlich  ist  das  Verhältniss  zwischen  der  Desmin- 
gruppc  und  den  triklinen  Feldspäthen,  und  auf  Analcim 
und  Leucit  ist  vorher  schon  hingewiesen.       Paul  Siepert. 


Nr.  H7. 


Ncaturwissenscliaftlicbe  Wochenschrift. 


401 


Ueber  eine  neue  Methode,  srossse  mikroskopische 
Präparate  lici  «erinffer  A'eryiMisserung-  jtliotojjraphiscli 
(larziistelleii,  vorölTcntliclit  I>r.  O.  Nieser  in  der  lieriiiicr 
kliiiiseiu'ii  Wochi'iisciiritt  einen  Anlsatz.  Er  macht  den 
bereits  in  Lid.  VII  N».  31  S.  314  hescliriehenen  und  ah- 
gebihleten  Edini;er'schen  Zeiciienapparat  nutzbar  durch 
Einschaltung  eines  photographiselien  Apparates.  —  Vcrgi. 
die  Figur. 

Die  pliotograpbisehe  Reproduction  mikroskopischer 
Träparate,  und  zwar  grosser  (»bjecte  in  geringer  Ver- 
grösserung  bei  leichter  Handhabung  der  Teclniik,  wäre 
damit  erreicht.  Der  Edinger'sciie  Zciciienapparat  beruiit 
auf  einem  Princip,  das 
bereits  1887  1  )r.  Lange 
in  Brauuschwcig  an- 
wandte. 

Durch  einen  zuerst 
horizontalen,  dann  nach 
abwärts  rechtwinkelig 
geknickten  Tubus  (^4), 
an  dessen  einem  Ende 
eine  Convexlinse,  an 
dessen  Knickungsstelie 
ein  unter  einem  Winkel 
von  45 "gestellter rian- 
spiegel  und  an  dessen 
auderm  Ende  sich 
wieder  eine  Convex- 
linse befindet,  werden 
Stralilen  von  einer 
Lampentlamnie  iL)  auf 
■iinen  Objectträger  ge- 
leitet und  ein  ver- 
grössertes  Bild  dieses 
beleuchteten  Objectes 
mittels  einer  Lupe  (C) 
auf  eine  weisse  Fläche 
—  im  Edinger 'sehen 
Falle  die  als  Zeichen- 
tisch fungirende  Stand- 
platte des  Ajiparats  — 
geworfen.  Die  Lampe 
steht  im  Brennpunkte 
der  ersten  Cmnexlinse, 
die  dadurch  parallel 
gemachten  Strahlen 
werden  vom  i^lan- 
spiegel  direct  nach 
unten  reflectirt,   fallen 

auf  die  zweite  Convexlinse  und  werden  von  dieser  etwas 
convergirend  gemacht,  so  dass  auf  der  Standplatte  des 
Apparats  nach  Kreuzung  der  Strahlen  ein  ziemlich  grosser 
Zerstreuungskreis  gebildet  wird.  Unabhängig  hiervon  wird 
von  dem  durch  die  durchfallenden  Strahlen  beleuchteten  Ob- 
jeet,  das  etwas  vor  der  oberen  Brennweite  der  Luite  liegt, 
mittelst  dieser  Lupe  in  dem  hellen  Flannnenprojections- 
kreis  ein  umgekehrtes,  reelles,  vergriissertes  Bild  auf  der 
Standplatte  entworfen,  das  durch  Versehieben  der  Lupe 
mittelst  Zahntrieb  scharf  eingestellt  und  dann  gezeichnet 
werden  kann.  Der  kleine  Tisch  (/<),  auf  dem  das  Oliject 
liegt,  kann  ebenfalls  an  dem  Ap])arate  auf  und  ab  ge- 
schoben werden  und  dadurch  die  7\.rt  der  Vergrcisscrungen, 
die  je  nach  Stärke  der  zwei  dem  Apparate  beigegebenen 
Lupen  in  der  Breite  zwischen  2-  und  16 -fach  schwankt, 
beliebig  variirt  werden. 

Zur  photogra)ihisehen  Aufnahme  des  Bildes  hat  N. 
einige  Lupenveränderungen  vorgenoumien  (Central Wirkun- 
gen der  Lupen),  sowie  eine  Camera  aus  Holz  ausführen 
lassen,    die  in  folgender  Weise  dem  Edinger'schen  Appa- 


rate angepasst  ist.  Dasselbe  besteht  aus  einem  am 
Boden  quadratischen,  25  cm  in  den  Dimensionen  zciigen- 
den,  nach  oben  sieh  etwas  konisch  einengenden  Ilolz- 
kasten  (E),  der  nach  oben  mit  einem  Lederbalg  in  der 
Art  der  photographiselien  Bälge  versehen  ist.  Als  Ab- 
schluss  trägt  er  eine  Schlussplatte,  die  lichtdicht  sich 
an  den  die  Lupe  tragenden  Tisch  des  Edinger'schen 
Apparates  anschrauben  lässt  und  zwei  Oeffuungen  zeigt; 
die  eine  zum  Aufnehmen  der  Lupe,  die  andere,  mit 
einem  lichtdichten  Deekel  versehene,  vordere,  zum  lieidj- 
aehten  des  Bildes.  Diese  ziendieh  grosse,  quervcr- 
laufende,  rechteckige  Oeffnung  {D}  gestattet  in  der  be- 
quemen Leseweite  bi- 
nocular  das  auf  den 
Boden  des  Apparates 
ge\\orfene  Bild  zu  be- 
obachten und  scharf  ein- 
zustellen. Der  Kasten 
selbst  ist  nach  hinten 
durch  Einkerbungen  in 
seinem  Boden  in  zwei 
Hervorragungen  des 
Edinger'schen  Appara- 
tes einzuschieben,  nach 
vorn  aussen  trägt  er 
l)eiderseits  Einschnitte, 
die  zwei  Klennnschrau- 
ben  ermöglichen,  den 
Kasten  nach  hinten  fest 
anzupressen  und  zu- 
gleich einen  festen  Wi- 
derhalt an  dem  jeweili- 
gen Tisch  zu  gewähren, 
auf  den  der  ganze  Appa- 
rat gestellt  wird.  Was 
bei  dem  Holzmodell 
noch  besonders  ins  Auge 
gefasst  wurde,  ist  die 
Art  und  Weise  der 
Plattenführung.  N.  hat 
zu  diesem  Zweck  in  den 
Boden  des  Holzkastens 
einen  Ausschnitt  ma- 
chenlassen, der  seitlich 
Läugsnuteu  trägt,  in 
den  Cassetten  eines 
einfachen  jjhotogra- 
phischen  Apparates 
hineinpassen  und  in 
den  Nuten  als  Führungsebenen  gleiten.  N.  schiebt  beim 
Photographiren  also  nur  eine  mit  Pappplatten  geladene 
Cassette  (F)  —  für  Visit-  und  Cabinetgrösse  —  ein,  stellt 
das  Bild  auf  diesen  Platten  scharf  ein,  zieht  die  Cassette 
aus  und  setzt  an  ihre  Stelle  eine  mit  photographischen 
Platten  lichtdicht  geladene  gleiche  Cassette. 

Es  ist  ihm  hierdurch  miiglich,  fortwährend  in  massig 
erleuchtetem  Zimmer  zu  photographiren,  ohne  dass  Schäd- 
lichkeiten für  die  Platten  daraus  erwachsen.  Was  die 
Beleuehtungsart  und  -Zeit  betritt't,  so  nimmt  er  das  ruhige 
Petroleundicbt  und  setzt  bei  schwacher  Vergrösserung 
10  Seeunden,  bei  stärkerer  12— IS  Seeundcn  aus,  je  nach 
der  Farbe  des  Präparats.  Es  ist  ihm  hierdurch  gelungen, 
innerhalb  eines  Zeitraums  von  nur  2  Stunden  6  brauch- 
bare Platten  von  6  verschiedenen  Objecten  photographiren, 
entwickeln  und  fixireu  zu  können.  Al)gesehen  von  den 
geringen  Kosten,  die  die  Anschaffung  des  einfachen  Ap- 
parates mit  sich  bringen-  wird,  ist  auch  seine  Handhabung 
eine  einfache,  leicht  zu  erlernende  und  wenig  zeitraubende. 
Der  ganze  Apjiarat  kostet  hv\  E.  Leitz  in  Wetzlar  12pM. 


402 


Naturwissenschaftliche  Wociicnschrift. 


Nr.  37. 


Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben. 

Es  wurden  ernannt:  Der  Privatiloccnt  in  clor  nitMlioinisclien 
riieultät  clor  Universität  Berlin  Dr.  v.  Noordon  zum  I'rot'essor. — 
Der  Privatdocent  in  der  medicinischen  Faeultät  der  Universität 
Leipzig  Dr.  Wilhelm  Moldenhauer  zum  ausserordeutlicbeu 
Professor.  —  Der  frühere  Assistent  an  der  Station  für  Nerven- 
krankheiten der  Charitee  in  Berlin  I>r.  Oppenheim  zum  Pro- 
fessor.—  Dr.  Dittrich,  ausserordentlicher  Professor  für  gericht- 
liche Medicin  an  der  Universität  Innsbruck,  zum  Professor  an  der 
deutschen  Universität  Prag.  —  Der  k.  k.  Gymnasialprofessor 
Dr.  Karl  von  Dalla  Torre,  Privatdocent  für  Botanik  an  der 
Universität  Innsbruck,  zum  ausserordentlichen  Professor.  —  Der 
Privatdocent  für  mathematische  Physik  an  der  Universität  Wien 
Dr.  Adler  zum  au.sserordontlichen  Professor.  —  Der  Professor 
Dr.  Siemerling  in  Berlin  zum  Ordinarius  für  Psychiatrie  und 
Direetor  der  psychiatrischen  Klinik  an  der  Universität  Tübingen. 

Es  sind  gestorben:  Der  Arzt  und  Naturforscher  Dr.  .lulius 
Knoch,  bekannter  Embryologe,  im  Gouvernement  Rostroma.  — 
Dr.  G.  W.  Coakley,  Professor  der  Mathematik  und  Astronomie 
au  der  Universität  New-Yoi-k,  daselbst.  —  Der  Direetor  dos 
zoologischen  Museums  in  Petersburg.  Dr.  Alexander  Strauch, 
in  Wiesbaden.  —  Der  Entomologe  C.  N.  F.  Brisont  de  Barnc- 
ville  in  St.  Gormain-en-Laye.  —  Der  Lepidopterologe  Fritz 
Kühl  in  Zürich.  —  Der  Medicinalrath  Dr.  Bach  in  Zeulenroda 
(Thüringen).  —  Der  Kartograph  Professor  Dr.  Henry  Lange 
in  Berlin. 

Die  Vereinigung  deutscher  lüathematiker  tagt  in  München 
vom  4. — 10.  September  d.  J.  Mit  dieser  Jahresversammlung  ist 
eine  Ausstellung  von  Apparaten,  Instrumenten,  mathematischen 
und  physikalischen  Modellen  etc.  verbunden,  welche  am  3.  Sep- 
tember in  der  Technischen  Hochschule  eröft'nct  wird  und  bis  zum 
30.  desselben  Monats  dauert. 


Der  nach  Spalato  auf  den  8.  September  d.  J.  einberufene 
Archäologen-Congress  ist  wegen  der  drohenden  Choleragefahr  bis 

1804  verschoben  worden. 

Die  VII.  internationale  Versammlung  der  Bohringenieure 
und  Bohrtechniker  findet  in  der  zweiten  Hiilfto  des  September 
dieses  Jaln-es  in  Teplitz  statt.  Präsident:  Bergdirector  L.  W.  G. 
Kreuzberg-Nürschau;  Vicepräsident:  Bergrath  Kübrich. 

Die  Societe  Göologique  de  France  hält  ihre  Jahresversamm- 
lung vom  14.  bis  24.  September  d.  J.  in  Le  Puy  (Dep.  Haute- 
Loire)  ab.  Zahlreiche  Excursionen  sind  in  die  geologisch  so  ausser- 
ordentlich interessante  Umgegend  dieser  Stadt  geplant. 

Der  ungarische  Bergmannstag  tritt  am  10.  September  d.  J. 
in  Nagybauya  zusammen. 


Dr.  J.  W.  Gregory's   Expedition   an  den  Baringo  -  See    ist 

eine  recht  erfolgreiche  gewesen.  Der  Forscher,  wolchm-  Ende 
August  in  Mombasa  glücklich  anlangte,  hat  die  (,|uelltlüsse  des 
Tana,  sowie  die  Wasserscheide  zwischen  den  Flüssen  Tana  und 
Atlii  erforscht  und  erstieg  auf  seinem  Rückmärsche  über  Likipia 
den  über  17,000  Fuss  hohen  Kenia. 


L  i  1 1  e  r  a  t  u  r. 

Alph.  de  Candolle,  Darwin,  sein  Lehen  und  seine  Bedeutung. 

Erweitert    und    deutsch    herausgeg.   von  Abert  Südekum  (Wiss. 

Volksbibl.    No.    17).     Siegbert    Schnurpfeil.     Leipzig.    —    Preis 

0,20  M. 

Die  treffliche  Schrift  de  Candolle's  hat  die  üebersetzung  wohl 
verdient.  Darwins  Leben  wird  im  1.  Abschnitt  von  Südekum  be- 
sprochen, dann  erst  folgen  zwei  Abschnitte  aus  der  Feder  de  Can- 
dolle's: 2.  Darwin's  Lehre  imd  o.  Darwins  Bedeutung.  Kurz, 
bündig  und  leicht  verständlich  findet  der  Laie  in  den  Schriften 
das  Wissenswertlieste  über  den  Darwinismus  und  Darwin. 


Dr.  Günther  Bitter  Beck  von  Mannagetta,  Flora  von  Nieder- 
Oesterreich.  2.  Hälfte  (2.  Abtheil.)  (Schluss).  Mit  246  Figuren 
in  30  Original-Abbildungen.  Carl  Gerold's  Sohn.  Wien  1893. 
—  Preis  15  M. 

Von  der  gross  angelegten  Flora  Beck's  liegt  hiermit  der  Schluss 
vor.  Das  Gesammtwerk  (in  Gross  8°)  umfasst  1396  Seiten,  von 
denen  62  engbedruckte  auf  das  Register  entfallen,  ferner  74  be- 
sonders paginirte  Seiten,  welche  einen  allgemeinen  Theil  enthalten. 
Dieser  verbreitet  sich  über  die  geographische  Lage  des  Gebietes, 
die  hydrographischen,  die  orographischeu  und  geologischen  Ver- 
hältnisse.    Der  umfungreicliste  Theil  ist  naturgemäss  der  Pflanzen- 


gi'ograplii''  drs  Gel)iotes  gewidmet.  Dieser  Abscluiitt  gliedert  sich 
in  1.  PHanzonregionen  und  deren  Klim.i,  2.  Vegetationsgi'bieto, 
3.  Eintluss  des  Bodens  auf  die  Vertheilung  der  Arten,  4.  Verthei- 
lung  der  Bodenflächo  nach  ihrer  Bedeckung,  5.  Statistik.  Der 
beschreibende  (s])ecielle)  Theil  des  vorliegenden  Schlusses  be- 
handelt  die  gesammten  Sympetalen. 

Für  die  I<"orschor  auf  floristischem  Gebiete  ist  die  Flora  Beck's 
unentbehrlich,  da  in  ihr  Alles  zusammengetragen  ist,  und  durch 
die  zahlreicheren  Litteraturhinweise  der  Weg  zu  woiterem 
Studium  beriuem  gebahnt  wird.  Aber  auch  der  Anfänger  wird 
das  Buch  mit  grossem  Vortheil  benutzen,  die  Diagnosen  und  die 
sonstige  Einrichtung  des  Werkes  sind  diesem  durchaus  angepasst. 
Zur  Vertiefung  einer  zunächst  laienhaften  Beschäftigung  mit  der 
Pflanzenwelt  kann  dem  in  Nieder-Oesterreich  Sesshaften  kaum 
ein  besseres  Buch  als  das  Beck'acho  empfohlen  werden. 


H.  Buschbaum,  Flora  des  Regierungsbezirks  Osnabrück  und 
seiner  nächsten  Begrenzung.  Zum  Gebrauehe  in  Schulen  und 
auf  Excursionen  liearbi'itet.  Zweite,  dundigesehene  und  ver- 
mehrte Auflage.  Osnabrück,  Verlag  der  Rackhorst'schen  Buch- 
handlung.    1891.  —  Preis  2,75  M. 

Die  Umgebungen  der  alten  westfälischen  Bischofsstadt  Osna- 
brück gehören,  wie  geologisch  so  auch  floristisch,  zu  den  an- 
ziehendsten Landschaften  im  nordwestlichen  Deutschland.  Die 
letzten  Ausläufer  der  niitteldcutscheu  Bergzüge,  der  Teutoburger 
Wald  und  die  Weserkette,  dringen  hier  am  weitesten  nach  Norden 
vor,  so  dass  zwischen  ihnen  und  der  Nordsceküste  nur  ein  Zwischen- 
raum von  etwa  1.50  km  Breite  übrig  bleibt.  Die  in  diesem  Theile  der 
norddeutschen  Ebene  so  entwickelte  Moor-  und  lleideflora  dringt 
bis  an  den  Fuss  der  Berge  vor  und  steigt  zum  Theil  sogar  noch 
an  denselben  auf,  so  dass  man  hier  z.  B.  bei  der  bekannten  Georg- 
Marienhütte  (wie  in  Westfalen  mehrfach  an  analogen  Ocrtlichkoiten) 
eine  so  charakteristische  Hoidepflanze,  wie  Erica  Tetralix  auf  einem 
Substrat  von  festem  Gestein  beobachten  kann.  Diese  Localflora. 
in  der  sich  Vertreter  des  Berglandes  und  der  Ebene  mit  charak- 
teristisch-„atlantischer"  Färbung  begegnen,  ist  schon  in  früheren 
Decennien  eifrig  erforscht  worden;  doch  waren  die  auf  dieselbe 
bezüglichen  Verötfentliehungen  zerstreut  und  zum  Theil  schwer 
zugänglich,  bis  der  fleissigc  und  kenntnissreiche  Verfasser  des 
hier  besprochenen  Büchleins  zum  ersten  Male  1879  eine  nach 
zweckmässigem  Plane  bearbeitete,  in  erster  Linie  für  den  Schul- 
gebrauch  bestimmte  Localflora  herausgab,  welche  nunmehr  in 
einer  neuen,  wesentlich  verbesserten  Gestalt  vorliegt.  Für  den 
descriptiven  Tlieil  sind  die  besten  Vorbilder  in  verständiger  Weise 
benutzt ;  auch  wurden,  wie  in  den  Büchern  des  mit  Recht  hoch- 
geschätzen  Floristen  der  benachbarten  Provinz  Westfalen,  die 
Cultur-  und  selbst  die  Zierpflanzen  ausgiebig  berücksichtigt.  Eut- 
s])richt  also  das  Werk  vollkommen  seinem  nächsten  Zwecke,  so 
giebt  es  auch  dem  Pflanzengeographeu  befriedigende  Auskunft 
über  ein  hochinteressantes,  bis  dahin  wenig  bekanntes  Gebiet. 
Wenn  wir  etwas  tadeln  möchten,  so  wäre  es  die  nicht  gerade 
zweckmässige  Abgrenzung  des  Gebietes  dieser  Flora.  Der  Re- 
gierungsbezirk Osnabrück  hat  die  schon  für  ein  Verwaltungsgebiet 
wenig  günstige  Form  eines  Winkelhakens  mit  der  Hauptstadt 
nahe  der  südöstlichen  Ecke.  Es  konnte  diese  Begrenzung,  ob- 
wohl auch  hier  Gebiete  sehr  verschiedener  Geschichte  und  Con- 
fession  (gehört  doch  auch  die  sogenannte  „Mutfrica"  mit  Meppen, 
dem  Wahlkreise  der  „schwarzen  Perle",  zu  diesem  Bezirk)  zu- 
sammengeschweisst  sind,  nicht  wohl  anders  ausfallen,  weil  clurch 
das  weit  nach  Süden  vordringende  Herzogthum  t)ldenburg  das 
Emsland  nahezu  ganz  von  der  übrigen  Provinz  Hannover  abge- 
trennt wird.  Für  ein  Florengebiet  hätten  aber  derartige  politisch- 
historische  Rücksichten  kein  Gewicht  haben  sollen.  Das  Gebiet 
reicht  einerseits  im  Norden  bis  Papenburg,  also  bis  an  die  Breite 
von  Bremen,  schliesst  aber  andererseits  die  Gegend  von  Diepholz 
und  die  noch  näher  liegenden,  weit  in  dieselbe  einspringenden 
Theile  Oldenburgs  und  Westfalens  aus,  bez.  berücksichtigt  sie 
nur  in  ihren  nächsten  Grenzstreifen.  Wir  möchten  dem  verdfieust- 
vollen  Verfasser  des  sonst  in  jeder  Hinsicht  empfehlenswerthen 
Buches  anheimstellen,  in  einer  hoffentlich  nicht  ausbleibenden 
dritten  Auflage  das  Gebiet   in  zweckmässiger  Weise  abzurunden. 

P.  Ascherson. 

A.  Acloque.  Les  lichens,  etude  sur  l'anatomie,  la  physiologie  et 
la  niorplinlon'ie  de  l'organisine  lichenicpie.  82  Textfiguren. 
J.  B.  Bailiiere  &  fils.     Paris  1893. 

Das  Buch  ist  wohl  geeignet,  in  die  Flechtenkuude  einzuführen- 
Es  beschäftigt  sich  im  Wesentlichen  mit  den  allgemeinen  Erscheinun 
gen  dieser  Gruppe  und  beliandelt  die  Systematik  nur  in  Ueljersich' 
im  letzten  (12.)  Capitel.  In  dem  ersten  Capitel  wird  das  Notlüge 
über  Bau  und  Leben  der  in  Rede  stehenden  Organismen  gesagt. 
Capitel  10  beschäftigt  sich  aber  mit  dem  Nutzen  der  Flechten 
und  Capitel  11  giebt  Rathscliläge  über  Einsammlung,  Cultur  und 
Aufbewahrung  der  Flechten. 


Nr.  37. 


Naturwissenschaftliche  Wcx'henschrift. 


403 


Henri  Coupin.  L'aquarium  d'eau  douce  et  ses  habitants. 
animaux  et  vegetaux.  (r>ibliothi'i|uo  des  ('oiuiaissancos  utiK's.) 
Mit  'J28  Tcxtfif^iu-L'n  J.  B.  Baillicre  v.t  fils.  Paris  1893.  — 
Pruis  }ifh.  4  Fr. 

Das  Buch  ist  eines  diu-  geeignetsten  für  den  Aquariiim-Frcuiid. 
Es  lässt  i"d>er  kaiini  eine  Frage,  die  demselben  anftanidien  künnte, 
im  Stieb.  Das  Wasser  und  seine  Bebandhing.  die  AquariiimiiHanzcn, 
die  Jagd  fürs  Aquarium  und  der  Transport  der  Tliiere,  das  Stnduim 
der  Thiere  im  Aquarium,  die  cinzehien  Aliflirihingen  der  Tlnerc 
und  dieArten,  die  für  dasSüsswasser-Ac|uarium  in  Uctracbt  konnnen  : 
alb's  findet  gel)ührendo  und  faebmännisi-he  Berücksichtigung.  Oeui 
Knaben,  der  Sinn  für  die  Natur  hat,  kann  kein  besseres  Buch  in 
die  Hand  gegeben  werden,  das  ihn  zu  Beobachtungen  in  der  Natur 
.•mh'itot,  aber  auch  der  Erwachsene,  (Ut  Interesse  an  der  Natur 
liat,  wird  das  Bncli  mit  Freuden  benutzen. 


Prof.  Dr.  H.  Ost,  Lehrbuch  der  technischen  Chemie.  2.  verli. 
Auli.  Mit  'i(lG  Text-Alil)iblungen  und  6  'I'atVhi.  liobort  tlppeii- 
heim  (Gusta,v  Schmidt).     Berlin   1893.  —   Phms  12  M. 

Erst  1890  erschien  die  1.  Aufl.  dieses  treffliclien  Compendinnis 
(vergl.  „Naturw.  Wochensehr."  Bd.  VI,  S.  103)  und  jetzt  liegt 
schon  eim>  neue  vor.  Die  ganze  Anhige  ist  dieselbe  geblieben 
wie  die  der  1.  Aufl.  (vergl.  unser  frülieres  Referat).  Das  Buch 
ist  aber  von  680  auf  712  Seiten  angewachsen  und  bringt  eine  Text- 
abbild, und  2  Tafeln  mehr.  Inhaltlich  sind  viele  und  stellenweise 
wesentliche  Verbesserungen  zu  bemerken.  Neu  sind  die  Ab- 
schnitte: Rauchloses  Pulver  und  Zündhölzer.  Zahlreiche  Unter- 
stützungen aus  Fachkreisen  sind  dem  I[(>rrn  Verf.  zur  Seite  ge- 
wesen. Das  Buch  ist  das  Beste  seiner  Art;  wir  zweifeln  niclit 
daran,  dass  es  —  wie  einst  Wagner's  Technohigie  —  ein  stan- 
ding-work  wird.  Nicht  nur  als  Lehrbuch  für  Studirende,  sondern 
durch  das  sorgfältige  Register  als  Nach.schlagebuch  ist  es  für  die 
W(dtesten  Kreise  und  zwar  nicht  allein  der  Praxis  von  holiem 
Worth. 


Prof.  Dr.  Carl  Neumann,  Beiträge  zu  einzelnen  Theilen  der 
mathematischen  Physik,  insbesondere  der  Elektrodynandk  und 
Ilydroilynamik,  Kh'ktrnstatik  und  magnetischen  Induction.  Mit 
Textfiguren.  B.  (.!.  Teubner.  Leijjzig  1893.  —  Preis  10  M. 
Das  vorliegende  Werk  besteht  aus  eiiu'r  Reihe  unter  ein- 
ander nur  lose  zusammenhängender  Kapitel,  deren  gemeinsames 
Band  die  Beziehung  zur  mathematischen  l'heorie  der  Elektricitiit 
ist.  Nach  des  Verfassers  Meinung  wird  man  in  der  Lehre  von 
der  Elektricität  ebenso  wenig,  wie  in  der  Wärmelehre  die  volle 
Erklärung  auf  Gruiut  bloss  mechanischer  Principieu  jemals  er- 
bringen können,  vielmehr  werden  hier  s])eeifisch  elektrische  Prin- 
cipieu, wie  dort  thermische,  zunächst  zu  suchen  sein.  Die  Auffindung 
jenerelektrischen  (.Irundprincipien  wird  aber  naturgemäss  erleichtert 
werden,  wenn  zuvörderst  die  Consequenzen  bereits  constatirter 
Gesetze,  wie  derer  von  Coulomb,  Poissoii,  Ampere  und  F.  Neu- 
niann,  einem  gründliehen  Studium  unterworfen  werden.  Solchem 
Studium  ist  nun  das  vorliegende  Werk  gewidmet.  Im  ersten 
Kapitel  werden  mathematische  Hilfssätz(^  abgeleitet,  das  zweite 
beschäftigt  sich  mit  der  Elektrodynamik,  das  dritte  und  vierte 
mit  Flächenströuien  und  das  fünfte  mit  Strömen  im  Innern 
und  ander  Oberfläche  von  Körpern.  Alsdann  werden  in  zwei  Ka- 
)>iteln  Gesetze  der  Hydrodynamik  besproclu'n,  um  dii^  von  Kirch- 
liofl'  entdeckten  Analogieen  zwischen  hydrodynamisclien  und  elek- 
trodynamischen Erscheiiuingen  näher  beleuchten  zu  können,  was 
im  acht<'n  Kapitel  geschieht.  Neumann  konnnt  dabei  zu  dem  be- 
merkenswerthen  Resultat,  dass  diese  innnerhin  sehr  interessanten 
Analogieen  tiefere  Gründe  nicht  haben  urjd  nicht  etwa  für  einen 
noch  weiter  zu  erforschemlen  gemeinschaftlichen  Boden  der  beidi>n 
Disciplinen  sprechen.  —  Die  letzten  beiden  Kajdtel  Ijeschäftigen 
sich  mit  den  Gesetzi-n  der  Elektrostatik  und  des  iuducirten  Ma- 
gnetismus. Endlicdi  handelt  ein  rein  mathematischer  Anlunig  noch 
von  der  Verwandlung  eines  gegebenen  Raumes  in  einen  einfach 
zusammenhängenden.  Koerber. 

A.mann,  Apoth.    J.,    Contributious    a  la  tlore   bryologique    de    la 

Suisse.     Bern.     0,(50  M. 
Beck    V.    Mannagetta,    Cust.    Privatdoc.    Dr.    Günther   Kitter, 

Flora  von   Nieder-t  )esterr<'ich.     Wien.     45  M. 
Boettger,    Prof.    Dr.    O.,    Katalog    der    Batracliier-Sammlung    im 
Museum    der  Senekenbergischen  naturforschenden  Gesellscliaft. 
Frankfurt  a.  M.     1   M. 


Bohl,  Piers.,  Uebcr  die  Darstellung  von  Functionen  c.  Variabcln 

durch    trigonometrische  Reihen  mit  mehreren  e.  Variabein  pro- 

])ortiotialiMi  Argumenten.     Jurjew  (Dorp.-it).     1,20  M. 
Bukowski,  Gejza  v.,  Die  levantinische  Mollu.skenfauna  der  Insel 

Rhodus,     Wien.     4  M. 
Christ,    H.,    Les    differentes    formes    de    Polystichum    aculeatuui 

(L.  sub  Polypodio),    leur  groupement  et  leur  dispersion  y  com- 

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hujusque  desc-ript(.irum  systematicus  et  svnonvmicus.    Cvni|jidae. 

Le'ipzig.     i;  M. 
Eder,    Dr.  Jos.  Maria,    u.    Ed.   Valenta,    Ueber   das    Emissions- 

Spectrum  di's  Kohlenstoffes  und  Silieiums.     Wien.     2  M. 
Elten,    Max,     Zur    Kenntniss    der    basischen    Metallsulhte.      Tü- 
bingen.    1,40  M. 
Gallasch,    Hans,    Die    Grundlagen    der    Algebra    im    Kant'schen 

Sinne.     Wien.     1,20  M. 
Gassner,    Fachlehr.  Gust.  Adf.,    Das    Pflanzen-    und   Thierleben 

der  Umgegend   ( iiiiundcns.     (imunden.      1    M. 
Ginzel,  F.  K.,    Untersuchungen    über    die  Bahn   des  Olbers'schen 

Cometen.     Berlin.     2  M. 
Glieb,    Dr.  Jos.,    Kölreuters's    vorliiuflge    Nachricht    von    einigen 

das  Gescddecht  der  PHanzeri  betrefl'enden  Versuchen  und  Beob- 

aiditungen.     L(dpzig.     4  M. 
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Hammer,  E.,    Zeitbestimmung    (Uhr-Kontrole)    ohne   Instrumente 

durcli  Benützung  der  Ergebnisse  einer  Landesvermessung.    Stutt- 
gart.    2  M. 
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Humboldt,  Alex.  v.  u.  J.  F.  Gay  Lussac,  Das  Voluuigesetz  gas- 
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404 


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Hierzu  eine  Beilage  von    der  Verlagsbuchhandlung  Bibliographisches  Institut  in  Leipzig  betreffend:    „Meyers 
Konversations-LexikOM,  .5.  Auflage,"  die  wir  hiermit  besonderer  Beachtung  ein|ifehlen. 

Verantwortlicher  Redakteur:    Dr.  Henry  Potonie,    Berlin  N.  4.,  Invalidenstr.  44,  für  den    Inseratentlieil:    Hugo  Bernstein    in    Berlin.  — 
Verlag:  Ferd.  Dümmiers  Verlagsbuchhandlung,   Berlin  SW.   12.  —  Drnck:  G.  Bernstein,  Berlin  SW.   12 


^^  Redaktion: 

Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12,  Zimmerstr.  94. 


Abonnement :  Man  abonnirt  bei  allen  Buchhandlungen  und  Post- 
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Sonnenstich  und  Hitzschlag. 

Von  Dr.  Karl  L.  Schaefer. 


In  j'edem  Sommer,  besonders  zur  Zeit  der  Trnppen- 
nianöver,  hiirt  man,  dass  bald  bicr  bald  dort  Ofiiciere 
lind  Mannschaften  vom  Hitzschlag  befallen  und  ihm  zum 
Theil  erlegen  sind.  Man  hat  gewiss  mit  Berechtigung 
Hitzschlag  und  Sonnenstich  geradezu  als  eine  Militärkrank- 
heit bezeichnet.  Damit  ist  jedoch  nicht  gesagt,  dass 
beides  nicht  auch  in  anderen  Ständen  und  bei  anderen 
Gelegenheiten  voikäme.  Auch  die  Bedienungsmannschaften, 
vor  Allem  die  Feuerleute  unserer  Kriegsschitfe  und  Ocean- 
dampfer  sind,  wenn  sie  nicht  von  einem  vorsichtigen 
Capitän  und  einem  aufmerksamen  Scliiflfsarzt  davor  be- 
wahrt werden,  öfter  der  (iefahr  des  Hitzschlages  ausge- 
setzt. Bei  dem  unerfahrenen  Touristen,  der  trotz  ^Müdigkeit 
undSonnengluth  vorwärts  strebt,  stellen  sich  zuweilen  wenig- 
stens die  leichteren  Anfangssymptome  des  Hitzschlages  und 
Sonnenstiches  zusammen  ein;  die  des  letzeren  allein  treten 
gelegentlich  bei  dem  Parforceschwimmer,  welcher  den  un- 
bedeckten Kopf  den  blendenden  und  sengenden  Sonnen- 
strahlen darbietet,  auf.  Ein  Opfer  des  echten  Sonnenstichs 
aber  wird  der  Wanderer,  der  bei  windstiller  Luft  am 
Strassengraben  einschläft  und  sich  stundenlang  die  heisse 
Mittagssonne  auf  den  ungeschützten  Kopf  scheinen  lässt. 
Aeussert  sich  schon  die  längere  Einwirkung  der  Licht- 
und  AVärmestrahlen  auf  die  Haut  von  Menschen,  besonders 
Damen  mit  zartem  Teint  als  eine  leichte  Entzündung, 
durch  Röthung,  Brennen  und  spätere  Abschilferung  cha- 
rakterisirt,  so  ist  die  stetig  zunehmende  Erhitzung  der 
behaarten  Schädeldecke  von  noch  weit  schlimmeren  Folgen 
begleitet.  Durch  einfache  Contaetwirkung  theilt  sich  die- 
selbe nämlich  dem  Innern  des  Schädels,  dem  Gehirn  und 
seinen  Häuten  mit.  Wie  überall,  so  ist  auch  hier  zunächst 
eine  Erweiterung  der  Blutgefässe  ein  uothwendiger  Effect 
der  Erwärmung,  und  das  um  so  leichter,  wenn,  wie  ge- 
wöhnlich in  diesen  Fällen,  der  ähnlich  wirkende  Alkohol 
schon  vorgearbeitet  hat.  Die  Erweiterung  der  Blutgefässe 
ist  aber  der  Anfang  einer  Entzündung,  in  diesem  Falle 


also  einer  Gehirnhaut-Entzündung,  und  in  typisch  ausge- 
sprochenen Füllen  von  Sonnenstich  lassen  denn  auch  die 
höheren  Grade  der  Gehiruentzündung.  mit  ihren  Symp- 
tomen, Benommenheit  oder  Delirien,  Krämpfen  und  tödt- 
licher  Lähmung  der  Ganglienzellen,  nicht  lange  auf  sich 
warten. 

Glü-^-klicherweise  ist  der  Sonnenstich  weit  seltener  als 
der  Hitzschlag,  der  deswegen  auch  von  jeher  im  Vorder- 
grunde des  Interesses  gestanden  hat.  Nichtsdestoweniger 
war  sein  Wesen  lange  in  Dunkel  gehüllt.  Mau  theoreti- 
sirte  von  einer  Eindickung  des  Blutes  durch  den  Wasser- 
verlust bei  der  Transpiration  oder  machte  ziemlich  kritik- 
los einfach  die  Uebcranstrengung  für  die  Krankheit  ver- 
antwortlich. Dank  der  physiologischen  Schulung  unserer 
jetzigen  Militärärzte  haben  die  letzten  Decennien  Auf- 
klärung über  die  Entstehung  und  Bedeutung  des  Hitz- 
schlages gebracht.  Er  ist  nichts  anderes  als  ein  acutes 
Fieber  von  zuweilen  ausserordentlicher  Höhe. 

Für  gewöhnlich  lebt  ja  der  Mensch  im  Wärmegleich- 
gewicht, das  heisst,  wir  haben  eine  Körpertemperatur 
von  etwas  über  37°  C,  in  der  Axelhöhlc  gemessen,  und 
werden  durch  complicirtc,  theils  automatische,  theils  re- 
flectorische  Vorgänge  in  unserem  Körper  vor  jedem  üeber- 
schuss  und  jedem  Deficit  geschützt.  Gegenüber  dem  uns 
hier  allein  intercssirenden  Wärmeüberschuss,  der  durch 
kräftige  und  anhaltende  Muskelarbeit,  wie  sie  beispiels- 
weise ein  in  feldniarschmässiger  Ausrüstung  marsehirender 
Soldat  zu  leisten  hat,  geliefert  wird,  stehen  uns  folgende 
Schutzmittel  zu  Gebote.  Zunächst  erweitern  sich  die 
feinsten  Blutgefässe,  die  Capillaren,  der  Haut.  Dadurch 
gelangt  eine  grössere  Menge  Blutes  unmittelbar  an  die 
Körperoberfläche  und  tiiidet  hier  Gelegenheit  zur  Wärme- 
abgabe an  die  umgebende  kühlere  Luft.  Alsdann  be- 
ginnen aber  auch  die  Schweissdrüsen  zu  secerniren;  der 
Schweiss  verdunstet  und  die  Wärme,  welche  bei  dieser 
Verdunstung  verbraucht  wird,  wird  dem  Körper  entzogen. 


406 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  ß8 


Hat  jedoch  diese  bedeutend  abkühlende  Verdunstung-  eine 
Weile  g-edauert,  so  ist  die  den  Körper  umschliessende 
Luftschicht  zwischen  Haut  und  Kleidung  mit  Wasserdanipf 
gesättigt  und  deshalb  nicht  mehr  im  Stande,  weitereu 
Wasserdanipf  aufzunehmen.  DieÖch  weiss  Verdunstung  stockt, 
mit  ihr  die  Abkühlung  und  Avir  sehen  uns  genöthigt,  un- 
.sere  Kleidung  zu  lockern,  um  anderer,  trocknerer  Luft  den 
Zutritt  zur  Haut  zu  ermüglichcn.  Dabei  wird  ein  massiger 
Luftzug  angenehm  emjifunden,  denn  er  beschleunigt  den 
Wechsel  zwischen  körperwarmer,  feuchter  und  kühlerer, 
trockener  Luft  in  der  nächsten  Umgebung  unserer  Haut. 
Von  diesen  Httlfsmitteln  gegen  eine  Ueberhitzung  der 
inneren  Organe  kann  nun  der  marschirende  Soldat  nicht 
innucr  Gebrauch  machen.  Die  dicken  und  vorwiegend 
dunklen  Uniformstücke  brauchen  nur  kurze  Zeit  den  di- 
recten  Sonnenstrahlen  ausgesetzt  zu  sein,  um  eine  Tempe- 
ratur anzunehmen,  die  die  Körperwärme  erheblich  über- 
schreitet. Alsdann  kann  von  einer  Wärmeabgabe  natür- 
lich nicht  mehr  die  Kede  sein,  und  auch  die  dem  In- 
fanteristen vorschriftsmässig  gestatteten  Erleichterungen 
ermöglichen  diese  nur  in  ganz  ungenügendem  Maasse, 
wenn  Windstille  herrscht  und  die  Luft  verhältuissmässig 
feucht  ist.  Unter  solchen  Umständen  sind  die  Truppen 
schon  nach  kurzer  Marschzeit  geradezu  von  einer  Hülle 
von  Wasserdampf  umgeben,  die  eine  weitere  Schweiss- 
verdunstung  verhindert  und  die  Mannschaften  fortwährend 
begleitet.  Dauert  inzwischen  die  Wärmezufuhr  fort,  so 
muss  sich  demnach  die  Körpertemperatur  fortwährend  er- 
höhen. Sie  steigt  auf  39°,  40°  und  darüber,  und  nun 
beginnt  der  schädigende  Einfluss  auf  das  Centralncrven- 
system.  Wie  immer,  erlahmen  zunächst  die  eomplicirteren 
geistigen  Vorgänge;  das  Interesse  an  Gesang,  Unterhal- 
tung und  Umgebung  hört  auf  und  die  seelische  Thätigkeit 
beschränkt  sich  auf  die  eigenen  körperlichen  Leistungen. 
Allmählich  wird  das  Fortbewegen  des  Körpers  immer 
schwerer,  Willenskraft  und  Muskelinnervation  lassen  nach, 
die  Sinnesorgane  beginnen  ihre  Thätigkeit  einzustellen,  und 
die  Hirnrinde  fängt  an  auf  die  Erhitzung  mit  Hallucina- 
tioneu  zu  reagii-en.     In   der  Regel  machen  alsdann  auch 


sehr  bald  Bewusstlosigkeit  mit  oder  ohne  Convulsionen  dem 
Weitermarsch  ein  Ende. 

In  diesem  Stadium,  das  übrigens  zuweilen  auffal- 
lend schnell  und  intensiv  eintritt,  ist  das  Leben  äusserst 
bedroht  und  die  Hirnfunction  so  schwer  geschädigt,  dass 
oft  später  nach  scheinbarer  Wiederherstellung  doch  noch 
der  Tod  eintritt.  Es  ist  daher  nunmehr  schleunige  Wärme- 
entziehung geboten.  Man  pHegt  zu  diesem  Zweck  den 
Erkrankten  mit  kaltem  Wasser  zu  begiessen  und  ihm 
Kälte  auf  den  Kopf  zu  apphciren.  Allein  man  hat  hier- 
bei oft  genug  Verschlimmerungen  gesehen,  und  dies  ist 
auch  theoretisch  wohl  verständlich.  Die  Kälte  zieht  näm- 
lich die  Hautgefässe  energisch  zusammen;  das  Blut  wird 
also  nach  dem  Innern  zurückgedrängt  und  kann  seine 
Wärme  nun  erst  recht  nicht  abgeben.  Ausserdem  wird 
aber  auf  diese  Weise  dem  schon  sehr  geschwächten  Herz- 
muskel auch  noch  das  liiudurchtreibeu  des  Blutes  durch 
die  (Tcfässe  bedeutend  erschwert,  denn  die  contrahirten 
Capillaren  setzen  natürlich  dem  Blutstrom  einen  beträcht- 
lichen Widerstand  entgegen.  Es  werden  daher  neuerdings 
lauwarme  protrahirte  Bäder  gegen  die  Symptome  des 
Hitzschlages  empfohlen.  Diese  sind  indessen  nicht  über- 
all sofort  zu  haben,  und  auf  Manövermärschen  ist  das 
Wasser  wohl  überhaupt  selten  sogleich  in  genügender 
Menge  zu  beschaffen.  Es  dürfte  daher  auch  hier  die 
Prophylaxis,  die  Verhütung  des  Uebels,  das  sicherste  und 
beste  Mittel  sein. 

Wie  wohl  aus  dem  Vorstehenden  zur  Genüge  hervor- 
geht, verfällt  man  dem  Hitzschlag  weder  in  Folge  einer 
körperlichen  „Schlap])heit"  noch  einer  moralischen  Wider- 
standsschwäche gegenüber  körperlichen  Strapazen.  Mit 
demselben  Rechte  könnte  man  einem  durch  Kohlendunst 
Erstickten  „Schlappheit"  seiner  Athemmuskeln  nachsagen! 
Der  Hitzschlag  entsteht  aus  äusseren,  vom  menschlichen 
Körper  nicht  compensirbareu  physikalischen  Schädlich- 
keiten, und  es  kann  daher  nicht  dringend  genug  davor 
gewarnt  werden,  die  ersten  leichten,  aber  unverkennbaren 
Symptome  aus  falschem  Ehrgeiz  zu  vernachlässigen  und 
trotzdem  den  Weitermarsch  forciren  zu  wollen. 


Die  Cholera  in  Deutschland  während  des  Winters  1892  bis  1893. 

Wörtliche  Auszüge  aus  einem  Artikel  von 

Prof.    R.    Koch 

in  der  Zeitschrift  für  Hygiene  und  Infectionskrankheiten. 


Bereits  früher  habe  ich  darauf  aufmerksam  gemacht, 
dass  die  Cholera  bei  ihren  Ausbrüchen  zwei  ganz  ver- 
schiedene Typen  zeigt.  Der  eine  besteht  in  einem  ex- 
plosionsartigen Verlaufe.  Die  graphische  Darstellung  eines 
solchen  Ausbruchs  giebt  eine  Curve  mit  steil  ansteigendem, 
hoch  hinaufgehenden  ersten  Schenkel  und  fast  ebenso 
steil  abfallendem  zweiten  Schenkel.  Der  zweite  Typus 
erscheint,  gra]>hisch,  dargestellt  dagegen  wie  eine  nur 
wenig  über  die  Grundlinie  sich  erhebende  Curve.  Ham- 
burg zeigt  diese  beiden  Typen  in  seinen  letzten  Epide- 
mieen  in  einer  geradezu  extremen  Form.  Die  Curve 
der  Sommerepidemie  erseheint  wie  ein  sehr  hohes  und 
spitzes  Dreieck  mit  ganz  schmaler  Basis,  die  Curve  der 
Nachepidemie  erhebt  sieh  so  wenig  über  die  Basis  hinaus, 
dass  sie  mit  letzterer  fast  zusammenfällt. 

Der  erste  Typus  kommt  dadurch  zu  Stande,  dass  der 
Infectionsstoff  auf  einmal  und  gleichmässig  über  den  be- 
fallenen Ort  ausgestreut  wird.  Es  muss  dann  eine  Epi- 
demie entstehen,  welche  explosionsartig  verläuft  und  in 
graphischer  Darstellung  eine  um  so  höhere  und  steilere 
Curve     bildet,    je    grösser    die    Menge    des    gleichsam 


ausgesäten  Infectionsstoffes  war.  Bedingung  für  diesen 
Typus  der  Epidemie  ist  aber,  dass  die  örtliche  Verthei- 
lung  der  Erkrankungsfälle  eine  einigermaassen  gleich- 
massige  ist  und  dass  die  einzelnen  Fälle  keinen  unmittel- 
baren Zusanmienliang  untereinander  erkennen  lassen. 
Allerdings  darf  man  sich,  selbst  wenn  dieser  Typus  am 
reinsten  auftritt,  die  Vertheilung  nicht  zu  gleichmässig 
und  zu  schematisch  vorstellen.  Denn  die  Aussaat  wird 
wohl  kaum  jemals  eine  ganz  gleichmässige  sein  und  auch 
der  Boden,  auf  welchen  sie  fällt,  ist  nicht  in  allen  seinen 
Theilen  in  gleicher  Weise  geeignet,  den  Keim  zur  Ent- 
wickelung  zu  bringen.  Es  werden  individuelle  Disposition, 
Reinlichkeit,  Ernährung,  Bevölkerungsdichtigkeit,  mancher- 
lei Lebensgewohnheiten  u.  s.  w.  einen  nicht  zu  unter- 
schätzenden Einfluss  ausüben.  Eine  gleichmässige  Aus- 
saat, wie  sie  bei  diesem  Typus  vorausgesetzt  wird,  kann 
nur  durch  etwas  zu  Stande  kommen,  was  auf  alle  oder 
doch  die  meisten  Bewohner  eines  Ortes  zu  gleicher  Zeit 
wirken  kann,  wie  Luft,  Wasser,  Boden,  Nahrungsmittel. 
Aber  weder  Luft  noch  Boden,  noch  Nahrungsmittel  konnten 
bisher  als  Vermittler  explosionsartiger  Cholera-Ausbrüche 


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nachgewiesen   werden.     Auch  Insecten,    an   welche   man 
mit    Recht    gedacht    hat,    können    hier    nicht    in    Frage 
konnnen;  da  Cliolcraexplosionen  gar  nicht  so  selten  in  der 
kalten  .Jahreszeit  vorkommen,  wo  die  Uebertragung  durch 
Insecten  bestimmt  ausgeschlossen  ist.     Kleinere  Gruijpen- 
erkrankungen  mögen  durch  inficirte  Nahrungsmittel  wohl 
vorkommen  und  es  ist   auch  nicht  zu  bestreiten,   dass  In- 
secten durch  Verschleppung  des  Infectionsstoffes  auf  Nah- 
rungsmittel hierbei    eine  Rolle   spielen  können;    aber   die 
plötzliche  Infection   ganzer  Ortschaften,    wie   wir   sie   bei 
der  Cholera  so  oft  erleben,   lassen    sich   auf  diese  Weise 
nicht  erklären.     Es  bleibt  also  nur  das  Wasser;  und  das 
dieses  in  der  That   der  Träger   des  Cholerakeimes  nicht 
nur  für  einzelne  Gruppen   in  der  Bevölkerung   einer  Ort- 
schaft,   sondern   für  ganze  Ortschaften   und   selbst  ganze 
Städte   sein  kann,    haben  frühere  Epidemieen    und  ganz 
besonders  wieder   die   jetzige   an   den  Choleraausbrüchen 
in    Hamburg,     Altona    und    Nietleben    bewiesen.      Aber 
gerade  gegen  die  Annahme,  dass  der  Infectionsstoflf  durch 
das  Wasser  verschleppt  wird,  hat  mau  den  Einwand  ge- 
macht, dass  die  Vertheilung  der  Krankheit  in  solchen  Epide- 
mieen eine  zu  ungleiehmässige  gewesen  sei;    das  inficirte 
Wasser  gelange  doch  in  alle  Haushaltungen  und  trotzdem 
finde  man  Häuser  und  ganze  Strassen  in   dem  mit  solchem 
Wasser  versorgten  Gebiet,    welche  wenig  oder  gar  nicht 
von  Cholera  ergriflen  wurden;  es  müssten  doch  eigentlich, 
wenn  das  Wasser  die  Ursache  sei,  alle  Menschen,  welche 
damit  in  Berührung  kommen,    nach   einem  gewissen  Pro- 
centsatz ergriffen  sein.     Diese  Voraussetzung  würde  aller- 
dings  dann    richtig    sein,    wenn   das   Choleragift  ein    im 
Wasser    aufgelöster,    ganz    gleichmässig    vertheilter  Stoff 
wäre,    wenn    alle    erkrankten    Menschen    genau    gleiche 
Mengen   davon    zu    sich   genommen    hätten   nnd   die  Em- 
pfänglichkeit für  das  Gift  bei  allen  Menschen  gleich  gross 
wäre.    Aber  wir  wissen  doch  zur  Genüge,  dass  nicht  eine 
einzige  dieser  Bedingungen  zutrifft.     Es  besteht  unzweifel- 
haft, wie  auch  ganz  besonders  von  bakteriologischer  Seite 
von  jeher  ^hervorgehoben  ist,  eine  grosse  Verschiedenheit 
in    der  individuellen  Disposition    für  Choleraerkrankung. 
Ferner  braucht  wohl  kaum  darauf  hingewiesen  zu  werden, 
dass  die  Möglichkeit  der  Infection  durch  Wasser  für  ver- 
schiedene Menschen  eine  sehr  verschiedene  sein  muss,  je 
nach  ihren  Beziehungen  zumWasser.  Der  eine  geniesst  über- 
haupt kein  Wasser,  er  kommt  nur  indirect  durch  die  Ver- 
wendung des  Wassers  im  Haushalt  damit  in   Berührung 
und   er   ist  somit   der  Gefahr   der  Infection  entsprechend 
weniger  ausgesetzt,  als  ein  anderer,  welcher  das  AVasser 
trinkt.     Aber   auch  in  Bezug    auf  den   letzteren   wird   es 
nicht   gleichgültig   sein,    ob    er    viel   oder  wenig  Wasser 
trinkt,  zu  welcher  Zeit  er  es  trinkt,    ob   bei  leerem  oder 
gefülltem   Magen,    ob   seine  Magen-  und  Darmfunetionen 
gleichzeitig  in  Ordnung  sind  oder  nicht,   ob  Excesse   be- 
gangen u.  s.  w.    Auch  die  Vertheilung  des  Infectionsstoffes, 
d.    h.    der    Cholerabaeterien    im   Wasser,    ist   allem    An- 
scheine   nach    nicht    so,     wie     man    vielfach     annimmt. 
Die    neuesten    bakteriologischen    Untersuchungen     lassen 
erkennen,    dass    die  Cholcrabaktcrien  vielleicht    nur  aus- 
nahmsweise  in  grösserer  Menge  im  Wasser  vorkommen, 
und  es  ist  deswegen  durchaus  nicht  nothwendig,   dass  in 
jedem  Tropfen  oder  in  jedem  Schluck   inficirten  Wassers 
Cholcrabaktcrien  enthalten    seien.     Es    ist  auch  sehr  die 
Frage,  ob  sie  von  Anfang  an  ganz  gleichmässig  in   dem 
Wasser   vertheilt    sind    oder,  wenn   sie    dies   sind,    auch 
bleiben.    Man  kann  sich  wohl  denken,  dass  sie  ebenso  wie 
andere    Bakterien    gelegentlich    an    festen  Gegenständen, 
z.  B.  der  Innenwand    einer    Rohrleitung,    festhaften,  was 
besonders  dann  der  Fall  sein  wird,  wenn  die  Bewegung 
des  Wassers  vorübergehend  oder  dauernd  verlangsamt  ist. 
Sie  können    dann    an   der  Stelle,  wo  sie    sich  festgesetzt 


haben,  zu  Grunde  geben,  nnter  günstigeren  Verhältnissen 
sich  aber  auch  vermehren,  oder  durch  stärkere  Strömungen 
wieder  losgerissen  werden.  Ucbcrhaupt  muss  die  ungleich- 
massige  Bewegung  des  Wassers  in  einem  Leitungsnetz 
einen  erhebliclicn  Einfluss  auf  die  Beförderung  der  Cho- 
lerabaktcrien  ausüben,  und  es  kann  allein  dadurch  schon 
bewirkt  werden,  dass  in  einem  Robrstrang  viele,  in  einem 
anderen  Strang  wenige  Cholerabakterien  in  die  ange- 
schlossenen Häuser  gespült  werden.  Sind  dann  zufällig 
noch  diese  Häuser  von  Wohlhaltenden  bewohnt,  welche  in 
F'olge  ihrer  Lebensgewohnheiten  an  und  für  sich  der 
Cholera  wenig  Angriffspunkte  bieten,  dann  kann  es  kom- 
men, dass  ganze  Häuserreihen,  selbst  Strassen  von  der 
Krankheit  verschont  bleiben,  ohne  dass  man  berechtigt 
wäre,  daraus  einen  Beweis  gegen  die  Annahme  der  Wasser- 
infection  abzuleiten. 

Der  zweite  Typus  der  Cholera  unterscheidet  sieh  von 
dem  ersten  nicht  allein  durch  die  Gestalt  der  Curve,  son- 
dern auch  durcii  einige  andere  charakteristische  Eigen- 
schaften. Die  Vertlieilung  der  einzelnen  Fälle  ist  bei  dem- 
selben keine  glcichmässige;  es  bilden  sieh  in  ganz 
ausgesprochener  Weise  Herde,  an  denen  sich  die  Krank- 
heit einnistet.  An  einem  solchen  Herde  entstehen  auch 
nicht  plötzlich  viele  Fälle,  sondern  sie  folgen  einander, 
bilden  gewissermaasscn  Ketten  und  es  lässt  sich  sehr  oft 
ein  unmittelbarer  Zusammenhang  zwischen  den  einzelnen 
Fällen  des  Herdes  ermitteln.  Es  erkrankt  z.  B.  zuerst 
ein  von  auswärts  gekommener  Mensch,  nach  wenigen 
Tagen  das  eine  oder  andere  Mitglied  der  Familie,  in 
welcher  der  Erkrankte  verpflegt  wurde,  dann  rasch  hinter- 
einander, oft  aber  auch  in  längeren  Pausen,  weitere  An- 
gehörige der  Familie,  Bewohner  desselben  Hauses,  Nach- 
barn, Menschen,  welche  in  dem  verseuchten  Hause  ver- 
kehren u.  s.  w.  Von  dem  ersten  Herde  kömnen  durch 
Verschleppung  neue  Herde  in  anderen  Stadttheilen,  in  be- 
nachbarten Orten  ausgehen,  in  denen  wiederum  ketten- 
förmig aneinandergereihte  Fälle  eine  mehr  oder  weniger 
grosse  Gruppenerkrankung  ausmachen. 

Auch  hier  darf  man  nicht  verlangen,  dass  in  der  Kette 
der  Erkrankungen  jedes  einzelne  Glied  deutlich  erkennbar 
sein  muss.  Es  ist  unmöglich  den  Verkehr  der  Menschen 
untereinander  l>is  in  seine  feinsten  Fäden  blosszulegen  und 
jede  Person  herauszufinden,  die  mit  einem  Cholerakranken 
direct  oder  indirect  in  Berührung  gekommen  ist.  Würden 
die  einzelnen  Cholerafälle  von  vornherein  so  schwer  ver- 
laufen, dass  sie  sämmtlich  zur  ärztlichen  Kenntniss  kom- 
men müssten,  würde  die  Ansteckungsfähigkeit  der  Cholera- 
kranken  mit  der  Ueberstehung  des  Choleraanfalles  beendigt 
sein  und  geschähe  die  Ansteckung  nur  durch  unmittel- 
baren Contact,  dann  würden  allerdings  trotz  der  verwickelten 
Beziehungen  des  Verkehrs  mit  Hülfe  der  bakteriologischen 
Diagnose  mit  nur  wenigen  Ausnahmen  die  einzelnen 
Kettenglieder  herauszufinden  sein. 

Aber  wir  wissen  jetzt,  dass  unter  den  Cholerainficirten 
neben  schweren  auch  Erkrankungen  so  leichten  Grades 
vorkommen,  dass  sie  in  der  Regel  unerkannt  bleiben;  wir 
wissen  ferner,  dass  der  eigentliche  Choleraanfall  nur  den 
am  meisten  in  die  Augen  fallenden  Theil  der  Erkrankung 
bildet,  und  dass  sowohl  vor  als  nach  demselben  der  In- 
fectionsstoff  in  den  Ausleerungen  der  Kranken  enthalten 
sein  kann,  also  zu  einer  Zeit,  wo  diese  Menschen  für  den 
Verkehr  noch  nicht  verdächtig  oder  schon  wieder  als  un- 
verdächtig gelten.  Schliesslich  kommt  noch  in  Betracht, 
dass  die  Uebertragung  durchaus  nicht  immer  unmittelbar 
von  dem  Cliolerakranken  ausgeht,  sondern  viel  häufiger 
noch  durch  Wäsche,  Kleider,  Betten,  Nahrungsmittel,  In- 
secten u.  s.  w.  auf  indirectem  Wege  zu  Stande  kommt. 
Wenn  man  dies  Alles  berücksichtigt,  dann  wird  man  es 
gewiss  erklärlieh  finden,  dass  zwar  in  einer  dünn  gesäten 


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Bevölkerung  auf  dem  Lande  mit  wenig  complicirten  Ver- 
kchrsverhältnisscu  der  Zusammenhang  zwischen  den  ein- 
zelnen Fällen  noch  ziemlich  vollständig  gefunden  wird, 
dass  es  aber  in  grösseren  Städten  nur  hin  und  wieder  ge- 
lingt, die  Zusammengehörigkeit  der  Glieder  einer  solchen 
vielfach  verschlungenen,  oft  auch  in  Verästelungen  aus- 
laufenden Kette  zu  ermitteln.  Ganz  besonders  wird  der 
Ucberblick  über  diese  Art  der  Choleraverbreitung  dadurch 
erschwert,  dass  sie  sich  fast  ausschliesslich  auf  die  un- 
tersten dicht  zusammengedrängten  und  fortwährend  fluc- 
tuirenden  Schichten  der  IJevülkerung  beschränkt,  und  nur 
hier  und  da  einmal  auf  die  besser  Situirten  übergreift. 
Und  doch  lässt  sich  dieser  Typus  der  Cholera  ziemlich 
leicht  an  der  tleckwcisen,  herdförmigen  Gru])pirnng  der 
Cholerafälle  erkennen.  Bei  sorgfältigem  Nachforschen 
findet  man  in  solchen  Fällen  regelmässig  Choleranester, 
in  denen  die  Einschleppung  und  das  weitere  schrittweise 
Umsichgreifen  deutlich  hervortritt. 

Es  würde  nun  aber  irrig  sein,  anzunehmen,  dass  die 
Cholera  inmier  nur  den  einen  oder  den  anderen  der  beiden 
Typen  einhalten  muss;  denn  es  liegt  doch  auf  der  Hand, 
dass  beide  miteinander  combinirt  sein  können,  oft  genug 
sogar  combinirt  sein  müssen.  So  wird  namentlich  der 
erste  Typus,  welcher  meistens  Anfangs  rein  auftritt,  sich 
im  weiteren  Verlaufe  mit  dem  zweiten  Typus  combiniren 
und  schliesslich  ganz  in  denselben  übergehen.  Auch 
kommt  es  vor,  dass  die  Ortsepidemie  mit  dem  zweiten 
Tj'pus  beginnt,  bis  der  Infectionsstotf  zufällig  seinen  Weg 
in  das  Wasser  findet  und  dann  je  nach  der  Art  der 
Wasserversorgung  kleine  umschriebene  Esplosionen  be- 
wirkt, oder  einen  ganzen  Bezirk,  unter  Umständen  auch 
den  ganzen  Ort  plötzlich  inticirt. 

Auch  das  darf  nicht  unerwähnt  bleiben,  dass  die  Ge- 
stalt der  Choleracurve  allein  nicht  ausschlaggebend  für 
den  einen  oder  anderen  Typus  ist.  Es  kann  die  Curve 
sehr  niedrig  bleiben  und  doch  eine  Wasserepidemie  vor- 
liegen; wenn  nämlich  die  Aussaat  der  Cholerabakterien 
durch  das  Wasser  nur  eine  sehr  dünne  ist.  Andererseits 
ist  auch  nicht  ausgeschlossen,  dass  viele  und  fast  gleich- 
zeitig entstandene  Herde  der  Curve  eine  Gestalt  geben 
können,  welche  sich  derjenigen  des  ersten  Typus  mehr 
oder  weniger  nähert,  so  dass  der  zweite  Typus  die  äussere 
Form  des  ersten  Typus  annehmen  kann.  Man  darf  eben 
bei  der  Beurtheilung  von  Choleraepidemiecn,  wenn  man 
Irrtliümcr  veiineiden  will,  nicht  in  das  Schematisiren  ver- 
fallen, sondern  muss  jede  einzelne  Ortsepidemie  für  sich 
untersuchen,  um  entscheiden  zu  können,  wie  viel  davon 
dem  einen  oder  dem  anderen  Typus  angehört.  Die  jetzige 
Epidemie  hat  uns  in  dieser  Beziehung  ausserordentlich 
lehrreiche  Beispiele  geliefert. 

So  gehörte  die  Hamburger  Sommerepidemie  in  ihrem 
ersten  Theile  ausschliesslich  dem  ersten  Typus  an.  Von 
Anfang  an  waren  die  Erkrankungen  ohne  Zusammenhang 
und  wiesen  zuerst  auf  den  Hafen  als  einzige  Infections- 
quelle  hin.  Wegen  der  J5eziehungen  der  Wasserver- 
sorgung Hamburgs  zur  Elbe  und  indirect  zum  Hafen 
niusste  schon  damals  eine  allgemeine  Explosion  befürch- 
tet werden,  welche  leider  auch  nicht  ausgeblieben  ist. 
Gegen  Ende  ging  dann  die  Epidemie  in  den  zweiten 
Typus  über. 

Die  Hamburger  Winterepidemie  dagegen  hat  sich 
während  ihrer  ganzen  Dauer  fast  rein  in  der  Form  des 
zweiten  Typus  gehalten.  Sie  hatte  von  vornherein  die 
Neigung  zur  Herdbildung. 

Einer  dieser  Herde  hatte  seinen  Sitz  in  der  Neustadt, 
ein  zweiter  im  Stadttheil  St.  Georg  und  der  dritte  in  der 
Vorstadt  St.  Pauli.  Ol)  alle  drei  Herde  in  Zusannnenliang 
stehen,  hat  sich  nicht  ermitteln  lassen.  Es  ist  alter  auch 
nicht  wahrscheinlich,  dass  dies  der  Fall  gewesen  und  dass 


die  Krankheit  etwa  von  dem  ersten  Herd  in  der  Neustadt 
nach  St.  Georg  und  St.  Pauli  verschleppt  ist.  Es  hat 
vielmehr  den  Anschein,  dass  die  beiden  ersten  aus  un- 
entdeckt  gebliebenen  Nachzüglern  der  Sommerepidemie 
hervorgegangen  sind.  Die  Sommerepidemie  war,  wie 
bereits  früher  angegeben  ist,  am  23.  Oktober  beendet. 
Aber  am  9.  und  11.  November  wurden  noch  Fälle  von 
echter  Cholera  constatirt  und  diese  werden  wohl  nicht 
die  einzigen  gewesen  sein.  Wenn  also  am  6.  December 
die  Nachepideniie  ihren  Anfang  nahm,  so  war  kein 
grösserer  Zwischenraum  zwischen  den  beiden  Hamburger 
E])idenneen  als  höchstens  vier  Wochen,  und  da  ist  es 
wohl  nicht  nothwendig,  an  eine  neue  Einschlej)ituug  zu 
denken.  Ich  wüsste  auch  nicht,  woher  die  Cholera  ein- 
geschleppt sein  sollte,  da  sie  zu  jener  Zeit  überall  er- 
loschen war. 

Ob  die  Erkrankungen  in  St.  Pauli  als  Herd  zu  be- 
zeichnen sind,  kann  bezweifelt  werden.  Einige  von  ihnen 
sind  höchst  wahrscheinlich  auf  Altona  zurückzuführen, 
andere  stehen  möglicher  Weise  mit  dem  Herd  in  der  Neu- 
stadt in  Beziehung,  so  dass  nur  sehr  wenig  übrig  bleibt. 

Sehr  charakteristisch  ist  für  die  Nachepidemie,  dass 
die  Erkrankten  ausnahmslos  den  untersten  Volksschichten 
angehrirten.  Es  waren  zum  Theil  arbeits-  und  obdachlose 
Menschen,  Alkoholiker,  welche  in  Bettlerherbcrgen  und 
Branntweinschänkcn  hausten;  umherziehende  lläniller, 
welche  Streichhölzer,  Wurst  oder  dergleichen  verkauften 
und  durch  ihr  Gewerbe  ebenfalls  in  jene  Localc  geführt 
wurden;  einzelne  Matrosen,  Hafenarbeiter,  Polizei- 
gefangene n.  s.  w.  ]\Iit  Ausnahme  von  acht  Fällen  Hessen 
sich  überall  Beziehungen  zu  solchen  Personen  nachweisen, 
welche  vorher  an  Cholera  erkrankt  waren  und  von  denen 
sie  direct  oder  indirect  inficirt  sein  koimten.  Dieser  Nach- 
weis ist  allerdings  nur  der  überaus  gründlichen  Unter- 
suchung zu  verdanken,  welche  die  Sanitätspolizei  auf 
jeden  einzelnen  Fall  verwendet  hat.  Eine  oberflächliche 
Untersuchung,  wie  sie  früher  unter  ähnliehen  Verbältnissen 
üblicli  war,  hätte  den  Zusammenhang  gewiss  niclit  heraus- 
gefunden, und  es  wäre  zu  den  vielen  scheinbaren  Cholera- 
räthseln  aus  früheren  Zeiten  ein  neues  hinzugekonnnen. 

Irgend  eine  gemeinsame  Ursache,  wie  Einfluss  des 
Bodens,  Wassers  oder  dergleichen  konnte  während  dieser 
Epidemie  mit  Sicherheit  ausgeschlossen  werden.  Die 
Wasserleitung  konnte  nicht  in  Frage  kommen,  da  der 
Cholerabezirk  sich  nicht  wie  im  Sommer  mit  dem  Bereich 
der  Wasserleitung  deckte.  Der  Boden  hätte  insofern  ver- 
dächtig erscheinen  können,  als  die  Krankheit  mit  einzelnen 
Localitäten  verknüpft  war.  Doch  konnte  auch  hierbei 
niclit  der  Ort  das  Maassgebende  sein,  sondern  die  auf 
demselben  befindlichen  Menschen,  weil  immer  sofort  nach 
Entfernung  der  Kranken  und  Verdächtigen  die  Krankheit 
aufhörte.  Hätte  das  inficirendc  Agens  an  der  Localität 
gehaftet,  dann  hätten  trotz  der  Beseitigung  der  inficirteu 
Menschen  weitere  Erkrankungen  unter  den  ungehindert 
in  den  betreffenden  Häusern  Verkehrenden  vorkommen 
müssen.  Es  bleilit  also  nur  übrig,  an  Uebertragung  von 
Mensch  zu  Mensch  zu  denken.  Für  diese  Auffassung 
spricht  auch  entschieden  die  kettenförmige  Verbindung 
der  meisten  Fälle.  Dabei  ist  aber  innner  wieder  daran 
zu  erinnern,  dass  die  Cholerainfection  sich  ganz  anders 
verhält,  wie  diejenige  von  Pocken,  Masern  u.  s.  w.,  bei 
denen  schon  der  einfache  Contact  oder  selbst  der  vorüber- 
gehende Aufenthalt  in  den  Krankenräumen  genügt,  um 
die  lufcction  zu  Stande  kommen  zu  lassen.  Eine  solche 
unmittelbare  Uebertragung  tritt  nur  gelegentlich  auf  und 
ist  wohl  nur  da  anzunehmen,  wo  in  einer  Familie  hinter- 
einander mehrere  Cholerafälle  entstehen,  welche  durch 
eine  dem  lucubationsstadium  entsprechende  Zeit  von  ein- 
ander getrennt  sind.    Etwas  dem  Entsprechendes  ist  auch 


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in  der  Hamburger  Nachepideniie  vori;-ekonnHen,  indem  in 
zwei  Familien  je  vier  Personen  an  Cholera  erkrankten. 
Im  üebrigen  scheint  die  Infeetion  immer  eine  indirecte 
gewesen  v.n  sein,  ohne  dass  sich  erkennen  liess,  auf 
welchem  Umwege  der  Infectionsstofif  von  dem  einen 
Menschen  zum  andern  gelangt  war.  Dies  Verhalten  der 
Cholera  erinnert  ganz  an  das  auf  Auswanderer-,  Pilger- 
und  Truppcntransportsehiffen  Beobachtete,  auf  denen  unter 
den  dicht  zusammengedrängten  und  in  schlechten  sanitären 
Vcrliältnisscn  betindlichcn  Menschen  die  Krankheit  wochen- 
lang in  lose  aneinander  gcreiliten  Fällen  sich  hinzog. 
Eins  der  am  meisten  charakteristischen  Beispiele  dieser 
Art  ist  die  Choleraepidemie  auf  dem  italienischen  Aus- 
wandererschiffe Matteo  Bruzzo. 

Wenn  das  Wasser  in  der  Nachepidemie  anch  nicht 
als  gemeinsam  wirkender  Factor  zur  Geltung  gckonmien 
ist,  so  hat  es  doch  seinen  mächtigen  Einfluss  auf  die 
Cholera  Verbreitung  nicht  ganz  verleugnen  können;  denn 
liei  dem  Ausbruch  der  Cholera  nnter  den  Mannschaften 
von  zwei  Schitfen,  welche  im  Hamburger  Hafen  lagen, 
ist  es  unzweifelhaft  betlieiligt  gewesen. 


Das  erste  dieser  lieiden  Schiffe  war  der  spanische 
Dami)fer  Murciano,  welcher  Anfangs  am  Asiaquai  in  der 
Nähe  eines  Closets  lag,  das  von  einem  an  Cholera  er- 
krankten Hamburger  Arbeiter  benutzt  sein  soll.  Am 
8.  Januar  mussten  zwei  Leute  vom  i\[urciano  als  cholera- 
krank in's  Hosjntal  geschafft  werden;  die  übrige  Mann- 
schaft wurde  darauf  evaeuirt,  und  es  fanden  sich  unter 
derselben  bei  genauerer  Untersuchung  noch  vier  weitere 
Cholerafälle.  Darauf  brachte  man  den  Murciano  nach 
dem  Htrandhafen,  wo  die  Desiufection  vorgenonunen  und 
die  eingefrorenen  Closets  des  Schiffes  aufgethaut  wurden. 
An  dieser  zweiten  Stelle  lag  er  neben  dem  Dampfer 
Gretchen  Bohlen,  unter  dessen  ans  Negern  bestehender 
Besatzung  am  iö.  Januar  (drei  Tage,  nachdem  der 
Murciano  daneben  gelegt  war)  die  Cholera  ausbrach. 
Auch  von  diesem  Schiffe  kamen  ebenso  wie  vom  Murciano 
Anfangs  zwei  schwerkranke  Leute  in's  Krankenbaus  und 
erst  bei  weiterer  Untersuchung  wurden  noch  vier  leichte 
Cholerafälle  entdeckt. 

Als  die  ersten  Fälle  auf  dem  Murciano  auftraten, 
dachte  mau  zunächst  an  eine  Lifection  durch  das  er- 
wähnte Closet,  und  zwar  an  eine  unmittell»are  Infeetion 
durch  die  Benutzung  des  Closets.  Gegen  diese  Annahme 
sprach  jedoch  der  Umstand,  dass  von  den  24  Personen, 
aus  denen  die  Mannschaft  bestand  und  von  denen  gar 
nicht  einmal  sicher  war,  dass  sie  das  am  Ufer  befindliche 
Closet  benutzt  hatten,  sofort  sechs  Leute  erkrankten, 
während  nnter  den  zahlreichen  am  Ufer  verkehrenden 
Hafenarl)eiteru,  die  ebenfalls  auf  das  Closet  angewiesen 
waren,  sich  kein  Cholerafall  ereignete.  Viel  wahrschein- 
licher musste  es  sein,  dass  die  Lifection  nicht  direct  durch 
Benutzung  des  Closets,  sondern  indirect  in  der  Weise  zu 
Stande  gekommen  war,  dass  der  Closetinhalt  in  das  Hafen- 
wasser geflossen  und  durch  dieses,  das  vielfach  im 
Schiffe  zum  Trinken  und  Reinigen  gebraucht  wurde,  die 
Mannschaft  inficirt  hatte.  Die  einzelnen  Quais  des  Ham- 
burger Hafens  haben  nämlicli  Siele,  welche  nicht  mit  dem 
städtischen  Canalisationssystem  verbunden  sind,  sondern 
jedes  für  sich  am  Ende  des  Quais  in  den  Hafen  münden. 
Alle  Schmutzwässer  dieser  Siele,  also  auch  der  Lihalt 
der  zu  ihnen  gehörigen  Spülclosets  geht  in  die  Elbe  und 
wird  bei  Ebbe  und  Fluth  neben  den  am  Quai  liegenden 
Schiffen  hin  und  her  geschwemmt.  Auf  diese  Weise 
konnte  auch  der  Inhalt  des  fragliclien  Spülclosets  und 
etwa  in  dieses  gelangte  Choleradejectionen  durch  Ver- 
mittelung  des  Wassers  auf  ziendich  kurzem  Wege  in  das 
Schiff  gelangt  sein. 

Man  bat  es  hier  mit  ganz  denselben  Verhältnissen  zu 


thun,  welche  höchst  wahrscheinlich  die  Choleraepidenne 
im  vorhergehenden  Sommer  im  Hamburger  Hafen  zum 
Ausbruch  gebracht  liaben.  Damals  war  es  die  Baracke 
der  russischen  Auswanderer  auf  dem  Amerikaquai,  von 
welcher  aus  durch  das  Siel  des  Quais  ganz  ungenügend 
desintieirte  oder,  richtiger  gesagt,  undesinficirte  Fäkalien 
und  Schnnitzwässer  von  der  Reinigung  beschmutzter 
Wäsche  in  den  Hafen  gelangten.  Diese  Abgänge  waren 
gar  nicht  unbedeutend,  denn  es  kamen  täglich  einige 
Hundert  Auswanderer  an,  welche  sich  mehrere  Tage  in 
der  Baracke  aufhalten  mussten,  bis  sie  weiter  Itefördert 
werden  konnten.  Zur  Zeit  des  Choleraausbrnclis  befanden 
sich  in  Folge  dessen  durchschnittlich  tausend  Auswanderer 
in  der  Baracke,  welche  die  Unterbrechung  ihrer  Reise 
vielfach  dazu  benutzten,  eine  Reinigung  ihres  Vorraths 
an  schmutziger  Wäsche  und  Bekleidungsstücken  vor- 
zunehmen. Gegen  die  Annahme,  dass  die  russischen 
Auswanderer  die  Cholera  nach  Hamburg  gebracht  haben, 
ist  eingewendet,  dass  unter  denselben  vor  dem  Ausbruch 
im  Hamburger  Hafen  keine  Cholera  vorgekommen  sei. 
Schwere,  klinisch  unverkennbare  Fälle  von  Cholera  sind 
unter  den  Auswanderern  allerdings  nicht  lieobaclitet,  aber 
beweist  denn  das,  dass  die  Auswanderer  überhaupt  keinen 
Ciiolera-Infectionsstoff  eingeschleppt  haben  können?  Sie 
kamen  zum  grossen  Theil  aus  schwer  verseuchten  Gegen- 
den, und  wer  kann  da  wohl  behaupten,  dass  nicht  Leicht- 
kranke oder  Reconvalescenten,  welche  noch  zwei  bis  drei 
Wochen  lang  Cholerakeime  in  ihren  Dejeetionen  haben 
können,  darunter  gewesen  sind,  oder  dass  nicht  in  den 
massenhaften  mitgeführten  Betten,  Wäschestücken  u.  s.  w. 
Choleradejectionen  hafteten.  So  wie  die  Verhältnisse 
lagen,  wäre  es  wunderbar  gewesen,  wenn  durch  solche 
Auswanderer  kein  Choleraiufectionsstoff  eingeschleppt  und 
wenn,  nachdem  er  einmal  in  die  Auswandererbaracke 
und  von  da  in  das  Siel  und  von  diesem  in  den  Hafen 
seinen  Weg  gefunden  hatte,  die  Hafenbevölkerung  nicht 
inficirt  wäre.  Der  Hamburger  Hafen  mit  seinen  damaligen 
Einrichtungen  bildete  einen  ausserordentlich  schwachen 
l'unkt  gegenüber  der  drohenden  Cholerainvasion  und  an 
diesem  musste  die  Cholera  Fuss  fassen,  wenn  ihr  durch 
einen  unglücklichen  Zufall  Gelegenheit  dazu  geboten 
wurde.  Eine  andere  Einschleppung  der  Cholera,  etwa 
vmi  französischen  Häfen  her,  hat  sich  nicht  nachweisen 
lassen,  und  da  bleibt  nichts  anderes  übrig,  als  den  Ans- 
wandererverkehr  zu  beschuldigen,  welcher,  wie  gezeigt 
wurde,  überreiche  Gelegenheit  dazu  gel)oten  hat. 

Während  man  in  Betreff  des  spanischen  Dampfers 
Murciano,  wenigstens  Anfangs,  nocli  unentschieden  war, 
ob  die  Infeetion  dem  Wasser  zuzuschreiben  sei,  blieb  bei 
dem  zweiten  Schiffe  von  vornliercin  kein  Zweifel  darüber. 
Das  Schiff  war  l)ereits  am  5.  Januar  im  Hamburger  Hafen 
angelangt;  am  12.  Januar  wurde  der  Murciano  in  die 
Nähe  desselben  gebracht,  desinficirt  und  gereinigt  und 
am  15.  Januar  l)rach  die  Cholera  auf  (Tretehen  Bohlen 
aus.  Die  aus  IT  Negern  bestehende  ^Mannschaft  war  bis 
dahin  cholerafrei  gewesen,  hatte  sonst  keine  Gelegenheit 
zur  Infeetion  gehabt,  aber,  wie  in  diesem  Falle  bestimmt 
festgestellt  ist,  reichlich  Wasser  direct  aus  der  Elbe  ge- 
trunken. Da  der  Verlauf  auf  diesem  zweiten  Schiffe  sich 
genau  so  verhielt,  wie  auf  dem  ersten,  so  wurde  dadurch 
die  Annahme,  dass  es  sich  auch  auf  diesem  in  der  Tliat 
um  eine  Wasserinfectiou  gehandelt  habe,  noch  sicherer 
gemacht. 

In  der  Hamburger  Nachepidemie  haben  wir  es  zum 
ersten  Male  mit  einer  Epidemie  zu  thun,  bei  welcher  die 
bakteriologische  Diagnostik  in  möglichst  vollständiger 
Weise  durchgeführt  und  jeder  Fall  als  Cholera  registrirt 
ist,  bei  welchem  Cholerabakterien  gefunden  wurden. 
Unter  diesen  Fällen  befinden  sich  nicht  nur  solche,  weiche 


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Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


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mau  früiier  für  choleraverdächtig  gehalten,  sondern  auch 
solche,  welche  klinisch  ganz  unbedeutende,  selbst  gar 
keine  Symptome  darboten  und  nur  deswegen  untersucht 
wurden,  weil  sie  mit  unzweifelhaften  Cholerakranken  in 
Berührung  gewesen  waren.  In  dieser  Epidemie  sind  eben 
zum  ersten  Male  ausser  den  klinisch  Verdächtigen  auch 
die  ätiologisch  Verdächtigen  untersucht,  was  zu  dem  so 
ausserordentlich  wichtigen  Ergebniss  geführt  hat,  dass 
auch  unter  diesen  eine  gewisse  Anzahl  von  Cholera- 
Inficirteu  sich  befinden,  welche  nur  mit  Hiüfe  der  bakterio- 
logischen Untersuchung  als  solche  herausgefunden  werden 
können. 

Es  steht  jetzt  die  Thatsache  fest,  dass  unter  einer 
Anzahl  von  Menschen,  welche  der  Cholerainfection  aus- 
gesetzt gewesen  sind,  die  daraus  resultirenden  Er- 
krankungen qualitativ  die  ganze  Stufenleiter  von  den 
schwersten,  schnell  tödtlichen,  Ijis  zu  den  allerleichtesten, 
nur  noch  bakteriologisch  nacliwcisbaren  Fällen  aufweisen 
können. 

Auf  den  beiden  erwähnten  Choleraschiffeu  des  Ham- 
burger Hafens  erkrankten  je  zwei  Leute  unter  Symi)tomeu, 
welche  sie  klinisch  als  choleraverdächtig  erscheinen  lassen 
mussten;  sie  wurden  sofort  isolirt.  Hätte  man  nun  nach 
Desinfection  der  Schiffe  die  übrige  Mannschaft,  welche 
ganz  gesund  zu  sein  schien,  unbehelligt  gelassen,  dann 
würden  acht  Menschen,  in  deren  Dcjcctionen  sich  Oholera- 
bakterieu  befanden,  Gelegenheit  gehabt  haben,  den  In- 
fectionsstoff  in  der  Umgebung  des  Hamburger  Hafens 
auf's  Neue  zu  verschleppen.  Gesetzt  den  Fall,  dass  die 
Schiffsmannschaften  nicht  Ausländer,  sondern  Inländer 
waren  und  nach  der  Abmusterung  in  ihre  Heimathsortc 
reisten,  hier  vielleicht  Anfangs  auch  noch  zur  Entwickelung 
leichter  und  unerkannt  bleibender  Fälle  Veranlassung 
gaben,  während  sie  selbst  niemals  klinisch  cholerakrank 
waren,  dann  hätte  auf  solche  Weise  die  Cholera  auf 
weitere  Entfernung  verschleppt  werden  können,  ohne 
dass  spätere  Untersuchungen  auch  nur  den  geringsten 
Anhalt  für  die  Herkunft  der  Cholera  zu  ergeben  brauchten. 

Den  Erfahrungen,  welche  in  der  Hamburger  Nach- 
epidemie gemacht  sind,  verdanken  wir  auch  das  richtige 
Verständniss  für  die  Ergebnisse  der  bisher  an  Menschen 
gemachten  absichtlichen  und  unabsichtlichen  Cholera- 
Infectionsvcrsuche. 

Wenn  also  bei  den  vereinzelten  Laboratoriums-In- 
fectionen  und  den  nur  wenige  Personen  umfassenden  ab- 
sichtlichen Infectionen*)  nur  leichte  Erkrankungen  ent- 
standen sind,  so  entspricht  dies  noch  vollkonmien  dem, 
was  nach  den  bisherigen  Erfahrungen  erwartet  werden 
konnte.  Selbst  wenn  jene  Versuche  ganz  negativ  aus- 
gefallen wären,  würden  sie  gegen  die  Specitität  der 
Cholcrabakterien  noch  nicht  das  Geringste  beweisen,  da 
ja  unter  den  gruppenweise  auf  gewöhnlichem  Wege  In- 
ficirten  die  Mehrzahl  auch  nicht  krank  wird.  Wenn  der- 
artige Experimente  den  beabsichtigten  Zweck  erreichen 
sollen,  dann  müssen  sie  ganz  den  natürlichen  Verhältnissen 
angepasst  sein.  Es  müsste  also  eine  grössere  Anzahl 
von  Personen  sich  der  Infection  mit  Cholerabakterien 
aussetzen.  Einige  davon  müssten  die  Bakterien  bei  leerem 
Magen  zugleich  mit  vielem  kalten  Wasser  zu  sich  nelmien; 
andere  müssten,  wenn  sich  Durchfall  und  Cholcrabakterien 
in  den  Ausleerungen  eingestellt  haben,  Diätfehler  begehen 
und  Speisen  zu  sich  nehmen,  welche  erfahrungsgemäss 
den  Ausbruch  der  Cholera  begünstigen  u.  s.  w.  Erst 
wenn  bei  einer  derartigen  Versuchsanordnung  und  bei 
Verwendung  frischer,  vollvirnlenter  Culturen  nur  leichte 
Erkrankungen  resultiren,  dann  würde  man  weiter  danach 
zu  suchen  haben,  unter  welchen  besonderen  Bedingungen 


Vgl.  „Naturw.  Wochenschr."  Bd.  VII,  S.  501. 


Rod. 


beträchtlichen  Zahl    von   Menschen    das   Leben    ^ 
hat,  nicht  zu  verhüten  gewesen  wäre 


die  schweren  Cholerasymptome  zu  Stande  kommen  und 
ob  noch  besondere  Hülfsmoniente  dazu  erforderlich  sind, 
welche  ausserhalb  der  Eigenschaften  der  Cholcrabakterien 
und  ausserhalb  der  Schwankungen  im  Zustande  der  Ver- 
dauungsorgane liegen.  Bis  dahin  liegt  kein  Grund  vor, 
die  jetzige  Auffassung  zu  bezweifeln,  dass  die  Cholera- 
bakterien für  sich  allein  im  Stande  sind,  je  nach  der  in- 
dividuellen Disposition  der  Infieirten,  das  eine  Mal  leichte 
und  ein  anderes  Mal  schwere  Cholerasymj)tome  zu  l)e- 
wirken.  Damit  verlieren  selbstverständlich  die  bisher  an- 
gestellten Versuche  durchaus  nicht  ihre  Bedeutung;  sie 
liefern  auf  jeden  Fall  einen  höchst  werthvollen  Beitrag 
zur  Beurtheilung  der  Leistungsfähigkeit  der  Cholcra- 
bakterien; aber  sie  ])e weisen  nicht  das,  was  diejenigen, 
welche  sie  an  sich  angestellt  haben,  damit  zu  beweisen 
gedachten. 

Wenn  man  sich  mit  der  Nietlebener  Cholera-Epidemie 
zu  beschäftigen  hat,  dann  drängt  sich  unwillkürlich  die 
Frage    auf,    ob   denn   dies  Unglück,    das   einer  nicht  un- 

eküstet 
Gewiss  war  es  zu 
verhüten.  Es  hätte  nur  Sorge  dafür  getragen  werden 
müssen,  dass  die  an  und  für  sich  zweckmässigen  sanitären 
Einrichtungen  der  Anstalt,  das  Wasserwerk  mit  den  Fil- 
tern und  die  Canalisation  mit  den  Rieselfeldern,  richtig 
functionirten. 

Man  kann  aber  unmöglich  verlangen,  dass  der  ärzt- 
liche Director  einer  Irrenanstalt  oder  der  technische  Beamte 
der  Regierung  neben  ihren  Speeialkenntnissen  auch  noch 
bessere  Hygieniker  sein  sollen,  als  es  manche  Professoren 
der  Hygiene  sind,  denen  es  auch  noch  an  dem  genügenden 
Verständniss  für  die  feineren  Vorgänge  beim  Filtrations- 
jn-ocess  in  Sandfiltern  und  im  Boden  fehlt.  Ueberhaupt 
darf  in  den  Anforderungen  an  die  hygienische  Veraut- 
wortlichkeit  der  ärztlichen  Anstaltsdirectoren  nicht  zu  weit 
gegangen  werden.  Es  giebt  gewisse  Kenntnisse,  die  man 
sich  nicht  mit  dem  gewöhnliehen  für  praktische  Aerzte 
berechneten  hygienischen  Studium  aneignet  und  die  auch 
nicht  aus  Büchern  zu  erwerben  sind,  sondern  nur  durch 
Specialstudium  und  durch  die  in  der  Praxis  gemachten 
Erfahrungen  erlangt  werden.  Auf  diesem  Gebiet  hört  die 
Verantwortlichkeit  der  mit  gewöhnlicher  hygienischer  Vor- 
bildung ausgerüsteten  Aerzte  auf,  und  ebensowenig  wie  man 
einen  Anstaltsdirector  dafür  zur  Verantwortung  ziehen  wird, 
dass  in  seiner  Anstalt  ein  Dampfkessel  wegen  eines  leicht 
zu  erkennenden  und  zu  vermeidenden  Fehlers  esplodirt  ist, 
ebensowenig  soll  man  denselben  auch  wegen  einer  Cliolcra- 
explosion  in  Folge  von  Fehlern,  die  bei  der  Wasserfiltration 
und  bei  der  Berieselung  gemacht  sind,  zur  Rechenschaft 
ziehen. 

Hier  giebt  es  nur  ein  Auskunftsmittel,  auf  das  ich 
bereits  früher  hingewiesen  halte  und  das  ich  an  dieser  Stelle 
nochmals  so  dringend  als  möglich  befürworten  möchte, 
das  ist  die  staatliche  Ueberwachung  derartiger  Anlagen 
durch  Special-Sachverständige,  die  mit  den  einschlägigen 
Verhältnissen  vertraut  sind  und,  mitten  in  der  Praxis 
stehend,  sieh  die  erforderlichen  Erfahrungen  angeeignet 
haben. 

Aber  wird  der  Staat  sich  hierzu  verstehen  V  Soweit 
ich  die  Verhältnisse  zu  übersehen  vermag,  glaube  ich 
nicht,  dass  er  dies  schon  bald  thun  wird.  Einmal  wird 
man  sich  bestimmt  dazu  entschliessen  müssen;  aber  vor- 
läufig hält  man  die  ganze  Frage  noch  nicht  für  spruch- 
reif. Immer  wieder  begegnet  man  in  den  maassgebenden 
Kreisen  der  Ausiclit,  dass  die  Gelehrten  ja  unter  sich  noch 
nicht  einig  seien  und  dass  man  deswegen  noch  damit 
warten  müsse,  bestimmte  Stellung  zu  dieser  Frage  zu 
nehmen.  Von  bakteriologischer  Seite  werde  zwar  be- 
hauptet, dass  Cholera  und  Typhus  durch  Wasser  verbreitet 


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Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


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werden  ivönuteii,  aber  von  anderer  nicht  minder  auto- 
ritativer Seite  werde  das  bestritten,  und  man  wisse  ja 
übeiliaui)t  noch  nicht,  ob  die  Cholerabakterien  auch  wirk- 
licii  die  Ursache  der  Cholera  seien  und  ob  sie  verdienten, 
l)ci  der  Bekämpfung  der  Cholera  so  bcrUeksichtii;t  zu 
werden,  wie  von  den  Bakteriologen  angerathen  werde. 
Wie  tief  derartige  Anschauungen  eingewurzelt  sind,  geht 
am  besten  daraus  hervor,  dass  vor  noch  nicht  so  langer 
Zeit  der  Grundsatz  aufgestellt  wurde,  dass  die  Lehrstühle 
der  Hygiene  abwechselnd  zu  besetzen  seien  mit  einem 
llygieniker,  welcher  zugleich  Bakteriologe  sei,  und  mit 
einem  solchen,  der  der  entgegengesetzten  Richtung  ange- 
liöre,  das  heisst  doch  wohl,  der  von  Bakteriologie  nichts  hiilt. 
Wer  sind  denn  nun  aber  die  Gelehrten,  welche  über 
die  Bedeutung  der  Cholerabakterien  nicht  einig  sein  sollen? 
Selbstverständlich  können  dies  doch  nur  Leute  sein,  welche 
sich  selbst  mit  Bakteriologie  beschäftigt  haben,  also  die 
sogenannten  Bakteriologen.  Nun  kann  ich  mit  Bestimmt- 
heit behaupten,  dass  wohl  kein  namhafter  Bakteriologe 
existirt,  welcher  nicht  die  Cholerabakterien  als  die  nächste 
Ursache  der  Cholera  gelten  lässt.  Selbst  die  Münchener 
Schule,  welche  am  längsten  opponirt  hat,  musste  sich  ganz 
allmählich  dazu  verstellen,  ihm  wenigsten  die  Eolle  des  X 
in  der  bekannten  Gleichung  mit  drei  Unbekannten  ein- 
zuräumen. Der  einzige  Meinungsuntersehied  unter  den  in 
dieser  Frage  allein  eompetenten  Gelehrten  besteht  noch 
darin,  welche  weiteren  in  und  ausserhalb  des  Menschen 
wirkenden  Hilfsmomente  und  in  welchem  Umfange  solche 
anzunehmen  sind.  Aber  über  die  eigentliche  Haujjtfrage 
sind  die  Gelehrten  vollkommen  einig. 

Diejenigen  Gelehrten,  welche  von  den  Cholerabakterien 
nichts  wissen  wollen,  sind  also  keine  Bakteriologen,  ihre 
Gelehrsamkeit  wurzelt  auf  einem  anderen  Gebiete.  Aber 
sie  haben  in  der  Discussion  über  die  Cholerafrage  einen 
grossen  Vortheil.  Sie  machen  es  nämlich  eben  so,  wie 
andere  Leute,  die  von  einer  Sache  nichts  verstehen;  sie 
reden  darüber  mit  einer  Bestimmtheit  und  Sicherheit, 
welche  dem  Laien,  in  diesem  Falle  also  dem  Nicht- 
Bakteriologen, imponiren  nniss  und  bisher  auch  noch  immer 
imponirt  hat.  Von  dem  ärztlichen  Publicum  und  von  den 
Behörden,  welche  mit  Cholera- Angelegenheiten  zn  thun 
haben,  werden  sie  deshalb  als  Autoritäten,  als  „Gelehrte", 
angesehen,  die  mit  den  anderen  Gelehrten  noch  nicht  einig 
geworden  sind. 

Dafür,  dass  die  Nicht-Bakteriologen  aufhören  würden, 
in  diese  Fragen  hineinzureden  und  immer  von  Neuem  dem 
grossen  Publicum  den  Sinn  zu  venvirren,  liegen  I)is  jetzt 
noch  keine  Anzeichen  vor.  Wenigstens  hat  v.  Pettenkofer, 
welcher  doch,  wie  er  selbst  bei  jeder  Gelegenheit  hervor- 
hebt, sich  nicht  mit  Bakteriologie  l)eschäftigt  hat,  noch 
in  seiner  letzten  Publication  sich  gegen  den  jetzt  von  allen 
Bakteriologen    und    selbst   von    seinen    eigenen    Schülern 


eingenommenen  Standpunkt  erklärt  und  sich  mit  der 
bakteriologischen  Seite  der  Cholerafrage  mit  Seherzen 
über  den  „Bacillenfang"  und  über  die  „Unmöglichkeit, 
den  Verkehr  pilzdicht  zn  machen"  abgefunden,  obwohl  er 
doch  recht  gut  wissen  sollte,  dass  das  l'rincip  der  jetzt 
zur  Anwendung  konnncnden  Choleramaassregehi  nicht  thirin 
beruht,  den  Verkehr  pilzdieht  zu  machen,  llollcntlich  wird 
er  sich  nach  den  Erfahrungen,  welche  in  der  letzten 
Ei)idemie  mit  den  von  ihm  so  hartnäckig  bekämpften 
^laassregeln  gemacht  sind,  schon  überzeugt  haben,  dass 
dieselben  denn  doch  nicht  so  schlecht  sind,  als  er  sich 
vorgestellt  hat. 

Wenn  v.  Pettenkofer  trotz  alledem  auch  ferner  auf 
seinem  ablehnenden  Standpunkt  beharren  sollte,  so  würde 
ich  das  zwar  nicht  vom  wissenschaftlichen,  jedoch  vom 
menschlichen  Standpunkt  begreifen.  Es  muss  ihm,  der 
mit  seinen  viele  .(ahre  hindurch  mit  dem  gn'issten  Auf- 
wand von  Genie  und  Scharfsinn  vertretenen  Ansichten 
verwachsen  und  mit  ihnen  alt  gewi  irden  ist,  ausserordent- 
lich schwer  werden,  sich  davon,  wenigstens  theilweise, 
zu  trennen.  Aber  unbegreiflich  ist  es  mir,  dass  ein  .Mann 
wie  Liebreich,  welcher  sich  auch  nicht  mit  Bakteriologie 
beschäftigt  hat  und,  wie  fast  jeder  Satz  in  seinem  vor  der 
Berliner  Medicinischcn  Gesellschaft  gehaltenen  Vortrage*) 
beweist,  von  Bakteriologie  thatsäcldich  nichts  versteht, 
ausserdem  offenbar  auch  nicht  ein  einziges  Mal  eine 
Choleradejection  bakteriologisch  selbst  untersucht  hat,  es 
unternehmen  kann,  über  die  bakteriologische  Cholera- 
diagnostik im  Besonderen  und  über  die  Bakteriologie  mit 
ihren  bisherigen  Leistungen  im  Allgemeinen  den  Stab  zu 
brechen.  Was  soll  wold  daraus  werden,  wenn  auf  der 
einen  Seite  die  Gelehrten  der  Bakteriologie  sich  alle  er- 
denkliche Mühe  geben,  um  nachzuweisen,  dass  filtrirtes 
Wasser  auf  seine  Reinheit  Ijakteriologisch  geprüft  werden 
muss,  und  auf  der  anderen  Seite  der  Gelein'te  Liebreich 
erklärt:  „In  Bezug  auf  die  Wasserfrage  hat  die  ]5akterio- 
logie  nichts  Neues  gebracht;  gutes  Wasser  wurde  schon 
früher  verlangt;  dass  fauliges  Wasser  krank  macht,  wussten 
wir  lange  schon."  Heisst  das  nicht  mit  aller  Gewalt  Ver- 
wirrung anrichten? 

Icli  fürchte,  dass  man,  so  lange  solche  Reden  geführt 
werden,  an  maassgebender  Stelle  immer  wieder  sagen 
wird:  Die  Gelehrten  sind  noch  nicht  einig  und  es  muss 
vorläufig  Alles  beim  Alten  bleiben.  Wenn  uns  dann  aber, 
wie  ich  ebenfalls  furchte,  solche  Katastrophen,  wie  in 
Hamburg  und  Nietlebcn,  auch  in  Zukunft  nicht  erspart 
bleiben,  dann  möge  man  sieh  auch  an  diejenigen  „Ge- 
lehrten" halten,  welche  sich  das  höchst  verantwortliche 
Amt  vindieiren,  über  Dinge  zu  reden,  von  denen  sie  nichts 
verstehen. 

*)  Vergl.  „Natimv.  Wocliensclir."  Bd.  VIII,  S.319.        Red. 


Die  XL.  Versammlung  der  Deutschen  Geologischen  Gesellschaft  in  Goslar 

vom  14.  bis  19.  August. 


Die  Geschäftsführung  für  die  diesjährige  Versamm- 
lung lag  in  den  Händen  Professor  Klockmann's  aus 
Klausthal;  den  Vorsitz  hatte  am  14.  August  Berghauptmann 
von  Strombeck  aus  Braunschweig,  am  15.  Geheimer 
Ober-Bergrath  Dr.  Haueheeorne  aus  Berlin  imd  am  16. 
Professor  von  Koenen  aus  Göttingen.  Es  waren  gegen 
60  Mitglieder  anwesend. 

Die  XLI.  Versammlung  der  Gesellschaft  findet  1894 
in  Coburg  statt  im  Anschlüsse  an  den  in  Zürich  tagenden 
Internationalen  Geologen- Congress.     Zum  Geschäftsführer 


derselben  wurde  der  Königl.  Landesgeologe   Dr.   Loretz 
(Berlin)  gewählt. 

Von  den  Vorträgen  erwähnen  wir  die  folgenden: 

Bergrath  Stelzner  (Freiberg)  sprach  über  eigen- 
thümliche  Obsidianbomben  aus  Australien,  von 
denen  er  eine  Anzahl,  von  4  Fundpunkten  stannnend,  vor- 
legte. Dieselben,  bald  massiv,  bald  einen  dünnkrustigen 
Hohlkörper  vorstellend  und  in  letzterem  Falle  auf  dem 
Wasser  schwimmend,  in  Folge  dessen  sie  über  weite  Ge- 


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Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  38. 


biete  verbreitet  werden  krnnien.  bestehen  aus  zwei  Hähten 
von  verschiedener  Wölbung-  und  zeigen  auf  der  Oberfläche 
conceutrische  und  radiale  Sculptur  und  feine  Löcher.  Am 
nierlvwürdigsten  ist  ihre  Verbreitung  über  ein  ausgedehntes 
Gebiet,  welches  keine  Vulcane  besitzt,  so  dass  nvu- 
anzunehmen  ist,  dass  sie  von  einem  unbekannten  Erup- 
tionspunkte aus  durch  Wasser  an  ihre  jetzige  Lager- 
stätte transportirt  worden  sind.  Die  Entstelning  der  eigen- 
thümlichen  Form  ist  auf  den  Widerstand  der  Luft  zurück- 
zuführen, welchen  die  emporgeschleuderten  flüssigen  Lava- 
tropfen zu  überwinden  hatten.  Aehnlichc  Erscheinungen 
flnden  sich  an  einigen  Meteoriten  und  bei  den  Geschossen 
des  Mausergewehres,  wenn  dieselben  in  Saud  schlagen 
und  zu  Hutpilzform  zusammengepresst  werden.  Den  Fund- 
punkten dieser  sonderbaren  vulcanischen  Bomben  in 
Australien,  Ungarn  und  Mexico  (in  beiden  letzteren  aber 
nur  massive),  welche  der  Vortragende  aufzählt,  fügt  Pro- 
fessor Wichmanu  aus  Utrecht  noch  einen  neuen  hinzu, 
nämlich  die  Sundainsel  Biliton,  wo  er  ganz  gleiche  Ge- 
bilde in  alluvialen  Zinnseifen  jedem  vulcanischen  Herde 
fei'u  gefunden  hat. 

Professor  Brackebusch  (Bockenem)  erläuterte  die 
von  ihm  vorgelegte  geologische  Karte  von  Mittel- 
Argentinien  in  <S  Blättern.  Das  Gebiet  östlich  und  west- 
lich der  vortertiären  Hauptkordillere  ist  durch  seine 
geologische  Zusammensetzung  scharf  von  einander  unter- 
schieden. Oestlich  derselben  sind  die  Gesteinsschichten 
bis  in  das  Rhät  hinab  nur  äolischc  oder  Süsswasser- 
bildungen,  westlicli  dagegen  sind  Rhät,  Jura  und  Kreide 
marinen  Ursprunges  mit  zahlreichen  Einlagerungen  von 
Eruptivgesteinen.  Die  Vulcane  liegen  auf  .Spalten,  welche 
in  nordnordwestlicher  Richtung  verlaufen,  und  stets  auf 
den  Schnittpunkten  dieser  mit  der  Wasserscheide  der  beiden 
Kordillereuketten.  Das  häufige  Vorkommen  von  Salz  in 
den  Sümpfen  (Salinas)  der  Niederung  ist  darauf  zurück- 
zufühien,  dass  die  zum  Atlantischen  Ocean  strömenden 
Flüsse  aus  den  an  Salzlagern  reichen  Juraschichten  der 
westlichen  Kordillere  entspringen.  Sobald  sich  der  Lauf 
dieser  Flüsse  ändert,  entstehen  auch  neue  Salinas.  In 
grossartigem  Maassstabe  hat  der  Wind  seine  Einwirkung 
auf  die  jüngsten  Ablagerungen  der  Hochflächen  geäussert, 
indem  er  dieselben  aufljcreitet  und  zu  Wüstenboden  um- 
gewandelt hat. 

Professor  Lepsius  (Darmstadt)  erläuterte  die  von 
ihm  anfgenonniienc  und  vorgelegte  geologische  Karte 
von  Attika  im  Maassstabc  1  :  2ö,0(K).  Nach  seinen  Unter- 
suchungen gehört  ein  Theil  der  krystallinen  Gesteine  dieses 
Landes  entgegen  der  Meinung  der  österreichischen  Geologen 
(alle  seien  cretaceischen  Alters)  einem  Grundgebirge  an, 
welches  in  zahlreichen  Durchbrüchen  auftritt  und  dis- 
cordant  von  der  Kreide  überlagert  wird,  deren  Gesteine 
theilweise  metamorphosirt  worden  sind. 

Professor  Klockmann  (Klausthal)  erläuterte  die  La- 
gerungsverhältnisse des  Rammeisberges.  Die 
ursprüngliche  Aufeinanderfolge  der  an  der  Zusammensetzung 
des  Rannnelsberges  hauptsächlich  betheiligten  devonischen 
Gesteine  ist  die  folgende:  zu  unterst  Spiriferensandsteiu, 
darüber  die  Calceola-Schichten  und  über  diesen  die  Gos- 
larer Schiefer.  In  diesen  letzteren  ist  concordant  das 
berühmte  seit  bald  1000  Jahren  bereits  bebaute  imd 
noch  Jahrhunderte  lang  abbauwürdige  Erzlager  des 
Rammeisberges  in  einer  Mächtigkeit  bis  zu  30  m  und 
einer  Sti'eichlänge    bis    zu  1200  iü    mit  ca.  45°  Einfallen 


eingelagert. 


Am    Rammeisberge    selbst    treten   die    ge- 


nannten Schichten  aber  in  umgekehrter  Reihenfolge  auf, 
zu  Unterst  die  jüngeren  Goslarer  Schiefer  und  zu  oberst 
der  ältere  Spiriferensandsteiu.  Dies  ist  darauf  zurück- 
zuführen,   dass    der  Berg  eine  überkippte  Falte  darstellt, 


wie  denn  überhau])t  die  ganze  Gegend  ein  mächtiges, 
recht  complicirtes  Faltungsgebiet  ist.  Als  die  Faltung 
vor  sich  ging,  war  bereits  das  Erzlager  vorhanden,  daher 
liegen  denn  auch  seine  ursprünglich  ältesten  Theile  oben, 
die  jüngsten  dagegen  unten.  Erstere  sind  öfters  in  ihren 
obersten  Partien  gefaltet,  letztere  dagegen  eben  und  be- 
sitzen im  Liegenden  eine  Zone  zerquetschter  Schiefer, 
welche  ihres  beständigen  Auftretens  in  der  Nähe  der  Erze 
wegen  vom  Bergmann  als  Leitschicht  bezeichnet  wird.  In 
Folge  einer  weiteren  Faltung  in  der  Richtung  des  Streichens 
ist  der  eine  Flügel  des  Lagers  scheinbar  in  das  Liegende 
des  bisher  abgebauten  verschoben  worden.  1859  ist  auch 
dieser  liegende  Theil  entdeckt  und  1892  auf  der  tiefsten 
Sohle  noch  edel  ausgerichtet  worden,  wodurch  eben 
dem  altberühmten  Bergliaue  sein  ferneres  Bestehen  für 
lange  Zeiten  gesichert  ist.  Die  Zusammensetzung  des 
Lagers  ändert  sich  in  verticaler  Richtung  sowohl  wie 
in  derjenigen  des  Streichens:  die  ältesten  Erze  bestehen 
aus  einem  durch  schiefrige  Bestandtheilc  verunreinigten 
Kupferkiese  (sogenannter  Kupferkniest),  auf  welchen  ge- 
waltige Massen  eines  jüngeren,  innigen  Gemenges  von 
Kupfer-  und  Schwefelkies,  bald  derb,  bald  feingeschichtet 
folgen  —  in  der  Streichrichtung  folgen  auf  die  gemengten 
P>ze  solche,  die  feink<'irnig  sind  und  Schwerspath  ent- 
halten. Die  Entstehung  dieses  Erzlagers  wird  auf  directen 
A))satz  in  einem  Meeresbecken  zurückgeführt,  in  welchem 
JMetallsalze  unbekannter  Herkunft  reducirt  wurden,      x. 

Professor  Berendt  (Berlin)  legte  vor  und  besprach 
die  16  Messtischblätter  (aufgenommen  von  Berendt, 
Wahnschaft'e  und  Schroeder)  der  Gegend  zwischen 
Teniplin,  Fürstenwerder,  Prcnzlau,  Eberswalde 
und  Oderberg,  auf  welchen  der  der  Uckermark  an- 
gehörende Theil  der  südbaltischen  Endmoräne  zur  Dar- 
stellung gelangt.  Diese  gewaltige  Moräne,  die  älteste 
und  grösste  Norddeutschlands,  von  der  sich  mehrfach 
jüngere  Endmoränen,  entsprechend  den  Perioden  des 
Stillstandes  des  sich  zurückziehenden  diluvialen  Inland- 
eises abzweigen,  zieht  sich  von  der  dänischen  Grenze 
durch  Schleswig-Holstein,  südlich  Lübeck  durch  Mecklen- 
Inu-g  hin,  tritt  nahe  Feldberg  in  die  Uckermark  ein, 
welche  sie  in  S.  O.-Richtung  bis  Oderberg  durchzieht, 
übersehreitet  die  Oder,  setzt  sich  über  Schwiebus  und 
Bomst  bis  Lissa  (Posen)  fort  und  ist  in  Russisch 
Polen  südlich  Kaiisch  bis  Radomsk  wieder  beobachtet 
worden.  Von  den  jüngeren  Abzweigungen  ist  am  be- 
deutendsten bei  ims  die  Endmoräne,  welche  von  Oderberg 
über  Soldin  und  Dramburg  durch  ganz  Hinterpommern 
bis  nach  Schweiz  an  der  Weichsel  streicht.  Die  Ge- 
biete dieser  Endmoränen  zeigen  ihnen  eigene  Charaktere: 
grossen  Seenreichthum  (theils  Stauseen,  hinter  den  Moränen; 
theils  Ausfüllungen  der  von  den  Abschmelzwassern  gegra- 
benen Rinnen  vor  denselben);  vor  den  Moränen  ferner  oft 
sehr  bedeutende  Sandmassen  (abgelagert  durch  die  Schmelz- 
wasser), hinter  denselben  den  Lehm  des  oberen  Geschiebe- 
mergels. Gebildet  werden  die  Endmoränen  aus  Anhäu- 
fungen von  Blöcken  aller  Grössen,  die  oft  fortlaufende 
Züge  bilden,  oft  als  einzelne  Kuppen  untl  Kegel  auf- 
treten, zuweilen  auch  (z.  B.  zwischen  Feldberg  und  Fürsten- 
werder) in  Parallel-Zügen  angeordnet  sind,  entsprechend 
der  Verschiebung  des  Eisraudes.*)  x. 

Im     Anschluss     an     diesen    Vortrag    berichtete    Dr. 
Gottsche   (Hamburg)  über  seine    Untersuchung-   und 


*)  Vergleiche  über  die  südliche  baltische  Endmoräne  in  der 
Uckermark  und  Mecklenburg-Strelitz  den  Original-Artikid  und 
die  Karte  des  Herrn  Prof.  Berendt  in  Bd.  II,  S.  130  ft'.  der 
„Naturw.  Woclicnschr." ;  ferner  Keilhack,  der  baltische  Hülienrücken 
in  Hinterpommern  und  Westpreussen,  „Naturw.  Wochenschr." 
Bd.  VU,  S.  57. 


Nr.  38. 


Naturwisscuscliiiftliche  Wochouscln-ift. 


413 


Kärtiruiig  der:  südbaltiseheu  Endmpräue  in 
Schleswig-Holstein,! wo  sie  den  Westrand  der  frucht- 
baren Ostholsteiuischen  CTeschiebenierfjellandst'hai't  bildet 
und  cbentalls  die  charakteristischen  Eigenthümlichkeiten 
ihrer  südlieben  Fortsetzung  ausgeprägt  zei^t.     ■    . 

iBezirksgeologe  Dr.  Koeh-  (Berlin)  sprach  über  die 
tektoiiisoheu A^erhältnisse  des  Oberharzer  Diabas- 
zuges. Dieses,  Diabasvorkonimen  in  einiger  Eutt'ernuug- 
vou'  Klansthal  ist  vom  Vortragenden  Hntersueht  und  karto- 
graiiUiseh  dargestellt  worden.  Der  Diabas  bildet  hier  in 
den,  mittel-  und  oberdevouischen  Schiefern  eingeschaltete 
Decken  -.  und  grosse  Diabastufflager,  in  denen  Eisenerze 
nichts  seltenes  sind.  Der  gesammte  Sc.hiehtencomplex 
hebt  sich  in  Gestalt  eines  langgestreckten  Zuges  aus  den 
jüngeren  Culmschichteu  heraus  und  bildet  eine  überkippte 
Mühle.  AV'eitere  Faltungen,  Zerreissungen  und  Ueber- 
schiebungen  haben  die  Lagerungsverhältnisse  ausser- 
ordentlich coraplicirt  gestaltet  und  machen  eine  richtige 
Deutung  sehr  schwer. 

Landesgeologe  Dr.  Keilhack  (Berlin)  berichtete  über 
die  Wanderdünen  an  der  hinterpomnierschen 
Küste.  Auf  den  1 — 1'/„  km  breiten  Landbändern  (Neh- 
rungen), welche  die  beiden  Haffseeen  des  Vietzker  Seees 
und  seines  Nachbarbeckens  von  dem  Meere  trennen,  liegen 
gegen  20  durch  den  Wind  zusammengehäufte,  20 — 50  m 
hohe,  etwa  dojjpelt  so  lange  als  breite  Sandmassen,  ohne 
alle  Vegetation,  welchen  man  mit  Recht  den  Namen 
Wanderdünen  beigelegt  hat.  Ihre  Bewegung  ist  fast 
genau  nach  Osten  gerichtet,  lässt  hinter  sich,  also  im 
Westen,  eine  thalartige,  von  niedrigen,  bewachsenen 
Dünen  zu  beiden  Seiten  begrenzte  Ebene,  die  sogenannte 
Wanderbahn  der  Düne  zurück  und  schreitet  im  Jahre 
etwa  8 — 18  m  vorwärts.  Von  Westen,  derjenigen 
Richtung,  wo  in  dieser  Gegend  die  meisten  und  heftigsten 
Winde  wehen,  steigt  die  Sandmasse  ganz  laugsam  an 
und  fällt  nach  Osten  unter  einer  Neigung  von  30—31° 
(für  Sand  die  grösstmögliche)  nicht  selten  20 — 30  m  ab. 
Die  Wanderbahn  ist  in  der  Regel  mit  einem  nach  Osten 
zu  immer  jünger  werdenden  Walde  bedeckt  und  enthält, 
wenn  sie  bis  auf  den  Grundwasserspiegel  ausgeblasen  ist, 
nicht  selten  kleine  Tümpel  nnt  SüsswassermoUnsken. 
Wird  solch  ein  Tümpel  wieder  von  Sand  verschüttet,  so 
werden  seine  Bewohner  mit  begraben  und  bilden  dann 
inmitten  der  äolischen  Ablagerungen  dünne  Bänke  mit 
einer  Süsswasserfauna.  Wenn  die  Wanderdüne  auf  ihrem 
W&^a  Wald  antrifft,  dringt  sie  in  denselben  hinein,  ver- 
schüttet ihn  und  lässt  beim  weiteren  Vorschreiten  später 
die  abgestorbenen  Stumpfe  wieder  zu  Tage  treten.  Der 
Vortragende  schätzt  das  höchste  Alter  dieser  Dünen  auf 
nicht  viel  mehr  als  500  Jahre  und  glaubt,  dass  ihre  Ent- 
stehung auf  Vernichten  der  ursprünglichen  Grasnarbe 
durch  weidendes  Vieh  oder  unvernünftiges  Abholzen  der 
einstigen  Wälder  zurückzuführen  ist.*)  x. 

Professor  Wich  mann  (Utrecht)  berichtete  über  den 
Ausbruch  des  Gunung  Awu  auf  der  zwischen 
Mindanao  und  Celebes  gelegenen  Insel  Sangi, 
am  7.  Juni  1892.  Der  bei  dieser  Eruption  stattgehabte 
Aschen-  und  Bimstein  -  Ausbruch,  der  viele  Menschen 
tödtete,  lieferte  einen  reichlich  Schwefelgase  aushauchen- 
den Schlammstrom,  welcher  durch  die  Entleerung  des 
den  Krater  füllenden  Sees  verursacht  wurde.  Ein  eigent- 
licher Lava-Erguss,  wie  irrigerweise  behauptet  wurde, 
hat  nicht  stattgefunden.  Augenblicklich  befindet  sich 
im  Krater  nur  eine  Pfütze,  an  deren  Rande  Solfataren 
tiiätig  sind.  Der  Vortragende  machte  auf  die  Aehidich- 
keit    des    Materiales    dieses    Schlammstromes    mit    dem 


*)  Vergl.  auch   über  Wanderdünen  den  Original-Aufsatz  de.s 
Herrn  Prof.  Berendt    in  Bd.  V,    S.  4  der  „Naturw.  VVochenschr." 


als  Baustein  i:  SO  geschätzten  ;Tra§S;d«s  Brohlthalcs  auf- 
merksam Und  stellte  den  Vulcan  Gunimg  Awu  in  eine 
Vulcanreihe,v,w,e\clje., derjenigen  .4ej:  ,Mc)lukken-Iusclu  pa^-, 
rallel  läutt.f->fiifioi/rc'«';«if);  r!;>dbi'>;f)  rs;(,i .  .    i  ?,•(.: 

Professor  Lepsius  (Darmstadt)  berichtete  über  die 
Aiiffindung  von  Moränen  im  Taunus  und  Oden- 
wald e.  Dieselben  gehen  bis  150  m  über  der  Rheinthal- 
ebene hinab,  sollen  der  Haupteiszeit  angehören  und  sind 
von  Lriss  bedeckt,  den  der  Vortragende  für  ein  einheit- 
liches Ganze  hält,  das  sich  zwischen  der  vorletzten  und 
letzten  Vereisung  gebildet  hat.  Zur  selben  Zeit  hätten' 
sich  weiter  itnten  fluvio-glaciale  Schotter  und  in  der 
oberen  Rlieihebene  mächtige  Schottermassen  abgelagört. 
Das  vollständige  Aequivalent  des  Löss  sollen  die  Dünen 
sein,  nur  mit  dem  Unterschiede,  dass  sie  die  gröberen 
Ausblasungsproducte  darstellen.  Ein  unmerklicher  üeber- 
gang  beider  Bildungen  in  einander  lasse  sich  in  einer 
1  km  breiten  Zone  konstatiren.  Ferner  sprach  der  Vor- 
tragende über  die  Annahme  dreier  Eiszeiten  und  eine  dem 
entsprechende  Eintheilung  des  süddeutschen  Diluviums, 
wobei  er  dann  die  Deckensehotter  der  löcherigen  Nagel- 
fluh als  Producte  dei-  ersten,  die  A1)lagerungen  der  Hoch- 
terrassen der  zweiten  und  diejenigen  der  Niederterrassen 
der  jüngsten  Eiszeit  ansprach. 

Die  Wahl  Goslars  zum  Versammlungsort  der  Deut- 
schen Geologischen  Gesellschaft  war  eine  überaus  günstige; 
dies  zeigte  sieb  so  recht  bei  den  Excursionen.  Ist  schon 
die  Stadt  an  und  für  sich  als  alte  Kaiserstadt  an  histo- 
rischen Erinnerungen  sehr  reich,  so  ist  es  an  Naturschön- 
heit die  Umgebung  noch  weif  mehr,  und  vor  allen  Dingen 
tritt  für  den  Mann  der  Wissenschaft  der  Harz  mit  seinem 
ausserordentlich  interessanten,  complicirten  Aufbau  in  den 
Vordergrund.  In  seltener  Vollständigkeit  kann  man  an 
ihm  und  in  seiner  Umgebung  die  Reihe  der  geologischen 
Formationen  und  die  während  der  Bildung  derselben  hier 
vor  sich  gegangenen  Veränderungen  der  festen  Erdkruste 
studiren.  Der  eigentliche  Harz  besteht  aus  Gesteinen, 
deren  jüngste  dem  unteren  Steinkohlengebirge,  dem  Kulm, 
angehören.  Nach  der  Ablagerung  dieser  Formation  trat 
eine  Erhebung  des  Gebirges  ein,  welche  sich  in  Verbin- 
dung mit  anderen  tektonischen  Veränderungen  und  Be- 
wegungen bis  in  ganz  junge  Perioden  fortsetzte.  Die 
Folge  davon  ist,  dass  alle  jüngeren  Formationen  nur 
rings  um  das  Gebirge  auftreten  und  an  seinem  Rande 
sämmtlich  steil  aufgerichtet  sind.  Diese  Aufrichtung  geht 
vielfach  so  weit,  dass  unmittelbar  am  Fusse  des  Gebirges 
eine  Ueberkippung  stattgefunden  hat,  so  dass,  wie  wir 
das  bereits  bei  dem  Referat  über  den  Vortrag  von  Pro- 
fessor Klockmann  über  den  Rammeisberg  ausgeführt 
haben,  die  älteren  Gebirgsglieder  von  den  jüngeren  unter- 
lagert werden.  Diese  tektonischen  Störungen  haben  na- 
türlich auch  das  eigentliche  Gebirge  betroffen  und  hier- 
durcli  Faltungen,  Ueber-  und  Unterschiebungen  bedeutende 
Veräudeiungen  hervorgebracht,  dazu  kommt  das  Emi)or- 
dringen  von  Gesteinsmassen  aus  dem  Innern  der  Erde, 
welche  an  ihren  Berührungspunkten  mit  den  Sedimentär- 
gesteinen diese  metamorphosirt  haben,  so  dass  ganz 
fremdartige  Gesteine  entstanden  sind,  deren  Zusammen- 
hang mit  dem  unveränderten  Gestein  erst  ein  sehr  ein- 
gehendes Studium  feststellen  konnte. 

Die  obere  Steinkohlenformation  tritt  nur  lokal  und 
in  einem  ganz  schmalen  Bande  auf,  auf  sie  folgen  aber 
das  Rothliegende,  der  Zechstein,  Buntsandstein,  ^lusehel- 
kalk  und  Keuper  um  den  ganzen  Harz  herum.  Jura  und 
Kreide  haben  sich  dagegen  nur  am  Nordrande  desselben 
abgelagert,  sind  aber  auch  hier  am  Fusse  des  (Jebirges 
von  den  dasselbe  betreffenden  tektonischen  Veränderungen 
in  Mitleidenschaft  gezogen  worden. 


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Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


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In  dieses  an  historischem  und  naturwissenschaftlichem 
Interesse,  sowie  an  Naturschönheiten  so  überreiche  Gebiet 
waren  die  Excursionen  der  Theilnehmer  an  der  Versamm- 
lung gerichtet.  Dass  dieselben  ausserordentlich  anregend 
waren,  lässt  sich  wohl  denken;  dazu  kam  noch  das 
liebenswürdige  Entgegenkommen  der  lokalen  Behörden 
und  bergbaulichen  und  gewerblichen  Instanzen,  welche 
den  Mitgliedern  der  Gesellschaft  alles  sie  Interessirende 
vor  Augen  zu  führen  bemüht  waren,  sowie  die  fach- 
männischen, an  Ort  und  Stelle  abgegebenen  Erläuterungen 
der  in  diesem  Gebiete  arbeitenden  Gelehrten. 

Nachdem  am  Nachmittage  des  14.  August  die  Sehens- 
würdigkeiten der  Stadt  in  Augenschein  genommen  waren, 
wobei  Kreisbauinspector  von  Beer  als  Führer  diente, 
wurde  der  Steinberg  und  Verlorene  Berg  besucht  und  hier 
ein  genussreicher  Abend  verlebt,  dessen  Arrangements  der 
städtische  Oberförster  Reuss  bestens  geleitet  hatte.  Der 
Nachmittag  des  zweiten  Tages  (15.  August)  wurde  zu 
einer  Excursion  in  die  Randgesteine  des  Harzes  benutzt. 
Es  wurde  der  östlich  der  Stadt  gelegene  Petersberg  be- 
sucht und  seine  steil  aufgerichteten  Jura-  und  Kreide- 
schichten besichtigt;  weiter  ging  es  zu  dem  jenseits  der 
Gose  gelegenen  Sudmer-Berge,  an  dessen  Aufbau  zu 
Unterst  die  Emscher  Mergel  und  darüber  noch  jüngere 
Schichten  der  oberen  Kreide  theilnehmen,  die  hier,  im 
Gegensatze  zu  den  Schichten  des  Retersberges,  nicht  mehr 
steil  aufgerichtet  sind,  sondern  nur  noch  eine  ganz 
schwache  Neigung  nach  Norden  zeigen.  Der  Vormittag 
des  dritten  Versammlungstages  war  der  Besichtigung  des 
Rammeisberges  gewidmet,  wobei  Oberbergrath  AVimmer 
von  der  Betriebsleitung  des  Rammeisberges  als  Führer 
diente.    Hinsichtlich    des   geologischen   Aufbaues    dieser 


Localität  verweisen  wir  auf  das  obige  Referat  über  den 
Vortrag  von  Prof.  Klockmann.  Nachdem  am  16.  August 
Nachmittags  die  Schlusssitzung  stattgefunden  hatte,  wurde 
am  17.  eine  Excursion  nach  der  bei  Vienenburg  gele- 
genen Gnibe  Hercynia  unternommen,  welche  in  einem 
gewaltigen  Betriebe  die  werthvollen  Abraumsalze  (hier 
Kalisalze)  des  oberen  Zechsteins  abbaut.  lieber  Oker 
ging  es  nach  Harzburg,  wo  die  Gabbrobrüche  des  Radau- 
thales  besichtigt  wurden,  dann  zurück  nach  Goslar.  Der 
18.  und  19.  August  war  zu  einem  grossen  Ausflug  in  den 
Oberharz  bestimmt.  Von  Goslar  ging  es  mit  der  Bahn 
über  Langeisheim  nach  Klausthal,  von  wo  nach  einem 
erläuternden  Vortrag  über  die  geologischen  Verhältnisse 
des  Oberharzes  durch  Professor  Klockmann  und  Besichti- 
gung der  Sammlung  der  dortigen  Bergakademie  die 
Silberhütte  und  der  Iberg  besucht  wurden  und  die  Mit- 
glieder sich  nach  Grund  begaben.  Im  wesentlichen  be- 
steht der  eigentliche  Oberharz  aus  Kulm;  in  diesen  ragen 
jedoch  am  Nordrande,  im  Iberge  und  südlich  von  Klaus- 
thal devonische  Massen  hinein,  oder  treten  inselartig 
hervor.  Dazu  kommen  Eruptivgesteine,  wie  Diabase, 
Granit  und  Gabbro,  und  tektonische  Störungen  machen 
die  Lagerungsverhältnisse  aller  dieser  Gesteine  ausser- 
ordentlich complicirt.  Am  19.  August  ging  es  von  Grund 
über  Klausthal  zur  Besichtigung  des  neu  angelegten  Kaiser- 
Wilhelm-Schachtes,  von  dort  zum  Oberharzer  Diabaszuge 
(siehe  oben  bei  Dr.  Koch)  und  endlich  nach  Altenau,  in 
dessen  Nähe  der  Granitstock  von  Oker  interessante  Con- 
tactmetamorphosen  hervorgebracht  hat,  und  zur  Romker- 
halle.  Hiermit  war  die  Excursion  lieendct  und  Abends 
schieden  bereits  die  Mitglieder  der  Versammlung  von 
einander. 


System  der  Hyalonematiden.  —  Zu  den  Glas- 
schwämmen oder  Hexactinelliden,  jenen  in  früheren  Erd- 
perioden mannigfacher  als  heute  entwickelten,  jetzt  nur 
in  bedeutenden  Meerestiefen  lebenden  Kieselschwämmen, 
gehören  die  Hyalonematiden.  Ihr  System  ist  neuerdings 
von  Fr.  Eilhard  Schulze  in  den  Sitzungsberichten 
der  Berliner  Akademie  (S.  541  ff.)  einer  Revision  unter- 
zogen worden.  Die  Hyalonematiden  haben  Amphidisken, 
dagegen  fehlen  ihnen  die  Hexaster.  Ihre  äussere  Haut 
und  in  der  Regel  auch  ihre  Gastralmembran  sind  mit 
senkrecht  gestellten  pentactinen  oder  hexactinen  Pinulen 
dicht  besetzt.  Die  äussere  Haut  wird  von  pentactinen 
Hypodermalien  gestUzt,  der  osculare  Grenzraum  durch 
gerade  diactine  Marginalia  gebildet.  Im  Meeresboden 
sind  sie  durch  einen  Nadelschopf  von  zwei-  oder  vier- 
zähnigen  Ankern  befestigt.  Sie  kommen  daher  nur  auf 
lockerem,  nie  auf  felsigem  Grunde  vor.  Niemals  ver- 
schmelzen oder  verkitten  die  Nadeln  ihres  Gerüstes.  Die 
Hohlräume  weisen  keine  gesonderten  Kammern  auf,  son- 
dern die  mit  Geisseizellen  besetzte  membrana  reticularis 
ist  unregelniässig  ausgebaucht.  Die  äussere  Form  des 
Körpers  ist  meist  die  eines  dickrandigen  Kelches.  Sie 
ist  für  die  Gattungen  und  Arten  von  Bedeutung.  Die 
Gattung  Semperella  besitzt  ein  communicirendes  System 
gleichweiter  Röhren,  während  die  Gattungen  Pheronema, 
Poliopogon  und  Hyalonema  ein  baumförmig  verzweigtes 
Kanalsystem  haben.  Schulze  begründet  hierauf  und  auf 
den  bei  Semperclla  eigenthümlichen  Nadelbau  die  Unter- 
familien der  Semperellinae  und  Hyalonematinae.  Die  ein- 
gehendere Betrachtung  der  vier  Gattungen  zeigt,  dass  von 
dem  von  den  Urhyalonematiden  aufsteigenden  Stamm, 
dessen  Spitze  Pheronema  bildet,  sich  anfangs  divergirend 
Hyalonema  und  Semperella,  später  Poliopogon  abgezweigt 
haben.     Sodann    geht  Verf.    auf  die   Arten   ein,    um   am 


Schluss  eine  ausführliche  Bestimmungsübersicht  der  Fa- 
milie zu  geben.  Pheronema  umfasst  6  Arten,  die  im 
atlantischen  Ocean,  bei  den  Philippinen  und  Molukken  in 
200  bis  gegen  3000  m  Tiefe  gefunden  worden  sind. 
Poliopogon  mit  2  Arten  gehört  den  Canaren  sowie  dem 
grossen  Ocean,  nördlich  von  Neu-Seeland,  an  und  wurde 
(von  jeder  Art  ist  nur  ein  Exemplar  bekannt)  in  2790,  bezw. 
1153  m  Tiefe  gedregt.  Hyalonema  unifast  20  Arten,  von 
denen  zwei,  H.  cupressiferum  und  fruticosum,  neu  sind. 
Die  Hyalonemen  sind  vorzugsweise  im  Stillen  Ocean  und 
meist  in  bedeutenden  Tiefen  (bis  4400  und  4600  m)  ge- 
funden worden,  nur  H.  Sieboldi  von  Japan  und  H.  toxeres 
von  St.  Thomas  fanden  sich  in  flacheren  Meeren  (300  bis 
500  ni,  bezw.  417  m).  Semperella  umfasst  die  eine  Art 
S.  Schultzei.  Matzdorff. 


Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben. 

Es  wurden  ernannt:  Dr.  Janosik,  ausserordentlicher  Pro- 
fessor für  Histologie  und  Embryologie  an  der  böhmischen  Univer- 
sität Prag,  zum  Ordinarius.  —  Der  ausserordentliche  Professor 
für  Philosophie  an  der  Universität  Marburg  Dr.  P.  Natorp  zum 
Ordinarius.  —  D.  Davydow,  Privatdocent  am  Veterinär-Institut 
in  Charkow,  zum  Professor  für  Pharmaoie  und  Pharmakognosie 
an  der  Universität  Warscliau.  —  Dr.  Boeddinghans  zum 
Assistenten  am  chenuschen  Laboratorium  der  Bergakademie  zu 
Freiberg  in  Sachsen. 

Es  hat  sich  habilitirt:  Der  Assistent  am  physiologischen 
Laboratorium  der  Kgl.  Versuchsstation  für  Gährungsgewerbe  an 
der  Akademie  Hohenheim  Dr.  Franz  Lafar  für  Gährungs- 
physiologie  an    der  Technischen  Hochschule  in  Stuttgart. 

Dr.  Karl  Maria  Finkeinburg,  Profes.sor  der  Hygiene  an 
der  Universität  Bonn,  beabsichtigt,  seine  Lohrthätigkeit  einzustellen. 

Es  sind  gestorben:  Der  Professor  für  Embryologie  an  der 
Universität  Edinburgh  Brook  daselbst.  —  Der  Professor  der 
Mediciu  Dr.  John  King  in  Cincimiati. —  Professor  M'Fadden 
A.  Newell,  Superintendent  of  Public  Instruction  des  Staates 
Maryland,    früher  Lehrer   der  Naturwissenschaften   am  Lafayette 


Nr.  38. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


41.") 


—    Patui-    li.   r.   Vin. 


College,    hiTvon-agondoi-    Schriftstell 

Director    des   Belen- Observatoriums   in   Havaiinah.  —  Der   durcl 

seine    wissenscliaftlielie   Arbeiten    bekannte    Sanitätsrath    Dr.    B 

Schmitz   in  Neueuahr.  —  Der   frühere  Oberbibliothekar 

Königl.  Bibliothek   in  Stockholm    Dr.  Gustav    Kduard 

ming  in  Södermanland.  —  Der  Geheime  Sanitätsrath  Dr. 

vant,    bekannter  medicinischer  Schriftsteller,   in  Frankfurt  a.  M. 


an   der 
K 1  e  m  - 

Passa- 


Die  Englische  Photographische  Gesellschaft  und  ihr  nahe- 
stehende Körperschaften  werden  vom  10.  l)is  \2.  (Ictober  d.  J. 
eine  allgemeine  Versammlung  in  London  ablialten.  Geschäfts- 
führer ist  Mr.  Chapman  Jones,  50  Great  Rüssel  Street,  W.  C. 


Eine  Internationale  Ausstellung  für  Armateur-Photographie 
findet  vom  1.  bis  31.  October  d.  J.  in  Hamburg  in  der  Kunst- 
halle statt.  

Die  Q-rönland- Expedition  des  amerikanischen  Marinelieute- 
nants Peary  scheint  ihren  Bestimmungsort,  die  unter  77°  n.  Br. 
an  der  Westküste  Grönlands  gelegene  Inglefieldsbucht  (vergl. 
Naturw.  Wochenschrift,  VIII,  S.  3U)  erreicht  zu  haben. 


Die  internationale  Preisaufgabe  für  den  Königspreis  für 
das  Jahr  1897  ist  soeben  vom  Moniteur  beige  verötfentliclit  worden 
und  lautet:  „Die geologischen, hydrologischen  und  meteorologischen 
Verhältnisse  der  Gebiete  Aequatorial-Afrikas  sollen  vom  sanitären 
Gesichtspunkte  aus  behandelt  werden.  Nach  dem  jetzigen  Stande 
unseres  Wissens  über  diese  Verhältnisse  sollen  für  die  genannten 
Gebiete  die  geeigneten  diätetischen  Grundsätze  doducirt  und  mittels 
geeigneter  Beobachtungen  das  beste  Regime  in  Lebensweise,  Er- 
nährung und  Arbeit,  in  Bekleidung  und  Wohnung  bestimmt  werden, 
um  die  Gesundheit  und  Kraft  zu  erhalten.  Es  soll  die  Syniptomeu- 
lehre  und  die  Ursache  der  Krankheiten,  welche  die  Gebiete 
Aequatorial-Afrikas  charakterisiron,  dargestellt  und  ihre  Behand- 
lung in  vorbeugender  und  therapeutischer  Hinsicht  angegeben 
werden.  Es  sollen  ferner  die  Grundsätze  festgestellt  werden  in 
der  Wahl  und  dem  Gebrauche  der  Heilmittel,  sowie  in  der  Er- 
richtung von  Krankenhäusern  und  Sanatorien.  Die  Bewerber 
sollen  bei  ihren  wissenschaftlichen  Nachforschungen  und  prak- 
tischen Schlussfolgerungen  besonders  die  Existenzbedingungen  der 
Europäer  in  den  verschiedenen  Theilen  des  Congo-Beckens  berück- 
sichtigen." Der  Preis  beträgt  25  000  Francs.  An  der  Lösung  der 
Aufgabe  können  sich  alle  Nationen  betheiligen.  Die  Arbeiten 
sind  bis  zum  3L  December  1896  dem  Ministerium  des  Innern  in 
Brüssel  einzureichen. 


L  i  1 1  e  r  a  t  u  r. 


Albert  Brinkmann,  Naturbilder.  Schilderungen  und  Betrach- 
tungen im  Lichte  der  neuesten  Naturanschauung.  M.  Heinsius 
Nachfl.     Bremen  1893.  —  Preis  3  M. 

Dem  Freunde  der  Natur  unter  den  Laien  ist  das  Buch  zu 
empfehlen.  Es  bringt  30  kurze  Vorträge,  die  Verf.  gehalten  hat 
namentlich  aus  den  Gebieten  der  Zoologie  und  Botanik,  aber 
auch  aus  der  Naturforschung  ferner  liegenden  Gebieten,  wie  die 
Vorträge  „Das  Brot",  „Die  Entwickelung  der  Telegraphie"  u.  s.  w. 
Wir  haben  mehrere  der  anregend  geschriebenen  Aufsätze  gelesen 
und  gefunden,  dass  der  Verfasser  wohl  orientirt  ist. 


Prof.  Dr.  O.  Hertwig,  Aeltere  und  neuere  Entwickelungs- 
Theorien.  Rede  gehalten  zin-  Feier  des  Stiftungstages  der 
militär.  Bildungsanstalten  am  "2.  Aug.  1892.  August  Hirsclnvald. 
Berlin  1892.  —  Preis  1  M. 

Behandelt  den  Gegenstand  übersichtlich,  kurz  und  bündig 
und  zwar  im  Speciellen  die  als  Präformation  und  Epigenese  be- 
kannten Theorien. 

Oudemans,  C.  A.  J.  A.,  Revisions  des  Champignons  tant  supc- 
rieurs  qu'inferieurs  trouves  jusqu'ä  ce  jour  dans  les  Pays- 
Bas.  Vol.  I.  Hvmenomycetes,  Gasteromycetes,  Hypodermees, 
Amsterdam  (S.  Müller).  1893.    638  S.  8". 

Der  vorliegende  erste  Band  des  seit  Jahren  vorbereiteten 
Werkes  soll  in  erster  Linie  nur  die  kritische  Aufzählung  der  bis- 
her  in    den  Niederlanden   beobachteten  Hvmenomvceten,    Gastro- 


myceten,  Uredineen  und  Ustelagineen  tiringen,  geht  aber  bei  w(dtem 
über  dieses  Ziel  hinaus.  Das  Werk,  hätte  sich  können  eine  »Pilz- 
flora" der  Niederlande  nennen,  wenn  die  ausführliehen  Diagnosen 
jeder  Species  gegeben  wären.  Indessen  wird  dieser  scheiidjare 
Mangel  vollkommen  ersetzt  durch  genaue  Bestimmungstabellen 
der  einzelnen  Arten,  die  dabei  in  sehr  ausführlicher  Weise  charak- 
tcrisirt  werden  und  durch  Benennungen,  über  die  Unterscheidungs- 
merkmale der  nächst  verwandten  Species.  Es  ist  deshalb  das 
Buch  zum  Bestimmen  und  Unterscheiden  der  Formen  sehr  ge- 
eignet, zumal  alles,  w.as  an  Bemerkungen  sich  vorfindet,  auf 
eigener  Beobachtung  beruht.  Da  die  Floren  der  Niederlande  und 
Deutschlands  sich  zum  grossen  Theil  decken,  so  dürfte  das  Buch 
sich  bald  auch  in  Deutschland  einbürgern  und  der  Pilzkunde  neue' 
Freunde  zuführen.  Ref.  kann  es  jedem  Sammler  angelegentlichst 
empfehlen.  Lindau. 


Arthur  König,  Aeltere  Beiträge  zur  Physiologie  der  Sinnes- 
organe in  Neudrucken  und  Uebersetzungen.  Heft  i.  Leopold 
Voss.     Hamburg  und  Leipzig  1893.  —   Preis  2,5Ü  M. 

Das  vorliegende  I.  Heft  des  im  Titel  genannten  Unternehmens 
Arthur  König's  ist  Hermann  von  Helmholtz  zum  50jährigen 
Dr.-Jubiläum  gewidmet  und  betitelt  sich  demgemäss:  Das  Augen- 
leuchten und  die  Erfindung  des  Augenspiegels  dargestellt  in  Ab- 
handlungen von  E.  von  Brücke,  W.  Cumming,  H.  von  Helm- 
holtz und  C.  G.  The  od.  Ruote.  Es  bringt  die  6  wichtigen 
Abhandlungen  zu  dem  Gegenstande  aus  der  Feder  der  genannten 
Autoren.  Das  Unternehmen  König's  ist  sicherlich  verdienstlich: 
werden  doch  dailurch  die  Fundamental-Abhandlungen,  die  Gruud- 
und  Ecksteine  des  Baues  unserer  heutigen  Erkenntniss  allgemein, 
leicht  und  billig  zugänglich  gemacht. 


Prof.  Dr.  E   von  Lommel,  liehrbuch  der  Experimentalphysik. 

Mit  -124  Textfiguren.    Johann  Ambrosius  Barth  (Arthur  Jleiner). 

Leipzig  1893.  ^  Preis  6,40  M. 

Das  vorliegende,  aus  den  Vorträgen  des  bekannten  Münchener 
Universitätsprofessors  hervorgegangene  Buch  stellt  sich  die  Auf- 
gabe, die  Physik  in  ihrer  gegenwärtigen  Gestalt  ohne  ausgedehnte 
mathematische  f^ntwickelungen  allgemein-verständlich  dar- 
zulegen. Die  wichtigsten  mathematischen  Ableitungen  sind  mög- 
lichst knapp  in  ergänzenden,  kleingedruckten  Abschnitten  hinein- 
gefügt worden.  Die  Fülle  des  gebotenen  Stoffes  muss  bei  der 
Massigkeit  des  Preises  sehr  befriedigen.  Die  Darstellung  ist  ge- 
drängt, aber  dabei  klar  und  bestimmt.  Einfache  Abbildungen  in 
grosser  Zahl  dienen  zur  Veranschaulichung  der  beschriebenen 
Apparate.  Das  Werk  dürfte  sich  zum  Selbststudium  in  weiten 
Kreisen  empfehlen.  Kbr. 


Engler  und  Prantl,  Die  natürlichen  PflanzenfamUien,  fort- 
gesetzt von  A.  Engler.  Lief.  87  —  89.  W.  Engelinann  in  Leipzig. 
1893.  Preis  k  Lief.  1,50  in  Subscription,  sonst  3  M.  —  Lief.  87  u.  88, 
ein  Doppelheft  bildend,  enthält  den  Schluss  der  Amarantaceen 
(bearbeitet  von  A.  Schinz),  die  Batidaceen  (U.  Dammer),  Cyno- 
crambaceen  (V.  A.  Penisen),  und  die  Basellaceen  (G.  Volkens). 
Damit  ist  die  1.  Abtheilung  des  III.  Theiles  abgeschlossen,  auf 
die  wir  noch  näher  eingehen  werden.  Ferner  bringt  das  Heft 
den  Schluss  der  Myrtaeeen  (F.  Niedenzu),  die  Combretaceen 
(I).  Brandis)  und  den  Anfang  der  Melastomaeeen.  Lief.  89  bringt 
die  Fortsetzung  der  Compositen  (0.  Hofl'mann). 


Michaelis,  Karl,  Uelier  die  Wechselwirkung  zwischen  Pliosiiliaten 
und   Vanailaten   des    Kaliums  und  Natriums.      Hamburg.     1,.J0  M. 

Straubel,  Dr.  Rud.,  Theorie  der  Beugungsurscheinungen  kreis- 
förmig begrenzter,  symmetrischer,  nicht  sphärischer  \Velli'n. 
Älünchen.     3  M. 

Tavel,  Doc.  Dr.  F.  v.,  Bemerkungen  über  den  Wirthwechsel  der 
Kcistpilze.     Bern.     U,60  M. 

Walther.  Prof  Johs.,  Einleitung  in  die  Geologie  als  historische 
Wissenschaft.  2  Die  Lebensweise  der  Meeresthierc.  Jena. 
.■^..'lO  M. 

Wellisch,  Ingen,  ehem.  Assist.  S.,  Die  Berechnungen  in  der 
praktischen   Polygonouietrio.     Wien.     2  M. 

Wolf,  Prof.  Dr.  Rud.,  Handbuch  der  Astronomie,  ihrer  Geschichte 
und  Litteratur.     Zürich.     S  M. 


Inhalt:  Dr.  Karl  L.  Schaefer:  Sonnenstich  und  Hitzschlag.  —  Prof.  R.  K  oc  li:  Die  Cholera  in  Deutschland  während  des  Wintei-s 
1892  bis  1893.  —  Die  XL.  Versammlung  di'r  Deufschi'n  Geologischen  Gesellschaft  in  GosLar  vom  14.  bis  16.  August.  —  System 
der  Hyalonematiden.  —  Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben.  —  Litteratur:  Albert  Brinkm  ann:  Naturbilder.  —  Prof.  Dr.  0.  Hertwig: 
Aeltere  und  neuere  Entwickelungs-Theorien.  —  C.  A.  J.  A.  (Judemans:  Revisions  des  Champignons  tant  superieurs  quinferieurs 
trouves  jusqu'a  ce  jour  dans  les  Pays-Bas.  —  Artliur  König:  Aeltere  Beiträge  zur  Physiologie  der  Sinnesorgane  in  Neudrucken 
und  Uebersetzungen.  —  Prof.  Dr.  E.  von  Lommel:  Lehrbuch  der  Experimentalphysik.  —  Engler  und  Prantl:  Die  natür- 
lichen Pflanzenfamilien.  —  Liste. 


416 


Naturwissenschaf'tliclic  Wocbcnsclirift. 


Nr.  38. 


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» ! » 


Verantwortlicher  Redakteur:    Dr.  Henry  Potouie,    Berlin  N.  4.,  Inv:ili(lciistr.    14,  fiir  ihn    Iri,-;rrateiitlieil:     Hugo  Ur,  n.stein    in    Berlin. 
Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12.  —  Druck:  G.  Bernstein,  Berlin  SW.  12. 


Redaktion:         7         Dr.  H.  Potonie. 
Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12,  Zimmerstr.  94. 


VIII.  Band. 


Sonntag,  den  24.  September  1893. 


Nr.  39. 


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Die  Transformation  der  Pflanzenwelt. 


Nach  Prof.  M.  Fau volle. 


Auf  der  9.  Transformisten-Conferenz  zu  Paris  lieferte 
Professor  1\[.  F au v eile  ßeiträfte  zur  Entwickehuigsge- 
schichte  der  Pflanzenwelt.  (Bulletins  de  la  Societe  d'An- 
thropologie  de  Paris  1891.  3.  Fascic.  S.  386—417.)  —  Nach 
den  Ausführungen  des  Vortragenden  ist  die  Entstehung 
der  einzelnen  Thier-  und  Pflanzenclassen  durch  eine  Ah- 
änderung  der  Nahrungsweise  bedingt,  wie  sich  eine 
solche  beim  Uebergange  aus  einem  Medium  ins  an- 
dere einstellen  nuisste.  Die  Erdgeschichte  berechtigt  uns 
zu  der  Annahme,  dass  beide,  Thiere  und  Pflanzen,  im 
marinen  Elemente  ihren  Anfang  nahmen,  sodann,  ent- 
sprechend der  fortschreitenden  Entstehung  von  Siisswasser- 
ansammlungen  (Silur  und  Devon),  in  diese  vordrangen, 
um  nach  einem  entsprechenden  Aufenthalt  in  einem 
sumpfigen  oder  von  stagnirenden  Gewässern  durchzogenen 
Terrain  (Steinkohlenperiode)  endlich  trockenen,  nur  durch 
Regenniederschläge  feucht  und  fruchtbar  gehaltenen  Boden 
zu  gewinnen. 

Es  kann  kein  Zweifel  darüber  bestehen,  dass  Thier 
und  Pflanze  aus  einer  einzigen  Zelle  hervorgegangen  sind, 
und  zwar,  wie  Fauvelle  annimmt,  das  erstere  aus  einer 
farblosen,  die  zweite  aus  einer  grünen  Zelle.  Die  grüne 
Pflanzenzelle  muss  die  ältere  von  beiden  gewesen  sein;  je- 
doch soll  ihr  nach  Fauvelle  die  Bildung  des  Chlorophylls 
selbst  vorausgegangen  sein.  Man  hat  hiergegen  einzuwerfen 
versucht,  dass  die  grüne  Färltung  gewisser  Thierspecies  an 
die  Anwesenheit  von  Chlorophyll  gebunden  wäre,  jedoch 
ist  dies  nicht  der  Fall.  Denn  dieselbe  beruht  vielmehr  auf 
der  Anwesenheit  monocellulärer  Algen,  die  sich  in  dem  Ge- 
webe eingenistet  haben  und  mit  dem  Thiere  gleichsam  ein 
Conubium  nach  Art  der  Flechten  eingegangen  sind. 

Meeresalgen.  Ueber  die  ersten  Anfänge  der  grünen 
Zelle  wissen  wir  nichts  genaues,  denn  die  ersten  marinen 
Gewächse,  die  uns  in  der  Paläontologie  entgegentreten, 
sind  bereits  polycellulärer  Natur.  Dass  jedoch  ihnen 
unicelluläre  Wesen    vorausgegangen  sind,    ist  sehr  wahr- 


Algen  geht  durch  Endos- 


scheinlich.     Die  Ernährung  der 

mose  vor  sich,  der  Aufbau  der  organischen  Substanz 
durch  Vermittelung  der  Lichtstrahlen.  Aus  diesem  Grunde 
überschreiten  die  Meerwasseralgen  auch  selten  die  Tiefe 
von  100  ni-,  über  400  m  hinaus  kommen  keine  mehr  vor. 
Bekanntlich  unterscheidet  man  blaue,  grüne,  braune  resp. 
schwarzgelbe  und  rothe  Algen :  es  ist  dies  die  Reihenfolge, 
in  welcher  diese  4  Arten  entsprechend  der  zunehmenden 
Wassertiefe  vom  Ufer  aus  aufzutreten  pflegen.  Eine  solche 
stricte  Differenzirung  hinsichtlich  des  Staudortes  der  Pflan- 
zen nach  der  Farbe  ist  ohne  Zweifel  auf  die  grössere  oder 
geringere  ßrechbarkeit  des  Sonnenspectrums  in  den  ver- 
schiedenen Tiefen  zurückzufiilireii.  —  Was  das  Verhältniss 
der  angeführten  Arten  zu  einander  betrifft,  so  ist  bekannt, 
dass  die  an  den  tiefsten  Stellen  wachsenden  Algen,  also 
die  rothen,  die  höchstentwickelten  sind.  Die  Erklärung 
liegt  auf  der  Hand.  Die  nahe  der  Meeresoberfläche 
wachsenden  Pflanzen  sind  zu  sehr  den  beständig  über  sie 
wegstreifenden  Winden  und  Stürmen  ausgesetzt  gewesen, 
als  dass  sie  eine  ruhige  Entwickelung  hätten  durchmachen 
können ;  bei  tiefer  wachsenden  Algen  war  dies  schon  eher 
der  Fall.  Die  grünen  Algen  sind  als  der  Normaltypus, 
als  das  ursprüngliche  zu  betrachten.  —  Die  blauen  sind 
schon  entwickelter,  wenngleich  sie  auch  Zeichen  der  In- 
sich  tragen.     Die    meisten    von    ihnen    sind 


geschlechts- 


feriorität    an 

fadenförmig;  die  Vermehrung  gescliieht  durch 
lose  Sehwärmsporen.  —  An  den  braunen  und  gelb- 
schwarzen Algen  sind  die  Anzeichen  einer  höheren  Ent- 
wicklungsstufe schon  einschneidender.  Sie  sind  riesen- 
hafte Streifen,  die  sich  immer  aufs  neue  theilen.  Die 
Fucaceen  zeichnen  sich  durch  eine  an  die  höheren  Pflanzen 
erinnernde  morphologische  Gliederung  aus.  Man  trifft  hier 
auch  geschlechtslose  Sporen  an,  die  in  der  Nähe  des 
Fusses  sitzen,  sich  nicht  mehr  loshisen,  vielmehr  neuen, 
im  Zusammenhang  mit  der  Mutterpflanze  bleibenden  In- 
dividuen den  Ursprung  geben.  —  Die  höchstentwickelten 


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Meeresalgen  sind"  die  rothen.  Die  Initialzelle  lässt  hier 
eine  fadenförmige  Alge  entstehen,  aus  welcher  sieh  später 
der  Typus  der  Art  entwickelt.  Oft  geschieht  die  Ver- 
mehrung durch  Brut-Knospen.  Die  vermeintliche  Ver- 
wandtschaft zwischen  Florideen  und  Laubmoosen,  die 
man  hieraus  hat  herleiten  wollen,  ist  nur  eine  zufällige; 
dagegen  besteht  hinsichtlich  der  Eibildung  bei  gewissen 
Formen  eine  Annäherung*)  an  die  Phanerogamen. 

Süsswasseralgen.     Die  blauen  und  grünen  Algen, 
die  in  den  Meeren  seltener  sind,  herrscheu  im  Süsswasser 


Landalgen.  Die  Entwickelung  der  Landalgen  voll- 
zog sich  aus  den  niedrigst  stehenden  der  Wasseralgen 
zu  dem  Zeitpunkte,  als  der  Boden  sich  zu  heben  begann. 
Es  versteht  sich  von  selbst,  dass  diese  Flüchtlinge  erst 
einen  längeren  oder  kürzeren  Aufenthalt  in  den  Süss- 
wasseransammlungen  nehmen  mussten,  bevor  sie  sich  dem 
Inftförmigen  Medium  anzupassen  vermochten.  —  Bestimmte 
dieser  Algen  verloren  bei  diesem  Uebergange  infolge 
mangelhaften  Lichtzutrittes  ihr  Chlorophyll  und,  da  sie 
von  in   Auflösung  begriftenen   l'flanzen    umgeben  waren, 


a/Ait^-i^/e^A 


cMlan^vn .  c/ftirn 


_4M'<^a^--^^cÄr^_  .  I 


vor;  hingegen  sind  hier  die  braunen  und  rothen  in  der 
Jlinderzahl  vertreten.  Natürlich,  denn  es  fehlt  ihnen  die 
Tiefe,  die  sie  zu  solchen  umgestaltet  hat.  Dass  die  Süss- 
wasseralgen niedriger  stehende  Typen  als  die  entsprechen- 
den Meerwasseralgen  repräsentiren,  erklärt  sich  leicht  da- 
durch, dass  die  Anpassung  an  das  neue  JMcdium  für  die 
vollkommenere  Species  nicht  mehr  möghch  war,  sondern 
nur  für  solche,  die  noch  nicht  weit  in  der  Entwickelung 
vorgeschritten  waren. 


*)  F.  denkt  ohne  Zweifel  an  das  als  weibliehos  Organ 
dienende  Procarpium  der  Florideen,  welches  mit  seinem  haar- 
förmig  verlängerten,  mit  den  männlichen  Spermatien  copulirenden 
Theil  (Trichogj'ne)  allerdings  an  einen  Fruchtknoten  mit 
Griffel  erinnert. 


absorl)irten  sie  nunmehr  von  diesen  ihre  Nahrung,  wodurch 
eine  weitere  Verarbeitung  derselben  durch  die  Sonnen- 
strahlen überflüssig  geworden  war.  Sie  wurden  zu  Pilzen. 
Es  ist  dies  eine  Hypothese  Fauvelle's,  die  derselbe  auf 
die  zwischen  Süsswasseralgen  und  Pilzen  bestehende 
Aehnlichkeit  —  das  Mycel  gleicht  den  fadenförmig  ver- 
zweigten Algen  —  stützt.  —  Eine  andere  Gruppe  von 
farblos  gewordeneu  Algen,  die  sich  hinsichtlich  ihrer 
niederen  Entwickelungsstufe  den  blauen  Algen  nähern, 
haben  sich  zu  jenen  Organismen  umgewaudelt,  die  wir 
im  Allgemeinen  als  Bacterieu  bezeichnen.  —  Diejenigen 
grünen  Algen  dagegen,  die  bei  der  Anpassung  an  die 
genügend  feuchte  Erdoberfläche  ihr  Chlorophyll  beibe- 
hielten,   gaben    möglicherweise    den    Laudpflauzen    deu 


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Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


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Ursprung.  Einzelne  von  ihnen  vernioelitcii  ihr  Dasein 
nur  in  der  Weise  zu  fristen,  dass  sie  sieh  loslösten  und 
einzeln  zu  vegetiren  suchten.  Es  sind  dies  jene  Algen, 
die  Felsen,  Mauern  und  Baumstännuc  bekleiden.  Andere 
wiederum  behielten  eine  gewisse  Verwandtschaft  mit  den 
Pilzen  bei  und  gingen  mit  diesen  eine  Art  von  Vernunft- 
ehe ein,  aus  der  beide  Theile  Nutzen  schöpften.  Trotz 
dieser  engen  Verbindung  behielten  Pilze  sowohl  als  auch 
Algen  die  ihnen  eigene  Fortpflanzung  bei,  sodass  mau  sie 
nocli  jetzt  von  einander  trennen  kann.  Es  sind  dies  die 
Flechten.  Zu  einer  jüngeren  Zeit  sind  andere  tilamcntösc 
Algen  auch  mit  höheren  Landpflanzen  ähnliche  Verbin- 
dungen eingegangen,  aus  denen  sie  die  zu  ihrer  Ernäh- 
rung und  Vermehrung  nothwendige  Nahrung  beziehen. 
Eine  solche  Alge  ist  die  Myeoidea,  die  in  den  Intercellular- 
räumen  der  Cameliablätter  lebt. 

Muscineen.  Die  Entstehung  der  Moose  stellt  sieh 
Fauvelle  folgendermaassen  vor.  Eine  Algenspore  fällt 
auf  sumpflges,  vom  Süsswasser  diu-chtränktes  Terrain. 
Sie  sprengt  ihre  Umhüllung  und  wächst  zu  einer  grünen 
Alge  aus,  die  sich  in  den  meisten  Fällen  nur  verzweigen 
und  verästeln,  mitunter  aber  auch  lamellöse  und  selbst 
massive  Formen  annehmen  wird.  Eine  Zeit  lang  wächst 
sie  in  der  alten  Weise  ihrer  Vorfahren  weiter;  in  dem 
Augenblick  aber,  wo  der  Hoden  auszutrocknen  beginnt, 
werden  sich  mehrere  ihrer  Zellen  in  einem  der  bisherigen 
Richtung  entgegengesetzten  Sinne  theilen.  Diese  beiden 
neuen  protoplasmatischen  Körper  vermehren  sich  ihrer- 
seits mehr  und  mehr  und  bilden  schliesslich  eine  enibryo- 
näre  Masse,  die  sich  leicht  von  dem  Rest  der  Alge 
unterscheiden  lässt.  Die  im  Contact  mit  dem  Boden  be- 
findlichen Zellen  verlieren  ihr  Chlorophyll  und  verlängern 
sich  in  Gestalt  von  Haaren  bis  zu  einer  gewissen  Tiefe 
in  die  noch  mit  Flüssigkeit  erfüllten  Interstitien  des  Bodens. 
Hierdurch  befestigen  sie  die  Pflanze.  Gleichzeitig  ver- 
mehren sich  wieder  die  oljeren  grün  gebliebenen  Zellen 
in  verticaler  aufsteigender  Richtung  und  entwickeln  in 
der  Luft  einen  mehr  oder  minder  cylindrischen,  mit  laub- 
artigen Anhängen  besetzten  Stengel.  Die  an  dieser  Stelle 
eintretende  Verdunstung  wird  weiter  eine  Absorption  durch 
die  Haare  (Wurzeln)  zur  Folge  haben.  Ein  aufsteigender 
Saftstrom  mit  den  mineralischen  Nährsalzen  wird  eine  oder 
mehrere  Reihen  von  Zellen  im  Innern  der  Pflanze  zerstören 
und  hin  und  wieder  die  Wände  durchbrechen.  Durch  diese 
übermässige  Circulation  findet  das  Problem  der  Luft- 
vegetation seine  Lösung.  —  Die  soeben  geschilderte  Ent- 
wickelung  gleicht  der  unserer  Moose,  nur  mit  dem  Unter- 
schiede, dass  bei  diesen  die  Spore  von  einem  Moose, 
bei  dem  obigen  Vorgange  aber  von  einer  Alge  .stammt. 
—  Die  Moose  pflanzen  sich  durch  Eier  fort,  die  sich  in 
eine  bestimmte  Anzahl  sich  aussäender  Sporen  wieder 
theilen.  Was  die  geschlechtslosen  Sporen  anbetriflt,  so 
sind  dieselben  hier  stets  adhärent  und  geben  die  Mutter- 
pflanze nur  in  der  Form  von  Zweigen  wieder.  Indessen 
lösen  sich  unter  ihnen  auch  gewisse  los,  nachdem  sie  eine 
kleine  Alge*i,  das  Protonema,  haben  hervorkeimen  lassen. 
Dieser  Vorkeim  entwickelt  sich  auf  sumpfigem  Terrain 
gleich  einer  Initialalgc  und  erzeugt  ein  oder  mehrere 
Moospflanzen.  Die  geschilderten  Vorgänge,  die  denen 
an  den  höchstentwickelten  rothen  .Algen  gleichen,  könnten 
zu  dem  Schlüsse  einer  nahen  Verwandtschaft  zwischen 
beiden  Pflanzenclassen  berechtigen,  jedoch  nur  scheinbar. 
Denn  es  ist  nicht  gut  anzunehmen,  dass  eine  rothe  Alge 
aus  einer  Tiefe  von  50  m  sich  plötzlich  an  der  freien 
Luft,  wenn  auch  auf  sumpfigem  Boden,  zu  einer  Muscinee 
entwickeln  konnte. 

Die  eigentlichen  Moose  sind  nicht  zum  Ausgangspunkt 


*)  d.  i.  einen  algeuähnlichen  Zellkörper. 


folgenden 


stehung 


für  eine  höher  organisirte  Pflanzenelasse  geworden.  Da- 
gegen trift't  dies  für  die  Lebermoose  zu.  Diese  be- 
stehen aus  einem  einem  einfachen  Laubblatt  ähnlichen  Zell- 
körper, der  auf  der  Oberfläche  des  sumpfigen  Bodens 
aufliegt.  Seine  nach  dem  Boden  gekehrte  Fläche 
entwickelt  Haare,  die  den  schon  früher  am  Ende  des 
Stengels  erzeugten  zu  Hilfe  konnuen,  seine  obere  Fläche 
ist  der  Sitz  der  Zeugungsorgane,  die  in  derselben 
Weise  wie  bei  den  Laubmoosen  in  Function  treten.  — 
Die  Lebermoose  sind  somit  als  Ausgangspunkt  der  Gefäss- 
pflanzen  zu  betrachten,  und  zwar  wurden  sie  dies  durch 
Mechanismus. 
Gefäss-Kryptogamcn.  Den  Vorgang  der  Ent- 
von  Kryptogamen  können  wir  uns  folgender- 
maassen vorstellen.  Nehmen  wir  ein  Lebermoos  an,  das 
auf  feuchtem,  aber  dem  Luftzutritt  mehr  als  bisher  aus- 
gesetztem Terrain  wächst.  Seine  obere  Blattflächc  wird, 
da  sie  der  raschen  Verdunstung  ausgesetzt  ist,  verhärten 
und  das  Aussehen  gewöhnlicher  Blätter  annehmen.  So- 
mit sind  die  sexuellen  Sporen  gezwungen,  sich  auf  der 
Unterseite,  mitten  zwischen  den  Haaren,  zu  entwickeln, 
wo  sich  die  Befruchtung  sodann  in  der  gewohnten  Weise 
abspielt.  Nur  theilt  sich  unter  diesen  neuen  Verhältnissen 
das  Ei,  anstatt  dass  es  Ausstreusporen  entstehen  lässt,  in 
eine  celluläre  Masse,  die  zum  Emliryo  einer  neuen  Pflanze 
wird.  Dies  würde  eine  Gefässkryptogame  sein.  —  Noch 
heute  sehen  wir  denselben  Vorgang  sich  wiederholen. 
Den  Botanikern  war  es  schon  längst  bekannt,  dass  der 
Prothallus  der  Farnkräuter  in  der  That  nur  ein  Leber- 
moos ist,  das  aus  einem  Protonema  oder  einer  Fadenalge 
hervorgegangen;  aber  sie  haben  bisher  nicht  daran  ge- 
dacht*),   aus  dieser  Aufeinanderfolge    der  Formen    einen 


Schluss  auf  die  Phylogenie  der  Pflanzen  zu  ziehen. 

Der  auf  die  soeben  geschilderte  Weise  sich  ent- 
wickelnde Emliryo  treibt  nach  unten  zu  eine  Wurzel  mit 
o])erflächlichen  Zellen  von  der  Gestalt  eines  Haares  und 
nach  oben  zu  einen  Stengel,  der  sich  mit  Blättern  be- 
deckt. Aufsaugung  und  Verdunstung  werden  mehr  und 
mehr  kräftig,  somit  auch  der  aufsteigende  Saftstrom. 
Die  Zellen,  durch  welche  derselbe  treibt,  verlieren  nicht 
nur  ihr  Protoplasma,  sondern  werden  im  Sinne  des  Stromes 
durchbrochen.  Es  entstehen  Gefässbündel.  Auf  den  Blät- 
tern bilden  sich  dann  weiter  Sporen  aus,  die  auf  den 
Boden   fallen    und    sieh    zu  einer  Algen-   und  sodann   zu 


Algen- 
einer  Lebermoosform  entwickeln,  wie  wir  bereits  oben  ge- 


sehen haben.  —  Bei  einzelnen  Formen  lassen  diese  Sporen 
ein  eingeschlechtiges  Prothallium  entstehen;  die  gegen- 
seitige Befruchtung  kommt  aucli  hier,  wie  bisher,  auf  dem 
Wege  des  flüssigen  Mediums  zu  Stande.  Hiermit  ist  der 
erste  Schritt  zur  Phanerogamie  gekennzeichnet.  Solche 
Neigung  zur  Geschleehtsdifterenzirung  der-Sporeu  markirt 
sich  noch  mehr  bei  anderen  Familien.  Am  Ende  der 
Stengel  entstehen  bei  diesen  an  den  im  Volumen  reducirten 
Blättern  getrennt  mäimliche  Mikrosporen  und  weibliche 
Makrosporen,  die  ditferente  Prothallicn  erzeugen.  Gleich- 
zeitig kürzt  sich  der  Eutwickeiungsprocess  ab:  zuerst 
nehmen  die  Alge  und  das  Lebermoos  an  Volumen  ab,  so- 
dann geht  ihre  Entwiekelung  frühzeitiger  vor  sich.  So 
spielt  sich  bei  den  Selaginellen  die  Ausbildung  des  Vor- 
keiines  schon  v(n"  Lostrennung  von  der  Mutterpflanze  im 
Sporangium  al);  bei  den  Salviniaceen  ebenso  frühzeitig 
Itereits  die  Befruchtung.  Aber  innncr  wird  hier  die  männ- 
liche Spore  mittelst  iln-er  Cilien  sich  den  Weg  durch  eine 
wenu  auch  noch  so  dünne  Wassersehicht  zur  weiblichen 
Spore  bahnen.  Dieser  Vorgang  bleibt  für  die  Gefäss- 
kryptogamen  charakteristisch;    er  zeigt  gleichzeitig,    dass 


*)  Die  Fach  botaniker  haben  es  schon  längst  ausgesprochen 


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sie    ihrer    Entstehung   nach    dem    sumpfigen  Terrain  an- 
gehören. 

Phanerogamen.  Die  Phanerogamen  durchlaufen 
eine  den  Kry])togamen  gleiche  Entwickelung,  nur  mit  dem 
Unterschiede,  dass  die  abgekürzten  eml)ryona]en  Phasen 
sich  bei  ihnen  immer  auf  der  Mutterpflanze  selbst  abspielen, 
und  dass  die  Vereinigung  der  männlichen  und  weiblichen 
Sporen  nicht  mehr  das  feuchte  Medium,  sondern  die  Luft 
zum  Vermittler  hat.  —  Die  Anthere  gleicht  bei  den  Pha- 
nerogamen dem  Mikrosporangium,  das  Pollenkorn  der 
Mikrospore,  der  Knospenkern  oder  vielmehr  eine  seiner 
Zellen  dem  Mikrosporangium.  Es  ist  dies  der  Embryo- 
sack, dessen  Protoplasma  sich  in  ein  Lebermoos,  d.  h.  in 
ein  rudimentäres  weibliches  Prothallium  (Eudosperm)  um- 
bildet. Eine  oder  mehrere  Zellen  des  Embryosackes  werden 
zur  weiblichen  Makrospore.  Bei  der  Befruchtung  nun  fällt 
bekanntlich  die  Mikrospore  oder  das  Pollenkorn  auf  das 
Pistill,  wird  hier  zurückgehalten  und  wächst  in  ein  rudi- 
mentäres Prothalhum  aus,  dessen  eine  Zelle  sich  in  den 
Pollenschlauch  verlängert  und  seinen  Kern  in  Contact  mit 
der  weiblichen  Spore  bringt.  Das  so  gebildete  Ei  ab- 
sorbirt  das  rudimentäre  Prothallium  und  erzeugt  eine 
celluläre  Masse,  den  Embryo.  Dieser  löst  sich  indessen 
nicht  sogleich  ab,  wie  dies  bei  den  Kryptogamen  der  Fall 
ist,  sondern  erst  nachdem  er  sich  in  Folge  der  durch  die 
Gefässbündel  der  Mutterpflanze  zugeführten  Nahrung  zum 
Samenkorn  ausgebildet  hat.  Also  auch  hier  wieder  ist 
die  Ontogenie  die  abgekürzte  Phylogenie. 

Von  den  Phanerogamen  stehen  den  C4efässkryptogamen 
am  nächsten  die  Gymnospermen:  ihre  Carpellblätter  sind 
noch  nicht  vollständig  über  den  Makrosporangien  ge- 
schlossen. Die  Polaeontologie  zeigt  uns  in  der  That,  dass 
sie  zuerst  aufgetreten  sind.  Die  Angiospermen  entwickelten 
sich  erst  später  durch  hermetischen  Sehluss  des  Pistills. 
Diese  Eintheilung  ist  somit  vom  phylogenetischen  Stand- 
pimkte  aus  ganz  berechtigt.  Dasselbe  lässt  sich  bei  dem 
gegenwärtigen  Stande  der  Wissenschaft  jedoch  nicht  von 
derjenigen  Eintheilung  der  Angiospermen  sagen,  die  nach 
der  Zahl  der  Cotyledonen  geht.  Indessen  ist  zu  betonen, 
dass  unter  den  Gymnospermen  die  Cycadeen,  die  die 
nächsten  Verwandten  der  Kryptogamen  sind,  viel  Ver- 
wandtschaft mit  den  Monocotyledonen,  die  Coniferen  solche 
mehr  mit  den  Dieotyledonen  aufweisen. 

Die  Phanerogamen  sind  im  grossen  und  ganzen  Fest- 
landsbewohner geblieben.  Jedoch  einzelne  von  ihnen 
kehrten  mit  der  Zeit  wieder  zum  Sumpf  und  flüssigen 
Element  zurück,  ohne  jedoch  dabei  die  wesentlichen  Merk- 
male ihrer  Classe  aufzugeben.  Dasselbe  trifft  übrigens 
auch  für  die  Moose  und  Kryptogamen  zu.  Dieser  Rück- 
tritt ins  Medium  der  Vorfahren  erstreckt  sich,  abgesehen 
vom  sumpfigen  Terrain,  nur  auf  das  Süsswasser.  Eine 
einzige  Pflanze  indessen  hat  auch  einige  Species  in  geringe 
Meerestiefen  gesandt,  und  dies  bereits  zur  Tertiärzeit.  Es 
ist  dies  die  Gattung  Najas.  Fauvelle  selbst  hat  vor 
einigen  Jahren  eine  solche  Najadee  im  Grobkalk  aus  der 
Umgebung  von  Bicetre  nachgewiesen. 

Morphologie  der  Gefässpflanzen.  Während  sich 
in  den  oben  erwähnten  Fällen  die  geschlechtslosen  Sporen 
von  der  Mutterpflanze  loslösen,  sind  sie  bei  den  Gefäss- 
pflanzen adhärent.  Es  sind  dies  nach  Fauvelle  jene 
Zellen  in  der  Mitte  des  Vegetationspunktes,  die  von  den 
Botanikern  als  Initialzellen  bezeichnet  werden.  Dieser 
Beziehung  zwischen  den  agamen  Sporen  der  Algen  und 
den  genannten  Zellen  hat  man  bisher  noch  keine  Auf- 
merksamkeit geschenkt.  Die  Vermehrung  der  Art  ist  so- 
mit nicht  nur  als  das  Resultat  der  Vereinigung  der  freien 
Geschlechtssporen,  sondern  auch  als  das  der  adhärenten 
Sporen  zu  betrachten.  Jedes  Jahr  kann  man  an  einem 
ausgewachsenen  Baume  unter  derGesammtzahl  von  Zweigen 


eine  bestimmte  Menge  von  unfruchtbaren  herausfinden,  denen 
die  Pflicht  zufällt,  für  das  nächste  Jahr  die  Entstehung 
der  Blüthenäste  vorzubereiten.  Die  Wurzel  ihrerseits  treibt 
auch  Wurzeln  zweiten,  dritten  u.  s.  w.  Grades,  die  in 
gleicher  Weise  auch  aus  adhärenten  Sporen  hervorgehen. 
Der  Stengel  endlich,  um  denselben  Vorgang  auch  auf  diesen 
zu  übertragen,  verdoppelt  und  verdreifacht*)  alle  Jahre  die 
Zahl  seiner  Holz-  und  Bastbündel.  Es  kann  hiernach  kein 
Zweifel  darüber  bestehen,  dass  eine  Correlation  zwischen 
den  oberirdischen  und  unterirdischen  Enden  einer  Gcfäss- 
pflanze  existirt,  wenn  man  auch  nicht  gerade  behaupten 
kann,  dass  alle  Zweige  eines  Baumes  einer  gleichen  Menge 
von  Wurzelfasern  entsprächen,  und  dass  ein  Baum  als  die 
Vereinigung  von  ebenso  viel  im  Stengel  und  seinen  Ver- 
zweigungen vereinigten  Individuen  zu  betrachten  sei. 

In  derselben  Weise  wie  für  die  Entstehung  der  Pflanzen- 
classen  sucht  Fauvelle  auch  die  der  verschiedenen  Thier- 
classeu  auf  eine  Veränderung  des  umgebenden  Mediums 
sowie  auf  die  damit  zusammenhängende  Abänderung  in 
der  Ernährung  zurückzuführen.  Den  Ausgangspunkt  für 
seine  Betrachtung  bildet  ein  Vergleich  zwischen  der  pri- 
mordialen grünen  und  der  primordialen  farblosen  Zelle.  — 
Die  vegetabilische  grüne  Zelle  nimmt  ihre  Nahrung  aus 
der  mineralischen  Materie  ihrer  Umgebung  auf.  Zum 
Schutze  gegen  die  Aussenwelt  umgiebt  sie  sich  bald  mit 
einer  Hülle,  die  indessen  die  weitere  Aufnahme  der  Nähr- 
salze und  auch  die  Umbildung  derselben  mit  Hilfe  der 
Sonnenstrahlen  nicht  im  geringsten  ändert.  Ihre  Nach- 
kommen ernährten  sich  in  derselben  Weise  wie  sie  und 
konnten  daher  im  flüssigen  Medium  keine  sonderlichen 
Veränderungen  erleiden,  ausgenommen  nur  solche  der 
Farbe,  Ausdehnung  und  Consistenz.  Sie  blieben  Algen. 
Die  thierische  farblose  Zelle  dagegen  war  von  Anfang  an 
von  der  vegetabilischen  abhängig;  sie  durfte  sich  daher 
nicht  mit  einer  festen  Umhüllung  umgeben,  sondern  be- 
hielt ihre  Motilität  und  Sensibilität  bei.  So  lange  sie  in 
isolirtem  Zustande  sich  bewegte,  konnte  auch  sie  sich 
keinen  weiteren  Veränderungen  unterziehen.  Anders  im 
Zellencomplexe.  Da  in  diesem  die  einzelne  Thierzelle  auf 
selbstständigc  Nahrungsaufnahme  aus  der  Aussenwelt  an- 
gewiesen war,  so  konnten  die  Zellen  nur  in  der  AVeise 
im  Zusammenhange  weiter  existiren,  dass  sie  sich  zu  einer 
kugelförmigen  einzelligen  Schicht,  zu  einer  Sphärula,  zu- 
sammenformten. Die  Folge  der  reichlichen  Uebernährung 
derselben  war  eine  Einstülpung:  die  Gastrula.  Die  Gastrula- 
formen  theilten  sich  sodann  weiter  in  zwei  Gru])pen,  in 
solche  mit  einem  festsitzenden,  der  oralen  Oeftnung  ent- 
gegengesetzten Theile  und  in  freilebende  Formen,  die  auf 
dem  Meeresboden  liegen  blieben  und  sogleich  eine  zur 
Längsaxe  des  Körpers  bilaterale  Gestalt  annahmen.  Die 
Individuen  beider  Gruppen  pflanzten  sich  wie  die  Pflanzen 
durch  Eier,  d.  h.  durch  die  Vereinigung  geschlechtlicher 
Sporen  fort;  nur  bestimmte  festsitzende  Gastrulaformen 
pflanzten  sich  gleichfalls  durch  adhärente  geschlechtslose 
Sporen  fort,  ein  Vorgang,  der  an  die  Vermehrung  bei  den 
Moosen  und  besonders  bei  den  Gefässpflanzen  erinnert 
(Thierstock,  Pflanzenstoek).  Auf  solche  Weise  entstanden 
die  Spongien,  Bryozoen,  Polypen  und  Echinodermen,  alles 
Abk(immlinge  des  festsitzenden  Gastrulathieres.  —  Die 
freilel)enden  Gastrulaformen  konnten  in  Folge  ihrer  Loco- 
motion  reichlichere  Nahrung  zu  sich  nehmen,  unter  deren 
Einflu.ss  sich  das  Thier  bis  zu  einer  gewissen  Grenze  ver- 
längern und,  wenn  es  diese  erreicht  hatte,  in  Segmente 
mit  gleichzeitiger  Differenzirung  der  Ernährungs-  und  Fort- 
pflanzuugszellen  theilen  konnte.  Es  entstand  so  ein  Wurm. 
Von  den  Würmern  erwarben  sich  die  einen  eine 
durchsichtige,  hornartige  Oberhaut,  die  anderen  eine  solche 


*)  Allerdings  nur  in  der  Jugend ! 


Nr.  39. 


Naturwisseuscbaftiiclic  Wochenschrift. 


421 


von  chitiuüser  Beschaffenheit.  Durch  diese  Differencirung- 
ist  ein  neues  wichtiges  Eintheihnigsprincip  gegeben.  Aus 
der  ersten  Gruppe  gingen  die  Anneliden,  dann  die  Mol- 
lusken, ferner  die  P"'ische,  die  sich  in  Knorpel-  und  Knochen- 
fische differenzirten,  und  schliesslich  die  Tunicaten  hervor. 
Die  chitinösen  Würmer  erzeugten  in  dem  marineu  Medium 
nur  die  Crnstaceen. 

Bei  der  Entstehung  von  Sü.sswässern  und  stagnirenden 
Gewässern  gaben  alle  angeführten  Würmernacbkomnicn, 
mit  Ausnahme  der  Tunicaten,  Colonien  ab.  —  Bei  diesem 
Uebergange  vom  flüssigen  zum  luftf(irmigcu  Medium  waren 
die  Schwierigkeiten  für  die  Anpassung  nicht  so  grosse  im 
Thierreiche  wie  im  Pflanzenreiche.  Die  freilebende  Gastrula- 
forni  gelangte  leicht  zur  Absorption  des  Sauerstoffes  durch 
Einstülpung  eines  Respirationstractus,  die  festsitzende,  die 
für  solchen  Vorgang  nicht  vorbereitet  war,  konnte  es  nicht 
und  blieb  im  flüssigen  Element. 

Von  den  Nachkommen  der  keratinösen  Würmer  ver- 


mochten die  .\unciidcn  und  Mollusken  nur  kleine  Colonien 
auf  das  Festland  zu  schicken:  die  Lumbriciden  und  die 
Gasteropoden.  Die  Fische  dagegen  waren  hierin  glück- 
licher. l)ie  Gruppe  der  Knochenfische  gab  den  Batrachiern 
den  Ursprung.  Die  Khorpelfische  machten  sich  gleichfalls 
von  dem  flüssigen  Medium  los  und  wurden  zu  Kcptilien. 
—  Aus  den  chitinösen  Würmern  gingen  als  Landbewohner 
die  Asseln  liervor,  und  aus  den  Würmern  mit  wasser- 
führenden Gefässen  die  grosse  Classe  der  tracheenathmen- 
den  Gliederthiere;  die  meisten  von  diesen  letzteren  be- 
vorzugen nocii  heute  ein  sumpfiges,  resp.  feuchtes  Terrain; 
Spinnen  und  Insecten  dagegen  haben  sich  vollständig  dem 
Aufentlialt  in  der  Luft  angepasst. 

.\usser  diesen  beiden  Tliierclassen  sind  nur  noch  die 
Eidechsen,  die  Viigel  und  Säugethiere  im  Stande  gewesen, 
sich  an  das  luftformige  Medium  zu  gewöhnen.     Die  Ent- 
hängt   mit    der  Ab- 


stehung der  ^'ögel    und  Säugethiere 
änderung  der  Temperatur  zusammen. 


M.  u.  B. 


XXiV.  Deutscher  Anthropologencongress  in  Göttingen  und  Hannover 

vom  5.  bis  9.  August  1893. 


Zur  Besichtigung  der  berühmten  Blumenb  ach 'sehen 
Schädelsaninilung  war  eine  Vorversammlung  des 
diesjährigen  Anthropologencongresses  in  Göttingen 
anberaumt.  Prof  Friedrich  Merkel,  zur  Zeit  der 
Ordinarius  der  Anatomie  an  der  G(ittinger  Universi- 
tät, übernahm  die  Führung.  Von  seinen  Älittheiluugen 
über  die  denkwürdige  Schädelsammlung  gelten  wir  hier 
dasjenige  wieder,  was  auch  von  allgemeinem  Interesse 
ist.  Blumenbach  legte  die  grosse  Schädelsaninilung 
vor  fast  100  Jahren  an  in  der  Absieht,  aus  der  Lehre 
der  Varietäten  des  menschlichen  Schädels  eine  Rassen- 
kunde aufzubauen.  Er  lebte  in  dem  Glauben,  aus  den 
Schädeln  Typen  reeonstruiren  zu  können,  ein  Glaube, 
der  heute  den  Anthropologen  längst  geschwunden  ist. 
Was  Blumenbach  noch  als  Kennzeichen  niederer  Bildung 
und  Rassenstellung  betrachtete,  ist  heute  vielfach  anthro- 
pologisch als  gleichwerthig  mit  den  höehstentwiekelten 
Formen  anerkannt  oder,  richtiger  gesagt,  als  gleich  werth- 
los  für  die  Rasseneintheilung  der  Menschheit.  Es  giebt 
keine  fundamentalen  Unterscliiede  zwischen  dem  Schädel 
des  diluvialen  Neanderthalnienschen,  des  afrikanischen 
Negers  und  hochcivilisirten  Europäers.  Blumenbach  hat 
mit  Bienenfleiss  gegen  400  Menschensehädel  aus  aller 
Herren  Länder  zusammengetragen,  für  seine  Zeit  ein  er- 
staunlicher Erfolg  seines  Sanmielcifers.  Ein  Theil  der 
Schädel  ist  durch  einen  Herrn  v.  Asch  aus  St  Petersburg 
beigebracht  worden,  später  haben  noch  Rudolf  Wagner, 
Jacob  Heule  und  Merkel  die  Saunnlung  entsprechend  er- 
gänzt, so  dass  die  Zahl  ihrer  Nummern  fast  nahezu  an 
1000  beträgt. 

Sie  hat  im  „anatomischen  Theater"  eine  musterhaft 
geordnete  und  tibersichtliche  Anordnung  gefunden  und 
enthält  zahllose  Prachtstücke,  welche  Staunen  und  Ver- 
wunderung der  sachverständigen  Besucher  erweckten.  Es 
finden  sich  Schädel  von  Deutschen  aller  Stännne,  von 
Franzosen,  Engländern,  Türken.  Juden  (deren  Schädel 
und  Skelette  bei  noch  streng  ritueller  Beerdigung  der 
Juden  für  die  Anthropologen  sehr  selten  zugänglich  sind), 
ferner  sind  u.  a.  die  Schädel  von  Australiern  und  Poly- 
nesiern  (Papua,  Neuseeland,  Neucaledonien  u.  dgl.  rn.) 
sehr  zahlreich  vorhanden,  die  zum  Theil  von  einem  deut- 
schen Arzte  in  Sidney  geschenkt  worden  sind,  der  seine 
Schulden  an  die  Gfittinger  Universität  damit  beglichen 
hat.    Darunter  findet  sich  ein  Neuseeländerschädel  mit  so 


reichen  Tätowirungen,  wie  ihn  selbst  die  Berliner  Samm- 
lung nicht  aufzuweisen  hat.  Auch  sonst  zeigen  die  austra- 
lisclicn  Schädel  nmncherlci  interessante  Sonderheiten,  z.  B. 
Bemalungen.  An  den  Schädeln  der  Lappen  findet  sich 
zumeist  die  aft'enähnliehe  Auftreibuug  am  liarten  Gaumen, 
Torus  palatinus,  die  neuerdings  namentlich  von  Waldeyer 
als  antliropoiogisehes  Kennzeichen  verfolgt  wird.  Wie 
wenig  aber  aus  Schädelbau  auf  Rasseneigenthüudichkeiten 
Schlussfolgcrungen  gemacht  werden  dürfen,  wies  Professor 
Merkel  durch  den  demonstrativen  Vergleich  von  Schädeln 
nach  dem  Ty|)us  des  Neanderthales  und  von  Ostfriesen, 
die  von  der  Insel  Marken  und  aus  unseren  Tagen  stam- 
men, nach.  Ebenso  täuschend  ähnlich  sehen  die  Schädel 
von  Darfonr-Negern,  Südsecinsulanern  von  Honolulu,  Basch- 
kiren u.  a.  m.  denen  von  iiannoveraner  Menschenkindern. 
Durch  solche  Beobachtungen  konnte  schon  Heule  die 
Blumenbach'sche  Grundidee  der  Rasseneintheilung  als  hin- 
fällig darthun.  Das  Prachtstück  der  lUumenbacli'schen 
Sanmdung  ist  ein  altgriechischer  Schädel,  der  ein  un- 
vergleichlich schönes  Profil  zeigt.  Es  ist  ein  Geschenk 
von  König  Ludwig  dem  Ersten  von  Bayern  an  Blumen- 
l)ach.  Schliesslich  weist  die  Sanmdung  noch  eine  Reihe 
von  Mikrocephalenschädeln  auf  und  als  Curiosum  eine 
menschliche  Wirbelsäule,  durch  die  eine  Banmwurzel 
gewachsen  ist.  Angesichts  der  berühmten  Schädel- 
sammlung haben  die  deutschen  Anthropologen  von  Neuem 
ihr  Verdict  dahin  abgegeben,  dass  ihr  keine  Bedeutung 
zukonnnt  in  der  Hinsicht,  in  der  sie  einst  geschaffen 
worden  ist,  aber  sie  behält  dennoch  ihren  unverlierbaren 
Werth  als  anatomisches  und  anthropologisches  Studien- 
material. 

Der  zweite  Tag  des  Congresses  galt  einem  Ausflug 
nach  der  Heisterburg  auf  dem  Deister  bei  Bad 
Neundorf  Die  Heisterburg  bildet  hinsichtlich  ihrer  Ur- 
sprungszeit seit  vielen  Jaln-en  den  Gegenstand  lebhafter 
Meinungsverschiedenheiten  unter  den  Anthropologen  und 
Prähistorikern.  Zur  Seliliclitung  dieses  Streites  sollte  der 
heutige  Augenschein  der  Gelehrten  ein  Sehcrflein  bei- 
tragen, und  das  hat  er  in  der  Tiiat  in  der  Richtung  wenig- 
stens gethan,  dass  die  Fachleute  darüber  einig  wurden, 
aus  welcher  Zeit  die  Heisterburg  nicht  stammt.  Die  viel- 
umstrittene Burg  liegt  am  nördlichen  .\usläufer  des  Deisters, 
der  mit  dem  parallelziehenden  Süntel,  einem  Höhenzug 
des  Wesergebirges,   und  dem  beide  verbindenden  Bücke- 


422 


Naturwissenschaftliche  Wocheuschrift. 


Nr.  39. 


burger  Cle])irg'e  einen  Kessel  ciuschliesst,  der  eine  weite 
Ebene  l)ilclet.  In  diesem  Kessel  hat  einst  die  berühmte 
üeberrumpelung'  des  Heeres  Karls  des  Grossen  durch  seine 
sächsischen  Verbündeten  stattgefunden,  mit  deren  Hilfe 
er  die  Slaven  liekricgeu  wollte.  Dieses  Terrain  ist  ver- 
niuthlich  auch  der  .Schauplatz  der  Schlacht  bei  Idistaviso 
gewesen,  in  der  Germanicus  die  Cherusker  besiegte.  So 
knüpfen  sich  Erinnerungen  aus  sehr  verschiedener  Zeit 
an  diese  Gegend,  und  die  Heisterburg  versetzten  die  Einen 
in  die  heidnische  Vorzeit  zurück,  die  Anderen  erklären  sie 
für  römischen  Ursprungs,  und  die  Dritten  schliesslich  halten 
sie  für  ein  mittelalterliches  Schutzwerk.  Der  Streit  ist 
zuerst  durch  den  General  von  Oppermann  hervorgerufen 
worden,  der  bei  der  kartographischen  Landesaufnahme 
auch  die  norddeutschen  Ringwälle  eifrigst  studirte.  Er 
hielt  die  Heisterburg  für  den  Rest  einer  altgermanischen 
Befestigung.  Dann  haben  Dr.  Stolzenberg  und  Dr.  Schuch- 
hardt,  der  jetzige  Director  des  Kastner-Museums  in  Han- 
nover, dort  Ausgrabungen  gemacht,  die  sie  zu  dem  Schlüsse 
kommen  Hessen,  dass  die  IJurg  das  bei  Weitem  am  meisten 
nach  Osten  vorgescho))ene  Castell  der  Römer  gewesen  sei. 
In  j'üngster  Zeit  haben  über  dieses  denkwürdige  Monu- 
ment in  der  Berliner  Anthropologischen  Gesellschaft  Ver- 
handlungen stattgefunden,  in  denen  Virchow  und  Professor 
Wilhelm  Krause  ihre  übereinstimmende  Ansicht  daliin 
äusserten,  dass  es  sich  um  ein  mittelalterliches  Bauwerk 
handelt.  Die  Zeit  ist  nicht  genau  festzustellen,  sie  schwankt 
zwischen  60ü — lÜOÜ  n.  Chr.,  und  als  die  Erbauer  sind  die 
Sachsen  zu  betracliten.  In  diesem  Sinne 
heut  die  Mehrzahl  der  hier  versammelten 
entschieden,  und  die  rönusche  Annahme 
Dr.  Schucldiardt  selbst  bereits  fast  preisgegeben 
Die  Besiclitigung  der  Heisterburg  ist   auch   für 


Franken  oder 
hat   sich   auch 
Anthropologen 
ist  von 
worden 

Laien  niclit  ohne  Interesse,  zumal  sie  mit  einer  landschaft- 
lich schönen  i'artie  verbunden  ist.  Sie  liegt  etwa  1000  Fnss 
über  dem  Meer.  Von  dem  Badeorte  Neundorf  aus,  dessen 
schwefelhaltige  Moorbäder  einer  Besichtigung  werth  sind, 
führt  ein  schattiger  und  friedlicher  enger  Waldweg,  der 
von  Buclien  und  Tannen  dicht  eingezäunt  ist,  immer  höher 
hinauf.  Ein  kleiner  Umweg  führt  zu  der  Rodenberger 
Höbe  —  das  nah  gelegene  Rodenberg  bat  dem  bekannten 
Schriftsteller  Julius  Rodenberg  seinen  zweiten  Namen  ge- 
geben —  wo  die  sogenannte  schöne  Aussicht  sich  in  der 
That  ihres  Namens  würdig  erweist.  Unter  den  Aussichts- 
punkten in  der  weiten  Ferne  ist  besonders  anziehend  das 
Steinhuder  Meer,  in  dessen  Mitte  die  künstlich  aufge- 
schüttete Insel  liegt,  welche  die  1795  dort  erbaute  Festung 
Wilhelmstein  trägt.  Die  Heisterburg  setzt  sich  aus  zwei 
Theilen  zusammen.  Der  Vorwall  zieht  sich  etwa  •'74  Stunden 
lang  auf  dem  Kanmi  des  Deistcrs  entlang  und  ein  enges 
Thor  tuhrt  in  das  Innere.  Der  Wall  ist  mit  Hilfe  von 
Sandstein,  der  sich  dort  in  reicher  Menge  findet,  aufge- 
worfen. Der  Wall  ist  aber  nicht  ringförmig,  sondern  stellt 
nur  eine  Schutzmauer  nach  einer  Seite  hin  dar.  Auch 
die  Frage,  ob  es  sich  um  künstliche  oder  natürliclie  Erd- 
erheliungen  handelt,  wurde  discutirt  und  in  crstcrer  Hin- 
sicht ausser  Frage  gestellt.  Höheres  Interesse  nimmt  noch 
der  eigentliche  Wall  in  Anspruch,  der  ein  viereckiges 
Castell  darstellt.  Das  Eingangsthor  ist  an  einer  Ecke  an 
seinen  Resten  noch  deutlieh  erkennbar.  Der  Aufbau  des 
Walles  ist  ein  sehr  kunstgerechter.  In  gerader  Horizontale 
lagern  die  einzelnen  Steinschichten  auf  einander,  die  durch 
Mörtel  verbunden  sind.  Die  Anwesenheit  dieses  Binde- 
mittels ist  für  die  Beurtlieilnng  des  Alters  der  Burg  von 
Wichtigkeit.  Keine  Spur  findet  sich  von  Ziegeln, 
die  Römer  als  Grundlagen  all  ihrer  Mauerwerke 


grosser 
welche 


benutzten.     Auch    im 


sonstigen 


Bau    und  in   der 


Anlage 

Ausser 

den  Wällen  selbst  finden  sich  noch  die  Reste  eines  Wohn- 


weicht die  Burg  von  römischen  Riugwällen  sehr  ab. 


hauses  und  einer  Cisterne.  Bei  den  in  neuester  ZeitiWieder 
von  Dr.  Schuchhardt  vorgenommenen  Ausgral)ungein  haben 
sich  nur  wenig  Funde  ergeben  und  aus  diesen  lassen  sieh 
keine  Schlussfolgerungen  auf  ihr  Alter  machen.  Zumeist 
sind  es  Thonseherben,  daneben  noch,  ein  halbes  Hufeisen^ 
ein  Schleuderstein  u,  dergk  m,  So  ist:  denn  die  Frage 
nach  den  Erbauern  der  Heisterburg  einstweilen  noch  in 
Dunkel  gehüllt.  Die  Zukunft  wird  darüber  hoffentlich 
noch  sichere  Auskunft  bringen.  .       ,.    .• 

In  Hannover  eröffnete  Virchow  den  Gongress  mit 
einer  Rede  über  den  gegenwärtigen  Stand  derprär 
historischen  Forschung,  besonders  der,  Frage 
nach  der  Wiege  des  Menschengeschlechts,  die 
jetzt  wieder  in  lebhaften  Fluss  gekommen  ist,  und  er 
zeichnete  dann  die  Wege  und  Ziele,,  welche  diese  For- 
schung zu  verfolgen  habe,  um  zur  Klarheit  undi  Wahrheit 
zu  gelangen.  Die  Deutsehe  Anthropologische, Gesellschaft 
hat  ihre  Thätigkeit  begomien,  kurz  nachdem  gerade  in 
Frankreich  die  ersten  Spuren  des  diluvialen  Menschen 
gefunden  waren,  der  sich  als  ein  Zeitgenosse  des  Renn- 
thiers  auswies.  Der  anthropologischen  Forschung  bot  sich 
deshalb  in  erster  Reihe  die  ^^u^'gab^  des  Studiums  des 
Diluvial-  und  Hrddenmenschen.  Die  Auf*findung  der  schwei- 
zerischen Pfahlbauten  mit  ihren  reichen  Ergebnissen  Hess 
auch  in  Deutscldand  solche  vermuthen.  Kein  See  und 
kein  Sumpf,  in  dem  sich  ein  Pfahl  fand,  blieb  verschont. 
Allniäblich  ist  eine  ruhigere  Auffassung  der  Dinge  ein- 
getreten, und  der  Diluvial-  und  Höhlenmensch  ist  auch  in 
Deutsehland  gefunden  worden,  wie  die  Pfahlbauten.  Da- 
durch haben  wir  den  Vorsprung,  den  andere  Völker  in 
der  Anthrojjologie  iln-es  Landes  hatten,  wieder  eingeholt. 
Von  den  Tertiärmensehen  ist  aber  noch  keine  sichere 
Spur  gefunden.  Denn  die  Feuersteinsplitter,  die  den  Ein- 
druck machen,  als  seien  sie  von  Menschenhand  geschlagen, 
können  durch  die  verschiedensten  Ursachen,  elementare  Pir- 
eignisse  und  dergleichen  zertrümmert  worden  sein.  Es  ist  kein 
durchgreifender  Unterschied  zwischen  natürlichen  Sprung- 
flächen  und  künstlichen  Schlagmarken  zu  erkennen.  Ist  aucli 
die  Kunde  von  der  Existenz  des  Diluviainienscbcn  fest- 
gesetzt, so  fehlt  uns  doch  jedes  Kennzeichen  über  seinen 
anthropologischen  Charakter,  d.  h.  seinen  Rassentypus. 
Denn  Knochentheile,  insbesondere  Schädel,  hat  man  aus 
dieser  Zeit  nicht  aufzuweisen.  Durch  die  Sprachgelehrten 
ist  allgemein  die  Vorstellung  erweckt  worden,  als  ob  unsere 
Nation  mit  den  Indiern  in  Beziehung'  stehe.  Unsere  Vor- 
fahren hätten  einst  in  Asien  gesessen  und  wären  allmäh- 
lich innner  weiter  nach  Westen  vorgerückt.     Das  ist   die 


berühmte    arische    Wanderung    der 


STossgestalteten    und 


blondhaarigen  indogermanischen  Rasse.  In  regelmässiger 
Marschordnung  haben  sie  sich  auf  irgend  einem  Wege, 
der  von  Indien  nach  Europa  führte,  hinter  einander  her- 
geschoben, so  dass  diejenigen,  welche  jetzt  am  meisten 
nach  Westen  sitzen,  die  älteste  Urbevölkerung  darstellen, 
die  östlichsten  die  jüngsten  dagegen  sind.  Durch  eine 
Reihe  ebenso  kühner  wie  gelehrter  Untersuchungen  ist 
nun  im  Laufe  der  letzten  fünf  Jahre  diese  Rangordnung 
der  Nationen  geradezu  umgekehrt  worden.  Die  Ureinwohner 
hätten  im  hohen  Norden  Europas  gesessen  und  von  dort 
hat  eine  allmähliche  Wanderung  nach  Osten  stattgefunden. 
Diese  Theorie  ist  sogar  schon  so  weit  ausgedehnt  worden, 
dass  man  Griechen  und  Römer  als  eine  Descendenz  der 
Germanen  dargestellt  hat.  Man  hat  ihre  Sprache  und 
Mythologie  auf  die  altnordische  Edde  zurückgeführt, 
welche  als  das  Grundbuch  der  ^Menschheit  gepriesen 
wird.  Diese  neue  Auffassung  von  dem  Werdegang 
der  europäischen  Bevölkerung  ist  doch  noch  nicht 
genügend  bewiesen.  Wenn  dem  so  wäre,  dann  mUsste 
gerade  Hannover  der  eigentliche  Sitz  dieser  Urbevölke- 
rung gewesen  sein.     Es  müssten  die   grossen  Steindenk- 


Nr.  39. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


423 


niäler  auf  den  Ilöhenzügön  des  Deister  als  Monumente 
der  Urarchitektur  gelten,  wie  früher  die  Steinhäuser  auf 
den  Gebirgen  Vorderindiens.  Es  ist  ja  benierkenswertli, 
dass  sich  an  beiden  Enden  der  Entwickelungsreihe  die 
gleichen  Monumente  aus  der  ältesten  Zeit  finden.  Die 
neue  Theorie  von  der  Wiege  der  Urbevölkerung  Eurojjas 
stützt  sich  zum  guten  Theil  auf  philologische  Beweis- 
gründe. So  hat  z.  U.  Professor  Penker  in  Göttingen  nach- 
gewiesen, dass  allen  Sprachen  der  arischen  Völker  nur 
solche  Wörter  gemeinsam  sind,  welche  aus  dem  Norden 
stammen.  Zum  Beispiel  die  Buche,  der  im  Norden  heimische 
Baum,  hat  sich  allmählich  bis  nach  Griechenland  und 
Kleinasien  verbreitet.  Die  Erforschung  der  ältesten  Perio- 
den der  Menschheit  stösst  vornehmlich  deswegen  auf  so 
unüberwindliche  Schwierigkeiten,  weil  wir  keine  Reste 
vom  Menschen  selber  haben  und  unsere  Schlussfolgcrungen 
auf  die  archäologischen  Fundstücke  aufbauen  müssen. 
Zwar  war  in  den  ältesten  Zeiten  die  Bestattung  der 
Leichen  üblich,  aber  schon  6 — 800  vor  Chr.  hat  sich  die 
Leichenverbrennung  eingebürgert,  sich  immer  weiter  ausge- 
dehnt und  bis  mehrere  Jahrhunderte  n.  Chr.  erhalten.  Des- 
halb ist  uns  aus  diesem  mehr  als  tausendjährigen  Zeitraum 
wenig  erhalten.  Aus  der  älteren  Steinzeit  ist  überhaupt 
nichts  übrig  geblieben,  dagegen  aus  der  jüngeren  eine 
Reihe  werthvoller  Funde.  In  dieser  Zeit  haben  die  Leute 
schon  regelrechte  Grabfelder  und  Friedhöfe  gehabt,  weil 
sie  ansässig  waren,  Ackerbau  und  Viehzucht  getrieben 
haben.  In  der  Altmark  hat  man  ein  Gräberfeld  ausge- 
graben, dessen  Funde  so  reichhaltig  waren,  dass  man 
einen  anthropologischen  Typus  der  dort  sesshaft  gewesenen 
Bevölkerung  hat  feststellen  können.  Bei  den  Schädeln  aus 
dieser  neolithisclien  Periode  hat  mau  durcligehonds  Lang- 
köpfigkeit  gefunden,  welche  immer  mit  Blondhaarigkeit 
verbunden  zu  sein  pflegt.  Daraus  hat  man  vielleicht  nicht 
mit  Unrecht  den  Schluss  gezogen,  dass  die  Menschen  der 
jüngeren  Steinzeit  den  sogenannten  arischen  Typus  gehabt 
haben.  Im  hannoverschen  Gebiete  ist  bisher  wenig  posi- 
tives Material  zur  Entscheidung  dieser  Fragen  gefunden 
worden.  Die  Forschung  wird  hier  besonders  auf  die  Auf- 
suchung neolithischer  Gräberfelder  zu  richten  sein.  Die 
Wissenschaft  kann  nicht  recht  vorwärts  konunen,  wenn 
die  Entdeckungen  dem  Zufall  überlassen  bleiben;  es  muss 
eine  systematische  Methode  zur  Anwendung  gebracht 
werden,  die  bei  einigem  Eifer  auch  Erfolge  zeitigen  wird. 
Baurath  Prof.  Köhler  (Hannover)  gab  einen  kurzen 
Ueberblick  über  die  Baugeschichte  Hannovers. 
Danach  sprach  Stadtbaninspector  Rowald  (Hannover) 
über  das  Opfer  beim  Baubeginn.  Die  Sitte  der 
feierlichen  Grundsteinlegung  lässt  sich  auf  religiöse  Vor- 
stellungen in  uralter  Zeit  zurückführen.  Schon  den  Ent- 
schluss  zum  Bau  schrieb  man  einer  göttlichen  Anregung 
zu,  bei  der  Wahl  der  Baustelle  Hess  man  sich  durch 
mystische  Erwägungen  und  Umstände  leiten.  Eine  einmal 
benutzte  Baustelle  durfte  nie  wieder  veröden.  So  er- 
neuerten die  babylonischen  Könige  die  Pyramiden,  der 
kapitolinische  Tempel  in  Rom  wurde  viermal  von  Neuem 
aufgebaut,  an  der  Stätte  des  Kölner  Doms  stand  schon 
vor  2üU0  Jahren  ein  Gotteshaus.  Hinsichtlich  der  Zeit 
bevorzugte  man  für  den  Baubeginn  Frühling  und  Herbst, 
und  zwar  meist  Tage,  die  den  Heiligen  geweiht  waren, 
im  Leben  des  Erbauers  irgend  eine  bedeutsame  Rolle 
spielten  und  dgl.  m.  Einzelne  Wochentage,  z.  B.  der 
Montag  gelten  als  unheilbringend.  Ausser  dem  Grund- 
stein wurden  vielfach  auch  noch  Ecksteine  in  den  vier 
Himmelsrichtungen  gelegt.  Die  Lage  des  Grundsteins 
wird  sehr  verschieden  gewählt.  Er  liegt  in  den  Kirchen 
meist  unter  der  Kanzel,  im  Berliner  Ratldiause  unter  dem 
Thurme,  im  neuen  Reichstagsgebäude  unter  dem  Prä- 
sidialsitz.    Die  Gegenstände,  die  man  meist   dem  Grund- 


stein beifügt  und  heut  zu  Tage  eben  Dokumente  der  Zeit 
sein  sollen,  waren  früher  Opfergaben,  wie  Münzen,  j\Ie- 
daillen,  Früchte,  Inschrifttafeln  u.  a.  m.  In  ältester  Zeit 
suchte  man  den  Schutz  der  G<itter  durch  Menschen-  und 
Thicropfer  (Katzen)  sich  zu  sichern,  noch  gegenwärtig 
bei  einzelnen  wilden  Stämmen  Innerafrikas.  Später  traten 
vornehndich  der  Wein  als  Opfergabe  in  den  \'ordergrund. 

Museumsdirector  Dr.  Schuchardt  (Hannover)  be- 
richtete über  einen  neuen  deutschen  Limes,  den  er 
aufgefunden  hat.  Der  Vortragende  glaubt  einen  dem 
Limes  Romanus  entsprechenden  Grenzwall  aufgefunden 
zu  haben,  der  sich  von  dem  Quellgebiet  der  Diemel  über 
Fulda  und  Werra  bis  an  den  Fuss  des  Harzes  hinzieht. 
Am  deutlichsten  ist  die  Linie  erhalten  von  der  Burg 
Kniekhagen  in  Hessen,  wo  man  sie  von  Dorf  zu  Dorf 
verfolgen  kann  bis  nach  Arolsen,  der  Hauptstadt  von 
Waldeck.  Die  Linie  muss  ehemals  mit  Castellen  stark 
besetzt  gewesen  sein  Auf  der  Strecke  v(in  Knickhagen 
bis  Graebenstein  sind  noch  heute  nicht  weniger  als  fünf 
Wachtthürme  vorhanden.  Kurz  vor  Arolsen  geht  die 
Spur  der  Befestigung  verloren  und  erst  eine  Stunde  weiter 
nach  Osten  wird  der  Wall  wieder  sichtbar.  Ueber  Leine- 
felde und  Worbis  kommt  er  schliesslich  bis  an  den  Harz. 
Die  älteste  Nachricht  über  diesen  Grenzwall  findet  sich 
in  dem  Archiv  der  Familie  von  Winringerode  im  15.  Jahr- 
hundert. Die  Befestigungslinie  scheint  eher  als  Zollgrenze 
denn  als  Fortification  gedient  zu  haben  und  auch  in  dieser 
Hinsicht  ähnelt  sie  dem  Limes  Romanus.  Die  Linie  dieser 
alten  Landwehr  bezeichnet  noch  heute  die  Sprachgrenze 
zwischen  Hoch-  und  Niederdeutsch.  Die  Einwohner  dieser 
Gegenden  glaul)eu,  dass  der  Wall  für  eine  alte  holländische 
Handelsstrasse  den  Weg  gezeichnet  habe.  Ein  Theil  der 
Befestigung  stammt  sicherlich  aus  der  Zeit  Karls  des 
Grossen,  in  der  die  Sachsen  ihr  Gebiet  gegen  diesen  zu 
vertheidigen  suchten.  Aber  etwas  Genaueres  über  die 
Entstehungsweise  dieses  „Limes"  lässt  sich  nicht  sagen, 
und  er  muss  noch  weiteren  Nachforschungen  unterworfen 
werden. 

In  der  zweiten  Sitzung  nahm  das  hauptsächliche 
Interesse  ein  Vortrag  des  Dr.  M.  Aisberg  (Cassel)  über 
Rechtshändigkeit  und  Linkshändigkeit,  sowie 
deren  muthmaassliehe  Ursachen  in  Anspruch*).  All- 
gemein besteht  die  Annahme,  dass  der  vorwiegende  Ge- 
brauch der  rechten  Hand  auf  Sitten  und  Gewöhnung 
zurückzuführen  sei.  Diese  Annahme  ist  schon  von  vorn- 
herein deswegen  unwahrscheinlich,  weil  sich  die  Rechts- 
händigkeit bei  allen  Völkern  der  Erde,  welche  die  sonst 
denkbar  verschiedensten  Kulturzustäude  haben,  findet, 
und  ebenso  auch  bereits  seit  Jahrtausenden  der  Mensch- 
heit eigenthümlich  ist.  Dass  schon  der  Mensch  der  Renn- 
thierzeit  ein  Rechtshänder  gewesen  ist,  beweisen  die  in 
südfranzösischen  und  deutschen  Höhlen  gefundenen 
Schnitzereien  auf  Hörn  und  Manunufhbein,  welche  immer 
ein  nach  links  gerichtetes  Thierkopfprofil  zeigen.  Diese 
Kunstproduete  können  nur  mit  der  rechten  Hand  gefertigt 
sein.  Die  Ausnahme  der  Rennthierzeichnung  im  Kessler 
Loch  beweist  nur,  dass  es  auch  schon  damals  Linkshänder 
gegeben  hat.  In  der  Bronzezeit  finden  wir  Werkzeuge 
mit  einem  nur  für  die  rechte  Hand  passenden  Handgriff. 
Auch  die  Sprache  liefert  einen  Beweis  für  die  Ursprüng- 
lichkeit der  Rechtshändigkeit.  Mit  der  rechten  Hand  ist  für 
uns  immer  der  Begrift"  des  Gcsetzmässigen  und  Geschickten 
verbunden,  die  Linke  besitzt  vielfach  ein  geringschätziges 
J5eiwort  und  hat  unheilbringende  Bedeutung.  Der  Ameri- 
kaner Baldwin  hat  durch  eine  grosse  Reihe  von  Beob- 
achtungen festgestellt,  dass  beim  Säugling  bis  zum  7.  oder 


*)  Vergl.  über  (lensellieii  Oef^'en.'stanil  cl(>n  (_)i-igin:il;irtiki'l  ilos 
Herrn  Prof.  v.  Martens  iu  Bd.  V.  S.  461  der  „Naturw.  Woclionscdir." 


424 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  39. 


8.  Lebensmonat  eine  Bevorzugung  der  einen  oder  der 
anderen  Hand  nicht  festzustellen  ist.  Erst  zu  dieser  Zeit 
pflegt  das  Kind  in  Zuständen  der  Erregung  die  rechte 
Hand  vornelnnlich  zu  bewegen.  Aisberg  hat  durch  eigene 
Beobachtungen  diese  Thatsache  bestätigen  können.  Wilson 
theilt  die  Mensehen  in  drei  Kategorien:  1.  Rechtshänder, 

2.  Linkshänder,  deren  Häufigkeit  2  bis  4  pCt.  ausmacht, 

3.  solche,  die  beide  Hände  mit  gleicher  Geschicklichkeit 
gebrauchen  können.  Dass  durch  ausdauernde  Uebung 
eine  (Jleichwerthigkeit  beider  Hände  erzielt  werden  kann, 
ist  ebenso  zweifellos,  wie  die  Thatsache,  dass  nach  Ver- 
lust oder  Lähnmng  der  rechten  Hand  die  linke  voll- 
kommen deren  Funktion  zu  Ul)eruehnieu  im  Stande  ist. 
Eine  Reihe  sicher  festgestellter  Fälle 


beweist,  dass  die 
Linkshändigkeit  auch  erblich  ist.  Der  vorzugsweise  Ge- 
brauch der  linken  Hand  kann  wohl  durch  Achtsamkeit 
und  Uebung  eingeschränkt,  aber  niemals  ganz  beseitigt 
werden.  Die  liidvc  Hand  gebrauchen  wir  vielfach  zur 
Ausfuhrung  von  Arbeiten,  wel 'he  grosse  Exaktheit  und 
Präcision  in  der  manuellen  Thätigkeit  erfordern,  ferner 
bei  ausserordentlichen  Kraftanstrengungen,  Widerstands- 
leistungen  und  dgl.  Von  den  bisher  zur  Erklärung  der 
vorwiegenden  Rechtshändigkeit  aufgestellten  Theorien  ist 
keine  gegenwärtig  als  zutreftend  anzuerkennen,  so  die- 
jenige, welche  die  Rechtshändigkeit  auf  den  Gebrauch 
der  Watten  bei  gleichzeitigem  Schutze  der  linken  Körper- 
seite mit  dem  Schilde  zurückgeführt  hat.  Der  Schild  ist 
vielen  Völkern  überhaupt  unbekannt  gewesen.  Charles 
Bell  hat  darauf  hingewiesen,  dass  die  rechte  Körperhälfte 
im  Allgemeinen  besser  entwickelt  sei.  Das  ist  aber 
vielleicht  gerade  eine  Wirkung  des  vorwiegenden  Ge- 
brauchs der  rechten  Extremitäten.  Buchanan  hat  die 
nach  rechts  neigende  Lage  des  Schwerpunktes  des  Kör- 
pers als  Ursache  angenommen.  Die  rechte  Körperhälfte 
ist  um  22  bis  23  Unzen  schwerer  als  die  linke.  Der 
Säugling  aber,  der  schon  rechtshändig  ist,  hat  noch  gar 
keinen  Schwerpunkt,  und  mit  der  so  seltenen  Unilagerung 
der  Organe  im  Innern  des  Körpers  ist  Linkshändigkeit 
durchaus  nicht  verbunden,  wie  man  es  nach  dieser  Theorie 
erwarten  müsste.  Neuere  Untersuchungen  namentlich  von 
Rüdiger  (München)  machen  es  nun  aber  zweifellos,  dass 
im  Gewicht  und  in  der  Entwickelung  der  beiden 
Hirnhälften  ein  erheblicher  Unterschied  besteht, 
indem  die  linke  nach  beiden  Richtungen  hin  überwiegt. 
Da  nun  bekanntlich  die  Nervenfasern  sich  vor  dem  Ein- 
tritt ins  Gehirn  kreuzen,  so  lässt  sich  aus  dem  üeber- 
gewicht  des  linken  Grosshirns  die  kräftigere  Entwickelung 
der  rechten  Hand  schlussfolgern.  Broca  in  Paris  hat 
zuerst  darauf  hingewiesen,  dass  das  seelische  Sprachcentrum 
in  der  linken  dritten  Stirnwindung  sitzt,  welche  stärker 
entwickelt  ist,  schwerer  wiegt  als  die  rechte  und  in 
Fällen  von  seelicher  Sprachstörung,  der  sog.  Aphasie, 
fast  ausschliesslich  immer  der  Heerd  der  Erkrankung  ist. 
Die  entsprechende  Erfahrung  von  der  Prävalenz  der  linken 
Stirnwindnng  hat  man  u.  a.  auch  bei  Gambetta,  einem 
der  glänzendsten  Redner,  gemacht.  Die  Mehrheit  der 
Menschen  sind  linkshirnige  Sprecher.  Ist  das  linke 
Sprachcentrum  durch  Erkrankung  ausgeschaltet,  so  kann 
wohl  allmählich  das  rechte  seine  Functionen  übernehmen. 
Wie  die  dritte  linke  Stirnwindung  überwiegt,  so  ist  auch 
überhaupt  die  ganze  linke  Hirnhälfte  an  Volumen  und 
Gewicht  der  rechten  überlegen.  Die 
Hirnoberfläche  sind  zahlreicher  und 
Wenn 

des  linken  Hirns  als  Ursache  der  Rechtshändigkeit  richtig 
ist,  dann  nmss  auch  die  ürakehrung  richtig  sein,  und  in 
der  That  hat  man  schon  bei  zwei  linkshändigen  Frauen 
ein  erhebliches  Uebergewicht  der  rechten  Hirnhälfte  fest- 
stellen können,  ebenso  bei  einem  irländischen  Soldaten,  der 


Windungen    der 

mehr   ausgebildet. 

diese  Annahme    von    der    stärkeren  Entwickelung 


ein  so  vollständiger  Linkshänder  war,  dass  er  das  Ge- 
wehr zum  Schiessen  über  der  linken  Sclmlter  anlegte  und 
mit  der  linken  Hand  schoss.  Er  wurde  immer  als  linker 
Flügelmann  in  der  Kompagnie  verwendet.  Woher  stammt 
nun  diese  ungleiche  Entwickelung  der  Hirnhemisphären 
vmd  die  Präponderanz  der  linken?  Aisberg  stellt  folgende 
Vernnithung  darüber  auf  Sie  hat  ihre  Ursache  in  der 
rechts  und  links  verschiedenen  Vertheilung  der  grossen 
Blutgefässe  des  Halses,  die  zum  Gehirn  aufsteigen.  Die 
linke  Arteria  Carotis  communis  entspringt  direct 
aus  dem  Bogen  der  Aorta,  die  rechte  dagegen  erst  als 
ein  Ast  der  aus  der  Aorta  entspringenden  Arteria 
anonyma.  Die  vom  linken  Herzen  kommende  Blutwelle 
erfährt  daher  rechts  bei  der  Gabelung  der  Arteria 
anonyma  in  die  Carotis  und  Subclavia  einen  starken 
Reil)ungswiderstand,  der  Blutdruck  wird  abgeschwächt, 
während  links  die  Blutwelle  dem  Hirn  im  ungehemmten 
Strom  zuflicsst,  daher  sind  die  Ernährungsverhältnisse  des 
linken  Grosshirns  günstiger,  der  Stoifwechsel  ist  gesteigert, 
die  Energie  des  Nervensystems  grösser  als  rechts.  In 
Uebereinstinnnung  mit  diesen  Verhältnissen  der  Blutbahn 
steht  die  Thatsache,  dass  die  freie  Bahn  der  linken 
Carotis  häufiger  den  Weg  für  Fortschleppung  von  Blut- 
gerinnseln (Emboli)  aus  dem  Herzen  nach  dem  Hirn  ab- 
geht. So  erklärt  sich  die  stärkere  Entwickelung  der 
linken  Hirnhemisphäre.  Nun  kommen  Abnormitäten  in 
dem  Ursprung  der  grossen  Halsgefässe,  eine  Umkehrung 
ihrer  Lage  u.  dergl.  mehr  vor.  Durch  solche  Abweichungen 
vom  Typus  ist  wahrscheinlich  die  Linkshändigkeit  be- 
dingt.    Schon  Hyrtl  hat  auf  diese  Möglichkeit  aufmerksam 


gemacht. 


Die    Verschiedenartigkeit  der   Blutzufuhr  nach 


dem  Gehirn  ist  also  als  die  Ursache  der  ungleichen  Ent- 
wickelung der  Hirnhälften  anzusehen.  Zum  Sehluss  lenkt 
Vortragender  die  Aufmerksamkeit  noch  darauf,  dass  auch 
bei  Thicren,  Affen,  Elephanten,  Pferden,  Papageien  u.  a. 
eine  Bevorzugung  der  rechten  Extremitäten  beobachtet 
wird. 

An  den  interessanten  Vortrag  knüpfte  sich  eine  sehr 
lebhafte  Discussion.  Geh.  Rath  Waldeyer  erhob  Be- 
denken gegen  die  Richtigkeit  dieser  Theorie.  Die  Un- 
gleichheit der  Blutversorgung  des  Gehirns  werde  schon 
einmal  dadurch  wieder  aufgehoben,  dass  der  Gesammt- 
(piersehnitt  der  Gefässc  auf  beiden  Seiten  derselbe  ist  und 
des  Weiteren  auch  noch  durch  den  sogenannten  Circulus 
arteriosus  Willisis  jede  Verschiedenheit  in  der  Blut- 
versorgung der  beiden  Hirnhälften  compensirt  wird,  weil 
dieses  kreisförmige  Arteriensystem  das  Blut,  das  zur 
rechten  und  linken  Hemisphäre  abgeführt  wird,  sammelt. 
Die  ungleiche  Entwickelung  der  beiden  Hirnhälften  selbst 
scheint  Waldeyer  unzweifelhaft  zu  sein.  Wenn  die  Thiere 
Rechtshänder  auf  Grund  der  Alsberg'schen  Theorie  wären, 
dann  dürfte  der  Ursprung  der  grossen  Halsgefässe  nicht 
so  mannigfaltig  sein,  wie  er  thatsächlich  bei  ihnen  ist. 
Zum  Sehluss  macht  Waldeyer  noch  darauf  aufmerksam, 
dass  kaum  je  ein  Familienname  an  das  Wort  „rechts" 
anknüpft,  dagegen  sehr  häufig  an  das  Wort  „links"  in 
allen  Dialecten  und  Sprachen.  Uft'enbar  ist  hier  die  Links- 
händigkeit die  Ursache  der  Namengebung  gewesen.  Prof. 
W.  Krause  (Berlin)  betont,  dass  man  die  Rechtshändig- 
keit von  der  Bevorzugung  der  ganzen  rechten  Körper- 
liälfte  unterscheiden  müsse.  Die  letztere  herrsche  bei  den 
Thieren  vielfach  vor,  beim  Menschen  dagegen  die  erstere. 

Prof.  Fritsch  (Berlin)  hält  an  der  älteren  Theorie 
fest,  dass  die  Rechtshändigkeit  durch  die  Lage  des  sich 
entwickelnden  Foetus  bedingt  werde.  Gemäss  der  stär- 
keren rechtsseitigen  Anlage  wird  dieselbe  auch  durch  die 
spätere  Uebung  noch  verstärkt.  Herr  von  Hey  den 
machte  auf  den  Maler  Adolf  Menzel  als  ein  exquisites 
Beispiel  von  Linkshändigkeit  aufmerksam.     Ursprünglich 


Nr.  39. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


425 


vollkonnner  Linksliändcr,  hat  er  nur  mit  vieler  Mühe  ge- 
lernt, aucii  mit  der  rccliten  Hand  den  Pinsel  zu  führen. 
Die  Ueberlegung,  dass  der  Verlust  der  linken  Hand  iini 
für  seineu  Beruf  untauglich  machen  könnte,  hat  ihm  den 
Ansporn  dazu  geg;eben.  Er  ist  jetzt  im  Stande,  mit 
beiden  Händen  in  gleicher  Geschicklichkeit  zu  arbeiten. 
An  der  Discussion  betheiligten  sich  des  Weiteren  noch 
Virchow,  Kanke  (München),  Mies  (Köln)  und  Dr.  Behla 
(Lnckau). 

Das  Ergebniss  der  Discussion  lässt  sich  dahin  zu- 
sammenfassen, dass  das  Problem  der  Rechtshändigkeit  um 
eine  geistvolle  Theorie,  eine  der  werthvollsten,  reicher 
ist,  die  aber  auch  noch  nicht  die  Lösung  des  Räthsels  zu 
bringen  scheint. 

Oberlehrer  a.  D.  Dr.  Meyer  (Hannover)  sprach  über 
den  Roggen  als  Urkornder  Indogermanen,  General- 
arzt Dr.  Ornstein  (Athen)  über  die  Physiologie  als 
Hülfsmittel  der  Anthropologie.  Dr.  Stolpe  (Stock- 
holm) berichtete  über  die  Ergebnisse  der  Ausgrabungen 
in  einer  Höhle  der  bei  Gothland  gelegenen  Karls- 
insel, die  von  Wichtigkeit  für  die  nordische  Prähistorie 
sind.  Die  Ibible  ist  von  ungewöhnlich  grosser  Ausdehnung 
und  macht  einen  sehr  wohnlichen  Eindruck.  Die  Befunde 
lassen  den  Schluss  zu,  dass  hier  eine  Bevölkerung  dau- 
ernd sesshaft  gewesen  ist,  welche  Kannibalisnms  trieb. 
Unter  den  Geräthen  befinden  sich  solche  aus  künstlich 
zugeschlagenen  Thierknoehen,  z.  B.  Angelhaken,  auch 
das  Mark  der  Knochen  scheint  gewonnen  worden  zu  sein. 
Auch  vorgefundene  Skelettknochen  vom  Mensehen  zeigen 
Schlagspuren,  wie  sie  sich  liei  Steinhämmern  und  Stein- 
äxten finden.  Die  Scbädelknochen  sind  meist  zerschlagen. 
Die  knochenhaltige  Bodenschicht  ist  fast  fünf  Meter  hoch. 
Conservator  Krause  (Berlin)  legt  Abbildungen  von  niega- 
lithischcn  Denkmälern  aus  der  Provinz  Hannover  vor,  die 
sich  in  dieser  Gegend  Deutschlands  in  klassischer  Form 
finden.  Die  durch  ihre  Grösse,  besonders  ihre  Höhe  aus- 
gezeichneten Steinhäuser  haben  als  Familien-  oder  Massen- 
gräber gedient.  Gemeinsam  mit  Dr.  Schöttensach  (Heidel- 
berg) hat  Krause  die  megahthischen  Steindenkmäler  der 
Altniark  jetzt  insgesammt  aufgenommen  und  demnächst 
sollen  auch  die  westlichen  Theile  Deutschlands  in  ebenso 
systematischer  Aufzeichnung  dargestellt  worden.  Freiherr 
von  Andrian  (Wien)  sprach  über  den  Wetterzauber 
der  Alt-Arier. 

Waldeyer  (Berlin)  besprach  danach  verschiedene 
Missbildungen  am  Schädel,  die  als  Rasscneigenthüm- 
lichkeiten  zu  betrachten  sind.  Nachdem  Stieda  und 
Lissauer  zuerst  auf  einen  Wulst  am  harten  Gaumenbein 
bei  der  ostin'eussischeu  Bevölkerung  aufmerksam  gemacht 
haben,  hat  W.  auf  dem  vorjährigen  Congress  in  Ulm*) 
nachweisen  können,  dass  diese  Missbidung  (Toms  pala- 
tinus  genannt)  bei  allen  Völkern  vorkommt,  dennoch  aber 
in  aufiallend  häufiger  Weise  bei  den  Lappländern.  W. 
hat  jetzt  weiteres  Material  an  Schädeln  dieser  Art  ge- 
sannnelt  und  verfügt  jetzt  über  neunzig  Schädel  von 
Lappländern,  von  denen  achtzig  jene  Missbildung  zeigen 
und  vielfach  sogar  in  einer  sehr  starken  Ausbildung. 
W.  glaubt  deshalb,  diese  Missbildung  als  ein  Rassen- 
charakteristikum  betrachten  zu  müssen.  Aehnliclie  Wulst- 
bildungen an  den  Knochen  kommen,  wenngleich  weit 
seltener,  auch  an  der  Hinterhauptsschuppe,  an  der  Ver- 
bindungslinie der  beiden  Stirnbeine  und  der  beiden 
Scheitelbeine  und  schliesslich  auch  noch  an  dem  Ansatz 
des  grossen  Schläfenmuskels  vor.  Eine  anthro])ologische 
Bedeutung  konnnt  auch  den  Abweichungen  in  dem  Aus- 
sehen des  Flügelfortsatzes  des  Gaumenbeins  zu.  Gewöhn- 
lich   überragt    die    äussere  Platte   desselben    bei  Weitem 


*)  Vei-gl.  „Naturw.  Wochcnschr.«  Bd.  VII  S.  3Ö5. 


die  innere  Lamelle  und  bildet  mit  ihr  eine  Grube  von 
mittlerer  Tiefe.  Bei  den  Negern  ist  diese  Durchselmitts- 
form  nun  sehr  häufig  so  verändert,  dass  beide  Lamellen 
schwach  entwickelt  sind,  nahe  bei  einander  stehen,  und 
die  Flügelgrube  deshalb  nur  schmal  und  kaum  vertieft 
ist.  Andererseits  findet  sich  bei  den  Slaven  oft  eine 
ausserordentlich  starke  Entwiekelung  der  inneren  Lamelle, 
so  dass  die  Flügclgrube  sehr  vertieft  ist.  —  Zur  Discussion 
nahm  Dr.  Mies  (Köln)  das  Wort. 

Virchow  .sprach  über  Zwergrassen*).  Das  Studium 
der  Zwergvölker  hat  durch  die  beiden  jüngst  von  Dr.  Stuhl- 
mann nach  Deutschland  gebrachten  beiden  Akkamädchen 
eine  neue  Anregung  erhalten.  Der  dritte  Akka  ist  be- 
kanntlich auf  der  Reise  verstorben.  Virchow  hat  sein 
Skelett  erhalten  und  ist  gegenwärtig  mit  der  Untersuchung 
desselben,  sowie  überhaupt  mit  einer  Zusammenstellung 
unserer  Kenntnisse  von  den  Zwergrassen  beschäftigt.  Er 
macht  darüber  heute  folgende  Mittheilungen:  Die  Bezeich- 
nung Akka  (von  Schweinfurt  eingeführt)  ist  garnicht  zu- 
treffend, weil  er  weder  einem  Ortsnamen  entspricht,  noch 
der  eigenen  Bezeichnung  des  Volkes.  Letztere  ist  viel- 
mehr „Ewe".  Afrikanische  Zwergrassen  finden  sich  am 
oberen  Nil  und  am  Kongogebiet,  ausserdem  in  Südafrika, 
die  dazugehörigen  Buschmänner.  Die  Akka  sind  Neger 
von  reinster  Form,  haben  aber  keine  Verwandtschaft  mit 
den  Nubiern.  Sie  haben  spirallockiges  Haar,  das  eine 
Länge  bis  zu  3  cm  erreicht  und  den  Eindruck  künstlicher 
Drehung  macht.  Es  ist  nicht  ganz  schwarz,  sondern  hat 
einen  bräunlichen  Ton.  Auch  die  Haut  ist  etwas  leichter, 
als  man  sie  sich  beim  Neger  vorstellt.  Sie  hat  einen  un- 
gewöhnlichen Reichthum  an  Talgdrüsen,  durch  deren 
starke  Secretion  die  Haut  eine  solche  Fettdecke  erhält, 
dass  sie,  wenn  sie  angespannt  ist,  stark  glänzend  er- 
seheint. Der  Glanz  schwindet  aber,  wenn  sich  die  Haut 
in  Falten  legt.  Es  ist  derselbe  Anblick  im  Unterschied 
beim  glatten  oder  gefalteten  Sammet.  Es  handelt  sich 
lediglich  um  eine  Reflexerscheinung.  An  Handflächen  und 
Fusssohlen  fehlt  jede  Färbung  der  Haut,  sie  ist  an  diesen 
Stellen  vollkommen  weiss.  Wo  die  Talgseeretion  aufhört, 
ist  auch  die  Grenze  des  Hautglanzes,  und  mit  derselben 
scharfen  Grenze  beginnt  dort  das  Schwitzen  der  Haut, 
das  sich  nur  über  die  weissen  Flächen  ausdehnt.  Was 
die  sonstigen  körperlichen  Eigenthümlichkeiten  der  Akka 
anlangt,  so  fallen  die  langen  Arme  auf,  die  am  Rumpfe 
herabhängen  und  eine  gewisse  Thierähnlichkeit  zeigen, 
die  aber  sonst  nirgends,  besonders  nicht  an  den  Schädeln 
nachweisbar  ist.  Von  einer  niedrigeren  ethnologischen 
Stellung  dieses  Volkes  kann  daher  keine  Rede  sein.  Zer- 
sprengte Elemente  der  Zwergrasseu  finden  sich  in  ganz 
Afrika,  aber  es  findet  sich  kein  Gebiet  auf  dem  ganzen 
Erdtheil,  an  dem  sie  sesshaft  sind.  Es  sind  Waldmenschen, 
(in  holländischer  Sprache  Orang-Utang),  sie  haben  keine 
Häuser  und  keine  Wohnungen,  stehlen  ihren  Nachbarn 
die  Nahrung,  sind  geschickte  Jäger,  beziehen  aber  ihre 
spitzen  Pfeile  von  ihren  kunstgeübten  Nachbarn.  Sie  be- 
finden sich  noch  nicht  einmal  in  der  Steinzeit,  sondern  in 
der  Holzzeit.  Auch  in  Asien  findet  sich  eine  Reihe 
solcher  Zwergrassen;  auf  Ceylon  die  Wedda,  einer  der 
kleinsten  Stämme,  der  mit  den  Australiern  und  Neu- 
holländern verwandt  ist,  kein  spiralloekiges  Haar  und 
auch  keinen  Negerschädel  haben.  Ferner  hat  Quatre- 
fages  eine  solche  Menschenrasse  auf  den  Andamanen,  der 
an  der  Westküste  von  Vorderindien  gelegenen  Inselgruppe, 
entdeckt.  Diese  sog.  Minkobis  sind  Negritos  ihrer  ethno- 
logischen Stellung  nach.  Ihnen  sehr  nahe  stehen  die 
Zwerge  von  der  Halbinsel  Malakka,  von  denen  jüngst 
die  ersten  Schädel  naeli  Europa  gelangt  sind.     Zwischen 


Ver 


„Natiii-w.  Woehenschi-."  Uil.  \'1I  S.  -127. 


426 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  39. 


den  asiatischen  und  afrilianischen  Zwergrassen  besteht 
ein  sehr  wesentlicher  Unterschied  im  Schädelbau.  Die 
ersteren  sind  nämlich  Brachycephalen  (Kurzköpfe),  die 
letzteren  Dolichocephalen  (Langktipfe).  Auch  einzelne 
Stämme  der  Dravidier  in  Vorderindien  sind  Zwerge. 
Uebersieht  man  die  gesamniten  Zwergvölker  mit  all  ihren 
körperlichen  Eigenschaften,  so  lässt  sich  keine  unmittel- 
bare Annäherung  an  die  anthropoiden  Atfen  erkennen, 
vielmehr  sind  sie  vollkommen  ausgebildete  Menschen, 
wenngleich  sie  auch  nicht  zu  den  höchst  organisirten  ge- 
hören. Sie  können  unserer  Gesellschaft  vollkonmien  würdig 
betrachtet  werden,  und  es  erscheint  durchaus  möglich, 
dass  sie  auf  eine  höhere  Kulturstufe  gebracht  werden 
können. 

Ranke  (München)  machte  darauf  einige  Mit- 
theilungen über  „Seh  winimhautbildungen"  beim 
Menschen,  worüber  jüngst  einer  seiner  Schüler,  stud. 
Birkner,  eine  grössere  statistische  Arbeit  auf  Grund  des 
im  MUnchener  anatomischen  Institute  vorhandenen  Mate- 
rials verötfentlicht  hat.  Man  hat  diese  Schwinmihaut- 
bildungen  au  den  Fingern  auch  als  Rassenmerkmale  ge- 


deutet, und  Schaafi'hausen  hat  insbesondere  auf  ihre 
starke  Entvvickeluug  bei  den  Negern  aufmerksam  gemacht. 
Birkner  hat  bei  seinen  sich  über  1000  Individuen  er- 
streckenden Untersuchungen,  die  sich  namentlich  auf  die 
Maassverhältnisse  der  Schwimmhäute  bezogen,  eine  all- 
mähliche, regelmässige  Abnahme  der  Ausdehnung  der 
Schwimmhäute  an  den  Fingern  von  der  Geburt  an  bis 
zum  7.  Lebensjahre  wahrgenommen.  Die  weibliehe  Hand 
steckt  im  Allgemeinen  etwas  mehr  in  der  Schwimmhaut 
als  die  männliche.  Im  höheren  Alter  nimmt  diese  relativ 
an  Länge  zu  wegen  der  spontanen  Verkürzung  der  Finger. 
Auch  die  Arbeit  hat  einen  Einfluss  auf  die  Schwimmhaut- 
bildung, indem  sie  sie  steigert.  In  dem  Entwickelungs- 
grad  der  Schwimmhäute  kommen  sehr  grosse  Schwan- 
kungen vor,  es  können  '/4  bis  73  der  Fingerlänge  in  der 
Schwimmhaut  stehen.  An  fetten  Händen  ist  sie  weniger 
auffällig  als  an  mageren.  Diese  enorme  Bildung  ist  also 
keine  Rasseneigenthündiehkeit  der  Neger,  sie  findet  sich 
auch  bei  den  Affen,  und  nur  bei  den  niederen  Affen  wird 
durch  die  Schwimmhäute  ein  stärkeres  Einziehen  der 
Finger  bedingt.  Dr.  med.  Albu. 


Thiere  als  Mitbewoliiiei'  von  Ameisenbauten.  — 

Es  ist  bekannt,  dass  zahlreiche  Thiere,  namentlich  Kerfe, 
Mitbewohner  von  Ameisenbauten  sind.  Die  bei  uns  am 
Dung  und  an  Thierleiehen  lebenden  Stutzkäfer  (Histeriden) 
stellen  im  tropischen  Amerika  zu  diesen  „Myrmecophilen" 
ein  Contingent  von  nicht  weniger  als  etwa  40  Arten. 
Mehrere  neue  unter  ihnen  lehrt  uns  Job.  Schmidt 
kennen.  („Myrmecophile  Histeriden  aus  Amerika."  Deutsche 
entom.  Zeitsehr.,  1893,  S.  171.)  Während  sonst  die 
Histeriden  in  ihrem  Bau  recht  eintönig  sind,  zeigen  die 
beschriebenen,  aus  Bolivia  und  Mexico  stammenden 
Ameisen-  und  Termitengäste,  die  nur  klein  (1  liis  S'/e  mm) 
sind,  zum  Theil  eine  sehr  absonderliche  Organisation,  die 
sich  aus  ihrer  Lebensweise  erklärt.  So  kommen  lang- 
beinige und  durch  Einschnürungen  ameisenartig  aussehende 
Formen  vor.  M. 

lieber  Amidoxylsäuren  bieten  W.  v.  Miller  und 
J.  Ploechl  in  der  Deutsch.  Chem.  Ges.,  Ber.  1893,  1545 
eine  Veröffentlichung.  —  Zwischen  den  Isonitrososäuren 

/.NOH 
von     der     allgemeinen    Formel     X-C  und    den 

\COOH 
/NH2, 
Amidosäuren,  X-CH  Hessen  sich  als  Zwischenpro- 

\COOH 
duct  Hydroxylamin-  oder  Amidoxyl-Säuren  von  der  Formel 

/NHOH 
X-CH  erwarten.    Versuche,  diese  Körper  bei  der 

\COOH 
durch  verschiedene  Mittel  bewirkten  Reduction  der  Iso- 
nitrososäuren zu  gewinnen,  schlugen  fehl,  es  entstanden 
stets  direct  die  Amidosäuren.  Dagegen  führte  die  von 
den  Verfassern  frtüier  beschriebene  Jlethode,  Anlagerung 
von  Blausäure  an  Anhydroverbiudungen  und  Verseifen 
der  erhaltenen  Nitrile,  zum  Ziel.  Aus  Oximen  entstehen 
auf  diese  Weise  die  Nitrile  der  Amidoxylsäuren,  welche, 
diu-cli  concentrirte  Salzsäure  verseift,  die  freien  Säuren 
liefern. 

In  Bezug  auf  Löslichkeitsverhältnisse  gleichen  diese 
neuen  Säuren  vollkommen  den  Amidosäuren.  Infolge  des 
noch  vorhandenen  Hydroxylaminrestes  (-NHOH)  sind  sie 
einerseits  selbst  gegen  die  schwächsten  Oxydations- 
mittel sehr  empfindlich,  andererseits  befähigt,  mit  Alde- 
hyden Condensationsproducte  zu  bilden.  Sp. 


Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben. 

Ks  wurden  eruannt:  An  der  Universität  Kiel:  Dr.  Georg 
Iloppe-Sey  1  er  zum  ausserordentlichen  Professor  in  der  medi- 
cinisehen  Facultiit,  und  —  Dr.  Alberti,  Custos  an  der  Univer- 
sitäts-Bibliothek, zum  Professor.  —  Oberlehrer  Dr.  .Seheppig, 
Director  des  Museums  für  Völkerkunde  in  Kiel,  zum  Professor.  — 
Der  Professor  am  Polytechnieum  in  Zürich  Dr.  Ulrich  Gruben- 
mann  von  Trogen  zum  Ordinarius  für  Mineralogie  an  der  Uni- 
versität daselbst.  —  Dr.  Lindfors,  Docent  an  der  Universität 
Lund,  zum  Professor  für  Gynäkologie  an  der  Universität  Upsala.  — 
Dr.  Jendrassek  zum  ausserordentlichen  Professor  für  Nerven- 
krankheiten an  der  Universität  Budapest.  —  Klisee  Reclus  in 
Paris  zum  Professor  der  Geographie  an  der  Universität  Brüssel. 
—  J^r.  Gluzinski,  ausserordentlicher  Professor  für  allgemeine 
und  experimentelle  Pathologie  an  der  Universität  Krakau,  zum 
Ordinarius. 

Es  hat  sieh  habilitirt:  Dr.  F ritsch  für  Chemie  an  der 
Universität  Marburg. 

Der  Professor  der  Chirurgie  an  der  Universität  Amsterdam 
Dr.  Tilanus  tritt  von  seiner  Lehrthätigkeit  zurück.  —  Der  Pro- 
fessor der  Zoologie  an  der  Universität  Jena  Dr.  Willy  Ivüken- 
thal  begiebt  sich  zwecks  wissenschaftlicher  Forschungen  auf  ein 
Jahr  nach  den  Molukken. 

Es  sind  gestorben:  Dr.  Parke,  seinerzeit  Arzt  bei  Stanley 's 
Expedition  zum  Entsätze  Emin  Pascha's,  in  Schottland.  —  Der 
Wirkliche  Staatsrath  Dr.  Robert  Wreden,  bedeutender  Ohren- 
arzt, in  AbasTuman.  —  Der  Professor  für  Bodencultur  Dr.  Emil 
Pereis  in  Wien.  —  Der  Botaniker  Rev.  Henry  Hugh  Higgins 
in  Liverpool.  —  Der  Botaniker  Professor  Dr.  Friedrich  Trau- 
gott Kützing  in  Nordhausen.  —  Der  Gründer  der  Linnean  So- 
ciety Rev.  Leonard  Blomefield  in  Bath. 


L  i  1 1  e  r  a  t  u  r. 

Brockhaas'  Konversations-I.exikon.  14.  vollständig  ncubearb. 
Aufl.  7.  Bd.  Foscari-Gilboa.  Mit  50  Tafeln,  darunter  (3  farbige, 
12  Karten  und  Pläne  und  282  Textabbildungen.  F.  A.  Brock- 
haus.    Berlin  und  Wien  1893.  —  Preis   10  Mk. 

Die  neue  Aufl.  von  Brockhaus'  Lexikon,  von  der  wir  hiermit 
das  Erscheinen  des  7.  Bandes  anzeigen,  trägt  s-o  recht  das  Gepräge 
ihrer  Zeit:  den  wichtigeren  Neuigkeiten  namentlich  der  Politik 
folgt  sie  gewandt  auf  dem  Fusse.  In  naturwissenschaftlicher 
Hinsicht  giebt  das  Lexikon  bessere  Aufschlüsse  wie  gewisse 
Specialwerke.  Wir  werden  zu  dieser  Bemerkung  durch  den  guten 
Artikel  „Giftpflanzen"  veranlasst,  dem  2  Chromotafelu  gewidmet 
sind,  und  die  Thatsache,  dass  wir  in  No  34,  S,  o67  eine  Special-Arbeit 
über  Giftpflanzen  tadeln  mussten.  Wir  erwähnen  nochmals,  dass 
das  Lexikon  in  geographischer  Beziehung  einen  besonderen  Werth 
besitzt  nicht  nur  hinsichtlich  der  geographischen  Verhältnisse,  wie  sie 
unsere  heutigen  Kenntnisse  gestaltet  haben,  sondern  auch  bezüg- 
lich der  Geschichte  der  Disciplin ;  so  sind  die  dem  geschichtlichen 
Abschnitt  des  Artikels  „Geographie"  beigegebenen  Karten  sehr 
dankenswerth  und  interessant.  Kurz,  wir  können  nur  wieder- 
holen, dass  das  Werk  weitgehenden  Ansprüchen  genügen  muss 
und  auch,  abgesehen  von  der  Benutzung  als  Nachschlagewerk, 
als  Quelle  der  Belehrung  empfehlenswerth  ist. 


Nr.  39. 


Naturwissenschaftliebc  Wochcnsdiril't. 


427 


TJBmil  du  Bois-Beymond,   Maupertuis.     Rede   zur  Feier  des  Ge- 
liiirtstafres  Frieilriolis  IL  und  des  Gi-liurtstaiies  seiner  Majestät 
<les  Kaisers   und  Königs    in   der   Akademie   der  Wissenschaften 
zu  Berlin.     Am  28.  Januar  1802.     Verlag  von  Veit  u.  Co.   Leipzig 
1893.  —  Preis  1,50  M. 
Ans  der  so  interessanten   und  zum  Verständniss  unsei'er  heu- 
tigen Wissenschaft  so  wichtigen  französischen  Gelehrten-Geschichte 
vor  der  grossen  Revolution,  die  du  Bois-Keymond  kennt  wie  keiner, 
bietet    dieser    in    der    vorliegenden' Rede    wiederum    einen   jener 
geistvollen    Beiträge,    deren    Zahl    der   Autor    von    Zeit   zu    Zeit 
um    einen    mehrt.     Man   niuss   die    Roden    du    Bois-Reymond's  ge- 
lesen haben,  und  so  begnügen  wir  uns  hier  mit  der  Anzeige,  dass 
die  letzterschienene  im  Buchhandel  nunmehr  zu  haben  ist. 


P.  Ijanger,  Fsychophysische  Streitfragen.  (Aus  dem  Programm 
d.  ilerzogl.  Gvmuasiums  zu  ( )hrdruf.)  C.  Crapenthin  in  oiirdruf. 
—  Preis   0,8U"M. 

In  der  vorliegenden  Schrift  versucht  Verf.  die  in  seiner  1876 
erschienenen  Schrift  „Die  Grundlagen  der  Psychophysik"  gegen- 
sätzlichen Standpunkte,  die  nach  Erscheinen  derselben  aufgetreten 
sind,  zu  widerlegen.  Verf.  glaubt,  dass  die  von  Fechner  aus  dem 
Weber'schen  Gesetz  gefolgerte  gesotzmässigo  Beziehung  zwischen 
Reiz  und  Empfindung  einem  Trugschluss  ihre  Entstehung  vci'dankt. 


Dr.    Immanuel    Slunk,    Physiologie    des    Menschen    und   der 
Säugethiere.     Lehrbuch    für   Studirende   und   Aerzte.     o.  verb. 
und    verm.    AuH.    Mit    100   Holzschnitten.     August  Hirschwald. 
■   Berlin  1892. 

Es  ist  ein  Vorzug  des  Buches  anderen  Physiologieen  gegen- 
über, dass  CS  nicht  allein  den  Menschen,  sondern  auch  die  Säuge- 
thiere  berücksichtigt.  Dadurch  gewinnt  das  Werk  für  den  Special- 
Naturforscher  namentlich  an  Werth.  Es  ist  derartig  abgefasst,  dass 
möglichst  wenig  vorausgesetzt  wird;  wir  finden  demnach,  wo  noth- 
wendig,  Erläuterungen  aus  der  Physik,  Chemie  und  Anatomie. 
Nicht  zum  geringsten  wegen  dieses  elementaren  Charakters  des 
Buches  hat  es  eine  grö.ssere  Beliebtheit  gewonnen.  Als  Nach- 
schlagebuch ist  es  durch  das  sorgfältig  bearbeitete  Register  wcrth- 
voU.     Incl.  dieses  Registers   umfasst  es  615  Seiten. 


Prof.  Dr.  Oscar  Hertwig,  Die  Zelle  und  die  Gewebe.  Grund- 
züge der  allgemeinen  Anatomie  und  Ph3'siohigie.  Mit  168  Ab- 
bildungen.    Gustav  Fischer.     Jena   1892.  —  Preis  8  M. 

Das  Buch  fasst  in  dankenswerther  und  w'ie  sich  bei  dem  Namen 
Hertwig's  von  selbst  versteht,  den  Gegenstand  vertiefend  die  zahl- 
reichsten, wichtigsten  Ergebnisse  der  Arbeiten  aus  dem  Gebiete 
der  Zellenlehre  — •  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  thierischen 
Zelle  —  zusammen,  die  ja  gerade  in  unserer  Zeit  so  grosse  Fort- 
schritte zu  verzeichnen  hat  und  noch  immer  eifrig  von  vielen 
Seiten  ausgebaut  wird.  Das  Buch  ist  geschickt  derartig  abge- 
fasst,  dass  es  auch  der  von  vornherein  weniger  Orientirte  studiren 
kann.  Hertwig  behandelt  sein  Thema  in  9  Capiteln.  In  dem 
1.  bespricht  er  die  Geschichte  des  Gegenstandes,  in  dem  2.  die 
chemisch-physikalischen  und  morphologischen  Eigenschaften  der 
Zelle,  in  dem  3. — 7.  die  Lebenseigenschaften,  dann  8.  die  Wechsel- 
wirkungen zwischen  Protoplasma,  Kern  und  Zellproduct,  und  im 
0.  die  Zelle  als  Anlage  eines  Organismus  (Vererbungsthooricn). 
Ueberall  macht  er  reichliche  Litteratur-Angaben,  die  namentlich 
dem  Weiterarbeitenden  sehr  werthvoll  sein  müssen. 


Dr.  G.  A.  Berteis,   Erdöl,   Schlammvulkane   und   Steinkohle. 

Betrachtungen  und  Beobachtungen  (dier  deren  Ursprung  und 
Entstehen.  S".  Riga.  Verlag  von  N.  Kymmel.  1892.  70  SS. 
Der  Verfasser  hatte  behufs  Abgabe  eines  Gutachtens  den 
kaukasischen  Erdöldistrict  bereist  und  war  dabei  zu  einer  An- 
sicht über  die  Entstehung  des  Erdöls  gekommen,  die  er  wegen 
nun  anderweitiger  Arbeiten  nicht  weiter  verfolgen  und  in  ihren 
einzelnen  Theilen  begründen  kann,  die  er  aber  doch  nicht  unter- 
gehen lassen,  sondern  zur  Anregung  Anderer,  dem  von  ihm  gege- 
benen C-irund  weiterzubauen,  benutzen  will.  Diesem  Wunsche  ist 
vorstehcnules  Schriftchon  entsprungen.  B.  selbst  fasst  am  Schlüsse 
seine  Resultate  und  Ansichten  etwa  in  folgender  Weise  zusammen: 
das   Material    aller    bedeutenderer    Erdölquellen    stammt    in    der 


Regel  von  marinen  iM(>llusk(>n,  seltener  von  Fischen.  Die  Bildung 
des  Oe'les  war  nur  möglich  1)  beim  Vorhandensein  grös.serer 
Massen  dieser  Meerestluere  und  2)  liei  einem  Festlaiul  nnt  steilen 
Uferrändern,  von  denen  periodisch  bei  stärkeren  Niederschlägen 
mit  reissender  Gewalt  grosse  Schhimmmassen  ins  Meer  geworfen 
werden  konnten,  wodurch  die  Lebewidt  begraben  wurde.  Beiile 
Bedingungen  haben  zu  vielen  Zeiten,  auch  jetzt,  stattgi'fund(ui, 
das  Erdrd  ist  clarum  au  keine  bestiuunte  Formation  gebunden.  — 
In  Süsswasserbecken  sind  wahrscheinlich  keine  odc^r  nur  verein- 
zelte Erdöllager  entstanden,  wahrscheinlich  weil  jene  Bedingungen 
dort  selten  erfüllt  sind.  Die  Zersetzung  der  organischen  .Sub- 
stanzen (Eiweisskör]ier  und  Fette),  fand  durch  organisirte  und 
nicht  orgMuisirte  Fermente  in  (ilurch  das  entst(diende  Ammoniak | 
neutraler  Lösung  und  Luftabschluss  statt;  das  salzige  gewöhnliche 
Meerwasser  vermag  die  Gährung  nicht  zu  verhindern.  Die  Pro- 
teinstoft'e  gaben  die  vorwiegend  schweren  und  naturgemäss 
zugleich  etwas  Schwefel-,  Phosphor-  und  Ammouiak-haltigeu 
(Asphalt  und  Bitumen  genannten)  Kohlenwasserstoffe,  aus  den 
Fetten  entstaudi'u  die  leichten  Kohlenwasserstoffe  (Gele  und  Gase) 
also  wohl  ineht  erstere  aus  Ictzeren  durch  Condensation  infolge 
von  Druck ;  die  stete  Begleitung  des  Bitumes  von  Eisenkies  wird 
auf  den  Schwefelgelialt  des  Eiweisskörpers  zurückgefidn-t.  —  Das 
Vorhandens(;in  von  Ammoniak  im  Bitumen  weist  darauf  hin,  dass 
hohe  Temperaturen  nie  gelierrsciit  haben.  Der  Druck,  unter  dem 
die  Erdülbildung  stattfand,  war  in  den  meisten  Fällen  grösser  als 
der  einer  Atmosphäre.  Wenn  der  Verf.  aber  meint,  dass  bei  der 
deutschen  Colonie  Miclielsfeld  sich  das  Erdöl  unter  einem  sehr 
geringen  Drucke  gebildet  habe,  wie  man  ihn  aus  der  geringen 
Mächtigkeit  der  auflagernden  Schichten  von  wenigen  Handbreiten 
schliessen  müsse,  so  hat  er  offenbar  nicht  daran  gedacht,  dass 
diese'  geringe  Mächtigkeit  eine  Folge  der  Erosion  sein  kann. 
Verf.  glaubt  Grund  zu  haben,  dass  der  Erdölbildungsprocess  selbst 
in  den  Tertiärscliicliten  gegenwärtig  noch  nicht  allerorts  abge- 
schlossen ist,  sondern  noch  fortschreitet  (er  glaubt  in  der  Guilaja 
Bälka  noch  nicht  völlig  zersetzte  Muscheltliiere  in  einer  petro- 
lösen  Flüssigkeit  gesehen  zu  haben,  welche  die  Schalen  erfüllte). 
In  den  vorausgehenden  Abschnitten  behandelt  der  Verf.  die 
Ansichten  von  Helmersen,  Abich,  Romanowsky,  iMendelejeft',  Pabst, 
(letzere  in  dieser  Wochenschrift  V.  276),  Kngler,  (vergl.  diese 
Wochcnschr.  111,  54)  und  Ochsenius  u.  A.  über  die  Bildung  des 
Erdöls  mehr  oder  nunder  eingehend  und  kommt  im  V.  Abschnitt 
auch  auf  die  Schlammvulkane  zu  spreclien,  die  er  von  den  echten 
Vulkanen  durch  keinen  grundsätzlichen  Unterschied  trennt;  erstere 
haben  nur  ihren  Herd  in  geringerer  Tiefe,  in  Erdöllagern.  Im 
Allgemeinen  ist  aber  dieser  Abschnitt  ebenso  wie  der  grösste 
Theil  des  Buches  sehr  aphoristisch  abgefasst,  es  sind  einige  gute 
Gedanken  (insbesondere  die  Mitwirkung  von  Fermenten  betr.) 
verquickt  mit  vielen  unreifen  und  zum  Theil  verworrenen.  Immer- 
hin wäre  es  wünschenswerth.  wenn  der  von  B.  angeregten  Frage, 
inwieweit  Fermente  unter  gewissen  Bedingungen  tbierischo  Sub- 
stanzen in  Petroleum  überführen  können,  weiter  nachgegangen 
würde.  E.  Zimmermann. 

Baer,  Geh.  San.-R.  Bez.-Phys.  Ob.-Arzt  Dr.  A.,  Der  Verbrecher 
in  anthro]i(d()gischer  Beziehung.     Leijizig.     15  M. 

Ergebnisse  der  in  dem  AtUmtischcn  Ocean  von  Mitte  ,luli  bis 
Anfang  November  188y  ausgeführten  Plaid^ton-E.xpedition  der 
Humboldt-Stiftung.     (2.  Bd.)     Kiel.     2  M. 

Groth,  P.,  u.  F.  Grünling,  Repertorium  der  nuneralogischen  und 
krvstallographischen  Literatur  vom  Anfang  d.  J.  1885  bis  An- 
fang d.  J.   1801.     Leipzig.     21   M. 

Harpf,  Dr.  Aug.,  Beiträge  zur  Kenntniss  der  chemischen  Vor- 
gänge l)eini  Sulfitverfahren.     Leipzig.     0,50  M. 

Howorth,  Henry.  H.,  M.,  P.,  F.,  S.,  A.,  M.,  B.,  A.,  S.,  Das 
Mammut  und  die  Flut.     London.     4,50  M. 

Koken,  Prof.  Dr.  Ernst,  Die  Vorwelt  unil  ihre  Entwickelungs- 
geschiclite.     Lidpzig.      16  M. 

Krause,  Ernst  H.  L.,  Mecklenburgische  Flora.    Rostock.    3,80  M. 

Pawlitschek,  Gymn.-Prof.  Dr.  Alfr. ,  Beobachtungen  an  der 
Makrolejjidopterenfauna  von  Radautz.     Czornowitz.     l),8Ü  M. 


Berichtigung. 


Seite  414  Spalte  1   Zeile  13  von  unten  muss  es  heissen  dick- 
wandigen  und  nicht  d  ick  ran  digen. 


Die  Eriieneruiis;  des  Abonnements  wird  den  i'eehi'teii  .Vbiieliniern  dieser  Woelieiiselirit't 


liierdurcli  in  geneigte  Kriiiiieriing  gebraclit. 


Die  Verlagsbuchhandlung. 


Inhalt:  Prof.  M.  Fauvelle:  Die  Transformation  der  Pflanzenwelt.  (Mit  einem  Schema)  —  XXIV  Deuts<-her  Anthropologencon- 
gress  in  Göttingen  und  Hannover  vom  5.  bis  9.  August  1893.  —  Thiere  als  Mitbewohner  von  Ameisenbauten.  —  Ueber  Ami- 
do.xylsäuren.  —  Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben.  —  LItteratur:  Brockhaus'  Konversations-Lexikon.  —  Emil  du  Bois-Rey  niond: 
Maupertuis.    —     P.  Langi'r:    Psycho|ihysisclie    Streitfragen.    —    Dr.   Immanuel   Munk:    Physiologie    des  Menschen    und    der 

Säugethiere.    —   Prof.  Dr.  Oscar  Hertwig:  Die  Zelle  und  die  Gewebe    —  Dr.  G.  A    Berteis:  Erdöl,  Scldaninnulkau id 

Steinkohle.  —  Liste.  —  Berichtigung. 


428 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  39. 


Für  Laboratorien. 

Laboratoriiim-Lainpoii  mit  1—2  blau  breiiiieiuleii  und  leicht 
rc^nlirbarcii  Heizflammeii.  ahiilicli  dem  Bunsenbienner,  von  ausser- 
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Die  Lampen    sind    überall    ohne   jede  weitere  Vorrichtung  an- 
wendbar   mul    können    sofort    an   jedem    beliebigen  Platze  benutzt 
werden,  da  jede  Lampe  sieh  das  zur  Speisung  der  Flammen  nöthige 
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Verantwortlicher    Redakteur:    Dr.  Henrj'  Potouie,    Berlin  N.  4.,  Invalidenstr.  44,  für  den    Iiiserateutlieil;    Hugo  Bernstein    in    Berlin. 
Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12.  —  Druck:  G.  Bernstein,  Berlin  .SW.  12 


Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12,  Zimmerstr.  94. 


VIII.  Band.               Sonntag,  den  1.  October  1893. 

Nr.  40. 

Abonnement:  Man  abonnirt  bei  allen  Buchhandlungen  und  Post-             j             Inserate:  Die  viergespaltene Petitzeile  40  A.   Grössere  Aufträge  ent- 
anstalten.   wie  bei  der  Expedition.    Der  Vierteljahrspreis  ist  .Ä  4.—            dö           sprechenden  Rabatt.  Beilagen  nach  Uebereinkunft.  Inseratenannahme 
Bringegeld  bei  der  Post  15  -^  extra.                                       JL                         bei  allen  Annoncenbureaux,  wie  bei  der  Expedition. 

Abdruck  ist  nur  mit  voHstän<ii»er  t^nellenansabe  gestattet. 

Neue  Beobachtungen  über  Höhlen  der  Schwäbischen  Alb. 


Das  mächtige,  aber  reich  zerklüftete  Kalkgebirge  der 
Schwäbischen  Alb  ist  durch  eine  grosse  Anzahl  von  Grotten- 
und  Hühlenbildungen  ausgezeichnet.  In  letzter  Zeit  sind 
nun  nicht  nur  neue  Höhlen  erschlossen  worden,  sondern 
es  ist  auch  durch  den  Stuttgarter  Geologen  K.  Endriss 
der  Versuch  gemacht  worden,  das  von  ihm  näher  studirte 
Höhlensystem  in  der  ümgebimg  von  Gutenberg  in  tektoni- 
scher  Hinsicht  klar  zu  legen.  Unter  den  neu  entdeckten 
Höhlen  ist  wegen  ihrer  Fauna  namentlich  die  von  Eber- 
hard Fraas  genau  untersuchte  Irpfclhöhle  im  Brenz- 
thale  von  besonderem  Interesse.  Nachstehend  soll  daher 
ein  Ueberblick  über  die  Forschungen  in  diesen  beiden 
Höhlengebieten  gegeben  werden. 

a)  Das  Gutenberger  Höhlensystem. 

Unter  der  liebenswürdigen  Führung  von  Dr.  K.  End- 
riss und  Pfarrer  K.  Gussmann  hatte  der  Unterzeichnete 
Gelegenheit,  am  9.  April  d.  J.  mit  drei  anderen  Theil- 
nehmern  am  Stuttgarter  Geographentage  die  Gussmanns- 
höhle und  die  Gutenberger  Höhle  kennen  zu  lernen, 
welche  nebst  der  Wolfsschluchthöhle  und  der  Krebs- 
steiuer  Höhle  erst  in  den  letzten  Jahren  Gegenstand 
näherer  Untersuchung  gewesen  sind.*)  Dr.  Endriss  und 
der  genannte  Pfarrer  von  Gutenberg  haben  1890  einen 
„Schwäbischen  Höhlenverein"  ins  Leben  gerufen,  dessen 
erste  Publieation  vor  Kurzem  erschienen  ist.**)  Aus  der- 
selben ergiebt  sich  über  den  Bau  der  Höhlen  im  Schwä- 
bischen Albgebirge  folgendes. 

Von  den  grösseren  Hohlräumen  unserer  Erdrinde  ist 
die  eine  Gruppe  gleichzeitig  mit  dem  umgebenden  Ge- 
stein entstanden,  was  besonders  im  Gebiet  von  Kalktuff- 
formationen der  Fall  ist,  die  andere  ist  erst  nach  der 
Entstehung  der  umgebenden  Gebirgsmasse  besonders  durch 
die  Thätigkeit    des  Wassers   namentlich    in    solchen  Ge- 

*)  K.  Endriss,  Zur  Geologie  der  Höhlen  des  Schwäbischen 
Albgebirges  in  Ztschr.  d.  D.  Gool.  Ges.  Bd.  44,   1892. 

**)  Schriften  des  Scluväbischen  Hühlenvereins,  No.  1,  Ueber 
den  Bau  der  Höhlen  des  Schwäbischen  Albgobirges  im  allgemeinen 
und  über  den  Bau  der  Gutenberger  Höhle  im  besonderen,  Stutt- 
gart 1893.  Vergl.  auch  die  Blätter  des  Schwäbischen  Albvereins, 
Jahrg.  1SVI2.  Nr.  10. 


steinen  gebildet,  welche  durch  ihre  chemische  Beschaffen- 
heit im  Wasser  leichter  löslich  sind.  Zur  ersten  Gruppe 
gehören  die  Tuffhöhlen  in  den  Kalktuffmassen  der  Alb- 
thäler,  zur  zweiten  die  Höhlen  im  eigentlichen  Gebirgs- 
körper  der  Alb  die  „Grundgebirgshöhlen". 

Unter  letzteren  können  wir  wiederum  solche  unter- 
'")cheiden,  bei  welchen  die  Höhlenbildung,  die  Erzeugung 
von  hohlen  Räumen  im  Gebirge  sich  noch  in  der  Gegen- 
wart vollzieht,  und  die  Höhlen,  in  welchen  sich  zur  Zeit 
keine  höhlenbildenden,  die  vorhandenen  Hohl- 
räume wesentlich  vergrössernde  Vorgänge  nach- 
weisen lassen.  Erstere  werden  von  Quellbachgcwässern 
dauernd  oder  nur  zeitweise  durchstWimt,  ihre  häufigsten 
Vertreter  sind  die  Quellgrotten;  die  grossen  Quellgrotten 
leiten  dann  zu  den  Quellbach  höhlen  über. 

Die  Gutenberger  Höhle  —  vergl.  das  hier  beige- 
gebene Kärtchen  und  Läugsprofil  —  gehört  nun  zu  den- 
jenigen Höhlen,  in  welchen  sich  zur  Zeit  keine  höhlen- 
bildenden Vorgänge  nachweisen  lassen,  sie  ist  der  Typus 
einer  abgestorbenen  und  zugleich  einer  sehr  alten 
Höhle. 

Der  Eingang  zur  Gutenberger  Höhle  befindet  sich 
bei  etwa  700  m  Meereshöhe  am  Nordhang  des  bei  Guten- 
berg in  das  Lenniger  Thal  einmündenden  kurzen  Tiefen- 
thaies, in  der  Luftlinie  etwa  1  km  nördlich  von  Gutenberg 
(.540  m).  Ein  grosses  Felsenportal  im  löcherigen,  wenig- 
geschichteten  Kalkstein  des  Weissen  Jura  führt  zu  einer 
schon  längst  bekannten  Grotte,  dem  Heppeuloch.  Nörd- 
lich von  dieser  Grotte  reiht  sich  nun  an  dieselbe  ein 
System  von  Hohlräumen  an,  welches  im  Winter  1889  90 
von  Karl  Gussmann  erschlossen  wurde.  Die  bis  jetzt  neu 
aufgefundenen  Höhlen  zusammen  mit  dem  Heppeuloch 
bilden  die  Gutenberger  Höhle:  sie  zerfällt  in  einen  öst- 
lichen und  in  einen  westlichen  Höhlenzug,  beide  ver- 
laufen etwa  in  NNO.  ungefähr  gleichgerichtet.  Das  Heppeu- 
loch bildet  den  ersten  Eaum  des  westlichen  Höhlenzuges. 
All  dasselbe  reiht  sieh  eine  grosse  Halle  {E).  Vom  iiw. 
Theil  dieser  Halle  aus  zieht  sich  der  westliche  Htiiilenzug 
noch   70  m  weit   ins  Gebirge    hinein   (vom    nö.  Theil    der 


430 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  40 


Halle  E  zweigt  nach  NW.  der  Gang  a  ab).  Am  Ende 
des  westlichen  Höhlenzuges  scliliesst  sieh  nach  0.  eine 
weitere  grosse  Halle,  die  sog.  Theilungshalle,  an: 
dieselbe  verbindet  den  genannten  Höhlenzug  mit  seinem 
östlichen,  nur  etwa  6 — 8  m  von  ihm  entfernten  Nach- 
bar; letzterer  erstreckt  sich  sowohl  nach  N.  wie  nach  S. 
von  der  Theilungshalle  aus;  er  wurde  nach  S.  hin  bis 
jetzt  25  m  weit,  nach  N.  hin  20  m  weit  erschlossen;  beide 
Enden  liegen  jedoch  in  Ausfüllungsmassen ;  der  Zug  setzt 
sich  nach  beiden  Richtungen  weiter  fort. 

Im  Bau  der  Höhle  ist  das  Grundgebirge  und 
das  Ausfülhnigsraaterial  zu  scheiden,  denn  es  sind 
Gesteinsmassen  in  die  vom  Grundgebirge  umschlossenen 
Hohlräume  eingelagert. 

1.  Der  Schichtenbau  des  Grundgebirges.  Die 
bis  jetzt  erschlossenen  freien  Hohlräume  der  Gutenberger 


Binxfang 


birges.  Durch  die  Randecker  Berghalbinsel,  in  welcher 
sich  die  Gutenberger  Höhle  befindet,  zieht  sich  eine  Zone 
grösster  Zerreissung  in  der  Senke,  welche  von  der 
Wolfsschlucht  —  160  m  w.  von  der  Gutenberger  Höhle  — 
nach  dem  nördlichen  Steilrand  desRandecker  Maars  streicht. 
Letzterer  ist  eine  Vulcanruine;  jene  Zerreissungszone 
habe  zur  Entstehung  dieses  Vulcans  wesentlich  beigetragen. 
3.  Die  Höhlenbildung.  Die  Spalten  aber  waren 
die  Wege,  auf  denen  sich  dann  die  Höhlenbildung 
vollzog,  lieber  den  hierbei  entfalteten  Mechanismus  geben 
zwei  Stellen  Aufschluss,  die  sog.  „Klamm"  und  der  Gang  «; 


beide 


an  der  tiefsten   Stelle   der  Wandung,    links 


und  rechts  eine  Zone  von  abwechselnd  convexen  und  con- 
caven  Stellen,  die  „Serpentinenzone",  welche  die  Schich- 
tung des  Felsgesteines  quer  durchschneiden.  Diese  inter- 
es^ianten     Wandungstbrmen     deutet     Endriss     auf    rasch 


\ 

3  ÄUiuriarvi2^festneßJLßt}2Ltil^i^Leh7n,SaruL  iLTfwn-i  HeppenlocK 


ffÖhlenzutf  O 

0     o       AfayffLSüune  un  huUerai  Heppenloch  (Grenze  Gulefi  ■ 
beft^-Schopriochj . 
*^Billä3ll!i[|^IH5  /(aIJcsuuerd£ck£,  locaL  mti  aul'qrloßertpn  Malmblocken 


EZ— 3      .        u^r.    ^7Zrzi2Bia^ä^w^s.nj^.i^.       2.  La ngsprofil  des  vopd BPen  Th 61 1 BS       __^,^,„_  t^'-lt^C^A^TJ^r;""''"^'''" 

-.«S/fT.h&vl  ^'"^  BodrnJ'lachc  imr  derAtisgrabiMg  1889/901- 
-  —  —  -  -'—  Projc££Ü3i  di-r  vtirhtüfstrjt.  SpaUenzuge  ui  der  ßetJce 

ObWJÖ. 


Vorplatz 


Aufschuitun^ 

AHeppenloch,  r  vonleres,  A  hinteres;  P  hinteres  Portal  des  Heppenloehs; 
E  Halle  'grosse  EinschwenniinnsslialU');  A'  grosses  Knochenlager;  jV  kleine 
Knochennester;  i  Gansi;  G  gntliiMlie  IhiUe;  1  —  8  (im  Hcihlcnziig  IT)  Kammern 
durch  Giinge  mit  einander  verhmulcn ;  J/  Maurische  Halle;  :  Zwergpalast; 
süesimsnische;  (I  obere  Hiihle;  1  und  '.'  (Im  Höhlenzug  0)  Umbicgiragen ;  '/'Thei- 
lungshalle; t  Spaltenzug;  X  (Jang;  oh.  mcteorolog.  Observatorium  des  Schwab. 
Ilühlenvereiiis  ;  D  Gussmannsdom  ;  k  Klamm. 

Die  kleineu  Pfeile  zeigen  die  Richtung  des  Schichtenfalls  der  Alluvionen  an. 

Der  Grundriss'ist  in  den  tiefsten  Horizonten  gezeichnet  Im  allgemeinen 
giebt  er  das  Bild  von  der  Umgrenzung  der  jetzigen  Bodentlache. 


Die  Grundlinie  des  Profils  hat  folgenden  Verlauf: 

Oestlicher  Thürpfosten  am  vorderen  Portal  (Eingang)  —  westlicher 
Thiirpfosten  (am  Gemjluerj  des  zweiten  Thors,  —  Mitte  der  Schwelle  der  Treppe 
—  Mittellinie  der  Treppe  —  Treppenende.  —  In  der  weiteren  Ei'streckung  ist 
der  Verlauf  in  der  Mittellinie  des  Hühlenzugs. 

Die  AUuvion  b  ers;i-eckte  sich  vor  der  Ausgrabung:  1.  in  der  Halle  E, 
bis  zu  der  im  Profil  ein;:etragenen  Kalksinlerdecke  (durch  .\usgrabung  eben- 
falls f^rö.sstentheils  entfernt)  und  bis  zum  Grundgebirge  der  Decke  (im  Nord- 
theil  der  Halle),    2.  im  Höhlenzug  W  bis  zu  der  gestrichelten  Linie. 

Die  durch  Kreuze  angegebene  -Formation  im  Heppenloch  ist  durch  Aus- 
grabung entfernt. 


Höhle  liegen  grösstentheils  im  oberen  Weissen  Jura  d, 
gebildet  durch  eine  ca.  IS  m  mächtige  Masse  eines  grauen 


ungeschichteten 


bis  gelblich-grauen,  mehr  oder  weniger 
Kalksteines  von  grosser  chemisch-physikalischer  Ungleich- 
heit seiner  Theile.  Am  Aufbau  des  Grundgebirges  be- 
theiligt sich  sodami  noch  der  untere  Weisse  Jura  d  mit 
festgefügten  Bänken  eines  dichten,  sehr  gleichartig  auf- 
gebauten, blau-grauen  bis  gelblich-grauen  Kalksteines. 

2.  Die  „Spaltentektonik"  des  Grundgebirges. 
Spalten  spielen  eine  grosse  Rolle,  da  hier  zwei  Hohl- 
räume im  Gebirge  fast  parallel  verlaufen.  Endriss  glaubt 
das  Vorhandensein  eines  wohl  entwickelten  Spalten- 
systems erwiesen  zu  haben,  welches  bei  der  Ausbildung 
der  Räume  maassgebend  war.  In  der  Oberdelta- Stufe 
bewirkte  dasselbe  eine  viel  stärkere  Zersplitterung  und 
arbeitete  somit  der  Ausräumung  viel  stärker  vor,  als  in 
der  Unterdelta-Stufe,  in  welcher  nur  eine  starke  Kluftung, 
die  V2— 2  m  breite  „Klamm",  bewirkt  wurde. 

Die  Spaltungen  hält  Endriss  für  die  Folge  gebirgs- 
bildeuder  Vorgänge   bei  der  Entstehung  des  Alb- Ge- 


fliessende Wasser,  auch  Bachgewässer  hin,  welche  hier 
wahrscheinlich  starke  Strudel  bildeten. 

In  der  Entstehung  der  Hallen  bildeten  aber  auch 
die  Sickerwasser  jedenfalls  eine  hervorragende  Rolle 
und  bewirkten  die  Abbröckelung  des  Gesteines;  der  Bach 
führte   dann   den   in  der  Höhle  sich  bildenden  Schutt  ab. 

Jedenfalls  ist  die  Hauptausbildung  der  Höhle  durch 
Einwärtsrücken  der  Höhlenbildung  von  den  Aus- 
trittsstelleu aus  bewirkt  worden.  Die  ersten  Stadien  waren 
also  die  einer  Quellgrottenbildung;  ihr  entgegen- 
kommend konnte  dann  eine  Versickerungsgrotten- 
bildung  arbeiten;  doch  haben  die  Tagwasser,  welche  die 
Höhle  durchflössen,  im  ganzen  nur  eine  untergeordnete 
Rolle  gespielt;  die  Hauptausbildung  der  Höhle  ist  durch 
Quellwasser  vermittelt.  Endriss  fasst  daher  die  Guten- 
berger Höhle  auf  als  durch  Rückschreiten  von  Quellen  ent- 
standene Quellbachgrotte;  auch  stimmt  dieselbe  mit  Quell- 
grotten und  Quellbaehhöhleu  der  Gegenwart  vollkommen 
liberein. 

4.  Die  Ausfüllungsmassen.    Auf  eine  Zeit  eigent- 


Nr.  40. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


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licher  Höhlenbildung-  folgte  dann  eine  solche,  in  welcher 
die  geschait'euen  Hohlräume  zum  grossen  Theile  wieder 
ausgefüllt  wurden.  Das  Ausfüllungsmaterial  bilden  na- 
mentlich Lehm-Schottermassen.  Die  grosse  Halle  E 
war  bereits  vollständig  mit  Lehm  und  Schotter  ausgefüllt. 
Nur  ein  Theil  der  Ausfüllungsmasscn  ist  bei  der  Auf- 
grabnng  entfernt  worden,  ein  grösserer  Theil  lagert  noch 
im  sog.  „Lehmberg"  in  Halle  E,  im  Gang-  a,  im  Heppen- 
lüch  und  im  westlichen  Hölilenzug. 


Die  «auze  Lehm-Schottermasse  ist  gleichzciti 


aut- 


gebaut;  die  eingelagerten  Schotter  stanunen  grösstenthcils 
aus  höheren  Stufen  des  Grundgebirges  als  derjenige  Hori- 
zont ist,  in  welchem  sie  lagern.  Die  Schichtnug  des  Lehms 
weist  auf  Wasser-Transport  hin,  und  zwar  bildet  der- 


selbe eine  Schwemmablagerung. 


Die  Schichtungsflächen 


sind  in  der  Halle  nach  einem  Kegelmantel  orii-ntirt;  die 
grössten  Wassermassen  sind  nach  dem  Heppenloch  ab- 
geführt worden. 

Ein  Knocheulager  mit  Knocbenstttcken  der  vcr- 
scliicdenartigsten  Thiere,  vielfach  mit  Sprüngen  und  Spalten 
in  den  Knochen,  fand  sich  im  unteren  Theile  der  Lehm- 
Schottermassen  vor.  Die  meisten  Knochen  waren  mit 
Sinter  überzogen;  das  Knoehenlager  erseheint  als  eine 
seitlieh  von  den  beiden  Haupsstromwegen  des  Wassers 
abgeschwemmte  Masse,  welche  zu  einer  AUuvione  ge- 
hört. Zweifellose  Spuren  des  Mensehen  sind  bis  jetzt 
im  Gebiete  der  Lehm-Schottormassen  nicht  nachgewiesen. 
In  den  letzteren  überwiegt  der  Lehm  liei  weitem,  der 
Schotter  tritt  zurück,  was  auf  Absatz  durch  wilde  Ge- 
wässer iiinweist;  Lehm  und  Schotter  entstammen  jeden- 
falls grrissteutheils  dem  Plateau  über  der  Höhle,  denn  hier 
lagern  ähnliche  Bildungen,  eine  Einfuhrstelle  vom  Plateau 
in  die  Höhle  ist  jedoch  noch  nicht  bekannt.  Die  zu- 
führenden Gewässer  brachten  grossen,  raschen  Wasser- 
andrang, wie  solcher  nach  starkem  Regen,  beim  Schmelzen 
von  Schnee  und  Eis  auftritt. 

Die  Bestimmung  der  Einschwemmungszeit  nach  den 
Knochenfunden  weist  auf  früh-diluviale  Zeit  hin,  ein- 
zelne Funde  selbst  auf  spät-tertiäre  Zeit.  (Vergl.  bes. 
A.  Nehring,  N.  Jahrb.  für  Min.  1890,  II,  34.) 

5.  Die  jüngeren  Ausfüllungsmassen,  welche 
ausserdem  in  der  Höhle  vorkommen,  beziehen  sieh  haupt- 
sächlich auf  Tropfsteinablagerungen. 

Sonach  lässt  sich  die  geologische  Entwickelung  der 
Guteuberger  Höhle  in  folgende  Phasen  zerlegen : 

I.  Die  Schichten  des  Grundgebirges  werden  von  tief, 
gehenden  Zerreissungen  betroffen.  Entstehung  der  bei- 
den Spaltungszonen  und  der  zu  denselben  quer 
gerichteten  Spaltenzüge. 

II.  Aus  starken  Quellen  entwickeln  sich  im  Gebiete 
dieser  Zonen  starke  Bäche,  welche  aus  dem  Grundgebirge 
Material  ausräumen.  Der  Ursprung  der  Bäche  rückt  immer 
mehr  bergeinwärts  und  damit  scln-eitet  auch  die  Höhlen- 
bildung mehr  und  mehr  in  das  Gebirge  hinein  vor.  Haupt - 
ausräumung  der  Hohlräume  im  Grundgebirge. 

III.  Wilde  Gewässer  lagern  in  den  Hohlräumen  Lehm- 
Schottermassen  ab.  Entstehung  der  alten  Alluvionen 
in  der  Höhle. 

IV.  Kalkführende  Sickerwasser  setzen  beim  Verdunsten 
Tropfstein  ab.  Abbröckelung;  Verstürzung;  locale  Ein- 
brüche in  den  Lehm;  Schottermassen.  Bildung  dgjr 
T ro p  fst  e  in  ab  1  a g eru n  gen. 

b)  Die  Irpfelhöhle  im  Brenzthale.  (Zeitschr;  d. 
Deutsch,  geol.  Ges.,  1893.) 

Die  Brenz  bildet  ein  nach  der  Donau  zu  gerichtetes 
Querthal  durch  den  Theil  der  Schwäbischen  Alb,  welcher 
als  Aalbeeeh  die  östliche  Abgrenzung  gegen  den  Franken- 
jura darstellt.    Ihre  Thalränder  werden  von  den  Gehängen 


des  obersten  Weissen  Jura  gebildet;  im  Hauptthal 
und  in  den  Seitenthälern  finden  sieh  zahlreiche  Grotten 
und  Höhlen,  darunter  die  berühmteste  der  schwäbischen 
Höhlen,  der  Hohlenstein  mit  seinen  Knochenmassen  von 
Höhlenbären  und  anderen  Diluvialthieren,  ferner  der  Bock- 
stein, der  Schlupf  am  Fohlenhaus,  der  Salzbuhl  u.  s.  w., 
alle  südlieh  Giengen  in  den  trockenen  Seitenthälern  der 
Breng  gelegen. 

Im  vorigen  Jahre  ist  nun  wieder  in  nächster  Nähe 
von  Giengen  eine  solche  Höhle,  eben  die  Irpfelhöhle,  mit 
grösster  Sorgfalt  ausgegraben  worden,  deren  faunistische 
Ausbeute  eine  ungewöhnliche  war;  Dr.  Eberhard  Fraas 
wurde  zum  Glücke  gleich  anfangs  als  wissenschaftlicher 
Berather  beigezogen  und  vermochte  daher  ein  genaues 
Bild  der  Höhle  und  der  ganzen  Art  ihrer  Ablagerung  zu 
geben:  Ihre  Fauna  steht  in  engstem  Zusammenhange 
mit  der  damaligen  diluvialen  Landschaft,  worauf 
bei  ähnliehen  Fällen  bisher  viel  zu  wenig  ge- 
achtet worden  ist.  (Einen  vorläufigen  Bericht  gab 
E.  Fraas  bereits  im  Correspondenzbl.  d.  Deutsch.  Ges. 
für  Anthropologie  etc.  Bd.  23  (LS93),  S.  117.) 

1.  Stratigraphische  Uebersicht. 

Die  Irpfelhöhle,  volksthümlich  der  „Irpfel",  liegt 
2  km  oberhalb  (üengen  am  linken  (östlichen)  (ichänge 
des  Breuzthales,  nur  etwa  15  m  über  der  heutigen  Thal- 
sohle in  der  Etage  E  der  Weissen  Jura.  Ueber  dem 
Jura  und  in  den  Spalten  desselben  eingesenkt  liegt  das 
Tertiär  in  Gestalt  von  obereozänen  Bohnerzen,  von 
marinem  Miozän  mit  Austern  und  Bohrmuscheln  und  von 
obermiozänen  Kalken  und  Mergeln  mit  Landschnecken. 
Diluvialer  Schutt  ist  nur  spärlich  an  den  Seiten  des 
Thaies  und  auf  einigen  niederen  Terrassen  vorhanden.  Die 
Moränen  des  Rheingletschers  reichten  nicht  mehr  so  weit 
thalaufwärts,  sie  endigten  etwa  10  km  unterhalb  Giengen. 

Das  Brenzthal  bildet  von  der  Quelle  bis  zur  Mündung 
eine  fortlaufende  Kette  von  breiten  Thalausbuchtungen 
mit  Sumpfwiesen,  Rieden  oder  Seen,  denn  die  harten 
massigen  Jurakalke  der  £- Etage  bilden  eine  grosse  An- 
zahl von  Felsenbarren  gleich  Querriegeln,  die  weichen 
Jlergel  der  höheren  Facies  hingegen  werden  leicht  aus- 
gewaschen und  abgeführt,  wodurch  die  grossen  Verbreite- 
rungen des  Thaies  entstehen.  In  der  Diluvialzeit  muss 
dies  noch  mehr  der  Fall  gewesen  sein,  weil  die  Barren 
noch  nicht  so  weit  ausgenagt  waren ;  darauf  weisen  auch 
die  weit  ausgedehnten  Torfmoore  mit  diluvialer  Fauna 
unzweideutig  hin.  Gerade  unterhalb  und  oberhalb  Giengen 
breitet  sich  nun  ein  Ried  aus,  dessen  Ränder  von  den 
starren  A'- Felsen  gebildet  sind.  In  diesen  weiten  sumpfigen 
Ebenen  und  auf  den  Torfmooren  tummelte  sich  in  diluvialer 
Zeit  eine  ganz  andere  Fauna  als  in  den  benach- 
barten Wäldern,  weshalb  die  Thierwelt  der  Irpfel- 
höhle einen  Steppen-  und  Wiesen-Charakter  trägt 
gegenüber  anderen  benachbarten  Höhlen-Faunen,  vor  allem 
der  im  tiefen  Waldthale  der  Lone  versteckten  Bärenhiihle 
des  Hohlenstein.  (Ueber  letztere  vergl.  0.  Fraas,  Jahresb. 
d.  Ver.  f  vat.  Naturk.  in  Württemberg  1862,  Bd.  18,  S.  156.) 

Die  Irpfelhöhle  ist  nach  ihren  Dimensionen  nur  als 
ein  Schlupf  zu  bezeichnen;  sie  wurde  eigentlich  erst  durch 
die  Ausgrabung  geschaffen;  der  ganze  vordere  Theil  war 
bis  oben  mit  Schutt  gefüllt.  Die  Höhle  lieginnt  mit  einem 
frei  stehenden  Felsenthor,  dann  folgt  der  offene  Vorraum, 
welcher  die  meiste  Auslieute  an  Knochen  geliefert  hat. 
Hier  ist  offenbar  das  Dach  der  Höhle  eingestürzt, 
so  dass  der  Felsenbogen  den  ehemaligen  Höhleneingang 
darstellt.  Die  Höhle  selbst  hat  einen  3  m  breiten,  2,5  m 
hohen  Eingang;  mit  wenigen  Schritten  erreicht  man  eine 
hallenartige  Verbreiterung,  von  welcher  eine  Reihe  von 
Verzweigungen  ausgehen.  Die  Fortsetzung  der  Höhle  geht 
offenbar  noch  weiter  in  den  Felsen  hinein,  doch  versperren 


432 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  40. 


bis  jetzt  mächtige  Felsblöeke  den  Weg.  Wichtig  für  die 
Untersuchung  war  sodann  noch  ein  schmaler  Kamin, 
welcher  in  der  SO. -Ecke  nach  oben  führt  und  nicht  sehr 
weit  vom  Eingang  der  Höhle  ins  Freie  mündet;  derselbe 
ist  mit  Bergschutt  erfüllt.  Die  Schuttablageruugen 
im  Vorraum  stellen  eine  mit  Hühlenlehm  verbundene 
Breccie  von  Jurakalk  dar.  Inmitten  dieser  Masse  lagen 
die  zahllosen,  zwar  zersplitterten  und  verbrochenen,  sonst 
aber  vorzüglich  erhaltenen  Knochen.  Die  Schuttmassen 
bilden  eine  secundäre  Ablagerung-,  welche  aus  dem  Innern 
der  Höhle  nach  aussen  transportirt  war,  wie  das  Einfallen 
der  Schichten  nach  aussen  zu  ergab;  es  müssen  hier  also 
früher  Wasser  circulirt  haben;  jetzt  ist  die  Höhle  trocken. 
Der  Einsturz  der  Decke  versperrte  die  weitere 
Abfuhr  des  aus  der  Höhle  ununterbrochen  her- 
ausgeschafften Materiales.  So  blieb  eine  reine, 
unvermischte  diluviale  Höhlenfauna  erhalten. 

2.    Die    paläontologischen    und    anthropologi- 
schen Funde  sind  nun  folgende: 

Ohne  Interesse  ist  zunächst  die  ganz  moderne 
Fauna,  welche  durch  Füchse  und  Katzen  oder  durch 
den  nach  oben  mündenden  Kamin  in  die  Hohle  gelangt 
ist.  Eine  Vermischung  mit  der  im  Höhlenlehm  einge- 
schlossenen Diluvialfauna  ist  ausgeschlossen.  Letztere 
trägt  einen  vollständig  einheitliehen  Charakter;  Fraas 
untersuchte  etwa  950  Knochen  und  Zähne.  Das  Ergebniss 
war  folgendes: 

I.  Weitaus  die  meisten  Raub thierkno eben  gehören 
der  Höhlenhj-äne  an,  welche  am  läng.sten,  vielleicht 
allein  die  Irpfelhöhle  beherrschte.  In  Süddeutschland  sind 
derartige  Hyänenhorste  sehr  selten;  verwandt  ist  nur 
die  Höhlenfauna  von  Ofnet  bei  Utzniemmingen  im  Ries 
(1876  von  0.  Fraas  ausgegraben).  Ein  vollständig  er- 
haltener Hyänensehädel  von  bedeutenden  Dimensionen  ist 
der  erste  derartige  Fund  in  Württemberg. 

II.  Auffallend  ist  die  geringe  Vertretung  des  Höhlen- 
bären, welcher  in  allen  übrigen  schwäbischen  Höhlen  die 
erste  Stelle  einnimmt.  Es  sind  fast  nur  isolirte  Zähne 
junger  Thiere,  die  wohl  von  den  Hyänen  hierher  ver- 
schleppt werden  konnten. 


III.  Nachgewiesen  sind  von  Raubthicren  ferner  der 
Höhlenlöwe,  der  Wolf  (Canis  lupus  var.  spelaeus)  und 
der  Fuchs,  letzterer  zahlreich,  so  dass  er  als  Mit- 
bewohner der  Höhle  in  einem  schmarotzenden  Verhält- 
niss  zu  den  Hyänen  gestanden  haben  mag,  wie  der  Schakal 
zur  heutigen  afrikanischen  Hyäne.  Von  Säugethieren 
wurden  ferner  beobachtet:  Mammuth  (selten),  Nashorn 
(ziemlich  häufig),  vor  allem  Pferd,  etwa  die  Hälfte 
aller  Knochen,  denniach  die  Hauptnahrung  der  Hyänen 
bildend,  und  Wildesel;  unter  den  Wiederkäuern  ist 
das  Rennthier  am  häutigsten,  auch  der  Rieseuhirsch 
ist  sicher  nachgewiesen,  dagegen  fehlt  der  Edelhirsch 
nahezu  ganz,  ebenfalls  schwach  vertreten  ist  der  Wisent; 
vom  Biber  wurden  nur  2  Zähne  gefunden.  Ausser  einigen 
Vogelknochen  und  Kieferfragmenten  vom  Hecht  sind 
besonders  Hyänenexcremente  sehr  häutig.  Vom  Men- 
schen sind  nur  eine  Anzahl  unzweifelhaft  von  Menschen- 
hand bearbeitete  Feuersteinlamellen  aufgefunden;  das 
Material  stammt  nur  theilweise  aus  dem  Weissen  Jura, 
das  übrige  aus  der  in  der  Nähe  nicht  mehr  vorkommenden 
Moräne  des  Rheingletschers.  Die  neuerdings  be- 
strittene Gleichzeitigkeit  des  Menschen  mit  dem 
Mammuth  ist  somit  für  Süddeutsciiland  sicher 
nachgewiesen. 

Die  sonstigen  Ergebnisse  der  Ausgrabung  sind 
folgende:  Die  Irpfelhöhle  beherbergt  eine  ausge- 
sprochene Diluvialfauna.  Wir  haben  es  zu  thun  mit 
Raubthicren  und  deren  Beute,  welche  meist  aus 
Pflanzenfressern  bestand.  Es  liegt  ein  unzweifel- 
hafter Hyänenhorst  vor,  die  wenigen  Knochenreste 
vom  Wolf  und  Höhlenlöwen  sind  eingeschleppt,  vielleicht 
auch  diejenigen  vom  Höhlenbären;  neben  der  Hj'äne  be- 
wohnte auch  der  Fuchs  die  Irpfelhöhle  zur  Diluvialzeit. 
Unter  den  Beutethieren  treten  die  Wald  thiere  ganz 
zurück  oder  fehlen  zum  Theil  überhaupt  ganz,  dafür  ist 
aber  die  Steppenfauna  durch  Pferd,  Esel,  Renn, 
Rieseuhirsch  vertreten,  auch  fehlen  die  Dickhäuter 
als  Bewohner  der  Sumpflandschaft  keinesweges. 
Eine  Trennung  von  Mammutli-  und  Rennthierzeit 
ist  unthunlich,  wenn  das  Renn  auch  in  noch  weit  jüngere 
Zeit  hineinreicht.  Prof.  Fr.  Regel. 


Friedrich  Trangott  Kütziiig  (f),  ein  Vorgänger 
Darwin's.  —  Schon  1881*)  habe  ich  den  Algologen 
Fr.  Tr.  Kützing  als  einen  der  Vorgänger  Darwin's  liin- 
sichtlich  der  Descendenz-Theorie  aufgeführt.  Anlässlich  des 
kürzlich  in  Nordhauseu  erfolgten  Hinscheidens  von  Kütziug 
will  ich  auf  diese  Thatsache  nochmals  nachdrücklich  auf- 
merksam machen.  Die  Abhandlung,  in  welcher  sich  Kützing 
durchaus  im  Sinne  der  Descendenz-Theorie  äussert,  ist 
erschienen  in  einem  Schulprogramm  der  Realschule  von 
Nordhausen  aus  dem  Jahre  1S56.  Sie  führt  den  Titel: 
„Historisch-kritische  Untersuchungen  über  den  Artbegriflf 
bei  den  Organismen  und  dessen  wissenschaftlichen  Werth." 
Zunächst  sucht  Kützing  darzulegen,  worauf  die  AufTasung 
von  der  Constans  der  Art  beruht.  Er  erinnert  daran, 
dass  Linnc  namentlich  durch  seine  Methode  die  Massen 
der  sich  dem  Forscher  gegenüberstellenden  organischen 
Formen  zum  ersten  Male  so  bewältigte,  dass  sie  nunmehr 
übersehen  werden  konnten,  und  neue  Formen,  sich  leicht 
einordnen  Hessen.  „Das  Wesen  der  Linne'schen  Methode," 
sagt  Kützing,  „besteht  ....  darin,  alle  Formen  scharf 
aus  einander  zu  halten,  zu  trennen,  zu  isoliren".  Nur 
dadurch  war   sie    befähigt  Definitionen    zu   geben.     „Sie 


*)  Oesterreichische  botanische  Zeitschrift.  Vergl.  auch  „Natur- 
wissenschaftliche Wochenschrift''  Band  V:  Aufzählung  von  Ge- 
lehrten, die  in  der  Zeit  von  Lamarck  bis  Darwin  sich  im  Sinne 
der  Descendenz-Theorie  geäussert  haben"  S.  444. 


erreichte  aber  diesen  Zweck  nur  dadurch,  dass  sie  die  orga- 
nischen Körper  nicht  in  ilirer  Entstehung  betrachtete, 
sondern  in  den  letzten  Stadien  ihrer  Entwickelung."  Man 
unterschied  constante  und  variable  Formen,  deren  Ermit- 
telung die  Hauptaufgabe  der  uachlinne'schen  Forscher 
wurde.  Die  Folge  lehrte  jedoch  immer,  dass  alle  Formen 
mehr  oder  minder  variirten,  so  dass  in  Wirklichkeit  die 
Art  innner  relativen  Werth  besass.  Die  Bestimmung  der 
Art  erhielt  einen  metaphysischen  Grund,  da  die  Arten  die 
von  Anfaug  her  geschaffenen  Formverschiedenheiten  sein 
sollten;  jedoch  hatte  diese  nietapliysiclie  Begründung 
keinen  Werth,  weil  sie  in  praktisclieu  Fällen  ganz  un- 
brauchbar war.  —  Mit  der  Ausbildung  der  morpholo- 
gischen Methode,  die  in  der  Metamorpliosenlelire  ihren 
Ursprung  nahm,  trat  jedoch  zwischen  der  morphologischen 
und  systematischen  Betrachtungsweise  ein  Widerspruch 
auf,  der  sogar  bei  bedeutenden  Forschern,  wie  C.  Nägeli 
und  A.  Braun,  gegen  welche  Kützing  polemisirt,  sich 
geltend  machte. 

Naclidem  noch  die  Anschauung  A.  Jordan's  besprochen 
worden  ist,  der  bekanntlich  auch  die  in  der  Cultur  ent- 
standenen Varietäten  als  Arten  im  alten  Sinne  behandelte, 
folgt  eine  Darlegung  der  Sache  nach  der  Ansicht  Kütziug's 
selbst.  —  Er  liebt  hervor,  dass  man  zum  Begriff  der  Art 
durch  Fixirung  gelange,  d.  h.,  dass  man  bestimmte,  von 
mehreren    ähnlichen    Individuen    entlehnte   Merkmale    zu- 


Nr.  40. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


433 


sammenstellc  und  diese  als  Kriterium  für  die  Art  i;e- 
brauche,  und  sodann  die  ün\er;üiderliclikeit  dieser  ab- 
stracten  Art  ausspreche;  dann  hat  mau  die  Art  im  alten 
Sinne,  die  jedoch  mit  der  coucretcn  Art  nichts  zu  schatten 
hat.  Bei  der  Bestimmung-  der  abstracten  Art  wirkt  die 
concrete  Art  als  Regulativ. 

„Weil  nun  aber  die  concrete  Art  in  ihren  Individuen 
variabel  ist,  und  die  Abstraction,  wenn  sie  durch  ver- 
schiedene Individuen  bedingt  wird,  auch  zu  einer  ver- 
schiedenen Darstellung  der  abstracten  Art  führt,  so  folgt, 
dass  dieselbe  bei  den  verschiedenen  Schriftstellern,  wenn 
jeder  aus  eigener  Anschauung  geschöpft  hat,  ebenfalls 
verschieden  dargestellt  werden  niuss." 

Zum  Schluss  kommt  auch  Kützing  wie  Moritzi*)  auf 
die  Aufgabe  der  künftigen  Systematik  zu  sprechen  und 
sagt: 

„Während  nun  die  vergangene  naturhistorische  Epoche 
auf  Trennungen  der  natürlichen  Verhältnisse  hinarbeitete, 
hat  die  neue  Zeit  es  sich  besonders  zur  wissenschaft- 
lichen Aufgabe  zu  machen  und  zu  erforschen:  aufweiche 
Weise  die  vielen,  durch  die  bisherigen  systematischen 
Arbeiten  aufgeschlossenen  Formen  durch  die  C4eschichte 
ihrer  Entwickelung  natürlich  mit  einander  verbunden  sind." 

Er  weist  dann  auf  die  paläontologischen  Studien 
F.  ünger's  hin,  die  ihn  in  den  Stand  se'tzten,  die  alten, 
längst  morschen  Schranken  völlig  zu  durchbrechen. 

„Denn",  fährt  Kützing  fort,  „in  so  zahlreichen  Formen 
und  so  entwickelt  auch  jetzt  die  heutige  Pflanzenwelt  die 
Erde  schmückt,  so  müssen  jene  doch  zum  Thcil  als  die 
Nachkommen  derjenigen  Arten  angesehen  werden,  welche 
schon  in  den  früheren  und  frühesten  Perioden  unseres 
Erdkörpers  vorlianden  waren,  und  obgleich  ein  ununter- 
brochener Zusammenhang  der  späteren  Gebilde  mit  den 
früheren  stattgefunden  hat,  so  sind  dennoch  Arten  ver- 
schiedener Perioden  von  einander  verschieden,  und  dies 
um  so  mehr,  je  weiter  sich  die  Perioden  von  einander 
entfernen.  Jede  Periode  hat  daher  aucli  ihren  besonderen 
Charakter  und  zwar  so,  dass  in  der  ältesten  die  ein- 
fachsten Gebilde,  in  der  Steinkohlenperiode  die  Gefäss- 
kryptogamen,  in  der  Triasperiode  die  Monokotyledonen, 
in  der  Juraperiode  die  Gymnospermen  herrscheu  und  so 
fort  bis  in  die  jetzige  hinein,  wo  die  dialypetalen  Diko- 
t^dedonen  die  überwiegenden  Formen  bilden.  So  sehen 
wir  also  in  der  Erdrinde  zugleich  die  Geschichte  der 
ganzen  Pflanzenwelt  niedergelegt,  und  ihr  Studium  zeigt 
uns,  wie  sich  die  höher  entwickelten  Arten  und  Gruppen 
allmälig  aus  niedrigstehenden  emporgearbeitet  haben. 
Namentlich  können  die  Species  nach  solchen  Ergebnissen 
nicht  mehr  als  ein  im  Anfang  Geschaffenes  angesehen 
werden,  sie  erscheinen  vielmehr  als  Glieder  einer  Unge- 
heuern Entwickelungsreilie,  die  sämmtlich  ihre  grosse 
historische  Bedeutung  haben." 

Kützing  hat  sich  übrigens  auch  in  früheren  Schriften 
über  den  Begrift'  der  Art,  wie  er  selbst  angiebt,  in  der 
gleichen  Weise  ausgesprochen.**) 

Auf  Grund  meiner  vorn  citirten  Arbeit  von  1881 
über  die  Vorgänger  Darwin's  in  der  „Oesterr.  botan. 
Zeitschrift"  machte  mich  Kützing  besonders  auf  eine  äl- 
tere seiner  Schriften  aufmerksam,  in  denen  er  den  Gegen- 
stand ebenfalls  berührt.  Er  schrieb  mir:  „  .  .  .  .  Ich 
erlaube  mir,  Sie  noch  auf  eine  von  mir  bereits  1839  ver- 
fasste  Preisschrift  aufmerksam  zu  machen:  .,„F.  T.  Kützing, 
Die  Umwandlung  niederer  Algenformen  in  höhere  etc.""' 
Sie  wurde  mit  der  goldenen  Medaille  gekrönt   und  ist  in 


*)  Vergl.  „Natiirwisseuschaftl.  Woclienschr."  IV.  S.  222. 
_**)  Man    lese    z.  B.    nur    die  Vorrede    zu    seinem    1851—52    in 
Leipzig    erschienenen    Werke:    „Grundzüge    der    philosophischen 
Botanik." 


den  „„Naturkundige  Verhandelingen  van  de  Hollandsche 
Maatschapy  der  Wetensschappen  te  Haarlem""  1841  ab- 
gedruckt .  .  ."  Freilich  hat  sich  der  Hauptinhalt  dieser 
Abhandlung,  nämlich  die  behauptete  Umwandlung  niederer 
Algen  in  höhere,  wie  die  seitdem  so  weit  geförderte  Ent- 
wickelungsgeschichte  der  Algen  gezeigt  hat,  nicht  be- 
stätigt, aber  der  Logik  Kützing's  macht  doch  die  erwähnte 
Kritik  des  Artbegriffs  alle  Ehre.  H.  Potonie. 


spätestens  im  Laufe  einiger  Tage,  zu  Grunde  gehen, 
muss    also   doch  Bedingungen  geben,    unter 
sich    länger   lebend   erhalten,    unter  welchen 


lieber  Bedinguiigen,  unter  denen  die  Lebensdauer 
der  Cliolerabacillen  sich  verlängert,  äussert  sich  Pro- 
fessor Dr.  J.  Uffclmann  in  der  Berliner  klinischen 
Wochenschrift. 

Ein  dunkler  Punkt  in  der  Aetiologie  der  asiatischen 
Cholera  ist  noch  immer  das  W^iederauftreten  derselben  am 
nämlichen  Orte  nach  längeren,  völlig  freien  Pausen  ohne 
erneute  Einschleppung  der  Krankheitserreger.  Die  über- 
wiegende Mehrzahl  der  Forscher  vertritt  aber  die  Ansicht, 
dass  die  Cholerabacillcn  nicht  blos  bei  der  Trocknung, 
sondern  auch  im  AVasser,  im  Sielwasser,  in  Fäcalien,  auf 
und    in    Nahrungsmitteln    verhältnissmässig     sehr    rasch, 

Es 
welchen  sie 
sie  Wochen 

und  selbst  Monate  hindurch  entwickcluiigsfäliig  und  virulent 
bleiben. 

Da  sie  Dauersporen  nicht  bilden,  so  war  zunächst 
an  die  [Möglichkeit  zu  denken,  dass  eine  schützende  Hülle 
ihr  Absterben  durch  Trocknung  um  ein  Wesentliches  hin- 
ausschiebt. 

Ziemlich  zahlreiche  Versuche  U.'s  haben  ergeben, 
dass  die  Cliolerabacillen  durch  die  vor  völliger  Trocknung 
der  Cholerafäces  geschafi'ene  Decke  in  der  That  conservirt 
werden,  dass  die  Verlängerung  ihrer  Lebensdauer  aber 
keine  sehr  erhebliche  ist.  Auf  Porcellan  angetrocknete 
Cholerafäces  enthielten,  gleichviel  mit  welcher"  Decke  sie 
überzogen  worden  waren,  lebende  Cholerabaeillen  in  der 
Regel  nur  zwei  bis  drei,  einige  wenige  Male  fünf  und 
sechs  Tage,  die  auf  Papier,  Leinwand  und  auf  Flanell 
angetrockneten  ebenfalls  allerhöchstens  vier  und  sechs 
Tage  nach  der  Infection. 

Weiterhin  lag  die  Möglichkeit  vor,  dass  die  Cholera- 
baeillen im  Wasser,    in    nicht  trocknenden    Fäcalmassen, 
in    nicht   trocknendem   Bodenmatcrial    und    bei    niedriger 
Temperatur    sich   länger  lebensfähig  erhalten,    bei    einer 
Temperatur,  welche,  einige  Grade  über  Null  liegend,  diese 
Bacillen    selbst    nicht    vernichtet,    bei   welcher    aber    das 
Wachsthum  und  der  Stoffwechsel  anderer  Bakterien  nahezu 
sistirt  ist,   also  etwa  bei  der  Temperatur  gut  construirter 
Eisschränke  von  -+-4°  bis  4-7°C.    Für  die  Möglichkeit 
ihrer  Conservirung   bei  niedriger  Temperatur  sprach  also 
die  Erwägung,  dass  die  Ursache  ihres  frühen  Absterbeus 
in  höherer  Temperatur  ohne  Frage  die  Concurrenz  anderer, 
lebhaft    sich    entwickelnder    und    offensive    Stoffwechsel- 
producte  absondernder  Bakterien  ist,  und  dass  diese  Ur- 
sache bei  der  Annäherung  der  Temperatur  an  den  Null- 
grad wegfallen  oder  fast  wegfallen  muss.    Es  sprach  dafür 
aber  auch  eine  erst  kürzlich  von  Dehio  mitgetheiltc  Beob- 
achtung:   Im    Spätherbste  1871    herrschte    zu  Reval    die 
asiatische  Cholera  und  erlosch  daselbst  am  21.  November. 
Im  Laufe   des  Decembers    begann  man,    die  Aborte  aus- 
zuräumen und  den  Inhalt  auf  Wiesen  zu  bringen,  welche 
an  dem  offenen  Canal  der   alten  Wasserleitung  sich  hin- 
ziehen, und  auf  welchen  damals  gerade  Schnee  lag.    Als 
dann  Thauwetter  eintrat  —  in  dem  U.  vorliegenden  Aus- 
zug aus  Dehio's  Aufsatz    ist  das  Datum   leider  nicht  an- 
gegeben —  zeigten    sich  sofort  neue  Fälle  von  Cholera, 
und  zwar  in  Häusern,  welche  aus  jener  Leitung  versorgt 


434 


Natui-wissenschaftlichc  Wochenschrift. 


Nr.  40. 


wurden,  insbesondere  in  einem  Gefängnisse,  in  welchem 
80  Inhaftirte  eriirankten.  Damit  ist  epidemiologisch  der 
sehr  wichtige  Beweis  erbracht,  dass  die  Erreger  der 
asiatischen  Cholera  in  Fäcalmassen  bei  kühler  Lufttem- 
peratur sich  viel  längere  Zeit,  als  man  bisher  annahm, 
lebend  erhalten  können. 

ü.  hat  nun  Versuche  über  die  Dauer  der  Lebens- 
fähigkeit der  Cholerabacillen  in  Flusswasser,  in  Sielwasser, 
in  Fäcalmassen,  im  Gemisch  von  Fäces  und  Urin,  sowie 
endlich  im  Bodenmaterial  bei  einer  Temperatur  augestellt, 
welche  im  Durchschnitt  bei  -+-  6°  lag,  aber  von  -+-  4,5° 
bis  -f-  7°  C.  schwankte,  ausnahmsweise  auf  ganz  kurze 
Zeit  8°  erreichte. 

Aus  diesen  Versuchen  ergiebt  sich,  dass  in  der  That 
die  niedere  Temperatur  von  -f-  4,5°  bis  +  ^°  stark  cou- 
servirend  und  namentlich  viel  stärker  conservirend  auf  die 
Cholerabacillen  wirkt,  als  die  Bildung  einer  schützenden 
Hülle  um  dieselben.  In  sämmtlichen  Medien,  denen  sie 
zugesetzt  waren,  hielten  sie  sich  bei  Eisschranktemperatur 
viel  länger  lebend,  als  in  den  ebenso  inficirten  gleichen 
Medien  bei  höherer  Temperatur. 

Das  Resultat  ist  präciser: 

1.  Die  Bildung  eines  Ueberzuges  (der  in  den  Ver- 
suchen beschriebenen  Art)  vermag  die  Lebensdauer  der 
in  Cholerafäces  enthaltenen  Cholerabacillen  um  etwas, 
jedoch  allerhöchstens  bis  zu  (3  Tagen  zu  verlängern. 

2.  Bei  einer  Temperatur,  welche  etwa  bei  -+-  6°  C. 
liegt,  bleiben  Cholerabacillen 

im  Wasser  der  Ober-Waruow  bei 

Rostock wenigstens  20  Tage, 

im  Rostocker  Leitungswasser .     .  „          23  „ 

im          „          Sielwasser     ...  „             ^  n 

in  Fäcalmassen bis        3B  „ 

in  Fäcal-Urinmassen 7 — 10  „ 

in  Gartenerde wenigstens  12  ,, 

am  Leben. 

3.  Bei  einer  Temperatur,  welche  zwischen  0°  und  -+-1° 
liegt,  bleiben  Cholerabacillen 

in  Fäcal-Urinmassen    bis   12  Tage, 
in  Sielwasser  .     .     .     „     12       „ 
in  Gartenerde      .     .     ,,     16       „ 
am  Leben, 

Für  die  Aetiologie  ergiebt  sich  hieraus,  dass  Fluss- 
wasser, Sielwasser,  sowie  Fäcalien  und  nicht  trocknender 
Boden  in  der  kühlen  Jahreszeit  lebende  Cholerabacillen 
ziemlich  lange  beherbergen  können.  Das  Wiederauftreteu 
der  Cholera  nach  längerer  Pause  ist  an  der  Hand  dieser 
Feststellungen  in  vielen  Fällen,  in  welchen  dies  bislang 
nicht  möglich  oder  schwierig  war,  leicht  zu  erklären, 
zumal  gar  nicht  ausgeschlossen  erscheint,  dass  unter  an- 
deren Verhältnissen,  bei  anderer  chemischer,  wie  bakterio- 
logischer Beschaffenheit  des  Wassers,  Sielwassers  und 
Bodens,  sowie  in  Fäcalien,  welche  fast  nur  Reinculturen 
der  Cholerabacillen  enthalten,  eine  noch  längere  Lebens- 
dauer derselben  bei  niederer  Temperatur  vorkonnnt,  als 
von  U.  constatirt  wurde. 


Uiitersiicluingen  über  die  Giftigkeit  der  Exspira- 
tionsluft  veröffentlicht  Dr.  med.  Rauer  in  Heft  1  des 
15.  Bandes  der  Zeitschr.  für  Hygiene  und  Infcctionskrank- 
heiten.  —  Die  Frage,  ob  die  Exspirationsluft  giftig  sei 
oder  nicht,  sagt  Dr.  R.,  ist  in  den  letzten  Jahren  ver- 
schieden beantwortet  worden.  Ransome  war  der  erste, 
welcher  behauptete,  in  der  Ausathmungsluft  gesunder 
Menschen  und  Thiere  organische  Substanzen  gefunden  zu 
haben,  deren  tägliche  Menge  er  auf  0.2  gr  pro  die  be- 
stimmte.    Diese    Behauptung    wurde    in    der   Folge    von 


vielen  Forschern  einer  eingehenden  Prüfung  unterzogen; 
nur  einige  konnten  die  Angaben  bestätigen  (Seegen,  No- 
wack,  Uffelmann).  Die  übrigen  (v.  Pettenkofer,  v.  Voit, 
Hermanns)  hatten  dagegen  negative  Resultate.  Da  er- 
schien im  Jahre  1888  in  den  Berichten  der  Pariser  Aka- 
demie eine  Mittheilung  vonBrown-Sequard  und  d'Arsonval*) 
über  neue  Versuche,  welche  geeignet  sein  sollten,  die 
strittige  Frage  nach  giftigen  Stoffen  in  der  Ausathmungs- 
luft endgültig  zu  lösen.  Die  Anordnung  ihrer  Versuche 
war  folgende.  Entweder  schütteten  sie  dem  Versuchs- 
thier  in  die  Luftröhre  durch  eine  Trachealcanüle  destillirtes 
Wasser,  welches  ausgehustet  dann  weitere  Verwendung 
fand,  oder  sie  leiteten  die  Ausathmungsluft  durch  in  Eis 
gekühlte  Spiralen  und  benutzten  das  gebildete  Condens- 
wasser.  Diese  auf  so  verschiedene  Art  gewonnenen 
Flüssigkeiten  wurden  Versuchsthieren  in  wechselnden 
Quautitäteu  vom  20  bis  40  ccm  injicirt.  Die  Injectionen, 
mochten  sie  intravenös,  subcutan,  intraperitoneal,  per  os 
oder  per  rectum  erfolgen,  tödteten  die  Versuchsthiere  in 
der  Zeit  von  16  bis  38  Stunden  unter  den  gleichen  Symp- 
tomen, bestehend  in  Aenderungen  der  Circulation  und  Re- 
spiration. Diese  Wirkung  glaubten  Brown-Sequard  und 
d'Arsonval  zurückführen  zu  können  auf  ein  organisches, 
alkaloidähnliches  (»ift,  das  in  den  Lungen  gleichsam  se- 
cernirt  werde,  sicli  der  Ausathmungsluft  beimenge  und  in 
den  Flüssigkeiten  gelöst  enthalten  sei.  Diese  Versuche 
wurden  vielfach  controlirt  (von  Dastrc-Loy,  Iloffmann- 
Wellenhof,  Russe  -  Giliberti,  Lehmann  -  Jessen,  Würtz), 
konnten  aber  von  keinem  der  genannten  Forscher  be- 
stätigt werden.  Trat  in  Folge  der  Injectionen  bei  den 
Versuchsthieren  der  Tod  ein,  so  musste  er  zurückgeführt 
werden  auf  die  schädigende  Wirkung  des  Wassers,  denn 
bei  Einverleibung  der  gleich  grossen  Menge  destillirten 
Wassers  oder  Kochsalzlösung  starben  die  Thiere  unter 
denselben  Symptomen,  welche  Brown-Sequard  dem  Gift 
zuschrieb.  Ein  giftiges  Agens  konnte  nirgends  constatirt 
werden. 

Februar  1889  berichteten  indess  Brown-Sequard  und 
d'Arsonval  über  eine  \reitere  Reihe  von  Versuchen.  Es 
wurden  mehrere  geschlossene  Käfige,  deren  jeder  ein 
Versuchsthier  (Kaninchen)  enthielt,  so  verbunden,  dass 
jedes  Thier  die  Luft  athmete,  welche  schon  die  voran- 
gehenden Käfige  passirt  hatte,  dass  also  nur  Thier  No.  I 
die  unverdorbene  Aussenluft  erhielt.  Durch  eine  Wasser- 
strahlluftpumpe wurde  ein  continuirlicher  Luftstrom  durch 
die  Käfige  gesogen.  Das  letzte  Kaninchen,  das  die  am 
meisten  veränderte  Luft  athmete,  starb  zuerst  (nach  zwei 
Tagen),  hierauf  das  vorletzte  (nach  drei  Tagen)  und  so 
fort  in  Zwischenräumen  von  Tagen.  Die  Thiere  im  ersten 
und  zweiten  Käfig,  also  der  Aussenluft  am  nächsten, 
zeigten  keine  Alteration.  Wurde  zwischen  zwei  Käfige, 
(z.  B.  zwischen  7  und  8)  eine  Röhre  eingeschaltet,  welche 
in  Schwefelsäure  getränkte  Bimssteinstücke  enthielt,  so 
blieb  das  Thier  hinter  derselben  (also  in  S)  am  Leben. 
Die  letale  Wirkung  der  Ausathmungsluft  wollten  nun 
Brown-Sequard  und  d'Arsonval  zurückführen  auf  ein  in 
derselben  enthaltenes  organisches  Gift,  welche  durch  die 
Schwefelsäure  in  eine  ungiftige,  nicht  fiUchtige  Modifica- 
tion  übergeführt  werde.  Die  COä  wurde  nielit  in  Betracht 
gezogen,  da  ihre  quantitative  Bestimmung  zu  niedere 
Werthe  ergab,  um  jene  Wirkungen  erklärlich  zu  machen. 
—  Gleichen  Erfolg  hatten  die  von  Merkel  angestellten 
Versuche,  bei  welchen  er  dieselbe  Versuchsanordnung 
wie  Brown-Secjuard  einhielt,  nur  dass  er  statt  der  Ka- 
ninchen Mäuse  benutzte.  Auch  Merkel  starben  stets  die 
im  Glas  5,  bezw.  4  befindlichen  Mäuse  zuerst,  dann  die 
Maus  No.  3,  während  1  und  2  am  Leben  blieben.    Merkel 


*)  Vergl.  „Naturw.  Wochenschr."  Bd.  IV,  S.  6. 


Nr.  40. 


Natiirwissenscbaftliche  Wochenschrift. 


435 


glaubt  daher  ebenfalls  an  die  Existenz  eines  org-anischen, 
alkaloidiihnliehen  Giftes  in  der  Ausathniungsluft;  dasselbe 
sei  nur  im  flüchtigen  Znstande  wirksam,  mit  Schwefel  und 
Salzsäure  gebe  es  ungiftige,  weil  niciit  mehr  gasförmige 
Verbindungen.  Seiner  chemischen  Natur  nach  sei  das 
sogenannte  Exspirationsalkaloid  noch  vollständig  un- 
bekannt. 

Eine  gewisse  Bestätigung  erfuhren  diese  Beobach- 
tungen ferner  durch  Ben.  der  im  Rostocker  hygienischen 
Institut  die  Versuche  mit  den  hinter  einander  rangirten 
Mäusen  wiederhcdte.  Auch  hier  starben  die  letzten  Mäuse 
zuerst.  Aber  bis  zur  Beendigung  des  Versuches  brauchte 
Ben  9  Tage,  während  bei  Merkel  der  letale  Ausgang  nach 
8^2  l»s  36  Stunden  eintrat.  Ben  glaubte  daher  nicht 
eine  bestinmite,  in  der  Athmungsluft  vorhandene  Noxe  an- 
nehmen zu  sollen,  sondern  ist  der  Meinung,  dass  andere 
schädigende  Einflüsse,  z.  B.  Temperatur-  und  Feuchtig- 
keitsverhältsnisse,  vielleicht  auch  die  Ausdünstung  von 
Körperoberriäche  und  Excrcmenten  mitgewirkt  haben. 

Inmierhin  war  damit  keine  befriedigende  Aufklärung 
gegeben  für  das  höchst  eigenthümliche  Factum,  welches 
nunmehr  in  drei  Versuchsreihen  von  verschiedenen  Ex- 
perimentatoren erhalten  war:  dass  von  hinter  einander 
rangirten  Tliieren,  bei  welchen  das  folgende  immer  die 
Luft  aus  dem  Käfig  des  vorangehenden  bezieht,  die  letzten 
regelmässig  und  in  bestinnnter  Reihenfolge  sterben.  Das 
Factum  erschien  dabei  für  die  Lehre  von  der  Hygiene 
der  Luft  so  bedeutsam,  dass  Herr  Prof.  Flügge  mir  rieth, 
die  betreffenden  Versuche  mit  allen  Vorsichtsmaassregelu 
und  unter  Beachtung  aller  sonstigen  möglicherweise  mit- 
wirkenden Factoren  zu  wiederholen. 

1.  Als  Versucbsthiere  wurden  weisse  Mäuse  benutzt. 
Dieselben  waren  in  Glasgefässe  von  ungefähr  V..,  Liter 
Inhalt  eingeschlossen,  deren  Boden  mit  Hafer  bedeckt 
war.  Durch  den  wohl  gedichteten  (paraffinirten)  Kork 
führten  drei  Röhren:  die  eine  reichte  bis  auf  den  Boden 
und  diente  für  den  Eintritt  der  Luft,  die  zweite  endete 
dicht  unterhalb  des  Korkes  und  vermittelte  den  Austritt 
der  Luft,  die  dritte  führte  bis  in  die  Höhe  des  Thieres 
hinab,  war  in  der  Regel  verschlossen  und  wurde  zum 
Absaugen  der  Luft  für  die  Luftuntersuchung  benutzt. 
(Anfangs  wurden  auch  Thermometer  und  Hygrometer  in 
den  Gefässen  angebracht;  es  zeigte  sich  aber  bald,  dass 
in  den  verschiedenen  Gefässen  nur  sehr  geringe  Diffe- 
renzen vorhanden  waren,  die  nur  scheinbar  grösser  wurden, 
wenn  zufällig  der  Körper  eines  Thieres  den  Instrumenten 
zu  nahe  kam  und  sie  direct  beeinflusste.  Später  wurden 
diese  Beobachtungen  als  offenbar  irrelevant  unterlassen.) 


Eine  Reihe  derartiger  Gefässe  wurde  durch  Gunmii- 
schläuehe  luftdicht  mit  einander  verbunden,  und  der 
ganze  Apparat  an  einen  grossen  Aspirator  angeschlossen, 
der  einen  vollständig  gleichmässigen,  genau  messbaren 
Luftstrom  durch  die  Glasgefässe  sog  und  in  Folge  seiner 
bedeutenden  Grösse  auch  für  eine  lange  Versuchszeit  aus- 
reichte. Während  der  Versuche  selbst  wurden  von  Zeit 
zu  Zeit  aus  den  Käfigen  Luftproben  entnommen,  um  vor 
allem  den  procentischen  Gehalt  an  COo  zu  bestimmen. 
Ich  verwandte  zu  diesem  Zwecke  geaichte  Kölbchen  von 
500  bis  600  ccm  Inhalt.  Sie  wurden  mit  AVasser  gefüllt 
und  dann  mit  einem  doppelt  durchbohrten  Gummistopfen 
verschlossen,  durch  welchen  eine  lange  Glasröhre  bis  auf 
den  Boden  führte,  während  eine  andere  nur  bis  dicht  an 
den  Stopfen  reichte.  Wurde  das  Kölbchen  umgestürzt 
und   nun   so  mit   dem   Absaugerohr    aus  dem  Käfig   ver- 


bunden, dass  aus  dem  kurzen  Rohr  das  Wasser  abtliesseu 
konnte,  so  füllte  die  Käfigluft  allmählich  nachrückend  das 
Kölbchen.  Die  Geschwindigkeit  des  Absaugens  wurde 
geringer  gesetzt  als  die  durch  den  Aspirator  erzielte,  um 
nur  Luft  aus  dem  betreffenden   Käfig-   zu  erhalten.     Die 


COo-Bestiramung  wurde  durch  Al)Sorption  mittels  Stron- 
tiumhydratwasser und  Titriren  mit  Schwefelsäure  ausge- 
führt; und  zwar  wurde  nach  Füllung  der  Kolben  mit 
Luft  durch  die  eine  Oeflnung  des  Grummistopfens  eine 
abgemessene  Menge  Strontiumhydratwasser  —  neben 
l'henolphtalein  als  Indicator  —  zugegeben,  dann  die  Ab- 
sorption unter  drehender  Bewegung  des  Kölbchens  ab- 
gewartet und  nun  in  demselben  Gefäss  zurücktitrirt. 

Bei  den  Anfangsversuchen  wurde  die  Geschwindig- 
keit des  durchtretenden  Luftstromes  auf  11  bis  12  Liter 
pro  Stunde  eingestellt.  Bei  dieser  Ventilation  blieben 
jedoch  sämnitliche  Thiere  ohne  irgend  merkbare  Alteration 
acht  Tage  und  länger  am  Leben. 

In  der  Folge  wurde  daher  mit  erheblieh  geringerer 
Ventilation  operirt  und  es  zeigte  sich  nun  die  schädliche 
Einwirkung. 

2.  War  die  CO2  wirklich  das  einzig  schädliche  Agens 
in  der  Luft  der  Käfige,  dann  mussten  ungefähr  die  gleichen 
Erscheinungen  sich  durch  ein  künstliches  Gemenge  von 
Luft  und  reiner  Kohlensäure  hervorrufen  lassen,  in  welchem 
die  CO2  in  demselben  Procentsatze  wie  in  den  Käfigen 
vertreten  war.  In  dieser  Weise  konnte  der  hypothetische 
Giftstoff  der  Athmungsluft  eventuell  am  sichersten  aus- 
geschlossen werden.  R.  traf  daher  folgende  Versuchs- 
anordnung. Eine  grosse  Flasche  von  10  bis  14  Liter 
Inhalt  wurde  mit  einem  Gasgemisch  von  bekanntem  Pro- 
ceutgehalt  an  COo  gefüllt.  Dieser  Behälter  wurde  einer- 
seits mit  einer  Äuslaufsflasche,  andererseits  mit  einem 
Mäusekäfig,  der  ebenso  armirt  war  wie  in  den  früheren 
Versuchen,  verbunden.  Die  aus  der  Auslaufsflasche  in 
den  Gasbehälter  übertretende  Flüssigkeit  drückte  das 
COo-Gemisch  mit  regulirbarer  Geschwindigkeit  in  den 
Mäusekäfig  und  von  da  in  die  umgebende  Luft.  Da 
Wasser  bei  den  grossen  Oberflächen  in  den  Flaschen 
einen  erheblichen  Theil  der  CO.,  absorbiren  und  dadurch 
die  procentische  Zusammensetzung  des  Gemisches  ganz 
bedeutend  verändern  konnte,  wurde  sowohl  beim  Auf- 
saugen der  COo  als  auch  nachher  zum  Durchdrücken  des 
Gemisches  conc.  Kochsalzlösung  verwendet,  die  bekannt- 
lich so  gut  wie  gar  keine  CO.,  absorbirt. 

Durch  die  von  R.  angestellten  und  1.  c.  mitgetheilten 
Versuche  ist  der  sichere  Nachweis  erbracht,  dass  in  der 
Ausathmungsluft  kein  organisches  Gift  vorhanden  ist.  In 
der  einen  (2.)  Versuchsreihe  ist  das  Vorhandensein  eines  der- 
artigen Stoffes  völlig  ausgeschlossen,  da  die  COj  aus 
reinstem  Material  bereitet  und  die  Ventilationsgrösse  so 
bedeutend  war,  dass  keine  Retention  der  Exspirations- 
produete  des  Versuchsthieres  stattfinden  konnte.  Trotz- 
dem stimmen  die  Symptome  und  der  schliessliche  Tod 
ganz  genau  mit  dem  Krankheitsbild  in  der  ersten  Ver- 
suchsreihe, bei  welcher  die  gleiche  Ventilation  eingehalten 
wurde,  überein.  Ferner  ist  R.  der  Versuch  Merkel's  und 
Brow-Seijuard's,  das  hypothetische  Respirationsalkaloid 
durch  Schwefelsäure  zu  zerstören,  nie  gelungen.  Denn 
das  Thier,  welches  durch  die  Säure  geschützt  werden 
und  deshalb  später  sterben  sollte,  als  die  anderen,  er- 
krankte immer  eher  und  ging  stets  früher  zu  Grunde  als 
lue  übrigen. 

Die  Erkrankung  und  der  schliessliche  Tod  der  Ver- 
sucbsthiere ist  mithin  ausschliesslich  zurückzuführen  auf 
die  Wirkung  der  CO2.  Dies  geht  deutlich  auch  daraus 
hervor,  dass  ein  Thier,  von  welchem  durch  hinreichende 
Mengen  eines  COo  absorbirenden  Mittels  (Natronkalk)  die 
CO,  fern  gehalten  wurde,  dauernd  wohl  blieb,  während 
der  Natronkalk  kaum  geeignet  ist,  gegen  ein  organisches 
Gift  Schutz  zu  gewähren.  Andererseits  gingen  auch 
Thiere  ebenso  schnell  zu  (irunde,  wenn  der  gesättigte 
Natronkalk  die  COo  nicht  mehr  absorbiren  konnte. 

Auch  früher  wurden  schon  die  gleichen  Krankheits- 


4H6 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  40. 


erscheinung-en,  die  R.  in  seinen  Versuchen  beobachtete, 
als  charakteristisch  für  COo-Vergiftung  beschrieben: 

„Bei  kleinen  Dosen  sind  nur  Reizerscheinungen  con- 
statirt,  bei  höherer  procentischer  Zusammensetzung  folgen 
den  Reizerscheinungen  Depressionserscheinungen :  die  Ath- 
mung  wird  langsamer,  die  Athempausen  verlängern  sich. 
Die  Exspiration  ist  ruhig,  nicht  activ.  Die  Athemgrösse 
des  mit  der  grössten  Anstrengung  athmendcn  Thieres  ist 
jedoch  erhöht.  Bleibt  der  COo-Gehalt  unter  13  Procent, 
so  steigert  sich  die  Dyspnoe  noch  etwas,  um  dann  wieder 
etwas  abzunehmen.  Ist  der  COo-Gehalt  jedoch  höher,  so 
treten  nach  der  primären  Dyspnoe  sehr  bald  andere  Er- 
scheinungen auf.  Die  Inspirationsgrösse  nimmt  sichtlich 
ab,  während  die  Exspiration  einen  aetiven  Charakter  an- 
nimmt und  in  krampfhaften  Stössen  vor  sich  geht.  Je 
höher  der  COo-Gehalt  ist,  desto  rascher  sinkt  die  Aus- 
giebigkeit der  Athembewegung.  Dieselbe  fällt  bald  unter 
die  normale  Grösse,  während  zugleich  auch  die  Frequenz 
abnimmt.  Zugleich  constatirt  man  eine  zunehmende 
Schwäche,  das  Thier  kann  sich  schwer  auf  den  Beinen 
halten,  sinkt  bald  um,  bleil)t  auf  der  Seite  oder  Rücken 
liegen,  ohne  andere  Bewegung  als  die  Athembewegung 
zu  machen." 

Diesen  von  Friedländer  und  Härter  gemachten  An- 
gaben über  die  Wirkung  der  CO.j,  entsprechen  genau  die  bei 
R.'s  Versuchen  gemachten  Erfahrungen.  Als  Reizerscbei- 
nungen  sind  im  Anfang  der  Versuche  die  steigende  Un- 
ruhe und  die  jagende  Athmung  anzusehen.  Der  COo- 
Gehalt  steigt  schnell  an,  wie  aus  Tabellen,  die  R.  bringt, 
zu  ersehen  ist-,  ist  die  angegebene  Grenze  (12  Procent) 
erreicht,  so  wird  die  Athmung  stark  beeinflusst:  die  Pausen 
werden  länger,  die  Exspiration  geschieht  stossweise.  Von 
da  ab  ist  die  COo-Zunahme  eine  langsame.  Dieses  all- 
mähliche Ansteigen  ist  ebenfalls  Wirkung  der  starken 
COo-Menge  der  Aussenluft  auf  die  COo-Ausscheidung  der 
Thiere.  Nach  den  Untersuchungen  von  Raoult  nändich, 
welcher  den  Stoffwechsel  von  Kaninehen  bei  Athmung 
reiner  und  mit  COg  verunreinigter  Luft  verglich,  gestaltet 
sich  die  Athmung  folgendermaassen : 


Inspirirte  Luft 

i 

Athemgrösse 
Liter 

)  r  0    S  t  u  n 

COj-Verbrauch 

ccm 

de 

COj-Ausscheiduug 
ccm 

COa-frei 
im  Mittel  12  Proc.  CO, 

71,1 
97,5 

1975 
1008 

1515 
918 

Sub  finem  vitae  sinkt  alsdann  die  Respirationsgrösse 
auf  '/,;  der  Norm;  und  nun  kommt  kaum  mehr  eine  Ven- 
tilation der  Lunge  zu  Stande.  Die  obere  Grenze  des 
C02-Gehaltes  der  Lungenluft  ist  erreicht;  die  Athmung 
erlischt.  Dieses  Maximum  liegt  bei  15  •  5  Procent.  Es 
ist  das  dieselbe  Zahl,  welche  auch  P.  Bert  bei  seinen 
Versuchen  erhalten  hat. 

Zwischen  den  ersten  Versuchen  und  der  letzten  mit 
künstlichen  COo-Gemischen  angestellten  Versuchsreihe  hat 
sich  allerdings  ein  geringer  Unterschied  in  der  Lebens- 
dauer der  Versuchsthiere  ergeben.  Auch  dieser  Unter- 
schied lässt  sich  indess  sehr  wohl  erklären.  Produciren 
die  Mäuse  die  COj  bis  zu  dem  genannten  Procentgehalt 
selbst,  so  wird,  um  ein  Volumen  CO.,  zu  bilden,  ein  Vo- 
lumen 0  verbraucht.  Die  Luft  verarmt  auf  diese  Weise 
allmählich  an  0  und  enthält  bei  15  •  5  Procent  COg  statt 
21  Volumprocente  nur  noch  5  •  5  Volumprocente  Sauer- 
stofi".  Wird  dagegen  ein  Gasgemisch,  enthaltend  15  •  5 
Procent  CO,,,  durchgeleitet,  so  enthält  dasselbe  immer 
noch  17-75  Vol.  0.  Im  ersten  Falle  addirt  sich  zu  der 
verderblichen  Wirkung  der  COg  noch  die  des  Sauerstoff- 
mangels und   hilft   den  Tod  beschleunigen.     Das  wesent- 


lich Wirksame  bleibt  aber  zweifellos  die  COo,  weil  die 
krampfhaften  Zustände,  welche  man  bei  O-Mangel  stets 
findet,  und  die  bis  zum  Tode  bestehen  bleiben,  in  den 
Versuchen  vermisst  werden. 

Für  die  Wirkung  der  COo  spricht  ferner  noch  die 
Art,  wie  die  Thiere  nach  Unterbrechen  des  Versuches 
sich  erholen.  Wären  die  Erscheinungen  auf  ein  alkaloid- 
ähnliches  Gift  zurückzuführen,  so  wäre  es  nicht  möglich, 
dass  die  geschädigten  Thiere  sich  in  2  Stunden  so  voll- 
kommen erholen,  dass  man  sie  in  Nichts  von  vollständig 
normalen  unterscheiden  kann.  Der  Vergleich  mit  andern 
alkaloidähnlichen  Stoffen  zeigt  wenigstens ,  dass  stets, 
wenn  ein  Erholen  noch  möglich  ist,  dasselbe  sehr  lang- 
sam erfolgt. 

Aus  den  R.'schen  Versuchen  ergiebt  sich  demnach, 
dass  der  Tod  der  Versuchsthiere  bei  der  von  Browu- 
Sequard  und  von  Merkel  gewählten  Versuchsanordnung 
durch  COo- Vergiftung  erfolgt.  Nichts  spricht  in  diesen 
Versuchen  dafür,  dass  ausser  der  COo  noch  ein  anderes 
Gift  durch  die  Athmung  der  Thiere  geliefert  wird;  viel- 
mehr werden  wir  zu  dem  Schluss  gedrängt,  dass  die 
Existenz  eines  solchen  Giftes  in  der  Athemluft  unmöglich 
ist,  da  nach  Absorption  der  CO^  keinerlei  schädigende 
Wirkung  mehr  hervortritt  und  da  künstliehe  COo-Mischun- 
gen  denselben  Effect  haben,  wie  eine  Exspirationsluft  von 
entsprechendem  C()o-Gehalt. 

Nun  haben  allerdings  Merkel  und  Beu  in  anderen 
Versuchsreihen  durch  Coudensation  aus  menschlicher 
Exspirationsluft  sehr  geringe  Mengen  organischer  Sub- 
stanz gewinnen  können  (auf  welche  übrigens  Beu  die 
Alkaloidreactionen  mit  negativem  Resultat  anwendete). 
Hiernach  müsste  trotz  der  obigen  Thierversuche  die  Aus- 
scheidung organischer  Stoife  durch  die  Athmung  als  er- 
wiesen angesehen  werden.  —  Aber  Merkel  und  Beu  haben 
bei  diesen  Experimenten  einen  dringend  nöthigen  Coutrol- 
versucb  unterlassen :  sie  mussten  sieh  überzeugen,  ob  denn 
die  Einathmungsluft  nicht  schon  jene  organischen  Stoffe 
enthielt.  Nur  wenn  für  diese  das  Fehlen  der  organischen 
Stoffe  nachgewiesen  wurde,  durften  die  in  der  Exspirations- 
luft gefundenen  als  dtirch  die  Athmung  producirt  ange- 
sehen werden.  Von  Uffelmann  ist  aber  bereits  wieder- 
holt gezeigt,  dass  in  der  gewöhnlichen  Zimmerluft  sich 
nachweisbare  Mengen  von  organischen  Stoffen  finden.  Es 
ist  danach  wahrscheinlich,  dass  die  5  mg  organischen 
Stoffe,  welche  Beu  aus  3000  Liter  Exspirationsluft  ge- 
wann, theilweise  oder  ganz  auch  aus  der  gleichen  Menge 
Zimmerluft  unter  Einhaltung  derselben  Versuchsanordnung 
gewonnen  sein  würden.  Sollte  aber  selbst  ein  gewisser 
üeberschuss  an  organischer  Substanz  für  die  Exspirations- 
luft sich  ergeben,  so  fehlt  doch  wieder  jeder  Anhaltspunkt 
und  jede  Wahrscheinlichkeit  dafür,  dass  es  sich  dabei 
um  schädliche,  schon  in  geringster  Dosis  giftige  Substanzen 
handelt. 

Das  Experiment  belehrt  uns  somit  immer  wieder  aufs 
Neue,  dass  ausser  der  CO.,  noch  andere  gasförmige,  in 
kleiner  Dosis  wirksame  Gitfe  von  Menschen  und  Thieren 
nicht  abgeschieden  werden.  Damit  stimmen  auch  alle 
Erfahrungen  überein.  Bei  mangelhaftester  Ventilation 
und  in  Räumen,  die  mit  den  gasförmigen  Exereten  reich- 
lich erfüllt  sind,  sehen  wir  Thiere  dauernd  gesund  leben 
und  ebenso  Menschen,  sobald  bei  denselben  nur  nicht 
Ekelemptinduug  durch  solche  Exerete  ausgelöst  wird. 
Wenn  in  überfüllten  Räumen  gesunde  Menschen  von  Un- 
behagen oder  Krankheitserscheinungen  befallen  werden, 
so  sind  Störungen  der  Wärmeregulation  durch  die  physi- 
kalisch veränderte  Umgebung,  oder  Ekelerregung  durch 
riechende  Stoffe  die  Ursache. 

Denkbar  wäre  es  höchstens,  dass  kranke,  bezw.  ab- 
norm emptindliche  Menschen  durch  gewisse,  in   der   Luft 


Nr.  40. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


437 


vorkomiuende  gasförmige  Stoffe  in  specifischer  Weise  ge- 
schädigt werden.  Diesen  Schädigungen  ist  aber  weder 
durch  Thicrvcrsuchc  noch  durch  Experimente  an  normalen 
und  vollkommen  accomodationsfähigen  Menschen  auf  die 
Spur  zu  konnnen;  sondern  das  einzige  hier  ausreichend 
feine  Reagens  sind  die  kranken  Menschen  selbst.  Mit 
solchen  Versuchen  an  nervös  reizbaren,  bezw.  asthma- 
tischen oder  an  stärkeren  Lungendefccten  leidenden 
Menschen  ist  im  hygienischen  Institut  zu  Breslau  bereits 
vor  längerer  Zeit  der  Anfang  gemacht,  und  von  diesen, 
nicht  aber  ^on  fortgesetzten  Thierversuchen,  dürfte  eine 
weitere  Erkenntniss  der  schädlichen  gasförmigen  ßestand- 
theile  der  Luft  zu  erwarten  sein. 


Eine  algebraische  Aufgabe  uebst  ihren  Lösungeu.  — 

Einem  russischen  Lehrbuch  der  Algebra  entnehme  ich 
die  folgende  Aufgabe,  welche  mehrere  hübsche  Lösungen 
besitzt. 

„Jacob,  Peter  und  Mitrofan  sind  verheirathet  mit 
Ludmilla,  Anna  und  Sophie,  jedoch  in  anderer  Reihen- 
folge. Wie  die  Ehepaare  zussammengcsetzt  sind,  soll  aus 
folgendem  l>erechnet  werden.  Sie  gehen  auf  den  Markt, 
Jacob  mit  Ludmilla,  Peter  mit  Anna,  Mitrofan  mit  Sophie. 
Sie  kaufen  Sachen  ein  und  es  bezahlt  jede  Person  pro 
Stück  so  viel  Rubel,  als  sie  Gegenstände  gekauft  hat. 
Nachher  stellt  sieh  heraus,  dass  Jacob  11  Sachen  mehr 
als  Ludmilla,  Peter  23  mehr  als  Anna,  Mitrofan  23  weniger 
als  Sophie  gekauft  hat,  und  dass  jeder  Ehemann  63 
Rubel  mehr  ausgegeben  hat,  als  seine  Frau  (nicht:  als 
seine  Begleiterin).  Wie  waren  die  Ehepaare  zusammen- 
gesetzt?" 

1.  Lösung:  Bezeichnet  man  die  Anzahl  der  vom 
i  ten  Ehepaar  gekauften  Sachen  mit  ,t,  und  i/i ,  nämlich 
Xi  für  den  Mann,  iji  für  die  Frau,  so  ist  nach  den  Be- 
dingungen der  Anfgabe 

^•^  -  y'i  =  63 

oder,  da  a'  —  h"  =  (a -\-b)  («  —  h)  ist, 
{^i  +  yd  b-i  —  Vi)  =  63. 

Dazu  kommt  noch  die  Bedingung,  das  j',  und  y'' 
ganze  Zahlen  sein  müssen,  also  auch  (jc,  H-  ?/,)  und  (x,  —  y,). 
Nun  ist  die  Zahl  63  auf  drei  Arten  in  ein  Product  zweier 
ganzer  Zahlen  zu  zerlegen,  nämlich  63  =  1  ■  63,  ^  3  •  21, 
=  7.9. 

Unsere  Gleichung  ist  also  nur  möglich,  wenn 

X,  -j-  yi  =  63  und  zugleich  X;  —  i/,-  =  1, 
oder  Xi  +  y,-  =  9       „  „        Xi  —  y,-  =  7, 

„      Xi  -+- .(/,-  =  21,,  „        Xi  —  //;  =  3  ist. 

Dies  giebt  die  drei  Werthepaare: 

a'i  =  32,  y/i  =  31, 


J-3  =  12, 


y-2-- 


In  Folge  der  noch  nicht  benutzten  Bestimmungen  der 
Aufgabe  vertheilen  sieh  diese  Werthe  für  die  Anzahl  der 
gekauften  Sachen,  wie  man  leicht  sieht,  folgeudermaassen 
auf  die  6  Personen: 

Jacob       x^  =  12,  Ludmilla  i/o  =  1, 


Peter 


32, 


Anna 


y-i 


9, 


Mitrotan  x.,  =  8,  Sophie       //i=31. 

Da  nun  die  Personen  mit  gleichem  Index  der  x  und 
y  verheirathet  sind,  so  bilden  Ehepaare 

Jacob  (  144  Rubel)  und  Anna  (  81  Rubel) 
Peter  (1023  „  )  „  Sophie  (961  „  ) 
^Mitrofan   (64        „    )     „     Ludmilla  (1        „    ) 


2.  Lösung:  Eine  andere,  zahlentheoretische  Lösung 
ist  die  folgende: 

Beim  Einkauf  von  n  Sachen  werden  »-  Rubel  be- 
zahlt, also  bei 

M=l,  2, ...    7,     8,     9,     10,    11,    12,...    31,      32,  m 
w2  =  1,  4,  . . .  49,  64,  81,  100,  121,  144,  . . .  961,  1024,  m« 

Die  Differenzen  zwischen  diesen  Quadratzahlen  sind 
3,  5,  7,  9,  11,  13,  15,  17,  19,  21,  23,  2b,...  61,  63,  65,       (2  m -I-  1.) 

Nun  ist  die  Summe  der  sieben  auf  einanderfolgenden 
Differenzzahleu 

2  (2  m  -M)  =  3  -H  5  +  7  4-11  -+-13  -4-  15  =  63. 

m  :=  1 

Zweitens    ist    die    Summe    der    drei    Differenzzahlen 

m  =  11 

2  (2  m  -4-  1)  =■  19  +  21  4-  23  =  63. 

m  =  9 

Drittens  ist  die  Differenz  zwischen  den  beiden  Quadrat- 
zahlen 961  und  1024  selbst  gleich  63.  Dies  sind  die 
einzigen  Möglichkeiten,  die  Zahl  63  als  Summe  von  auf- 
ein anderfolgenden     ungeraden     Zahlen     darzustellen. 

Also  ist 

322  — 31- =  63. 

12-—   9^  =  63. 

82—    12  =  63. 

Und  hieraus  folgt  dann  weiter  das  Resultat  wie  oljen. 

0.  Thulesius. 

.    Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben. 

Es  wurden  ernannt:  Dor  Professor  der  Geodäsie  an  der  Uni- 
versität Berlin  Dr.  Friedrich  Robert  Helmer t  zum  Geheimen 
Regierungsrath.  —  Der  Professor  der  Anatomie  an  der  Universität 
Halle  Dr.  Joseph  Eberth  zum  Director  der  anatomischen  An- 
stalt daselbst.  —  Dr.  Stanislaus  JoUes  in  Aachen  zum  Professor 
für  Mathematik  an  der  Technischen  Hochschule  in  Charlottenburg 
bei  Berlin.  —  Dr.  Adolf  Hof  mann,  ausserordentlicher  Professor 
für  specielle  Geologie  der  Lagerstätten  und  analytische  Chemie 
an  der  Bergakademie  zu  Przibram  zum  Ordinarius. 

Es  haben  sich  habilitirt:  Oberlehrer  Dr.  Emil  Häntzschel 
für  mathematische  Physik  an  der  Technischen  Hochschule  in 
Charlottenburg  bei  Berlin.  —  In  der  medicinischen  Facultät  der 
Universität  Strassburg  Dr.  Klemperer  und  Dr.  Wein traud.  — 
Dr.  H.  Burg  er  für  Laryngologie  und  Rhinologie  an  der  Univer- 
sität Amsterdam. 

Der  Professor  der  Anatomie  an  der  Universität  Halle  Dr.  Her- 
mann Welcker  beabsichtigt,  von  seiner  Stellung  als  Director 
der  anatomischen  Anstalt  zurückzutreten. 

Es  sind  gestorben:  Der  Wirkliche  Staatsrath  Pawel  Iwa- 
nowitsch  Nebolssin,  verdienter  Forscher  auf  den  Gebieten 
der  Geographie  und  Ethnograpliie,  in  Wilna.  —  Der  frühere  Pro- 
fessor der  Medicin  Dr.  Hjalmar  August  Abel  in  in  Stock- 
holm.—  Der  Professor  der  Pharmacie  Johann  Michael  Maisch 
in  Philadelphia. —  Der  ausserordentliche  Professor  für  Pharmacie 
an  der  Universität  Tokio  Dr.  Yoshito  Inoko  in  Berlin.  —  (Ober- 
stabsarzt I.  Cl.  Dr.  Leopold  Müller  in  Berlin.  Der  Verstorbene 
entfaltete  eine  reiche  wissenschaftliche  Thätigkeit. 


Die  32.  Jahresversammlung  des  Preussischen  botanischen 
Vereins  iindet  in  Molirungeu  am  2.  uml  3.  <_'ctuber  statt. 


Litteratur. 

Alfred  Möller,  Die  Pilzgärten  einiger  südamerikanischer 
Ameisen.  Mit  7  Tafeln  und  4  Text-Abli.  (lieft  6  der  „Hotan. 
Mittheil,  aus  den  Tropen"  herausgegeben  von  Schimiier).  Gustav 
Fischer  in  Jena.     1893.  —  Preis  7  M. 

lieber  den  sehr  interessanten  Inhalt  dieser  gediegenen  Schrift 
liaben  wir  bereits  ausführlich  in  No.  2.3  S.  247  berichtet,  sodass 
uns  hier  nur  übrig  bleibt,  auf  das  äussere  derselben  aufmerksam 
zu  machen.  Sie  umfasst  127  S.  und  zerfallt  nach  einer  kurzen 
Einleitung    in  4  Abschnitte    und    einen    Anliang,    der    \or('inzeltc 


438 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nv.  40. 


Beobachtungen  an  den  für  die  UntersnchunK  gesammelten  Ameisen 
bringt.  Die  4  Abschnitte  sind  überschrieben:  I.  Die  Eilzgärteii 
der  Schleppameisen,  K.  Die  Pilzgärten  der  Haarameisen  und 
in.  Die  Pilzgärten  der  Höckerameisen.  Abschnitt  IV  enthält 
einen  Rückblick  auf  die  mykologischen  Ergebnisse.  Die  Ab- 
bildungen  sind  tretTlich  und  sehr  exact.  Die  fleissige  und  inhalt- 
reiche Abhandlung  wird  in  botanischen  Kreisen  die  gebührende 
Beachtung  finden. 

Prof.  Dr.  Emanuel  Kayser,  Lehrbuch  der  Geologie  für  Studi- 
rende  und  zum  Selbstunterricht.  In  zwei  Theilen.  Erster  Theil. 
Allgemeine  Geologie.  Mit  364  Texlfiguren.  Stuttgart,-  1893. 
Verlag  von  Ferdinand  Enke.  —    Preis  15  M.    ;  ;  -;    -  -  i 

Es  hält  schwer,  neben  einem  so  vorzüglichen  Buche,  wie  es 
Credner's  Elemente  der  Geologie  sind,  welche  mit  dem  Fortschreiten 
der  Wissenschaft  stets  Schritt  gehalten  haben,  ein  neues  Lehr- 
buch zu  empfehlen,  und  doch  befinden  wir  uns  dem  vorliegenden 
Werke  gegenüber  in  der  augenehmen  Lage,  jeden  Freund  der 
geologischen  Wissenschaft  auf  dasselbe  aufmerksam  machen  zu 
müssen.  Bürgt  schon  der  Name  des  Verfassers  alleia  für  die  Güte 
seines  Buches,  so  überzeugt  das  Studium  desselben  jeden  Kenner 
bald  von  der  Gediegenheit  des  darin  Gebotenen.  Das  Buch  ist 
in  erster  Linie  für  den  Studirenden  berechnet,  es  führt  demselben 
in  klarer,  leicht  verständlicher  Weise  das  vor,  was  etwa  „einem 
fünfstündigen  Wintercolleg'  entspricht.  Verfasser  hat  sich  eben 
auf  das  für  den  Lernenden  allernothwendigste  beschränkt  und  es 
dabei  meisterhaft  verstanden,  doch  ein  abgerundetes,  in  den  ein- 
zelnen Theilen  wohlproportionirtes,  lückenloses  Ganzes  zu  bieten. 
Da  die  Petrographie  sich  als  eine  selbststäudige  Disciplin  von 
gewaltigem  Umfange  allmählich  herausgebildet  hat,  deren  Behand- 
lung allein  einen  grossen  Raum  beanspruchen  würde,  der  über 
den  Rahmen  eines  eng  begrenzten  Lehrbuches  der  gesammtcn 
Geologie  hinausginge,  so  hat  Verfasser,  abweichend  voii  seinen 
Vorgängern,  derselben  nur  in  knappester,  niclitsdestoweniger  aus- 
reichender Weise  gedacht  (S  74—111),  wobei  besonders  die  Frage 
nach  der  Bildung   der  Gesteine  berücksichtigt  worden  ist. 

Der  vorliegende  Theil  gliedert  sich  nach  einer  kurzen,  sach- 
lichen, überaus  klaren  Einleitung  wie  folgt:  I.  Physiographische 
Geologie  —  astronomisch-geophysikalischer,  geographischer  und 
petrographisch-tectonischer  Abschnitt  — .  II.  Dynamische  Geolo- 
gie —  a)  exogene  Vorgänge:  geologische  Wirkungen  der  Atmo- 
sphäre, geologische  Wirkungen  des  Wassers,  geologische  Wir- 
kungen der  Organismen  und  als  Anhang  „Bildungsweise  der 
durch  exogene  Kräfte  entstehenden  Gesteine;"  b)  endogene 
Vorgänge:  vulcanische  Ausbruchs-  (Eruptions-)  Erscheinungen, 
Bewegungen  der  Lithosphäre,  (Erdbeben  oder  seismische  Er- 
scheinungen, gebirgsbildende  Vorgänge,  mechanische  Gesteins- 
metamorphose, continentale  Niveauveränderungen,  Gründe  der  Be- 
wegungen der  Lithosphäre)  und  als  Anhang  „Bildungsweise  der 
durch  endogene  Kräfte   entstehenden  Gesteine."  — 

Die  Ausstattung  des  498  Seiten  starken  Bandes  ist  eine  in 
jeder  Beziehung  gediegene:  Papier  und  Druck  sind  tadellos,  die 
zahlreichen  Abbildungen  entsprechen  in  Wahl  und  Darstellung 
durchaus  dem  Zwecke  des  Buches.  Sie  sind  vom  Verfasser  mit 
grossem  Geschicke  ausgewählt  und  entstammen  theils  anderen 
namhaften  Werken,  theils  sind  es  Reproductionen  von  Photo- 
graphien, von  denen  viele  Prof.  Kayser  selbst  aufgenommen. 
Ein  nicht  unerheblicher  Theil  der  Abbildungen  sind  für  ein  Hand- 
buch der  Geologie  neu  oder,  wenn  bereits  vorhanden,  oft  nach 
anderen,  zweckdienlichen  Gesichtspunkten  neu  angefertigt. 

Den  zweiten  Theil  dieses  neuen  Lehrbuches  der  Geologie 
bildet  das  bereits  im  Jahre  1891  erschienene  Lehrbuch  der  For- 
mationskunde des' Verfassers,  welches  wir  im  VI.  Bande  der  „Na- 
turw.  Wochen  sehr."  (1891)  S.  174  eingehend  besprochen  haben. 
Für  die  Beliebtheit  desselben  spricht  hinreichend  der  Umstand, 
dass  es  bereits  in  englischer  Uebersetzung  erschienen  ist.  Es  unter- 
liegt keinem  Zweifel,  dass  auch  der  erste  Band  und  damit  das 
ganze  Werk  sich  schnell  recht  viele  Freunde  erwerben  wird. 

Bei  einer  Neuauflage  des  Buches,  welche  bei  dem  für  das- 
selbe günstigen  Prognosticum  nicht  lange  auf  sich  wird  warten 
lassen,  wird  der  Herr  Verfasser  gewiss  auch  den  seit  dem  Er- 
scheinen seines  Lehrbuches  der  Formationskunde  nicht  unwesent- 
lichen Fortschritten  der  Pflanzenpaläontologie  Rechnung  tragen. 
Der  Preis  des  ganzen  Werkes  stellt  sich  auf  29  M.     F.  K. 


A    L   Lavoisier  u.  P.  S.  de  Laplace.  Zwei  Abhandlungen  über 

"die  Wärme.     (Aus  den  Jahren    1780  u.  1784.)     Herausgeg.  von 

J     Rosenthal.     Mit    13    Textfiguren.     (Ostwald's    Klassiker    der 

exacten  Wissenschaften.   No.  40.)    Wilhelm  Engelmann,  Leipzig. 

1892.  —  Preis  1.20  M.  ,         ■    , 

Die  Abhandlungen   erschienen  1780  und    1784  und   enthalten 

die    Besehreibung    grundlegender   Versuche    über    die    specifische 

Wärme    verschiedener  Körper,    die   mit   dem   von    den  Verfassern 

erfundenen  Eiscaloriraeter  angestellt  wurden.     Während  die  zweite 

Abhandlung   nur   den  Bericht  über  ergänzende,  spätere  Versuche 


enthält,  gliedert  sich  der  Inhalt  des  ersten  in  vier  Abschnitte, 
deren  erster  nach  einer  theoretischen  Einleitung  das  Calorimeter 
beschreibt.  Der  zweite  Abschnitt  enthält  die  Versuchsresultate, 
der  dritte  deren  Prüfung  und  einige  Betrachtungen  über  die 
Theorie  der  Wäi-me,  der  vierte  aber  behandelt  zum  ersten  Male 
den  Verbrennungs-  und  Athmungsprocess  vom  physikalisch- 
chemischen  Standpunkte  aus  auf  Grund  der  von  Scheele  wenige 
Jahre  früher  gemachten  Entdeckung  des  Sauerstofts,  der  hi«r  noch 
als  „air  pur",  bezeichnet  wird,  da  Lavoisier  den  Namen  „oxygene" 
erst  später, einführte.  Kbr. 

Gustav  Wiedemann,  Die  Lehre  von  der  Elektricität.  2.  umge- 
arbeitete u.  vermehrte  Aufl.  Zugleich  als  4.  Aufl.  der  Lehre 
vom  Galvanismus  und  Elektromagnetismus.  I.  Bd.  Mit  298 
Holzschnitten  und  2  Tafeln.  Verlag  von  Friedrich  Vieweg 
&  Sohn.     Braunschweig  1893.  —  Preis  2G  M. 

Ein  Decennium  ist  vorstrichen,  seit  das  Monumentalwerk  „Die 
Lehre  von  der  Elektricität"  als  gänzlich  neugestaltete  dritte  Aufl. 
der  „Lehre  vom  Galvanismus   und  Elektromagnetismus"  erschien. 
Eine    neue    Aufl.    muss    daher    als    ein    äusserst    dringendes   Zeit- 
bedürfniss  erscheinen,  wenn  man  erwägt,  dass  gerade  auf  diesem 
Gebiete  der  Physik   in   der  Gegenwart  aller  Orten  aufs  emsigste 
und  erfolgreichste  geforscht  wird.     Zugleich  wird   aber  auch  ein- 
leuchten, welch'  gewaltige  Arbeitssumme  der  berühmte  Leiter  der 
ersten   physikalischen  Fachzeitschrift    in   der  vorliegenden  neuen 
Auflage    deponirt    hat;    galt    es    doch,    die    Ergebnisse    zahlloser 
Specialuutersuchungen  über  Elektricität  nicht   blos  in  geordneter 
Weise  aneinanderzureihen,  sondern  auch  mit  einander  in  möglichst 
inniger  Weise  zu  verschmelzen  und  so  jedem  Fachgenossen  einen 
allgemeinen,    vollständigen   Ueberblick    über    den    gegenwärtigen 
Stand  der  Wissenschaft  zu  ermöglichen;  dass  dabei  der  Umfang  des 
Werkes   von   vier   auf  fünf  Bände  erhöht  werden    musste,    dürfte 
wohl  Niemanden  verwundern.   —   Was   die  Anordnung  des  Stofts 
betrifft,    so    weicht  Wiedemann    von   der   bisher  in   Lehrbüchern 
gebräuchlichen  Trennung  der  Reibungs-  und  Berülirungselektricität, 
die  mehr  historisch  als  sachlich  gerechtfertigt  ist,  ab.     Ein  erster 
Abschnitt   behandelt    nach   einer   historischen  Einleitung    die   all- 
gemeinen Eigenschaften  der  Elektricität,   die  Gesetze  der  elektro- 
statischen   Wechselwirkung    und    die   Elektrometer.      Der    zweite 
Abschnitt,    der    den    gröbsten  Theil   des  Werkes   füllt,    behandelt 
die   Elektricitätserregung    durch    Berührung    heterogener   Körper. 
Zunächst  wird   hier  nun   die  Elektricitätserregung   bei  Berührung 
von  Leitern   (erster   und   zweiter  Classe)    abgehandelt,   wobei   die 
Grundgesetze    des    galvanischen    Stroms,    die   Bestimmungen    des 
Widerstandes  und   der  elektromotorischen  Kraft,   und  schliesslich 
die  Beschreibung  der  wichtigeren  Formen   galvanischer  Elemente 
ihre   passende  Stelle    finden.      Den  Beschluss  des   ersten  Bandes 
bildet    dann    die    Besprechung    der  Elektricitätserregung    bei   Be- 
rührung von  Nichtleitern  unter  einander  und  mit  Leitern,    wobei 
die  Elektrisirmaschinen  in  ihren  verschiedenen  Formen  mit  grosser 
Ausführlichkeit  besprochen  werden,  sodass  die  Erregung  der  Elek- 
tricität  durch  Reibung   nur   als   eine  Folge   der   mit   der  Reibung 
verbundenen     innigen    Berührung    angesehen    wird.      Schliesslich 
fiuden  auch  die  Diaphragmenströme  und  die  sogenannte  elektrische 
Endosmose  im  Anschluss   hieran  eine  gebührende  Darstellung. 

Es  dürfte  wohl  kaum  irgend  eine  publicirte  Wahrnehmung 
auf  elektrischem  Gebiete  geben,  die  in  dem  vorliegenden  Werke 
an  passender  Stelle  nicht  wenigstens  mit  Angabe  der  Quelle  kurz 
erwähnt  wäre.  So  bietet  das  ohne  Concurrenz  dastehende  Special- 
wer'k  einen  köstlichen  Schatz  von  zahllosen  Erfahrungen,  bei 
deren  theoretischer  Deutung  die  verschiedenen  einander  ent- 
gegenstehenden Ansichten  mit  erfreulicher  Sachlichkeit  und  Un- 
parteilichkeit zu  Worte  kommen.  Kbr. 

Monographs  of  the  United  States  Geological  Survey. 
Band  XVII.     Leo  Lesquereux,   The   flora   of  tlie  Dakota 
Group,     a    posthuinous    work.      Edited    by    T.   H.    Knowlton. 
Government  Printing  Office.     Washington  1891. 

In  einem  25(3  Quartseiten  starken,  mit  6G  Tafeln  ausgestatteten 
Bande  wird  die  bisher  bekannt  gewordene  Flora  der  Dakota- 
üruppe  beschrieben.  Die  Dakotagruppe,  welche  besonders  in  den 
Staaten  Kansas,  Nebraska  und  Minnesota  entwickelt  ist,  besteht 
der  Hauptsache  nach  aus  Sandsteinen  (Dakota-Sandsteinen)  und 
wird  dem  Cenoman  zugerechnet.  Sie  zeichnet  sich  unter  allen 
durch  das  erste  Auftreten  der  Dicotyledonen  so  interessanten  Ab- 
theilungen  der  Kreideformation  durch  einen  sehr  grossen  Reich- 
thum  an  Pflanzen  aus,  welcher  denjenigen  aller  bisher  aus  creta- 
ceischen  Ablagerungen  bekannten  Floren  weit  übertriflt,  und  wird 
dadurch  noch  wichtiger,  dass  sie  durch  die  Art  und  Weise  der 
Lao-erung  der  Pflanzenreste,  ihre  Vertheilung  über  die  einzelnen 
Fundpunkte  unil  ihre  Erhaltung  einen  schlagenden  Beweis  für 
die  Autochthonie  der  Gewächse  liefert.  Die  beste  Vorstellung 
von  dem  grossen  Pflanzenreichtum  der  Dakota-Gruppe  liefert  ein 
Ver^^leich    derselben    mit    den    Cenoman- Ablagerungen    anderer 


Nr.  40. 


Naturwissenschaftliche  Wochensclirift. 


439 


Länder.  Während  in  Europa  aus  den  letzteren  im  Ganzen  etwa 
110  Arten,  durch  Heer  in  Grönland  274  hckannt  geworden  s-ind, 
steigt  ihre  Zahl  in  der  Dakota-Gruppe  Nord-Ainerika's  auf  46U 
Species,  von  denen  G  zu  den  Farnen,  12  zu  den  Cycadeen,  15  zu 
den  Coniferon,  8  zu  den  Monocotylcilonon  und  419  zu  den  Dico- 
tyledonen  gehören.  Nicht  alle  diese  Arten  werden  ausführlich  in 
dem  vorliegenden  Bande  boschrieben,  sondern  diejenigen,  welche 
bereits  früher  genügend  bekannt  geworden  sind,  wurden  nur  auf- 
gezählt. 

Band  XVIII.  Robert  Parr  Whitefield,  Gastropoda  and 
Cephalopoda  of  the  Raritan  Clays  and  Greensand 
Marls  of  New   Jersey.     Washington  1892. 

Nachdem  der  Verfasser  schon  früher  die  Brachiopoden  und 
Lamellibranchiaten  der  Kreide  und  alttertifiren  Schichten  von 
New  Jersey  monographisch  behandelt  hatte,  bringt  er  in  dem  vor- 
liegenden Bande  die  Molluskenfauna  derselben  durch  die  Dar- 
stellung der  Gasteroi.ioden  und  Cephalojioden  zum  Abschluss.  Es 
ist  dem  Verfasser  gelungen,  eine  Reihe  ])aläontologischer  Hori- 
zonte zu  unterscheiden.  In  den  zuunterst  liegenden  Raritan- 
Thonon  tritt  im  Nordosten  des  Staates  über  einem  Pflanzen-füh- 
renden Horizonte  eine  aus  wenigen  Formen  bestehende  Fauna 
auf,  welche  auf  das  Vorhandensein  früherer  Aestuarien  hin- 
deutet; an  einer  anderen  Stelle,  nahe  Camden,  erscheint  eine 
ausgesprochene  Süsswasserfauna,  in  welcher  zwei  Gattungen 
aus  der  Familie  der  Unioniden  mit  im  Ganzen  12  Arten  be- 
sonders zu  nennen  sind.  Auf  den  Raritan-Tlion  folgt  der  un- 
tere Mergel  mit  einer  reichen  typisch  marinen  Fauna,  welcher 
sich  bei  genauerem  Studium  in  zwei  Horizonte  scheiden  lässt. 
Die  darüberliegendou  mitileren  Mergel  schüessen  eine  sehr 
charakteristische  Partie  von  gelben  ,  kalkhaltigen  Sanden 
mit  zahlreichen  Terebralulae  ein.  Der  darauf  folgende  Schichten- 
coniplex,  welcher  den  gemeinsamen  Namen  des  oberen  Mergel 
führt,  enthalt  an  seiner  Basis  eine  von  den  vorhergehenden  zwar 
verschiedene,  aber  in  ihrem  ganzen  Habitus  noch  echt  orota- 
ceisehe  Fauna,  in  seinen  oberen  Horizonten  dagegen  eine  solche 
von  typisch  eocänem  Charakter.  Diese  vom  Verfasser  festgestellten 
paläontologischen  Horizonte  stimmen  sehr  gut  mit  der  schon  seit 
langer  Zeit  von  den  Geologen  vorgenommenen  stratigraphischen 
Theilung  überein  —  Rariton-Thon,  Camden-Thon,  unterer,  mitt- 
lerer, oberer  Mergel.  Von  diesen  enthält  der  obere  Mergel  nur 
in  seinen  unteren  (Kreide-)  und  oberen  (Eocän)-Partien  Mollusken- 
Reste.  Die  Gesammtzahl  der  vom  Autor  beschriebenen  Formen 
beläuft  sich  an  Gasteropoden  auf  80  Gattungen  mit  190  Arten,  an 
Cephalopoden  auf  12  Gattungen  und  22  Arten.  Die  Vertheilung 
auf  die  einzelnen  Horizonte  ist  die  folgende : 


Untere 
Mergel 


Kreide 

Mittlere 
Mergel 


Untere  Partie 

der 
oberen  Mergel 


Tertiär. 

Eocän. 
Obere  Partie 

der 
oberen  Mergel 


Gastropoda 
Cephalopoda 


125 
19 


52 
0 


Unter  den  KreidcGastropodon  sind  die  Muricidae  (24),  Volu- 
tidae  (\1),  Strombidae  (14),  Fusidae  (13),  Fasciolariidae  (13)  und 
Tornatellidae  (12)  am  artenreichsten  und  von  diesen  erscheinen 
die  Fusidae  und  Vidutidae  auch  in  den  eocänen  Schichten  mit 
10  resp.  8  Species,  während  die  übrigen  Familien,  mit  Ausnahme 
der  Pleurotomidae  (7),  hier  meist  nur  durch  je  eine  Form  ver- 
treten sind. 

Für  die  Cephalopoden  bilden  die  mittleren  Mergel  die  Grenze 
ihrer  Verbreitung  nach  aufwärts ;  Verfasser  giebt  zwar  noch  auf 
Seite  26  2  Arten  von  Nautilidae  aus  dem  Tertiär  an,  lässt  die- 
selben, und  wohl  mit  Recht,  in  seiner  Schlusstabelle  weg.  —  Der 
Erhaltungszustand  des  verarbeiteten  Materiales  ist  ein  recht 
mangelhafter,  da  fast  ausnahmslos  nur  Bruchstücke  von  Stein- 
kernen, von  den  Gastropoden  auch  unvollständige  Abdrücke  zur 
Verfügung  standen. 

Die  vorliegende  Monographie  stellt  einen  stattlichen  Quart- 
baud  von  296  Seiten  dar  und  ist  mit  50  Tafeln  ausgestattet 

Band  XX.  Arnold  Hague,  Geology  of  the  Eureka 
District,  Newa  da.  With  an  Atlas.  Wasliington  1892. 
Der  in  vorliegender  Monographie  dargestellte  Bezirk  umfasst 
ein  verhältnissmässig  kleines  Bergmassiv  im  centralen  Thcile  des 
Staates  Nevada,  z.  Th.  in  Eureka,  z.  Th.  in  White  Pine  county, 
zwischen  den  Seeen  Lahontan  im  Westen  und  Bonneville  im  Osten, 
und  ist  niclit  mit  dem  vielgenannten  Eureka-Minen-Bezirk  zu  ver- 


wechseln, der  nur  einen  Theil  des  hier  beschriebenen  Gebietes 
bildet.  Auf  dem  Plateau  von  Nevada  erhebt  sich  zwischen  dem 
Diamond  Valley  im  Norden,  dem  Fish  Creek  und  Nowark  Valley 
im  Süden  und  Osten  und  dem  Autclope  Vallej'  im  Westen  eine 
gewaltige,  isolirte  Bergmasse,  welche  nur  durch  schmale  Grate 
nach  Süd-  und  Nordwesten,  sowie  nach  Nordosten  mit  den  bc- 
nachb.arten  Gebirgszügen  verbunden  ist.  Sie  besteht  aus  einer 
Anhäufung  von  zerrissenen  Ketten  und  einzelnen  mächtigen  Kuppen 
und  steigt  in  dem  dem  Centralrücken  aufsitzenden  Prospect  Peak 
bis  zu  9,604  Fuss  Höhe  an.  Dies  ist  der  hier  in  Rede  kommende 
Eureka-Bezirk,  der  geologisch  von  ausserordentlichem  Interesse 
und  durch  seinen  bedeutenden  Montanbotrieb  weit  über  die 
Grenzen  Amerikas  hinaus  bekannt  geworden  ist.  An  der  Zu;  '' 
sainmensetzung  dieses  Berglandes  nehmen  paläozoische  Gesteine  : 
vom  Cambrium  bis  zum  oberen  Carbon  in  30  000  Fuss  Mächtigkeit 
theil,  welche  durch  tektonische  Vorgänge  zu  6  deutlich  von  ein- 
ander geschiedenen  Bergmassen  zusammengestaut  sind,  die  man 
als  Prospect  Ridge,  Fish  Creek  Mountains,  Silverado  and  County 
Peak  Group,  Mahogany  Hills,  Diamond  Mountains  und  Carbon  Hill 
and  Spring  Hill  Group  bezeichnet.  Zufolge  dieser  Faltungen,  Ueber- 
kippungen  und  Verwerfungen  können  die  einzelnen  Formationen 
in  mächtigen  Aufschlüssen  studirt  werden.  Das  Cambrium,  welches 
in  seinen  3  Abtheilungen  des  Unter-,  Mittel-  und  Obercambriums 
entwickelt  ist,  erreicht  7,700  Fuss  Mächtigkeit;  das  concordant 
darüber  liegende  Silur  öüOO  Fuss;  das  Devon  ca.  8000  und  die 
Knhlenformation,  deren  oberste  Partien  nicht  einmal  mehr  er- 
halten sind,  sogar  9,300  Fuss.  Jüngere  Sedimontärgesteine  sind 
bis  zum  Quarternär  nicht  vorhanden;  die  paläozoischen  Forma- 
tionsglieder werden  dann  direct  vom  letzteren  überlagert,  welches 
weite  Strecken  bedeckt.  Einen  recht  erheblichen  Antheil  an  der  Zu- 
sammensetzung des  Gebietes  nehmen  endlich  vulkanische  Gesteine, 
welche  in  dem  8,392'  hohen  Richmond  Mountain  (östlich  der 
Stadt  Eureka)  und  in  dem  7,880'  Indien  Pinto  Peak  (im  Centrum 
des  Bezirkes)  zu  gewaltigen  Kegelbergen  angehäuft  sind.  Die 
abbauwürdigen  berühmten  Mineralien  konunen  in  mächtigen  Lagern 
im  Cambrium,  Silur  und  Devon,  namentlich  aber  in  ersterem  vor. 
Alle  diese  kurz  erwähnten  Verhältnisse  werden  vom  Verfasser 
eingehend  erörtert  In  einem  Anhange  A  giebt  der  um  die  pa- 
liiontologischo  Erschliessung  des  Eureka-Bezirkes  vordiente  Mr. 
C.  Dr.  Walcott  eine  Liste  sämmllieher  von  dort  bekannter 
Fossilien  und  in  einem  Anhange  B  Mr.  Joseph  P.  Iddings  eine 
Beschreibung  der  krystallinischen  Gesteine,  welche  durch  eine 
Anzahl  von  Tafeln  erläutert  wird. 

Der  Band  ist  420  +  XVIII  Seiten  stark  und  mit  S  Tafeln 
ausgestattet,  ferner  gehört  dazu  ein  Atlas  von  11  Blättern.  Da- 
von sind  9  Doppel-Blätter  und  bringen  die  geologischen  Details 
des  Gebietes  im  Maassstabe  1:19  200  zur  Darstellung;  die  beiden 
anderen  sind  einfache  Blätter  und  geben  eine  Ueborsicht  des 
Eureka-Bezirkes  im  Maassstabo  von  1:86  400,  das  eine  in  topo- 
graphischer, das  andere  in  gofdogischer  Beziehung. 

Was  endlich  die  Ausstattung  der  3  vorliegenden  Bände  be- 
trifft, so  ist  dieselbe  die  bekannte  durchaus  solide  der  Publi- 
cationen  der  United  States  Geological  Survej'. 


Studer,  B.,  et  A.  Escher  v.  der  Lintli,    Carte    geologiijue   de  la 

Suis-e.     l:38U,OUO.     Zürich.     12,60  M. 
Titus,  Prof.  Dr.  Carl,   Das  Sternenzelt.     Berlin.     5,75  M. 
Wehmer,  Privatdoc.  Dr.  Carl,  Beiträge  zur  Kenntnis  einheimischer 

Pilze.     Ilannovi'r.     4  M. 
Wenzel,  Leodegar,  Ein  Beitrag  zur  Schwingungstheorie  elastischer 

Saiten.     Klaiienfurt.     1  M. 


Briefkasten. 

Hr.  N.  —  Jawohl,  A.  v.  Humboldt  soll  sich  niemals  einer  Prü- 
fung unterzogen  haben.  So  berichtet  Heinrich  Brugsch  in 
seiner  in  der  Vossischen  Zeitung  erscheinenden  Selbstbiographie 
,Mein  Leben  und  Wandern"  Kapitel  XII:  „Die  Zeit  war  allmäh- 
lich herangerückt,  um  mich  für  die  Prüfung  zum  Doctor  der 
Philosophie  an  der  Universität  zu  Berlin  vorzubereiten,  und  des- 
halb sah  ich  mich  genöthigt,  meine  ägyptisclien  .arbeiten  während 
mehrerer  Monate  bei  Seite  zu  legen  und  der  Weltweisheit  und 
den  freien  Künsten  als  zukünftiger  inagister  liberalinin  artium 
meine  ganze  Aufmerksamkeit  zuzuwenden.  Ich  beneidete  fast 
A.  von  Humbolilt,  der  mich  versicherte,  niemals  in  seinem 
Loben  eine  Prüfung  bestanden  und  dennoch  sein  Fort- 
kommen gefuudon  zu   haben." 


Inhalt:  Neue  Beobachtungen  über  Höhlen  der  Schwäbischen  Alb.  (Mit  einer  Karte).  —  Friedrich  Traugott  Kützing  (t).  ein  Vor- 
gänger Darwin's.  —  Ueber  Bedingungen,  unter  denen  die  Lebensdauer  der  Cholerabacillen  sich  verlängert.  —  Untersuchuntjon 
übei^  die  Giftigkeit  der  Exspirationsluft.  —  Eine  algebraische  Aufgabe  nebst  ihren  Lösungen.  —  Aus  dem  wissenschaftlichen 
Leben.  —  Litteratur:  Alfred  Möller:  Die  Pilzgärten  einiger  südamerikanischer  Ameisen.  —  Prof.  Dr.  Emanuel  Kayser: 
Lehrbuch  der  Geologie.  —  A.  L.  Lavoisier  und  P.  S.  de  Laplace:  Zwei  Abhandlungen  über  die  Wärme.  —  Gustav 
Wiedeniann:  Die  Lehre  von  der  Elektricität.  —  Monographs  of  the  United  States  Geological  Snrvey.  —  Liste.  —  Briefkasten. 


440 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  40. 


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Verantwortlicher  Redakteur:    Dr.  Henry  Potoniti,    Berlin  N.  4.,  Inv 
Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Ber 


alidenstr.  44,   für  den    Inserati'utlieil:    iiagi>   Bernstein    in    Berlin. 
lin  SW.  12.  —  Druck:  G.  Bernstein,  Berlin  SW.   12 


Redaktion:         7         Dr.  H.  Potonie. 
Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12,  Zimmerstr.  94. 


VlIL  Band.               Sonntag,  den  (S.  October  1893. 

Nr.  41. 

Abonnement:  Man  abonnirt  bei  allen  Buchhandlungen  und  Piist-             ■]/•             Inserate:  Die  viergespaltene  Petitzeüe  40  ^.    Grössere  Aufträge  ent- 
anstalten,   wie  bei  der  Expedition.    Der  Vierteljahrspreia  ist  .^M.—            (SS           sprechenden  Rabatt.  Beilagen  nach  Uebereinkunft.  Inseratenannahme 
Bringegeld  bei  der  Post  15  ^  extra.                                          JL                           bei  allen  Annoncenbureaux,  wie  bei  der  Expedition. 

Abdrnck  ist  nnr  mit  vollstäiicIij»;er  <|nellenaii»;abe  g^estattet. 

Lamarck's  Theorie  und  die  Vererbung  körperlicher  Abänderungen. 

Nucli  di:ii  Ansiclitt'ii  von  Alfre<l  Giard,  Professor  der  Sorbonne  u.  s.  w.  in  Paris.*) 


Die  primären  Factoren  der  Evolution  der  Lebewesen 
sind  diejenigen,  welche  dircct  anf  die  Individuen  einer 
lebenden  («eneration  oder  indireet  aul  die  Individuen  der 
folg'enden  Generation,  in  letzterem  Falle  dnrch  Einwirkung 
auf  die  FortpHanzungsorgane  der  vorausgehenden,  ein- 
wirken. Hierher  gehören  das  Lieht,  die  Temperatur,  das 
Klima,  die  Nahrung,  die  Besehatienheit  des  Wassers  für 
die  im  Wasser  lebenden  Wesen  und  anderes;  ferner  das 
jedem  thieri.sehen  und  jjflanzliehen  Individuum  eigenthiim- 
iiehe  Verhalten  gegen  seine  nnorganisehe  Umgebung  und 
gegen  die  mit  ihm  zusammentrert'enden  anderen  Lebewesen. 

Die  Wirkung  der  primären  Faetoren  in  Verbindung 
mit  der  Vererbung  giebt  zunächst  Anlass  zu  neuen  Rassen, 
dann  zu  neuen  Arten;  es  genügt  hierzu,  dass  diese  Factoren 
eonstant  oder  periodisch  wirken,  und  dass  die  durch  sie 
erzeugten  Abänderungen  den  abgeänderten  Wesen  nicht 
unvortheilhaft  sind,  da,  wenn  letzteres  der  Fall  wäre,  die 
natürliche  Auslese  die  minder  begünstigten  Varietäten  so- 
fort unterdrücken  mUsste.  Meist  werden  aber  die  primären 
Factoren  durch  secundäre  unterstützt.  Diese  secundären 
Factoren  erhalten  und  steigern  die  von  den  primären 
Factoren  hervorgebrachten  Resultate  und  bestimmen  die 
Anpassung  der  variirenden  Formen  an  ihre  Umgebung. 
Wenn  bei  hoch  dift'erenzirten  Lebewesen,  also  bei  solchen, 
die  in  Allem  durchaus  bestimmten  Anssenbedingungen  an- 
gepasst  sind,  irgend  ein  Factor  dieser  Anssenbedingungen 
sieh  ändert,  so  geht  das  Lebewesen  zu  Grunde,  da  eine 
Wiederherstellung  des  biologischen  Gleichgewichtes  von 
nun  ab  unmöglich  ist.  So  erklärt  sich  das  Verschwinden 
hochdiflferenzirter  Formen  (z.  B.  der  Trilobiten,  Ammo- 
niten  u.  s.  w.)  in  den  geologischen  Epochen,  und  so  ver- 
stehen wir,  wie  dnrch  geringe  Veränderungen  der  Lebens- 


*)  Zusammengestellt  von  den  DDr.  II.  Mittmann  und  H.  Potonie 
nach  mehreren  von  Herrn  Giard  eingesandten  Aufsätzen  in  der 
Kevue  scientitique. 


weise  eine  Vernichtung  bestimmter  Typen,  z.  B.  des  Orni- 
thorhynehus,  herbeigeführt  werden  könnte. 

Bei  denjenigen  Organismen  jedoch,  welche  sich  noch 
der  Variationsfähigkeit  erfreuen,  welche  noch  eine  Anzahl 
Elemente  besitzen,  die  noch  nicht  detinitiv  fixirt  sind,  bei 
diesen  bewirken  Aendernngen  der  primären  Faetoren  nur 
augenblickliche  Störungen  und  in  Folge  dessen  mehr  oder 
minder  weitgehende  Variationen.  Die  hinzutretenden  secun- 
däi'en  Factoren  vernichten  nun  gewisse  dieser  Variationen 
und  fi.xiren  die  anderen,  so  einen  neuen  Gleichgewichts- 
zustand oder,  was  in  unserem  Fall  dasselbe  heisst,  neue 
Arten  schaft'end. 

Es  kommen  hier  die  natürliche  und  geschlechtliche 
Zuchtwahl,  die  räumliehe  Absonderung  u.  a.  secundäre 
Factoren  in  Betracht. 

Lamarck  glaubte,  die  Entstehung  aller  neuen  Formen 
durch  Wirkung  der  primären  Factoren  allein  aus  der  Ver- 
erbung erklären  zu  können  (Lamarekismus),  Darwin  fügte 
als  wesentlicher  die  natürliche  Zuchtwald  und  andere 
secundäre  Factoren  hinzu  (Darwinismus).  Romanes,  ein 
Schüler  Darwin's,  endlich  noch  die  „physiologische  Se- 
lection"  u.  s.  w. 

Andere  Naturforseher,  Darwinischer  als  Darwin  selbst, 
wollen  nur  die  natürliche  Zuchtwahl  anerkennen.  An  der 
Spitze  der  Ultra- Darwinisten  steht  Weismann.  Auch  Alfred 
Rüssel  Wallace  hat  stets  diesem  Factor  eine  durchaus 
überwiegende  Rolle  bei  der  Bildung  der  Arten  zu- 
geschrieben. 

August  Weismann  sagte  auf  der  Naturforscher  -  Ver- 
sammlung in  Köln  1888:    „Ich  glaube zeigen  zu 

können,  dass  das  thatsäehliche  Bestehen  einer  Vererbung 
erworbener  Charaktere  direct  nicht  zu  erweisen  ist,  dass 
es  directe  Beweise  für  die  Richtigkeit  des  Lamarck'schen 
Trincips  nicht  giebt."  Weismaun  formulirt  zwei  Grund- 
;  Sätze,  welche  dieses  Lamarck'sche  l'rincip  ansmachen 
I  sollen :    das  Gesetz  der  Anpassung    und   das  Vererbuiigs- 


442 


Natuiwissenschaftlicbe  Woclicnschrift. 


Nr.  41 


pvincip.     Beide  sind  in  der  folgenden  Formulirung  Weis- 
mann's  ansg-edriickt :  *) 

„Eine  Aenderung-  im  Ban  eines  Theils  kam  naeli 
Lamarclc's  Ansielit  hanptsäelilich  dadnreh  /n  Stande,  daf>s 
die  betreffende  Art  in  nene  Lebensverliältiiisse  gerieth  nnd 
dadnreli  veranlasst  wnrde,  nene  Gewohnheiten  anzunehmen. 
Diese  ihrerseits  bedingten  eine  erhöhte  oder  eine  veränderte 
Thätigkeit  gewisser  Theile  und  in  Folge  dessen  aueh  eine 
kräftigere  oder  eine  schwächere  Ausbildung  derselben, 
welche  sich  dann  auf  die  Nachkommen  übertrug.  Da  nun 
diese  Nachkommen  unter  denselben  abgeänderten  Ver- 
hältnissen weiterlebten  und  also  auch  dieselbe  abgeänderte 
Art,  jenen  Theil  zu  gebrauchen,  beibehielten,  so  musste 
sich  bei  ihnen  im  Laufe  ihres  Lebens  die  von  den  Vor- 
fahren überkommene  Abänderung  des  Theils  in  derselben 
Richtung  noch  weiter  steigern,  und  so  bei  jeder  folgenden 
Generation,  so  lange,  bis  das  Maximum  der  möglichen 
Abänderung  erreicht  war." 

Wenn  Lamarck's  Theorie  unrichtig  ist  und  nicht  er- 
wiesen werden  kann,  so  begreift  man,  dass  dann  der 
Werth  der  Hauptfactoren  ungemein  beeinträchtigt  wird. 
Da  die  üebertragung  der  durch  diese  Factorcn  deutlich 
bestimmten  Charaktere  nicht  mehr  eine  wissenschaftliche 
Thatsache  ist,  so  wirken  sie  nur  in  unbestinnnter  Weise 
auf  die  Abäuderungsfähigkeit  der  Keime  ein,  ohne  dass 
es  möglich  ist,  einen  genauen,  ursächlichen  Zusammen- 
hang zwischen  dem  wirkenden  llauptfactor  und  der  her- 
vorgebrachten Veränderung  nachzuweisen.  Die  Bildung- 
neuer  Arten  wird  etwas  in  wissenschaftlicher  Hinsicht 
ebenso  schlecht  Definirtes,  wie  die  von  gewissen  Natur- 
forschern (H.  Milne-Edwards  z.  B.)  ausgegangene  Behaup- 
tung von  der  Entstehung  gewisser  Arten  durch  die  Um- 
hildung  eines  Keimes  im  mütterlichen  Organismus  unter 
dem  Einflüsse  einer  äusseren  Macht,  jedoch  mit  dem  von 
den  Gegnern  Lamarck's  zugestandenen  Unterschiede,  dass 
an  .Stelle  einer  planmässig  schaffenden  Vernunft  die  regelnde 
Wirkung  der  natürlichen  Zuchtwahl  tritt,  welche  inmitten 
unzähliger  Abänderungen  nur  die  an  die  ganze  Umgebung 
am  besten  angepassten  bestehen  lässt. 

Bevor  wir  jedoch  die  Wirkung  der  Nebenfactoren 
untersuchen,  entsteht  die  Frage:  bis  zu  welchem  Grade 
müssen  wir  die  Einschränkungen  zugeben,  welche  von 
Weismann  gegen  die  Wichtigkeit  der  Hanptfactoren  an- 
geführt werden,  und  vor  allem,  was  müssen  wir  von  der 
gänzlichen  Ableugnung  des  Lamarck'schen  Princip.s  denken? 

Wenn  wir  Weismann  in  seiner  zu  weitgehenden  Kritik 
folgen,  so  sehen  wir  bald,  dass  er  die  Grenzen  beträcht- 
lich enger  zieht,  in  welchen  Lamarck  das  Gesetz  der 
Erblichkeit  erworbener  Abänderungen  anwandte: 

„Als  Thatsachen,  die  ohne  weiteres  eine  Üebertragung 
erworbener  Eigenthümlichkeiten  beweisen   können",    sagt 
Weismann 
oder  Verstümmelungen  zu  berufen." 

Weismann  behauptet  übrigens,  dass  die  aus  Mangel 
an  Uebung  verkümmerten  Organe  sich  vollkommen  er- 
klären lassen  auch  ohne  Zuhilfenahme  des  Lamarck'schen 
Princips. 

Schliesslich  beschränkt  er  das,  was  man  erworbene 
Eigenschaften  nennt,  auf  eine  sehr  eng  begrenzte  Classe 
von  „Abänderungen",  die  keineswegs  dem  entsprechen, 
was  Lamarck  darunter  verstand. 

Unter  den  bei  lebenden  Wesen  sich  zeigenden  Ab- 
änderungen, die  oft  sämmtlich  mit  dem  Namen  „erworbene" 
Abänderungen  bezeichnet  werden,  unterscheidet  Weismann 
die    somatogenen,    d.  b.    diejenigen,    welche    nur    die 

*)  Wir  entnehmen  dieselbe  dem  oben  sclion  erwälinten  Vor- 
trag Weismann's  auf  der  Naturforsclier -Versammlung  von  1888 
zu  Köln:  Ueber  die  HypOtliese  einer  Vererbung  von  Verletzungen. 

Red. 


„brauchen  wir   uns  nur  auf  die  Verletzungen 


Elemente  des  Körpers  (somatischen  Elemente),  und  die 
blastogenen  Abänderungen,  welche  die  Fortplianzungs- 
organe  betreffen. 

Wenn  z.  B.  einem  Menschen  ein  Finger  al)gcschnittcn 
worden  ist,  so  soll  seine  vierfingerige  Hand  eine  somatogcne 
Eigenthündichkeit  sein;  wenn  jedoch  ein  Kind  mit  sechs 
Fingern  geboren  wii'd,  so  soll  seine  scchsfingerige  Hand 
aus  einer  besonderen  Beschaffenheit  des  Keims  cutstan(lc;i, 
d.  h.  eine  blastogene  Eigenthündichkeit  sein.  Wenn  man 
diese  Definition  vorausschickt  und  die  somatogenen  Ab- 
änderungen auf  Verstümmelungen  und  Verwundungen  be- 
schränkt, wie  es  Weismann  zu  thun  scheint,  so  ist  es 
sicher,  dass  die  Mehrzahl  der  somatogenen  Veränderungen 
sich  nicht  vererben  wird. 

„Indem  der  Gärtner  einen  Strauch  durch  besondere 
Wachsthunisbedingungen  langsam  umändert,  lässt  er  Ver- 
änderungen entstellen,  von  denen  er  hoffen  kann,  dass  sie 
Generationen  hindurch  sich  wiederholen;  aber  wenn  er 
die  Zweige  eines  Strauches  willkürlich  abgeschnitten  hat, 
so  weiss  er  wohl,  dass  er  weder  durch  Ableger  noch 
durch  Samen  aus  diesem  beschnittenen  Strauch  neue 
Sträucher  nnt  denselben  Abweichungen  ziehen  könnte." 

Aueh  scheint  es  uns,  dass  sich  Weismann  in  seiner 
Abhandlung  „Ueber  die  Möglichkeit  einer  erblichen  Üeber- 
tragung von  Verstümmelungen"  zu  viel  Mühe  gegeben  hat 
wegen  eines  dürftigen  Ergebnisses.  Bei  einer  solchen 
Untersuchung  muss  jeder  Fall  besonders  studirt  werden; 
und  wenn  Weismann,  als  er  fünf  Generationen  von  weissen 
Mäusen  die  Schwänze  abgeschnitten  hatte,  keine  Verände- 
rung bei  den  Nachkonnnen  dieser  Thiere  fand,  so  beweist 
das  einzig,  dass  das  Abschneiden  des  Schwanzes  einer 
Maus  keine  tiefgreifende  Veränderung  im  Organismus 
dieser  Thiere  nach  sich  zieht. 

Eine  ganze  Reihe  von  Thatsachen  hätte  Weismann 
für  seine  Ansicht  anführen  können;  aber  sie  liefern  keinen 
besseren  Beweis  gegen  die  Erblichkeit  der  somatogenen 
Veränderungen,  wenn  man  diesem  Worte  eine  weitere  Be- 
deutung giebt,  als  diejenige  einfacher  Verstümmelungen. 
Ich  meine  die  so  seltsamen  Erscheinungen  freiwilliger 
Verstünmielung  oder  Autotomie.  Ungezählte  Generationen 
von  Eidechsen  haben  freiwillig  ihren  Schwanz  abgebrochen, 
um  verschiedenen  Feinden  zu  entschlüpfen,  ohne  dass 
jemals  dieses  Anhängsel  bei  der  Nachkommenschaft  dieser 
Thiere  wieder  zu  erscheinen  aufgehört  hätte.  Vielleicht 
hat  der  Organismus  die  Fähigkeit  erlangt,  diesen  oder 
jenen  Theil  leicht  zu  verlieren,  und  doch  hört  dieser  zu- 
weilen scheinbar  nutzlose  Theil  nicht  auf,  bei  jeder  neuen 
Generation  wieder  zu  erscheinen,  weil  seine  Unterdrückung 
keine  Nachwirkungen  auf  die  anderen  Organe  ausübt. 

Aber  das  ist  nicht  immer  der  Fall.  Verstümmelungen, 
Verwundungen,  deren  Wichtigkeit  zu  allererst  unbedeutend 
erscheint,  ziehen  jedoch  oft  erbliche  somatogcne  Um- 
änderungen nach  sich,  weil  sie  in  dem  davon  betroffenen 
Organismus  eine  Störung  veranlassen,  die  sich  wahrschein- 
lich auf  die  Zeugungselemente  erstreckt. 

Nachstehend  einige  durch  Erblichkeit  übertragbare 
Wirkungen  zufälliger  Verletzungen: 

1.  Epilepsie  bei  den  Nachkommen  von  Meerschweinchen, 
Männchen  oder  Weibchen,  bei  welchen  mau  dieselbe  Krank- 
heit durch  ein  Durchschneiden  des  Hüftuervs  oder  des 
Rückenmarks  hervorgerufen  hatte. 

2.  Vorfall  des  Auges  bei  den  Nachkommen  von  Meer- 
schweinchen, welche  dieses  Hervortreten  des  Auges  nach 
einer  Verletzung  der  Rückgratwurzel  zeigten. 

3.  Das  Fehlen  von  Zehengliedern  oder  von  ganzen 
Zehen  an  einer  der  Hinterpfoten  bei  den  Nachkommen 
von  Meerschweinchen,  welche  zufällig  diese  Zehen  in  Folge 
einer  Durchscbneiduug  des  Hüftnervs  verloren  haben. 


Nr.  41. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


443 


4.  Muskelsclnviind  am  Sclicnkcl  und  Hein  hei  Aleer- 
sdiweinciien,  welche  von  solchen  Individuen  abstanuuen, 
die  Muskelschwund  in  Folge  von  Verkürzung  des  Hüft- 
ner vs  hatten. 

Die  Vererbung  mehrerer  dieser  krankhaften  Zustände 
kann  von  Generation  zu  Generation  gcscheheu. 

Das  Vorliandeuscin  von  gewissen  Fällen  solcher  Ver- 
änderungen hat  man  bis  in  die  5te  und  selbst  bis  in  die 
6te  Generation  bestätigt  gefunden. 

Es  scheint  mir  nach  dein  Voriiergehcnden,  dass  die, 
welche  Weismann's  Ansichten  theilen,  ihre  Aufnierksiuukeit 
nicht  genügend  auf  die  Nachwirkungen  gerichtet  iiaben, 
welche  gewisse  somatogenen  Verletzungen  auf  den  davon 
betroflFenen  Organismus  und  damit  auch  auf  die  Nach 
kommenschaft  haben  können. 

Die  Botaniker  haben  kürzlich  noch  andere  merk- 
würdigere Beispiele  von  Uebertragung  erworbener  Eigen- 
schaften bekannt  gemacht. 

Nach  den  schönen  Untersuchungen  von  A.  K.  Lund- 
stroem  sind  die  „Weichselzöpfe"  genannten  Entstellungen, 
welche  auf  den  Blättern  von  Linden  u.  a.  Bäumen  oder 
Sträuchern  durch  den  Stich  von  Milben  hervorgebracht 
werden,  vollkommen  erblich,  selbst  dann,  wenn  man  diese 
Gewächse  vor  den  Schmarotzern  schützt,  welche  diese 
Entstellungen  bei  den  Vorfahren  erzeugt  haben. 

Eine  gewisse  Anzahl  von  erworbenen  Eigensciiaften, 
welche  sich  besonders  in  somatogenen  Eigenthümiiclikeiten 
kund  thun,  werden  jedoch  begleitet  von  blastogenen  Um- 
änderungen, welche  gleichzeitig  statttinden  (und  nicht  blos 
unmittelbar  nachfolgen,  wie  in  den  vorhergehenden  Fällen), 
so  dass  es  unmöglich  wird,  die  von  Weismann  vorge- 
schlagene Unterscheidung  zu  machen,  und  dass  diese 
Eigenschaften  mit  Recht  von  den  meisten  Naturforschern 
als  erbliche  betrachtet  werden. 

Da  in  diesen  Beispielen  die  Hauptfactoren  das  Einzel- 
wesen zugleich  mit  der  Nachkommenschaft  umgeändert 
haben,  so  kann  das  Lamarck'sche  Princip  durchaus  nicht 
bestritten  werden.     So  schreibt  z.  B.  Godron: 

„Nach  dem  anglikanischen  Bischof  Heber  bedeckt 
sich  das  Fell  der  Hunde  und  Pferde,  die  aus  Indien  in 
die  Gebirge  von  Cacliemire  gebracht  werden,  sehr  bald 
mit  Wolle.  In  den  Ländern  der  heissen  Zone  dagegen 
wird  das  Haar  der  zahmen  Säugethiere  spärlich  und  kürzer. 
Man  hat  in  den  sehr  heissen  Ländern  sogar  den  voll- 
ständigen Verlust  der  Haare  beobachtet,  und  wir  finden 
Beispiele  davon  beim  Guineahunde,  bei  gewissen  Rindern 
Sudamerikas  u.  s.  w.  Jedoch  erfahren  nicht  alle  unsere 
Hausthiere,  wenn  sie  in  äquatoriale  Gegenden  gebracht 
werden,  eine  gleich  vollständige  Einwirkung  des  Klimas, 
und  andererseits  erhalten  diese  unltehaarten  Rassen,  wenn 
sie  in  gemässigte  oder  kalte  (Jegeuden  gebracht  werden, 
durch  die  Wirkung  der  umgekehrten  Ursachen,  selbst  nach 
mehreren  Generationen  ihr  ursprüngliches  Haarkleid  nicht 
wieder." 

Diese  letzten  Fälle  beweisen  doch,  dass  die  hervor- 
gebrachte Umänderung  nicht  einzig  von  der  Wirkung  der 
Hauiitfactoren  auf  die  Lebewesen  herzuleiten  ist,  sondern 
dass  die  blastogenen  Eigenthümiiclikeiten  in  gleicher  Weise 
beeintlusst  sind,  und  dass  folglich  das  Princip  Lamarck's 
seine  Anwendung  findet. 

Welcher  Züciiter  weiss  nicht,  dass  er  mehr  Aussicht 
hat,  diese  oder  jene  Rasse  zu  erlangen,  indem  er  als  Er- 
zeuger Individuen  nimmt,  welche  in  der  ausgesprochensten 
Weise  die  Eigenthümliehkeitcn  dieser  Rasse  an  sieh  tragen? 
Uebrigens  sind  seiir  häufig  die  zahmen  Rassen  nur  zu  dem 
Zwecke  gezüchtet  worden,  um  gewisse  Körpereigenschaften 
unrzuändern,  und  so  hat  unbewusster  Weise  der  Züciiter 
gleichzeitig  die  entsprechenden  blastogenen  Veränderungen 


hervorgebracht,  welche  die  Uebertragung  der  somatogenen 
Eigenthündichkeiten  sichern. 

Selbst  wenn  es  sich  um  den  Hauptfaetor,  den  Lamarck 
besonders  im  Auge  hat,  die  Lebensweise,  handelt,  können 
wir  ebenso  die  Uebertragung  der  erworbenen  Abänderungen 
darthun. 

Es  ist  eine  bekannte  physiologische  Thatsache,  sagt 
Godron,  dass  gerade  die  am  iiäufigsten  gebraueilten  Organe 
sieh  am  meisten  entwickeln  und  die  grösste  Kraft  er- 
langen; die  Muskeln  dagegen,  welche  während  einer 
grossen  Anzahl  von  Generationen  keine  Uebung  mehr  ge- 
iiabt  haben,  selirnmpfen  zusammen,  und  eine  ähnliehe 
Wirkung  wird  auf  den  Tlicil  des  Skeletts  ausgeübt,  den 
diese  Muskeln  in  Bewegung  setzen.  Dalier  kommt  es, 
dass  bei  den  (Jocliinchina-  und  Braniajmtrahühnern,  die 
während  einer  langen  Reihe  von  Jahren  in  die  Unmöglich- 
keit versetzt  waren,  das  Muskelsystem,  das  die  Flügel 
bewegt,  auszubilden,  die  Brustiiiuskeiii  weniger  stark  und 
weniger  thätig  wurden,  die  Flügel  sieh  \erkürzten  und 
diese  Vögel  sehliessiich  die  Fäiiigki'it  zu  fliegen  verloren 
haben,  und  dies  um  so  mehr,  als  nacii  dem  Gesetze  des 
Gleichgewichts  der  Organe  die  Beine  eine  übermässige 
Entwickelung  erlangt  haben. 

Wenn  die  wissenschaftlichen  Umzüchter  sich  meistens 
mit  Experimenten  liegnügen  müssen,  welche  in  unbewusster 
W'eise  durch  die  Natur  oder  durch  die  Züchter  ins  Werk 
gesetzt  sind,  statt  sieh  auf  Beweise  zu  stützen,  die  mit 
der  ganzen  Strenge  moderner  wissenschaftlicher  Genauig- 
keit geführt  sind,  so  geschieJit  das  doch  in  diesem  wie  in 
vielen  anderen  Fällen  wegen  der  beklagenswerthen  Un- 
zulänglichkeit unserer  Laboratorien;  und  man  muss  doch 
darüber  erstaunen,  dass  es  noch  bei  keiner  Nation,  selbst 
bei  denen,  wo  die  Wissenschaft  am  meisten  geehrt  wird, 
ein  „transfornüstisches  Institut"  giebt,  das  den  langen  und 
kostspieligen  Versuchen  gewidmet  ist,  die  in  Zukunft  für 
die  Fortschritte  der  eutwickelungsgeschichtlichcn  Biologie 
unerlässlicli  sind. 

Die  Anhänger  der  Ideen  Weismann's  halten  stets  ent- 
gegen, dass  in  allen  zuvor  erwähnten  Fällen  das  erblieh 
Uebertragene  nicht  eine  somatogene,  sondern  eine  blasto- 
gene  EigenthUmlichkeit  ist,  kraft  deren  der  Nachkömmling 
in  demselben  und  selbst  in  einem  hciheren  Grade  als  seine 
Eltern  für  die  llauptfact(u-en  empfänglich  ist,  die  diese 
somatogene  EigenthUmlichkeit  bestimmen. 

Diese  wechselseitige  Abhängigkeit  zwischen  der  blasto- 
genen und  der  somatogenen  Abänderung  ist  schon  schwer 
erklärlich,  wenn  man  darin  nur  ein  einfaches  mit  der  Ab- 
stammung zufällig  verbundenes  Zusamnientreft'en  sehen 
will,  das  blos  später  durch  die  Zuchtwahl  dauernd  wird. 
In  Wirklichkeit  geht  alles  vor  sich,  als  ol)  die  somatogene 
Eigenthündiehkeit  selbst  angeerbt  wäre;  und  wenn  wir 
alle  theoretische  Voreingenonmienlieit  beiseite  lassen,  so 
scheint  es  viel  einfacher  und  richtiger,  die  Sache  in  dieser 
Weise  aufzufassen.  Denn  wollte  man  sagen,  ein  Tiiier 
erbe  die  Möglichkeit,  in  einem  gegebenen  Momente  sein 
Haar  unter  dem  Einfiuss  der  Hitze  zu  verlieren,  so  hiesse 
dies  so  viel  wie,  es  vererbe  den  Ilaarverlust,  der  sich 
bei  seinem  Nachkommen  unter  gleielien  Beiiinguiigen  zeigt. 
Die  Erörterung  wird  also  nur  ein  einfacher  Streit  um  Worte, 
wenn  man  den  Dingen  auf  den  Grund  gehen  will. 

Uebrigens  giebt  es  noch  andere  Thatsaehen,  welche 
zeigen,  dass  die  Trennung  der  Fortpflanzungszellen  und 
der  somatischen  Zellen  nicht  eine  so  vollständige  ist,  wie 
es  Weismann  und  seine  Anhänger  zu  beiiaiipten  seiu'inen. 

Bei  gewissen  Lebewesen  und  insbesondere  bei  ge- 
wissen Pflanzen  seheint  es  sogar,  dass  irgend  eine  beliebige 
somatische  Zelle  in  gewissen  bekannten  Fällen  fähig  ist, 
als  eine  jungfräulich  gebärende  Zeugungszellc  aufzutreten 
und    das    ganze    Wesen    wieder    zu    erzeugen.     Das    hat 


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Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  41. 


Sachs    au    bestimmten  Zellen  von  Wurzeln,   Blättern   und 
Knospen  mehrerer  Moosarten  dargethan. 

Man  weiss    auch,    dass    man,    wenn    man   Begonien-, 
blätter  zerschneidet  und  diese  Abschnitte  einpflanzt,  neue 
Pflanzen  erhält,  welche  Blüthen  und  Früchte  tragen. 

Ebenso  wäre  es  ohne  Zweifel  mit  gewissen  Thieren, 
deren  wiedererzeugende  Kraft  sehr  entwickelt  ist  (l)ci 
Turbellarien  und  Oligochäten  z.  B.),  wenn  man  es  erreichen 
könnte,  die  ktinstlich  getrennten  Stücke  hinreichend  zu 
ernähren.  Tlieoretisch  könnte  man  sagen,  dass  jede  Zelle 
eines  Plattwurms  alles  in  sich  besitzt,  was  zur  Erzeugung 
eines  neuen  Individuums  nöthig  ist. 

Wie  kann  man  behaupten,  dass  einer  Umänderung 
dieser  somatischen  Zellen  nicht  zugleich  eine  entsprechende 
Umbildung  des  Products  und  der  blastogenen  Zellen  des- 
selben folgen  sollte?  ' 

Interessant  in  dieser  Hinsicht  sind  gewisse  Beob- 
achtungen über  den  Einfluss,  welchen  das  durch  Pfropfen 
veredelte  Individuum  nicht  allein  auf  die  somatischen 
Elemente,  sondern  selbst  auf  die  Früchte  des  Pfropfreises 
haben  kann. 

„Es  ist  bekannt",  sagt  Darwin,  „dass  mehrere  Arten . 
von  Pflaumenbäumen  und  Pfirsichbäumen  Nordamerikas 
durch  Kerne  in  gleicher  Beschaffenheit  wiedererzeugt  werden 
können;  aber  Downing  behauptet:  wenn  man  einen  Zweig 
eines  dieser  Bäume  auf  einen  andern  Stamm  i)fropfe,  so 
verliere  er  die  P^igenschaft,  seine  eigene  Gattung  durch' 
Kerne  zu  vermehren  und  werde  wie  die  andern,  d.  h. 
seine  Früchte,  seine  Nachkömndinge  seien  sehr  ver- 
änderlich. 

Umgekehrt  kann  das  Pfropfreis  bei  dem  neuen  Stanmie 
gewisse  somatische  Veränderungen  hervorrufen,  die  es 
selber  hat.  Wenn  man  z.  I>.  die  buntgestreifte  Abart  des 
Jasmins  auf  die  gewöhnliche  Sorte  pfropft,  so  treibt  diese 
letztere  zuweilen  Sprosse  mit  buntgestreiften  Blättern. 
Derselbe  Fall  hat  sich  beim  ßoscnlorbeer  und  bei  der 
Esche  gezeigt. 

Diese  letzteren  Beispiele  veranlassen  uns,  Thatsachen 
anderer  Art  anzuführen,  die  heute  noch  nicht  genügend 
erklärt  sind,  aber  die  auf  unwiderlegliche  Weise  den  Ein- 
fluss somatischer  Zellen  auf  die  blastogenen  Zellen  zu  be- 
weisen scheinen. 

Seit  1721)  hatte  man  bemerkt,  dass  die  weissen  und 
die  blauen  Erhsenarten  sich  wechselseitig  kreuzten,  wenn 
sie  sicli  nahe  bei  einander  befanden,  so  dass  im  Herbste 
in  denselben  Hülsen  weisse  und  blaue  Erbsen  sassen. 
Aber  diese  Umänderung  der  Farbe  der  Frucht  kann  sich 
selbst  auf  die  Hülsen  erstrecken,  d.  h.  auf  die  somatischen 
Zellen  des  mütterlichen  Organismus,  wie  Laxton  über- 
zeugend nachgewiesen  hat. 

Viele  ähnliche  Beispiele  von  dem  Einfluss  des  P,lüthen- 
staubes  gewisser  Pflanzen  auf  den  Fruchtknoten  benach- 
barter Abarten  sind  durch  Gallcsio,  Naudin,  Anderson  u.  a. 
gesammelt  worden.  Erinnern  wir  nur  an  den  berühmten 
Apfelliaum  von  Saint -Valery.  Dieser  Baum  brachte  in 
Folge  der  Verkümmerung  seiner  Staubfäden  keinen  Blüthen- 
staub  hervor  und  musste  jedes  Jahr  künstlich  bet'ruclitet 
werden.  Dies  wurde  jährlich  durch  die  jungen  Mädchen 
des  Ortes  ausgeführt  vermittelst  iles  Blumenstaubes,  der 
von  verschiedenen  Sorten  entnonnnen  war.  Daraus  ent- 
wickelten sich  Früchte,  verschieden  an  Grösse,  Farbe  und 
Geschmack,  welche  den  Früchten  der  Abarten  entsprachen, 
die  das  befruchtende  Element  geliefert  hatten. 

Da  der  Fruchtknoten  der  Gewächse  nach  Hervor- 
bringung der  Frucht  vergeht  und  mit  der  Pflanze  selbst 
nur  zeitweilige  Verbindung  zeigt,  so  ist  es  nicht  wahr- 
scheinlich, dass  die  somatischen  Veränderungen,  die  durch 
den  Blüthensfaub  hervorgebracht  sind,  sich  auf  die  Zellen 
der  Zweige  und  des  Stammes  ausdehnen:  diese  Umände- 


rungen können  aus  demselben  Grunde  keine  nachhaltige 
Einwirkung  auf  die  späteren  Früchte  haben. 

Aber  bei  den  Thieren  und  besonders  bei  den  Säuge- 
thieren,  bei  denen  die  Leibesfrucht  lange  in  enger  Ver- 
liindung  mit  der  Mutter  bleibt,  kann  man  annehmen,  dass 
die  Thätigkeit  des  männlichen  Elements  zuerst  einen  Ein- 
fluss auf  den  niütterliehen  Organismus  und  dann  auch  auf 
die  spätere  Nachkonnnenschaft  haben  wird. 

Das  beweist  in  der  That  der  oft  erwähnte  Fall  der 
Stute  Lord  Morton 's. 

Diese  fuchsrothe  Stute  von  fast  reiner  aral)iseher 
Rasse  Hess  man  von  einem  Quagga  decken,  und  nachdem 
sie  dann  einen  Bastard  geworfen,  kam  sie  in  die  Hände 
Sir  Gore  Ousely's,  der  später  von  ihr  zwei  Fohlen  durch 
einen  schwarzen  arabischen  Hengst  erhielt.  Diese  Fohlen 
waren  theilweise  isabellfarbig,  und  ihre  Beine  waren  deut- 
licher gestreift  als  die  des  Bastards  und  selbst  als  die 
des  Quaggas;  l)ci  beiden  waren  auch  Hals  und  einige 
andere  K('irpertheile  deutlich  gestreift.  Die  Streifen  auf 
dem  Körper  und  die  Isabellfarbe  sind  bei  unsern  euro- 
päischen Pferden  sehr  selten  und  bei  den  Arabern  un- 
bekannt. Aber  was  den  Fall  sehr  auffällig  macht,  ist  der 
Umstand,  dass  bei  den  beiden  Fohlen  die  Mähnenhaare 
kurz  und  steif  waren  und  sich  in  die  Höhe  richteten  wie 
beim  (Quagga.  Es  besteht  also  kein  Zweifel  über  die 
Thatsache,  dass  dieses  letztere  deutlieh  die  Eigenschaften 
des  späteren  Fohlens  beeinflusst  hatte,  das  von  dem 
schwarzen  arabischen  Hengste  abstanmite. 

Es  scheint  also,  dass  die  Stute,  während  sie  den 
Bastard  im  Leibe  trug,  von  ihm  die  Fähigkeit  erlangt 
hatte,  ilie  Eigenschaften  des  Quagga  weiter  zu  übertragen. 

Allgemein  bekannt  ist  es,  dass,  wenn  eine  Hündin 
das  erste  J\Ial  durch  einen  Hund  von  fremder  Rasse  tra- 
gend geworden  war,  ihre  späteren  Würfe  eins  oder  mehrere 
Junge  von  dieser  fremden  Rasse  haben  können,  selbst 
wenn  sie  seitdem  nur  von  Hunden  ihrer  eigenen  Rasse 
gedeckt  worden  war. 

Obige  Thatsachen  an  sieh  selbst,  abgesehen  von  jeiler 
Theorie,  beweisen  hinreichend  die  enge  Abhängigkeit, 
welche  zwischen  den  Fortpflanzungselementen  und  den 
somatischen  Elementen  besteht. 

Um  nicht  das  Gebiet  der  wissenschaftlich  festgestellten 
Thatsachen  oder  der  mehr  oder  weniger  leicht  zu  be- 
stätigenden Hypothesen  zu  verlassen,  werde  ich  den  Ein- 
fluss bei  Seite  lassen,  der  die  auf  die  Sinne  und  das 
Nervensystem  der  Mutter  hervorgebrachten  Eindrücke  für 
die  Nachkommenschaft  haben  können. 

Es  scheint  mir  jedoch  sehr  schwer,  zuzugeben,  dass 
die  psychischen  Erregungen  und  Eindrücke,  welche  so 
energisch  und  deutlieh  auf  unsere  Secretionen  wirken, 
keinen  Einfluss  auf  die  Erzeugnisse  unserer  Geschlechts- 
drüsen haben  sollten.  Vielleicht  muss  man,  abgesehen 
von  dem  Einfluss  des  Temperaments  und  der  Erziehung, 
die  in  erster  Linie  angezogen  werden  müssen,  als  eine  Ein- 
wirkung dieser  Art  die  Thatsache  anführen,  dass  eine 
ganze  Generation  mit  der  grössten  Leichtigkeit  Gedanken 
aufninmit,  die  durcii  die  vorangehende  lebhaft  bekämpft 
und  zurückgewiesen  worden  wären.  Es  scheint  mir  un- 
möglich, dass  die  geistige  Bewegung,  die  durch  begabte 
Menschen  in  einem  oder  mehreren  Zweigen  des  mensch- 
lichen Wissens  hervorgerufen  war,  eine  geistige  Bewegung, 
die  durch  Gelehrte  und  Künstler  weit  verbreitet  wird, 
nicht  eine  Nachwirkung  auf  die  Zeugungselcmente  der 
gleichzeitigen  Generation  und  folglieh  auch  auf  die  nach- 
folgende Generation  ausüben  sollte,  welche  so  durcli  eine 
erbliche  Uebertragung  auf  eine  ganz  neue  Ordnung  seelischer 
Zustände  vorbereitet  wäre. 

Zum  Schlüsse  führt  uns  eine  letzte  Betrachtung  dazu, 
die  Meinung  derjenigen  zurückzuweisen,  welche  behaupten, 


Nr.  41. 


Naturwisseiischai'tliclie  Wochenschrift. 


445 


dass  die  erworbenen  kfirperlichen  Eiijcn.schaften  sich  nicht 
von  den  Eitern  auf  die  Kinder  Uljertragcn  liönnen.  Wenn 
man,  worauf  schon  Turner  aufmcrlisam  i^eniaciit  hat,  aus 
dieser  Anscliauunn'sweise  tue  letzten  Folgcrunj;en  zielit, 
so  wird  man  anzunelnnen  genötliii;t,  dass  die  Vorfahren 
der  gej;enwitrtig-en  Lelicweseu  und  seihst  das  ürplasma 
alle  seitdem  gezeigten  Veränderungen  in  sieh  selbst  be- 
sassen.  Wir  würden  somit  auf  die  Annahme  von  freilich 
durch  die  Selection  geregelten  sehöpferisehen  Kräften 
zuriickgetuhrt  werden.  Die  Tliür  wäre  von  neuem  für  die 
leitenden  Kräfte  geöffnet,  die  der  Materie  inne  wohnen 
oder  ihr  äusserlieh  anhaften,  und  wir  würden  snmit  auf 
die  erhabene  nieehauische  Auffassung  vom  Weltall  ver- 
zichten müssen,  die  Descartes  ahnte  und  der  später  die 
Gelehrten  des  XVIII.  Jahrhunderts  (Button  und  die  En- 
cyclopädisteu)  gefolgt  sind. 

Wenn  wir  im  Gegentheil  die  Uebertragung  der  Körper- 
eigenschaften in  dem  dureii  die  oben  auseinandergesetzten 
Thatsaehen  bewieseneu  Maasse  eiin'äumen,  so  wird  die 
Umbildung  der  Lebewesen  viel  schneller  geschehen,  da 
sie  nicht  mehr  einzig  von  den  Zufällen  der  inneren  Ver- 
änderung abhängen,  sondern  durcii  die  Thätigkeit  der 
Ilauptfactoreu  bestimmt  werden  wird. 

Bevor  wir  zur  rrüfung  der  Faetoreu  zweiten  Ranges 


sehreiten,  werden  wir  zuerst  eine  biologische  Thatsaehe 
zu  untersuchen  haben,  welche  wir  überall  da  finden,  wo 
sieh  neue  organische  Formen  bilden:  die  erbliche  Ueber- 
tragung. Als  wir,  um  die  Entstehung  neuer  Formen  zu 
erklären,  das  l'rinci[i  Laniarck's,  das  Gesetz  üeli)ocuf's, 
oder  die  Zuchtwaid  und  die  andern  Nebenfactoreu  mit- 
wirken Hessen,  haben  wir  gesehen,  dass  wir  inuner  die 
Wirksamkeit  der  Vererbung  zugeben  mussten. 

Die  Vererbung  ist  streng  genommen  weder  ein  Haupt- 
factor  noch  ein  Nebenfactor,  sie  ist  eine  Integrale,  d.  h. 
die  Summe  der  unendlich  kleineu  Veränderungen,  die  bei 
jeder  vorhergehenden  Generation  durch  die  Haui)tfact(nen 
hervorgebracht  worden  sind.  Die  Gesetze  der  Vererbung, 
die  experimentell  kaum  studirt  sind,  bieten  ein  ungelieures 
Feld  für  die  Biologen.  Mehrere  dieser  Gesetze  und  be- 
sonders das  Gesetz  der  homochronen  oder  gleichzeitigen 
Vererbung  liefern  auch  gute  Beweise  für  das  Lamarck'sche 
Prineip.  Die  neuesten  endjryohigischen  Untersuchungen 
fangen  kaum  an,  uns  den  mechanischen  Frocess  der  erb- 
lichen Uebertragung  und  der  geheimsten  Ersclieinungen 
der  f\)rtpflanzung  ahnen  zu  lassen. 

Nur  nachdem  man  alle  erlangten  Kenntnisse  über 
diese  heiklen  Funkte  sorgfältig  geprüft  hat,  kann  man 
mit  Erfolg  in  das  Studium  der  Nebenfaetoren  eintreten. 


Uaujteiifrass  am  Knieliolz  des  Uieseii??el»irs?es.  — 

Als  ich  am  (>.  Se|iteniber  d.  J.  mich  auf  dem  Kannne  des 
Kiesengebirges  zwischen  dem  „Reifträger'-  und  der  Sehnee- 
grubenbaude  befand,  bemerkte  ich  an  mehreren  Gru}ipen 
des  Knielndzes  (l'inus  pumilio),  welches  bekanntlich  zu 
den  Charakterptianzen  des  Riesengebirges  gehört,  deut- 
liche Spuren  von  Raupenfrass  und  fand  bald  bei  genau- 
erem Nachsuchen  an  deu  Nadeln  des  Knieholzes  eine  An- 
zahl grau-grünlicher,  mit  hellen  und  dunklen  Längs- 
streifen versebener  Lophyrus-Kaupen,  welche  offenbar 
die  Urheber  jenes  Frasses  waren.  Ich  sannnelte  etwa 
ein  Dutzend  Exemplare,  von  denen  sich  mehrere  im  frisch- 
gehäuteten Zustande  befanden,  und  couservirte  sie  in 
Alkohol,  um  sie  demnächst  genauer  zu  bestimmen. 

Von  dem  stellvertretenden  Herrn  Forstmeister  aus 
Hermsdorf  am  Kynast,  den  ich  in  der  Schneegrubenbaude 
kennen  lernte,  erfuhr  ich,  dass  die  betr.  Lt)})byrus-Art  in 
den  Acten  der  Forstverwaltung  als  L.  similis  bezeichnet 
werde,  dass  die  Raupen  seit  Kurzem  (d.  h.  in  den  letzten 
Wochen  vor  dem  6.  Sept.  d.  J.)  in  den  Knieholzbcständen 
der  Oberförsterei  Sehreiberhau  stark  schädigend  aufge- 
treten seien,  und  dass  die  reichsgräfl.  Schaffgottsche 
Forstverwaltung  darauf  bedacht  sei,  dieselben  nniglichst 
vertilgen  zu  lassen.  Schon  im  Jahre  1881  habe  man  dort 
einen  ähnlichen  Raupenfrass  in  deu  Knieholzbeständen 
beobachtet. 

Da  mich  die  Sache  sehr  interessirte,  so  habe  ich  nach 
meiner  Rückkehr  aus  dem  Riesengebirg-c  die  mitgebrachten 
Raupen  hier  in  Berlin  näher  studirt  und  bin  zu  dem  Re- 
sultate gelangt,*)  dass  es  sich  bei  den  \on  ndr  gesam- 
melten Exem[)laren  nicht  um  Lophyrus  sindlis,  sondern 
um  L.  rufns  handelt. 

Dass  die  Raupen  (genauer:  Afterraupen)  der  Kiefern- 
Blattwespen  (Gattung  Lophyrus)  an  der  gemeinen  Kiefer 
häufig  beobachtet  werden  und  stellenweise  grossen  Schaden 
hervorrufen,  ist  bekannt,  und  man  findet  in  der  einschlägigen 
Litteratur  zahlreiche  Angaben  darüber**)  Dagegen  scheint 


das  Auftreten  von  Lophyrus-Raupen  am  Knieholz  (Pinus 
pumilio)  bislier  nur  sehr  selten  beobachtet  zu  sein;  ich 
habe  nach  längerem  Suchen  in  der  mir  zugänglichen 
Litteratur  nur  den  schon  oben  erwähnten  Fall  aus  dem 
Jahre  1881  gefunden,  und  zwar  bei  ludeich  und  Nitsche, 
Lehrbuch  der  ndtteleuropäischen  Forstiusektenkunde, 
III.  Abtheilung,  1893,  S.  646,  wo  Bezug  genonnnen  wird 
auf  das  Jahrbuch  des  sehlcsischen  Forstvereins,  1882, 
S.  58  f.,  und  die  Vereinsschrift  des  böhmischen  Forst- 
vereins, 1883,  S.  91  ff'.  Hier  wird  die  betreffende  Spccics, 
welche  1881  schädigend  aufgetreten  ist,  als  Lophyrus 
similis  bezeichnet,  und  man  könnte  die  Frage  erheben, 
ob  die  Bestimmung  der  Raupen  damals  mit  voller  Exact- 
heit  gemacht  worden  ist.  leb  werde  versuchen,  diese 
Frage  womöglich  aufzuklären.  Innnerhin  erscheint  es 
bemerkenswerth,  dass  die  Lophyrus-Raupen  1893  genau 
in  derselben  Gegend  des  Riesengebirgskammes  wie  1881 
sich  gezeigt  haben. 

In  dem  letztgenannten  Jahre  sind  leider  ansehnliidie 
Partien  der  dortigen  Knieholzbestäude  durch  jene  Raujien 
ruinirt  und  zum  Absterben  gebracht  worden;  hoffentlich 
gelingt  es  der  Forstverwaltung,  den  Raupenfrass  des 
Jahres  1893  möglichst  zu  beschränken  und  unschädlich 
zu  machen.  Da  das  Knieholz  des  Riesengebirges  nicht 
nur  wissenschaftlich  und  landschaftlich  interessant,  sondern 
auch  praktisch  schi-  wichtig  ist,  so  muss  man  wünschen, 
dass  die  vorhandenen  Bestände  nach  Möglichkeit  erhalten 
bleiben.  Prof.  Dr.  A.  Nehring. 


^)  ITntei-  Beihilfe  der  Herren  Dr  G.  Rörig  und  Dr.  Stadel- 
maiiu,  sowie  unter  Benutzung  des  Vergleiclismaterijils  des  hiesigen 
Museums  für  Niiturkunde. 

**)  Sielu.»  ludeieli  und  Nitsidio,  Lehrbuch  drr  niittulcurop. 
Forstiusektenkunde,  und  Eckstein,  Die  Kiefer  und  ihre  tliierischen 
Schädlinge,  Berlin   1893. 


Der  Iiisecteiifliig  ist  von  Alfred  R.  v.  Dutezynski 
eingehender  untersucht  worden.  In  einem  liedeutsamen 
Artikel  des  Autors  in  der  „Zeitschrift  für  Luftschiffahrt", 
auf  den  wir  hierndt  hinweisen,  wird  das  Problem  nnt 
Saehkenntniss  und  Geschick  behandelt.  D.  fasst  die  Re- 
sultate seiner  Untersuchungen  in  den  folgenden  Sät/.cn 
zusammen : 

I.  Die  Bewegung  der  Flügel  während  des  Fluges 
geschieht  im  Allgemeinen  in  der  Form  eines  Kegels,  dessen 
Spitze  gegen  die  Brust  (an  den  Enden  der  Queraxe), 
dessen  Basis   aber  nach  aussen  gerichtet  ist. 

II.  Die  beiden  Angrifl'spunkte  der  treilicnden  Flügel 
liegen  in  der  Ebene  der  Flugaxe,  wodurch  dem  grösstcn 
Widerstände  auch  die  grösste  Kraft  entgegengesetzt  wird. 


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Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  41. 


III.  Die  Hebe-  und  riui;ar))eit  erfolgt  mit  einer  so 
ausserordentiiciicn  Geschwindigkeit  aufeinander,  dass  sie 
in  der  Praxis  als  ununterbrochen  betrachtet  werden  kann, 
wodurch  der  Flug  dem  Auge  als  vollkommen  gleichmässig- 
erscheint. 

IV.  Die  Zeit  der  wirksamen  Flügelschlagperiode  ist 
stets  grösser  als  jene  der  unwirksamen. 

V.  Die  Axen  der  Rotationskegel  sind  sowohl  zur 
Horizontalen  als  Verticalen  in  verschiedeneu  Winkelu  ver- 
stellbar. 

VI.  Die  Flügelfläclien  sind  ebenfalls  verstellbar;  und 
zwar  schlägt  der  Flügel  zum  Begiune  mit  der  Schneide 
nach  vorne  und  oben,  wogegen  er  in  der  zweiten  Periode 
nach  ab-  und  rückwärts,  mit  der  vollen  Fläche  auf  die 
Luft  druckt. 

VII.  Die  Wendung  wird  olnie  Steuer  bewirkt,  und 
zwar  durch  die  Verstellung  der  Axe  eines  Flügels,  und 
somit  durch  die  Differenz  des  Druckes  an  den  Angriffs- 
punkten der  Flügel  resp.  der  Queraxe  des  Thorax. 

VIII.  Der  Bau  des  Flügels  ist  so  beschaffen,  dass 
er  bei  dem  geringsten  Gewichte  das  Maximum  der  Steif- 
heit bedingt,  und  er  dieses  Maximum  der  Steifheit  nur 
besitzt,  wenn  seine  untere  Fläche  dem  Drucke  der  Luft 
ausgesetzt  ist,  also  er  beim  Aufschlage  des  Flügels  über- 
haupt keine  Arbeit  leisten  könnte. 

IX.  Die  Muskulatur  der  Flügelbrust  ist  eine  solche, 
dass  sie  mit  der  vollen  Kraft  nur  dann  wirkt,  wenn  der 
Flügel  für  die  Hebe-  resp.  Vorwärtsbewegung  eingestellt 
ist,  alle  übrigen  Muskeln  sind  nur  als  Verstcllniuskeln  auf- 
zufassen. 

X.  Der  Hau  der  Flügell)rust  und  die  Angriflsi)uukte 
der  Muskeln  bestätigen  die  Rotation  der  Flügel. 


XL.  Versanunliiiig  der  Deutschen  Geologischen 
Gesellschaft  in  Goslar  vom  14.  bis  1(>.  August  (Nach- 
trag). —  Wir  sind  in  der  Lage,  zu  unserem  Bericht  oben- 
genannter Versammlung  (in  No.  38  S.  411)  den  folgenden 
Nachtrag  liefern  zu  können. 

Prof.  Dr.  Brack ebusch  (Cordoba,  z.  Z.  Bockenem) 
erläuterte  die  von  ihm  vorgelegte  geologische  Karte 
von  Nordwest-Argentinien,  vim  welcher  4  Blätter 
erschienen  sind,  während  3  in  Handcolorit  vorlagen.  Das 
Gebiet  östlich  und  westlich  der  vortertiären  Hauptkordillere 
ist  durch  seine  geologische  Zusammensetzung  scharf  von 
einander  unterschieden.  Oestlich  derselben  sind  die  Ge- 
steinsschichten bis  in  das  Rhät  hinab  nur  äolische  oder 
Süsswasserbildungen,  westlicii  dagegen  treten  auch  Jura 
und  Kreide  marinen  Ursprunges  auf.  Zahlreiche  Ein- 
lagerungen von  mesozoischen  Eruptivgesteinen  finden  sich 
beiderseits.  Die  westliche  (theilweise  marine)  mesozoische 
Sehichtenreihe,  welche  in  ihrer  nördlichen  Erstreckung 
wesentlich  an  der  Zusammensetzung  der  Westkordillere 
theilnimmt,  nimmt  weiter  nach  Süden  ein  südöstliches 
Streichen  an  und  setzt  sich  wahrscheinlich  bis  zurSt.Georg's 
Bai  fort;  daneben  erscheint  dieselbe  aber  auch  längs  der 
interoceanischen  Wasserscheide  über  die  Magellanesstrasse 
hinaus  bis  zum  Feuerlande.  Zwischen  beide  Verbreitungs- 
gebiete legte  sich  zur  Tertiärzeit  ein  grosser  Jlcerbusen, 
der  den  grössten  Theil  von  Süd])atagonien  einnahm. 
Marine  Tertiärschichten  sind  nur  aus  diesem,  der  heutigen 
atlantischen  Küste  und  den  ehemaligen  Meerbusen  des 
Rio  Parana's  und  Rio  Uruguay's  bekannt.  Die  Vuleane 
hegen  auf  Spalten,  welche  in  nordwestlicher  Richtung 
verlaufen,  und  stets  auf  den  Schnittpunkten  dieser  mit 
der  Wasserseheide  der  l)eiden  Kordillerenketteu.  Die 
frühere  Annahme  einer  grossen  Längsspalte,  dem  Baue 
der  Kordillere  entlang,  ist  irrig.  Das  häufige  Vorkommen 
von  Salz  in  den  Salzebenen  (Salinas)  der  Niederung  ist 


darauf  zurückzuführen,  dass  die  zum  Atlantischen  Oeean 
strömenden  Flüsse  aus  den  an  Salzlagern  reichen  Jura- 
schichten der  westlichen  Kordillere  entspringen.  Sobald 
sich  der  Lauf  dieser  Flüsse  änderte,  entstanden  auch  neue 
Salinas.  In  grossartigem  Maassstabe  hat  der  Wind  seine 
Einwirkung  auf  die  jüngsten  Ablagerungen  der  Hoch- 
flächen geäussert,  indem  er  dieselben  aufbereitet  und  zu 
Wüstenboden  umgewandelt  hat.  Die  Verbreitung  der 
Gletscher  war  zur  Eiszeit  eine  sehr  bedeutende.  Aus  dem 
Moränenschutt  haben  sich  später  äolische  Massen  gebildet, 
deren  weichere  Theile  weite  Gebiete  als  jüngerer  Löss 
bedeckten,  während  die  härteren  (sandigen)  als  enorme 
Dünenablagerungen  (medanos)  von  den  Kordilleren  bis 
zum  Atlantischen  Gcean  sich  erstrecken.  X. 

Bezirksgeologe  Dr.  Koch  (Berlin)  sprach  über  die 
tektonischeu  Verhältnisse  des  Oberharzer  Dia- 
baszuges. Dieses  Diabasvorkommen  in  einiger  Entfernung 
von  Klausthal  ist  vom  Vortragenden  untersucht  und  karto- 
graphisch dargestellt  worden.  Der  Zug  gliedert  sich  vom 
Liegenden  zum  Hangenden  in  drei  Zonen: 

1.  Wissenbaeher  Schiefer  mit  zahlreichen  Einschal- 
tungen körniger  Diabase, 

2.  Blattersteine  und  Sehalsteine  mit  Stringocephalen- 
kalk-  und  Eisensteinlagern, 

3.  Cypridineuschiefer  mit  vorherrschend  variolitisch 
entwickelten  Diabasen. 

Dieser  gesammte  Schichtencomplex  hebt  sich  in  Ge- 
stalt eines  langgestreckten  Zuges  aus  den  jüngeren  Gulni- 
schichten  heraus  und  bildet  eine  nach  NW.  überkippte 
Sattelfalte,  deren  Bau  durch  Faltenverwerfungen,  ver- 
bunden mit  bedeutenden  Ueberschiebungen,  sowie  durch 
zahlreiche  Querzerreissungen  gestört  ist.  Die  Lagerungs- 
verhiütnisse  sind  daher  ausserordentlich  complicirte  und 
haben  erst  in  jüngster  Zeit  durch  den  Nachweis,  dass 
sich  Oberdevon  an  der  Zusammensetzung  des  Zuges  be- 
theiligt, ihre  völlige  Klarlegung  gefunden.  X. 

Prof.  Dr.  Brackebusch  legte  eine  grosse  Anzahl 
sehr  verschieden  ausgebildeter  Imatrasteine  aus  dem 
Rhät  Argentiniens  vor  und  besprach  das  Vorkom- 
men der  Culmforniation  von  Retamito,  dessen 
Pflanzenreste  unlängst  von  Professor  Szanocha  beschrieben 
sind.  Vortragender  kannte  die  Localität  bereits  im  Jahre 
1886  und  hatte  sein  damals  gesammeltes  Material  an  Pro- 
fessor Dr.  Kurtz  in  Gordoba  zur  Bearbeitung  übergeben. 
Hieran  schlössen  sich  einige  Bemerkungen  über  die 
Wahrscheinlichkeit  einer  carbonen  Eiszeit  in 
Argentinien,  die  vom  Vortragenden  schon  seit  Jahren 
vernuithet  wurde,  ehe  er  von  der  neueren  Litteratur  über 
dies  Thema  Kenntniss  erhalten  hatte.  X. 


Bemerkung  zu  (lern  Aufsatze  über  die  Natur  der 
chemischen  Elemente.  —  In  Nr.  29  der  „Naturw. 
Wochenschr."  hat  Herr  Dr.  Spiegel  einen  Aufsatz  ver- 
öffentlicht, in  dem  er  unter  Anderem  Preyers  gene- 
tisches System  als  eine  „mit  einigen  interessanten 
arithmetischen  Zuthaten  versehene  Paraphrase"  des 
Mendelejefflschen  i)eriodischen  bezeichnet.  Diese  Bemer- 
kung hat  mich  befrenulet.  Da  die  Leser  der  „Naturw. 
Wochenschr."  I'reyers  System  ja  aus  dessen  eigener  Dar- 
stellung kennen,  so  möchte  ich  mir  nur  erlauben,  ganz 
kurz  darauf  aufmerksam  zu  macheu,  dass  dieses  eine  An- 
zahl ganz  neuer  Gesetzmässigkeiten,  darunter  die 
sehr  wichtigen  betreffs  der  specifischen  Wärme,  ent- 
hüllt hat.  Ferner  ist  der  Begriff  der  Stufenzahlen 
wohl  ebenso  neu  wie  die  Bezeichnung  und  führt  eben 
zur  genetischen  Auffassung.  Hierzu  kommt  noch,  dass 
gerade  Mendelejeff  selbst  sich  bekanntlich  durchaus  gegen 


Nr.  41. 


Natnrwissenscliaftliclie  Wochenscbiift. 


441 


jede  genetisclie  Auslegung  seines  periodischen  Systems 
verwaiirt  liat,  während  andererseits  die  sännntlichen  Haupt- 
reihen, wie  etwa  Chlor,  Brom,  Jod,  sciion  lange  v  o  r 
Mendelejeft'  anerkannt,  und  von  Newiands  nach  dem 
Atomgewichte  geordnet  waren.  Meines  Wissens  hat  über- 
dies Preyer  zuerst  auf  die  höchst  wiclitige  nu^rkwürdige 
Stellung"  der  organischen  Elemente  aufmerksam  ge- 
macht, die  aus  seiner  Auffassung  durchaus  verständlich 
wird,  und  der  Chemie  völlig  neue  Beziehungen  zur  Bio- 
logie, dieser  aber  selbst  bedeutsame  Aufgaben  eröftnet, 
an  die  man  vorher  wohl  kaum  gedacht  hatte,  üeber- 
haupt  ergeben  sich,  neben  dem  rein  Theoretischen,  aus 
l'reyers  System  Pläne  für  weitere  Untersuchungen  auf  den 
verschiedensten  Gebieten,  die  wohl  nicht  ausbleiben  werden; 
und  es  wird  sich  mindestens  zeigen  müssen,  was  diese 
Untersuchungen  leisten.  Vielleicht  ergicbt  sich  dann,  dass 
auch  die  „Zusammenstellung  des  Materials"  in  der  That 
sehr  schätzenswerth  gewesen  ist.  —  Dr.  Jaensch. 


Ueber  Selhstentzfiiidimg:,  insbesondere  von  Schilfs- 
ladungen, Banmwolle  und  anderen  Faserstott'en,  Stein- 
kohlen nnd  Heuhaufen  vcröttcntlicht  Dr.  L.  lläpke 
(A))handlungcu  herausgegeben  vom  naturwissenschaftlichen 
Vereine  zu  Bremen.  XII.  Bd.,  3.  Heft,  S.  439  ff.)  einen 
Aufsatz,  dem  wir  .die  folgenden,  allgemeines  Interesse  be- 
ans])ruchenden  Einzelheiten  entnehmen.  —  Die  Frage  der 
Selbstentzündung  ist  für  den  gesammten  Handel  und  Ver- 
kehr, für  die  Industrie,  Landwirthschaft  und  selbst  den 
Haushalt  von  der  grössten  Wichtigkeit.  Lange  war  man 
über  die  Vorgänge  dabei  im  Unklaren,  bestritt  einerseits 
die  Möglichkeit  der  Selbstentzündung  überhaupt  oder  doch 
für  Stoffe,  von  denen  sie  heute  allgemein  als  erwiesen 
gilt,  während  mau  sie  andererseits  wieder  von  solchen 
Gegenständen,  z.  B.  Baumwolle,  annahm,  bei  denen  sie 
nie  hat  constatirt  werden  können  oder  geradezu  für  aus- 
geschlossen gilt.  Die  ersten  wissenschaftlichen  Unter- 
suchungen über  diese  Frage  wurden  in  England  unter- 
nommen, in  dessen  gewaltigem  überseeischen  Verkehr  die 
meisten  hierauf  zurückzuführenden  Schiffsunfälle  sich  er- 
eigneten. Während  dort  verschiedentlich  specielle  Com- 
missionen  sich  mit  der  Untersuchung  der  einschlägigen 
Verhältnisse  zu  befassen  hatten,  ist  man  in  anderen  Län- 
dern und  auch  in  Deutschland  der  Frage  noch  nicht  so 
energisch  näher  getreten;  denn  obwohl  in  letzterem  zu 
wiederholten  Malen  Untersuchungen  angestellt  worden  sind, 
so  hatten  dieselben  sich  doch  meist  nur  mit  speciellcn 
Fällen  zu  l)eschäftigcn  und  die  Frage  wurde  bisiier  nicht 
von  einem  allgemeinen  Standpunkte  behandelt.  Es  darf 
denn  auch  hierauf  wohl  zurückgeführt  werden,  dass  die 
deutsche  einschlägige  Litteratur  keine  bedeutende  ist  und 
dass  die  grossen  deutscheu  Werke,  wie  Liebig's  Annalen 
der  Chemie  und  Pharmazie,  Poggcndoff's  Annalen,  Jahres- 
bericht der  ehemischen  Technologie  von  Wagner  und 
Fischer  etc.  etc.,  diese  Frage  nicht  in  dem  ihrer  Wichtig- 
keit entsprechenden  Maasse  behandeln.  Am  einschneidend- 
sten ist  die  Frage  der  Selbstentzündung  für  die  Schiff- 
fahrt. Welche  furchtbaren  Unglücksfälle  durch  Selbst- 
entzündung der  Ladung  schon  auf  dem  Meere  sich  ereignet 
haben,  wieviel  Menschenleben  dadurch  schon  auf  grausame 
Weise  vernichtet  worden  sind  und  wieviel  werthvolles 
Gut  verloren  gegangen  ist,  davon  kann  man  sich  einen 
Begriff  machen,  wenn  man  nur  die  mit  mehr  oder  minder 
Sicherheit  darauf  zurückführbaren  Schift'snnfälle  eines  Jahres 
sich  vergegenwärtigt.  Der  Verfasser  hat  die  Frage  seit 
langer  Zeit  eingehend  studirt,  er  hat  alles  ihm  zugäng- 
liche statistische  Material  gesannnclt  und  ist  in  seinen 
Bemühungen  in  anerkennenswerthcr  Weise  von  den  Be- 
hörden unterstützt  worden;    er  darf  nach   allem  als  eine 


Autorität  auf  diesem  Gebiete  gelten  und  ist  auch  ver- 
schiedentlich als  Saciiverständiger  bei  Brandkatastrophen 
hinzugezogen  worden.  Aus  seinen  einleitenden  l'.cmer- 
kun.nen  sei  hier  noch  seine  Erklärung  des  Vorganges  der 
Selltstentzündun.g  wicdergegclicn:  „Die  Sclitstentzündun.:;' 
entsteht  durch  chemische  und  i)hysikalischc  Verändcnmgcn 
kohlenstofthaltigcr  Körper  hauptsächlich  unter  Einwirkun.g 
des  atmosphärischen  Sauerstoffs,  wobei  soviel  Wärme  ent- 
steht, dass  die  Körper  zerstört  werden  und  in  Brand  gc- 
rathen.  Damit  die  frci.gewordene  Wärme  sich  ansammelt 
und  nicht  durch  die  umgebende  Luft  und  andere  Mittel 
weggeführt  wird,  muss  der  zur  Selbstentzündung  geneigte 
Stoft"  ein  schlechter  W^ärmeleiter  sein.  Moleculare  Uni- 
lagerungen  durch  Störung  des  Gleichgewichtszustandes 
kleinster  Massentheilchen,  mechanisch  feine  Zerstttekelung 
und  Vertheilung,  Feuchtigkeit  und  äussere  AVärme  sind  im 
Verein  mit  rasch  oxydirenden  Stoffen  die  wichtigsten  Ur- 
sachen der  Selbstentzündung.  Bei  gesteigerter  Temperatur 
findet  naturgemäss  auch  eine  gesteigerte  Oxydation  statt, 
welcher  Process  tortsehreitet,  bis  der  Entzündnn.nspunkt 
erreicht  ist  und  eine  Feuererscheinun.g  auftritt."  Dass 
auch  hierlici  mikroskopisch  kleine  Organismen,  Spaltpilze, 
eine  Rolle  spielen,  darauf  hat  zuerst  Professor  Ferdinand 
Colin  in  Breslau  hingewiesen.  Verf.  giebt  alsdann  einen 
kurzen  geschichtlichen  Ueberblick  über  die  Erkenntniss 
der  Körper,  welche  zur  Selbstentzündung  neigen,  führt 
eine  Reihe  von  Elementen  und  ihren  Verbindungen  (festen, 
flüssigen  und  gasförmigen)  an,  welche  hierher  gehören, 
sowie  Beispiele  von  darauf  zurückführbaren  Bränden  und 
den  dabei  stattfindenden  Vorgängen  und  konmit  dann  kurz 
auf  seine,  Dr.  Kiesling's  und  Dr.  H.  Ranke's  Versuche  zu 
sprechen  behufs  Ermittelung  der  Entzündungstemperatur 
verschiedener  Stoffe.  Nachdem  er  endlieh  noch  darauf 
hingewiesen  hat,  wie  schwierig  es  ist,  die  Versuche  der 
Wirklichkeit  entsprechend  zu- gestalten,  da  neben  der  Ver- 
schiedenheit der  Stoffe  auch  die  jedesmalige  Witterung 
(Barometerstand,  Temperatur  und  Feuchtigkeit  der  Luft, 
Stand  der  Somie,  Stärke  des  Windes  etc.)  nicht  ohne  Ein- 
fluss  ist,  geht  er  auf  die  Besprechung  der  für  Handel, 
Verkehr,  Industrie,  Landwirthschaft  und  Haushalt  wichtig- 
sten Stoffe  ein  und  behandelt  zunächst  die 

Steinkohlen, 

dieses  jetzt  und  für  die  nächste  Zukunft  wichtigste  Brenn- 
material, welches  an  allen  Stapel-  und  Lagerplätzen  in 
gewaltigen  Mengen  angehäuft  ist  und  bei  welchem  die 
meisten  Selbstentzündungen  vorkommen.  Von  den  mine- 
ralischen Beimengungen  kommen  hier  die  Verbindungen 
des  Eisens  und  Schwefels,  der  Schwefelkies  oder  Pyrit 
und  der  Wasserkies  oder  Markasit,  in  Betracht,  von  denen 
letzterer  der  gefährlichere  ist,  da  er  sich  am  leichtesten 
zersetzt.  Beide  zersetzen  sich  an  der  Luft,  indem  der 
Schwefel  sich  mit  dem  Sauerstoff  derselben  unter  Erhitzen 
verbindet  und  schwefelsaures  Eisen  entsteht.  Beschleunigt 
wird  dieser  Vorgang  noch  durch  Zutritt  von  Feuchtigkeit, 
wobei  dann  auch  die  Wärmeentwickclung  eine  intensivere 
ist  und  schliesslich  Selbstentzündung  eintritt.  Diese  Kiese 
sind  in  sehr  wechselnden  Mengen  in  den  Kohlen  vor- 
handen; während  manche  nur  Spuren  davon  enthalten, 
glänzen  andere  durch  reichliche  Mengen  derselben  wie 
Messing.  Von  den  englischen  Kohlen  sind  die  der  Zechen 
von  Cardift'  und  Wales,  besonders  aber  der  West  Hardley 
Maine  an  der  Ostküste  sehr  arm  daran  nnd  eignen  sicii 
deshalb  auch  besonders  für  den  Schiffstransport,  während 
diejenigen  der  Garn -Grube  in  Wales  davon  sehr  ange- 
reichert sind  und  bei  Seeleuten  und  Rhedern  in  bösem 
Rufe  stehen.  Der  verschiedene  Gehalt  der  Kohle  an  diesen 
gefährlichen  Beimengungen  je  nach  ihrer  Herkunft  nia.i;' 
schon  zu  absichtlichen  Täuschungen  Veranlassung  gegcl)en 


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Naturwisseuschaftliche  Wochenschrift. 


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haben  und  Verf.  ist  der  Meinung,  dass  beim  Schififstransport 
von  Steinkohlen  die  betreffenden  Behörden  scharf  auf 
das  Vorhandensein  von  Seliwefelkies  und  Wasserkies  achten 
und  Kfdilen  von  solchen  Gruben,  welche  ervviesenerniaassen 
kiesreiche  liefern,  von  der  Verschiffung  ausschliessen 
müssteu.  Liebig's  im  Jahre  1866  auf  Veranlassung  der 
Vegesacker  Seescbiffcr-Gescllschaft  abgegebenes  Gutachten 
bezeichnet  den  Gehalt  der  Kohlen  an  Schwefelkiesen, 
worauf  Wasser  und  Luft  leicht  einwirken  können,  als  Ur- 
sache  der  Selbstentzündung.     Kohlen   dürften   nicht  nass 


oder   bei  Regen   verladen   werden    und    seien 


in   grossen 


Stücken  weniger  gefährlich  denn  als  Kohlenklein.  Um 
den  Einfluss  der  Luft  und  des  Wassers  abzuhalten,  thue 
mau  gut,  die  Kohlen  beim  Verladen  in  das  Schiff  schicht- 
weise mit  Steinkohlentheer  zu  besprengen. 

Eine  andere  grosse  Gefahr  für  Kohleuladungen  auf 
Schiffen  bildet  der  Kohlenwasserstoff  oder  das  Gruliengas, 
CH*,  welches  aus  den  Spalten  und  Rissen  der  Stückkohlen 
besonders  beim  Einladen  in  den  Schiffsraum  und  durch 
heftige  Bewegungen  auf  dem  Transport  entweicht  und  mit 
S — 10  Theilen  atmosphärischer  Luft  ein  leicht  exi)lodiren- 
des  Gemenge  bildet,  das  sich  an  einem  Funken  oder  Licht 
sofort  entzündet  und  furchtbare  Explosionen  hervorruft. 
Diese  Art  der  Entzündung  hat  mit  Selbstentzündung  nichts 
zu  tliun,  bildet  aber  eine  mindestens  ebenso  grosse  Gefahr 
für  den  Seemann,  zumal  das  Grubengas  nicht  durch  den 
Geruch  wahrnehmbar  ist.  Die  Untersuchungen,  welche 
hinsichtlich  der  ersteren  angestellt  worden  sind,  haben 
auch  stets  die  letzteren  berücksichtigen  müssen,  daher  sind 
beide  nicht  von  einander  zu  trennen. 

Alle  liisher  angestellten  Ermittelungen  uud  darauf 
bezüglichen  Schriften,  sowie  die  Untersuchungen  des  Verf. 
(Bericht  der  im  Jahre  1876  eingesetzten  englischen 
Commissiou;  Steinkohlenladungen  in  Kauffahrtei- 
schiffen etc.,  bearbeitet  im  Auftrage  des  Reichs- 
amts des  Innern,  Berlin  188U;  ferner  das  Buch  des 
Navigationslehrers  W.  Döring,  Feuer  im  Schiff  etc., 
Hamburg  1888)  haben  zu  folgenden  Ergebnissen  betreffs 
der  Entstehung  von  Schifisbränden  durch  Selbstentzündung 
der  Kohlen  uud  Gasexplosionen,  wie  der  Mittel  und  Wege 
zur  Verhütung  derselben  geführt:  Der  Zutritt  von  Luft, 
besonders  feuchter,  bewirkt  die  <  »xydation  des  Schwefel- 
kieses, namentlich  in  bröcklicher  Kohle;  es  tindet  dabei 
Wärmeentwickelung  statt,  welche  sich  bis  zur  Selbstentzün- 
dung steigern  kann.  Begünstigt  wird  dies  durch  das  Zer- 
brechen der  Kohlen  beim  Einladen  und  durch  das  Zer- 
kleinern derselben  durch  Reiben  in  Folge  schweren  Ar- 
beitens  des  Schiffes  bei  stürmischem  Wetter.  Diesen 
Ursachen  dürften  auch  die  häufigen  Fälle  von  Selbst- 
entzündungen von  Kohleuladungen  auf  Schiffen  unter  den 
Tropen  (der  hohe  Feuchtigkeitsgehalt  der  Luft)  uud  in 
der  Gegend  von  Cap  Hörn  zuzuschreiben  sein.  Mit  der 
Grösse  der  Ladung  und  der  Länge  der  Reise  wächst 
auch  die  Gefahr.  Rheder  und  Sehiftseigenthümer  sollen 
beim  Empfang  des  Ladungsauftrages  auf  den  Sehwefelkies- 
gehalt  der  Kohlen  achten.  Eine  allgemeine  Ventilation 
des  Schiffsraumes  ist  nicht  zu  empfehlen,  dagegen  eine 
kräftige  Obertläehenventilation,  bei  welcher  durch  eine 
Oett'nung  ein  starker  Luftstrom  über  die  Kohle  geleitet 
und  durch  eine  zweite  Üeffuung  wieder  ins  Freie  geführt 
wird.  Die  Lagerung  der  Kohlen  ist  möglichst  so  zu  be- 
wirken, dass  sie  beim  Stampfen  uud  Rollen  des  Schiffes 
möglichst  festliegen  (Einbauen  von  Längs-  und  Quer- 
schotten). Sehr  wichtig  sind  Temperaturmessungen  in 
verschiedenen  Theilen  der  Ladung,  weil  dadurch  der  See- 
mann auf  die  Gefahr  aufmerksam  wird  und  vielleicht  noch 
rechtzeitig  einen  Nothhafen  anlaufen  kann.  Der  Seemann 
soll  ferner  genaue  Barometerbeobachtungen  anstellen,  da 
sich    die  Explosionsgefahr    bei    abnehmendem  Luftdruck, 


namentlich  beim  plötzlichen  Fallen  des  Barometers,  stei- 
gert. Ferner  soll  das  Kohlenlager  eines  Schiffes  nur  mit 
einer  zuverlässigen  Sicherheitslauipe  betreten  werden.  Zum 
Löschen  von  brennenden  Schiffsladungen  hält  die  eng- 
lisciie  Kommission  Kohlensäure  nicht  für  empfehlenswerth, 
da  dieselbe  keinen  kühlenden  Eintiuss  ausübt,  sondern 
allein  Wasser  und  Dampf.  Die  Breussisehe  Technische 
Conunission  für  Seeschifffaln-t  rieth  von  dem  Erlasse  sicher- 
heitspiiiizciliclier  Vorschriften  ab  und  empfahl  dafür  Be- 
lehrung und  Wanumg  der  betreffenden  Bernfskreise  mittelst 
kurzer  gemeinverständliclier  Anleitung  —  ihrer  Anregung 
entsprang  die  oben  genannte  Seinift  (unentgeltliche  Ver- 
theilung  derselben  durch  die  Seemannsäinter  an  Schiffer, 
Matrosen  und  Heizer;  Unterricht  auf  den  Navigations- 
schulen —  Prüfungen). 

Verf.  führt  alsdann  zur  Illustrirung  der  Wichtigkeit 
seiner  Ausführungen  17  Kohlensehiffe  an,  welche  von  Mitte 
181)0  bis  zur  selben  Zeit  1892  verloren  gegangen  sind. 
Davon  sind  7  total  verbrannt,  2  liefen  mit  brennender 
Ladung  Nothhafen  an  und  8  sind  verschollen.  Von  diesen 
hatten  12  die  amerikanische  Westküste,  .3  andere  Trojien- 
gegendeu  zum  Ziel,  und  nur  je  eins  verbrannte  an  der 
norwegischen  resp.  fran/.ösisclien  Küste.  Die  Liste  ist 
dabei  keineswegs  vollständig,  sondern  enthält  nur  die  dem 
Autor  sicher  bekannt  gewordenen  Fälle.  Der  Verlust  aller 
Nationen  für  Dampfer  beläuft  sich  im  Durchschnitt  (ziem- 
lich constant  während  der  letzten  Jahre)  jährlich  auf 
180,000  Tonnen  Netto  und  betrug  für  Segcischiffe  1891 
480,000.  1892  sogar  634,000  Tonnen.  Rechnet  man  nach 
dem  Vei-f.  nur  für  Segelschiffe  4  "/;,  als  auf  Selbstentzün- 
dung und  (iasexplosion,  so  ergiebt  dies  allein  im  letzten 
Jahre  über  20,000  Tonnen. 

H.  erwähnt  alsdann  noch  das  Preisausschreiben  der 
Deutschen  Spediteur-  und  RhedereiZeitung  (F.  W.  Rade- 
niacher  in  Hamburg)  „zur  Erlangung  eines  chemischen 
Mittels  oder  einer  maschinellen  Einrichtung,  wodurch  die 
Selbstentzündung  von  Koldenladungen  in  Seeschiffen  durch- 
aus sieher  uud  ohne  weiteres  vermieden  werden  kann", 
das  Vermeiden  des  Kenterns  der  Schiffe  und  Löschen  des 
Brandes  durch  Kohlensäure,  und  bespricht  alsdann  die 
Selbstentzündung  von  Stein-  und  Braunkohlenlagern.  ( »b- 
wohl  auf  dem  Lande  in  Folge  des  Wegfallens  der  mecha- 
nischen Wärmeentwickelung,  wie  solche  durch  die  heftigen 
Bewegungen  des  Schiffes  bei  unruhiger  See  hervorgerufen 
wird,  die  Fälle  von  Selbstentzündung  seltener  sind,  so 
ereignen  sich  dieselben  trotzdem  nicht  gar  selten,  wie  aus 
der  grossen  Menge  der  angeführten  ersichtlich  ist  (z.  B. 
brannte  am  8.  September  189()  das  Kohlenlager  von  Rick- 
mer's  Reismühlen  am  Neustadtsdeich  in  Bremen,  am  8.  August 
1891  dasjenige  der  Gasanstalt  in  Mainz  etc.  etc.).  Wie 
sehr  die  Feuchtigkeit  hierbei  mitwirkt,  beweist  der  Brand 
eines  grossen  Kohlenlagers  in  Iquique,  das  unter  freiem 
Himmel  sich  befand,  während  ein  zweites,  welches  nur 
überdacht  war,  keine  abnorme  Temperatur  zeigte.  Ueber- 
liaupt  vermehrt  das  Lagern  der  Kohlen  unter  freiem 
Himmel  nicht  allein  die  Gefahr  der  Selbstentzündung, 
sondern  entwerthet  dieselben  auch,  indem  die  Gasausbeute 
(bis  7  %)  geringer  wird.  Nachdem  Verf.  noch  über  die 
IJildung  von  Bittersalz  bei  einem  brennenden  Kohlenlager 
berichtet  hat,  erwähnt  er  endlich  die  Abhandlung  von  Vogler 
(Hansa,  Zeitschrift  für  Seewesen,  1889),  in  welcher  die 
Selbstentzündung  der  Steinkohle  nicht  ihrem  Gehalt  an 
Schwefelkies,  sondern  ihrer  porösen  Beschaffenheit  zuge- 
schrieben wird. 

In  ebenso  eingehender  Weise  behandelt  H.  als- 
dann die 

Baumwolle, 

welche  nach  den  Steinkohlen  die  meisten  Schiffsbrände 
verursacht  hat.     Aber    nicht  allein  auf  Schiffen   kommen 


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Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


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Brände  dieses  Stoffes  vor,  sondern  auch  in  Laj^erschuppen, 
Falirikeu  und  nicht  am  seltensten  auf  Eisenhahnwagen. 
P^s  iiandclt  sich  hier  natürlicli  um  die  so,i;-cnanntc  rohe 
Baumwolle,  wie  dieselhe  in  ungeheuren  Quantitäten  in  den 
Vereinigten  Staaten  von  Nordamerika  (jäln-licli  ca.  8  Mil- 
lionen Ballen)  producirt  und  in  ausserordentlich  fest- 
gepackten Balkan  in  grossen  Mengen  nach  Europa  aus- 
gefiiln-t  wird  (Bremen  jährlicii  ca.  S(X),000,  Liverpool 
2-'/4  Millionen  Ballen).  Verf.  führt  ein  umfangreiches  Ma- 
terial an  Gutachten  von  Oomniissioncn  und  Gelehrten, 
Erfahrungen  mit  Baumwolle  beschäftigter  Personen  und 
sehr  viele  statistische  Daten  über  Brände  etc.  an,  sowie 
endlich  seine  eigenen  Untersuchungen,  und  gieht  eine 
genaue  Darstellung  der  Structur  der  Baumwollfaser.  Sein 
Gesaunntresume  lautet  dahin,  „dass  eine  Scll)stcntzündung 
feuchter  Baumwolle  absolut  ausgeschlossen  ist  und  jeder 
Brand  auf  Funkentlug  oder  sonstige  äussere  Einwirkung 
zurück/.ufidn-en  ist".  Die  Gutachten  von  Prof.  Kraut  uml 
Prof.  Stahlschmidt  haben  die  Unmöglicldvcit  der  Scllist- 
entzünduug  der  Baumwolle  dargethan;  gleiches  hat  die 
englische  Commission  1887  erklärt  und  denselben  Stand- 
punkt nehmen  Fachleute  und  Schiffsführer,  wie  Capitän 
Corner  und  Willigerod,  ein.  Corner  führt  folgende  Ur- 
sachen für  Baumwollbrände  an:  Funken  von  Locomotiven; 
sorgloses  Fortwerfen  von  zum  Putzen  der  Maschinen  be- 
nutzten öligen  Baumwollabfällen;  Verstauung  von  Baum- 
wollsamenmeld  in  der  Nähe  der  Ballen;  Rauchen  auf  den 
Quais;  lose  Zündhölzer,  welche  sich  in  den  Taschen  der 
an  den  Bauniwollschrauben  arbeitenden  Leute  befinden 
und  oft  zwischen  die  Ballen  fallen;  Wirthschaften  auf  den 
Quais  —  und  schlägt  zur  Verhütung  folgende  Maass- 
nahmen  vor:  Gründliche  Sicherung  der  Vcntilationsröhren; 
Dichtung  der  Luken  mit  Werg,  um  sie  vollständig  luft- 
dicht zu  machen;  vollständig  dichter  Ver.schluss  der  Ventile; 
Anbringung  von  durchlöcherten  Röhren,  durch  welche 
jederzeit  Dampf  in  den  Raum  getrieben  werden  kann. 
Wer  nicht  mit  der  Structur  der  Baumwollfaser  vertraut 
ist,  kann  sich  ihr  Verhalten  bei  Bränden  nicht  erklären 
und  findet  natürlich  die  l)C(juemstc  Erklärung  für  die  Ent- 
stehung eines  Brandes  in  der  Selbstentzündung.  Im  Jahre 
]Si'i>^  schlugen  7  Wochen  nach  einem  Brande  in  Bre- 
men plötzlich  wieder  helle  Flannncn  aus  einem  der  ge- 
retteten Ballen  hervor,  und  in  demselben  Jahre  gerieth 
auf  2  Eisenbahnwagen  in  Wunstorf  die  Baumw(jllladung 
in  Brand,  trotzdem  manche  Ballen  mehrere  Zoll  tief  von 
Seewasser  durchdiungen  waren.  Das  Feuer  wurde  mit 
vieler  Mühe  gelöscht,  kam  aber  nach  6U  .Stunden  wieder 
zum  Ausbruch.  Verf.  führt  noch  zahlreiche  ähnliche  Bei- 
spiele an,  auf  welche  wir  hier  aber  nur  verweisen  müssen. 
Bei  demselben  Brande  in  Bremen  (1868)  gerieth  ein  Baum- 
wollballen in  die  Weser  und  wurde  erst  3—4  Wochen 
später  herausgefischt;  als  man  jedoch  die  Reifen  von  dem- 
selben entfernte,  schlugen  die  hellen  Flammen  daraus 
hervor.  Die  Erklärung  dieser  auffallenden  Erscheinungen 
liegt  in  der  Structur  der  Baumwollfaser;  dieselbe  stellt 
ein  breites  Band  mit  weiter  Röhre  dar,  in  welcher  Luft 
enthalten  ist.  Diese  Luft,  welche  sich  in  verhältniss- 
mässig  grosser  Jlenge  auch  in  der  kleinsten  F'aser  vor- 
findet und  trotz  der  starken  Pressung  an  der  ausser- 
ordentlich grossen  äusseren  und  inneren  Oberfläche  haftet, 
gestattet  dem  angeflogenen  Funken,  der  aussen  sofort  er- 
löschen würde,  ein  Fortglimmen  nach  innen  und  ermög- 
licht die  Entstehung  eines  inneren  Feuerherdes.  Verfasser 
fasst  die  Feuergefährlichkeit  der  Baumwolle  in  folgende 
Sätze  zusammen:  Sie  vermag  sich  leicht  zu  entzünden; 
absorbirt  die  brenzlichcn  Producte,  so  dass  ein  Schwelen 
durch  den  Geruch  nicht  bemerkbar  wird:  diese  Producte 
sind  sehr  leicht  entzündlich  und  nähren  wieder  den  Funken; 
die  Baumwolle  ist  ein  so  schlechter  Wärmeleiter,  dass  sie 


das  Feuer  wochenlang  im  Innern  zu  bewahren  vermag; 
sie  nimmt  kein  Wasser  an  und  wird  nur  theilweise  an  der 
äusseren  ( )berlläche  benetzt. 

In  einem  Falle  allerdings  vermag  sich  Baumwolle  von 
selbst  zu  entzünden,  wenn  sie  nändich  mit  Gel  getränkt 
ist.  Fette  Oele  besitzen  die  Eigenschaft,  aus  der  Luft 
Sauerstoff  zu  absorbiren;  diese  Absorj)tion  ist  um  so  in- 
tensiver, je  grösser  die  Oberfläche  ist,  nnt  welcher  das 
Oel  mit  der  Luft  in  Berührung  konnnt.  Eine  solch  grosse 
Oberfläche  findet  dasselbe  nun  in  der  Baumwolle;  daher 
die  intensive  Sauerstoft'aufnahmc  und  eine  starke  Wärme- 
cntwickelung,  welche  unter  Umständen  bis  zur  Entzündung 
sich  steigern  kann.  Für  Fabriken  ist  dies  sehr  wichtig; 
mancher  Brand  hat  schon  hierin  seine  Ursache  gehabt. 
Besonders  leicht  zur  Selbstentzündung  neigen  fettige  Putz- 
lappen von  Baumwolle  oder  Twist. 

Weiter  bespricht  Verfasser  dann 

Wolle,  Seide,  Werg  und  Jute 
hinsichtlich  ihrer  Feuergefährlichkeit. 

Die  Wolle  vermag  sich  ihrer  Structur  nach  nicht 
von  selbst  zu  entzünden,  wohl  aber  als  Abfälle  wiederum 
in  Verbindung  mit  fetten  Oelen  (Steinöl,  Mcdinöl,  Rüböl). 
Am  gefährlichsten  ist  eine  Mischung  von  Baumwolle  mit 
Wolle.  Die  Fabriken  wenden  daher  auch  hier,  gedrängt 
schon  durch  die  Versicherungsgesellschaften,  grösste  Vor- 
sicht an. 

Von  der  Seide  hat  der  Chemiker  Persoz  festgestellt, 
dass  sie,  mit  fremden  Stoßen  beschwert  (Rostbeize  etc.), 
leicht  zur  Selbstentzündung  neigt.  Beispiele  dafür  liefern 
ein  1878  (October)  auf  dem  Lloyddam})fer  „Mosel"  ent- 
standener, nur  mit  Mühe  gelöschter  Brand,  zwei  andere 
in  Pariser  Seidcnniagazinen,  und  endlich  ein  weiterer  in 
einem  New- Yorker  Packhause,  welche  sämmtlich  von  ge- 
färbten Seidenballen  ausgingen. 

Dass  Werg  (zerschnittenes  und  zerzupftes,  mit  Theer 
und  Oel  behaftetes  altes  Tauwerk,  welches  zum  Kalfatern 
der  Schiffe  benutzt  wird)  sich  selbst  entzünden  kann,  hält 
Verf.  in  Folge  eines  Pjrandcs  im  Anitshause  zu  Wilhelms- 
haven am  10.  October  1891  für  möglich  und  wahr- 
scheinlich. 

Ob  Jute  zur  Selbstentzündung  neigt,  hält  Verf.  noch 
für  eine  offene  Frage.  Ausgeschlossen  ist  da.ssellie,  zumal 
in  Berührung  mit  Oel,  bei  ihrer  Structur  inclit.  Ein  auf 
dem  englischen  Schifte  „Montevideo"  im  Juni  1891  aus- 
gebrochener Brand  wird  direct  von  vielen  darauf  zurück- 
geführt. In  Jutefabriken  wacht  man  sehr  scharf  darüber, 
dass  die  lagernden  Juteballcn  nicht  mit  Oel  in  Berührung 
kommen. 

Von  besonderem  Interesse  sind  H.'s  Ausführungen 
über  die  Selbstentzündbarkeit  des 

Heues. 

Dass  frisch  gemähtes  Gras  und  feuchtes  Heu,  wenn 
sie  in  Haufen  dicht  zusammengepackt  lagern,  starke  Wärme- 
entwickelung hervorbringen,  ist  eine  allen  Landwirthen 
bekannte  Thatsache.  Die  Erhöhung  der  Temperatur  in 
den  Haufen  ist  schon  nach  wenigen  Stunden  mit  der  Hand 
fühlbar  und  kann  sich  unter  Umständen  bis  zur  Entzün- 
dung steigern.  Nachdem  Ranke  in  München  durch  Ex- 
periment die  Möglichkeit  der  Selbstentzündung  dargethan 
hatte,  hat  Prof.  Ferdinand  Cohn  in  Breslau  die  hervor- 
ragende Thätigkeit  der  Heubacillen  dabei  nachgewiesen 
und  Prof.  Märkcr  in  Halle  als  die  Ursache  der  bedeu- 
tenden Temperatursteigerung  drei  Agentien  bezeichnet: 
In  dem  frischen,  halbfeucht  in  die  Scheunen  gebrachten 
oder  zu  Haufen  im  Freien  zusammengeschichteten  Heu 
lebt  die  Zelle  noch  weiter  und  bewirkt  durch  ihren 
Athmungsprocess    eine    bedeutende    Wärmcentwickelung; 


450 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  41. 


dazu  kommt  alsbald  eine  lebhafte  CTährthätigkeit  der 
mikroskopischen  Organismen  und  endlich  entwickelt  sieh 
durch  dircete  Oxydation  eine  ausserordentliche  Wärme. 

H.  erörtert  noch  die  Feuergefährlichkeit  einer  ganzen 
Reihe  anderer  .Stoffe.  Zwei  Fälle  sind  bekannt  geworden, 
in  denen  die  Entstehung  des  Brandes  auf  die  Selbstent- 
zündung von  Torfstreu  zurückgeführt  wurde.  In  dem 
einen  Falle,  wo  zwei  mit  diesem  Material  beladene  Eisen- 
bahnwagen verbrannten,  wird  die  JMöglichkeit  der  Selbst- 
entzündung von  fachmännischer  Seite  direet  bestritten,  in 
dem  anderen,  auf  einem  Schiffe  im  Jahre  1889  einge- 
tretenen, wurde  der  Brand  dadurch  hervorgerufen,  dass 
die  die  Torfstreu  enthaltenden  Säcke  durch  Leckage  mit 
Leinöl  durchtränkt  worden  waren. 

Von  Selbstentzündung  von  Kohlenzündern,  Fisch- 
guano und  Knochenmeld  sind  dem  Verf.  ])eglaubigte  Fälle 
berichtet  worden.  Durch  das  Fermentiren  des  Tabaks 
entsteht  ebenfalls  eine  beträchtliche  Wärme,  zumal  wenn 
derselbe  in  grossen  Mengen  angehäuft  ist,  wie  es  bei 
Schift'sladungen  der  Fall  ist;  der  Tabak  „schwitzt"  und 
verkohlt  unter  Umständen.  Dass  Schiffsladungen  von 
Tabak  in  Brand  geriethen,  ist  verbürgte  Thatsachc  —  die 
Segelschifte  „Windflower",  „Clementine"  und  „Bell".  Ein 
weiteres  sehr  gefährliches  Material  ist  Zinkstaub,  ein  zur 
Farbenfabrikation  benutztes  Pulver,  welches  in  Folge  seiner 
sehr  feinen  Zcrtheilung  bei  Zutritt  von  Feuchtigkeit  eine 
intensive  Oxydation  eingeht,  wobei  eine  bedeutende  Wärme 
entwickelt  wird,  die  sich  bis  zur  Entzündungstenii)eratur 
steigern  kann,  wie  denn  auch  aus  der  Praxis  ein  Fall 
(der  Dampfer  „Lord  Clyde")  bekannt  geworden  ist.  Von 
anderen  Stoffen  sei  hier  noch  der  Badescbwämme  ge- 
dacht, von  denen  einmal  eine  grössere  Quantität,  welche 
in  einem  Schuppen  lagerte  und  mit  Oel  in  Berührung  ge- 
kommen war,  in  Köln  einen  nicht  unbedeutenden  Brand 
verursachte. 

Verfasser  führt  noch  andere  Stoffe  und  Flüssigkeiten 
an,  von  denen  feststeht,  dass  sie  durch  grosse  Wärme- 
entwickelung Brände  verursachen  können,  —  wie  Press- 
kohleu,  Putzlappen,  Farbwaareu,  Schwefel-  und  Saljjeter- 
säure  — ;  indessen  verbietet  uns  der  Raum,  näher  darauf 
einzugehen,  und  verweisen  wir  daher  die  Leser  auf  die 
interessante  und  lehrreiche  Abhandlung  des  Herrn  Autors. 


Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben. 

Es  wurden  ei-uiuint:  Dr.  F.  A.  v.  Zenker,  onlciitlifher  Pro- 
fessor für  Staatsarzneikunde  und  pathologische  Analoiniy  an  der 
Universität  Erlangen,  zum  Kgl.  Geheimen  Rath.  —  Dr.  E.  A.  K  e  h  r  e  r , 
Doeent  für  (U'ganische  Clicmie  an  der  Techiiiscluui  Hotdischule  in 
Stuttgart,  zum  Professor.  —  I^rofessor  Dr.  Reuschle  zum  zweiten 
mathematischen  Hauptlehrer  an  der  Technischen  Hoclischule  in 
Stuttgart.  —  Dr.  P.  Bruns,  ordentlicher  Professor  und  Director 
der  chirurgischen  IClinik  an  der  Universität  Tübingen,  zum  General- 
arzt. —  Der  ausserordentliche  Professor  für  mathematische  Physik 
an  der  Universität  Innsbruck  Dr.  A.  Wassuiuth  zum  Ordinarius 
an  der  Universität  Graz.  —  Der  Professor  der  Mathematik  an  der 
Universität  Innsbruck  Dr.  L.  Gegenbauer  zum  Professor  an 
der  Universität  Wien.  —  Der  Professor  der  Physiologie  an  dei* 
Universität  Prag  Dr.  E.  Hering  zum  Hofrath. —  An  der  Univer- 
sität Wien  der  ordentliche  Professor  und  Director  des  zweiton 
<diemischen  Laboratoriums  Dr.  A.  Lieben  zum  Hofrath  —  und 
der  ausserordentliche  Professor  für  Ophtahnologie  Dr.  O.  Berg- 
meister zum  ordinirenden  Arzte  am  Krankenhauso  der  Rudolfs- 
Stiftung.  —  Am  Eidgenössischen  Polytechnikum  in  Zürich  Pro- 
fessor Dr.  Alfred  Werner  zum  ( h'dinarius  für  Chemie,  —  zu 
Assistenten  Dr.  G.  Stiner  und  Dr.  A.Hirsch  für  Mathematik, — 
Dr.  E.  Wälsch  für  darstellende  Geometrie  —  und  A.  Grol)  am 
pHanzenphysiologischen  Institut.  —  Geheimrath  Professor  Dr. 
Mcndelejew  zum  Director  des  obersten  Maass-  und  Gewichts- 
hofes in  St.  Petersburg.  —  Der  ausserordentliche  Professor  für 
Mathematik  an  der  Universität  Warschau  Dr.  Sinin  zum  Ordi- 
narius. —  Admiralitätsrath  Dr.  Hagen  zum  Director  der  physi- 
kalisch-technischen Reichsanstalt  in  Berlin.  —  Professor  Dr.  Käst 
zum  Director    der  Kgl.  Klinik    der    Universität  Breslau.    —    Dei' 


Apotheker  Paul  Zenetti  zum  Assistenten  am  pharmazeutischen 
Institut   der   Universität   Strassburg. 

Es  haben  sich  habilitirt:  An  der  Universität  München  der 
Assistent  am  physiologischen  Institut  Dr.  Max  Cromer  für  Phy- 
siologie —  und  Dr.  R.  May  für  innere  Medicin. 

Es  ist  gestorben:  Der  Director  der  meteorologisclieii  C'entral- 
station  für  Bayern  Professor  Dr.  Karl  Lang  in  München. 

Eine  üeberlandreise  durch  Asien  hat  Dr.  Josef  Troll  soeben 
beendet.  Nachdem  er  in  Kaschgar  überwintert  hatte,  ist  er  glück- 
lich durch  .Sibirien  und  die  Mongolei  in  Peking  angekommen. 


L  1 1 1  e  r  a  t  u  r. 


Dr.  Eugen  Rehfisch,  Der  Selbstmord.  Fiselier's  medicinische 
Buchhandlung  (II.  Kornfeld).  Berlin  1893.  —  Preis  1  Mk. 
Der  Selbstmord  erwächst  nacii  Kehfisch  auf  demselben  Boden 
wie  <lie  Geisteskrankheit  und  in  manchen  Fällen  das  Verbrechen; 
das  wird  g(^würdigt  werden  können  durch  den  Vergleicli  der 
Statistiken,  wie  das  der  Verfasser  thut.  Verf.  hat  im  Ganzen 
gegen  300  000  Selbstmordfälle  behandelt.  Er  findet,  dass  auf 
4  männliche  1  weiblicher  Selbstmörder  kommt,  nur  in  (irossstädten 
ist  das  Verhältniss  anders,  in  Berlin  2,8:1.  Die  Kinder  liefern 
1  Procent  der  Fälle,  dann  steigt  die  Zitier  von  der  Pubertät  bis 
zum  30.  Jahre  rasch  an.  Vom  60.  Lebensjahre  ab  sinkt  sie  wieder. 
In  der  dienenden  Classe  ist  der  Selbstmord  am  häufigsten,  auf 
223  Personen  I  Selbstmord,  während  bei  anderen  auf  2 — l,')  000 
Personen  1  Selbstmord  zu  constatiren  ist.  Beim  Militär  konnnen 
im  Ganzen  3  mal  so  viel  Selbstmorde  vor  als  im  Civilstande.  Die 
Mehrzahl  derselben  fallen  in  den  Sommer;  im  Mai,  Juni,  Juli 
sogar  31,6  Procent,  dieselben  Monate,  in  denen  die  Geisteskrank- 
lieiten  am  häufigsten  ausbrechen. 


Prof.  Dr.  Fr.  Schultze,  0eber  den  Hypnotismus  besonders  in 
praktischer  Beziehung.  Heft  105  iler  deutschen  Zeit-  und 
Streit-Fragen.  Verlagsanstalt  A.  G.  (vorm.  J.  F.  Richter.)  Ham- 
burg 1892.  —  Preis  1.  M. 

Verf.,  der  zuerst  auf  die  hypnotischen  Erscheinungen  durch 
die  Ex])erimente  Hansen's,  die  dieser  1879  und  1880  in  Heidelberg 
vorführte,  aufmerksam  wurde,  erläutert  die  Eigenthümlichkeiten 
des  hypnotischen  Schlafes  und  übt  an  den  Experimenten  der 
Autoren  Kritik.  Die  Heilwirkung  des  Hypnotismus  und  seine  Be- 
nutzung um  Organe,  an  denen  Operationen  vorgenonnnen  werden 
sollen,  schmerzlos  zu  macheu,  hiUt  Verf.  für  kaum  erfolgreich, 
jedoch  ist  die  Benutzung  des  Hypnotismus  bei  Hysterie  und  Hypo- 
chondrie beaclitenswerth.  Bei  den  eigentlichen  Geisteskrank- 
heiten ist  so  gut  wie  gar  kein  Erfolg  constatirt  worden.  So- 
wie ein  Schmerz,  oder  eine  abnorme  Empfindung  oder  eine 
Seeionstörung  ernsthafter  und  hartnäckiger  Art  ist,  hört  eben  die 
Heilwirkung  des  Hypnotismus  auf.  —  Die  Abliandhing  lieimelt 
den  Naturforscher  angenehm  an:  gehört  sie  doch  zu  denjenigen 
über  den  Gegenstand,  die  denselben  vorurtheilslos  und  ruhig  be- 
trachten.   

Berichte   der  Ifaturforschenden  Oesellschaft  zu  Freiburg  i.  B. 

In  Verbiuiluug  mit  Dr.  F.   llildebrand,  .1.  Lürotli,  .1.  von  Kries, 
(t.   Steinnumn,    E.  Warburg,    A.  Weissmann,    R.    Wiedersheim, 
Professoren  an  der  Universität,  herausgegeben  von  Dr.  August 
Gruber,    Professor    der   Zoologie    an    der   Universität  Freiburg. 
MI.  Band,  I.  Heft.     Mit  7  Tafeln  und  24  Abbildungen  im  Text. 
Akademische    Verlagsbuchhandlung    von    J.    C.   B.   Mohr    (Paul 
Siebeck).     Freiburg  i.  B.  und  Leipzig  1893.  —  Pnus  9  iMk. 
Rafael  Herrmann:    Das  Kulmgebiet    von   Lenzkirch 
im  Schwarzwald.    Dieses  Kulmvorkommen  ist  das  dritte  einer 
in  W.-O. -Richtung  streichenden  Reihe,  deren  erstes  sich  von  Baden- 
weiler bis  Schweighof  erstreckt,    wo    es  von  Granit  unterbrochen 
wird,    an    dessen    östlichem  Rande    der  Kulm    zum    zweiten   Male 
auftritt  und  in  beträchtlicher  Ausdehnung  sich  über  Schoenau  bis 
Menzenschwand  fortsetzt,  wo  eine  bedeutende  Granitmasse  ihn  ab- 
schneidet.    Oestlich    dieser   liegt   das  Kulmgebiet  \on  Lenzkirch. 
Dasselbe,    im  Allgemeinen   ein  Hochplateau,    wird    begrenzt    von 
den  Flüssen  Seebach  (N.),  Gutacli  (O.),   Geschindbacli  (S<1.),  Aha 
(SW.  und  W.),  durchflössen  von  der  Haslach  und  zeigt  eine  „aus- 
gesprochene Rundhöckerlandschaft",  sowie  deutliche  Spuren    einer 
Moränenbedeckung.    Nach  Samlberger  kommen  folgende  Pflanzen- 
reste  in  dem  Kulm  von  Lenzkirch  vor:  Archaeocalamites  radiatus 
Brongn.    sp.,    Adiantites    tenuifolius    Goepp.    sp.,    Lepidodendron 
Velthcimianum  Sterubg.  sp.  und  Cordaites  aft'.  teuuistriatus  Goepp. 
sp.    Umschlossen  wird  das  Geliiet  beinahe  ringsum  von  granitischen 
Gesteinen,    während    in   Decken   und  Gängen    zahlreich  Porphyre 
auftreten.     Die  Sedimentärgesteine   lassen  sich  gut  in  zwei  Coin- 
plexe  scheiden:     1.   ältere  schwarze  Schiefer,    bis  jetzt  ohne  orga- 
nische Einschlüsse  (Thouschiefor  und  untergeoi'dnete  Kieselschiefei'- 


Nr.  41. 


Natnrwisseiiscliat'tliche  Wochenschrift. 


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ErHl»fffeHingen)  iiiul  f'iinkiii-nige  Grauwiickun ;  "2.  jiinpu'e,  weiche, 
■  |)Haii/.ciit'(ilireiiile  Scliic!t'ur,  Con^loinci'iit(^  uml  (!riui\vackcii.  Diese 
niitpr  2.  :uit'Kefiilii-tcii  jiiiifistoii  Al)lapirnnf;'eii  zeig<!ii  koine.  Coiitaet- 
irintainorpiiose,  »iiid  in  ilirer  Lagcriiiif;-  ungestört  niiil  enthalten 
Geixillc  älterer  Gesteine  (Granit,  älterer  Scliieter  und  Gliinnier- 
porpliyrit).  Die  Flora  entspricht  der  cles  Kuhn  in  den  Vogesen 
•iind  anderer  Gebiete,  die  groben  (.'onglonierate  scheinen  in  den 
vrtgesen  zu  t'elilen.  Verfasser  ist  der  Meinung,  dass  der  Vogeson- 
kidni  vielleicht  dem  der  unteren  und  mittleren  Stufe  bei  Lenzkireli 
entspricht.  Mit  dem  Harz  und  Thüringen  zeigt  sich  eine  Ueber- 
einatijff'innng  dahin,  dass  sich  dort  sowohl  wie  bei  Lenzkirch  eine 
ältbre.Schiefer-  und  eine  jüngere  Conglomeratbildung  nnterseheiden 
lässt.  In  allen  diesen  Gebieten  und  in  den  Vogesen  nuiss  das 
Einpordringi'n  der  benachbarten  Granitmassive  in  der  Kuhnzeit 
stattgefunden  haben.  Hierzu  die  Ueber.sichtskarte  auf  Tafel  1. — 
A.  VVeissinann:  Historisches  zur  Lehre  von  der  Con- 
tiuuität  des  Keimplasmas.  —  L.  Zehnder:  Lieber  die 
Kefle.xion  und  die  Kesoniianz  der  Hertz'schen  elek- 
trischen Schwingungen.  Der  Verfasser  tritt  etwaigen  Miss- 
(leufungen  seiner  Ariieit  „Die  Natur  der  Funken  bei  den  Hertz- 
sehen elektrischen  Schwingungen",  nauientlieli  seitens  des  genannten 
Gelehrten  entgegen.  —  A.  Gruber:  Mikroskopische  Vivi- 
sectiou.  Die  vorliegende  Abhamllung  ist  die  Wiedergabe  eines 
poliuMren  Vortrages  über  Stentor,  speeicjl  Stentor  coeruleus. 
Der  lidialt  gehört  dem  Gebiete  der  K.xpcrinieutalpliysiologie 
an.  Ein  umfangreiches  Litteraturverzeiehniss  über  die  Gattung 
Stentor  und  ülier  vivisectorische  Experimente  an  Protozoen  ist 
angeschlossen.  —  W.  Seh  midie:  Beiträge  zur  Algonflora  des 
Schwarz  Waldes  und  der  Rh  ein  ebene.  Verfasser  hat  ver- 
schiedene Strecken  dieser  Gegenden  untersucht  und  giebt  in  der 
Arbeit  ein  Verzeichniss  nebst  theilweiser  Artbeschreibung  der  von 
ihm  coiistatirten  Formen,  sowie  natürlich  Aufschlüsse  über  ihre  Ver- 
breitung etc.  Er  unterscheidet  für  Baden  (die  Gegeml  um  Bodensee, 
Baar  und  Udenwald  ist  ausgenommen)  o  Florengebiete  der  Algen: 
L  das  Gebiet  des  Schwarzwaldes,  2.  der  kalliroichen  (iewässer 
der  Kheinebene,  3.  der  kalkarmen.  Dieselben  sind  durch  Fehlen 
resp.  Vorherrschen  mancher  Arten  und  Familien  gut  zu  unter- 
scheiden. Berücksichtigt  sind  fast  ausschliesslich  Desmidiaceen 
und  Palmellaceen;  Diatomeen,  Characeen  und  ilie  blaugrünen 
Algen  siiul  nicht  in  den  Kreis  der  LTntersuchung  gezogen.  Es 
werden  aufgeführt  aus  der  Ciasse  der  Rhodophyceae  4  Arten,  aus 
der  der  Chiorophyeeae  313;  unter  letzteren  gehören  51  Speeios 
der  Fannlie  der  Palmellaceae  und  191  der  der  Desniidiaceae  an. 
Hierzu  .5  Tafeln.  —  Valentin  Hacker:  Ueber  die  Bedeu- 
,  tung  des  Hau  ptnucle  olus.  Verf.  bringt  hier  eine  von  ihm 
!  gemachte  Beobachtung  zur  Kenntniss,  welclie  einen  Beweis  für 
'  seine  in  einer  früheren,  umfangreichen  Arbeit  (Das  Keimbläschen, 
seine  Elemente  und  Lageveränderungen,  I.  Theil.  Arcli.  f.  mikr. 
Anat.,  41.  Bd,  1893)  ausgesprochene  Ansicht  bildet,  wonach  der 
Hauptnucleolus  ein  Organulum  ist,  „welches  die  bei  der  Umbildung 
und  dem  Wachsthum  der  chromatischen  Substanz  entstehenden 
Spaltproducto  in  sich  aufnimmt,  umsetzt  und  speichert".  Er  beob- 
achtete an  lebenden  Eizellen  von  Echinus  microtuberculatus  ein 
periodisches  Wachsen  und  Abnehmen  (bis  zu  gänzlichem  Schwunde) 
der  grossen  centralen  Vakuole  des  Hauptnucleolus.  Die  Periode 
dauerte  bei  den  verschiedenen  Objecten  4 — 8  Stunden.  Verfasser 
schliesst  aus  diesen  Untersuchungen,  dass  der  Hauptnucleolus  mit 
seinem  Vakuolensystem  ein  pulsireuder  Apparat  ist,  „welcher  aus 
dem  umgebenden  Kernsaft  gewisse  Stotl'e  in  sicli  aufnimmt  und 
in  seinem  Innern  umsetzt".  —  Fr.  Pfaff:  Untersuchungen 
über  die  geologischen  Verhältnisse  zwischen  Kandern 
und  Lörrach  im  badischeu  Oberlande.  Die  Arbeit  behan- 
delt das  Gebiet  zwischen  dem  Sciuvarzwald  im  N.  und  dem  Wiese- 
Huss  im  S.,  resp.  zwischen  Kandern  (N.)  und  Lörrach  (S.),  und 
hat  zum  Hauptzweck,  die  Lagerungsverhältnisse  südlich  Kandern 
längs  der  verlängertet!  Haupt-Schwarzwald-Verwerfung  aufzuklären 
und  zu  ermitteln,  in  welcher  Weise  sich  die  Abbruchäerschei- 
nuugen  bei  allmählicher  Entfernung  vom  Schwarzwaldrande 
ändern.  Die  Ergebnisse  der  Untersuchungen  des  Verfassers  lassen 
sich  kurz  dahin  zusammenfassen,  dass  die  nach  der  Carbon- Zeit 
entstan<lene  Haupt  -  Schwarzwalddislocation,  welche  sich  in  fast 
genauer  N.-S. -Richtung  von  Kandern  über  Lörrach  l)is  an  den  Dinkel- 
berg bei  Basel  verfolgen  lässt,  und  zwei  weitere  Dislocations- 
linien,  deren  eine  bei  Kandern,  deren  andere  ni  der  Gegend  von 
Egerten,  südlich  von  Kandern,  jede  unter  60°  etwa,  auf  die  erste 
stossen,  in  dem  Gebiete  ganz  bedeutende  Schichtenstörungen  her- 
vorgerufen haben.  Die  verlängerte  Haupt-Schwarzwalddislocation 
hat  das  Gebiet  im  W.,  die  <^>uerdislocation  dasselbe  im  SW.  ge- 
senkt.    An    der    Zusammensetzung   des   Gebietes    sind    betheilijrt: 


Granit,  versteinerungsleeres  Rothliegendcs  (unteres,  mittleres  und 
oberes),  Trias  (Buntsandstein,  Muschelkalk  inid  Keuper),  .Iura 
(Lias,  Dogger,  Mahn),  Tertiär  (Oligocän,  Miocän  uikI  Plincän)  uml 
Diluvium.  Hierzu  1  Tafcd  nut  Kartenskizze  und  Profilen.  — 
Kenkitzi  Horiuchi:  lii'obaclitinigen  über  den  Genitalapparat 
eines  zweijährigen  Weibchens  von  Chilnpan^■e.  Anatomische 
Studien. 


Berntbsen,    Prof.    Dr.    A.,    Kurzes    Lehrbuch    der    organischen 

Chemie.     4.  Autl.     Braunschweig.     10,80  M. 
Blasius,  Wm.,  Stiirme  und  moderne  Meleorologi<\    Braunschweig. 

L'.ilO  M. 
Pischer-Sig^art,  H.,    Dii;  em-opäische  Sumpfschildkröte.     Fr.ink- 

furt  a.,M.     I,--'(l  M. 
Franck,    weil.    Dir.  Prof.  Dr.    Ludw.,    llanilimch    der    Airahunie 

der  Ha.usthiere    mit    beiomlerer  Berücksichtigung    des    Pferdes. 

3.  Aufl.     Stuttgart.     32  M. 
Hagemann,    Prof.  Dr.  Geo.,    Elemente   der  Philoso|due.     f).   Aufl. 

Freiburg  i./l!.     2,50  M. 
Holzapfel,    Prof.    Dr.    E.,    Das    Rheinthal     von    Bingerbrück    bis 

Lahnstein.      B.'rliu.      12   M. 
Koenen.    A.    v.,    Das    Norddeutsche    Unter  -  Uligocän    und    seine 

M.)llu.sken  Fauna.     Berlin.     21)  M. 
Krause,  Prof.  W.,   Die  anatomisclu^  Niunmiclatur.     Leipzig.     1  M. 
Ludert,  Hugo,    Ueber    lH'xauieta)ihosphorsaure  Salze.     H.amburg. 

IM. 
MöUmann,    Apoth.    Gust.,    Zusammenstidlung    der    Säugethiere, 

Viigel,    Reptilien,   Anipliiliieu    und   Fiselii'.     Quakenbrück.      1    M. 
Obersteiner,    Prof.    Dr.   Heinr.,    Die    Lehre    vom    Hvpnotisuuis. 

Wien.     1,80  M.  

Briefkasten. 

Herrn  Reallehrer  Dörfer  in  .Schwetzingen.  —  Ein  Werk, 
welches  sich  zum  lii'stinniuui  \'on  Naturkiirpcrn  eignet,  ist  Leunis, 
Synopsis  der  3  Naturreiche.  Leunis  hat  gerade  als  einen  wesent- 
lichen Zweck  dieses  grossen  Werki'S  (jeder  Theil  ist  einzeln  käuf- 
lich), das  Bestinnnen  der  ( )bjecte  angeselien,  während  in  ilen  nach 
seinem  Tode  erfolgten  Neu-Auflagen  diese  Tendenz  etwas  mehr  zu- 
rücktritt. Wir  würden  Ihnen  daher  empfehlen,  den  Versuch  zu 
machen,  die  letzte  noch  von  Leunis  selbst  besorgte  Aufl.  (die  gewiss 
anti(|uarisch  zu  haben  ist)  zu  beschaffen.  Freilich  finden  Sie  trotz 
des  Umfanges  des  Werkes  sidbstredeud  nur  die  wichtigeren  und 
häufigeren  Dinge  angeführt  und  beschrieben,  aber  es  ist  dennoch  in 
sehr  vielen  Fällen  von  grossem  Werth  als  Nachschlagebuch.     Red. 

Hr.  V.  in  K.  —  Die  besten  Bücher  über  die  deutschen  Käfer 
sind  Redtenbacher,  Fauna  Austriaca.  Die  Käfer.  III.  Aufl. 
und  Seidlitz,  Fauna  Baltica.  Die  Käfer.  11.  Aufl.  —  Einem 
Anfänger  ist  das  erstere  zu  empfehlen.  Für  e.xacte  Bestimmung 
der  Käfer  taugt  uKslir  das  Letztere;  doch  muss  ein  Anfänger  sich 
erst  in  das  genaue  Studium  der  Körpertheile  vertiefen,*)  bevor 
er  das  Werk  benutzen  kann.  —  Loupcn  in  allen  Numnu-rn  können 
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Mit  3  Holzschnitten.  Jena,  G.Fischer.   1885.    Preis  75  Pf. 

2.  Dr.  H.  Dewitz,  Anleitung  zur  Anfertigung  und  Auf- 
bewahrung zootomischer  Prä]>arate.  Mit  12  Tafeln.  — 
Berlin,  Ma,yer  &  Müller.     IS8H. 

3.  Prof.  M.  Braun,  Das  zootomische  Practicum.  Mit  122 
Figuren.     Stuttgart.     Ferd.    Knke.     188G.     Preis  7  M. 

4.  O.  Bachmann,  Leitfaden  zur  Anfertigung  mikrosko- 
jiischer  Dauerju-äparate.  Mit  87  Abbildungen.  München. 
R.  Oldenbourg.     1879.  Kolbe. 


*)  Hierzu    empfehlen    wir    Ihnen   Kolbe's   Einführung    in    die 
Insectenkunde.  Red. 


Inhalt:  Prof.  Alfred  Giard:  Lamarck's  Theorie  und  die  Vererbung  körperlicher  Abänderungin.  —  Raujienfrass  am  Kineholz 
des  Riesengebirges.  —  Der  Insectenflug.  —  XL.  Versammlung  der  Deutschen  Geologischen  Gesellschaft  in  (loslar  vom  14. 
bis  16.  August.  —  Bemerkung  zu  dem  Aufsatze  über  die  Natur  der  ehemischen  Elenuuite.  —  Ueber  Selbsti'ntzündung, 
insbesondere  von  Schiffsladungen,  Baumwolle  und  aiuleren  Faserstoffen,  Steinkohlen  und  Heuhaufen.  —  Aus  dem  wissenschaft- 
lichen Leben.  —  Lllleratur:  Dr.  Eugen  Rehfisch:  Der  Selbstmord.  —  Prof.  L^r.  Fr.  Schnitze:  Ueber  den  ll\pnotismus 
besonders    in    praktischer    Beziehung.  —  Berichte    der  Naturforschenden  Gesellschaft  zu  Froiburg  i.  B.  —  Liste.  —   Briefkasten 


452 


Natiirwissensehaftlicbc  Wochcuschrift. 


Nr.  41. 


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Mclolontha  vnigaris,  llylotiius  aliietis, 
Spoiidylis  biiprestoidis,  Khagiuni  l>it'as(-ia. 
tiiin,  Myrmecoleon  formicariiis  Libelliila 
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Redaktion:  7         Dr.  H.  Potonie. 

Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12,  Zimmerstr.  94. 


VIII.  Band. 

Sonntag,  den 

15.  October  1893. 

Nr.  42 

Abonnement:  Man  aboonirt  bei  allen  Bnchhandlungen  und  Post- 
anstalten,  wie  bei  der  Expedition.    Der  Vierteljahrspreis  ist  M  4.— 
Bringegeld  bei  der  Post  15  ^S  extra. 

-j|-             laserate  :  Die  viergespaltene  Petitzeile  40  ^.   Grössere  Aufträf;e  ent- 
<i^           sprecheutleu  Rabatt.  Beilagen  nach  Uebereinkunft,  Inseratenannabme 
JL                           bei  allen  Annoncenbureaiix,  wie  bei  der  Expeditton. 

Abdruck  ist  nur  mit  vollst 

sln(li;:;or  4{ii€^ncnan<>;abo  o;o»tatt4»t. 

Ueber  die  Ursachen  des  natürlichen  Todes. 


Von  R.  L  u  0  k  s. 


Werden  durch  irgend  welche  Umstände  an  einem 
Organismus  wielitige  Organe  verletzt  oder  sonstwie  in 
iliren  FnnctioTien  Terhindert,  so  tritt  ein  Stillstand  der 
Lebeusverrichtungcn  ein,  und  die  mit  dem  Leben  der 
organischen  Wesen  unauflöslich  verbundenen  eigenthüm- 
liehen  Erscheinungen  des  Stotfwechsels,  der  Bewegung  etc. 
verschwinden  vollständig,  der  Organismus  ist  todt.  Der 
Eintritt  des  Todes  kann  ein  ganz  allmählicher,  aber  auch 
ein  sehr  plötzlicher  sein,  je  nach  den  Umständen,  welche 
ihn  verursacht  haben.  Nun  hat  man  beobachtet,  dass  am 
Thierkörper,  wenn  der  Tod  bereits  als  detinitiv  einge- 
treten zu  constatiren  ist,  noch  mancherlei  Erscheinungen 
sich  bemerk! )ar  machen,  welche  an  die  Tbätigkeit  des 
lebenden  Individuums  erinnern,  so  dass  man  nicht  mit 
Bestimmtheit  sagen  kann,  in  welchem  Moment  der  Tod 
eintrat.  .Solche  postmortale  Erscheinungen,  wie  z.B.  Muskel- 
zuckungeu,  sind  nicht  nur  bei  niederen  Thieren,  als  Cö- 
lenteraten,  Würmern  etc.,  sondern  auch  in  höheren  Thier- 
classen  walirzunehmen,  wie  man  sich  leicht  überzeugen 
kann.  Es  geht  daraus  hervor,  dass  der  Tod  nicht  gleich 
den  ganzen  Organismus  erfasst,  sondern  dass  die  einzelnen 
Organe  oft  erst  längere  Zeit  nach  dem  erfolgten  defini- 
tiven Tode  abzusterben  beginnen.  Der  Tod  ist  also  nicht 
ein  Moment  des  Aufhörens  sämmtlicher  Lebenserschei- 
nungen, sondern  ein  allmäliliches  Verschwinden  derselben. 
Dabei  hat  man  noch  zu  beachten,  dass,  im  Gegensatze 
zu  dem  durch  Altersschwäche  erfolgenden  Tode,  bei  ge- 
waltsamer Unterl)rechung  des  Lebens  das  entfliehende 
Leben  sicli  oft  noch  erhalten  lässt,  wenn  rechtzeitig  Hilfe 
eintritt.  Wenn  hier  nun  vom  Tode  gesprochen  wird,  dann 
ist  nicht  nur  der  Zustand  gemeint,  wo  alle  Organe  auf- 
gehört haben  zu  fuuctioniren,  sondern  überhaupt  derjenige, 
von  welchem  aus  eine  Weiterfuhrung  des  Lebens  nicht 
mehr  möglich  ist. 

Die  gewaltsame  Unterbrechung  des  Lebens,  welche 
uns  täglich  in  so  reichlichem  Maasse  entgegentritt,  nennt 


man  den  unnatürlichen  oder  gewaltsamen  Tod,  indem  die 
davon  betrotfenen  Wesen  beim  Ausbleiben  der  verderb- 
liclien  Einwirkungen  wenigstens  vor  der  Hand  ilir  Leben 
weiter  gefristet  hätten.  Es  fragt  sieh  aber,  ob  die  Dauer 
ihres  Lebens  eine  unbegrenzte  sein  würde,  wenn  sie  von 
allem  verschont  blieben,  was  einen  unnatürlichen  Tod  im 
Gefolge  hat.  Die  Erfahrung  beantwortet  diese  Frage  mit 
nein,  indem  nämlich  auch  alle  diejenigen  Organismen, 
welche  angenscheinlich  allen  auf  gewaltsame  Vernichtung 
hingerichteten  Einflüssen  entzogen  sind,  früher  oder  sjiäter 
dem  Tode  anlieimfallen.  Der  Eintritt  dieses  Zeitpunktes 
kann  wohl,  wie  gezeigt  wurde,  früher  herbeigeführt  wer- 
den —  beim  gewaltsamen  Tode  —  nicht  aber  beliebig 
weit  hinausgeschoben  werden,  sondern  er  findet  bekannt- 
lich stets  innerhalb  gewisser  für  die  besondern  Arten 
charakteristischen  Grenzen  statt,  so  dass  er  dem  unbe- 
fangenen Beobachter  als  eine  mit  den  organischen  Wesen 
unauflöslich  verbundene  Eigenschaft  erscheint,  also  in 
ihrer  Natur  begründet  ist,  weshalb  man  ihn  auch  als  den 
natürlichen  Tod  bezeichnet. 

Es  drängt  sich  uns  nunmehr  die  Frage  auf,  warum 
ein  ()rganismus  stirbt,  der  augenscheinlich  von  allen  ver- 
derblichen Einwirkungen  verschont  geblieben  ist.  Für  die 
Beantwortung  dieser  Frage  bieten  sich  uns  zwei  Möglicli- 
keiten  dar,  entweder  ist  das  Unverletztsein  nur  ein  schein- 
bares, so  dass  die  dem  natürlichen  Tode  anheimfallenden 
Organismen  ebenfalls  in  Folge  von  Organverletzungen  etc. 
dem  Tode  verfallen,  wobei  es  dann  wunderbar  bleibt, 
dass  der  Eintritt  desselben  ein  so  präciser  ist,  oder  aber 
der  Tod  ist  eine  im  Wesen  der  organischen  Substanz  be- 
gründete Eigenthümlichkeit  derselben.  (Gölte.)  Die  zweite 
Möglichkeit  hat  die  geringste  Wahrscheinlichkeit  für  sich, 
indem  es  nicht  denkbar  ist,  wie  organische  Substanz  ent- 
stehen konnte  mit  der  immanenten  Nothwendigkeit,  nach 
relativ  kurzer  Zeit  zu  Grunde  zu  gehen.  Ausserdem  be- 
weisen  die  Protozoen  gerade   das  Ciciientheil,    indem  sie 


454 


Naturwissenschaftliche  Wocbenschrift. 


Nr.  42 


iu  gewissem  Sinne  unsterblich  sind.  Ich  schliesse  mich 
hier  der  Weissmann'schen  Theorie  von  der  „Continuität 
des  Keimplasmas"  an,  welche  eine  gewisse  Unsterblich- 
keit der  organischen  Grundsubstanz  für  unabweisbar  hält. 
Demnach  bleibt  zur  Motivirung  des  natürliclicn  Todes  nur 
noch  die  erste  ]\Iöglichkeit,  dass  sänuntliehe  Organismen 
an  den  Folgen  von  erworbenen  Verletzungen  sterben. 
Der  hier  nach  bestimmter  Zeit  eintretende  natürliche  Tod 
ist  aber  nicht  eine  Anpassungserscheinung  (Weissmann) 
in  der  Weise,  dass  die  Einführung  desselben  in  den  Kreis 
der  Metazoen  sich  auf  Zweckmässigkeit  gründet,  insofern 
nändich,  als  diejenigen  Individuen,  welche  der  Art  gegen- 
über ihre  Schuldigkeit  getlian  haben,  überflüssig  geworden, 
indem  sie  den  Xaehkonmien  den  Platz  wegnehmen,  ja 
sogar  schädlich  sind  dadurch,  dass  sie,  im  Kampfe  ums 
Dasein  nach  verschiedenen  Seiten  zu  krüppelhaften  Wesen 
umgewandelt,  nur  noch  schwächliche  Nachkonmicn  er- 
zeugen werden,  wodurch  die  Art  in  ihrer  Existenz  ge- 
fährdet wird,  sondern  eine  gewaltsame  Unter- 
brechung des  Lebens,  nur  mit  dem  Unterschiede, 
dass  diesellje  nicht  erst  bei  dem  betreffenden 
Individuum  sich  herausgebildet  hat,  sondern 
dass  sie  eine  von  den  Vorfahren  erworbene,  auf 
die  Nachkommen  vererbte  und  von  diesen  ver- 
stärkte ist. 

Die  mit  dem  Alter  eintretenden  Involutionserschei- 
nungen an  einem  Individuum  sind  daher  nur  eine  AVieder- 
holung  der  von  seinen  Vorfahren  im  Laufe  sehr  vieler 
Generationen  erworbenen  und  weiter  vererbten  Orgau- 
zerstörungen  und  der  Tod  die  dadurch  bedingte  Kata- 
strophe. Die  von  den  Wesen  erworbenen  Örgauverletzungen 
müssen  nämlich  dauernde  S|iarcn  zurücklassen,  da  nur 
wenige  Organismen  die  Fähigkeit  besitzen,  verletzte  oder 
verlorene  Organe  vollkommen  zu  ersetzen.  Etwas  anders 
liegt  die  Sache  bei  den  Protozoen,  welche,  soweit  man 
eben  sehen  kann,  die  Reproductionsfähigkeit  in  hohem 
Maasse  besitzen,  so  dass  eine  erworbene  Verletzung  für  das 
betroffene  Individuum  nur  eine  zeitweilige  ist  und  bis  zur 
nächsten  Fortjjflanznngsperiode  spurlos  verschwunden  sein 
kann,  und  bei  denen  die  ganze  Organisation  überhaupt 
eine  so  niedrige  ist,  dass  Organzerstörungen  im  eigent- 
lichen Sinne  des  Wortes  bei  ihnen  gar  nicht  vorkommen 
können.  Wenn  auch  scheinbar  gewisse  Stellen  des 
Körpers  diesen,  andere  jenen  Verrichtungen  dienen 
müssen,  so  ist  doch  jeder  Verlust  au  ihrem  Körper 
in  Folge  der  geringen  morphologischen  Dirterenzirung 
wohl  kaum  mehr  als  Substanzverlust.  Substanz  aber 
lässt  sich  vollkommen  ersetzen,  wie  ja  auch  die  That- 
sachen  lehren. 

Die  Unmöglichkeit  bei  den  Metazoen,  ganze  Organe 
oder  doch  hochdifferenzirte  Theile  derselben  ersetzen  zu 
können,  ist  die  erste  Ursache  des  naturlichen  Todes;  denn 
wenn  die  Elemente  des  Thierkörpers,  die  somatischen 
Zellen  selbst  die  Fähigkeit  besitzen,  sich  bis  ins  Unend- 
liche 7Ai  vermehren,  so  wird  doch  die  Wichtigkeit  dieser 
Fähigkeit  hier  illusorisch,  da  bei  den  höheren  Thieren 
die  somatischen  Zellen  sich  in  einem  bedeutenden  Ab- 
hängigkeitsverhältnisse befinden,  wodurch  eben  die  vor- 
handene Arbeitstiieilung  mögHch  wurde.  Die  nächste 
Folge  davon  ist  nun  die,  dass  Zerstörungen,  welche  au 
einem  Zellcomplex  auftreten,  die  mit  ihnen  in  Beziehung 
stehenden  übrigen  Zellen  in  Mitleidenschaft  ziehen  müssen. 
Durch  einen  Heilungsprocess  können  verloren  gegangene 
Zellen  infolge  ihrer  eigenen  Vermehrungsfähigkeit  ersetzt 
werden,  das  ist  zweifellos,  aber  es  ist  fraglich,  ob  bei 
der  Heilung  nicht  Verschiebungen  zu  Ungunsten  des  be- 
troffenen Organes  stattfinden  können  und  werden.  Ist 
jedoch  ein  Organ  vollständig  zerstört,  oder  sind  Theile 
desselben  verloren  gegangen,  dann  kann  ein  Ersatz  nicht  | 


mehr  stattfinden,  weil  der  Verlust  bestiunnte  Zellgruppen 
betrotfen  hat,  welche  sich  von  allein  nicht  wieder  erzeugen 
können,  deren  Vorhandensein  aber  zur  Anlage  und  Aus- 
bildung des  beschädigten  Organs  nöthig  waren.  Jede 
ungünstige  Veränderung,  so  gering  sie  auch  immer  sein 
mag,  muss  aber  auf  die  Ernährung,  überhaupt  auf  die 
ganze  weitere  Entwickelung  des  betroffenen  Individuums 
zurückwirken,  unisomehr,  je  häufiger  solche  Widerwärtig- 
keiten sich  einstellen.  Ich  sage:  „so  gering  die  Y&r- 
änderung  auch  sein  mag",  weil  ich  überzeugt  bin,  wie 
ich  auch  in  einem  früheren  Aufsatze  über  Vererbung  er- 
worbener ( »rganabänderungen  nachzuweisen  versucht  habe, 
dass  es  geraile  die  ganz  geringen  Veränderungen  der  (Or- 
gane sind,  welche,  nachdem  sie  bereits  auf  das  betrolfeue 
Thier  selbst  nachtheilig  gewirkt  haben,  auch  auf  die 
Nachkommen  desselben  ihre  abschwächenden  Einflüsse 
geltend  machen,  während  bedeutende  Umwandlungen  dazu 
weniger  im  Stande  sind,  weil  sie  die  ganze  weitere  Ent- 
wickelung in  bedeutendem  Maasse  henmien,  so  dass  sie 
in  vielen  Fällen  den  Tod  nach  sieh  ziehen  und  ebenso 
oft  das  Individuum  zur  Fortpflanzung  untauglich  machen. 
Damit  soll  jedoch  nicht  gesagt  sein,  dass  sie  nicht  auch 
bisweilen  als  bedeutende  Faktoren  in  Rechnung  zu  ziehen 
sind.  Die  Vererbung  fehlerhafter  Anlagen  muss  sich  mit 
mindestens  annähernd  derselben  Kraft  äussern,  mit  der 
sich  Orgauverbesserungen  vererl)en,  um  so  mehr,  als  auch 
Seleetion  auf  beide  gleichmässig  ihre  A\'irkung  ausübt. 
Die  Verschlechterung  wichtiger  Organe  wird  aber  in  Ver- 
bindung mit  innner  mehr  hinzukommenden  selbst  erwor- 
benen Fehlern  früher  oder  später  zu  einer  hochgradigen 
Absciiwäcbung  der  Organe  führen,  dass  das  betrefl'ende 
Wesen  nicht  weiter  leben  kann,  weil  sein  Organismus 
nicht  mehr  in  ausreichender  Weise  funetionirt  und  der 
Tod  durch  Erschöpfung  eintritt.  Man  wird  sich  sehr  wohl 
au  diesen  Gedanken  gewöhnen  können,  wenn  mau  stets 
im  Auge  behält,  dass  die  Verschärfung  der  fehlerhaften 
Anlagen,  welche  wir  kurz  Todesursachen  nennen  können, 
eine  ganz  geringe  ist,  so  dass  ihr  definitiver  Abschluss 
erst  im  Laufe  vieler  Generationen  erfolgen  konnte.  Dem- 
nach müssen  die  ersten  Metazoen  ein  sehr  hohes  Alter 
erreicht  haben,  vorausgesetzt,  dass  sie  keinen  gewalt- 
samen Tod  starben.  Nachdem  der  natürliche  Tod  aber 
erst  einmal  gegeben  war  als  unausbleibliche  Folge  der 
relativ  geringen  Widerstandsfähigkeit  des  Thierk(>rpers 
gegen  nachtheilige  Einwirkungen,  musste  er  auch  allge- 
mein werden.  Die  Unregelmässigkeit,  mit  der  er  sieh  an- 
fangs einstellte,  glich  sich  im  Laufe  der  Zeit  in  Folge  be- 
ständiger Kreuzung  immer  mehr  aus,  bis  er  schliesslich, 
für  jede  Art  normirt,  nur  noch  zwischen  ganz  geringen 
Grenzen  schwankend  eintritt.  Dass  es  wirklich  für  jede 
Art  eine  durchschnittliche  Lebensdauer  giebt,  ist  zu  bekannt, 
um  an  dieser  noch  besonders  erörtert  zu  werden.  Ganz 
bedeutimgslos  für  die  obigen  Ausführungen  ist  die  That- 
sache,  dass  die  äusserste  Lebensgrenze  von  einzelnen  In- 
dividuen um  ein  bedeutendes  überschritten  wird.  Erb- 
lichkeit, Langlebigkeit,  bessere  Constitution  oder  gar  eine 
Art  von  Rückschlag  mögen  die  Ursachen  davon  sein. 
Dass  in  der  Zeit,  nach  welcher  der  Tod  bei  männlichen 
und  weiblichen  Individuen  einer  Art  eintritt,  oft  bedeu- 
tende Unterschiede  sich  bemerkbar  machen,  sind  Verhält- 
nisse, die  noch  zu  wenig  aufgeklärt  sind,  um  hier  näher 
beleuchtet  zu  werden. 

Aus  dem  bisher  Entwickelten  ergiebt  sieh  mit  unab- 
weisbarer Gonsequenz  ein  Sehluss  von  der  grö.ssten  Trag- 
weite. Es  ist  nämlich  Thatsache,  dass  erworbene  Ver- 
letzungen etc.  auf  die  entsprechenden  Organe  der  Nach- 
kommen schwächend  einwirken,  dass  diese  Schwächen 
im  Laufe  vieler  Generationen  sich  immer  mehr  erhöhen, 
und  schliesslich  Ursachen  zum  natürlichen  Tode  werden, 


Nr.  42. 


Niiturwisscnselial'tliclie  WoclicnscliiiCt. 


455 


so  dass  letzterer  eine  erworbene  und  vererbbare  Eigen- 
schaft ist,  dann  niiiss  der  Eintritt  desselben  immer  früher 
stattfinden,  so  dass  die  durchsclinittliche  Lebensdauer  der 
Individuen  einer  Art  eine  innner  kürzere  wird.  P^s  dürfte 
Wühl  mit  ciidger  Mühe  nachzuweisen  sein,  dass  die  durch- 
schnittliche Dauer  des  Lebens  tbatsäehlich  im  Abnehmen 
begriften  ist.  Wenn  die  Abnahme  auch  noch  so  gering- 
ist, so  dürfte  doch  ihr  Voriiandcnsein  l)edeutungsvoll  genug 
sein.  So  schwerwiegend  der  gezogene  Schluss  ist,  so 
wahr  ist  er.  l!ei  manchen  Insecteuarten  ist  die  durch- 
schnittliche Lebensdauer  bereits  soweit  herabgesnnken, 
dass  ihre  Mitglieder  sich  nicht  mehr  im  reiten  Zustande 
fortpflanzen  können,  sondern  bereits  vor  vollendeter  Ent- 
wickelung  ihre  Eier  etc.  ablegen,  wie  z.  B.  bei  Palingenia. 
Es  ist  hier  nicht  anzunehmen,  dass  die  betretlcndc  Art 
seit  ihrer  Entstehung  ein  solch  kurzes  Leben  besessen  hat, 
sondern  es  liegt  hier  ein  Fall  vor,  aus  welchem  wir  mit 
liestinnntheit  entnehmen  können,  dass  es  ganz  eigenartige 
Verhältnisse  gewesen  sein  müssen,  welche  diese  kurze 
Lebensfähigkeit  nothwendig  erforderten.  Zwar  hält  man 
diese  Verhältnisse  für  einen  besondern  Fall  von  Anpassung, 
doch  kann  ich  mich  dieser  Ansicht  nicht  auschliessen,  da 
keine  zwingenden  Gründe  dazu  vorhanden  sind.  Es  ist 
durchaus  nicht  erwiesen,  dass  die  bewusstcn  Insecteuarten 
mehr  der  Verfolgung  preisgegeben  sind  als  andere,  so 
dass  es  hier  nur  auf  möglichst  schnelle  Vermehrung  ab- 
gesehen sein  sollte.  Es  lässt  sich  dann  auch  nicht  ver- 
stehen, warum  das  Thicr  sofort  nach  dem  Eierlegen  ab- 
stirltt.  Hier  wäre  doch  Langlebigkeit  in  ^'erl)indung■  mit 
starker  Fortptlairzungsfähigkeit  das  einzige  Mittel,  um  der 
Vernichtung  der  Art  zu  steuern.  Ich  halte  dafür,  dass 
bei  den  paragenetisch  sich  fortpflanzenden  Thieren  die 
aus  sich  stetig  vermehrenden  vererbten  Todesursachen  sich 
ergebende  Verkürzung  der  durchschnittlichen  Lebensdauer 
bereits  auf  einem  sehr  niedrigen  Standpunkte  angelangt 


ist.    Weitere  Verkürzung  muss  das  Aussterben  der  Art  zur 
Folge  haben. 

Es  tritt  nun  an  uns  die  Frage  heran,  wie  es  unter 
solchen  Umständen  möglich  war,  dass  gewisse  Arten  von 
Thieren  noch  im  Stande  waren,  sich  auf  einen  solchen 
relativ  hohen  Standpunkt  der  Entwickelung  zu  schwingen. 


wie  er  heute  vor  uns  liegt. 


Die  Antwort  auf  diese  Frage 


ist  bereits  angedeutet  worden.  Es  werden  wohl  die- 
jenigen Veränderungen  der  Organe  vererltt,  ^velche  eine 
Schwächung  der  letzteren  nach  sich  ziehen,  aber  auch 
und  zwar  in  hohem  Maasse  auch  solche  Veränderungen, 
welche  auf  Organverbesscrnugen  hinzielen.  Diese  beiden 
Vererbungsthätigkeitcn  sind  die  Ursachen  des  Lebens  und 
des  Todes.  Beide  sind  in  stetem  Kampfe  begriffen,  dessen 
augenblickliches  Resultat  zwar  auf  ein  auf  Zweckmässig- 
keit gerichtetes  Anpassungsin-inzip  schliessen  lässt,  aber 
man  darf  nicht  vergessen,  dass  manches,  was  uns  zweck- 
mässig scheint,  noch  nicht  innner  zweckmässig  ist,  und 
dass  Anpassung  nur  auf  Ausnutzung  gegebener  Verhältnisse 
beruht,  also  Folge  nicht  Ursache  ist. 

Die  Art  aber  in  ihrer  Entstehung,  Entwickelung  und 
Rücktdldung  giebt  uns  ein  vollstäncligis  Bild  von  dem 
Werden  und  Vergehen  des  einzelnen  Individuums  und 
umgekehrt.  Wie  jene  im  Laufe  der  Jahrtausende  sich 
zur  vorhandenen  Vollkonnneidieit  em[torgeschwnngen  hat, 
so  muss  das  Individuum  alle  die  Phasen  der  Entwickelung 
wenn  auch  in  ungemein  kurzer  Zeit  durchmachen,  und 
wie  dieses  im  Kami)fe  mit  den  Mühsalcn  und  Zufällig- 
keiten des  Lebens  sich  allmählich  Ijis  zu  seiner  Ver- 
nichtung aufreibt,  so  kann  auch  jene  den  \er(lerblicheu 
Einflüssen  auf  die  Dauer  nicht  entrinnen,  sondern  geht 
einem  langsamen  aber  sicheren  Untergänge  entgegen. 
Und  nur  wenigen  Wesen,  welche  auf  der  Höhe  der  Ver- 
vollkonminung  stehen,  ist  es  vergönnt,  ihre  untergegangeueu 
Brüder  auf  kurze  Zeit  zn  überdauern. 


„Oligodynamische"  Erscheinungen  in  lebenden  Zellen. 

Nach  oiucT  nacligeliLSseneu  Arbeit  von  Carl  von  N;ii;eli.*) 


Was  man  gewöhnlich  als  ganz  reines  Wasser  be- 
zeichnet, —  sagt  N.  —  nämlich  nicht  bloss  das  destillirte, 
sondern  auch  das  Brunnenwasser,  ist  für  das  Plasma 
(Protoplasma)  der  gesunden  Zellen  unter  gewissen  Be- 
dingungen todbringend,  während  das  sogenannte  unreine 
Wasser,  nämlich  Fluss-,  See-  und  Sumpfwasser  diese 
Wirkung  nie  hat.  Die  Untersuchungen  wurden  mit  Süss- 
wasseralgen  angestellt,  also  mit  Zellen,  die  an  das  Wasser 
gewöhnt  sind. 

Die  Veranlassung  zu  den  Untersuchungen  war  folgende. 
Im  Winter  1880/81  waren  von  den  Herren  Dr.  0.  Low 
und  Dr.  Bokorny  Studien  über  die  Lebensursache  des 
Protoplasmas  veröffentlicht  worden  mit  der  Behauptung, 
die  Lösungen  von  Silbernitrat  werden  durch  lebendes, 
nicht  aber  durch  todtes  Protoplasma  rcducirt.  Ich  wollte 
nur  durch  eigene  Beobachtung  ein  Urtheil  über  die 
Reactionserscheinungen  bilden  und  kann  die  Angabe  der 
Verfasser,  dass  unter  den  verschiedenen  Pflanzenzellen 
die  Süsswasseralgen  und  unter  diesen  die  Spirogyren  die 
geeignetsten  Objeete  seien,  bestätigen.  Das  Verhalten 
des  Zellinhaltes  zu  der  Silberlösung  Hess  sich  hier  bald 
in  überzeugender  Weise  erkennen,  insofern  als  die  in  der 
Zellflüssigkeit    gelösten    Albuminate    (Hygroplasma)    sieh 

*)  Die  in  Rede  stehende  höchst  bemerkenswerthe  Arbeit  ist  in 
den  „Neuen  Denkschriften  der  allfi;.  schweizer.  Gesellsch.  für  die 
gesamiiiten  Naturw."  (Bd.  XXXIII.  Ahth.  I,  189o)  erschienen  und 
von  S.  Schwendoner  herausgegeben  und  kurz  bevorwortct  worden. 


körnig  ausschieden  und  schwärzten,  die  ungelösten  aber 
(Stereoplasma,  Protoplasma)  ungeschwärzt  blieben.  Das 
Interesse  wendete  sich  aber  sofort  einer  anderen  Frage  zu. 

Um  die  Wirkung  des  Reagens  besser  studiren  zu 
können,  wurde  die  von  Low  angewandte  alkalisehe 
Lösung  von  salpetersaurcm  Silberoxyd  (1  NAgO;.  1  NH.j 
und  .3,6  K.,0  in  100  000  Wasser),  welche  fast  augenblick- 
liches Absterben  der  Zellen  verursachte,  noch  weiter  ver- 
dünnt und  daneben  auch  die  Wirkung  des  Silbersalzes, 
ebenso  des  Ammoniaks  und  des  Actzkalis  allein  geprüft. 
Sowie  nun  mit  steigender  Verdünnung  das  Absterben 
langsamer  eintrat,  zeigte  sich  die  merkwürdige  Erscheinung, 
dass  nicht  die  Veränderungen,  die  man  früher  beobachtet 
hatte,  langsamer  und  deutlicher,  sondern  dass  ganz  aiulers- 
artige  Veränderungen  sichtbar  wurden. 

Wenn  die  Spirogyren  durch  die  angegebene  oder 
wenig  verdünntere  Lösung  des  Silbersalzes  getödtet  werden, 
so  ninmit  das  bewalfnete  Auge  die  nändiehen  morpho- 
logischen lirscheinungen  wahr,  wie  wenn  der  Tod  durch 
eine  andere  giftige  Verbindung  oder  durch  Hitze  ver- 
ursacht wird  oder  wenn  bei  Zimmerkultur  aus  noch  un- 
bekannten Ursachen  die  Zellen  absterben  und  in  Fäulniss 
übergehen.  Der  ganze  Inhalt  mit  dem  Plasmaschlanch 
zieht  sich  wenig  von  der  Membran  zurück;  die  Bänder, 
ohne  ihre  gegenseitige  Anordnung  zu  verlassen,  ändern 
Farbe  und  (icstalt  (Querschnitt);  die  Zellflüssigkeit  trübt 
sich  körnig;  tler  ursprünglich  centrale  Kern  rückt  an  die 


456 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  42. 


Wandung-;  die  Zelle  verliert  ihren  Turgor.  N.  nennt  dies 
die  Erscheinungen  des  gewöhnlichen  Absterbens.  Die  des 
ungewöhnlichen  Absterbens,  die  bei  sehr  starker  Ver- 
dünnung des  Giftes  eintreten,  bestehen  vorzüglich  darin, 
dass  die  Chlorophyllbiinder  von  dem  l'Iasniascldauch,  der 
vorerst  noch  genau  in  seiner  ursprünglichen,  wandständigen 
Lage  verbleibt,  sicii  ablösen,  verkürzen  und  zusammen- 
ballen, wobei  die  Zelle  ihren  Turg-or  vorerst  noch 
behält. 

Es  war  nun  sehr  auffallend,  dass,  während  die  ge- 
wöhnliehen Veränderungen  mit  zunehmender  Verdünnung 
des  Silbersalzes  abnaiimen,  die  ungewöhnlichen  im  Gegen- 
theil  sieh  steigerten.  N.  glaubte  daraus  schliessen  zu 
können,  dass  die  ei'steren  die  Wirkung  des  Giftes,  also 
einer  chemischen  Ursache,  die  letzteren  die  Wirkung  einer 
andern,  nicht  chemischen  Kraft  seien.  Und  da  jede  der 
bekannten  Kräfte  ausgeschlossen  schien,  so  drängte  sich 
N.  die  Vernuitlmng  auf,  er  könnte  auf  die  >Spur  der  neuen 
Naturkraft  gekommen  sein,  deren  Vorhandensein  aus 
theoretischen  (Tründen  ihm  sein-  wahrscheinlich  war  und 
auf  dereu  Nachweisung  er  seit  Jahren  gelegcutlich  seine 
Aufmerksamkeit  richtete. 

Die  Lösung  des  Silbcrsalzcs  wurde  stetig  weiter  ver- 
dünnt. Die  ungewöhnlichen,  vorhin  näher  bezeichneten 
Ersclieinungen  traten  nun  in  voller  Reinheit  hervor;  aber 
was  ganz  unerwartet  und  paradox  war,  die  Wirkung 
Illieb  bei  fortschreitender  Abnahme  des  Giftes  selbst  bis 
zum  Verschwinden  desselben  ungeschwächt.  In  der 
quadrillionfachen  Verdünnung  starben  die  Algen  oft  schon 
in  0-— 4  Minuten.  Bei  dieser  Verdünnung  treffen  auf  1  1 
Wasser  bloss  noch  2  bis  3  Moleküle  Sill)crnitrat, 
27  Moleküle  Ammoniak  und  18  ^folcküle  Kali,  so 
dass  mit  vollkonnnener  Sicherheit  in  der  Mehrzahl 
der  Versuchsgläser,  welche  je  100  ccm  Flüssigkeit 
enthielten,  keine  Spur  des  giftigen  Silbersalzes  enthalten 
sein  konnte.  Die  Vermuthung,  dass  das  destillirte  Wasser, 
das  zu  den  Verdünnungen  verwendet  wurde,  die  unge- 
wöhnlichen Erscheinungen  bewirkt  halie,  kam  mir  an  und 
für  sich  sehr  unwahrscheinlich  vor;  denn  dasselbe  konnte, 
wie  wohl  anzunehmen  war,  nur  durch  den  Mangel  an 
Nährstoffen,  also  langsam  wirken.  Die  stärkste  Ver- 
dünnung tödtct  aber  die  am  kräftigsten  vegetirendeu  Spi- 
rogyren  bei  einer  Temperatur,  die  dem  lebhaftesten 
Waehsthum  entsprach,  wie  bereits  bemerkt,  oft  in  weniger 
als  4  Minuten.  Gegen  die  Annahme,  dass  das  destillirte 
Wasser  die  Ursache  des  Todes  sei,  sprachen  auch  die 
hin  und  wieder  mit  solchem  Wasser  angestellten  Versuche; 
denn  grössere  Mengen  der  nämli'hen  Pflanzen  blieben 
darin  stets  unverändert.  Indess  erwies  sicli  die  daraus 
gezogene  Folgerung,  dass  reines  Wasser  unschädlich  sei, 
später  bei  der  nälieren  Kemitniss  der  ursächlichen  Momente 
als  irrthümlich.  Auch  war  es  schon  vorher  selir  auf- 
fallend, dass  die  am  stärksten  verdünnte  und  eigentlich 
giftfreie  Flüssigkeit,  wenn  sie  gekocht  wurde,  ihre  nach- 
theiligen  P^igcnscliaftcn  ganz  oder  grösstentheils  verlor. 

In  diesem  ersten  Stadium  der  Untersuchung  sah  N. 
keinen  andern  Ausweg  als  die  Vermuthung,  es  könnte  die 
ungewülniliciie  Veränderung  durch  eine  von  dem  Silber- 
salz auf  das  Wasser  übergegangene  und  nunmehr  von  der 
Substanz  unabhängig  wirkende  Kraft  verursacht  werden. 
Mit  der  quadrillionfachen  Verdünnung  schien  die  Grenze 
der  Nachwirkung  erreicht  zu  sein. 

N.  nennt  nun  die  specifisclien  Wirkungen  des  Giftes 
die  chemischen,  diejenigen  der  noch  unlickannteu  Ursache 
die  olygodynamisclien. 

In  der  septillionfachen  Verdünnung  einer  Quecksilber- 
chloridlösung, die  in  1  1  Wasser  blos  noch  den  trillionsten 
Theil  eines  Moleküls  HgCl,  enthielt,  starben  die  Zellen 
mit  denselben  oligodynamischen  Erscheinungen  und  in  der 


angestellt 

Dazu  waren  aber  stets  verhältnissmässig 

von  Algen  verwendet 


gleichen  Zeit    wie    in    der  trillionfachcn  Verdünnung,  bei 
welcher  auf  1  1  mehr  als  eine  Million  Moleküle  traf. 

Es  war  nun  bewiesen,  dass  die  Vernuitlmng,  die 
oligodynamischen  Erscheinungen  könnten  von  einer  von 
dem  Gift  auf  das  AVasser  übergegangenen  Kraft  iier- 
rühren,  unrichtig  sei;  denn  sonst  hätte  die  übertragene 
Kraft  nach  Maassgabe  der  Verdünnung  abnehmen  und  ver- 
schwinden müssen,  während  im  Gegentheil  bei  einigen 
Versuchsreihen  die  schädliche  Wirkung  ungeschwächt  blieb 
oder  selbst  noch  zunahm.  Die  Ursache  der  Oligodynamik 
musstc  demnach  im  Wasser  oder  im  Glase  gesucht  werden. 
Culturen  in  reinem  destillirteui  Wasser,  die  zur  Controlle 
wurden,    gaben    meist  ein    günstiges   Resultat. 

rössere  Mengen 
worden.  Nun  nahm  N.  die  Ver- 
suche mit  reinem  Wasser  wieder  auf,  jedoch  mit  viel 
grösseren  Mengen  Flüssigkeit  als  früher,  d.  h.  mit  nur 
wenig  Spirogyra-Fäden  ;iuf  10  ccm  Wasser.  Das  Er- 
gebniss  entsprach  der  Erwartung.  Die  Spirogyreu  starben 
im  destillirtcn  Wasser  fast  inuner  in  kurzer  Zeit,  zuweilen 
in  weniger  als  4  Minuten.  Und  IJrunnenwasser  verhielt 
sich  häufig  genau  so  wie  destillirtes  Wasser. 

Aus  der  nun  unzweifelhaft  festgestellten  Thatsache, 
dass  reines  Wasser,  wie  es  im  chemischen  Laboratorium 
durch  Destillation  erhalten  wird,  und  frisches,  im  gewöhn- 
lichen Leben  elienfalls  als  rein  bezeichnetes  Wasser,  wie 
es  aus  dem  Hahn  einer  Brunnenleitung  ausfliesst,  auf 
lebende  Zellen  tödtlieli  wirken  können,  ergab  sich  die 
Frage,  woher  diese  verderblichen  Eigenschaften  stannuen. 
Die  nächsten  Versuche  hatten  den  Zweck,  Aufklärung 
hierüber  zu  ^■ers<•haf["en.  Dieselben  ergaben  ganz  un- 
erwartete Resultate  und  schienen  zu  beweisen,  dass  die 
Todesursache  weder  in  einer  chemischen  Einwirkung, 
noch  in  der  Temperatur,  noch  in  einer  andern  bekannten 
Kraft  zu  finden  sei. 

Die  oligodynamischen  Erscheinungen  können  nicht 
—  wie  Experimente  zeigen  —  von  einem  im  Wasser 
absorbirten  Gase  herrühren.  Dass  sie  durch  eine  feste, 
gelöste  Verbindung  verursacht  würden,  war  noch  weniger 
wahrscheinlich  wegen  der  Ergebnisse,  welche  die  Versuche 
mit  vielen  unlöslichen  und  schwerlöslichen  Körpern  lieferten. 
Einerseits  wurde  die  oligodynamische  Wirkung  in  destil- 
lirteui Wasser  vennelirt  oder  in  neutralem  Wasser  lier- 
vorgerufen  durch  Körper,  \on  denen  man  annehmen 
durfte,  dass  sie  nicht  oder  nur  in  minimalen  Mengen 
löslicli  seien;  andererseits  wurde  die  (tligodynamische 
Wirkung  durch  ganz  unlösliche  Körper  und  ferner  durch 
micellarhisliche  (colloide)  Substanzen,  die  für  sich  selbst 
wirkungslos  waren,  geschwächt  oder  gänzlich  aufgehoben. 
Ferner  l)lieben  in  Gläsern,  welche  einige  Zeit  gefüllt  mit 
oligodynamisch  wirksamem  Wasser  gestanden  hatten,  sehr 
deutliche  und  merkwürdig  lokalisirte 
zurück. 

Zu  den  sebwerlösliehen  Körpern,  welche  oligody- 
namische Wirkung  hervorbringen,  gehören  vor  Allem  die 
eigentlichen  Jletalle :  Kupfer,  Silber,  Blei,  Zinn,  Eisen, 
Quecksilber.  Besonders  zahlreiche  Versuche  wurden  mit 
gut  gereinigten  jMünzen  angestellt,  weil  dicsellien  eine 
leichte  quantitative  Abstufung  und  Bestimmung  der  wirk- 
samen Oberflächen  erlaubten  und  zwar  durchweg  in 
folgender  Art. 

Nachdem  sieh  gezeigt  hatte,  dass  die  Metalle  dem 
Wasser  oligodynamische  Eigenschaften  erthcilen,  wurde 
das  destillirte  oder  das  Brunnenwasser,  wenn  dassell)e 
nicht  den  hinreichenden  Grad  von  Schädlichkeit  besass, 
vor  der  Verwendung  mit  Metallen  behandelt.  Meistens 
diente  hierzu  das  Kupfer.  Durch  einige  Kupfermünzen, 
die  mehr  oder  weniger  lang  in  mehrere  Liter  Wasser  ge- 
legt wurden,  konnte  ein  beliebiger  Grad  von  Oligodynamik 


Nachwirkungen 


Nr.  42. 


Naturwissenschaftliche  Woclicnschrift. 


457 


licrgestellt  werden.  —  Solches  Wasser  Hess  sich  dann  auf 
verschiedene  Weise  wieder  unschädlich  machen.  Seine 
oli,i;-()dynaniischen  Eigenschaften  \vurden  vermindert  und 
anfgeli(il)eii,  indem  unlösliche  Körper  einige  Zeit  in  das- 
selbe gelegt  wurden.  Von  solchen  Iviirpcrn  sind  zu  nennen 
einige  wenige  Elemente,  wie  Schwefel  und  Kohlenstoff, 
auch  Coaks,  Steinkohlen,  Torf,  —  ferner  einige  Super- 
oxyde,  wie  Braunstein,  —  dann  nentrale  oder  fast  neutrale 
organische  Verbindungen,  wie  Stärkemehl,  Cellulose  (als 
schwedisches  Filtrirpapier,  Baumwolle,  Leinwand  oder 
Holz  angewendet),  Seide,  Wolle,  Stearinsäure,  l'araftin  etc. 
Wie  Baumwolle,  Leinwand,  Holz  und  Papier  wirken  auch 
die  Algenzellen  selbst,  so  dass  ihre  relative  .Menge  bei 
manchen  Versuchen  das  Ergebniss  sehr  wesentlich  beein- 
flussen kann. 

Es  wurde  eine  Reihe  von  Gläsern  mit  je  100  ccm 
destillirtem  Wasser  S(i  behandelt,  dass  dieselben  gruppen- 
weise steigende  Mengen  von  Algenfäden  erhielten.  Das 
Ergebniss  war,  dass  die  Zellen  um  so  früher  sich  ver- 
änderten und  abstarben,  je  weniger  Fäden  sich  in  dem 
Glase  befanden,  und  dass  in  den  Nummern  mit  der  grüssten 
Menge  von  Spirogyren,  die  Zellen  keine  Veränderung 
zeigten,  sondern  unversehrt  fortvegetirten.  —  Eine  andere 
Vcrsuclisreihe  bestand  aus  ungleicli  grossen  Gläsern;  die 
kleinsten  derselben  mit  bloss  100  ccm,  die  griissten  mit 
1000  ccm  schwach  oligodamischem  Wasser.     Jedes   Glas 


Hiebst    gleich 


grosse   Menge  von  AI{;'eu- 


erhielt    eine    n)ö.i 

fäden.  In  den  grössten  Gläsern  starben  die  Zellen  zuerst 
ab;  je  \veniger  Wasser  die  Gläser  enthielten,  um  so  länger 
blieben  die  Zellen  am  Leben.  Li  den  kleinsten  mit  100  ccm 
Wasser    trat    eine  Veränderung    der  Zellen    garnicht  ein. 

Die  lebenden  Zellen  neutralisiren  also  gerade  so  wie 
Lein-  und  BauniwoUenfaseru  das  oligodynamische  Wasser. 
Hiebei  ist  aber  selbstverständlich,  dass  die  steigende 
Menge  von  Spirogyrenfädcn  nur  so  weit  günstig  wirkt, 
bis  (las  Wasser  neutralisirt  ist  und  dass  sie  von  diesem 
Punkte  an  schädlich  wirkt. 

Li  gleicher  AVeise  wie  feste  Körper  wirken  micellar- 
lösliche  Verbindungen.  Oligodynamisches  Wasser,  in 
welchem  man  Gummi,  Dextrin,  Eiweiss,  Leim  auflöst, 
wird  je  nach  Umständen  weniger  schädlich  oder  neutral. 
Die  ehemisch  verwandten  molekularlöslichen  Ver- 
bindungen (Zucker)  zeigten  diese  aufhebende  Eigenschaft 
entweder  gar  nicht  oder  in  viel  geringerem  Gra(le. 

Das  Glas  selber  schien  ungleich  sich  zu  verhalten, 
indem  durch  Glasplatten  oder  Glasperlen  die  oligody- 
namische Wirkung  des  Wassers  vermehrt  oder  vermindert 
wurde.  Ln  allgemeinen  schien  es,  als  ob  neutrales  und 
schwach  oligodynamisches  Wasser  durch  das  Glas  schäd- 
licher, stark  oligodynamisches  dagegen  weniger  schädlich 
werde.  Dieses  ungleiche  Verhalten  des  Glases  klärte  sich 
einigermaassen  auf,  als  die  Jletalle  zur  Erzeugung  von 
( tligodynauiik  verwendet  und  dabei  die  Nachwirkung, 
welche  sie  in  den  Glassgefässen  zurücklassen,  entdeckt 
wurde.  Im  Verlaufe  der  Untersuchung  kam  es  einige 
Male  vor,  dass  die  ganz  gleich  angesetzten  Gläser 
einer  Versuchsreihe  nicht  genau  das  gleiche  Resultat 
gaben,  dass  z.  B.  von  den  drei  Kontrolgläsei'u,  die  bloss 
Wasser  enthielten,  in  dem  einen  die  PHauzen  früher  oder 
auch  später  oligodynamische  Veränderungen  zeigten  als 
in  den    beiden    andern    oder  dass  von  den  drei  Gläsern, 


die  einen  gleichen  Zusatz  zu  dem  Wasser  erhalten  hatten, 
das  eine  Glas  sich  günstiger  oder  ungünstiger  erwies  als 
die  beiden  andern.  Diese  Unregelmässigkeiten  traten  be- 
sonders hervor,  als  Versuche  mit  Metallen  angestellt 
wurden.  Für  die  Beantwortung  der  Frage  nach  der  Ur- 
sache der  Störungen  tauchte  die  Vermuthung  auf,  es 
möchte  die  Nachwirkung  eines  früher  in  dem  Glase  be- 
findlichen Kör])ers  sich  geltend  machen.  Und  diese  Ver- 
nuithung  wurde  auch  alsbald  durch  eigens  hierfür  angestellte 
Versuche  zur  Gewissheit.  Mau  lege  z.  B.  in  ein  Glas  mit 
etwas  Wasser  mehrere  Goldstücke,  lasse  dieselben  einige 
Tage  darin,  nehme  sie  nun  iieraus,  giesse  das  Wasser 
weg  und  spüle  das  (ilas  gut  aus,  so  hat  das  Glas  oli- 
godynamische Eigenschaften  angenommen.  Wenn  man 
mehrere  Gläser  in  der  angegebenen  Weise  behandelt, 
andere  Gläser  dagegen  bloss  mit  Wasser  gefüllt  hält;  wenn 
man  nach  dem  Ausgiessen  und  Reinigen  alle  Gläser  wieder 
mit  Wasser  füllt  und  mit  Spirogyren  ansetzt,  so  weist 
der  Erfolg  in  den  vorgängig  mit  den  Goldmünzen  be- 
handelten Gläsern  eine  grössere  Menge  Olygodynamik 
nach  als  in  den  übrigen,  indem  die  Algeuzellen  in  jenen 
friUier  als  in  den  letzteren  sterben.  Durch  das  Metall 
werden  an  das  Glas  oligodymanische  Eigenschaften  ab- 
gegeben, welche  es  nachher  wieder  dem  Wasser  ndttheilt. 
Die  Aufspeicherung  in  dem  Glasgefäss  kann  selbst  ziemlich 
beträchtlich  und  auch  ziemlich  dauerhaft  sein.  Kupfer 
(gereinigte  oder  neue  Zweipfennigstücke  eignen  sich  ganz 
gut  zu  dem  Versuche)  macht  das  Glasgefäss  stark  oligo- 
dynamisch. Nach  der  Reinigung  sterben  die  Spirogyren 
rasch  darin  ab;  man  kann  das  Gefäss  dann  noch 
3  oder  4  mal  nacheinander  zur  Kultur  verwenden,  bis 
die  Nacli Wirkung  so  geschwächt  ist,  dass  sich  das 
Glas  wie  andere  Gläser  verhält,  wobei  selbstverständlich 
bei  jeder  folgenden  Kultur  bis  zum  Absterben  der  Zellen 
eine  längere  Zeit  erfordert  wird.  Wenn  der  Versuch  in 
der  angegebenen  Weise  ausgeführt  wird,  so  koncentrirt 
sich  die  Nachwirkung  auf  die  Stelle,  wo  die  Kupferstücke 
das  Glas  berührten.  Au  dieser  Stelle  sterben  die  auf  den 
Grund  sinkenden  Spirogyrenfädcn  zuerst  ab,  was  man 
schon  mit  blossem  Auge  wahrnimmt,  indem  dieselben  dort 
weiss  werden,  während  sie  sonst  im  Uebrigeu  noch  grün 
sind.  Man  kann  vernuige  dieses  Umstandes  genau  an- 
geben, wo  die  Kupfermünzen  in  einem  Glase  gelegen 
haben.  Doch  bedarf  es  zur  Erzeugung  der  Nachwirkung 
nicht  der  unmittelbaren  Berüinung  des  Metalls.  Wenn 
man  oligodynamisches  Wasser  in  einem  Glasgefäss  stehen 
lässt,  oder  wenn  man  in  einem  mit  Wasser  gefüllten  Glas- 
gefäss die  Metallstücke  frei  aufhängt,  so  erhält  das  Glas 
ebenfalls  oligodynamische  Eigenschaften,  die  es  nachher 
wieder  auf  neutrales  Wasser  übertragen  kann,  aber  die- 
selben sind  glcichmässig  über  die  ganze  Oberfläche  ver- 
breitet. Gläser  mit  oligodynamischer  Nachwirkung  ver- 
lieren dieselbe  langsam,  wenn  man  sie  wiederholt  mit 
neutralem  Wasser  füllt  und  stehen  lässt,  und  schneller, 
wenn  man  sie  in  einer  grossen  Menge  von  neutralem 
Wasser  kocht.  Es  scheint  nach  dem  Gesagten  unmöglich, 
dass  die  oligodynamischen  Wirkungen  von  einer  gelösten 
Verbindung  herrühren  kiinnten.  N.  glaubt  daher,  die 
Ursache  müsse  wohl  in  einem  imponderablen  Agens  ge- 
funden werden,  entweder  in  der  Elektricität  oder  eiuer 
neuen  analogen  Kraft.  (Fortsetzung  folgt.) 


Das  Vorkonnueii  des  Fadeinvnniies  (der  Nematode) 
Docliiiiiiis  diiodeiialis  Dub.  (Aiicli.vlostoiiiuiii  duodenale) 
bei  Ziegelarbeiterii  bei  Berlin  hat  Stabsarzt  Dr.  E. 
Grawitz  beobachtet  (Berliner  klin.  Wochenschr.).  —  In 
den  neueren  Lehrbüchern  der  Zoologie  (z.  B.  in  R.  llertwig's 
Lehrb.,  2.  Autl.,  Jena  1893,  S.  248)  ünden  wir  zur  Orien- 


tirung  über  den  genaunlen,  etwa  1  cm  laugen  (das  ''/)  oder 
etwas  kleineren  (das  o  )  AVurm,  dass  derselbe  im  Dünn- 
darm des  Menschen  lebt  und  durch  Saugen  starke  Blut- 
verluste und  daran  sich  scbliesseude  Bleichsucht  (Chlorosis 
aegyptiaca)  erzeugt.  Die  Eier  entwickeln  sich  in  Schlamm 
und  feuchter  Erde  zu   kleineu  Larven,    welche   im  Darm 


458 


Naturwisscnschaftliclie  Woclienschrift. 


Nr.  42. 


des  jreiischeii  zu  geschlechtsreifeu  Thieren  werden.  Die 
Kraiiklieit  tritt  besonders  bei  Leuten  auf,  die  schlammiges 
Trinkwasser  nicht  umgehen  können  (Fellahs  von  Aegypten) 
oder  die  viel  mit  feuchter  Erde  zu  thun  haben  (Ziegel- 
arbciter).  Schon  lange  war  sie  aus  Aegypten  und  aus 
dcH  Tropen  bekannt;  sie  trat  bei  den  Arbeitern  des  Gott- 
hard-Tunnels  epidemisch  auf  und  hat  sich  seitdem  auch 
in  Deutschland  verbreitet. 

Der  von  Grawitz  beo))achtete  Fall  bctriH't  einen 
17  Jahre  alten  Arbeiter  Namens  Fictro  de  Monte.  Der- 
selbe hatte  in  seiner  früheren  Jugend  in  Oberitalien  bei 
San  Martino  auf  Weinljergen  und  Reisfeldern  gearbeitet, 
kam  dann  mit  zahlreichen  Landsleuten  aus  Italien  nach 
Graz,  wo  er  mit  denselben  in  einer  Ziegelfabrik  arbeitete, 
später  war  er  in  der  Gegend  von  München  ebenfalls  als 
Ziegelarbeiter  besciulftigt  und  siedelte  von  dort  mit 
mehreren  seiner  Landsleute  nach  einer  Ziegelfabrik  in  der 
Nähe  von  Berlin  über.  Der  Patient  gab  an,  bis  auf  eine 
Halsentzündung  zu  Anfang  dieses  Jahres  stets  gesund 
gewesen  zu  sein,  auch  jetzt  war  eine  Halsentzündung  die 
Ursache  seines  Eintritts  in  die  Cliarite.  Es  bestand  eine 
foliiculäre  Angina,  die  in  kurzer  Frist  l)eseitigt  wurde. 
Der  Patient  zeigte  im  Uebrigen  keine  Krankheitserschei- 
nungen, besonders  war  seine  Hautfarbe  eine  durchaus 
gesunde  und  auch  an  den  sichtbaren  Schleimhäuten  war 
keine  Blässe  zu  bemerken.  Auch  subjectiv  hatte  der 
Kranke,  ausser  den  Halsbeschwerden,  keinerlei  Klagen. 
Trotzdem  wurde  eine  genaue  Untersuchung  seines  Stuhles 
auf  Würmer  resp.  deren  Eier  vorgenonnnen,  und  zwar 
aus  doppeltem  Grunde:  erstens  weil  der  Kranke  aus  Italien 
stannute,  und  zweitens,  weil  er  Ziegelarbeiter  war,  — 
beides  Momente,  welche  an  Anwesenheit  von  Anchylostomen 
])ei  dem  Kranken  denken  Hessen.  In  der  That  fanden 
sich  denn  auch  im  Stuhl  Eier  von  Anchylostonuun  duo 
denale,  ferner  zahlreiche  Eiei-  von  Trichoeei)halus  disi)ar 
und  endlich  späterhin  ein  Exemplar  von  Ascaris  luml)ri- 
coides. 

Die  Auchylostomeneier  waren  nicht  gerade  sehr  zahl- 
reich vorhanden,  zu  Anfang  etwa  in  jedem  mikroskopi- 
schen Präparate  ein  Exemplar,  später  noch  weniger,  au 
2  Tagen  konnte  G.  in  zablreiciien  Präparaten  kein  ein- 
ziges iinden,  weiterhin  waren  dann  wieder  mehr  vorhanden. 
Sie  zeigten  säunutlich  den  Embryo  in  verschieden  weit 
vorgeschrittenen  Stadien  der  Furchung.  In  der  sommer- 
lichen Zimmerwärme  entwickelten  sich  in  dem  feuchten 
Kothe  die  Emlnwonen  in  den  Eiern  zur  Reife  und  zeigten 
lebhafte  Eigenbewegungen,  im  Uebrigen  fanden  sich  im 
Kothe  nur  die  gewöhnlichen,  aus  den  Speiseresten  und 
Verdauungssäftcu  herrührenden  Gebilde,  dagegen  keine 
Charcot' sehen  Kry stalle,  die  nach  Leichtenstern  so 
häufig  bei  Anwesenheit  besonders  von  Anchylostomen,  aber 
auch  von  anderen  Entozoen  im  Darm  gefunden  werden. 
Es  wurde  bei  diesem  Kranken  nach  dem  Erheben  dieses 
Befundes  eine  ganz  genaue  Analyse  seiner  Blutzusammen- 
setzung vorgenonnnen,  bei  welcher  folgende  Verhältnisse 
gefunden  wurden: 

Zahl  der  rothen  Blutkörperchen  4,3  Millionen, 

„        „    weissen  „  5000  im  ecui, 

Gesannnttroekensubstanz      .     .  21,8  pCt., 

Trockensubstanz  des  Serums  .  11,8     ,, 

Morphologisch  waren  au  den  Blutkörperchen  keine 
Abweichungen  und  es  bestätigten  diese  Befunde  somit 
lediglich  das  schon  durch  die  Besichtigung  des  Kranken 
vermuthete  normale  Verhalten  seines  Blutes. 

Das  Vorkonnnen  von  Anchylostomen  im  menschlichen 
Darme  und  ihre  verderbliche  Wirkung  auf  den  Gesammt- 
organismus  ist  durch  Griesiuger  im  Jahre  1851  zuerst  con- 
statirt    worden,    und    zwar    in  Aegypten,    wo    Griesiuger 


diese  Schmarotzer  als  die  eigentliche  Ursache  der  sog. 
ägyptischen  Chlorose  erkannte.  Später  veranlassten  die 
zahlreichen  und  exacteu  Untersuchungen  Wucherer's  über 
das  Vorkommen  und  die  krankmachende  Wirkung  der 
Anchylostomen  in  Brasilien  vielfache  Nachforschungen  über 
die  Verbreitung  dieses  Parasiten,  und  es  fand  sich  durch 
zahlreiche  Beobachtungen,  die  in  Kurzem  von  verschie- 
denen Autoren  in  verschiedenen  Ländern  gemacht  wurden, 
dass  das  Anchylostonium  in  warmen  Ländern  eine  weite 
Verbreitung  hat,  so  z.  B.  in  den  Niiländern,  Algier,  Seue- 
gambien,  Italien,  Vorder-  und  Hinterin<lien,  Japan,  Peru, 
Bolivia  etc.  vorkommt,  so  dass  es  scheint,  als  ob  der 
Parasit  im  warmen  Klima  seine  eigentliche  Heimath  hat. 

Ganz  besonders  zahlreich  sind  die  Beobachtungen, 
welche  über  ihn  in  Italien  gemacht  worden  sind,  und  wir 
verdanken  deusell)cn,  und  zwar  vornehmlich  den  durch 
Perroneito  mitgetheilten,  die  weitere  Kenntuiss,  uass  An- 
chylostomiasis  eine  Berufskrankheit  darstellt,  welche  vor- 
zugsweise Bergleute,  Tunnelarbeitcr  und  Arbeiter  in 
Ziegeleien  befällt.  Ganz  besonders  bekannt  wurde  die 
Epidemie  —  wie  schon  gesagt  —  unter  den  Arbeitern  des 
St.  Golthard- Tunnels.  Bald  nach  diesen  Befunden  in 
Italien  zeigte  es  sich  sodann,  dass  der  Parasit  auch  weiter 
nördlich  zu  finden  war,  und  zwar  zunächst  in  Südfrank- 
reich bei  St.  Etienne,  sodann  in  den  Bergwerken  von 
Schenniitz  und  Kremuitz,  und  zwar  wurden  an  beiden 
Stellen  diese  Befunde  durch  Anregung  von  Perroneito 
eriioben,  da  sich  die  Aufnierksandvcit  in  Folge  früherer 
Beobachtungen  gerade  auf  diese  Gruben  lenkte.  Schon 
lange  waren  nändich  gerade  in  den  genannten  Berg- 
werken schwere  Erkrankungen  an  Anämien  beobachtet 
und  beschrieben  worden,  ohne  dass  man  die  eigent- 
liche Ursache  derselben  gekannt  hätte,  und  ganz  ähnlich 
verhielt  es  sich  nnt  Beobachtungen  über  Anämie  bei 
Ziegellirennern  bei  Köln,  über  welche  n(jcli  im  Jahre 
1878  Rühle  in  Bonn  eingehende  Beschreibungen  lieferte, 
ohne  die  Anwesenheit  von  Anchylostomen  zu  kennen, 
nachdem  schon  im  Jahre  1860  von  Heise  in  Rathenow 
die  Erkraidvuugeu  der  Arbeiter  in  den  Ziegeleien  längs 
der  Havel  sehr  ausführlich  besehrieben  und  dabei  auch 
die  Anämie  der  Former  und  Streicher  besonders  erwähnt 
war.  Im  Jahre  1881  wurden  dann  durcii  Menchc  bei 
Arbeitern  auf  den  Ziegelfeldern  bei  Köln  Anchylostomen 
gefunden  und  darauf  von  Leichtenstern  diese  Epidemien, 
sowie  die  Entwickelungsgeschichte  des  Parasiten  mit  allen 
Details  aufs  Ausführlichste  studirt.  Diese  Ziegelfelder  in 
der  Umgebung  von  Köln  waren  durch  walloinsche  Arbeiter 
aus  der  Umgebung  von  Luttieh  inficirt  worden,  und  nach 
Firket  ist  es  sehr  wahrscheinlich,  dass  die  Liitticlier  Berg- 
werke ihrerseits  durch  italienische  Arbeiter  inticirt  worden 
waren.  Da  nun  gerade  Gruben-  und  Ziegeleiarbeiter  an- 
scheinend einen  starken  Wandertrieb  haben  und  ihre  Ar- 
beitsstelle häufig  wechseln,  so  ist  es  sehr  erklärlich,  dass 
au  den  verschiedensten  Stelleu  in  Deutschland  und  ( »es(er- 
reich-Ungarn  das  \^orkonnnen  des  Anehylostomum  beob- 
achtet worden  ist,  wie  von  Seifert  in  Ziegeleien  bei  Würz- 
burg, von  Völckers  in  Gruben  bei  Aachen,  von  v.  Schopf 
in  den  Kohlengruben  zu  Reschitza  und  Anina  im  Banat, 
von  Zappert  bei  den  Bergleuten  zu  P)rennberg  bei  Oeden- 
burg.  Diese  verstreuten  Epidemien  von  Anchylostomiasis 
sind,  wie  gesagt,  erklärlieh,  da  wir  besondeis  durch  die 
Untersuchungen  von  Leichtenstern  wissen,  dass  die  mit 
den  Fäees  entleerten  und  in  der  nächsten  Nähe  der  Ziegel- 
felder dep(mirten  Eier  des  Wurmes  sich  zu  Larven  ent- 
wickeln und  durch  allerhand  Bedingungen,  besonders  durch 
lehmbeschmutzte  Hände  in  Mund  und  Darm  anderer  Ar- 
beiter gelangen  und  dieselben  inficireu  können.  Auf  einen 
zweiten,  sehr  wichtigen  Modus  der  Infectiou  hat  v.  Schopf 
hingewiesen  und  denselben  experimentell  bestätigt,  nändich 


Nr.  4-2. 


Natni-wisscnschaftliche  Wochenschrift. 


4f)9 


die  Uebortragiuii;-  der  eucystirteu  Larven  im  aufge- 
wirbelten, trockenen  Staube,  welcher  durch  Luftzug 
besonilers  in  Bergwerken  den  Arbeitern  ins  Gesicht,  Bart 
und  äussere  Respirationswege  getrieben  wird  und  somit 
durcii  Verschlucken  zur  lufection  führen  kann. 

Nach  allen  diesen  Ausführungen  kann  es  auffällig 
erscheinen,  dass  bisher  Beobachtungen  über  Anchylostonien 
in  Bt'rliu  rcsj).  dessen  Umgebung  fast  garnicht  verötfent- 
licht  worden  sind,  während  sich  gerade  Ziegeleien  be- 
sonders längs  der  Wasserläufe  in  der  nächsten  Nähe  so 
zahlreich  finden,  dass  die  Zahl  der  in  denselben  jährlich 
gebrannten  Mauersteine  auf  etwa  eine  Milliarde  geschätzt 
wird.  Nur  die  erwähnten  Beobachtungen  von  Heise  aus 
dem  Jahre  1860  lassen  die  Annahme  zu,  dass  damals 
Fälle  von  Anchylo-stomiasis  unter  den  Ziegelarbeitern  an 
der  Havel  vorgekommen  sind. 

Der  Eingangs  erwähnte  Befund  nun  bei  dem  italieni- 
schen Ziegelarbeiter  veranlasste  G.,  in  der  Ziegelei  selbst 
weitere  Nachforschungen  anzustellen,  zumal  er  erfuhr,  dass 
ausser  genanntem  Patienten  noch  lU  Italiener  dort  arbei- 
teten. Die  Ziegelei  selbst  lictindet  sieh  in  der  Nähe  von 
llermsdorf,  etwa  2  Meilen  nördliidi  von  Berlin  an  der 
Strecke  der  Nordbahn.  Es  arbeiten  dort  augenblicklich 
160  Arbeiter,  darunter  11  Italiener,  ferner  Polen  und  hiesige 
Leute.  Alle  Italiener  zeigten  eine  durchaus  gesunde  Fär- 
bung der  Haut  und  Schleimhäute.  G.  verschaffte  sich  von 
9  Italienern  Proben  des  Stuhles  und  suchte  unter  den 
anderen  Arbeitern  6  aus,  von  denen  einer  stark  anämisch 
aussah,  und  von  denen  G.  ebenfalls  Stuhl] )roben  erhielt. 
Die  Untersuchung  dieser  Proben  ergab  bei  o  Italienern  einen 
ähnlichen  Befund,  wie  bei  dem  zuerst  genannten  Patienten, 
nämlich:  Eier  von  Anchylostonien  in  spärlicher  .Anzahl,  nur 
bei  einem  etwas  reichlicher,  ferner  massenhafte  Eier  von 
Ascaris  lumbri(;oides  und  Triehocephalus  dispar.  Die 
übrigen  Italiener  hatten  sämnitlich  reichliehe  Tricho- 
cephaleu-Eier,  einige  auch  Ascariden-Eier,  dagegen  keine 
Anchylostonien- Eier.  Die  Proben  der  anderen  Arbeiter 
enthielten  zumeist  gar  keine  Eier,  bei  einer  fanden  sich 
solche  von  Ascaris,  bei  einer  anderen  von  Triehocephalus. 
Die  gefundenen  Anchylostomen-Eier  bei  den  3  Italienern 
zeigten  ebenso  wie  die  früheren  verschiedene  Stadien  des 
Furchungsprocesscs  des  Embryo  und  der  letztei'C  gelangte 
auch  hier  bei  warmer  Zimmertemperatur  in  Feuchtigkeit 
binnen  Kurzem  zur  Reife.  Auch  in  diesen  Fäces  vermisste 
G.  trotz  der  Anwesenheit  zahlreicher  Entozoen  in  jedem 
Falle  die  Charcot'schcn  Krystallc.  Viellcieht  beruht  dieser 
negative  Befund  auf  der  Beschafilenheit  der  Nahrungs- 
mittel; die  Italiener  nähren  sich  hier  angeblich  vorzugsweise 
von  Reis,  Käse  und  Wasser.  Die  Arbeiter  selbst  fühlten 
sich  vollständig  gesund,  bei  zweien  von  ihnen  konnte  G. 
eine  Blutuntersuchung  vornehmen,  welche  bei  dem  einen 
4,1b  Millionen  rotlie,  (iOOO  weisse  Blutkiiriterchcn  bei  einem 
S])ecifischen  (iewichte  des  Blutes  von  10.04  ergab,  wäh- 
rend sich  bei  dem  anderen  4,3  Millionen  rothe,  3500  weisse 
Blutkörperchen  mit  einem  spec.  Gewicht  des  Blutes  von 
1055  fanden.  Also  auch  bei  diesen  lagen  ganz  n(M-nialc 
Blutverhältnisse  vor.  Dieses  günstige  Allgemeinbetinden 
der  mit  Anchylostonien  behafteten  Leute  erklärt  sich  wohl 
aus  der  anscheinend  geringen  Zahl  der  vorliandcnen  Para- 
siten, deren  Ansiedelung  im  Darm  eine  nennenswerthc 
Störung  der  Blutmischung  nicht  zu  bewirken  vermochte. 
Immerhin  bedingen  auch  schon  spärlich  entleerte  Eier, 
wie  oben  auseinandergesetzt,  eine  Gefahr  für  die  Träger 
selbst  und  deren  Mitarbeiter,  und  in  dieser  Beziehung  ist 
es  bemerkenswerth,  dass  sich  in  den  StiUden  der  anderen 
Arbeiter  keine  Anchylostomen-Eier  fanden,  wobei  freilich 
zu  berücksichtigen  ist,  dass  die  Italiener  erst  seit  einigen 
Monaten  auf  der  Ziegelei  arbeiten.  x. 


Ein  weiterer -j  JJeitraj?  zur  Mimicryfrage,  der  die  be- 
kannte Theorie  der  hier  in  Frage  stehenden  Schutz 
färbungen  zu  stützen  geeignet  ist,  wurde  neuerdings  von 
A.  Seitz**)  bekannt  gemacht.  Er  widerlegt  den  Einwurf, 
dass  das  nachäffende  Kleid  schutzloser  Kerfe  wohl  den 
Menschen,  nicht  aber  die  scharfsinnigen  Thiere  zu  täuschen 
vermöge.  Zunächst  steht  es  nach  Butlers  Versuchen  mit 
Vögeln  fest,  dass  die  gescdiutzten  Schmetterlinge  schliesslich 
doch  irgend  einen  Feind  linden.  So  wurde  die  zu  den 
holzbohrenden  Scliwärnu'rn  gehörende  Zeuzera  pyrina  von 
Vögeln  gefürchtet,  endlich  aber  doch  von  einer  Drossel 
verspeist.  Der  auffallende  Umstand  nun  aber,  dass  die 
Mimicry  in  den  meisten  Fällen  bei  Tagfaltern  auftritt, 
diese  aber  von  Vögeln  im  allgemeinen  verschont  werden, 
führte  Skertschly,  der  diese  Beobachtung  auf  Borneo 
häutig  machen  konnte,  zu  dem  Schluss,  dass  das  mimetische 
Kleid  der  Schmetterlinge  als  Schutz  gegen  ausgestorbene 
Vögel  erworben  sei.  Seitz  ist  nun  der  Ansicht,  dass  nicht 
die  Vögel,  sondern  die  Aifen  gefährliche  Schmetterlings- 
verfolger sind.  Er  brachte  einen  frisch  entwickelten 
Bienenschwärmer  im  Affenhaus  mit  indischen  Makakcn 
(M.  rhesus)  und  brasilianischen  RoUschwanzalfen  (Cebus 
robustus)  zusammen.  Die  erstereu  mieden  den  Schwärmer 
auffallend,  ein  Cebus  jedoch  fing  und  verzehrte  ihn. 
Erstere  kannten  den  Wespcnstachel,  letzterer  nicht.  Es 
kommen  auch  in  der  That  in  Indien  Wespen  von  der 
Färbung  der  Hornisse  vm,  in  Bi-asilien  dagegen  nur  blaue, 
liraune  und  bunte  Wespen,  die  anders  gefärbt  sind.  Die 
V'crkleidung  des  Hornissenschwärmers  war  daher  dem 
Cebus  unbekannt.  Uebrigcns  sind  die  brasilianischen 
mimetisch  gefärbten  Scimietterlinge  gleichfalls  blau,  braun 
u.  s.  w.  gefärbt.  Seitz  ist  schliesslich  der  Ansicht,  dass 
vielleicht  noch  andere  Feinde  in  Betracht  kommen,  er  ist 
auch  der  Meinung,  dass  der  Schutz,  den  die  Mimicry  ge- 
währt, wahrscheinlich  nicht  gegen  alle  Feinde  schützt. 
Jedenfalls  werden  die  Rhesus  im  vorliegenden  Falle  ge- 
täuscht. Negative  Ergebnisse  beim  Experinientiren  mit 
nachahmenden    Färbungen    sind  aber  sicher  kein  Beweis 


■en  die  Miniicrvtlieorie. 


C.  M. 


Dass  die  sog.  Seerosen,  die  Actiiiien,  mit  einem 
chemischen  Sinn  iiusgestattet  sind,  und  veiniittelst  des- 
selben die  Nahrung  aufsiiüren,  ist  durch  Pollock  und  Ro- 
manes  bekannt  geworden.  Neuere  genauere  Untersuchungen 
über  diesenSinn  stclIteWillibald  Nagel  in  Neapel  an.  (Der 
(icschmackssinn  tlcr  Actinien.  Zool.  Anz.  No.  400,  S.  334.) 
Während  Stückchen  von  Sardincntlciseh  und  mit  Flei.sch- 
saft  getränktes  Papier  crgrifi'en  wurden,  wenn  auch  letzteres 
Sjiäter  oft  wieder  fallen  gelassen  wurde,  nahmen  die  Ver- 
suehsthiere  Papier  gar  nicht  an.  Auch  ausgelaugtes  Fleisch 
wurde  von  ihnen  nur  langsam  gei>ackt.  Die  Seerosen 
hal)en  also  einen  Geschmack.  Fernere  Versuche  erwiesen, 
dass  er  seinen  Sitz  in  den  Tentakeln  hat.  Andererseits 
konnte  nachgewiesen  werden,  dass  die  Actinien  „kein 
Schmerzgefühl,  h(ichst\\ahrsclieinlicli  überhaupt  kein  Ge- 
fühl'" haben.  Gegen  Wärme  sind  die  Tentakeln  allein 
empfindlich,  und  da  sie  auch  der  Sitz  des  Tastsinnes  sind, 
so  sind  sie  als  „Wechselsinnesorgane"  aufzufassen,  d.  h. 
(h'gauc,  die  den  3  genannten  Sinnen  gleichzeitig  oder 
abwechselnd  dienen.  Die  Werkzeuge  dieser  verschiedenen 
Sinne  sind  stäbcheutragende  Epithelzellen.  Für  eine 
specifische  Anpassung  der  einzelnen  Zellen  fehlt  jeder 
Beweis. 


*)  Vgl.  „N.aturw.  Woclu'iischr.",  VII.  B.  S.  383. 
**)  „Ueber  den  Wortli  der  iiiiinetisehen  Verkleiduni;-  im  Kampf 
iim's  Dasein."     „Zool.  Anz."   1893.  S.  381. 


460 


Naturwissenscliaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  42. 


Nagel  konnte  auch  am  Muudrande  der  Rippenqualle 
Beroi'  ein  localisirtes  Wechselsinnesorgan  für  die  drei  ge- 
nannten Wahrnehmungen  nachweisen. 

Die  von  P.  Fischer  an  Edwardsia  lueifuga  bco])achteten 
Licht-  und  Schallcmplindlichkeiten  fehlten  den  von  Nagel 
untersuchten  Seerosen.  M. 


Zur  Experinieiitalcmbr.vologie.  —  Im  Ansehluss  an 
die  ausfttinlichcn  Älitthciiungen  über  exjierimentelle  Tera- 
togenie  in  No.  27  S.  265  ff.  und  No.  35  S.  386  des  vor- 
liegenden Bandes  der  „Naturvv.  Wochenschrift"  sei  hier 
noch  eines  wichtigen  Versuches  von  J.  Loeb  (Pflügers 
Arch.  f.  d.  ges.  Physiol.  Bd.  54  S.  525  ff.)  Erwähnung 
gethan.  Derselbe  brachte  Va  Stunde  nach  der  Befruchtung- 
Eier  des  marinen  Fisches  Fundulus  in  eine  Lösung  von 
1,5  gr  KCl  pro  100  ccm  Seewasser.  Die  Eier  entwickelten 
sieh  ganz  normal  und  blieben  bis  zum  sechsten  Tage  am 
Leben,  jedoch  wurde  niemals  eine  Blutcirkulation  beob- 
achtet. Abgesehen  davon,  dass  die  Gefässlumina  uu- 
regelmässig,  stellenweise  rosenkranzförmig  aussahen,  was 
dem  Mangel  des  intravaskulären  Druckes  zuzuschreiben 
sein  dürfte,  war  ein  vollkonunenes  Blutgefässsysteni  ent- 
wickelt, ebenso  zeigten  sich  keine  Anomalien  in  der  Ent- 
wickelung  von  Auge,  Ohr,  Urwirbeln  u.  s.  w.  Es  er- 
giebt  sich  also  die  bemerkenswerthe  Thatsache,  dass  das 
Wachsthum  der  Organe,  insbesondere  das  Aussprossen  der 
Gefässe  in  dieser  Zeit  von  der  Blutcirculation  und  der 
Herzthätigkeit,  die  sonst  ca.  60 — 70  Stunden  nach  der 
Befruchtung  beginnt,  unabhängig  ist.  Die  einzige,  mehr 
nebensächliche  Anomalie  betraf  die  zwischen  und  auf  den 
Dottergefässeu  gelegeneu  Chromatophoreu.  Diese  pflegen 
bei  normaler  Entwickelung,  sobald  die  Cirkulation  sich 
einstellt,  also  durchschnittlich  vom  dritten  Tage  an,  durch 
amöboide  Bewegungen  auf  die  tiefässe  zu  kriechen,  wo 
sie  fixirt  werden.  Diese  Erscheinung  bleibt  bei  den 
circulationslosen  Embryonen  aus,  so  dass  wohl  auf  eine 
chemotaktische  Wirkung  des  Blutes  auf  die  Chrinnato- 
phoren  geschlossen  werden  niuss.  Seh. 


Eine  bequeme  Prüfung  der  Manganoxyde  auf  ihren 
Gehalt  an  wirksamem  Sauerstoff  führt  A.  Carnot  (Compt. 
rcnd.  116,  1295)  aus,  indem  er  auf  dieselben  Salpeter- 
säure und  Wasserstoffsuperoxyd  einwirken  lässt,  den  ent- 
wickelten Sauerstoff  auffängt  und  niisst.  Das  Wasserstoff- 
superoxyd wirkt  auf  Mangansuperoxyd  bekanntlich  nach 
der  Gleichung 

MnOj  -f  ILO,  =  MnO  +  HgO  +  O2 

und  auf  die  niedrigen  Manganoxyde  ebenso,  entsprechend 
ihrem  Gehalt  an  disponiblem  Sauerstoff,  so  dass  für  je 
1  Atom  desselben  1  Molecül  Wasserst(;ffsu])Croxyd  in 
Reaction  tritt.  Von  dem  entwickelten  Sauerstoff  ent- 
spricht also  die  Hälfte  dem    in    den  Oxyden   disponiblen. 

Sp. 

Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben. 

Es  wurdeu  erniiniit:  Dr.  .lolm  M.  Coiilter  zum  Prilsidenten 
der  Lake  Forest  Uiüversity,  Illinois.  —  l^rofessor  von  Hauer 
zum  Director  der  Bergakademie  in  Leoben.  —  Professor  Ziegen- 
lieim  zum  Diroctov  der  Bergakademie  in  Przibram.  —  Dr.  llot- 
gaus,  Lehrer  der  Cliiriirgie  an  der  ITniversitiit  Groningen,  zum 
Ordinarius  an  der  Universität  Amsterdam.  —  Der  ausserordentliche 
Professor  Dr.  Julius  Wagner  von  Jauregg  in  Graz  zum 
Ordinarius  für  Irrenheilkunde  an  der  Universität  Wien.  — 
Mr.  C.  H.  Tawney  zum  Oberbibliothekar  des  indischen  Amtes 
in  London. 

Der  ordentliche  Professor  für  Philosophie  an  der  Universität 
Berlin  Geheimer    Kegierungsrath    Dr.  Eduard  Zeller    beabsich- 


tigt in  den  Ruhestand  zu  treten.  —  Der  bisherige  Oberbibliothekar 
im  indischen  Amte  in  London  Dr.  Rcinhold  Rost  tritt  in  den 
Ruhestand. 

Es  sind  gestorben:  Contre- Admiral  Tobias  Freili(M-r  von 
Oosterroicher,  ehemaliger  Leiter  der  Küstenaufnahme  im  Adria- 
tischen  Meere  und  verdienter  Geograph,  in  Wien.  —  Der  Ingenieur 
Thomas  Hawskley  in  London.  —  Der  Director  der  ober- 
schlesischon  Bergschule  Dr.  Geisenheimor  in  Tarne witz.  — 
Professor  Hewith,  Lehrer  der  Gelnirtshilfe  am  ITniversity  Col- 
lege, in  London.  —  Der  französische  Reisende  Müller  auf  einer 
Forschungsreise  im  Innern  Madagaskars. 


Die  Nordpol -Expedition  des  amerikanischen  Marine -Lieute- 
nants Pearv  überwintert  in  der  Bowdoin  -  Bucht  in  Nordgrönland 
unter  78°  ür/  n.  Br. 


L  i  1 1  e  r  a  t  u  r. 


Otto   Ammon,    Die   natürliche  Auslese   beim   Menschen.     Auf 

Grund  der  anthrojiulugischeu  Untersuchungen  der  \\'i.'lu']itlicli- 
tigen  in  Baden  und  anderer  Materialien.  Gustav  Fischer.  Jena 
1893.  —  Preis  7  Mk. 
Auf  die  anthropologischen  Untersuchungen  Ammon's  an  den 
Militärpflichtigen  Badens  haben  wir  schon  Bil.  IV,  S.  '244  kurz 
hingewiesen;  in  der  vorliegenden  höchst  bemerkenswerthen,  um- 
fangreichen Arbeit  verwertliet  er  vornehmlich  diese,  Materialien 
zu  seinem  interessanten  Gegenstande.  Die  Untersuchungen  au 
den  Wehrpflichtigen  wurden  zu  dem  Zwecke  unternommen,  die 
örtlichen  Verscliiedenheiten  in  der  Beschaft'enheit  der  Bevölkeruug 
festzustellen  und  daraus  Schlüsse  auf  die  vorgeschichtlichen  Wan- 
derungen und  Besiedelungen  abzuleiten ;  wir  müssen  dem  Verf. 
zustinunen,  dass  das  in  seinem  Buche  behandelte  Special-Thema 
das  ursprünglich  gesetzte  Ziel  an  Wichtigkeit  weit  überlritt't.  Für 
das  Studium  der  Erscheinungen  der  natürlichen  Auslese  beim 
Menschen  ist  Ammon's  Werk  grundlegend  und  zeichnet  sich  durch 
Vertiefung  aus,  wie  wir  sie  von  Ch.  Darwin  gewöhnt  sind.  Das 
Zusannnenstellen  der  Thatsachen  und  ihre  exact-methodische 
Gruppirung  nimmt  den  Haupttheil  der  Arbeit  ein,  die  sich  aus 
denselben  ergebenden  Schlussfolgerungen  sind  für  den  die  That- 
sachen würdigenden  und  logisch-denkenden  Forscher  zwingend 
und  so  auch  für  den  Verf.,  der  im  Vorwort  gesteht,  dass  sie  zum 
Theil  mit  seinen  früheren  Ansichten  im  schroffsten  Widerspruch 
standen,  und  er  sich  daher  —  echt-menschlich  —  lange  gesträubt 
halje,  dieselben  als  richtig  anzuerkennen.  Wie  sehr  spricht  Veif. 
aus  unserem  eigensten  Empfinden  heraus,  wenn  er  sagt:  „Für 
den  Naturforscher  giebt  es  kein  höheres  Gesetz  als  die  VVahrhoit" 
und  „bei  einer  neuen  wissenschaftlichen  Erkeuntniss  handelt  es 
sich  in  erster  Linie  nur  darum,  ob  sie  erweislich  wahr  ist;  die 
praktischen  Folgen,  welche  ihi-e  Geltendmachung  haben  kann, 
sind  zunächst  Nebensache."  Bei  der  hohen  Bedeutung  des  Buches 
müssen  wir  ausführlicher  auf  seinen  Inhalt  eingehen,  und  wir 
werden  das  baldigst  in  einem  besonderen  Artikel  thun  durch  Ab- 
druck des  am  Schlüsse  des  Buches  von  dem  Verf.  selbst  gegebenen 
übersichtlichen  Gesaunntbildes  über  das  in  dem  Buche  Vorgetra- 
gene. Freilich  kann  die  alleinige  Kenntnissnahme  dieses  Ab- 
schnittes dem  Naturforscher  nicht  genügen,  wenn  auch  speciell 
mancher  Zoologe  und  Botaniker  die  (Quintessenz  des  Buches  als 
Resultat  seiner  Studien  selbst  gewonnen  haben  muss,  denn  sie 
ergiebt  sieh  aus  den  Thatsachen  der  organischen  Naturwissen- 
schaften —  wie  ich  meine  -  für  den  Logisch-denkenden  olnie 
Umwege.  Diejenigen,  deren  wissenscliaftliche  Arbeiten  nicht  aus- 
schliesslich vom  Verstände  geleitet  werden,  sondern  die  auch 
ihren  Gemüthsbedürfnissen  einen  l'^.iufluss  auf  dieselben  gestatten, 
werden  mit  manclu'n  Resultaten  nicht  einverstanden  sein.  In 
Gebieten,  die  das  Menschenleben  nahe  berühren,  hat  ja  die  reine 
Wissenschaft,  wenn  das  in  einer  bestimmten  Riehtvnig  erzogene 
Gemüth  unbefriedigend  lassende  Resultate  wittert,  einen  schweren, 
meist  vergeblichen  Kampf  zu  versuchen  mit  vorgefassten  Mei- 
nungen und  Gefühlsregungen,  die  bestimmte  Resultate  wünsche  n. 
in  einigen  nebensächlichen,  die  allgemeinen  Resultate  kaum 
tangirenden  Punkten  wenlen,  das  ist  bei  dem  umfangreichen  Gegen- 
stand nicht  anders  zu  erwarten,  einige  Modiflcationen  nöthig 
werden.  P. 


Thomas  H.  Huxley,  Grundzüge  der  Physiologie.  Mit  Bewilli- 
gung des  Verfassers  herausgegeben  von  Professor  Dr.  I.  Rosen- 
thal. Dritte  verbesserte  und  erweiterte  Auflage.  Mit  118  Ab- 
bildungen. Hamburg  und  Leipzig,  Verlag  von  Leopold  Voss. 
1893.  —  Preis  9  M. 

Hu.xley's  Werk  ,Grundzttge  der  Physiologie"  ist  —  wie  alle 
Arbeiten  dieses  Autors  —  mustergültig.  Die  stets  klare  und  dem 
Anfänger  durchaus  a,ngepasste  Schreibweise  des  Autors,  die  der 
Uebersetzer  geschickt  zu  wahren  gewiis'^t  hat,  machen  es  so  leicht 
wie  möglich,  das  Buch  mit  Erfolg  zu  studiren.   Dem  Autodidacten 


Nr.  4-2. 


NaturwisseuSLliaftlichc  Wochenschrift. 


461 


und  Laien,  aber  ancli  den  Mediein  Studiroiiden  als  erste  Kin- 
fühviinf;  kann  man  über  den  Gegenstand  kaum  ein  besseres  lUu-li 
empfehlen.  In  12  „Vorlesunpeu"  werden  die  ])liysiologisehen  und, 
soweit  nötliig,  natürlich  auch  die  morphologischen  Thatsaehen 
vorgeführt,  und  in  11  kürzeren  Abschnitten  bringt  Rosenthal  Er- 
gänzungen zu  den  Vorlesungen.  Ein  gutes  Register  besehliesst 
den  Band. 

Bedauerlicher  Weise  ist  die  Physiologie  der  Fortpflanzung  in 
dem  Buche,  trotzdem  es  doch  wahrlieh  kein  Kinderbuch  ist, 
nicht  behandelt. 

Dr.  Willibald  Nagel,  Die  niederen  Sinne   der  Insekten.     Mit 

19    autotypischen    Aldiildungen.     Verlag  von    Franz    Pietzcker,  , 
Tübingen   1892.  —  Preis  2  Mk. 

Unsere  und  die  Sinnesorgane  der  höheren  Thii're  entsprechen  | 
nicht  denen  der  niederen  Thiere.    Bei  diesen  haben  ilie  Sinnesorgane  i 
einen  sehr  gleichmässigen  Bau,  und  doch  ist  es  natürlich,  dass   sie  j 
verschiedene    Emptindungen    für  verschiedene    äussere   Eindrücke 
haben  müssen.     Die    niedrigsten  Thiere,    die  Protozoen,    reagiren  : 
nachweislich  auf  mehrere  Sinnesreize,  ohne  dass  sie  eine  sichtbare 
Spur  von  eigenen  Organen   für  die    einzelnen  Reizarten   besitzen;  | 
die  ()l)erfläche  ihres  einzelligen  Körpers  st(dlt  demnach  ein  Uni- 
versal sinn  i'sorgan  dar.     Schon    bei    den   ludieren   Formen   der 
Protozoen,  den  Infusorien  (Ciliaten),  tritt  eine  Difl'erenzirung  der  i 
Sinnesorgane  ein,  insofern  ihre  Wimpern   eine   besondere   Siinies- 
thiltigkeit  ausüben. 

i)eu  Gegensatz  zu  einem  llniversalsinnesorgau  bilden  die 
speeifischen  Sinnesorgane.  Diese  dienen  nur  je  einer  be- 
stinunten  Art  von  Sinnesthätigkeiten  und  sind  am  besten  beim 
Menschen  und  den  höheren  Thieren  ausgebildet.  Gesicht,  Gehör, 
Ge.schmack,  (Icruidi  uml  Gefühl  sind  hier  auf  bestimmte,  vonein- 
ander getrennte  Organe  beschrankt. 

Es  giebt  auch  Sinnesorgane,  welche  abwechselnd  verschiedenen 
Sinnen  dienen  können;  es  sind  die  Wechs  e  1  Sinnesorgane 
So  sind  z.  B.  die  Hantsinnesorgane  der  Insekten  einander  meist 
so  ähnlich,  dass  angenommen  werden  muss,  dass  theilweise  ver- 
schiedene Reize  von  demselben  Organ  aufgenonnuen  werden  können. 
Daneben  konniien  aber  auch  änsserlich  verschieden  ausgerüstete 
Sinnesorgane  vor,  welche  deshalb  specifische  Funktionen  an- 
nehmen lassen  Daraus  folgt,  dass  die  zu  den  Sinneswerkzeugen 
führenden  Nerven  im  Stande  sein  müssen,  mehrerlei  Arten  von 
Erregungszuständen  fortzupflanzen.  Anzunehmen  ist  indess,  dass 
die  Zald  der  möglichen  Empfindungsarten  bei  den  Insekten  eine 
geringere  ist  als  beim  Menschen.  Die  Farben  wirken  auf  die 
Ins(^kten  vielleicht  nur  als  Gradunterschiede  einer  bestinunten  Er- 
regungsa.rt.  Die  verschiedenen  Gerüche  und  Geschmacksarten  . 
geben  sich  gewiss  nur  insoweit  kund,  als  das  Insekt  nur  zwischen 
angenehmen"  und  unangenehmen  unterscheidet.  Alle  diese  Fragen 
und  Verhältnisse  sind  in  der  Abhandlung  eingehend  auseinander- 
gesetzt. Ferner  enthält  die  Abhandlung  eine  Schilderung  der 
dickwandigen  und  massiven  Haargebilde  als  Organe  des  mecha- 
nischen Sinnes,  dünnwandige  Haargebilde  als  Organe  des  che- 
mischen, mechanischen  und  thermischen  Sinnes;  dann  je  ein 
Kapitel  über  die  Bedeutung  der  chemischen  Sinne  für  die  Insekten, 
über  weitere  unter  den  Begriff  der  niederen  Sinne  fallende 
Sinnesthätigkeiten,  über  niedere  Hörwerkzeuge  (Wahrnehmung 
von  Erschütterung,  Gleiehgewichtssiiui  oder  statischer^  Sinn, 
Schmerzempfindlichkeit,  Temperatursinn,  Verhalten  gegen  Elektri- 
zität), schliesslich  über  den  Lichtsinn  und  über  die  Möglichkeit 
des  Bestehens  noch  weiterer  unbekainiter  Sinne  („der  sechste ; 
Sinn").  .  ; 

Die  ganze  Ausführung  über  die  niederen  Sinne  der  Insekten  i 
in  dieser  Schrift  steht  auf  der  Höhe  der  gegenwärtigen  Wissen- 
schaft. Der  Verfasser  beherrscht  das  Material  von  einem  höheren 
Standpunkte  der  Intelligenz,  als  bisherige  Forscher  auf  demselben 
Gebiete.  Die  Abhandlung  ist  für  Jeden,  der  sich  über  diesen 
Gegenstand  der  Naturwissenschaft  unterrichten  will,  reclit^  lesens-  '■ 
werth  und  belehrend.  Kolbe. 

Dr.  Erwin  Schvilze  und  Friedrich  Borcherding:,  Fauna  saxonica. 
Ampbibia  et  reptilia.     Verzeichniss    der    Lurche    und    Kriech- 
thiere    des   mirdwestlichen   Deutschlands.     Mit  2-5  Abbildungen.  , 
Gustav  Fischer,  Jena  1893.  —  Preis  1,80  Mk. 

Die  Amphibien  des  vorzüglichen  Werkeheus  bilden  die  2.  er- 
weiterte Auflage  von  Sehulze's  Fauna  saxo-thuringia.  Wir  finden 
lateinische  und  deutsche  Diagnosen  und  gewissenhaft  zusammen- 
gestellte Fundpunkte.  Von  besonderem  Werth  sind  die  2  ge- 
wissenhaften Litteratur- Verzeichnisse.  Allen,  die  sich  mit  der 
Fauna  unserer  Heimath  beschäftigen,  wird  das  Heftchen  unent- 
behrlich sein.  

G.  Guerin,  Traite  pratique  d'analyse  chimique  et  de  recherches 
toxicologiques.     Georges  Carre.     Paris   18!to. 

Das  Buch  ist  ausserordentlich  geeignet,  in  den  ganzen  Um- 
fang der  chemischen  Analyse  einzuführen  und  den  Fachmann  zu 


unterstutzen  und  zwar  nicht  nur  den  ausschliesslichen  Gelchrton, 
sondern  auch  den  Mann  der  Praxis  wie  den  Gerichtschemiker 
u.  s.  w.  Dem  letzteren  dürfte  das  Buch  besonders  werthvoll  sein, 
ist  doch  der  Verfasser  (professeur  agrege  ä  la  facidte  de  medecim^ 
de  Nancy  und  Directeur  du  laboratoire  des  cliniques)  in  dem  Ge- 
biete der  gerichtlichen  Chemie  ausgezeichnet  bewandert. 

Das  Buch  umfasst  etwa  .'JOO  Seiten,  enthält  an  geeigneten 
Stellen  Textfiguren  und  farbige  Tafeln,  unter  di'uen  zwei  be- 
sonders erwähnenswerth  sind,  welche  die  Borax-  und  Phosphor- 
salzperl-Färbungen  in  derReductionsffammezurDarstellungbringen. 


Max  Ebeling,  Leitfaden  der  Chemie  für  Bealschulen.  Mit  22.5 
Abbiliiungen.  Weidmannsche  Buchhandlung.  Berlin  1892.  — 
Preis  2,20  M. 

Der  Verf.,  Oberlehrer  an  der  4.  Realschule  in  Berlin,  hat  es 
sich  angelegen  sein  lassen,  in  dem  Leitfaden  die  Praxis  gebührend 
zu  berücksichtigen.  Ein  Theil  der  geschickt  ausgewählten  Ab- 
bildungen bezieht  sich  auf  diese;  so  erläutern  Figg.  10:3 — lOH  die 
Herstellung  von  Glaswaaren,  Fig.  179  das  Innere  eines  Scharf- 
feuerraumes eines  Porzellanofens  u.  s.  w.  Das  Buch  umfasst 
1-57  Seiten. 

Ferdinand  Kraft,  Abriss  des  geometrischen  Kalküls.  Nach  den 
Werken  des  Prof.  Dr.  llerniauu  Günther  Grassinnnn.  Mit  Te;;t- 
Figuren      B.  G.  Teubner  in  Leipzig   1893.  —  Preis  G  Mk. 

Ueber  die  Bedeutung  der  von  Grassmann  in  seiner  „Aus- 
dehnungslehre"  entwickelten  Methoden  besteht  heut  wohl  kein 
Zwcdfelmehr.  Sowohl  der  allgemeine  wissenschaftliche  Werth, 
als  auch  der  grosse  Nutzen  ihrer  Anwendung  auf  Geometrie  und 
Mechanik  werden  mehr  und  mehr  anerkannt.  Dass  trotzdem  die 
Grassman'schen  Ideen  noidi  nicht  die  wünschenswerthe  Verbreitung 
gefunden  haben,  liegt  unstreitig  an  den  Schwierigkeiten,  welche 
die  allgemein  und  abstrakt  gehaltene  Darstellung  Grassmann's 
dem  Studium   entgegensetzt. 

Deshalb  kann  ein  Werk,  welches  sich,  wie  das  vorliegende, 
die  Aufgabe  stellt,  durch  einen  „mehr  praktischen  als  theo- 
retischen Gedankengang"  weitere  Kreise  mit  den  Elementen  der 
Ausdehnungslehre  bekannt  zu  nuichen  und  auf  das  Studium  des 
erwähnten  Grassmann'schen  Werkes  vorzubereiten,  nur  mit  Freuden 
begrüsst  werden. 

Im  allgemeinen  können  wir  uns  mit  der  Art,  in  welcher  Herr 
Kraft  seine  Aufgabe  gelöst,  nur  einverstanden  erklären;  der  auf 
das  Konkrete  gerichtete  Gang  der  Entwickelung  und  die  meist 
klare  Dai-stellung  machen  den  vorliegenden  Abriss  zu  einem 
Werk,  welches  recht  geeignet  erscheint,  in  das  Wesen  des  geome- 
trischen Kalküls  einzuführen.  Im  einzelnen  jedoch  hat  das  vor- 
liegende Werk  zu  einigen  nicht  unerheblichen  Bedenken  Anlass 
gegeben,  zu  deren  Begründung  mit  einigen  Worten  auf  das  Wesen 
des  geometrischen  Kalküls  eingegangen  werden  muss. 

Genau  wie  in  der  Algebra  die  Verknüpfung  zweier  Zahh'n 
wird  man  die  Verknüpfung  zweier  geometrischer  Gebilde  durch 
eine  abgekürzte  Bezeichnung  darstellen  können,  ja  man  wird  sich 
direkt  der  in  der  Algebra  üblichen  Operationszeichen  bedienen 
können,  um  geometrische  Verknüpfungen  anzudeuten.  Natürlich 
wird  man  aber  dann  <'rklären  miissmi,  welchen  Sinn  die  aus  der 
Algebra  entlehnten  Zeichen  in  der  Geometrie  haben  sollen.  Denn  was 
unter  Addition  und  Multiplication  von  Punktgrössen  oder  Strecken 
verschiedener  Richtung  zu  verstehen  ist,  wird  auch  der  nicht  er- 
rathen  können,  welcher  mit  den  Gesetzen  des  algebraischen  Rech- 
nens völlig  vertraut  ist. 

Ganz  willkürlich  wird  man  allerdings  bei  der  Bezeichnung 
geometrischer  Operationen  durch  algebraische  Namen  nicht  vor- 
gehen dürfen.  Damit  näudieh  für  die  Umformung  der  Ausdrücke, 
welche  die  durch  Verknüpfung  geometrischer  Gebildi'  entstan- 
denen Ergebnisse  darstellen,  —  d.  h.  für  das  geometrische  Rechnen 
—  dieselben  oder  doch  wenigstens  ähnliche  Regeln  wie  für  das 
Rechnen  mit  Zahlen  gelten,  wird  man  nur  solche  Operationen  als 
Addition  oder  Multiplication  bezeichuen  dürfen,  welche  nut  den 
entsprechenden  algebraischen  Ojierationen  die  fundamentalen 
Eigenschaften  gemeinschaftlich  haben,  aus  welchen  die  Regeln  für 
das  algebraische  Rechnen  fliessen. 

Nach  diesen  Auseinandersetzungen  ist  der  Gang,  welchen 
eine  Darstellung  der  gi^onietrischen  Rechenregeln  zu  nehmen  hat, 
eigentlich  völlig  bestinnut.  Zunächst  hat  man  diejenigen  Eigen- 
schaften zu  fixiren,  welche  die  Verknüpfung  irgend  welcher 
Gebilde  haben  muss,  wenn  sie  als  Addition  oder  Multiplication 
gelten  soll,  und  aus  diesen  dann  die  allgemeinen  Rechenregeln 
.abzuleiten.  Ferner  hätte  man  von  den  Verknüpfungsweisen  geo- 
metrischer Gebilde  nachzuweisen,  dass  sie  jene  Eigenschaften  be- 
sitzen, welche  für  die  Addition  oder  Multiplication  charakteristisch 
sein  sollten.  Dann  könnte  man  die  eben  erwähnten  Rechenregeln 
anwenden,  um  geometrische  Sätze  abzuleiten. 

In  der  Mehrzahl  der  in  Betracht  kommenden  Fälle  verf^ihrt  auch 
Herr  Kraft  in  der  angegebenen  Weise.  Er  setzt  in  der  Einleitung 
fest,  dass  die  Verknüpfung  zweier  Gebilde  a  und  b,  weicht-  zunächst 


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Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  42. 


durch  a  •  b  bezeichnet  werde,  allemal  dann  Addition  heispcn  soll,  wenn 
erstlich  das  commut.ative  Gesetz  a  ■  h  !=  h  ■  a,  zweitens  das  asso- 
ciative  Gesetz  (a  •  b)  •  c  =  a  •  (b  •  c)  und  wenn  drittens  die  Aufgabe 
a  •  X  ^  b  für  x  stets  eine  eindeutige  Lösung  liefert.  Das  Ver- 
knüpfnngszeichen  für  die  Addition  soll  +  sein.  Eine  zweite 
Verknüpfnngsart  (:)  soll  allemal  dann  eine  Multiplication  heissen, 
wenn  (a  +  h)  '.  c  ^  a  '.  c  +  b  :  c  und  auch  c'.  (a  +  b)  ^  c  '.  a  -\-  c  '■  b  ' 
ist.  Auch  hier  wird  das  algebraische  Zeichen  für  die  Verknüpfung 
gewählt. 

Dann  wird  genau  definirt,  dass  unter  der  Verknüpfung  zweier 
Strecken  «  und  ß  zu  einer  dritten  Strecke  y,  die  dritte  Seite 
eines  Di-eiecks  verstanden  werden  soll,  dessen  andere  Seiten  nach 
Grösse  und  Richtung  eben  ilie  Strecken  «  und  ß  sind.  Nachdem 
dann  gezeigt  ist,  dass  diese  Verknüpfung  alle  für  die  Addition 
festgesetzten  Merkmale  hat,  wird 

y  =  «  +  /« 
gesetzt. 

Ganz  anders  verfährt  Herr  Kraft  in  dem  zweiten  Abschnitt 
des  ersten  Kapitels,  welcher  von  der  .Summation  der  Punktgrössen 
handelt.  Zunächst  erscheint  schon  die  Definition  der  Punktgrösse 
für  einen  einzelnen  Punkt  sehr  äusserlicli.  F'.s  wird  gesagt,  wenn 
n  Punkte  in  einem  Punkt  ^4  zusammenfallen,  so  soll  die  Ge- 
,=amnitheit  dieser  Punkte  eine  Punktgrcisse  heissen,  welche  durch 
nA  dargestellt  w'ird.  Dieses  Zeichen  ist  also  nur  für  ganze  posi- 
tive Zahlen  «,  nicht  aber  für  negative  oder  gebrochene  Zahlen 
definirt.  Was  unter  der  Summe  von  Punktgröi5sen  zu  verstehen 
ist,  wird  gar  nicht  deutlich  definirt.     Es  wird  nur  gesagt: 

„Weil  Gleiches  zu  Gleichem  addirt  Gleiches  giebt,  so  wird  die 
Summe  der  Punktgrössen  eines  Punktvereins  eine  gewisse  Punkt- 
grösse sein." 

Sind  aA,  bB,  eG.  .  .  die  zu  addirenden  Punktgrössen,  ist  xS 
das  näher  zu  bestimmende  Ergebniss,  so  muss  die  Gleichung 
aA  +  bB  +  cC  .  .  .  =  xS  bestehen. 

Wenn  nun  aber  keine  besondere  Voraussetzung  über  den 
Sinn  der  Addition  gemacht  wird,  so  kann  sie  zunächst  nur  eine 
rein  formale  Bedeutung  haben.  Sie  sagt  dann  nichts  weiter  als 
das  gleichzeitige  Vorhandensein  der  zu  addirenden  Elemente  aus, 
und  die  Summe  ist  dann  nur  ein  abgekürzter  und  zusammen- 
fassender Ausdruck  für  die  Gesammtheit  dieser  Elemente.  Zwar 
kann  auch  die  so  aufgefasste  Summe  mit  Hülfe  der  Formeln 
a  +  b  =  b  +  a  und  (a  +  b)  +  c  =^  a  +  (h  +  c)  umgebildet  werden, 
aber  diese  Umgestaltungen  sind  rein  formaler  Natur.  In  welche 
Gestalt  auch  immer  die  in  Frage  stehende  Summe  mit  Hülfe  der 
angeführten  Gleichungen  gebracht  werden  möge,  nie  sagt  sie 
etwas  anderes  als  das  Vorhandensein  der  von  vornherein  ge- 
gebenen Elemente  aus.  Deshalb  ist  die  Wendung,  vermöge 
welcher  Herr  Kraft  die  Summe  eines  Vereins  von  Punkt- 
grössen zu  einer  einzelnen  Punktgrösse  zusammenfasst,  offenbar 
unzulässig. 

Die  nähere  Bestimmung  der  einzelnen  Punktgrösse,  welche 
die  Summe  darstellen  soll,  gelingt  nur  deshalb,  weil  unter  der 
Form  ungerechtfertigter  Schlüsse  da.sjonige  eingeführt  wird,  was 
als  Erklärung  an  die  Spitze  der  ganzen  Entwickelung  gestellt 
werden  mussto.  nämlich  der  Begi'ifF  der  Aequivalenz  nicht  identi- 
scher Vereine  von  Punktgi-össen. 

Im  zweiten  Kapitel  kommt  der  sogenannte  Drehungsfactor 
zur  Sprache,  dessen  Einführung  auf  eine  recht  äusserliche  Weise 
begründet  wird.  Von  der  Thatsache  ausgehend,  das,*;  die  Drehung 
einer  Strecke  um  einen  gestreckten  Winkel  in  der  Wirkung  mit 
der  Hinzufügung  des  Factors  —  1  identisch  ist,  wirft  Herr  Kraft 
ohne  weitere  Ausführung  die  Frage  auf:  Welcher  Factor  x  dreht 
eine  Strecke  «  aus  der  Anfangslage  um  einen  rechten  Winkel? 
Natürlich  wird  /  gefunden.  Nachdem  dann  für  die  Winkel  ip,  welche 

n 
Vielfache  von  --  sind,  das  Resultat  der  Drehung  durch 

2w 


dargestellt  ist,  wird  dieses  Resultat  ohne  weitere  Begründung  auf 
beliebige  Winkel  übertragen.  Im  ersten  Theile  des  dritten 
Kapitels,  welcher  die  äussere  Multiplication  der  Strecken  be- 
handelt, schliesst  sich  Herr  Kraft  zuerst  wieder  etwas  näher  an 
Grassmann  an.  Es  wird  zunächst  gezeigt,  dass  die  Verknüpfung 
n  •  ß  zweier  Strecken  zu  dem  Inhalt  eines  Parallelogramms,  welcher 
je  nach  dem  Sinne  der  von  ß  nach  «  auszuführenden  Drehung 
als  positiv  oder  negativ  anzusehen  ist,  so  lange  völlig  distributiv 
bezüglich  der  Streckenaddition  ist,  als  alles  in  einer  Ebene  bleibt. 
Ohne  Zweifel  ist  also  die  in  Frage  stehende  Operation  für  den 
Fall,  dass  alle  in  Betracht  kommenden  Linien  und  Punkte  in 
einer  Ebene  liegen,  als  Multiplication  zu  betrachten. 

Herr  Kraft  überträgt  nun  aber,  ohne  irgend  ein  Wort  der 
Begründung  zu  verlieren,  die  bis  dahin  nur  unter  der  angegebenen, 
beschränkenden  Voraussetzung  gültige  Formel  (n,  +  «j) /?  ^  «,/S 
+  n,/5  auch  auf  den  Fall,  dass  die  drei  Strecken  «,,«,, /J  nicht 
in    einer   Ebene    liegen.      Das    richtige   Verfahren    wäre    offenbar 


gewesen,  zunächst  den  noch  nicht  definirten  Begriff  der  Summe 
zweier  nicht  in  einer  Ebene  liegenden  Flächenstücke  so  zu  be- 
stimmen, dass  die  Formel  («,  +  «j)  ■  ß  =  a,  ■  ß  +  (if  ß  für  beliebige 
gegenseitige  Lage  der  Stiecken  richtig  wird,  und  dann  aus  der 
jetzt  allgemein  gültigen  Formel  den  multiplicativen  Charakter  der 
Verknüpfung  tcß  füf  den  ganzen  Raum  zu  schliesson.  ^ 

Das  äussere  Produkt  von  Punktgrö.ssen  füln-t  Herr  Kraft  durch 
die  Bemerkung  ein,  dass  es  dieselbe  Eigenschaft  liaben  müsse, 
wie  das  äussere  Produkt  aus  zwei  Strecken.  Vermittelst  einiger 
rechnerischer  Wendungen,  welche  aus  dieser  Bemerkung  fliessen, 
wird  dann  das  Produkt  aus  zwei  Punkten  in  ein  solches  aus  einem 
Punkt  und  einer  .Strecke  verwandelt  und  dann  von  diesem  Pi'O- 
dukt  ausgesagt:  „es  fällt  mit  dieser  Strecke  zusammen  und  heisst 
zur  Unterscheidung  von  einer  .Strecke  ein  Linientheil." 

Uns  scheint,  dass  dieses  Verfahren  sowohl  an  Strenge  wie 
auch  an  Verständlichkeit  hinter  dem  von  Grassmaun  befolgten 
zurücksteht.  Zunächst  kann  man  gegen  die  Art,  wie  Herr  Kraft 
das  äussere  Produkt  der  Punktgrössen  einführt,  das  Bedenken  er- 
heben, ob  es  überhaupt  eine  solche  Verknüpfung  zweier  Punkt- 
grössen giebt,  auf  welche  die  für  das  äussere  Produkt  zweier 
Strecken  gültigen  Rechenregeln  anzuwenden  sind.  Dam  aber 
sieht  man'' auch  gar  nicht  ein,  warum  die  Bedeutung  des  Pro- 
duktes der  Linientheil  sein  soll,  d.  h.  nach  blosser  rechnerischer 
Umwandlung  durch  Unterdrückung  des  einen  Faktors  gewonnen 
werden  soll.  Diese  Schwierigkeiten  fallen  fort,  wenn  man  von 
der  Verknüpfung  zweier  Punktgrössen  zu  einer  Strecke  ausgeht  und 
zeigt,  dass  diese  Verknüpfung  die  Eigenschaften  des  äusseren 
Productes  besitzt. 

Das  vierte  Kapitel  behandelt  die  Multiplication  von  geometri- 
Gebilden  li<iherer  Stufe.  Nachdem  die  in  Betracht  kommenden 
Regeln  entwickelt  sind,  zeigt  der  Verfasser  ihre  Anwendungen  an 
der  Behandlung  der  Linien  und  Flächen  zweiter  Ordnung.  Ein 
zwar  kurzes  aber  recht  übersichtliches  Kapitel  über  die  Elemente 
der  Determinante  schliesst  diesen  Abschnitt.  Den  Schluss  des 
ganzen  Werkes  bildet  ein  kurzes  Kapitel  über  die  (^uaternionen- 
rechnung.  Fritz  Kötter. 

Neue  Denkschriften  der  allgemeinen  schweizerisclien  Ge- 
sellschaft für  die  gesammten  Naturwissenschaften.  Band 
XXXIll,  Abtheilung  I.  Comm.-Verlag  von  II.  Georg  in  Ba.sel, 
Genf  und  Lyon.  1893.  —  Das  stattliche  Heft  entliält  drei  um- 
fangreiche Arbeiten,  und  zwar  I)  Dr.  Robert  Emden,  Ueber 
das  Gletscherkorn  (mit  fünf  Tafeln),  deren  Hauptresultat 
Verfasser  in  die  folgenden  Worte  zusammenfasst;  „Die  Gletscher- 
kornbildung ist  keine  Eigenthumlichkeit  des  Gletschereises,  son- 
dern eine  durch  einen  moleeularen  Umkrystallisationsprocess  er- 
klärbare Eigenschaft  eines  jeden  Eises,  und  hat  deshalb  mit  dem 
Gletscher  als  solchem  nichts  zu  thun,  und  die  Bewegung  des 
Gletschers  kann  ohne  dieselbe  zustande  kommen.  Gletscherkorn- 
bildung und  Gletscher  haben  keine  wesentliche  wechselseitige  Be- 
deutung." —  Die  zweite  Abhandlung  ist  eine  von  S.  S ch wen- 
de ner  mit  einer  Vorbemerkung  und  von  C.  Gramer  mit  einer 
Schlussbemerkung  versehene  nachgelassene  Arbeit  des  berühmten 
Botanikers  Karl  Nägeli,  „Ueber  oligodynami  seh  e_  Er- 
scheinungen in  lebenden  Zellen."  Ueber  diese  Arbeit  findet 
sich  Ausführliches  in  dieser  Nummer.  —  Die  dritte  Arbeit  (mit 
drei  Tafeln)  aus  der  Feder  des  Professors  E.  D.  Fischer  bringt 
„Neue  Untersuchungen  zur  vergleichenden  Entwicke- 
lung  und  Systematik    der  Pha  lloideen." 

Jahrbuch  für  Photographie  und  Keproductionstechnik  für 

das  Jahr  1893,  luM-ausgegeben  von  .Josef  Maria  Eder.  7.  Jahr- 
gang. Mit  145  Holzschnitten  und  Zinkotypien  und  34  artistischen 
Tafeln.  Wilhelm  Knapp  in  Halle  a.  S.  1893.  —  Preis  8  Mk.  - 
Für  den  Photogi-apheu  von  Fach  und  jeden,  der  sich  eingehender 
mit  der  photographischen  Pra.xis  beschäftigt,  ist  das  „Jahrbuch 
für  Photographie"  von  grossem  Werth.  Wir  finden  in  demselben 
eine  grosse  Zahl  Original-Aufsätze,  jeinen  Bericht  über  die  Fort- 
schritte der  Photographie  und  Reproductionstechnik  in  den  Jahren 
1891  und  1892,  ein  Verzeichniss  der  in  Oesterreich  und  im  Deut- 
schen Reich  verliehenen  Patente  und  eine  Litteraturliste.  Auch 
die  Naturfcirschung  verfolgt  mit  Interesse  die  Fortschritte  auf  dem 
Gebiete  der  photographischen  Praxis;  werden  jener  doch  von 
dieser  wichtige  Dienste  geleistet.  So  finden  wir  unter  den  lllustra- 
tions-Tafoln  mikro-photographische  Aufnahmen  von  Theilen  der 
Amphipleura  pellucida,  die  erläutern,  wie  ausserordentlich  brauch- 
bar die  Photographie  auch  für  die  Darstellung  mikroskopischer 
Objecte  ist. 

Antonio  della  Valle,  Gammarini  del  golfo  di  Napoli.  Berlin. 
150  M. 

Bardey,  Dr.  Ernst,  Algebraische  Gleichungen  nebst  den  Resul- 
taten   und    den  Methoden    zu    ihrer  Auflösung.     Leipzig.     6  M. 

Bartels,  San.-B..  Dr.  Max,  Die  Medicin  der  Naturvölker.  Leipzig. 
11  M. 


Nr.  42. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


463 


Bergslien,  Knud,  Kart  over  Di-.  Fridtjof  Nansens  Polarcxpedi- 
tioii   lS'.1;;,-l8i»y     Christiania.     O.l»  M' 

Billroth,  Thdr.,  n  Alex.  v.  Winiwarter,  Prof.  DD.,  Die  allfie- 
iiii'in.'  cliirui-^iscliL'  l'atliiii(if;ir  luid  TlnTaiiit'.  15.  Aufl.  Borlin, 
IC.riO  M.         ' 

Brauer,  Prof.  Dr.  Frdr.,  n.  J.  Edler  v.  Bergenstamm,  Die  Zwi- 
tlii«lcr  lies  kaisorl    Mnsinnns  zu  Wien.     Wien.     40,80  M. 

Buchenau.  Prof.  Dr.  Frz.,  lieber  den  Anfbau  dos  Palmiet- 
Seliilt'es  (l'rioniiini  serratiim  Drege)  aus  dem  Caplando.  Stutt- 
gart.    24  M 

Chittenden,  J.  Brace,  A.  M.,  A  presentatioii  of  the  theory  of 
Henniti'V  form  cif  Laine's  ec|uation,  witli  a  di'termination  of 
the  e.\|ilieit  fornis  in  terms  of  tlie  p  function  for  the  case  n 
(■(|üal  to  tlirec.     Leipzig.     2,80  M. 

Clapeyron,  E.,    Ueber  diij  bcwegeado  Kraft  der  Wärme.     Berlin. 

i,(;o  M. 

Claus,  C,  Ueber  die  sogenannten  Bauebwirbel  am  integumentalen 
.Skelett  der  Copepoden  und  die  medianen  Zwischenspalten  der 
Ruderf'usspaaro.     Wien.     7,-0  M. 

—  Ueber  die  Entwiekhing-  und  das  System  der  Pontelliden. 
Wien.     12  M. 

—  Neue  Beobachtungen  über  die  Organisation  und  Entwicklung 
von  Cvclops.     Wien.     16,80  M. 

Credner',    Prof.    Dr.  Rud.,    Rügen.     Eine  Inselstudie.      Stuttgart. 

1)  I\I. 
Deichmann,  Dr.  Carl,  Das  Problem  des  Raumes  in  der  griechischen 

l'hiloso|iliie  bis  Aristoteles,     Leipzig.     2,-50  M. 
Delin,  Dr.  Carl,   Ueber  zwei  ebene  Punktsysteme,  die  algebraisch 

auf  einander  liezogen  sind.     Lund,      1,60  M. 
Eder,  Dr.  Jos.  Maria,    u    Ed.  Valenta,    Ueber    das    ultraviolette 

Liiiiens])ectrum   des  elementaren   l'cir.     Wien.     0.80  M. 
Ettingshausen,  Prof.  Dr.  Const.  Frhr.  v.,  Ueber  fossile  Ptlanzen- 

reste  aus  der  Kreideforniation  Australiens.     Wien.     0,50  M. 
Finsch,  Dr.  O.,    F.thnologische  Erfaliruiigen    und  Belegstücke  aus 

der  Siiiisei.'.     ^\'ien,     8  M, 
Fleischmann,    Privatdoc,    A.,    Embryologischc    Untersuchungen. 

3.  Hft,     Die  Morphologie    der  Placenta    bei  Nagern  und  Raub- 

thieren.     Wiesbaden.     22  M.  

Fonck,  Dr.  Francisco,    Introdoccion   a  la  orografia  i  jeolojia  de 

la  rejion  austral  de  .Sud  America,     Vaipaiaiso.     3  IM. 
Friese,'  H..  Die  Bienenfauna  von  Deutschland  und  Ungarn.    Berlin, 

2.40  M. 

—  Die  Bienenfauna  Mecklenburgs.     Güstrow.     1  M. 
Gegenbauer,    Leop.,    Einige    mathematische    Theoreme.      Wien. 

(1,4(1     M.  .  •  TT 

Geulincx,   Arnoldi,    Antverpiensis,    opera   philosophica.      Haag. 

14  .M. 
Gravelius,    Dr.  Harry,    Lehrbuch    der  höheren  Analysis.     I.  Bd. 

Berlin.     (J  M. 
Gutberiet,  Dr.  C,  Der  mechanische  Monismus.    Paderborn.    5  M. 
Hailer.  Rieh.,    Ueber    einige    amidirtc   Amidinbasen.      Tübingen. 

I   M 
Handlirsch,    Assist     Ant.,    Nene    Arten    der    Gattung    Gorytes 

Liitr.  (J:lymeno]>tereii).     Wien.     0,60  M. 
Hansgirg,'  Prof.  Dr.  Ant.,  Physiologische  und  phycophytologische 

Untersuchungen.     Prag.     17,20  M. 
Hartmann,  Ed.  v.,   Kants  Erkenntnisstheorie   und  Metaphysik  in 

den  vier  Perioden  ihrer  Entwii-kelung.     Leipzig.     4  M. 
Herbart's,    Job.    Frdr.,    Sämmtliche   Werke,     13.  Bd.    Hamburg. 

(.0  M. 
Huxley,  Thom.  H.,  Grundzüge  der  Physiologie     Hamburg.    '.)  M. 
Jäger,    Dr.  Gust.,    Die  Theorie    der    Wärineleitung    der    Flüssig- 
keiten.    Wien.     0,30  M. 
Kaerger,   Privatdoc.    Dr.    Karl,    Aus    drei    Erdtheilen.     Leipzig. 

3  M. 
Karsch,  Dr.  F.,  Die  Insekten  der  Berglandschaft  Adeli  im  Hinter- 
lande villi  Togo  (Westafrika).     Berlin.     18  M. 
Knuth,  Dr.  Paul,    Blumen   und  Insekten  auf  den  nordfriesischen 

Inseln.     Kiel.     4  M. 
Koch,  Rath  Prof.  Dr.  Gust.  Adf.,    Die  Naturgase  der  Erde  und 

die  Tiefliohrungen  im  Sclilier  von  Oberösterreich.    Wien.    1,80  M. 
Koenen,  A.  v.,  Uelier  die  unter-oligocäne  Fauna  der  Mergel  von 

Burgas.     Wien.     0,30  M. 
Kohl,    Dr.    C,    Rudimentare  Wirbelthieraugen.      2.  Tbl.     1.    Lfg. 

Stuttgart.     28  M.  


Kolbe,    Cust.  H.  J.,    Kinfülirung    in    die  Kenntniss    ih'r   Insecti^n 

r.erlin.      UM. 
Lang,  Vikt.  v.,    Versuche    mit   Wechselströmen.     Wien.     0,30  M. 
Lerch,  M.,  .Sur  un  tlieoreme  de  Kronecker.     Prag.     0,32  M. 

Iiöwy,  Ernst,  Ueber  die  Einwirkung  der  Parawolframate  des 
Natriums,  Kaliums  und  Ammoniums  auf  die  entsiirecliendcii 
normalen   \'anadate.      11,'imliurg.      1    M. 

Ludewig,  D.  Dr.  Carl,  S.  J.,  Die  .Substanztheorie  bei  Cartesius 
im  Zus.-immenliang  mit  der  scholastischen  und  neuiu-eii  Philo- 
sophie.    Fulda.     1,80  M. 

Luzi,  Dr.  W.,  Ueber  den  Diamant.     Berlin.     0,60  M. 

Mertens,  F.,  Ueber  die  Bestimmung  eines  Fundamental.systems. 
^Vien.     0,50   M. 

Messtischblätter  des  preussischen  Staates.  1  :  25,000.  Nr.  101.5. 
Middels.  --  1016.  Wittmund.  —  1560.  Schildberg.  —  1564. 
Büssow.  -  1566.  Woldenberg.  --  1631.  Rosenthal.  -  1632.  Staf- 
feide. —  1633.  Gr.  Fahlenwarder.  —  1634.  Lotzen.  —  1636. 
Friedeberg.  (In  der  Neumark.)  —  1637.  Driesen.  (West.)  — 
1708.  Altsorege.  —  1709.  Schiieidemühlchen.  —  1710.  Neubrück. 
—  1711.  Wronke.  -  1775  Költschen.  —  1777.  Trebisch.  — 
1779.  Waitze.  —  1782.  Klodzisko.  —  1925.  Neustadt.  (Bei 
Pinne.)  —  2350.  Grafwegen.  —  2411.  Kuttlau.  ~  2497.  Linden- 
hof. 

Middendorf,  E.  W.,  Peru.  Beobachtungen  und  Studien  über  das 
Land  und  seine  Bewohner  während  eines  25  jährigen  Aufent- 
halts.    Berlin.     20  M. 

Neumann,  Prof.  Pr.  C,  Die  Haupt-  und  Brenn-Punkte  eines 
Linsen-Systems.     2,  Aufl.     Leipzig.     1,20  M. 

Obenrauch,  Prof.  Ferd.  Jos.,  Monge,  der  Begründer  der  dar- 
stellenden (teometrie  als  Wissenschaft.     Brunn.     2  M. 

Oltmanns,  Frdr.,  Notizen  über  die  Algen tlora  bei  Warnemünde. 
(jüstrow.     0,25  M. 

—     Das  Kostcicker  Universitätsherbarium.     Güstrow.     0.25  i\I. 

Ostwald,  Prof.  W.,  Hand-  und  Hülfsbuch  zur  Ausführung  physiko- 
chemischer Messungen.     Leipzig      8  M. 

Ortmann,  Assist.  Dr.  Arnold,  Decapoden  und  Schizopoden. 
Kiel.     14  M. 

Philippi,  Frdr.,    Ein    neues   Beutelthier  Chile's.     Berlin.     0.20  M. 

Philippi,  Dr.  R.  A.,  Analogien  zwischen  der  chilenischen  und 
europäischen  Flora.     B<U'lin.     2  M. 

Poincare,  Prof  H.,  Thermodynamik.     Berlin.     10  M. 

Pohlmann,  Dr.  R.,  Das  Vorkcunmen  und  die  Bildung  des  soge- 
nannten (ilockensteins  (Magnesit)  auf  Juan  Feruandez.  Berlin. 
0,40  M. 

Polek,  Cust.  Dr.  Joh.,  Rückblick  auf  die  Forschungen  zur  Laudes- 
und  V^olkskundo  der  Bukowina  seit  1773.  2.  Aufl  Czernowitz. 
0,60  M. 

Puschl,  C,  ITeber  die  Natur  der  Kometen.     Wien.     0,40  M. 

Reiche,  Dr.  Karl,  Ueber  polster-  und  deckenfürmigwachsende 
Pflanzen,     Berlin.     0,(i0  M. 

Riecke,  Ed.,  Wellenlehre.     Berlin.     2,50  M. 

Roth,  weil,  Dr.  Otto,  klinische  Terminologie.  4.  Aufl.  Leipzig. 
9  .M. 

Schneiders,  Gfr.,  Die  Naturphilosophie  des  Himmels.  Aachen. 
1  M. 

Schlitzberger,  S.,  Die  einheimischen  Schlangen,  Echsen  und 
Lurche.     Kassel.     1   M. 

Schröder-Schwerin,  H.,  Ueber  einige  Makrolepidopteren  aus  der 
Umgegend  von   Schwerin.     Güstrow.     0,20  M. 

Segali-Socoliu,  I.,  Zur  Verjüngung  der  Philosophie  Berlin.     5  M. 

Steiner,  Prof.  Dr.  Jul.,  Beiträge  zur  Lichenenflora  Griechen- 
lands und  Egyptens.     Wien.     1,60  M. 

Stuhlmann,  Dr.  Frz.,  Zoologische  Ergebnisse  einer  in  den 
.laliren  1888 — 1890  mit  Unterstützung  der  kgl.  Akademie  der 
Wissenschaften  zu  Berlin  in  die  Küstengebiete  von  (])st-Afrika 
unternommenen  Reise.     Berlin.     22  M. 

Theurer,  R.,  Einwirkung  von  Salzsäure  auf  einige  Triphenyl- 
methan-Farl)stoft'e.     Tiiliingen      1.20  M. 

Toula,  Prof.  Frz.,  Die  Miocänablagerungen  v.  Kralitz  in  Milhreu. 
Wien.     0,60  M. 

Toula,  Frz.,  Der  Jura  im  Balkan  nördlich  von  Sofia.  Wien. 
0,9(J  M. 

Violle,  Prof.  J.,  Lehrbuch  der  Physik.     Berlin.     9,20  M. 

Weber,  Ingen.  W.,  Sternkarte  mit  drehbarem  Horizont.  Leipzig. 
5  M. 


Inhalt:  R.  Lucks:  Ueber  die  Ursachen  des  natürlichen  Todes.  —  Carl  von  Nägeli:  „(lligiidynamiscbe"  Erscheinungen  in  lebenden 
Zellen.  —  Das  Vorkommen  des  Fadenwurmes  (der  Nematode)  Dochmius  duodenalis  Dub.  (Auchylostomuin  duodenale)  bei 
Ziegelarbeitern  bei  Berlin.  —  Beitrag  zur  Mimicryfrage.  —  Die  Actinien  sind  mit  einem  chemischen  Sinn  ausgestattet.  — 
Zur  E.xperimeiitalembryologie.  —  Eine  bequeme  Prüfung  der  Mangano.xyde.  —  Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben.  —  Litteratur: 
Otto  Amnion:  Die  natürliche  Auslese  beim  Menschen.  —  Thomas  H.  Huxley:  Gnindzüge  der  Physiologie.  —  Dr.  Willi- 
bald Nagel:  Die  niederen  Sinne  der  Insekten.  —  Dr.  Erwin  Schulze  und  Friedrich  Borcherding:  Fauna  saxonica. 
Amphibia  et  reptilia.  —  G.  Guerin:  Traite  pratique  d'analyse  chimicpie  et  de  recherclies  toxicologiques.  —  Ma.x  Ebeling: 
Leitfaden  der  Chemie  für  Realschulen.  —  Ferdinand  Kraft:  Abriss  des  geometrischen  Kalküls.  —  Neue  Denkschriften  der 
allgemeinen  schweizerischen  Gesellschaft  für  die  gesammten  Naturwissenschaften.  —  Jahrbuch  der  Photographie  und  Repro- 
ductionstechnik  für  das  Jahr  1893.  —  Liste. 


464 


Natunvisseiischaftliche  Wochensebrift. 


Nr.  42. 


s: 


=  9llä  jBcitet  leil  unjrcr  fcijclnb  imb  ßcmcittBorftnnblid)  ofirtjricbcncn 
„Slllnemcincit  'JinturfuiibE"  trirfjcint  (ocbtii:  = 


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^$rof.  Dr.  Stilj.  lUnht. 

ncußcorßciteic  lluffanc 
Mit  1000  Äbhilbungcn  im  ffitrt,  6  «arten  u.  33  ©nfcln  in i-nrticiitinirl!. 
ÜtiSicfcntuflcnjuic  1  W!.(60fit.)ci5ev'-!)t>nlblcbcrliiinbcju  je  ISSJit.  (Si  JL*. 

Sollftiiiibiii  licflcn  ton  i)cr  „Sllliicmrincu  Suilnvfitnbc"  tor:  Srelim,  iicricbcii,  10 
.fiiilbk'bevbiintic  ju  je  15  iif.  —  Mnljcl,  ißölf erf uitbc ,  3  Molblciicvliänbi'  ,iii  je 
t(j  ffit.  —  JVcrner,  liflnninilcbcn,  _'  J>nlblcLievbänbc  jii  je  16  llit.  —  'Jlciimnlir, 

isrbflfirtiicfitc,  2  Sjnlblcbovbänbc  jn  je  16  S)it. 
C  rfte  i'iefcnmiicn  burd)  jobe  SBudjtjaublung  äur  9lnftd)t.  —  '$rof(.u'£tc  fciftciif rot. 


llrrlnn  brs  6thlioiira|il)irrtlfn  ?n|lituts  in  ffriviiti  nnö  ttücn. 


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I  Verwertliung  Bureau 

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^  buchhandlung  in  Berlin  er.scheint:  ~ 

Z  Einfiiti.3?"iing  !~ 

2  in  die  Kenntnis  der  Insekten  = 

—  von  H.  .T.  Kollie,  Kustos  am  — 
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„Uie  fremdläudischeu  Stubeuvögel",  die  wir  hiermit  besonderer  Beachtung  eiiipfebleu. 

Verantwortlicher  Redakteur:    Dr.  Henry  Potonit.',    Berlin  N.  4.,  luvalidenstr.  44,  für  den    Inseratentheil:    Hugo  Bernstein    in    Berlin.  — 
Verlag:  Ferd.  Diimmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12.  —  Druck:  G.  Bernstein,  Berlin  SVV.  12. 


Redaktion:  7         Dr.  H.  Potonie. 

Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  IS,  Zimmerstr.  94. 


VIII.  Band. 


Sonntag,  den  22.  October  1893. 


Nr.  43. 


Abonnement :  Man  aljonniit  bei  allen  Buchhandlungen  nnd  Post- 
anstalten,  wie  bei  der  Expedition.    Der  Vierteljahrspreis  ist  M  4.— 
Bringegeld  bei  der  Post  15  ^  eitra. 


Inserate :  Die  viergespaltene  Petitzeile  40  .S>.   Grössere  Aufträge  ent- 
sprechenden Rabatt.  Beilagen  nach  üebereinkunft.  Inseratenannahme 
bei  allen  Annoncenbureaux,  wie  bei  der  Expedition. 


Abdruck  ist  nur  mit  vollständiger  «^nellenangabe  gestattet. 


Eine  Reise  zur  Weltaussteilung  nach  Cliicago. 

Briof  von  dem  Herrn  ßector  der  Kgl.  Ln,nJ\virth.scliaftlichen  Hochschule  zu  Berlin  rrofessor  Dr.  Hugo  Werner 

an  (Hg  Redaction. 


New-York,  den  24.  September  1893. 
Sehr  geehrter  Herr  Schriftleiter! 

Ihrem  Wunsehe  entsprechend,  beehre  ich  mich,  Ihnen 
einiges  über  meine  Reise  nach  Chicago  für  Ilire  geschätzte 
„Naturwissenschaftliche  Wochenschrift"  mitziitheilen,  be- 
merke aber,  dass  es  in  der  Hauptsache  nur  landwirth- 
schaftliche  Dinge  sind,  über  welche  ich  zu  bericliten 
vermag. 

An  Bord  des  Schnelldampfers  „Fürst  Rismarck"  traten 
wir  Mittags  12  Uhr  von  Cuxhafen  aus  unsere  Amerika- 
fahrt an.  Eine  Beschreibung  des  Schiffes  ist  hier  nicht 
am  Platze,  wohl  aber  interessant  zu  wissen,  dass  die  Be- 
satzung aus  300  Köpfen  besteht,  das  Schift'  1C>  OOO  Pferde- 
kräfte besitzt,  die  zwei  Schrauben  treiben,  deren  Wellen 
einen  Durchmesser  von  45  cm  haben.  Zur  Erzeugung  der 
Dampfkraft  für  eine  Eeise  nach  Amerika  sind  ferner 
240  Doppclwagen  Steinkohlen  und  zum  Sclimieren  der 
Maschinen  1200  Pfund  Schmieröl  nöthig. 

Am  nächsten  Mittag  erreichten  wir  bei  ruhiger  See 
Southampton.  Erwähnenswerth  ist,  dass  uns  bei  der  Fahrt 
durch  die  Nordsee  Sehaaren  von  Möven  bis  Nachmittags 
5  Uhr,  als  das  Feuerschiff  von  Tersehelling  in  Sicht  kam, 
begleiteten,  um  die  Abfälle  der  Küche  in  Empfang  zu 
nehmen,  dann  aber  ihren  Flug  wieder  heimwärts  richteten. 
Auch  ein  blinder  Passagier,  wie  es  schien  ein  Stieglitz, 
hatte  sich  eingefunden,  häufig  das  Schiff  umflatternd  und 
sich  darauf  niederlassend;  nach  3  Tagen  wurde  er  nicht 
mehr  gesehen,  ob  verhungert  oder  verdurstet,  wer  kann 
es  sagen? 

Von  Southampton  beginnt  die  eigentliche  Oceanfahrt 
und  die  grünen,  langen  Wellen  der  Atlantik  nahmen  uns 
auf.  Durch  einen  voraufgegangcneu  Sturm  war  das  Meer 
in  etwas  erregter  Stimmung,  welche  sich  auch  den  Men- 


schen mittheilte  und  sie  vielfach  zu  Opfern  zwang.  In 
nahezu  parallelen  Reilicn  stürmten  die  Wellen))erge  auf  das 
Schiff  ein.  Diese  sog.  Dünung  wurde  vom  Schitt'  nahezu 
rechtwinklig  geschnitten,  so  dass  der  pendelnde  Ausschlag 
des  ca.  150  m  langen  Schiffes  zwischen  Spitze  und  Steuer 
ein  recht  erheblicher  war.  Als  diese  Dünung  nach  3  Tagen 
aufhörte,  war  eitel  Fröhlichkeit  an  Bord.  Wir  durchliefen 
die  3053  Seemeilen  (1  Seemeile  =  1,8  km)  zwischen 
Southampton  und  New-York  in  nicht  mehr  als  6  Tagen 
und  14  Stunden.  Uebrigens  waren  wir,  ti-otz  der 
Schönheit  des  Meeres  und  der  Vortrefflichkeit  der 
Küche,  doch  froh,  als  Firc-Island  in  Sicht  kam.  Nachts 
verblieben  wir  auf  der  Rhede  und  liefen  bei  schönstem 
Wetter  Morgens  in  den  prachtvollen  Hafen  von  New- 
York  ein. 

Auf  dem  Schiffe  bietet  die  Beobachtung  des  Thier- 
lebens  im  Meere  eine  willkommene  und  interessante  Unter- 
haltung. Zunächst  sind  es  die  eigentlichen  Seevögel,  wie 
die  dreizehige  Müve,  welche  entweder  paarweis  das  Schiff 
umkreisen  oder  schwimmend  sieh  ausruhen;  auch  der 
kleine  Schwalbcnstunnvogel  zeigt  sich  sehr  häufig.  Einen 
eigenthümlichen  Anblick"  bot  auch  eine  grosse  Schaar 
Delphine,  welche,  weil  theilweis  mit  ihrcu  Körpern  ans 
dem  Wasser  hervorragend,  als  Wellenbrecher  sich  er- 
wiesen, so  dass  ein  täuschendes  Bild  der  Brandung  am 
Lande  entstand.  Eine  kleine  Delphincnart,  der  Tümmler, 
kommt  sehr  häufig  vor  und  jedermann  wird  sich  an  den 
lustigen  Bogensätzen  derseli)en  aus  dem  Wasser  heraus  und 
in  das  Wasser  hinein  ergfitzen;  schaarenweis  eilen  sie  mit 
überaus  grosser  Geschwindigkeit  auf  das  Schiff  zu,  um  unter 
demselben  zu  verschwinden.  Auch  vier  Finwale  konnte 
ich  in  nicht  allzugrosser  Entfernung  beobachten,  doch 
stiessen  sie,  vvie  das  die  Abbildungen  der  Kinderbücher 
zeigen,  nicht  einen  soliden  Wasserstrahl  aus,  sondern 
stpssweise    erfolgte    ein    Ausspritzen    sich    verstäubenden 


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Natuvwissenscliaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  43 


Wassers.     Ehien    wundervollen    Anblick    gewährte    auch 
das  Meerleuchten  im  Golfstrom. 

Von  New -York  aus  trat  ich  meine  Landreise,  den 
Hudson  aufwärts  liis  Albany  an.  Dieser  Fluss,  welcher 
mit  dem  Rhein  verglichen  zu  werden  ptiegt,  zeigt  haupt- 
sächlich bis  Ncwlim-gh  grossartige  Landschaften  und  ist 
an  manchen  Stellen  vielleicht  dreimal  so  breit  wie  der 
Rhein  bei  Cölu,  doch  der  Rhein  ist  es  nicht,  dazu  fehlt 
es  an  den  Städten  und  Burgen,  den  rebcnumkränzten 
Bergen  und  den  lustigen  Mensclien.  CTrossartig  ist  die 
Scenerie,  aber  lieblieh  nicht.  Unsere  Fahrt  geht  weiter 
zu  den  Niagara -Fällen,  die  zu  oft  beschrieben  sind,  als 
dass  meine  sehwache  Feder  hier  noch  einmal  den  Ver- 
such machen  sollte.  Zuerst  fühlte  ich  mich  etwas  ent- 
täuscht, als  ich  den  amerikanischen  Fall  sah,  später,  als 
ich  einen  üebcrblick  über  beide  Fälle  erhielt  und  als  ich 
diese  längere  Zeit  beobachtet  hatte,  begriff  ich  die  Gross- 
artigkeit dieser  Naturerscheinung. 

Bis  jetzt  hatte  ich  von  Amerika  nur  eine  Gebirgs- 
landschaft gesehen  und  ti-at  in  Canada  zuerst  in  die  grosse 
Ebene  hine'in,  welche  zwischen  den  Alleghanis  und  dem 
Felsengebirge  liegt.  Hier  begannen  meine  landwirthsehaft- 
lichen  Studien. 

Im  Allgemeinen  zeigt  die  Landwirthsehaft  Nord- 
Amerikas  eine  auftallende  Einseitigkeit  des  Betriebes,  was 
auch  eine  grosse  Einförmigkeit  in  den  Gebäuden  der  Farmen 
zur  Folge  "hat.  Annähernd  sieht  in  diesem  grossen  Gebiet 
eine  Farm  so  aus  wie  die  andere,  wenn  man  von  den 
wenigen  grossen  Farmen  reicher  Grundbesitzer  absieht. 
Diese  Gleichförmigkeit  ist  die  Folge  eines  vorherrschend 
trockenen,  warmen  Klimas,  das  in  den  Mittelstaaten  zum 
ausgesprochenen  Steppenklima  wird,  sowie  eines  fast 
überall  ebenen,  nicht  schweren  Bodens  und  einer  verhält- 
nissmässig  extensiven  Cultur,  deren  Hauptfruchte  Mais 
und  Weizen  sind.  Von  diesen  wird  der  Weizen  von  Osten 
nach  Westen  zu  immer  mehr  verdrängt,  weil  die  West- 
staaten ihn  billiger  zu  erzeugen  vermögen;  dies  hat  zur 
Folge,  dass  an  seine  Stelle  der  Futterhau  tritt,  also  die 
Viehzucht  eine  innner  grössere  Bedeutung  gewinnt  und 
der  Körnerbau  innner  mehr  auf  jene  Gegenden  beschränkt 
wird,  welche  sich  für  den  Anbau  der  Futtergewächse 
ihrer  trockenen,  heissen  Sonnuer  wegen  wenig  eignen,  auch 
ziu-  Zeit  noch  ohne  Düngung,  also  durch  Raubbau  ge- 
nügende Ernten  liefern.  liier  in  den  West-  und  Nordwest- 
Staaten  werden  eigentlich  nur  zwei  Früchte  im  Wechsel 
gebaut,  der  Mais  und  der  Weizen.  Unter  dem  Einfluss 
der  sich  immer  mehr  entwickelnden  Viehzucht  hat  sich 
in  den  Ost-  und  einem  Theil  der  iMittclstaaten  eine  Feld- 
graswirthschaft  herausgebildet  und  dürfte  als  Normal- 
fruchtfolge häufig  die  untenstehende  anzutreffen  sein: 

1.  Mais  (Kornmais). 

2.  „      (Futtermais). 

3.  Weizen  und  Hafer. 
4. — 6.  Kleegras. 

Natürlich  kommen  mannigfache  Abweichungen  von  dieser 
Fruchtfolge  vor. 

Bekanntlieh  bilden  die  meisten  Staaten  der  Union 
Rechtecke  oder  nähern  sich  diesen  in  der  Form,  die  gleiche 
Gestalt  ist  auch  auf  die  Farmen  und  auf  die  Schläge 
übertragen,  welche  also  Rechtecke  bilden,  die  in  den  holz- 
reichen Gegenden  mit  Fenzen,  d.  i.  Holzzäunen,  oder  in 
der  l)aumlosen  Prairie  mit  lebenden  Hecken  oder  Draht- 
zäunen umgeben  sind.  Diese  Umfriedigung  dient  zur  Er- 
möglichung" eines  freien  Weideganges  der  Thiere. 

In  der  Mitte  des  Besitzthums  liegen  die  Gebäude  der 
Farm,  welche  mit  seltenen  Ausnahmen  aus  Holz  hergestellt 
und  ausserordentlich  einfach  und  unseren  deutschen  Wirth- 


schaften  gegenüber  wenig  zahlreich  sind.  Neben  dem 
meist  sehr  kleinen  weiss  oder  roth  angestrichenen  Wohn- 
gebäude liegt  der  Stall  für  Pferde  und  Rindvieh,  etwas 
weiter  entfernt  der  Schweinestall  und  zuweilen  sind  noch 
einige  Schuppen  vorbanden.  In  der  Regel  sind  die  Farmen 
von  gleicher  Grösse,  nändieh  KiO  Acres  umfassend.  Nicht 
selten  sind  die  kleinen  Gehöfte  von  Bäumen  oder  einem 
Obst-  und  Gemüsegarten  umgeben,  doch  häufiger  sind  die 
Fälle,  wo  nur  ein  sehr  bescheidener  Gemüsegarten  vor- 
handen ist.  Das  Getreide  wird  sehr  bald  nach  der  Ernte 
gedroschen  und  das  Stroh,  ebenso  wie  das  Heu,  in 
Feimen  untergebracht. 

Was  die  Viehhaltung  ani)etrifl't,  so  ist  in  den  Ost- 
und  Mittelstaaten  für  Rindvieh  und  Schafe  der  Weidegang 
ganz  allgemein.  Die  Winterernährung  stützt  sicli  auf 
Sauerfutt'er  von  Mais,  etwas  Heu,  Mais-  und  llaferschrot, 
und  nur  in  den  selteneren  Fällen  wird  Kraftfutter  ver- 
wandt. In  den  Steppen  des  Westens  bleibt  das  Vieh 
Sonnner  und  Winter  im  Freien.  Das  Rindvieh  der  Steppen, 
welches  nrsiirünglich  spanischer  Abkunft  ist,  jedoch  zur 
Verbesserung  in  neuerer  Zeit  mit  frühreifen  Shorthorns  und 
llerefords  häufiger  durchkreuzt  wurde,  zeigt  den  Charakter 
des  Steppenviehes,  es  ist  also  wenig  mastfäliig,  dick- 
häutig, von  schlankem,  hochgestelltem  Körperl)au  und 
es  werden  die  Ochsen  hauptsächlich  zur  Herstellung  von 
Fleischfabrikaten,  welche  nach  Europa  ausgeführt  werden, 
sowie  zur  Erzielung  wcrthvoller  Häute  benutzt.  Dieses 
sog.  Texas  oder  Range  Cattle  entstannnt  den  Ebenen  von 
Texas,  New -Mexico,  Colorado,  Wyoming,  Montana  etc. 
Die  östlich  von  obigen  gelegenen  Staaten  halten  vorzugs- 
weise „Natives",  d."  h.  vor  nicht  gar  zu  langer  Zeit  ein- 
geführte Rinder,  welche  den  Mast-  und  IMilchschlägen  des 
nordwestlichen  Europas  entstammen  und  l)ereits  die  alten 
Viehschläge,  das  „Common  oder  Shrub-Cattle",  nahezu 
verdrängt"  haben.  Dieses  letztere,  welches  unserem  Land- 
vieh entspricht,  stellt  sieh  als  Kreuzungsproduct  aller  der- 
jenigen Viehschläge  dar,  welche  früher  einmal  von  den 
Colonisten  aller  Länder  mit  hinüber  gebracht  worden  sind. 
In  den  mittleren  Staaten,  welche  vorzugsweise  Ochsen- 
zucht und  Mästung  betreiben,  sind  die  Shorthorns,  llere- 
fords, Devons,  sowie  das  Black  und  Red  polled- Cattle 
herrschend,  während  in  den  Oststaaten  mit  ihrem  feuch- 
teren Klima  und  den  grossen  Städten,  welche  mit  Milch 
und  P)Utter  versorgt  werden  sollen,  die  Milchschläge,  wie 
Holländer  (Holstein-Friesian  Cattle),  Jersey's,  Guernsey's 
und  A}rshires  am  häufigsten  angetroffen  werden. 

An  zweiter  Stelle  in  der  Viehzucht  Amerikas  steht 
das  Schwein,  dessen  Haltung  sich  fast  ausnahmslos  auf 
den  Maisbau  stützt;  weshalb  die  Schweinehaltung  dort, 
wo  der  Mais,  wie  im  Westen,  das  Hauptgetreide  bildet, 
eine  sehr  ausgedehnte  ist.  Besonders  aus  den  stark  Mais 
bauenden  Staaten  wird  den  grossartigen  Export-Scldächte- 
reien  von  Chicago,  welche  jährlicli  zwischen  7 — 8  Millionen 
Schweine  schlachten,  und  von  Cincinnati,  deren  Verlirauch 
nicht  viel  weniger  hoch  sein  wird,  das  Jlaterial  zugeführt. 
Eigentlich  sind  es  2  Schläge,  der  Berkshire  und  der  Poland- 
Cliina-Schlag,  welche  vorwiegend  gehalten  werden.  In  den 
östlichen  Staaten  wird  nur  der  Bedarf  des  Landes  ge- 
deckt, sodass  mithin  hier  die  Schweinezucht  erheblieh  zu- 
rücktritt. 

Von  den  Schafen  findet  sich  die  grösste  Zahl  in  der 
Stei)penregion  und  es  werden  hier  überwiegend  feinwollige 
Merino-Schafe  gehalten,  während  in  den  Oststaaten  die 
Fleischschafe,  wie  Shropshires,  Cotswolds,  Southdowns  etc. 
hervortreten. 

Werfen    wir    einen    I51ick    auf   die    Bearbeitung    der 
Aeeker,    so   ergeben   sich  recht  Ijedeutende  Unterschiede. 
Die  älteren  Besiedelungen,  oder  solche,  welche  einst- 
mals aus  dem   baumlosen,   humosen  Prairieboden   heraus- 


Nr.  43. 


Naturwissenselialtliche  Wochenschrift. 


467 


geschnitten  wurden,  zeigen  Felder,  welche  denen  inDeutsch- 
l;ind  l)ey,iiglic'li  ilirer  tüchtigen  ilearbcitung  und  ihrem 
.Vusselicn  gleichen.  Doch  wird  das  Bild  ein  anderes,  wo 
auf  Waldbodcü  in  neuerer  Zeit  Bcsiedelungcn  entstanden 
sind  oder  die  Farm  mich  nicht  ganz  zu  Ackerland  ge- 
macht ist.  Der  Farmer  hat  die  Vertilgung  des  Waldes 
an  vielen  ytellen  einfach  durch  Feuer  oder  dadurch  bewirkt, 
dass  er  einen  Rindenkranz  von  entsprechender  Breite  am 
Baume  abschälte,  infolgedessen  derselbe  abstarb.  Es  stehen 
in  solchen  Feldern  die  grauweissen  Baumlcichen  so  lange, 
liis  sie  Sil  weit  verfault  sind,  dass  ein  .Sturm  sie  briciit,  aber 
die  Stiimi)fe  bleiben  im  Boden,  bis  auch  sie  dem  Zahn 
der  Zeit  verfallen.  Zwischen  diesen  Baunn-esten  wird  nun 
geackert,  gesäet  und  geerntet.  Selbstverständlich  ist,  dass 
unter  solchen  erschwerenden  Umständen  von  einer  guten 
Ackerwirthschaft  keine  Reile  sein  kann.  Es  kommt  aber 
auch  vor,  dass  die  Bäume  gefällt  wurden  und  am  Boden 
liegend  allmählich  verfaulen,  wenn  aus  irgend  einem  Grunde 
der  Farmer  die  weitere  Oultur  des  Landes  untcrliess.  Die 
Stoekaussehläge  wachsen  dann  empor  und  der  Busch,  in 
welchem  armseliges  Vieh  weidet,  ist  fertig. 

Unzweifelhaft  ist  die  Waldverwüstung  in  Nord- Amerika 
eine  zu  ernsten  Folgen  führende  Angelegenheit  und  hervor- 
gegangen aus  der  dem  Amerikaner  eigenen  Selltstsucht, 
welche  nicht  danach  fragt,  in  welchem  Zustande  das  Land 
den  Nachkounnen  überliefert  wird,  wenn  nur  ein  augen- 
blicklicher Gewinn  herausschaut.  Was  soll  man  dazu 
sagen,  wenn  ein  Californier,  John  Muir,  die  Ansicht  aus- 
spricht, dass  im  Staate  Washington  die  Bäume  nichts 
anderes  als  eine  grössere  Gattung  von  Unkraut  seien,  das 
man  auf  jede  Weise  auszurotten  habe.  Die  rücksichts- 
bisen  Wälderausrottungen,  wie  sie  in  den  östlichen  Staaten 
geübt  worden  sind  und  noch  geübt  werden,  krmnen  leicht 
dahin  führen,  dass  das  heisse,  trockene  Klima  sich  inmier 
intensiver  gestaltet  und  die  Landwirthsehaft  hierdurch 
noch  mehr,  als  bereits  geschieht,  leidet.  Mit  Hülfe  einer 
rationellen  Forstwirthschaft  könnten  auch  jetzt  bereits 
Renten  aus  dem  Walde  gezogen  werden  und  die  Wälder 
blieben  zum  Heil  des  Volkes  erhalten.  Lii  Jahre  LS85 
sandte  die  bayerisciie  Regierung  einen  Faclnnann  nach 
Amerika,  der  den  Auftrag  hatte,  die  amerikanische  Forst- 
wirthschaft zu  Studiren.  Er  berichtete,  dass  in  bO  Jahren 
Amerika  Holz  wird  einführen  müssen,  und  da  Amerika 
wahrscheinlich  für  amerikanische  Hölzer  Vorliebe  haben 
wird,  so  empfehle  er,  solche  zu  pflanzen,  um  zu  Zeiten 
für  die  Deckung  des  Bedarfes  bereit  zu  sein.  In  der 
neuesten  Zeit  suchte  der  l'räsident  llarrison  Waldreser- 
vationen zu  schatfen,  doch  können  sich  diese  nur  auf  die 
neueren  Staaten  des  Nordwestens  beziehen,  denn  die 
^^'aldungen  in  den  östlichen  und  nnttleren  Staaten  be- 
finden sich  Ijercits  sännntlich  in  l'rivathänden.  Allerdings 
besitzt  das  I^and  gegenwärtig  noch  Wald  genug,  um  die 
Bevölkerung  in  Zukunft  genügend  mit  Holz  zu  versehen, 
dann  hat  aber  sobald  als  möglich  eine  geordnete  Wald- 
wirthschaft  zu  beginnen. 

In  der  Ebene  habe  ich  fast  ausschliesslich  Laublnilzer 
angetroffen,  und  die  Mannigfaltigkeit  der  Bauniarten  ist  in 
diesen  weit  grösser  als  in  den  Wäldern  P^uropas.  Zuerst  sind 
zu  nennen  die  prachtvollen  Eichen  und  Ahorne,  darunter 
der  Zuckerahorn  (Suggar  niapple-tree),  von  dem  viel 
Zucker  zum  Verkauf  kounnt,  dann  aber  auch  Buchen, 
Hickorys,  Tulpenbäume  (Liriodendnin  tulijjifera)  n.  a.  m. 
Die  Gebirgswälder  entsprechen  in  ihrem  Aussehen  mehr 
denen  der  deutschen  Mittelgebirge  und  es  konnnen  darin 
namentlich  schöne  Föhren  vor. 

Auf  dem  Weltausstellungsplatz  Chicagos  wandte  ich 
mich  zuerst  der  Agricultur-Halle,  einem  stolzen  Renaissance- 
bau am  Seeufer,  zu,  und  um  einen  Begritf  seiner  Grösse 


zu  geben,  will  ich  erwähnen,  dass  das  Gel)äude  800  Fuss 
lang,  500  Fuss  breit  und  das  sog.  Mammouth- Glasdach 
LSÖ  Fuss  hoch  ist. 

Der  erste  iMudruck,  welchen  dieser  mit  den  land- 
wirthschaftlichen  Erzeugnissen  fast  der  ganzen  Welt  er- 
füllte Raum  machte,  war  in  der  That  ein  grossartiger. 
Weder  die  Wiener,  noch  die  Pariser  Ausstellung  wiesen 
eine  ähnliche  Fülle  auf. 

Selbstverständlich  sind  es  die  Vereinigten  Staaten  und 
Canada,  welche  von  ihren  reichen  Schätzen  am  meisten 
zur  Ausstellung  gebracht  haben  und  allein  die  Hälfte  des 
gewaltigen  Raumes  füllen.  Die  verschiedenen  Staaten  der 
Union  haben  jeder  für  sich  und  zwar  in  höchst  geschmack- 
voller Ausstattung  und  letztere  entsprechend  der  Eigenart 
des  Landes  ausgestellt. 

Je  nach  den  klimatischen  und  Bodenverhältnissen  ge- 
währen diese  Einzelausstellungen  eine  sehr  bedeutende 
Altwechsclung.  Die  Erzeugnisse  der  subtropischen  Zone 
bis  zu  der  des  kälteren,  gemässigten  Klimas  und  selbst 
der  arktischen  Zone  sind  hier  aufgespeichert.  Interessant 
ist  es  aber,  zu  sehen,  in  welchen  zahlreichen  Spielarten 
und  Sorten  der  Mais  von  Punta  arenas,  der  Südspitze 
Süd-Amerikas,  über  den  Aequator  hinweg,  bis  tief  nach 
Gauada  hineinreicht.  Der  Mais  beherrscht  aber  nicht 
nur  die  Agricultur-Ausstellung  und  drückt  ihr  ein  eigen- 
artiges Gepräge  auf,  sondern  überhaupt  die  Landwirth- 
sehaft Amerikas. 

Die  Südstaaten  der  Union  glänzen  durch  prächtige 
Baumwolle,  Zuckerrohr  und  Producte  daraus.  Reis,  Yams, 
und  die  bekannte  Rannc-Faserpllanze,  deren  Anbau,  leider 
vergeblich,  viclfacii  in  Deutschland  versucht  worden  ist, 
ihre  Stengel  hatten  eine  Länge  von  2,25  m  erreicht, 
ferner  den  Fisal-Hemp,  die  flachsartige  Faser  einer  Aloe, 
Prachtvoll  waren  die  Früchte,  wie  Citronen,  Orangen, 
Oliven,  Ananas,  Ptirsiche,  Cocosnüsse  etc. 

Die  Weststaaten,  allen  voran  Californien,  zeichneten 
sich  durch  einen  grossen  Reichthum  au  Südfrüchten  aus, 
so  durch  riesige  Pfirsiche  und  Birnen,  darunter  solche, 
welche  per  Stück  ca.  1  kg  wogen;  ferner  waren  Mais- 
kolben von  30 — 40  cm  Länge,  sowie  eine  70  Pfd.  schwere 
Runkelrübe  ausgestellt;  letztere  ist  natürlich  nur  mit  Hülfe 
der  Bewässerung  zu  diesem  ungewöhnlich  grossen  Gewicht 
gelangt. 

In  den  Mittel-,  Nord-  und  Oststaaten  treten  besonders 
die  europäischen  Getreidearteu  und  namentlich  die  zahl- 
reichen schönen  Weizeusorten,  neben  dem  Mais  in  den 
Vordergrund. 

Die  meisten  der  Staaten  hatten  auch  die  Fauna  ihres 
Landes  sehr  zaidreich  und  schön,  darunter  auch  die  jagd- 
baren Thiere  ausgestellt.  Hiernach  liätte  mau  auf  einen 
grossen  Reichthum  an  Wild  schliessen  müssen.  Aber 
das  Gegentheil  ist  der  Fall.  Ich  bin  mehrere  tausend 
Kilometer  durchfahren,  ohne  auch  nur  ein  einziges  Blal 
ein  Stück  Wild  zu  sehen.  Es  sciieint,  dass  mit  der  Aus- 
rottung der  Wälder  auch  die  des  Wildes  Hand  in  Hand 
ging.  Ich  zweifie  nicht  daran,  dass  in  grossen  Wahlungen, 
namentlich  im  Gebirge,  Wild  sich  noch  zahlreich  findet, 
aber  sonst  nirgends.  In  diesem  Lande  der  Freiheit  ist 
ja  auch  die  Jagd  frei  und  nur  in  gewissen  Schonzeiten 
darf  nicht  geschossen  werden.  Die  Folgen  sind  sichtbar 
genug,  denn  der  Amerikaner  vertilgt  Alles,  wenn  es  ihm 
nur  augenblicklich  einen  kleinen  Nutzen  abwirft;  dies  hat 
sich  deutlich  genug  in  der  fast  gänzlichen  Vernichtung 
von  4  Millionen  Bisons  von  1870 — 1876  gezeigt,  welche 
mau  häufig  nur  der  Zunge  und  Haut  wegen  tikltete.  Jetzt 
irren  noch  weniger  als  100  Stück  im  Felsengebirge  um- 
her, 200  Stück  sind  in  den  Vcllow-Stone-Park  eingetrieben 
uml  vielleicht  ebensoviel  befinden  sich  in  den  Zoologischen 


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Natnvwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  43. 


Gärte«.  Sie  alle  sind  binnen  kurzer  Frist,  in  Folge  der 
lucestzucht,  dem  Tode  verfallen,  während  sie  noch  vor 
wenigen  Jahren  die  weiten  Prärien  zwischen  Mexico  nnd 
dem  grossen  Sclavensee  und  andererseits  zwischen  den 
Allegiianies  nnd  dem  Felseugebirge  bevölkerten.  Aehn- 
lich  ist  es  dem  Elennthier,  (Moose)  Älces  alces  L.  ergangen, 
welches  immer  noch  als  Wild  der  Union  bezeichnet  wird, 
wohl  aber  kaum  noch  in  seinem  letzten  Znfluchtsortc  im 
Staate  Maine  angetroffen  wird. 

Bis  zu  welchem  elenden  Zustande  das  edle  Waidwerk 
in  den  Oststaaten  herabgesunken  ist,  geht  aus  einer  Er- 
zählung eines  reichen  Grundbesitzers  hervor.  Bei  einem 
Besuch  auf  seiner  Farm  erzählte  mir  derselbe,  dass  in 
seiner  Fasanerie  in  diesem  Jahre  7000  Fasanen  ausge- 
brütet seien.  Auf  meine  Bemerkung,  dass  dann  auf  den 
Feldern  vorzügliche  Fasanenjagden  zu  erlioft'eu  seien,  sah 
er  mich  erstaunt  an  und  sagte,  dass  sie  dann  von  anderen 
weggeschossen  würden.  Sie  niüssten  im  Walde,  der  ein- 
geziiimt  sei,  bleiben  und  damit  sie  nicht  forttliegen, 
werden  ihnen  die  Schwungfedern  herausgezogen. 

Er  werde  in  einiger  Zeit  einem  Jagdclub  700  Fasanen 
senden,  wofür  die  Herren  pro  Stück  2  Dollars  bezahlen; 
todt  kosten  sie  auch  2  Dollars,  mithin  hätten  die  Jäger 
das  Vergnügen,  diese  Fasanen  zu  schiessen,  nahezu  um- 
sonst, da  sie  nur  den  Transport,  sowie  das  Pulver  und 
Blei  zu  bezahlen  hätten. 

Die  Ausstellung  des  National-Muscums,  der  Smitho- 
nian  Institution  U.  S.,  war  eine  ausserordentlich  schöne, 
namentlich,  so  weit  sie  die  Fauna  Nord-Amerikas  betraf. 
Es  wurden,  systematisch  geordnet,  die  Familien  der  ameri- 
kanischen Säugcthicre,  Vögel,  Rei)tilien,  Fische,  Insectenetc. 
vorgeführt  und  zwar  in  vorzüglichen  Exemplaren.  Vor- 
zugsweise zu  nennen  sind:  Rocky  Mountain  Goat  (Ma- 
zama  montana)  weiss,  mit  dem  schwarzen  Hörn  der  Gemse. 
Rocky  Mountain  sheei)  (Ovis  canadensis  Shaw).  Höchst 
interessant  war  die  Gruppe  der  amerikanischen  Wallrosse, 
z.  B.  Pacific  Walrus  (Odobaenus  obesus  Illiger),  Steller's 
Sea-Lion  (Eumctopias  Stellcri  Lesson);  ferner  eine  Gruppe 
der  in  den  Grenzen  der  Vereinigten  Staaten  vorkounnenden 
Sehlangen  und  Schildkröten.  Prächtig  war  auch  eine  Dar- 
stellung der  Prärichühncr  in  ihren  Kämpfen  im  Frühjahr, 
sowie  "des  Ptarmigan  (Lagopus  lagopus).  Dieser  hühner- 
artige Vogel  ist  deshalb  so  sehr  interessant,  weil  er  im 
Winter  vollkommen  weiss  ist  und  mit  dem  Schmelzen  des 
Schnees  nach  und  nach  die  braune  Farbe  der  Moose  und 
Flechten  seiner  Umgebung  anninunt. 

Sehr  schön  dargestellt  war  auch  die  grössere  und 
kleinere  Renuthierabart  Nord-Amerikas,  nändich  das 
grössere  Woodland  Caribou  (Rangifcr  tarandus  caribou 
[Kerr]),  welches  New-Foundland,  Labrador,  Nova  Scotia 
und  Alaska  bewohnt,  auch  zuweilen  in  Maine,  New 
Hampshire  und  Nord-Michigan  angetroffen  wird.  Das 
Geweih  ist  schmäler,  gleicht  also  mehr  dem  des  Hirsches. 
Die  kleinere  Abart,  P>arren-Gronnd  Carribou  (Rangifer  ta- 
randus groenlandicus  [KerrJ),  bewohnt  den  hohen  Norden. 
Ziemlich  häufig  scheint  in  den  Vereinigten  Staaten 
eine  kleine  Dachsart  zu  sein,  der  American  Badger 
(Taxidea  americana),  welche  fast  von  jedem  Staate  aus- 
gestellt worden  ist. 

Eine  grosse  Zahl  der  Staaten  der  Union  hatte  auch 
ihre  anthropologischen  Funde  ausgestellt,  insbesondere 
Colorado.  Zunächst  sind  es  Indianer-Leichen  in  der  be- 
kannten hockenden  Stellung  in  Zeuge  eingenäht,  welche 
auffallen;   dann  aber  auch   die  Beigaben,   welche  sämmt- 


lich,  verglichen  mit  den  ägyptischen  und  trojanischen 
Funden,  ein  hohes  Alter  nicht  bekunden.  Diese  Beigaben, 
ausser  Waffen  und  Gefässen  aller  Art,  bestanden  haupt- 
sächlich aus  Mclonenkernen,  Mais  in  Körnern  und  Kolben, 
BaumwoUensamen,  Bohnen,  Haselnüssen  und  Samen, 
welche  als  Portulacea  bezeichnet  waren.  Benierkenswerth 
ist,  dass  in  einigen  Fällen  den  Todten  Krücken  beigelegt 
worden  sind. 

Höchst  interessant  war  auch,  dass  der  Staat  New- 
York,  wo  das  Skelett  eines  Mastodon  gigantcus  zu  Cohoes 
in  50'  Tiefe  gefunden  worden  ist,  eine  treffliche  Nach- 
bildung eines  Mammouth  hat  anfertigen  lassen,  so  dass 
man  von  diesem  gewaltigen  Thier,  wie  es  im  Leben  aus- 
gesehen, sich  eine  recht  gute  Vorstellung  machen  konnte. 
Chicago  verlassend,  durchreiste  ich  zunächst  die 
Prärielandschaften  von  Illinois  und  Kentucky,  wo  der 
fruchtbare  Präriebodeu,  entstanden  durch  aljgestorbene 
Präriegräser,  von  denen  das  werthvollste,  das  Kentucky 
bluc-grass  (Poa  pratensis)  ist,  einen  bis  i")'  tiefen  schwarzen 
Humusboden  bildet,  welcher  sich  durch  grosse  Fruchtbar- 
keit und  leichte  Bearbeitungsfähigkeit  auszeichnet,  sodass 
mithin  die  Landwirthschaft  sich  hier  in  einem  blühenden 
Zustande  befindet.  Eine  wundervolle  Fahrt  durch  die 
Alleghanies,  welche  reich  an  prächtigen  Wäldern  und 
schönen  (icbirgslandschaften  sind,  führte  mich  nach  New- 
York  zurück. 

Hier  ist  das  noch  im  Bau  begriffene  naturliistorische 
Museum  erwähnenswerth,  denn  nach  dem,  was  bisher 
darin  aufgestellt  und  die  schöne  Art,  wie  dies  geschehen 
ist,  lässt  darauf  schlicssen,  dass  es  sieh  zu  einem  höchst 
sehenswerthen  Museum  herausbilden  wird,  namentlich  be- 
züglich des  Studiums  der  Fauna  Amerikas.  Beispiels- 
weise ist  eine  prächtige  Gruppe  von  sieben  amerikanischen 
Bisons,  vom  Stier  bis  zu  dem  noch  gelb  gefärbten  Kalbe, 
also  in  den  verschiedenen  Altersstufen  und  Geschlechtern 
in  ihrem  Treiben  auf  der  vertrockneten  Prärie  dargestellt; 
auf  letzterer  sind  nur  noch  einige  Cacteen,  Salbei-  und 
Wcrmuthpflanzen  in  Vegetation.  Hier  ist  die  Snhlstelle 
nachgebildet  nnd  finden  sich  die  schmalen  Steige,  welche 
die  hinter  einander  gehenden  Thiere  auf  der  Prärie  ge- 
treten haben  und  endlich  auch  die  Losung.  Es  ist  eine 
anregende,  lebemlige  Darstellung  des  Treibens  dieser  im 
Aussterben  begriffenen  Thierart.  Ferner  finden  sich  sehr 
schöne  ausgestopfte  Exemplare  des  Rennthieres,  des  Big- 
horns  (Ovi.s^  montana),  des  Grizzly-bear  (Ursus  horribilisi, 
sowie  eine  vortreff'liche  Sammlung  von  Seelöwen,  See- 
elephantcn  und  Seebären.  Weiter  finden  sich  Riesen- 
excmplare  des  American  Alligator  (Alligator  mississippicnsis) 
bis  3  m  lang  und  des  American  Crocodil  (Crocodilus  ameri- 
canus),  welches  aus  Florida  stammt  und  4  m  lang  ist. 
Auch  fossile  Skelette,  in  Amerika  gefunden,  erwecken 
ein  hohes  Interesse,  und  zeichnen  sich  durch  Vollständig- 
keit aus. 

Von  diesen  sind  zu  nennen:  Aceratherinm  tridac- 
tyluni  Osborn.  Dieses  dreizehige  Rhinoceros  ist  im  Sand- 
stein von  Daeota  gefunden;  ferner  Hyracotherium  venti- 
colum,  Co]ie,  vom  Wind-river  aus  Wyoming.  Dieser  Vor- 
fahr des  Pferdes  besitzt  an  den  Vor'derfüssen  4,  an  den 
Hinterfüssen  3  Zehen. 

Zum  Schluss  will  ich  noch  auf  einen  Riesenbaum  der 
Scrpioia  gigantea  Descn.  aus  Califoriiien  aufmerksam 
machen,  von  dem  im  (iuerschnitt  ein  Stück  Stamm  auf- 
gestellt ist.  Letzteres  besitzt  einen  Umfang  von  1)0'  und 
der  Baum  soll  350'  hoch  gewesen  sein.        H.  Werner. 


Nr.  43. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


469 


Die  Bildung  der  Eiweisskörper  in  der  Pflanze. 

Kill    J!evk-iit  von  Dr.  Ksirl  Thoiiiue. 


Wenn  wir  bis  jetzt  auch  noch  über  den  chemischen 
Aufbau  des  Eiwcissniolelvüls  im  Unklaren  sind,  so  können 
wir  uns  an  der  llaud  der  neueren  Untersuchuni;en  doeh 
sclion  ülier  die  Art  und  Weise,  in  welcher  die  Ptianze  aus 
den  iiir  zu  Gebote  stehenden  Nährstoffen  die  Eiweisskörper 
bildet,   liestiunntcre  Vorstellungen  machen. 

Ueber  die  Form  wenigstens,  in  welcher  die  Baustofi'c 
des  Eiweisses  von  der  Pflanze  aufgcnonnnen  werden, 
scheinen  die  Untersuchungen,  nachdem  die  von  einer 
Reihe  von  Forscliern  behandelte  Frage  nach  der  Ver- 
wendbarkeit des  atmosphärischen  Stickstoffs  durch  die 
Arbeiten  von  Frank  und  Otto  ihre  endgültige  Beant- 
wortung im  bejahenden  Sinne  gefunden  hat,  wohl  noch 
Ergänzungen  und  Erweiterungen,  nicht  aber  mehr  wesent- 
lich Neues  bringen  zu  können. 

Es  handelt  sich,  wenn  wir  zunächst  diesen  Punkt 
einer  Betrachtung  unterziehen,  um  die  Aufnahme  der  fünf 
Stoffe:  Stickstotf,  Kohlenstoff,  Sauerstoff,  Wasscrstotf  und 
Schwefel. 

Was  zunächst  den  Stickstoff  angeht,  so  entwickelt 
sich  die  chlorophyllhaltigc  Pflanze  für  gewöhnlich  am 
besten,  wenn  wir  ihr  denselben  in  Form  von  Nitraten 
bieten.  Auch  die  Mehrzahl  der  Chlorophylllosen  scheint, 
wenn  sie  auch  den  Stickstoff  in  .Vnmionsalzen  oder  orga- 
nischen Verbindungen  vorziehen,  bei  der  alleinigen  Dar- 
bietung von  Nitraten  wenigstens  fortzukommen;  auf 
Schimmel-  und  Spaltpilze  wirken  nach  0.  Loew  (Ueber 
das  Verhalten  niederer  Pilze  gegen  verschiedene  an- 
organische StickstoflVcrbindungcn.  Biol.  Centralbl.  J5d.  X, 
1890.  No.  19  und  20)  Nitrate  sogar  besser  als  Ammoniak- 
salze,  falls  wasserstoffreiclie  Kfirjier  und  labile  Verbin- 
dungen nebenbei  als  Nährstoffe  vorhanden  sind. 

Dass  unter  Umständen  chloioi)h}  llhaltige  Pflanzen 
lediglieh  durch  Amnion  salze  ernährt  werden  können, 
zeigen  Versuche,  welche  Laurent  (Reeherchcs  sur  la 
valeur  comparee  des  nitrates  et  des  sels  ammouiacaux 
conmie  aliment  de  la  levure  de  biere  et  de  quelques 
autres  plantes.  Sep.-Abdr.  aus  den  Annales  de  l'institut 
Pasteur  1889)  angestellt  hat.  Es  gelang  ihm  in  Nähr- 
lösung Keimlinge  von  Pisum  sativum,  Avena  sativa  und 
Zea  Mays  zur  Entwickelung  zu  bringen;  wurden  die 
Pflanzen  dagegen  in  reinem  Sande,  der  mit  der  Nährlösung 
l)eschickt  war,  cultivirt,  also  unter  Verhältnissen,  welche 
den  natürlichen  näher  konnnen,  so  keindca  die  Samen 
entweder  gar  nicht,  oder  die  Keindinge  entwickelten  sich 
bei  weitem  langsamer,  gelangten  aber  wenigstens  zur 
Reife.  Laurent  überzeugte  sich  bei  allen  Versuchen,  dass 
keine  Niti'iflcation  stattgefunden  hatte. 

Dass  gewisse  grüne  Pflanzen  unter  natürlichen  Ver- 
hältnissen ihren  Stickstotf  jedenfalls  nicht  in  Form  von 
Nitraten  aufnehmen,  schlicsst  Serno  aus  seinen  Unter- 
suchungen (Ueber  das  Auftreten  und  Verhalten  der  Sal- 
petersäure in  den  Pflanzen.  Landwirthsch.  Jahrbücher, 
Bd.  XVIII.  1889).  Er  konnte  bei  Sumplpflanzen,  wie 
Myosotis,  Lcdum,  Caltha,  Drosera,  Comarum  etc.  in  keinem 
Theile  des  Pflanzenkörpers  Salpetersäure  nachweisen; 
au(d]  fand  sich  dieselbe  nicht  in  dem  wässerigen  Auszuge 
des  betreffenden  lloorbodens.  C»b  diese  Pflanzen  ähnlieh 
den  Papilionaceen  vielleicht  die  Fähigkeit  hal)en,  elemen- 
taren Stickstoff  in  grösserem  Maasse  zu  assimiliren,  dar- 
über müssten  Versuche  entscheiden. 

AVenn  die  chlorophylllosen  Pflanzen,  wie  bemerkt,  im 
allgemeinen  Ammoniak  oder  organische  stiekstotyiialtigc 
Nährmittel  den  Nitraten  vorziehen,  so  ist  uns  schon  seit 


längerer  Zeit  in  den  Hefepilzen  eine  (iruppe  bekannt, 
welche  durch  Nitrate  überhaupt  nicht  ernährt  werden 
kann.  Die  Vermuthung  Laurent's  (I.  c),  dass  die  Nicht- 
verwendbarkeit  der  Nitrate  in  der  Bildung  von  Nitriten, 
welche  gitfig  auf  die  Pflanze  wirken,  ihren  (Jrund  hal)e, 
fand  derselbe  durch  das  Experiment  bestätigt.  Auch  wies 
er  nach,  dass  nicht  die  Nitrite  an  sich  schädlich  seien, 
sondern  die  durch  organische  Säuren  daraus  frei  ge- 
machte sal[)etrige  Säure  die  (iiftwirkung  ausübe.  Nun 
hat  0.  Loew  auch  bei  den  übrigen  niederen  Pilzen  eine 
stets  stattflndende  Reduetion  der  Nitrate  zu  Nitriten  nach- 
gewiesen (I.  c).  Entweder  fehlen  also  hier  freie  Säuren, 
welche  salpetrige  Säure  entbinden  könnten,  oder  es  findet 
sofortige  weitere  Verwendung  der  Nitrite  statt.  Das 
letztere  müssen  wir  auch  für  die  Reductionsproducte,  die 
bei  den  höheren  Pflanzen  aus  der  Salpetersäure  sicher 
gebildet  werden,  annehmen,  da  diese  Pflanzen  ebensowenig 
eine  .Speichcrung  von  Annnoniaksalzen,  wie  von  Nitriten 
vertragen,  worin  vielleicht  auch  der  Grund  der  Nichtver- 
wendbarkeit  der  Annnoniaksalzc  als  Stickstoffquelle  bei 
den  grünen  Pflanzen  zu  suchen  ist. 

Ammoniak  vermag  ausser  in  Salzen  von  den  grünen 
Pflanzen  auch  als  Gas  in  geringen  Mengen  aufgenonmicu 
und  verarbeitet  zu  werden. 

Dasselbe  gilt  nach  den  Untersuchungen  von  Frank 
und  Otto  auch  für  den  atmosphärischen  -Stick- 
stoff (Siehe  Dr.  R.  Otto.  Die  Assimilation  freien  atmo- 
sphärischen Stickstoffes  durch  die  Pflanze.  Zusannnen- 
fassendes  Referat  über  die  wichtigsten,  diesen  Gegenstand 
betreffenden  Arbeiten.  Bot.  Centralbl.  Bd.  XLVI,  1891, 
S.  387;  ferner  die  Referate  der  „Naturwissenschaftlichen 
Wochenschrift"  Bd.  V,  S.  48(5;  Bd.  VI,  S.  59;  Bd.  VII, 
S.  108;  Bd.  VIII,  S.  296.  Frank.  Noch  ein  Wort  zur 
Stiekstofl'frage.  Deutsche  Landwirts(diaftliche  Presse  1893). 
Speciell  bei  den  meisten  Leguminosen  —  eine  sichere 
Ausnahme  seheint  von  den  untersuchten  Arten  nur  Phaseidus 
vulgaris  zu  machen  —  erfährt  die  Assimilation  atmosphä- 
rischen Stickstotfs  durch  den  Reiz  des  von  den  A\'urzeln 
aus  sieh  durch  die  ganze  Pflanze  verln-eiteuden,  nnt  dem 
Zellplasnia  in  Symbiose  stehenden  Rhizoliium  Legumino- 
sarum,  wenn  die  Pflanze  auf  einem  an  organischem  Mateiiale 
armen  Boden  wäcdist,  eine  derartige  Steigerung,  dass  weit- 
aus die  grösstc  Menge  des  Stickstoffs  in  elementarer  F(n'ni 
aufgenonunen  wird.  Der  Pilz  seihst  scheint  denselben  da- 
gegen nicht  verarbeiten  zu  können,  wie  auch  Loew  (I.  c.) 
bestätigt.  Die  übrigen  chlorophylllosen  niederen  Pflanzen 
verhalten  sich  nach  den  bisherigen  Untersuchungen  ebenso, 
doch  ist  eine  neue  Controle  geboten. 

Was  endli(di  die  Aufnahme  des  Stickstoffs  in  orga- 
nischen Verbindungen  anlangt,  so  werden  eine  ganze 
Reihe  derselben,  obenan  die  löslichen  Eiweissstoffe  und 
Peptone,  von  den  Pilzen  jeder  anderen  Nährquelle  vor- 
gezogen; aber  auch  die  grünen  Pflanzen  vermögen  eine 
Anzahl  organischer  Verbindungen  zu  benutzen,  so  nament- 
lich Harnstort',  Lcucin,  Tyrosin,  Glyk<ikoll  u.  a. 

Wir  konnnen  zur  .\ufnahnic  des  Kohlenstoffs. 
Bis  in  die  letzten  Jahre  mussten  wir  als  die  alleinigen 
Kohlenstoff'quellen  der  ehlorophylUosen  Gewächse  orga- 
nische Verbindungen  ansehen.  Durch  die  Untersuchungen 
aber  vor  allem  Winogradsky 's  (Recherches  sur  les 
organismes  de  la  nitriflcatiou.  Annales  de  l'institut  Pas- 
teur. 1890,  1891;  siehe  auch  „Naturw.  Wochenschr.'-  ISd.  V, 
S.  478,  Ueber  den  Zerfall  der  Gesteine  und  die  Bildung 
von  Erde;   Bd.  VI,  S.  131,    Nitrifieation  und  Kohlenstoff- 


470 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  43. 


assimilation  ohne  Licht  und  Chlorophyll.)  lernten  wir 
neuerdings  in  den  von  ihm  als  Niti-obacterien  bezeichneten 
Org-aniynien  eine  tiruppe  von  S})altpil'/,en  kennen,  die 
ihren  ganzen  Kohlenstdtfbcdarf  anorganischen  Carboiiaten 
cntuelunen  zu  können  schienen.  Winogradsky  konnte  so- 
gar die  Ilüppe'sche  Beobachtung  bestätigen,  wonach 
die  Cultiiren  bei  alleiniger  Darbietung  von  kohlensaurem 
Amnion  gediehen.  Dem  gegenüber  fand  Godlewski 
(Zur  Kcnntuiss  der  Nitrification.  Anzeiger  der  Acad.  d. 
Wissensch.  in  Krakau  1892),  da.ss  bei  Absperrung  der 
Luft  durch  Kalilauge  keine  Entwicklung  stattfand,  während 
dieselbe  in  den  mit  der  Luft  connnunicirenden,  sowie  in 
den  durch  Schwefelsäure  oder  Kaliumhypermanganat  ab- 
gesperi'ten  Oultui-ge fassen  stattfand.  Er  sehlicsst  daraus, 
dass  der  Kohlenstoff  der  Nitrobacterien  aus  der  in  der 
Luft  enthaltenen  Kohlensäure  stammt.  j\lag  nun  die 
Kohlensäure  der  Luft  oder  den  Cai'bonatcn  entstammen, 
jedenfalls  haben  wir  hier  den  interessanten  Fall  einer 
Kohlensäureassimilation  ohne  Chlorophyll.  Für  die  grünen 
Pflanzen  ist  von  anorganischen  Verbindungen  des 
Kohleustotfs  die  freie  Kohlensäure  allein  vcrwcndliar. 
Aber  auch  sie  wird  luu'  von  den  grünen  Theileu  aufge- 
nommen, welche,  solange  sie  unter  dem  Einflüsse  des 
Lichtes  die  Kohlensäure  verarbeiten,  Anzichungscentra 
für  dieselbe  bilden.  Im  Dunkeln  nehmen  die  grünen 
Zellen  ebensowenig  Kohlensäure  auf,  wie  nicht  grüne 
rtlanzentheile. 

Von  organischen  Verbindungen  vermag  die  grüne 
Pflanze  nach  Acton  (The  assimilation  of  carbon  by  green 
plants  from  ccrtain  organic  Compounds.  Proceed.  of  the 
Itoj-al  ,Soc.  of  Lond.  Vol.  XLVI  189U)  nur  eine  Anzahl, 
nicht  alle,  Kohlehydrate  und  nächstverwandte  Kcirper  zu 
benutzen,  so  Glykose,  Sacharose,  Glycerin  (unter  10  Proc), 
Inulin,  Extract  von  natürlichem  Hunuts,  wenn  diese  Körper 
den  AVurzeln  und,  mit  Ausnahme  des  letzteren,  auch  den 
lüättern  geboten  werden.  Doch  ist  die  Fähigkeit  der 
grünen  Pflanzen,  sie  zu  verwerthen  viel  geringer,  als  bei 
den  Pilzen,  bei  denen  die  Aufnahme  des  Kohlenstofls  in 
organischer  Form  das  Normale  ist.  Auch  lösliche  Stärke 
wurde  verarbeitet,  aber  nur  von  den  Blättern.  Viele  an- 
dere organische  Verbindungen  galien  negative  Resultate, 
insbesondere  Aldehyde  und  deren  Derivate.  Tlieoretisciie 
Erwägungen  hatten  nun  ergeben,  dass  höchst  wahrschein- 
lich hei  der  Eiweissbilduug  Formaldehyd  eine  grosse 
Rolle  spiele.  Da  dasselbe  sogar  ein  Gift  für  die  Zelle 
ist,  so  schloss  0.  Loew  (Ernährung  von  Pfliinzenzelicn 
mit  Formaldehyd.  Bot.  Centralbl.  IJd.  XLIV,  S.  315), 
dass  dasselbe  im  Momente  der  Entstehung  weiter  verar- 
beitet werde,  und  suchte  nach  einem  Körper,  der,  ohne 
Giftwirkung  auf  die  Zelle  auszuüben,  leicht  Fornialdeliyd 
abs))altet,  um  so  der  Pflanze  Molekül  für  Molekül  zur 
Verarbeitung  darzubieten.     Diesen  Körper  fand  er  in  dem 

oxymethylsulfousauren  Natron:  CH./  ^..  -kt   ,  welches  sehr 

leicht,  schon  beim  Kochen  mit  Wasser,  in  CHoO,  Formal- 
ilehyd  und  H  Na  SO.,,  saures  schwefligsaures  Natron  zer- 
fällt. Es  Hess  sich  bei  Ernährung  durch  diesen  Körper 
bei  Spirogyren  reichliche  Eiweissbildung  nachweisen. 
(Vergl.  auch  Bokorny.  Ueber  Stärkebildung  aus  Formal- 
dehyd. Berichte  der  dcutsciien  botanischen  Gesellschaft 
Bd.'jX,  IS'Jl.) 

Die  Pilze  und  Spaltpilze  vermögen  als  Kohlenstoff- 
quelleu  bei  Zutritt  von  Luft  fast  alle  organischen 
KohlenstottVerbindungen,  sofern  sie  in  Wasser  löslich  und 
nicht  allzu  giftig  sind,  zu  benutzen.  Obenan  stehen  die 
Zuckerarten,  insbesondere  der  Traubenzucker. 

Ob  die  Pflanze  elementaren  Wasserstoff  auf- 
nehmen und  verarbeiten  kann,  dafür  liegen,  soweit  dem 
Ref.    bekannt,    keine    Untersuchungen    vor.      Die    Frage 


bietet  auch  wenig  praktisches  Interesse,  da  in  der  Natur 
ein  derartiges  Verhältniss  sich  schwerlich  irgendwo  rea- 
lisirt  finden  dürfte. 

Dass  der  Sauerstoff  ausser  in  dem  AVasser  auch  in 
elementarer  Form  den  Pflanzen  mit  Ausnahme  weniger 
zur  Verfügung  stehen  muss,  ist  seit  den  Untersuchungen 
von  Ingenhous  und  Saussure  bekannt.  Wie  wir  aber 
später  sehen  werden,  scheint  er  mit  dem  Aufbau  der  Ei- 
weissstorte  direct  nichts  zu  thun  zu  haben. 

l)er  Schwefel  endlich  wird  in  Form  von  Sulfaten, 
Sulfiten  und  llyposulfiten  aufgenonnnen.  Ob  er  als 
Sehwefelwasserstoti'  aufgenommen  werden  kann,  ist  noch 
nicht  geprüft.  Die  Pilze  vermögen  auch  Eiweissstoftc  als 
Schwefelquelle  zu  benutzen. 

Wenn  wir  nun  die  aufgenommenen  Nährstoffe  auf 
ihrem  Weg  durch  den  Pflanzenk(irper  \  erfolgen,  so  müssen 
wir  annehmen,  tlass  sie  an  den  Orten  ihres  Verschwindens 
verarbeitet  werden,  und  die  chemische  Beschaffenheit  der 
Körper,  deren  Auftreten  mit  dem  Verschwinden  der  Nähr- 
stoffe Hand  in  Hand  geht,  niuss  uns  zu  Schlüssen  über 
den  Verlauf  der  Verarl)citung  führen. 

Die  Salpetersäure  können  wir  nacli  den  Unter- 
suchungen von  Frank  und  Serno  (Frank:  Ursprung  und 
Schicksal  der  Salpetersäure  in  der  Pflanze;  Ber.  d.  deutsch, 
bot.  Ges.  1887 ;  Untersuchungen  über  die  Ernährung  der 
Pflanze  mit  Sticksfoft',  Berlin  1888;  Serno:  Uel>cr  das  Auf- 
treten und  Verhalten  der  Salpetersäure  in  der  Pflanze; 
Landw.  Jahrb.  Bd.  XVIII,  1889)  bei  einer  grossen  An- 
zaid  von  Pflanzen  bis  in  die  Blätter  verfcdgen  (Malvaceen, 
Conifcren,  Papaveraceen,  Convidvulaceen,  Lal)iaten,  Com- 
positen,  Urtieeen);  bei  anderen  geht  sie  kaum  über  die 
Wurzel  hinaus;  speciell  bei  Pflanzen  mit  Mykorrhiza  ist 
sie  nicht  einmal  in  der  Wurzel  nachzuweisen,  da  sie 
schon  vor  ihrem  Eintritt  in  dieselbe  assimilirt  wird.  An 
Stelle  der  Nitrate  treten  Amidverbindnngen,  namentlich 
Asparagin  (nacii  Serno),  und  oxalsaure  Salze  auf.  Die 
Oxalsäure,  welche  nach  den  Pesnltateu  Kohl's  (Zur  physio- 
logischen Bedeutung  des  oxalsauren  Kalkes  in  der  Pflanze, 
Bot.  Centralbl.  Bd.  XLIV  S.  337)  von  allen  Pflanzen, 
chlorophyllhaltigen  und  chlorophylllosen,  produeirt  wird, 
macht  also  die  Salpetersäure  aus  den  Nitraten  frei,  und 
dieselbe  muss  dann  einem  Reductionsprocess  unterliegen. 
Da  nun  Stoffe  von  stark  rcducirender  Wirkung  in  den 
Pflanzenzellen  nicht  nachzuweisen  sind,  nimmt  Loew 
(Ueber  die  Verarbeitung  der  salpetersauren  Salze  in  den 
Pflanzen,  Bot.  Ceutralbi.  Bd.  XLII,  S.  203)  an,  dass  das 
Protojilasma  eine  catalytische  Wirkung  auf  Salpetersäure 
und  Dextrose  ausülje,  und  hat  diese  Ansicht  durch  Ver- 
suche, in  welchen  der  catalytisch  wirkemle  Körper  Platin- 
niohr  war,  gestützt.  Danach  flndet  zwischen  den  beiden 
Körpern  ein  Atomaustausch  in  der  Weise  statt,  dass  die 
Salpetersäure  ihren  Sauerstoff  an  die  Dextrose  abgiebt 
und  dafür  aus  letzterer  Wasscrstoft'  aufnimmt.  Das  ge- 
bildete Anunoniak  gelangt  jedenfalls  sofort  zu  weiterer 
Verwendung. 

Wo  anorganische  Ammousalze  als  Stickstofif- 
(pielle  benutzt  werden,  tritt  das  Anmioniak  jedenfalls  in 
Verbindung  nnt  organischen  Säuren,  und  es  wäre  denkbar, 
dass  die  so  gebildeten  Salze  direct  weiter  verarbeitet 
werden.  Für  diese  Ansicht  spricht,  dass  organische 
Annnonsalze  eine  viel  bessere  Nähninelle  für  Pilze  sind, 
als  anorganische.  Ganz  eigenthnndiche  cliemische  Vor- 
gänge müssen  wir  bei  den  oben  erwähnten  Nitrobacterien 
annehmen.  Während  Winogradsky  der  Ansieht  ist,  dass 
zunächst  aus  Kohlensäure  und  Annnoniak  ein  harnstoff"- 
ähnlicher  Körper  entsteht  und  daraus  die  Eiweisskörper 
gebildet  werden,  nimmt  Loew  (Ueber  die  Ernährungs- 
weise des  nitrificireudeu  Spalti)ilzes  Nitromonas,  Bot. 
Centralbl.    Bd.  XLVI,    S.   222)    an,    dass    das  Ammoniak 


Nr.  43. 


Naturwissenschaftliche  Woclienschrit't. 


471 


zuniichst  durcli  Sauerstoft'  uiivollstäudig-  zu  salpetriger  Säure 
oxydirt  wird:  2NH3  +  20.  =  2N().H  +  411,  und'dass  der 
entstehende  Wasserstoif  sofort  die  Kohlensäure  reducirt: 
CO2  +  4H  =  CH2O  -t-  HoO. 

In  weicher  Weise  der  elementare  Stiekstol'f  zu- 
nächst Verbinduni;eii  eini;eht,  darüber  sind  wir  nticii  im 
Unklaren.  Frank  und  Otto  (IJntersucliMnjueii  über  Stick- 
stolTassimilation  in  der  l'tlanze.  „Naturw.  Woclicnschr." 
VI.  S.  207)  nehmen  an,  dass  der  Alehri^ehalt  von  Aspa- 
ragin,  welchen  die  i;'rüucn  Blätter  am  Abend  aufweisen, 
auf  Rechnuni;-  des  durch  die  Blätter  selbst  aufgenonnnencn 
Stickstott'es  zu  setzen  ist,  wobei  sie  die  Fraise,  ob  das 
Licht  direct  oder  nur  mittelbar  die  Assimilation  beein- 
tiusse,  zunächst  offen  lassen.  Die  Stickstoftaufuahnie  durch 
die  Blätter  wird  indessen  durch  Kossowitsch  (Durch 
welche  Organe  nehmen  die  Leguminosen  den  freien  Stick- 
stoff aufV  Botan.  Zeitung  1892)  bestritten.  Seine  sorg- 
fältig angestellten  Versuche  machen  es  wahrscheinlich, 
dass  der  Stickstoff  nur  durcii  die  Wurzeln  aufgenommen 
wird.  Kossowitsch  ninnnt  an,  dass  derselbe  auch  in  den 
Wurzeln  gebunden  wird. 

An  Stelle  der  verarbeiteten  Kohlensäure  sehen 
wir  Kohlehydrate  auftreten,  zumal  Stärke.  Schon 
Bayer  war  der  Ansicht,  dass  eine  S])altung  der  Kohlen- 
säure stattfinde:  CO3II0  =  CH.,0  -f-  O.,  [CO.,  =  CO  +  0; 
CO  +  H^O  =  CH..0  +  0],  wobei  das  dem'  Volumen  der 
verbrauchten  Kohlensäure  gleiche  Volumen  Sauerstott",  das 
durch  die  Erfahrung  gefordert  wird,  auftritt.  Konnten 
wir  an  der  Thatsächlichkeit  dieses  Vorgangs  kaum  noch 
zweifeln,  nachdem  E.  Fischer  (Synthesen  in  der  Zucker- 
gruppe. Ber.d.  deutsch,  ehem.  Ges.  Bd. XXIII;  siehe  darüber 
„Naturw.  VVochenseh."  Bd.  V,  S.  423)  Zucker  aus  Formal- 
dehyd gewonnen  hatte,  so  hat  neuerdings  Bokorny 
(Ueber  Stärkcbildung  aus  Fornialdehyd.  Ber.  d.  deutsch, 
ehem.  Ges.  Bd.  XI,  181)1)  den  experimentellen  Beweis 
erbracht,  dass  bei  Ernährung  mit  oxyniethylsulfonsaurem 
Natron  als  alleiniger  Kohlenstoffquelle,  welches,  wie  oben 
bemerkt,  leicht  Foi-maldehyd  alispaltet,  in  Spirogyren 
reichliehe  Stärkemengen  erzeugt  werden.  Seine  Versuche 
gestatten  ferner  den  Sehluss,  dass  das  Licht  nicht  nur 
zur  Ei-zeugung  des  Forniahlchydes  aus  Kohlensäure  noth- 
wcndig  ist,  sondern  auch  zur  Condensation  desselben  zu 
Kohlehydrat.  Welche  Kräfte,  abgesehen  von  der  Licht- 
wirkung, bei  der  Bildung  des  Formaldehyds  aus  Kohlen- 
säure wirksam  sind,  wissen  wir  nicht;  nach  Bokorny 
(1.  c.)  ist  Kalium  imlirect  bctheiligt. 

Die  Stärke  hat  an  und  für  sich  nichts  mit  der  FA- 
weissbildung  zu  thun.  Jedenfalls  tritt  Fornialdehyd  oder 
daraus  gebildete  Glykosc  mit  den  Eeductionsproducten 
der  Salpetersäure  in  direetc  Wechselwirkung  und  nur,  im 
Falle  eine  Ueberjiroduction  von  Formaldehyd  oder  Gly- 
kosc eintritt,  wird  der  Ueberschuss  zeitweise  in  Stärke 
verwandelt. 

Die  Verwendung  der  Assimilationsproducte  ist  nach 
Loew  eine  doppelte.  Einmal  wirkt,  wie  oben  erwähnt, 
Glykose  bei  der  Reduction  der  Salpetersäure  mit,  und 
zweitens  tritt  Formaldehyd  in  Wechselwirkung  mit  dem 
gebildeten  Ammoniak,  wobei  zunächst  Asparaginsäure- 
aldchyd  entsteht,  aus  dem  durch  einen  Condensationsvor- 
gang  Eiweiss  sich  bildet.  Loew  veranschaulicht  diese 
Vorgänge  durch  die  Gleichungen: 

1)  4CHoO  -4-  NH,  ==  CJI,NOo  -+-  2H.,(> 

Aldehyd  der  Asparagiiisiiurc 

2)  3C,H,N0,  =  C.oIli.NaOi  +  2H.,0 
3)   ßCaH.-NaO,  -+-  GIL  +  ILS  =  C,oHn.,Ni8S033  +  2IL0 

Einfach.ster   Ausdruck   für    Kiweiss. 


Nach  dieser  Auffassung  ist  also  die  Erzeugung 
asparaginartiger  Körper  das  Resultat  bereits  vollzogener 
Wechselwirkung  der  Reductionsproducte  der  Salpetersäure 
mit  Assinulati(»nsproducten.  Andere  Forscher,  so  vor  .\llem 
Oscar  Müller,  nelniien  an,  dass  zuerst  die  Uebcrl'idnning 
der  Salpetersaure  in  Asparagin  erfolge,  welches  dann  erst 
mit  7\ssiiiiilationsprodncten  zusannnen  die  Eiweisskör))er 
bihU'.  Fehlen  nun  letztere,  so  muss  nach  dieser  Annahme 
eine  Anhäufung  von  Asparagin  eintreten,  und  in  der 
That  findet  eine  solche  bei  Pflanzen,  die  dunkel  gehalten 
werden,  statt.  Ferner  sprechen  für  die  Annahme  die 
Untersuchungen  von  Serno  (1.  e.)  welcher  an  Stelle  der 
verschwundenen  Sal])ctersä.ure  Asparagin  fand.  Dem- 
gegenüber haben  I'feffer  und  Borodin  die  Auffassung, 
dass  Asparagin  mit  der  Synthese  der  Eiweisskörper  gar 
nichts  zu  thun  habe,  dass  es  vielmehr  beim  Zerfall  der- 
selben auftrete  und  aus  Mangel  an  Kohlehydraten  nicht 
wieder  regenei'irt  werden  könne,  sich  also  anhäufen  müsse. 
Versuche,  welche  Monte  verde  (Ueber  den  Einfluss  der 
Kohlehydrate  auf  die  Anhäufung  des  Asparagins  in  den 
Pfiauzen.  (Arb.  d.  St.  Petcrsb.  Naturf.  Ver.  Abth.  f.  Bot.  Bd. 
XX.)  anstellte,  sollten  zwischen  beiden  Theorien  entscheiden. 
Er  bot  einem  Tlieile  im  Dunkeln  gehaltener  Pflanzen  den 
Kohlenstofl'  in  Form  v(ui  Traubenzucker,  Rohrzucker  und 
Mannit;  diese  Pflanzen  zeigten  keine  Asparaginbiidung, 
während  die  Pflanzen,  denen  die  Kiddehydrate  nicht  zur 
Verfüguug  standen,  reichlich  Asparagin  gebildet  hatten. 
In  dem  Verhalten  der  ersteren  erblickt  er  einen  Gegen- 
beweis .gegen  Müller,  da  derselbe  angenommen  habe, 
dass  beim  Fehlen  von  Assimilationsproducten  eine  Aspara- 
ginanhäufung  eintreten  müsse.  Assimilationsproducte  sind 
nun  allerdings  nicht  vorhanden;  aber  es  sind  doch  Kohle- 
hydrate auf  dem  Umwege  durch  die  Wurzel  in  die  Blätter 
gelangt,  und  gerade  der  Umstand,  dass  in  diesem  Falle 
kein  Asparagin  auftritt,  spricht  doch  unseres  Eraehtens 
für  die  Müller 'sehe  Theorie  der  Eiweissbildung.  Dennoch 
möchten  wir  uns  auch  Müller  nicht  anschliesscn,  sondern 
sind  vielmehr  nicht  abgeneigt,  den  von  O.  Loew  an- 
gedeuteten Verlauf  der  Eiweissbildung  für  richtig  zu  halten, 
da  auch  nach  E.  Fischer  (1.  c.j  die  Annnoniakderivate 
der  Zucker  für  wichtige  Zwischenglieder  bei  der  Eiweiss- 
synthese  zu  halten  sind. 

Wo  die  Aufnahme  des  Kohlenstoffs  in  organischen 
V  e ]•  b  i  n  d  u  n  g  e  n  erfolgt,  wird  der  Verlauf  der  Ei  weiss- 
bildung  wohl  zum  Tlieil  ein  anderer  sein.  Zumal  werden 
Kör])er  wie  Asparagin  und  \'erwaudte,  welche  als  Kohlen- 
und  Stickstoffquelle  zugleich  dienen,  eine  direete  Verar- 
beitung erfahren,  während  bei  Ernährung  mit  Kohle- 
hydraten der  Verlauf  obigen  Gleichungen  ents])rechen  wird. 

Die  Entstehung  des  Schwefelwasserstoffs,  der  in 
der  letzten  derselben  gefordert  wird,  aus  .Sulfaten  hai)en  wir 
uns  ebenso  zu  denken,  wie  die  des  Ammoniaks  aus  Nitraten. 

Es  wäre  noch  der  Herkunft  der  Säuren,  vor  allem 
der  Oxalsäui'c  zu  gedenken,  durch  welche  die  aufge- 
nonunenen  Mineralsäuren  in  Freiheit  gesetzt  werden.  Es 
entstehen,  wie  oben  erwähnt,  einmal  Säuren  bei  der  Re- 
duction der  Salpetersäure,  indem  die  K(ddehydrate  für 
den  abgegebenen  Wasserstoff' Sauerstoff  eintauschen;  ferner 
aber  unterliegen  jedenfalls  die  stickstoff'freien  Spaltungs- 
producte  der  Eiweisskörper  einem  Oxydationsi)rocess  durch 
den  elementaren  aus  der  Luft  aufgenommenen  Sauerstoff, 
wie  es  auch  in  einigen  Fällen  wahrscheinlich  ist,  dass 
schon  bei  der  Spaltung  direct  Säuren  entstehen. 

Die  Fortsehritte,  welche  die  Frage  nach  der  Bildung 
der  Eiweissstolfe  in  der  Pffanze  in  letzter  Zeit  gemacht 
hat,  lassen  uns  hoffen,  dass  wir  uns  auf  dem  richtigen 
Wege  zu  deren  Lösung  befinden  und  somit  auch  zur  Er- 
kenntniss  der  Constitution  des  Eiweissmoleküls. 


472 


Naturwisseusehaftlicbe  Wochenschrift. 


Nr.  43. 


In  der  Erforschiiui^  des  eigentlichen  Cliolei-afj^iftes, 

also  der  Sul)stanz  oder  der  Substanzen,  welche,  von  den 
Koniniabacillen  producirt,  die  Symptome  der  Cholera- 
erkrankuni,'  hervorrufen,  hat  Prof  Eluunericli  in  München 
kürzlich  einen  Fortschritt  gemacht,  dessen  Tragweite 
sich  zwar  heute  noch  nicht  übersehen  lässt,  der  aber 
jedenfalls  als  sehr  bemerkenswerth  zu  bezeichnen  ist. 
Der  genannte  Forscher  macht  auf  die  Bedeutung  der 
von  den  Chnlcrabactcrien  rcichlicii  erzeugten  salpeterigen 
Säure  oder  ihrer  Salze  aufiiierksani.  Schon  gegen  ge- 
ringe Mengen  von  Nitriten  sind  Thiere  und  gerade 
in  besonders  hohem  Maassc  der  Mensch  sein-  eniptind- 
lich.  Die  Symi)tonie  der  Vergiftung  gleichen  in  ihrem 
Gesammtbilde  einer  Erkrankung  an  Cholera  auffallend, 
und  E.  ist  denn  auch  der  Ansicht,  dass  die  Nitrite 
die  wesentlichste  Ursache  der  Choleraerkrankung  und 
des  tödtlichen  Ausganges  bilden,  wobei  er  sich  unter 
anderem  auf  Versuche  stützt,  welche  beweisen,  dass 
Choleraculturen,  die  mehr  Nitrite  liefern  als  andere,  auch 
entsprechend  giftiger  wirken.  —  Demnach  hätte  eine 
zweckmässig  geleitete  Propliylaxe  der  Cholera  auch  die 
möglichste  Vermeidung  nitrathaltiger  Nahrungsmittel 
anzustreben,  damit  die  im  Darm  vorhandenen  Konniui- 
baeillen  keine  (iclegenheit  linden,  Nitrite  aus  den  einge- 
führten Nitraten  zu  bilden,  und  so  die  Cholera  eben  eme 
unschuldigere  Cholerine   bleibt. 

Im  Gegensatz  zur  Pflanzenkost  ist  das  Fleisch  so  gut 
wie  niti-atfrci,  falls  es  nicht  etwa  in  Form  einer  mit  Sal- 
peter zubereiteten  Conscrve  genossen  wird.  Es  eni])tiehlt 
sieh  also,  in  Epidciniczciten  nK'igiichst  wenig  Vegetabilien 
zu  geniessen,  und  die  innner  wiederholte  Warnung  vor  dem 
Essen  von  Salat  und  Gemüse  wird  theoretisch  verständ- 
licher. Auch  manclie  sonst  keimfreie  Leitungs-  und 
Brunnenwässer  wirken  durch  ihren  Nitratgehalt  schädlich. 
Daher  können  chennsche  Untersuchungen  des  Trinkwassers 
beim  Herannahen  der  Cholera  nicht  dringend  genug  em- 
pfohlen werden.  Seh. 


Elektri.sclie  KnltHrversuche  theilt  Prof.  Wollny 
(München)  in  den  „IVirschungen  auf  dem  (iebiete  der 
Agrikulturpliysik'-  iKi.  Bd.,  Heft  3/4)  mit.  Die  sichtbaren 
Acusserungen  der  atmosphärischen  Elektrieität  legten  die 
Vermuthung  nahe,  dass  dieselbe  auch  einen  merklichen 
Einfluss  auf  das  Pflanzenwachsthum  ausüben  müsse.  Die 
im  Boden  eingewurzelte  Land]»flanze  bietet  mit  iin'cn 
Zweigen  der  Luft  eine  grosse  ( )bcrtläche  dar,  noch  inniger 
stehen  die  Wurzeln  mit  dem  feuchten  Erdreich  in  Berüh- 
rung und  ein  grosser  Theil  des  Prtanzenköri)ers  besteht 
aus  stellenweise  sehr  wasserreichem  Gewebe,  welches 
einen  geeigneten  I^lektricitätsleiter  bildet.  Es  ist  deshalb 
sehr  wahrscheinlich,  dass  ein  Ausgleich  der  beständig- 
wechselnden  elektrischen  Spannungsditferenzen  zwischen 
Atmosiihäre  und  Erdboden  durch  den  Pflauzeukörper  hin- 
durch stattfindet. 

Die  ersten  elektrischen  Kulturversuche  reichen  bis  zur 
Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  zurück.  Der  Gedanke, 
die  atmosphärische  Elektrieität  i)raktisch  auszunützen,  hat 
sogar  den  Abbe  Bertholon  (1783)  zur  Construction  eines 
„Elektro-Vegetometers"  veranlasst,  welches  dazu  dienen 
sollte,  dieselbe  den  Pflanzen  zugänglich  zu  machen.  Die 
zahlreichen,  späteren  Arbeiten,  welche  den  Einfluss  der 
Elektrieität  auf  das  Wachsthum  und  dieProductionsfähigkeit 
zum  Gegenstand  hatten,  führten  zu  vielfachen  und  unlös- 
baren Widersprüchen,  deren  Ursachen  zum  grossen  Theil 
in  der  meist  fehlerhaften  Versuchsanordnuug  zu  suchen 
sind.  Abgesehen  davon,  dass  wahrscheinlich  in  vielen 
dieser  Versuche  gewisse  wirksame  Nebenumstände  (nament- 
lich   Licht    und   Wärme)    nicht    genügend    berücksichtigt 


wurden,  besitzen  fast  alle  Untersuchungen  dieser  Art  den 
Fehler,  dass  die  Zahl  der  Pflanzen  eine  zu  geringe  und 
deshalb  dem  Zufall  der  weiteste  S])ielraum  gewährt  war. 

Prof.  Wollny  hat  nun  in  den  Jahren  1888,  1889  und 
1891  Versuche  in  grösserem  Maassstabe  mit  folgenden 
Pflanzen  angestellt:  Kartott'cl,  Sommerroggen,  Erbse, 
Ackerb(dnie,  Sonnnerraps,  Leindotter,  Lein  und  Runkel- 
rübe. Er  gelangte  daliei  zu  dem  Schluss,  dass  die  atmo- 
sphärisclu'  Elekti'icität  sieh  ohne  Wirkung  auf  das  Wachs- 
tlium  und  Pniductionsvermiigen  der  Pflanze  erweist. 

Wenn  auch  die  Versuche,  die  Elektrieität  als  Reiz- 
mittel auf  bewegliche  Blätter  und  Blüthcntheile  etc.  an- 
zuwenden (vgl.  .,Natur\v.  Wochenschr."  Bd.  VII,  S.  313) 
einige  beachtcnswerthe  Ergebnisse  geliefert  haben,  so 
sind  doch  die  l)ctrcft'endcn  Forschungen  noch  unzureichend, 
um  ein  klares  Bild  des  wahren  Verlaufes  dieser  Vegeta- 
tionserscheinungen unter  dem  Einfluss  der  Elektrieität  zu 


liefern. 


R.  M. 


Interessante  biolosisclieMittheiliuiffen  übereinige  Or- 
tJiopteren  ansOraii  nuicht  J.Vosselcr  (Jahresh.Ver.  vaterl. 
Naturk.  Wurttcndtcrg.  49.  J.  Stuttgart  1893.  S.LXXXVIl). 
—  Er  sannneite  im  Juni  und  J>di  1892  im  westlichen  Dran 
und  erbeutete  etwa  60  Arten  Geradflügler,  von  denen 
9  Formen  neu  waren.  Ohrwürmer  und  Schaben  waren 
selten,  häutig  Gottesanbeterinnen.  Auch  Grillen  waren 
nicht  liäuflg,  dagegen  überaus  gemein  die  Laub-  und  Feld- 
heusehrecken.  Einzelne  Formen  sind  auf  eng  begrenzte 
Gebiete  beschränkt.  Im  allgemeinen  ist  die  Fauna  die 
der  Steppe;  mit  der  westlichen  Lage  steht  im  Zusammen- 
hang, dass  wenig  oder  ungeflügelte  Arten  vorherrschen. 
Einige  Formen  sind  der  Wüstenfarbe  ausgezeichnet  an- 
gepasst,  einige  sind  ausgesprochen  Bergformen,  wieder 
andere  leben  stets  in  der  Nähe  des  Wassers.  Meist  leben 
die  Heuschrecken  auf  dem  Boden  oder  dürrem  Grase. 
Eine  Locustide  konnnt  nur  auf  Disteln  vor.  Von  den  vier 
Wanderheuschrecken  des  Mittelmeergebietcs  kommt  Pachy- 
tylus  migratorius  L.  mehr  im  Osten,  Calo}denus  Italiens  L. 
in  Süd-Europa,  Schistoeerca  peregrina  (Miv.  und  Stauro- 
notus  maroecanus  Thunb.  in  Algier  und  südlich  vor. 
Die  letzten  beiden,  namentlich  Schistoeerca,  sind  Oran 
gefährlich.  Diese  niisst  erwachsen  6,ö  cm  und  ist  roscn- 
roth  oder  gelb,  mit  Braun  und  Schwarz  gemischt.  Die 
Eier  werden  von  den  Weibchen,  die  dabei  eine  sonder- 
bare Stellung  einnehmen,  in  Höhlungen  des  Bodens  ein- 
gekittet. Die  jungen  Larven  kriechen  im  März  oder  April 
blass  aus  der  Erde  und  werden  in  wenigen  Stunden 
schwarz.  Mit  jeder  Häutung  ändert  sich  die  Farbe.  Zu- 
erst treten  weisse  Flecken  auf;  nach  der  dritten  Häutung 
überwiegt  rosenrotli,  nach  der  vierten  citronengelb.  Mit  der 
sechsten  und  letzten  kommt  wieder  das  Rosenroth  zur  Gel- 
tung, jedoch  werden  die  erwachsenen  Thiere  nach  etwa 
14  Tagen  gelb.  Etwa  nach  der  vierten  Häutung  schaaren 
sich  die  bisher  einzeln  lebenden  Thiere  zusannncn.  Vosseier 
betheiligte  sich  an  der  Vernichtung  der  ungeheuren  ge- 
frässigen  Schwärme.  In  Weingärten  richten  sie  nament- 
lich dadurch  Schaden  an,  dass  sie  die  Stiele  der  un- 
reifen Trauben  abbcissen,  ohne  diese  zu  fressen.  Die 
Thiere  werden  in  Gruben  getrieben  und  verbrannt  oder 
gegen  ein  aufgespanntes  Tuch  und  an  diesem  entlaug  in 
ein  Fass  mit  Erdöl  gejagt.  Auch  triel)  man  sie  auf 
Stoppelfelder  und  zündete  diese  an.  Die  Eierhäufchen 
werden  von  Kindern  eingesammelt.  Dass  die  Heuschrecken- 
plage trotzdem  nicht  abninunt,  konnnt  daher,  dass  im  Süden, 
auf  dem  Hochplateau  der  Steppen  und  am  Nordrande 
der  Wüste  immer  neue  Schaaren  unbehelligt  vom  Menschen 
heranwachsen.  Der  natürlichen  Feinde  sind  wenige.  Larven 
von  Schmarotzerinsecten  fand  Verf.  nicht.     Lerchen   und 


Nr.  4:i 


Naturwissensiliaftlifhe  Woehensclirif't. 


473 


Ilüliiu'v  tVcsson  die  HcuscIiroL'kcn  y-cni.  Die  Infectioii  mit 
dem  Pilz  Lacliiiidinm  acridiorum  Giard  sclieint  wenig  Er- 
folg- gehabt  zu  haben.  Die  flugfertigen  Tliiere  warten, 
bis  alle  Altersgenossen  voll  entwiekelt  sind.  Doeli  lagern 
aueli  dann  mtrli  die  Sehwärme  oi't,  (dnie  zu  wandern,  im 
sogenannten  ilalfameer  fuhr  der  Zug  stundenlang  dureh 
solche  Seinvarme,  die  die  Luft  vom  l'oden  bis  zu  10  und 
15  m  H(ihe  erfüllten.  Der  Flug  der  Thicre  ist  gut,  ähn- 
lich dem  der  Wasserjungfern. 

Nur  in  den  Hügelketten  an  der  marokkanischen 
Grenze  und  im  Gebiete  des  grossen  Atlas  lebt  die  grillen- 
iihnliche  Eugaster  Guyoni  Gero.  Sie  Hüchtet  vor  den 
Sonnenstrahlen  in  Felsspalten.  Die  Weibchen  sind  tlügel- 
los,  die  Männchen  zirpen  mit  ihnen,  wobei  der 
Hinterrand  der  Mittelbrust  als  Schalldeekel  wirkt.  Werden 
die  Thiere  angegritfen ,  so  spritzen  sie  dem  Feinde 
bis  auf  ^j.,  Meter  Entfernung  kräftige  Strahlen  einer  gelb- 
licligrünen  Flüssigkeit  entgegen,  die  ätzt  und  namentlich 
Schleimhäuten  unangenehm  wird.  Sie  konunt  aus  Poren, 
die  sich  zwischen  Hüfte  und  Scheukelring  der  zwei  ersten 
Beinpaare  befinden.  Mit  grosser  Sicherheit  treffen  die 
Insekten  genau  die  sich  nahende  Hand,  indem  sie,  j'e  nach 
der  Grösse  des  greifenden  Köi'pers,  die  vier  Strahlen  con- 
oder  divergiren  lassen.  Es  ergab  sieh,  dass  es  das  Plut 
ist,  welches  das  Thier  ausspritzt.  Es  liegt  hier  also  der- 
selbe Fall  wie  beim  Oelkäfer  vor.  C.  M. 


Krenzuiigcii  von  wilden  und  /ahmen  Meei*- 
(scliweinchen.  —  Seit  dem  Erscheinen  von  Kengger's 
Naturgeschichte  der  Säugethiere  von  Paraguay,  Basel  1830, 
sind  die  von  diesem  Autor  S.  277  angeführten  Beobachtungen 
über  das  Verhältniss  von  Cavia  aperea  und  Cavia  cobaya 
oft  citirt  und  als  allgemein  gültig  hingestellt  worden. 
Dem  gegenüber  habe  ich  bereits  1891  in  meiner  Ab- 
handlung „über  die  Fortpflanzung  und  Abstannnung  des 
Meerschweinchens",  welche  im  „Zo(dogischen  Garten", 
1891,  Heft  3,  erschienen  ist,  nachgewiesen,  dass  die 
meisten  Angaben  Rengger's  entweder  geradezu  unrichtig, 
oder  nicht  allgemein  gültig  sind. 

Inzwischen  ist  es  mir  durch  die  Güte  des  Herrn 
Dr.  Heck,  Direetors  des  hiesigen  Zoologischen  Gartens, 
möglich  gewesen,  die  Frage,  ob  sich  diejenige  wilde 
Meerschweinchen-Art,  welche  als  Cavia  ajjcrea  bezeichnet 
wird,  mit  dem  Hausmeerschweinchen  fruchtl)ar  kreuzen 
lässt,  genauer  zu  verfolgen  und  zu  prüfen.  Hierbei  hat 
sich  herausgestellt,  dass  die  ßengger'schen  Beobachtungen, 
sofein  sie  als  allgemein  gültig  hingestellt  werden,  völlig- 
unzutreffend  sind.*)  Indem  ich  mir  vorbehalte,  über  die 
betreffenden  Zuehtversuche  im  „Zoologischen  Garten"  aus- 
führlich zu  berichten,  theile  ich  hier  kurz  die  Haupt- 
resultate  mit: 

1.  Im  Widerspruch  mit  den  Angaben  Rengger's  lässt 
sich  die  wilde  Ca\ia  aperea  mit  Cavia  cobaya  (dem  Ilaus- 
meerschweinchen)  ohne  alle  Schwierigkeiten  kreuzen,  so- 
wohl wenn  man  ein  Männchen  der  wilden  Art  mit  einem 
Weibehen  der  zahmen  Art  zusammenbringt,  als  auch  wenn 
man  umgekehrt  verfährt. 

2.  Die  erzielten  Bastarde  zeigen  eine  unbedingte 
Fruchtbarkeit  bei  Anpaarung,  d.  h.  bei  der  Paarung  mit 
einer  der  Stannn-Arten.  Bei  Paarung  unter  einander 
scheinen  die  Bastarde,  soweit  die  bisherigen  Versuche 
reichen,  nur  eine    geringe    Fruchtbarkeit  zu  entwickeln. 


*)  Renfjger  giebt  an,  dass  es  ihm  trotz  mehrfacher  Versuche 
niemals  gelungen  sei,  Hausmeerschweinchen  mit  Apereas  zu 
paaren.  Auf  Oruml  dieser  Angabe  wird  oft  behauptet,  dass  eine 
solche  Paarung  überhaupt  nicht  angiingig  sei.  Vergl.  z.  B.  Blasius, 
Säugethiere  Deutschlands,  S.  430. 


3.  I5ci  allen  den  erzielten  zahlreichen  Bastarden  hat 
sich  der  bemcrkenswerthe  Umstand  gezeigt,  dass  die 
gleichmässigc,  feinnielirte  Färbung  des  Haarkleides,  welche 
wir  bei  den  wilden  Cavien  üiierhaupt  und  insbesondere 
auch  bei  C.  aperea  sehen,  mit  grosser  Zähigkeit  festgehalten 
wird.  Fleckenbiblung  in  der  Färbung  des  Haarkleides, 
wie  sie  bei  C.  cobaya  übli(di  und  speeiell  auch  bei  den 
zu  vorliegenden  Züchtungen  verwendeten  Exemplaren 
vorhanden  ist,  hat  sich  bisher  nur  bei  einem  Bastard 
und  auch  hier  nur  in  sehr  unbedeutendem  Maasse  gezeigt; 
alle  anderen  sind  gleichmässig  gefärbt,  ohne  Flecken- 
bildung. Die  Haarfarbe  der  wilden  Art  wird  also  bei 
der  Vererbung  sehr  bevorzugt.  Einige  Exemplare  zeigen 
Melanismus;  sie  sind  glänzend  schwarz  gefärbt. 

4.  Obige  Versuche  könnten  zu  Gunsten  derjenigen 
Ansicht  gedeutet  werden,  dass  Cavia  aperea  die  wilde 
Stammart  des  Hansmcerscdiweinehens  sei.  Dieser  Ansieht 
stehen  aber  wichtige  historische  Gründe  entgegen,  wie 
ich  in  dem  oben  citirten  Aufsatze  nachgewiesen  habe. 
Als  wirkliehe  Stannnart  des  Hausmeerschweinchens  hat 
man  die  in  Peru  verbreitete  Cavia  Cutlcri  anzusehen, 
welche  von  den  alten  Peruanern  domesficirt  worden  ist. 
C.  Cutlcri  und  C.  aperea  sind  aber  mit  einander  nahe 
verwandt.  Prof.  Dr.  A.  Nehring. 


Xantlialin,  ein  neues  Alkaloid  des  Opiums,  von  T. 

und  A.  Snuth  ^^  Co.  (Pharm.  .Journ.  and  Trans.  52,  793/94). 
Das  neue  Alkaloid  wurde  in  den  von  der  Krystallisation 
der  rohen  Chlorhydrate  von  jMorphin  und  Codein  hiiiter- 
bleibenden  Mutterlaugen  aufgefunden.  Aus  diesen  wird 
es  gemeinsam  mit  Narcotin  und  Paiiaveriu  durch  Ver- 
dünnung und  sorgfältige  Neutralisation  gefällt.  Von  beiden 
letzteren  Alkaloiden  wird  es  auf  Grund  seiner  geringen 
Affinität  zu  Säuren  getrennt,  indem  der  gereinigte  Nieder- 
schlag mit  einer  zur  völligen  Lösung  ungenügenden  Menge 
Salzsäure  behandelt,  der  verbleibende  Rückstand  nach 
sorgfältigem  Auswaschen  in  verdünnter  heisser  Salzsäure 
gelöst  wird.  Bei  genügender  Koncentration  dieser  Lösung 
erstarrt  dieselbe  beim  Erkalten  als  schwammige  Masse, 
nach  Entfernung  der  dunklen  Mutterlauge  dem  Narcein 
gleichend,  aber  durch  seine  leuchtende  gelbe  Farbe  von 
ihm  unterschieden.  Das  so  erhaltene,  aus  verdünnter 
Salzsäure  uinzukrystallisirende  Chlorhydrat  scheidet  schon 
beim  Kochen  mit  Wasser  oder  beim  Erhitzen  auf  150° 
während  einiger  Stunden  die  freie  Base  als  weisses  Pulver 
ab,  das  den  Namen  Xantlialin  wegen  der  gelben  Farbe 
seiner  Salze  erhalten  hat  Dasselbe  schmilzt  bei  206° 
und  erhielt  auf  Grund  der  Analysen  die  Formel  C.j7H.j(;N.0;i. 
In  Wasser  und  Alkalien  ist  das  Alkaloid  unlöslich,  in 
kochendem  Weingeist  schwer,  in  Benzol  reichlicher,  in 
Chloroform  sehr  reichlich  löslich.  Das  Chlorhydrat  bildet 
gelbe  voluminöse  Nadeln  von  der  Zusammensetzung 
C.j;H3öN.,09  •  2HC1  +  4H.().  —  In  concentrirter  Schwefel- 
säure löst  sich  Xanthnliii  mit  tief  orangerother  Farbe, 
wird  aber  ohne  Erhitzung  nicht  zersetzt;  beim  Stehen, 
rascher  nach  Zusatz  von  Wasser,  geht  das  dunkle  Orange 
in  Blassgelb  über,  und  es  krystallisirt  das  Sulfat  in  gelben 
Nadeln  heraus.  —  Auch  Saliietersäure  löst  das  Xantlialin 
in  der  Kälte  ohne  Zersetzung,  bei  grossem  Ueberschuss 
von  verdünnter  Salpetersäure  kann  die  Lösung  sogar  bis 
zum  Sieden  erhitzt  werden.  Das  Nitrat  bildet  glänzende, 
orangegelbe  Nadeln.  Das  Xanthaliu  wird  in  schwefel- 
saurer Lösung  durch  Zinkgranalien  leicht  reducirt,  wobei 
die  gelbe  Farbe  versehwindet  und,  nach  dem  Erkalten, 
das  Sulfat  einer  neuen  Base,  des  Hydroxanthalius,  (in  Ver- 
bindung mit  Zink)  auskiystallisirt.  Diese  Base  wird  aus 
der  wässerigen  Lösung  des  Sulfats  als  harzartiger  Körper 
gefällt  und  dureh  Umkrystallisiren    aus  Alkohol    in  Form 


474 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  43. 


weisser,  harter  Krystailc  gewonnen.  Dieselben  schmelzen 
bei  137°,  sind  wasserfrei  und  besitzen  die  Formel 
CstHtoNoO,,.  Die  Salze  sind  farblos,  leicht  löslich  und 
krystallisiren  gut.  Mit  concentrirter  Schwefelsäure  geben 
die  geringsten  Spuren  des  Alkaloi'ds  eine  tiefviolette 
Lösung,  welche  auf  Zusatz  von  Wasser  verschwindet, 
durch  Zufügung  von  mehr  Vitriolöl  aber  wieder  hervor- 
gerufen wird.  Sp- 

Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben. 

Es  wurden  ernannt:  Professor  Dr.  Mo  eli,  DirHctor  der  städti- 
schen Irrenanstalt  in  Horzberge  bei  Berlin,  zum  Hilfsarbeiter  im 
Cultusmiuisterium.  —  Mr.  Leonard  ,J.  Spencer  vom  Sidney 
Susse.x  College  in  Cambridge  zum  Nachfolger  des  verstorbenen 
Petrographen  Thomas  Davies  an  der  mineralogischen  Abtheilung 
des  British  Museum  in  London.  —  Der  Lehrer  der  Zoologie  an 
der  Universität  des  Staates  Michigan  Dr.  Henry  B.  Ward  zum 
Professor  an  der  Universität  Lincoln  in  Nebraska.  —  Prof.  hon. 
Dr.  F.  Treadwell  zum  Ordinarius  für  analytische  Chemie  am 
eidgenössischen  Polytechnicum  in  Zürich.  —  Der  Mitarbeiter  am 
geographischen  Institut  in  Weimar  Dr.  Kettler  zum  Professor.  — 
Professor  Dr.  Behrend  Pick  in  Zürich  zum  Bibliothekar  an 
der  herzoglichen  Bibliothek  in  Gotha. 

Prof.  Dr.  Paul  Sorauer  tritt  von  seiner  Stellung  als  Leiter 
der    ptIanzeuphysiologi,schen   Versuchsstation    in  Proskau    zurück. 

Es  haben  sich  habilitirt:  Dr.  M.  von  Lenhossek,  Prosector 
an  der  anatomischen  Anstalt  der  llniversität  Würzburg,  in  der 
medicinischen  Facultät.  —  An  der  Universität  Wien  Dr.  Meyer- 
hofer  für  Chemie  und  —  Dr.  Hammerschlag  für  innere 
Medicin. 

Es  sind  gestorben:  William  Ruxton  Davison,  Curator  des 
Raffles-Museums,  in  Singapore.  —  Der  Ornithologe  Wilhelm 
Theo  bald,  Prediger  der  evangelisch  -  reforniirten  Gemeinde  in 
Kopenhagen.  —  Professor  Dr.  Karl  Jenny,  früher  Lehrer  an 
der  Technischen  Hochschule  in  Wien,  daselbst.  —  Dr.  Etienne 
Michel  van  Kempen,  Professor  der  Anatomie  an  der  Univer- 
sität Loewen,  daselbst.  —  Der  Geologe  und  langjährige  Director 
der  k.  k.  geologischen  Reichsanstalt  Hofrath  Dionys  Stur  in 
■\yien.  —  Dr.  Friedrich  Gustav  Narr,  ausserordentlicher  Pro- 
fessor der  Physik  an  der  Universität  München,  daselbst. 


Ein  subtropisches  botanisches  Laboratorium  ist  in  Eutis  im 
Staate  Florida  errichtet  worden  und  steht  unter  der  Leitung  von 
Professor  Swiuglo. 

L  i  1 1  e  r  a  t  u  r. 

Robert  Mayer,  Kleinere  Schriften  und  Briefe.  Nebst  Mit- 
theilungen aus  seinem  Leben.  Herau.sg.  von  Prof.  Jacob 
J.  Weyrauch.  Mit  zwei  Tafeln.  J.  G.  Cotta'sche  Buchhandlung, 
Nachfolger.     Stuttgart  1893.  —  Preis  10  Mk. 

In  No.  27,  S.  278  konnten  wir  die  durch  Prof.  Weyrauch  er- 
folgte Herausgabo  der  dritten  Auflage  von  Mayer's  Sannnelwerk 
„Die  Mechanik  der  Wärme"  anzeigen ;  das  vorliegende  Buch  bildet 
eine  vorzügliche  Ergänzug  zu  diesem  Werk.  Mit  derselben  Liebe 
und  demselben  Fleiss  wie  die  erste  hat  der  Herausgeber  die  vor- 
liegende neue  Veröffentlichung  behandelt,  für  die  ihm,  abgesehen 
von  Anregungen,  die  durch  dieselben  die  Wissenschaft  selbst  er- 
halten wird,  die  Geschichte  der  Naturwissenschaften  besonderen 
Dank  schuldet.  Das  Buch  ist  in  2G  Abschnitte  gegliedert: 
1.  Jugendbriefe  an  Laug,  18o2  — 1844;  2.  Das  Santonin,  Inaugural- 
Dissertation,  1838;  3.  Tagebuch  der  Reise  nach  Ostindien  1840; 
4.  Familienbriefe  von  1839  und  1840;  5.  Erste  Fassung  des  ersten 
Aufsatzes,  1841;  6.  Briefwechsel  mit  Carl  Baur,  1841  —  1844;  7.  Brief- 
wechsel mit  Wilhelm  Griesinger,  1842—1845;  8.  Erste  Beurthei- 
lungen  über  Mayer's  ersten  Aufsatz  und  über  den  Aufsatz  „Die 
organische  Bewegung";  9.  Kleine  Aufsätze,  184.5— 1866;  10.  Mit- 
theilungen an  die  Pariser  Akademie,  Prioritätsstreit  mit  Joule, 
1846—1851;  11.  Briefwechsel  mit  Gustav  Reuschle,  1848  —  1871; 
12.  Zwischenfall  mit  Seyft'cr,  1849—18.50;  13.  Mayer  und  die  Fort- 
schritte der  Physik,  1850—1881;  14.  Mittheilungen  an  die  Akadenue 
in  München,  Wien,  Turin,  1851,  1869;  15.  Göppingen,  Winnenthal, 
1851—1892;  16.  Falsche  Todesnachricht,  1854-1873;  17.  Au.szeich- 
nungen  Mayer's,  1858—1875;  18.  Tyndall,  Clausius,  Reusch,  1862 
bis  1866;  19.  Autobiographisches,  1863—1877;  20.  Kennenburg, 
1865-1871;  21.  Mohr,  Liebig,  Schaft'hausen,  1867— 1869;  22.  Mayer 
als  Rezensent;  28.  Naturforscherversammlung  zu  Innsbruck,  1869 
bis  1892;  24.  Verschiedenes  1866-1877;  25.  Familienbriefe,  1845 
bis  1874;  26.  Grabreden,  1878.  Auf  der  einen  Tafel  ist  Mayer  im 
Jahre  1868,  auf  der  anderen  sein  Wohn-  und  Sterbehaus  in  Hoil- 
bronn  zur  Darstellung  gebracht  worden. 


Karl  Neumann.  Aus  Liebe,  Ehe   und  Eheleben  der  'Vogelwelt 

(Heft  169  der  neuen  Folge,  8.  Serie  von  Virchow-Wattenbach's 
Samndung  gemeinverständlicher  wissenschaftlicher  Vorträge). 
Verlagsanstalt  A.  G.  (vormals  J.  F.  Richter)  Hamburg  1893.  — 
Preis  0,60  Mk. 

Das   Heftchen    stellt  kurz    das  Bemerkenswertheste   über  das 
geschlechtliche  Loben  der  Vögel  zusammen. 


H.  J.  Kolbe,  Einführung  in  die  Kenntniss  der  Insecten.     Mit 

324  Abbildungen,    709    Seiten.     Ferd.    Dümmler's    Verlagsbuch- 
handlung.    Berlin   1893.  —  Preis  14  Mk. 

Das  Erscheinen  des  Buches  ( 14  Lieferungen  ä  1  Mk.)  hat  lange 
gedauert  (von  1889  bis  jetzt),  aber  in  diesem  Falle  bewährt  sich 
das  Sprüchwort:  „Was  lange  währt,  wird  gut."  Man  kann  dem- 
jenigen, der  nicht  nur  spielerig  sammelnd,  sondern  mit  dem  Wunsch, 
den  Gegenstand  wissenschaftlich  zu  erfassen,  sich  mit  Insecten- 
kunde  beschäftigt,  kein  besseres  Buch  empfehlen  als  das  von 
Kolbe.  Dabei  ist  aber  wohl  zu  beachten,  dass  es  durchaus  auch 
dem  Verständnisa  derjenigen  angepasst  ist,  denen  zoologische 
Vorkenntnisse  fohlen.  Es  befähigt  den  angehenden  Entomologen, 
sich  allmählich  fachmännisch  in  das  von  dem  Autor  (Custos  an  iler 
zoologischen  Sammlung  des  Königl.  Museums  für  Naturkunde  zu 
Berlin)  so  durchdringend  beherrschte  Gebiet  einzuarbeiten  und 
weist  ihm  durch  die  zahlreichen  Litteraturangabon  auch  den  Weg 
zur  Weiterforschung.  In  einer  Schulbibliothek  sollte  es  nirgends 
fehlen.  Die  Litteratnrlisten  und  die  geschickte  Zusammenstellung 
unserer  Kenntnisse  aus  der  allgemeinen  Insectenkunde  und 
das  vorzügliche  und  umfangreiche  Register  machen  das  Work 
auch  zu  einem  trefl'lichen  Handbuch  für  den  Fachmann,  der  es 
oft  mit  Nutzen  zu  Rathe  ziehen  wird.  Wir  hoffen  bald  aus  den 
allgemeiner  interessanten  Abschnitten  dos  trefflichen  Werkes  Probon 
ebenso  wie  von  denjenigen  Abbildungen  bringen  zu  können,  die 
dem  Buche  einen  besonderen  Werth  verleihen. 


Fritz  Bühl,  Die  palaearktischen  Orossschmetterlinge  und  ihre 

Naturgeschichte.      1.  und  2.  Doppel-Lieferung.     Ernst  Heyne. 
Leipzig  1892.  —  Preis  k  1,20  Mk. 

Es  kam  dem  Verfasser  darauf  an,  die  zahlreichen  Species  und 
Varietäten  der  paläarktischen  Grossschmetterlinge  dem  sich  dafür 
interessironden  Publicum  in  einem  Sammelwerke  in  Beschreibungen 
zur  Anschauung  zu  bringen.  Die  zahlreichen  entomologischen 
Zeitschriften  haben  bekanntlich  eine  grosse  Zersplitterung  des 
littorarischen  Materials  im  Gefolge,  so  dass  es  den  meisten 
Schmettei-lingsfreunden  fast  nicht  möglich  ist,  sich  die  Beschrei- 
bungen aller  Arten  zu  verschaffen;  jedenfalls  ist  dies  sehr  be- 
schwerlich und  umständlich.  Die  europäisch  en  Grossschmetter- 
linge sind  ja  meist  in  selbstständigen  Werken  behandelt;  aber  es 
finden  sich  in  ihnen  nicht  alle  Varietäten,  welche  namentlich  in 
den  letzten  Jahrzehnten  bekannt  geworden  sind.  Das  Werk  soll 
alle  Grossschmetterlinge  Europas,  Nordafrikas,  West-,  Nord-, 
Central-  und  Ostasiens  umfassen.  Der  Verfasser  hat  die  Boschrei- 
bungen theils  selbst  gemacht,  theils  aus  der  Litteratur  entnommen. 
Uebersichtstabellen  der  Arten  und  Varietäten  enthält  die  erste 
Lieferung  nicht,  obgleich  solche  bei  grossen  Gattungen,  wie  Par- 
nassius,  wohl  angebracht  wären.  Das  Buch  ist  daher  mehr  als 
ein  Sammelwerk  der  bekannten  Arten  und  Varietäten  der  paläark- 
tischen Grossschmetterlinge  zu  bezeichnen  und  hat  als  solches 
praktischen  Werth,  namentlich  wegen  der  zum  Thoil  recht  aus- 
führlichen Beschreibungen  und  der  genauen  Angabe  des  Vater 
landes,  der  Oertlichkeit  und  der  Flugzeit.  Die  Richtigkeit  und 
Vollständigkeit  der  Angaben  entzieht  sich  natürlich  der  augen- 
blicklichen Controlle. 

Eine  Einleitung  zu  dem  Werke  bilden  Kapitel  über  „die 
muthmaassliche  Ableitung  der  Schmetterlinge  und  ihr  erstes  Auf- 
treten", „Einwanderung  und  Verbreitung",  „die  geographische 
Umgrenzung,"  ferner  Kapitel  über  die  Verwandlungsstadien  und 
Anleitungen  zum  Sammeln,  Präpariren  u.  s.  w. 

Bei  der  Durchführung  der  ersteren  Kapitel  der  Einleitung, 
deren  Inhalt  sehr  wenig  befriedigt,  sind  mir  mehrere  bedenkliche 
Unrichtigkeiten  aufgestossen.  So  z.  B.  scheint  es  dem  Verfasser 
unbekannt  zu  sein,  dass  es  in  Deutschland  Lepidoptoron  giebt, 
deren  Raupen  im  Wasser  loben,  nämlich  Paraponyx  stratio- 
tata  und  Acentropus  niveus*).  Bei  Besprechung  der  etwaigen 
Stammverwandtschaft  der  Lepidopteren  und  Neuropteren,  speciell 
Trichoptoren,  deren  Larven  im  Wasser  leben,  verweist  <lor  Ver- 
fasser nämlich  auf  das  Vorkommen  von  Wasserraupen  (Palnstra) 
in  Amerika  als  merkwürdige  Thatsache  in  dieser  Beziehung.  Bei 
seiner  40  jährigen  Erfahrung,  deren  sich  der  Verfasser  im  Vorwort 
riüimt,  hätte  ihm  das  Vorkommen  obiger  Gattungen  in  unserer 
Fauna  nicht  entgehen,  beziehungsweise  deren  Lebensweise  nicht 
unbekannt  bleiben  sollen. 

Die  Paul  Oppenheim 'sehe  Deutung  der  angeblichen  Jura-Lepi- 


*)  Vergl.  H.  J.  Kolbe,  Einführung  in  die  Kenntniss  der  In- 
secten.    S.  522,  527. 


Nr.  43. 


Naturwissenscliaf'tlic'lie  Wochenschrift. 


475 


doptercii  ist  längst  widerlegt;  die  l)etreffenden  Reste  aus  Jiira- 
scliicliteii  werden  Hynienopteren  und  Cicadiden  ziigesehriebcn. 

Aueli  in  der  Geologie  sclieint  der  Verfasser  niclit  lie- 
wandert  zu  si'in ;  denn  bei  Besprecliuns  der  Eiszeit  liinsielitlieli 
der  Vernielitung  der  damaligen  Lepidoi)teren  und  der  Bildung 
einer  ueueu  Fauna  verlegt  der  Verfasser  die  erste  grosse  Eiszeit 
in  die  Mioeiinepoche  (!),  welelier  alle  Lebewesen  nach  seiner 
Meinung  zum  ( Ipfer  fielen. 

Eine  falsclio  Vorstellung  bewirkt  aueb  die  Angabc,  dass  einige 
Naelikonuneii  der  früheren  Polarflora  Deuts(ddands,  die  noeh  jetzt 
an  einigen  Plätzen  unseres  Landes  vorkoinnuiu,  nändich  u.  a. 
Care.x  inicrostachya,  chordorrhiza  und  Salix  niyrtil- 
loides,  an  dem  einzigen  deutschen  Fundorte  (Heuschcuer-See) 
jetzt  ausgerottet  seien.  Nacli  der  mir  zu  Gebote  stehenden  Lit- 
teratur  kommen  diese  Moorpflanzen  noch  an  anderen  Punkten 
Deutsclilands  vor.*) 

Die  gegenwärtige  Fauna  soll  sicli,  wie  der  Verfasser  meint, 
in  eine  zalilreiche.  nach  Gattungen  und  Arten  äusserst  verschie- 
dene Familie  «palten! 

Die  Kapitel,  in  denen  diese  Verhältnisse  und  Tlioorien  be- 
handelt sind,  liätten  besser  fortbleiben  können.  Im  Uobrigen  ist 
dem  Werke  aller  Erfolg  zu  wünschen.  Kolbe. 


Dr.  Adolf  Jos.  Fick,  Die  elementaren  Grundlagen  der  astrono- 
mischen Geographie.  Gemeinveraläudlich  dargestellt.  Mit  zwei 
Sternkarten  und  SO  Text-Abbildungen.  2.  durchgesehene  Auf- 
lage. Manz'selie  k.  und  k.  Hof-,  Verlags-  und  Uuiversitäts- 
Buclihandluiig  (Julius  Klinkhardt  i*i  Co.).  Wien   1893. 

Das  Bueli  ist  gut  geeignet  den  Autodidacten  in  das  behan- 
delte Thenui  einzuführen,  dessen  Kenntniss  freilich  jedem  Gebil- 
deten geläufig  sein  sollte,  denn  ein  wahres  Verständniss  geogi-a- 
phiseher  Dinge  setzt  diese  Kenntniss  voraus.  Verf.  wünscht  sieh 
auch  Mütter  als  Leser  seines  Buches,  um  sie  in  die  Lage  zu 
bringen,  ihre  Kinder  über  die  wichtigen  vorgetragenen  Dinge  be- 
lehren zu  können:  möchte  sein  Wunsch  vielfach  in  Erfüllung  ge- 
gangen sein  und  gehen! 


Albrecht  Wilke,  Leitfaden  für  den  Unterricht  in  Chemie  und 
Mineralogie  an  höheren  Lehranstalten.  H  Eckardt,  Kiel  1893. 
Sehr  geschickt  behandelt  der  Leitfaden  (Uieniie  und  Minera- 
logie in  aller  Kürze.  Der  Mineralogie  sind  ein  Abschnitt  Pe- 
trographie  und  einer,  Geologisches,  angeschlossen.  An  der  Hand 
des  Lehrers  dürfte  der  nur  88  Seiten  umfassende  Leitfaden  gute 
Dienste  thun. 

Arbeiten  der  Section  für  Mineralogie,  Geologie  und  Palä- 
ontologie   des  Naturwissenschaft!.   Vereines    für   Steiermark. 

Graz  189o.  —  K.  Hoernes:  Die  Kohlenablagerungen,  von  Kadel- 
dorf,  Stranitzen  undLubnitzergraben  bei  Rötschach  und  von  St.  Briz 
bei  Wöllan  in  LTntersteiermark.  Untersuchungen  über  das  Alter 
der  an  genannten  Lokalitäten  auftretenden  Kohlenablagerungen, 
welche,  als  Sotzka-Schichten  bezeichnet  werden.  Ebenfalls  als  zu 
den  Sotzka-Schichten  gehörig,  werden  oligocäne,  kohlenführende 
Schichten  angesehen,  welche  bei  Sagor,  Hrastnigg,  Trifail  und 
Tüft'er  anstehen.  Unter  anderen  hatte  Verfasser  schon  früher 
darauf  hingewii'sen,  dass  nach  dem  Vorgange  Rolle's  die  Kohle 
des  Lubnitzeugrabens  bei  Rötschach  der  Kreide  angehören  könne. 
Seine  neuesten  Untersuchungen,  welche  allerdings  noch  wi'iterer 
Bestätigung  bedürfen,  haben  zu  dem  Ergebniss  geführt,  dass  die 
Sotzka-Schichten  älter  sind,  als  die  bei  Sagor  und  Trifail  an- 
stehenden, und  dass  ein  Theil  der  Kohlenvorkommen  der  eingangs 
genannten  Lokalitäten  sicher  zur  Kreide  gehört,  wogegen  ein  an- 
derer seiner  Stellung  nach  bisher  noch  nicht  festgelegt  werden 
konnte  und  vielleicht  dem  Eocän  zuzurechnen  sein  dürfte.  Die 
Schichten  von  Sagor  und  Trifail  sind  (Jligocän.  Die  sogenauton 
Sotzka-Schichten  umfassen  einen  Comple.\  von  dem  Alter  nach 
sehr  verschiedenen  Ablagerungen,  und  ist  es  daher  gerathen,  den 
Namen  ganz  fallen  zu  lassen.  —  Lovrekovic:  Ueber  die  Am- 
phibolite  bei  Deutsch-Landsborg.  Geologische  und  petrographische 
Studien  über  die  in  den  Gneisen  und  krystallinischen  Schiefern 
am  Ostabhang  der  Koralpen  vorkommenden  Amphibolite.  Die- 
selben treten  dort  als  Zoisit-  und  als  Granat-Amphibolite  auf.  — 


*)  Vergl.  z.  B.  H.  Potonie,    Illustrirte  Flora   von  Nord-  und 
Mitteldeutschland.     4.  Aufl.     Berlin  1889,  S.  38  u.  a. 


C  Doelter:  Bericht  über  die  geologische  üurchfmschung  des 
Bachergebirges.  Das  Bachergebirge  steigt  im  Czerni-KogI  (Schwarz- 
kogl)  bis  zu  1541)  m  empor,  wird  Tiach  N.  durch  eine  mit  Tertiär- 
schichten ausgefüllte  WSW.  zu  DNO.  verlaufende  Spalte  vom 
Possruckgebiete  getri'unt  und  ferner  durch  eine  Linie  umgrenzt, 
welche  sich  längs  des  Missliugbaehes  (SW.  und  S.),  über  Missling, 
St.  Florian  nach  Unter-Didlitsch,  längs  des  Jesenitza-Baches  nach 
Lubnitz,  längs  des  Lubnitzen-,  Drann-,  Augen-  und  Losnitzbaches 
(SO.),  ferner  längs  der  Ebene  von  Pulsgau  bis  Rosswein  (0.)  und 
endlich  von  der  I)rau  bis  Lembach  (,N.l  und  von  dort  bis  Drau- 
burg  hinzieht.  Die  ältesten  Schichten  treten  in  diesem  Gebiete 
im  O.  und  SO.  auf  und  werden  nach  W.  und  NW.  durch  immer 
jüngere  ersetzt.  Das  Massiv  des  Gebirges  bildet  (iranit,  den  ein 
Mantel  von  Schiefern  umgiebt,  an  die  sich  noch  weiter,  z.  B.  im 
NO.  Trias-  und  ganz  am  Rande  Tertiärschichten  anlagern.  Ver- 
fasser bespricht  die  Geologie  und  den  Bau  des  Gebirges  und  zum 
Schluss  das  Vorkommen  nutzbarer  Mineralien.  Die  Erforschung 
soll  fortgesetzt  und  das  Gebiet  kartographisch  dargestellt  und 
monographisch  beschrieben  werden.  —  J.  A.  Ippen:  Zur  Kennt- 
niss der  Eklogite  und  Amphibol  Gesteine  des  Bacher-Gebirges. 
Verfasser  ist  neben  den  Herren  Duclter  und  Eigel  einer  der  Er- 
forscher des  genannten  Gebirges  und  hat  speciell  die  Untersuchung 
der  Amphibol-,  Eklogit-  und  Augitgi'steinn  unternommen,  deren 
Resultat  theilweise  hier  vorliegt.  Die  Untersuchungen  sind  ]ii-tro- 
grai)hischer  Natur. 

Den  Antiquar.  Katalog  No.  33  „Geologie  und  Palaeonto- 
logie,"  u.  a.  enthaltend  die  Bibliotliek  und  Karten.sannnlung,  des 
Geologen  Jul.  Ewald  bringt  die  Handlung  Ma.x  Weg  in  Leipzig 
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das  da  zeigt,  wie  die  Firma  bemüht  ist,  mit  der  Wissenschaft 
Schritt  zu  halten.  Kataloge,  wie  diu-  vorliegende,  haVien  daher 
für  diejenigen,  die  sich  für  die  Fortschritte  der  Instrumenten- 
kunde interessiren,  einen  liesonderen  Wertli.  Zwei  Inhaltsver- 
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Finger,    Dr.  Jos.,    Ueber   den  Haujitpunkt    einer   beliebigen  Axe 

eines  materiellen  Punktsystems.     Wien.     0,.50  M. 
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Wien.     0,70  M. 
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hungaricam      Wien.     2,80  M. 
Keyserling,  Graf  E.,    Die  Spinnen  Amerikas.     Nürnberg.     35  M. 
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Siebenrock,   Assist.  Frdr.,    Zur  Osteologie    des  Halteria-Kopfes. 

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Hr.  Prof.  G.  —  Der  übliche  Bericht  über  die  Versamm- 
lung Deutscher  Naturforscher  und  Aerzte  beginnt  in  der  nächsten 
Nummer.  Wir  haben  die  Veröft'entlichung  einige  Wochen  hinaus- 
geschoben, weil  wir  warten  wollton,  bis  der  authentische  Wort- 
laut der  Hauptvorträge  vorlag. 


Inhalt:  Prof.  Dr.  Hugo  Werner:  Eine  Reise  zur  Weltausstellung  nach  Chicago.  —  Dr.  Karl  Thomae:  Die  Bildung  der  Ei- 
weisskörper  in  der  Pflanze.  —  Erforschung  des  eigentlichen  Choleragiftes.  —  Elektrische  Kulturversuche.  —  Biologische  Mittheilungen 
über  Orthii]itereii  aus  Oran.  —  Kreuzungen  von  wilden  und  zahmen  Meerschweinchen.  —  Xanthalin,  ein  neues  Alkaloul  des 
Opiums.  —  Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben.  —  Litteralur:  Robert  Mayer:  Kleinere  Schriften  und  Briefe.  —  Karl  Neumann: 
Aus  Liebe,  Ehe  und  Eheleben  der  Vogelwelt.  —  11.  .1.  Kolbe:  Einführung  in  die  Kenntniss  der  Insecten.  —Fritz  Rühl:  Die 
palaearktischen  Grossschmetterlinge  und  ihre  Naturgeschichte.  —  Dr  Adolf  Jos.  Pick:  Die  elemoutan'n  Grundlagen  der  astro- 
nomischen Geometrie.  —  Albrecht  Wilke:  Li'itfaden  für  den  Unterricht  in  Chemie  und  Mineralogie  an  höheren  Lehran- 
stalten. —  Arbeiten  der  Section  für  Mineralogie,  Geologie  und  Paläontologie.  —  Antiquar.  Katalog  No.  33  „Geologie  und 
Paläontologie."  —  Preisliste  No.  11  über  physikalische  Apparate,  chemische  Instrumente  und  Geräthschaften  von  Ferdinand 
Ernecke.  —  Liste.  —  Briefkasten. 


476 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  43. 


=  8118  jlBcifcrXeil  iiu|rEr  ftjiclnb  unb  (jrmcindcrftniibliil)  ncjctiricbtitfii 
„angcmcintii  iJlafiirfunbc"  crjciicint  jocbtit:  = 


Jl^rilmfdj 


^:prof.  Dr.  golj.  ^mikt. 

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ncußcarßcifcfe  Hufrngc. 

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SPoIIftäubig  lic()cn  tion  bcr  „^(lUicmriiicii  Scatuvfuube"  bov:  SBrcl)m,  licrlcbcii,  10 
.■CniHilobcrbänbc  ä»  if  1»  Sei.  —  Jlntjcl,  liöifcrfuitbe,  3  .'palbk'bcvUtiniio  ju  io 
10  Wt.  —  Äcriter,  »pjlanirnltbcit,  2  4inlblcbcvbftnbc  äu  je  10  9Jif.  —  "Jitumal)r, 

(frbgcjifiiifite,  2  .fmlblcbcibäiibe  311  ic  16  3)it. 
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Verantwortlicher  Redakteur:    Dr.  Henry  Potonie,    Berlin  N.  4.,  luv. 
Verlag:  Ferd.  Düinmlers  Vcrlagsbuchhaudluug,  Ber 


alidenstr.  44,   für  den    Inserateutheil:    Hugo   Bernsteiu    in    Berlin. 
lin  SW.  12.  —  Druck:  G.  Bernstein,  Berlin  SW.  12. 


Redaktion:  f         Dr.  H.  Potonie. 

Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung:,  Berlin  SW.  13,  Zimmerstr.  94. 


VIII.  Band. 


Sonntag,  den  29.  October  1893. 


Nr.  44. 


Abonnement:  Man  abonnirt  bei  allen  BuehbandUmgen  und  Post- 
anstalten, wie  bei  der  Expedition.    Der  Vierteljahrspreis  ist  M  4.— 
Briugegeld  bei  der  Post  15  ^  extra. 


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Inserate :  Die  viergespaltene  Petitzeile  40  A.   Grössere  Aufträge  ent- 
sprechenden Rabatt.  Beilagen  nach  Uebereiukunft.  Inseratenanuahme 
bei  allen  Annoncenbureaux,  wie  bei  der  Expedition. 


Abdruck  ist  nnr  mit  vollständi«ter  <|nellenaiigabe  gestattet. 


Mathematische  Spielereien  in  kritischer  und  historischer  Beleuchtung. 


Von  Prof.  Dr.  H.  Schubert. 


VIII.   Das  Nonnenspiel.     (Solitilrspiel.) 

Wer  hat  niebt  in  seiner  Kiudbeit  einmal  das  Gednld- 
spiel  geschenkt  bekommen,  das  in  Nord  -Deutschland 
Nonnenspiel  und  sonst  meist  Solitärspiel  genannt  wird? 
Es  besteht  aus  einem  Kästchen,  in  welchem  sich  32  Holz- 
Pfl(ickchen  befinden,  und  in  dessen  Deckel  ;53  Löcher  von 
der  Grösse  angebraelit  sind,  dass  die  Pflöckeben  gerade 
hineingesteckt  werden  können,  und  dann  aufrecht  auf  dem 
Deckel  stehen.  l>ei  den  in  Deutschland  ültlicben  Nonnen- 
spielen bilden  die  33  Löcher  des  Deckels  die  folgende 
Figur: 


Bei  Anfang  des  Spiels  werden  die  32  Pflöekcben  in 
die  32  Löcher  gesteckt,  welche  um  das  Mittelloch,  das 
frei  bleibt,  symmetrisch  gnippirt  sind.  Die  .Sj)ielregel  be- 
steht darin,  dass,  wenn  von  drei  horizontal  oder  vertical 
liegenden,  aufeinanderfolgenden  Löchern  das  eine  äussere 
frei,  das  andere  äussere  aber  und  das  mittlere  Loch  be- 
setzt sind,  der  in  diesem  andern  äusseren  Loch  steckende 
Pflock  herausgenommen  und  in  das  freie  äussere  Loch 
gesteckt  werden  darf,  wobei  aber  dann  nothwendiger 
Weise  auch  der  mittlere  Pflock  entfernt  werden  nniss. 
Jede  derartige  Pflock- Veränderung  soll  ein  „Zug"  heissen. 
Es  ist  klar,  dass  durch  jeden  Zug  ein  Pflock  vom  Spiel- 
))retf  verschwindet.     Gewöhnlich  betrachtet  man  a,ls  Ziel 


des  Geduldspiels,  die  Züge  so  einzurichten,  dass  schliess- 
lich nur  noch  ein  einziger  Pflock  übrig  bleibt.  Natürlich 
sind  zur  Erreichung  dieses  Zieles  31  Züge  erforderlich. 
Dem  Anfänger  wird  es  aber  gewöhnlich  so  ergehen,  dass 
ihm  schon  nach  wenigen  Zügen  mehrere  Pflöcke  stehen 
bleiben,  die  er  durch  die  Zug -Regel  nicht  mehr  entferuen 
kann.  Man  wird  sich  daher,  bevor  man  grosse  Uebung 
in  dem  Spiele  erlangt  hat,  schon  damit  begnügen,  wenn 
am  Schluss  nicht  gar  zu  viel  unentfernbare  Pflöekcben 
stehen  geblieben  sind;  und  man  wird  das  Nonnens])iel 
um  so  besser  gespielt  haben,  je  weniger  solche  Pflöckchen 
einem  sehliesslicli  übrig  geblieben  sind.  Hat  man  aber 
ausreichend  Geduld,  so  wird  es  einem  endlich  gelingen, 
alle  Pflöckchen  bis  auf  einen  zu  entfernen;  ja,  es  lässt 
sich  sogar  erreichen,  dass  der  übrig  bleibende  Pflock  beim 
31sten  Zuge  gerade  auf  das  Mittelloch  zu  stehen  kommt. 
Vielfach  steckt  man  sich  auch  als  Ziel  bei  dem  Nonnen- 
spiel, es  so  einzurichten,  dass  auf  ganz  bestimmten  vorher 
bezeichneten  Löchern  Pflöckchen  stehen  bleiben,  so  dass 
diese  dann  eine  interessante  Figur  bilden.  Andererseits 
sucht  man  auch  Probleme  zu  lösen,  welche  davon  aus- 
gehen, dass  nicht  alle  Löcher  des  Spielbretts  besetzt  sind, 
sondern  nur  solche,  deren  Pflöckchen  ein  Kreuz,  ein  Qua- 
drat, ein  Achteck  oder  sonst  eine  hübsche  Figur  bilden, 
und  man  betrachtet  es  dann  gewöhnlich  als  das  Ziel  des 
Geduldspiels,  diese  Pflockchen  sämintlich  zu  entfernen, 
bis  auf  ein  einziges,  das  beim  letzten  Zuge  gerade  auf 
das  Mittelloch  gerathen  soll.  Diese  letzteren  Probleme 
sind,  wenn  sie  überhaupt  lösbar  sind,  leichter  als  das 
zuerst  genannte,  von  32  Pflöekcben  ausgebende  Problem. 

Um  die  verschiedenen  Probleme  stellen,  kritisch  be- 
handeln und  lösen  zu  können,  müssen  wir  eine  Bezeich- 
nung der  33  Löcher  einführen.  Es  ist  dabei  zweckmässig 
und  übersichtlich,  sich  die  Bezeichnung  der  Felder  des 
Damenbrctts  für  Schacii-Aufgaben  zum  Muster  zu  nehmen 
und  demgemäss  die  Verfical-Columnen  von  links  nach  rechts, 
der   Reihe   nach,    durch   die  7  Buchstaben  von  A  bis  G, 


478 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  44 


dag-egcn  die  horizontalen  Reihen,  von  unten  nach  oben, 
der  Reihe  nach,  durch  die  7  Zahlen  von  1  bis  7  7,u  be- 
zeichnen. So  wird  dann  jedes  Loch  durch  die  Verbindung 
einer  Zahl  mit  einem  Buchstaben  unzweideutig-  gekenn- 
zeichnet, nämlich  so: 


C7 

D7 

K7 

06 

D6 

E6 

A5  B5 

C5 

D5 

E5 

FSjGö 

A4JB4 

04 

D4 

E4 

F4  G4 

A3  B3 

03 

D3  E3 

F3 

G3 

0  2  D2  E2 

Ol  Dl  El 

Mit  Hilfe  dieser  Bezeichnung    kann   man    dann  auch 

die  Züge  selbst  symbolisch  darstellen;  und  zwar  empfiehlt 

es  sich,  einen  Zug,  welcher  einen  Pflock  von  einem  Loch 

in  «in  anderes  versetzt,    wie   einen  Bruch  zu  bezeichnen, 

dessen  Zähler  und  Nenner  so  heissen,  wie   das  Anfaugs- 

E4 
und  das  Schlussloch.     So  würde  z.  B.  ^^^-r  den  Zug    be- 

0  4 

deuten,  bei  welchem  ein  in  E  4  steckender  Pflock  auf  das 
unbesetzte  Loch  C  4  rückt,  was  nach  der  Spielregel  nur 
gestattet  ist,  wenn  das  dazwischen  liegende  Loch  1)  4 
besetzt  war,  und  der  in  ü  4  steckende  Pflock  bei  dem 
Zuge  entfernt  wird.  Aus  dieser  Darstellungswcisc  der 
Züge  geht  hcivor,  dass  bei  jeder  Zug- Bezeichnung  die 
beiden  oberhalb  und  unterhalb  des  Striches  stehenden 
Zeichen  entweder  gleiche  Zahlen  oder  gleiche  Buchstaben 
haben.  Im  ersten  Falle  müssen  die  beiden  Buchstaben 
solche  sein,  dass  zwischen  ihnen  nur  ein  Buchstabe  im 
Alphabet  vorhanden  ist,  im  zweiten  Falle  müssen  die 
beiden  Zahlen  sich  um  2  unterscheiden. 

Wir  beginnen  nun  mit  der  inmier  leicht  auffindbaren 
Lösung  einiger  von  den  oben  zuletzt  erwähnten  Problemen, 
bei  welchen  nur  ein  Theil  der  sämmtlichcn  Löcher  des 
Spielbretts  besetzt  ist  und  dann  verlangt  wird,  dass  schliess- 
licli  nur  ein  Pflock  im  Mittelloeh  stehen  bleibt.  In  jedem 
der  Probleme  bezeichnen  die  schwarzen  Felder  die  an- 
fänglich als  besetzt  betrachteten  Löcher.  Manche  Probleme 
haben  mehrere  Lösungen,  von  denen  jedoch  nur  eine  hier 
mitgetheilt  ist,  und  zwar  mit  Benutzung  der  oben  einge- 
führten Bezeichnung  der  Züge.  Die  Züge  sind  natürlich 
in  der  aus  der  Nunierirung  hervorgehenden  Reihenfolge 
zu  maciien. 

I.    9  Pflöcke,  die  ein  Kreuz  bilden: 


^ 


Lösung:      1) 
8) 


D3 
Dl' 
DG 
Di 


2) 


D5 
D3' 


...  B4 
"^D4' 


4) 


D4 
D2' 


5) 


F4 
D4' 


6) 


Dl 
D3' 


7) 


D3 
D5' 


IT.    9  Pflöcke,  die  ein  Dreieck  bilden: 


T  ••  i^F.3     -.  E5     ,,03     ,,   F3     .,  D4     „,  05         B3 

Losung:     1)  -,    2)  ^,    3)  j^,    4)  ^^,    o)  ^,^,    f.)  ^3,    7)  ^, 


8) 


D2 
D4' 


in.    24  Pflöcke,    die    ein   schräg    liegendes  Quadrat 
bilden : 


E3 


El 


E5 


G! 


Lösung:  l)  ^^^    2)  g-J,  3)^,  4)^,  5)  g|,  6)^,  7)^, 


DO 

8)  ^;,  9)  -^    10)  ^^,    11)  ^-.  12)  ~,    13)  ~,    14)  ^,  ir.)  ^, 


Ifi) 


07 

E7' 
D4 
B4'- 


E7 
E5' 


E5 
05' 


04 
06' 
E3 


D6 
B6' 


A4 
04' 


B6 
ß4' 


,„,  B5  ,_,  02  ,^,,  E3  „,04  .,,,01  „„>  B3    D2 
")  B3'  '^^  04'  1^)  03'  -°^  02'  ^')  03'  ^^^  D3'  ^"^^  D4- 


IV.    16  Pflöcke,  die  eine  Doppeltreppe  bilden.    (Der 
übrig  bleibende  Pflock  kommt  auf  I)  5  zu  stehen.) 


w//////ymm\  v/zv/mw/m,  \i'Jim 


Lösung:  1) 


E5 

E3' 


21^ 


«•§ 


4) 


E5 


8) 


03 

05' 


9) 


06 
E6' 


10)  ^.  11)  ^' 


D6' 


0(5' 


12) 


E7' 
B5 
D5' 


5) 
13) 


E7 
07' 
07 
05' 


G) 
14) 


05 
03' 
05 
E5' 


7) 
15) 


A4 
Ü4' 
F5 
D.V 


Von  Problemen,  welche  umgekehrt  von  dem  besetzten 
Spielbrett  ausgehen  und  dann  verlangen,  dass  schliesslich 
eine  vorgeschriebene  Figur  übrig  bleibt,  sei  beispielsweise 
das  folgende  erwähnt.  Die  Löcher  des  Spielbretts  sind 
mit  Ausnahme  des  mittleren,  D  4,  sämmtlich  besetzt.  Dann 
soll  so   gezogen  werden,    dass  schliesslich   das   Mittelloch 


Nr.  U. 


Naturwisseuscliaf'tliclic  WocliciiSL-liiirt. 


47'J 


D  4,  sowie  die  12  Lfidier  (k'S  Uiiifani;s  mit  Ansiiahiiui  der 
beiden  Löciier  A  4  und  G  4  in  der  liorizontalcn  Mittel- 
linie besetzt  sind,  so  dass  also  am  Selduss  noch  1 1  Pflöcke 
vorhanden  sind.  Dieses  Problem  lässt  sich  dureii  die 
tollende  Zuy- Serie  lösen: 


''  D4' 
C5 


17) 


G3 


E2 
C2' 
CG 
E6' 
0  5 


4) 


C5 
C3' 


,-  C2 


?6'     6) 


12)^, 
'  E5 


13) 


E5 
E7' 


E5 
C5' 

14^^^ 
'^'C3' 


„.ET 

IM  ^^ 
'^^A3' 


8) 


F5 

D5' 


E3 


E5 


A5' 


■8)  E3'  '9)  G3'  20)  K5'  -1'  G5' 


Gewöhnlich  sncid  mau  jeddch  beim  Nonncns])iel  nicht 
die  beiden  soeben  bcsiirochcnen  Aut'!;-aben-Arten  zu  hiseu, 
sondern  man  betrachtet  es  als  das  Ziel  des  Spiels,  so  zu 
ziehen,  dass  alle  Pflöcke,  bis  auf  einen,  entfernt,  oder  wie 
man  nach  Analoi;ie  des  Dame-Sjtiels  sagt,  „gesch!ag:eu" 
werden.  Man  kann  sich  diese  Aufgabe  dann  noch  da- 
durch erschweren,  dass  man  es  so  cinzuricliten  sucht, 
dass  der  allein  übrig  bleibende  Pflock  auf  ein  vorher  be- 
stinuntes  Loch  zu  stehen  kommt,  gerade  so  wie  man  auch 
als  das  anfänglich  allein  leere  Loch  statt  des  mittleren 
irgend  ein  anderes  wälden  kann.  Das  anfangs  allein  leere 
Loch  soll  im  Folgenden  immer  Anfangsloeh,  das  am  Schluss 
allein  besetzte  Loch  Schluss-Loch  der  Zug-Serie  heissen. 
Es  ist  bcvveislnxr,  dass  l)ei  beliebig  gewähltem  Anfangs- 
loeh nicht  jedes,  sondern  nur  einige  ganz  bestimmte  Löcher 
Selduss- Löcher  werden  können.  Wenu  man  also  zwei 
ganz  beliebige  Löcher  als  Anfangs-  und  als  Sehluss-Loch 
auswählt,  so  kann  es  leicht  vorkonniien,  dass  das  Problem, 
alle  Pflöcke  bis  auf  den  letzten  zu  entfernen,  ganz  un- 
lösbar ist.  Wohl  aber  ist  das  Problem  inniier  lösbar, 
wemi  mau  nur  das  Anfangsloeh,  nicht  aber  auch  das 
Schlussloch  von  vornherein  willkürlich  Itcstimmt.  Ins- 
besondere lässt  sich  auch  beweisen,  dass  das  Nonnenspiel 
immer  gelingen  kann,    wenn  man   die  Bestimmung  trifft. 


dass  ein  beliebig 


gewähltes  Loch  Anfangs-  und  Schluss- 


Loch  zugleich  sein  soll.  Doch  erfordert  die  Auffindung 
einer  Lösung  dieses  Problems  \\q\  Geduld  und  Ueber- 
legung.  Als  Beispiel  für  eine  solche  Lösung  wählen  wir 
die  von  Dr.  Reiss  in  Frankfurt  a.  M.  in  Crelle's  Journal 
( Band  54)  gelieferte  Lösung  der  Aufgabe,  von  den  32  Pflöcken, 
welche  die  sämnitlichen  Lficher  des  Nonnenspiels  mit  Aus- 
nahme des  Mittelloehs  besetzen,  31  Pflöcke  nach  der  Spiel- 
regel zu  entfernen  und  es  dabei  so  einzurichten,  dass  der 
allein   auf  dem   Brett   bleibende  32ste  Pflock  gerade   auf 


das  Mittelloch  zu  stehen  konnut. 


Diese  Lösung  lautet: 


<4 

^)iT 

^'?1- 

^)i' 

^'  E3' 

«)|^- 

„.  D3          G3 
^^T3'    ^^'e3 

»I& 

■»)!■ 

">ii 

-)ij' 

1S^°^ 
^^^  B5' 

-)S' 

i^^E7          C4 
15)^7'    IG)  CG 

"'S 

-)S 

^<j 

-)ä 

-)||' 

23)  ^,  24)  ^2 

-)§!■ 

■«•l*. 

9S^^^^ 

-)^' 

''^  m 

F4 
3')d4- 

Nachdem  wir  nun  das  Nounenspiel  und  seiue  Probleme 
etwas  näher  kennen  gelernt  haljcn,  bleibt  es  uns  noch 
übrig,  einiges  Geschichtliche  zu  diesem  früher  mehr  als 
jetzt  verbreiteten  Geduldspiele  hinzuzufügen.  In  der  fran- 
zösischen „Encyclopcdie  mcthodique"  wird  berichtet,  dass 
es  von  einem  französischen  Reisenden  erfunden  sei,  als 
derselbe  in  Amerika  beobachtete,  wie  die  Indianer  ihre 
Pfeile  an  den  AVänden  ihrer  Hütten  aneinander  reihten. 
Andere  behaupten,  dass  das  Spiel  aus  China  stamme,  wo 
es  schon  in  sehr  alter  Zeit  gespielt  sein  soll.  Sichere 
Nachrichten  über  das  Nounenspiel  finden  sich  jedoch  nicht 
früher,  als  aus  dem  Anfang  des  18.  Jahrhunderts.  Kein 
Geringerer,  als  der  berühmte  Philosoph  und  Mathematiker 


Leibnitz  macht  schon  im  ersten  Bande  der  Verötrent- 
lichungen  der  von  ihm  gegründeten  Berliner  Academie 
auf  unser  Spiel  aufmerksam.  lu  diesen  Miscellanea  Bero- 
linensia  (vom  Jahre  1710)  veröffentlicht  Leibnitz  eine 
„Annotatio  de  quiltusdani  ludis"  genannte  Althandlung,  in 
welcher  er  das  Sdlitärspiel  nnt  den  Worten  einführt:  Non 
ita  pridem  iucrebuit  huli  genus  singulare  (picni  „Soli- 
tarium"  ai)pellant.  Später'")  sein'eibt  Leibnitz  Folgendes 
über  das  Spiel:  „Das  Solitarium  genannte  Spiel  hat  ndr 
ziemlich  gut  gefallen.  Ich  habe  dasselbe  gerade  umge- 
kehrt augefasst.  Statt  nämlich  nach  der  Si)ielregel  die 
Pflöcke  vom  Brett  dadurcii  zu  entfernen,  dass  man  mit 
einem  Pflock  über  einen  andern  Pflock  auf  einen  leeren 
Platz  springt  und  den  übersprungenen  Pflock  heraus- 
innnnt,  fange  ich  lieber  mit  einem  leeren  Brett  an  und 
fülle  die  übersprungenen  leeren  Plätze  aus.  So  zerstöre 
ich  nicht,  sondern  schaffe.  Vor  allem  kann  ich  mir  dann 
die  xVufgabe  stellen,  eine  gewünschte  Figur  aus  den  hin- 
gesetzten Pflöcken  zu  bilden,  die  sicher  herstellbar  ist, 
falls  es  nur  nach  der  alten  Spielregel  gelingt,  sie  zu  zer- 
stören." Dieser  Vorschlag  von  Leibnitz,  welcher  üljrigens 
das  Wesen  des  Spiels  gar  nicht  ändert,  hat  wohl  damals 
keine  Verbreitung  oder  keinen  Beifall  gefunden,  da  das 
Sjiiel,  wie  es  scheint,  sowohl  früher  wie  jetzt  immer  so 
gespielt  wird,  dass  die  Pflöcke  entfernt  werden.  Von 
Leibnitz  bis  zur  Mitte  unseres  Jahrhunderts  findet  sich 
das  Sjjiel  hier  und  da  erwähnt,  ohne  dass  jedoch  irgend- 
wo näher  darauf  eingegangen  wird.  Im  Jahre  1853  aber 
gab  Dr.  Reiss  in  Frankfurt  a.  M.  eine  erschöpfende  Theorie 
des  Spiels,  welcher  1857  dann  auch  die  Ehre  widerfuhr,  in 
das  damals  bedeutendste  mathematische  Journal,  das 
(■relle'sche,  aufgenommen  zu  werden.  Die  nach  dieser 
grundlegenden  Arbeit  erschienenen  Abhandhuigen  über  das 
Nonnens|)iel  liefern  zwar  Erweiterungen  und  Ergänzungen, 
al)er  nichts  wesentlich  Neues.  Bes(tnders  beachtenswcrth 
ist  von  diesen  Abhandlungen  die  von  Hermary  verfasste 
und  1879  durch  die  Association  francaise  pour  lavaneement 
des  scienees  (Ccmgres  de  ]\Iontpellicr)  veröffentlichte,  so- 
wie die  sehr  ausführliche  und  eingehende  Besprechung, 
die  Herr  Lucas  in  seinen  „Recreations"  dem  Spiel  zu 
Theil  werden  lässt. 

Nur  eiuige  v(hi  den  Resultaten  der  mathematischen 
Behandlung  mögen  hier  Platz  finden.  Zunächst  ist  zu 
beachten,  dass  es  für  die  Theorie  des  Spiels  gleichgüKig 
ist,  welche  Figur  die  Löcher  des  Spielbretts  haben,  und 
dass  es  daher  übersichtlicher  ist,  von  einem  unbegrenzten 
Spielbrett  nnt  quadratiseh  geordneten  Lilchern  in  beliebig 
grosser  Anzahl  auszugehen.  Dann  fragt  es  sieh,  ob  man 
nicht  Reihen  von  aufeinanderfolgenden  Zügen,  der  Ver- 
einfachung wegen,  zu  einem  einzigen  Zuge  zusammen- 
fassen kann.  Dies  erweist  sieh  als  wichtig  uud  praktisch 
nur  in  dem  Falle,  wo  5  Löcher  die  Figur  des  T  bilden, 
eins  der  beiden  äusseren  leer  und  die  4  übrigen  Löcher 
besetzt  sind.  Dann  lässt  sich  immer  so  ziehen,  dass  die 
l'flöeke  in  drei  inneren  Löchern  verschwimlen.  Jlan  hat 
nämlich,  wenn  in  der  lu'istehcndcn  Figur  a'  das  leere 
Loch  bedeutet,  folgende  drei  Züge  zu  thnn: 


1 

a' 

a 

i 

a' 

a 

k 

a 

1 

a 

1 

Man  kann  daher  diese  drei  Züge   dadurch   zu  einem 
„Tripelzug"  zusammenfassen,  dass  man  den  in  a  stecken- 

*)  In  einem  von  Leibnitz  an  lli'rrn  von  Montniort  am  17.  Ja- 
nuar 17 lü  geriehteton  Briefe. 


480 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  44. 


den  Pflock  stehen  lässt  und  die  in  i,  k,  1  stehenden  drei 
Pflöcke  einfach  fortninimt.  Natürlich  bleibt  die  Sache 
ebenso,  wenn  die  :')  Löcher  statt  der  obigen  Figur  eine 
der  folgenden  drei  t^igureu  bilden: 


1 

a 

;i' 

k 

1 

k 

i 

i 

kj, 

a 

i 

a' 

a' 

a 

Jeden  solchen  Tripelzug  wollen  wir  durch  (i,  k,  1) 
bezeichnen,  wenn  i,  k,  1  die  drei  Mittellöcher  bedeuten. 
Beispielsweise  lässt  sich  die  Entleerung  der  25  mittleren 
Löcher  in  einem  Schachbrett  von  7  mal  7  Löchern,  dessen 
Rand  frei  ist,  bloss  durch  Tripclzügc  bewerkstelligen, 
wie  aus  der  beistehenden  Figur  und  Tripelzug- Serie  her- 
vorgeht : 


1)  (B4,  B5.  ß6) 

2)  (C4,  C5,  CG) 

3)  (D  G,  Eli.  FOl 
1)  (D5,  E5,  F5) 
5)  (F4,  F3,  r-2) 
(!)  (F4,  Eo,  E2) 

7)  (0  2,  C2,  B2) 

8)  (D  3,  C  3,  B  3]. 


ABC       I)      E 


Durch  diese  8  Tripelzüge  werden  von  den  25  Pflöcken 
des  mittleren  Quadrats  alle  entfernt  bis  auf  den  im  Mittel- 
loch  D  4  stehenden  Pflock. 

Um  eins  der  Haujjtresultate  in  der  oben  erwähnten 
Abhandlung  von  Rciss  verstehen  zu  können,  müssen  wir 
den  Begritif  der  Congruenz  zweier  Löcher  einführen.  Den 
Uebergang  von  einem  Loch  zu  einem  horizontal  oder 
vertical  daneben  befindlichen  wollen  wir  einen  Schritt 
nennen.  Dann  hcis.sen  zwei  Löcher  ., congrucnt",  wenn 
sie  in  liorizontaler  Richtung  um  0,  3,  6,  9  u.  s.  w.  Schritte 
und  zugleich  in  verticaler  Richtung  um  0,  3,  6  u.  s.  w. 
Schritte  entfernt  sind.  Denken  wir  uns  z.  B.  ein  Schach- 
brett mit  8  mal  8  Löchern,  so  würden  z.  B.  cougruent 
zu  dem  Eckloch  A  1  die  folgenden  Löcher  sein:  A  1,  A  4, 
A  7,  D  1,  D  4,  D  7,  G  1,  G  4,  G  7. 


A      B      C      D      E      F      G      H 

l^'erner  würden  sich  als  congrucnt  zu  E  5  diejenigen 
ergeben,  die  in  der  vorstehenden  Figur  schattirt  sind.  Es 
lässt  sich  leicht  einsehen,  dass  auch  auf  dem  unbegrenzt 
gedachten  Spielbrett   nicht  mehr  als  U  firuppen  von  ein- 


ander congruenten  Löchern  denkbar  sind.  Denn  jedes 
Loch  muss  congrucnt  zu  einem  von  9  ein  Quadrat  bilden- 
den, sonst  aber  beliebig  ausgewählten  Löchern  sein.  So 
ergel)en  sich  also  auch  auf  dem  Spielbrett  des  Nonnen- 
spiels in  seiner  gew(ihnliehen  Form  9  Gruppen  von  ein- 
ander congruenten  Löchern,  wie  aus  der  beistehenden 
Figur  ersichtlich  ist,  wo  alle  einander  congruenten  Löcher 
immer  durch  eine  und  dieselbe  Zahl  bezeichnet  sind: 


4 

5 

6 

7 

8 

9 

2 

3 

1 

^ 

3 

1 

2 

5 

6 

4 

5 

6 

4 

5 

8 

9 

7 

8 

9 

7 

» 

1 

2 

3 

4 

5 

6 

Mit  Hilfe  des  soeben  eingeführten  Begriti's  der  Con- 
gruenz lässt  sich  nun  folgender  von  Reiss  bewiesener 
Lehrsatz  aussi)rechcn :  „Bei  jeder  Lösung  dcsNonnen- 
spiel-Problems  muss  das  Schlussloch  dem  An- 
fangsloch congrucnt  sein,  wenn  das  Spiel  die 
beistehende  übliche  Gestalt  hat."  Da  jedes  Loch 
sich  selbst  congrucnt  ist,  so  kann  es  natürlich  auch  vor- 
kommen, dass  das  Schlussloch  mit  dem  Anfangsloch  identisch 
ist.  Umgekehrt  ist  auch  von  Reiss  bewiesen,  dass  bei 
einem  Spielbrett  von  33  Löchern  jedes  Pr(d)lem,  das  ver- 
langt, alle  Ptlöckc  bis  auf  einen  durch  Schlagen  zu  ent- 
fernen, lösbar  ist,  sobald  man  ein  ganz  beliebiges  Loch 
als  Anfangsloch  und  ein  dazu  congruentes  als  Schlussloch 
von  vornherein  bestimmt  hat.  Deshalb  lassen  sich  die 
lösbaren  Probleme  nach  der  Wahl  der  Anfangs-  und 
Schlusshicher  bequem  eintheilen.  Um  diese  Eintheilung 
v(U'zubereitcn,  theilen  wir  die  Löcher  zunächst  in  Grupj)en 
von  unter  sich  congruenten.  Derartiger  (Jrupjten  muss  es, 
wie  oben  gezeigt  ist,  bei  jedem  Spielbrett,  also  auch  bei 
unserm  mit  33  Löchern,  inimern  neun  geben.  In  der  That 
erhalten  wir  als  einander  congrucnt: 


C7 

D7 

E7 

C6 

D6 

E6 

A5 

B5 

C5 

D5 

E5 

F5 

G5 

A4 

B4  C4 

D4 

E4 

F4 

G4 

A3 

B3 

C3 

D3 

E3 

F3 

G3 

C2 

D2 

E2 

Cl  Dl 

El 

1)  D4,  A4,  D7,  G4,  Dl; 

2)  C  4,  C  7,  F  4,  C  1 ; 

3)  E4,  E7,  B4,  El; 

4)  C.5,  C2,  F5; 

5)  D5,  A5,  G5,  D2; 
G)  E5,  B5,  E2; 

7)  C3,  CG,  F3; 

S)  D3,  D6,  A3,  G3; 

9)  E  3,  B  3,  E  6. 


Da  nun  in  jeder  Gruppe  jedes  Loch  Anfangsloch  und 
dieses  selbst,  sowie  jedes  andere  Schlussloch  sein  kann, 
so  erhalten  wir  aus  der  ersten  Gruppe  5  mal  5,  also 
25  Probleme,  aus  der  2ten,  3ten,  5ten,  8ten  Gruppe  je  16 
und  aus  der  4ten,  6ten,  7ten,  9ten  je  9  Probleme,  was  im 
ganzen  125  Probleme  ergiebt.  Diese  Zahl  lässt  sich  aber 
crhebUch  herabsetzen,  und  zwar  zuvörderst  durch  die 
Ueherlegung,  dass  durch  genaue  Umkehrung  einer  ein 
Problem  hisenden  Zug- Serie  innner  die  Lösung  eines  an- 
dern Problems  hervorgeht,  wenn  Anfangs-  und  Schluss- 
loch    verschieden     sind.     Betrachtet    man    zwei     solche 


Nr.  44. 


Natuvwissenschaftlic'lie  Wochenschrift. 


481 


Probloine  nur  als  ein  einziges,  so  erhält  man  aus  der  ersten 
Grupj)e  nur  lu  Probleme,  aus  der  2ten,  ;Uen,  .')ten,  Sten 
(iiru})iie  je  10  und  aus  der  4ten,  (Jten,  7ten,  Uten  je  6  Pro- 
bleme, so  dass  sich  im  ganzen  nur  79  Probleme  ergeben. 
Eine  weitere  Reduction  dieser  J'rdblem-Zaid  wird  durch 
die  Symmetrie  des  Spielbretts  veranlasst.  Denkt  man  das 
S])iclbrctt  um  einen,  zwei  oder  drei  rechte  Winkel  im 
Sinne  eines  Uhrzeigers  oder  im  entgegengesetzten  Sinne 
gedreiit,  so  nehmen  meist  neue  Liiehcr  die  Lagen  der 
alten  ein,  und  S(i  werden  Probleme,  die,  der  Be/eiehnung 
nach,  als  verschieden  gelten,  dem  Wesen  nach  identisch. 
Löcher,  die  sich  im  eben  angedeuteten  Sinne  nur  durch 
die  Stellung  des  Spielbretts  unterscheiden,  sollen  sym- 
metrische heissen.  Der  Symmetrie  nach  kann  man  die 
3;^  Löcher  in  folgender  AVeise  zusammenstellen.  Es  sind 
zu  einander  symmetrisch: 


I. 

II. 

III. 

IV. 


D4; 

C4,  DS,  E4,  1)3; 

C5,  E.""),  E.S,  C.3; 

B4,  D6,  F4,  D-2; 

V.    B  3,  B  5,  C  Ü,  E  6,  F  5, 

VI.    A  4,  D  7,  G  4,  D  1 ; 

A3.  A  5,  C  7,  E  7,  G  .5 


VTI 


F3,  E2,  C2; 
G3,  El,  Cl. 


Fasst  man  alle  Probleme,  bei  denen  ebensowold  die 
Anfangslöchcr  wie  die  Schlusshieher  zu  einander  sym- 
metrisch sind,  auch  noch  zu  einem  einzigen  Probleme  zu- 
sanmien,  so  erhält  man  im  ganzen  nur  Iß  verschiedene 
Prol)leme,  welche  im  Folgenden  durch  Bezeichnung  des 
Anfangslochs  und  des  Schlusslochs  dargestellt  sind.  Man 
beachte  dabei,  dass  jedes  sonst  noch  denkbare  lösbare 
Problem  sicii  als  nicht  wesentlich  verschieden  von  einem 
dieser  IG  Probleme  erweisen  muss: 

1)  D4  bis  D4,     -2)  D4  bis  G4,  3)  G4  bis  G4,  4)  G  4  bis  D  7, 

.'•))  G4  bis  A4.     G)  E4   bis  E4,  7)  E4  bis  E7,  8)  E  7  bis  E  7, 

9)  E4  bis  Bi.-JlO)  E7  bis  B4,  U)  E7  bis  El,  V2)  B4bisB4, 

13)  E  5  bis  E  .5,    14)  E  5  bis  E  2,  15)  E  2  bis  E  2,  16)  E  2  bis  B  5. 

Für  jedes  dieser  1(5  Probleme  hat  Rciss  eine  Lösung 
gegeben.  Doch  ist  zu  beachten,  dass  immer  ausser  der 
Reiss'schen  Lösung  noch  andere  Lösungen  existircn.  Die 
Reiss'sehen  Lösungen  nnigen  hier,  nach  der  Wiedergabe 
von  Herrn  Lucas,  Platz  linden: 

1)  D  4  bis  D  4  ist  schon  oben  angegeben; 

2)  D  4  bis  6  4,   ebenso  wie  1),    nur  der  letzte  Zug 

muss  ^r-i  statt  ^q— ;  heissen: 
G  4  D  4 


nur  der  erste 


Zug 


3)  G  4  bis  G  4,  ebenso  wie  2) , 

muss  TT-,  statt  t^^  heissen : 
G4  D4  ' 

4)  G  4  bis  D  7  wird  durch  folgende  Zug-Reihe  gelöst: 

E4E2IMG3G^I^inmC^D3['nF3C4 
G4'  E4'  F4'  E3'  E4'  E2'  E3'  El'  E2'  F3'  E3'  D3'  C2' 
A3  A5  D3  A3  C2  E6  G5  E4  E7  C7  C6  D5  E7 
03'  A3'  B3'  C3'  C4'  E4'  E5'  E6'  E5'  E7'  E6'  F5'  E5' 
F5  B4  D4  B5  D5. 
D5'    D4'    DG'    D5'    D7' 

5)  G4  bis  A4,  die  ersten  24  Züge  wie  in  4),  dann 
aber  weiter: 

C4    E5     E7     B5     Eö     C6     C4. 
C6'    C5'    E5'    D5'    C5'    C4'    A4' 

G)  E  4  bis  E  4  wird  durch  folgende  Zug-Reihe  gelöst : 

EG  G5  E4G4E3G3D3ElF3C3mE3B3 

E4'  E5'  E6'    E4'   E5'    E3'    F3'   E3'   D8'   E3'   D3'   CS'   D3' 

Cl  DB  A3     A5     B5     C4    A3    C2    D5    C7    E7     C4    C7 

C3'  B3'  C3'    A3'    B3'    C2'    C3'   C4'    B5'   C5'   C7'    CG'   C5' 

B5  E6  D4    C6    E6. 

D5'  C6'  D6'    EG'   E4' 


7)  E4  bis  E  7,    ebenso  wie  6),    nur  der  letzte  Zug 

muss  „  „  statt  „  ,   heissen: 
E7  E4  ' 

8)  E7  bis  E  7,    eben.so  wie  7),    nur  der  erste  Zug 

muss  i^  ^-  statt  „  ,  heissen ; 
E  7  E4 

9)  E  4  bis  B  4,  in  den  er.sten  27  Zügen  ebenso  wie  6),*) 
dann  aber  weiter: 

EG     E4     DG     DJ. 
E4'    C4'    D4'    B4' 

10)  E7  bis  B4,    ebenso  wie  9),    nur  der  erste  Zug 

E  5    ,  ,,  E  6  ,    . 
muss  i, >  statt  =r-r  heissen-, 
iL  t  jii  4 

11)  E  7  bis  E  1,  in  den  ersten  G  Zügen  wie  10),  dann 
24  Züge  horizontal  .symmetrisch  zu  dem  7tcu  bis  30ten  Zuge 

F  ^ 
in  G)  und  als  31ten  Zug  endlich     :!^; 

P2)  B  4  bis  B  4  wird  durch  folgende  Zug-Reihe  gelöst: 

IM  CG  A5     C4     07    E7    EG    D5    C7     B5    C2    A3    C4 

BT  C4'  05'     CG'    05'    07'    CG'    ß5'    05'    Dö'    04'    03'    02' 

Cl  El  E2D3C1B3E4G5G3D5G5E6F4 

C3'  Ol'  02'    B3'    03'    D3'    E6'    Ed    G5'    F5'   E5'   E4'   D4' 

D4  F3  D2     A4     D4. 

IF2'  D3'  D4'    04'    B4' 

13)  E  f)  bis  E  5  wird  durch  folgende  Zug-Reihe  gelöst: 

E3  G3  G5  F5  E2  G3  E4  El  Cj  C2  D3  El  F3 

El'  E3'  G3'  F3'  E4'  E3'  E2'  E3'  El'  E2'  F3'  E3'  D3' 

D5  E7   F5  C5  D7  E5  B5  C7  D5  A5  A3  B3  04 

F5'  E5'  D5'  E5'  D5'  05'  D5'  05'  B5'  05'  A5'  B5'  CG' 
A_5  CG  03  04  E3. 
05'  04'  E3'  E4'  E5' 

14)  E  5  bis  Vj  2,  ebenso  wie  13),   nur  der  letzte  Zug 

muss  :R-7i  statt  ^  heissen; 
E  2  E  5 

15)  E2  bis  E  2,  ebenso  wie  14),    nur  der  erste  Zug 

E4    ,  ,,  E3  ,    . 
muss  =rH  statt  ^^^  heissen; 
E  2  E5 

IG)  E2  bis  B  .0,  die  ersten  28  Züge  so  wie  15),  dann 

D3      D4     B3 

aber : 

Die  eben  hergestellten  Lösungen  der  16  Fundamental- 
probleme  des  Nonnenspiels  beziehen  sich  nur  auf  ein 
Spielbrett  ndt  33  Löchern  von  der  oben  geschilderten  Form. 
In  Frankreich  sind  jedoch  Spielbretter  mit  37  Löchern 
von  folgender  Gestalt  üblich: 


07 

D  7  j  E  7 

B6 

C6 

DG 

E6 

FG 

A5 

B5J05 

D5 

E5 

F5 

G5 

A4 

B4 

C4  D4 

E4 

F4JG4 

A3 

B3 

03 

D3 

E3 

F3 

G3 

B2 

0  2 

D2 

E2 

F2 

01 

Dl 

El 

*)  In  Lucas'  Arbeit   ist   liier  ein  Druckfehlev,    es  muss   dort 
VI  statt  VIIl  heissen. 


482 


Natiirwisscnscliaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  44. 


Sehr  bcmerkeiiswcrth  ist,  dass  Reiss  (Crelle's  Journal 
Band  .54)  uiatiicnialisch  streng-  bewiesen  iiat,  dass  bei 
diesen  französischen  Siiielbrettern  nicht  jedes  Feld  als 
Anlangsfeld  g■e\^:ihlt  werden  darf,  wenn  es  gelingeu  soll, 
alle  rtlöcke  bis  auf  einen  zu  entfernen.  Beispielsweise 
ist  das  Nininenspiel-Problem  geradezu  unlösbar,  wenn  man 
anfangs  das  lAlittelfeld  1)4  allein  frei  lässt.  Es  können 
überhaupt  nur  IC)  Felder  als  Anfangsfelder  gewählt  wer- 
den, damit  das  Problem  der  Entleerung  lösbar  werde. 
Diese  16  Felder  gruppiren  sich  uaturgemäss  in  4  Gruppen, 
von  einander  cong-ruenten  Feldern,  nämlich: 

Erste  Gruppe:   D  5,  G  5,  D  2,  A5; 
Zweite  Gruppe:  D  3,  DG,   G  3,  Ao; 
Dritte  Gruppe:   C  4,  C  7,  F  4,  Gl; 
Vierte  Gruppe:   E4,  E  7,  El,  B  4. 

Nun  lässt  .sieh  folgende  Regel  beweisen:  „Wenn  das 
Anfangsfeld  in  der  ersten  Gruppe  gewählt  wird,  so  muss 
ein  Feld  der  zweiten  Gruppe  .Schhissfeld  werden,  oder 
umgekehrt;  ebenso,  wenn  das  Anfangsfeld  in  der  dritten 
Gruppe  gewählt  wird,  so  muss  ein  Feld  in  der  vierten 
Gruppe  Schlussfcld  werden,  oder  umgekelirt."  Insbes<mdere 
kann  also  niemals  eins  der  16  möglicheu  Anfangsfelder 
zugleich  auch  Schlussfeld  werden. 

Beispielsweise  möge  hier  eine  Lösung  für  diese  fran- 
zösische Form   des  Nonneuspiels  Platz  linden,    und   zwar 


eine  solche,  welche  G  3  als  Anfangsloch,  D  2  als  .Schluss- 
loch hat: 


E3 

El 

D3 

G3 

B3 

Ol 

D3 

A3 

D6 

F5 

E7 

Dö  G5 

G3' 

E3 

F3' 

E3' 

D3' 

C3' 

B3' 

C3' 

D3' 

D5' 

E5' 

Fb'    Eö 

B5 

C7 

D.5 

A5 

D3 

F4 

F2 

G4 

Dl 

C4 

A4 

D7  B6 

D3' 

05' 

BS' 

C5' 

E3' 

Ü4' 

F4' 

E4' 

D3' 

CG' 

C4' 

D5'  DG 

D.5 

E4 

FG 

D3 

B2 

D7 

Dö 

B4 

D4 

D7' 

EG' 

DG' 

B3' 

B4' 

D5' 

D3' 

D4' 

D2 

Hermary  hat  in  seiner  oben  eitirten  Abhandlung  auch 
eine  Lösung  für  den  Fall  gegeben,  dass  das  Spielbrett 
noch  4  Löcher  mehr  hat,  als  das  eben  behandelte,  im 
ganzen  also  41  Löcher.  Die  4  hinzukommenden  Löcher 
würden  bei  unsrer  Bezeichnungsweise  D  8,  H  4,  D  0  und 
Z  4  heissen,  wenn  wir  links  von  der  mit  A  Itezeichneten 
Verticalreihe  noch  den  Buchstaben  Z  als  A  vorhergehend, 
hinzufügen.  Wahrscheinlich  ist  bei  einem  solchen  Spiel- 
brett die  Zahl  der  lösbaren  Probleme  noch  beschränkter, 
als  bei  einem  Spielbrett  mit  37  Löchern.  Hermary  meint 
sogar,  dass  ausser  der  von  ihm  gelieferten  Lösung  und 
derjenigen,  welche  die  genau  umgekehrte  Zug- Reihe  be- 
sitzt, keine  Lösung  weiter  existirt.  Doch  ist  das  noch 
nicht  bewiesen.  Üeberhaupt  bedarf  die  Theorie  des 
Nonnenspiels  noch  sehr  der  theoretischen  Förderung.  So 
ist  z.  B.  über  die  Anzahl  der  Lösungen  eines  Problems, 
das  zwei  zulässige  Löcher  als  Anfangsloch  und  als  Schluss- 
loch nimmt,  noch  gar  nichts  gefunden.     (VVinl  fortgesetzt.) 


„Oligodynamische"  Erscheinungen  in  lebenden  Zellen. 

Nach  einer  iiachgelasseuen  Arbeit  von  Carl  von  Nilgoli. 
(Fortsetzung.) 


Mit  der  Teinperaturzunahme  steigert  sich  die  Schäd- 
lichkeit des  Wassers  sehr  erheblieh.  Die  vergleichenden 
Beobachtungen  zeigten,  dass  die  einen  Proben  eines  Ver- 
suches, die  in  einer  Temperatur  von  15°  C.  gehalten 
wurden,  erst  nach  längerer  Zeit,  die  andern  aber  je  mehr 
dieselben  erwärmt  wurden,  um  so  schneller  oligodynamische 
Erscheinungen  zeigten.  Bei  30°  C.  trat  fast  augenblick- 
lich Absterben  ein. 

Gegen  die  Folgerung,  dass  die  Wärme  die  selbst- 
ständige Ursache  der  oligodynamischen  Veränderungen 
sei,  sprach  aber  der  Umstand,  dass  die  Spirogyren  in  den 
grossen  Culturgläsern,  in  denen  sie  gehalten  wurden, 
Wochen  hindurch  bei  der  nämlichen  hohen  Zimmertempe- 
ratur gesund  blieben,  bei  welcher  kleine  Portionen  der- 
selben, in  die  Versuchsgläser  mit  destillirtem  oder  ]5runnen- 
wasser  verpflanzt,  abstarben.  Als  nun  mehrere  Versuche 
in  der  Weise  angestellt  wurden,  dass  ein  Theil  der  Gläser 
mit  destillirtem  Wasser,  ein  anderer  mit  Brunnenwasser 
und  ein  dritter  Theil  mit  Wasser  aus  den  grossen  Cultur- 
gläsern gefüllt,  dann  mit  Spirogyren  be]>tlanzt  und  darauf 
erwärmt  wurde,  so  ergab  sich,  dass  in  den  beiden  ersten 
Partien  die  Pflanzen  bald  zu  Grunde  gingen,  in  der  letzten 
aber,  selbst  nachdem  die  Temperatur  26  llinutcn  lang 
zwischen  20  und  30°  C.  geschwankt  hatte,  auf  die  Dauer 
unversehrt  blieben.  Dass  rasche  Temperaturschwankungen 
die  oligodynamischen  Veränderungen  nicht  bewirken  können, 
zeigten  hierauf  bezügliche  Versuche. 

Auch  das  Licht  ist  nicht  die  Ursache  der  oligo- 
dynamischen Erscheinungen. 

Weit  mehr  als  die  Wärme  schien  die  Elektricität 
dazu  angethan,  die  oligodynamischen  Erscheinungen  er- 
klären zu  können.  Bei  näherer  Ueberlegung  ergaben  sich 
aber  verschiedene  Bedenken,  und  zuletzt  stellte  sich  die 
Unmöglichkeit   der  genannten  Annahme  heraus.     Es  war 


schon  auffallend,  dass  die  elektromotorische  Spannungs- 
reihe der  Metalle  eine  ganz  andere  ist,  als  die  Reihe, 
welche  sieh  aus  dem  Grade  der  oligodynamischen  AVir- 
kung  ergab.  Während  unter  den  Scliwermetallen  in  AVasser 
Zink  der  stärkste  Elektromotor  ist,  theilt  Kupfer  dem- 
selben die  stärksten  oligodynamischen  Eigenschaften  mit. 
U.  s.  VF.  Bei  directen  Versuchen  mit  Elektricität  befanden 
sich  die  Spirogyren  im  Wasser.  Es  Hess  sich  somit  ein 
Vergleich  mit  den  Erfahrungen  über  die  oligodynamischen 
Erscheinungen  anstellen  und  mit  Bestimmtheit  die  Schluss- 
folgerung ziehen,  dass  die  letztern  einer  andern  Ursache 
zugeschrieben  werden  müssen;  denn  elektrische  Spannungen, 
welche  auf  Wasser  mit  Spirogyreuzellen  wirken,  und 
elektrische  Ströme,  welche  durch  solches  Wasser  gehen, 
haben  keine  bemerkbaren  Veränderungen  zur  Folge. 

Es  musste  aus  alledem  geschlossen  werden,  dass  für 
die  Erklärung  der  oligodynamischen  Erscheinungen  eine 
Ursache  ausserhalb  des  Rahmens  unserer  jetzigen  Kennt- 
nisse und  Vorstellungen  zu  suchen  sei.  Die  Erscheinungen 
entsprachen  weder  den  Begriffen,  die  wir  von  dem  Ver- 
halten einer  Lösung,  noch  denen,  die  wir  von  den  Wir- 
kungen der  bekannten  Kräfte  haben.  Es  nuisste  entweder  ein 
neues  Agens  oder  eine  besondere  Wirkungsart  der  gew(ihn- 
lichen  Agentien  sein.  Das  Hauptaugenmerk  richtete  sich  nun 
auf  tlie  Entscheidung  der  Frage,  ob  gänzlich  unlösliche 
Körper  oligodynamische  Wirkungen  ausüben    oder    nicht. 

Körper,  wie  Kohle,  Schwefel,  Braunstein,  Holz,  Stärke- 
mehl, schwedisches  Filtrirpapier,  Baumwolle,  Wolle,  Seide, 
Federn  u.  s.  w.  vermögen  dem  Wasser  keine  oligodynami- 
schen Eigenschaften  mitzutheilcn. 

Nun  musste  ferner  entschieden  werden,  ob  die  Metalle 
als  feste  Körper  oder  als  Lösung  wirkten.  Die  meisten 
derselben  sind  in  geringem  Grade  löslich;  Gold  und  Platin 
konnten  als  in  Wasser  unlöslich  gelten. 


Nr.  4J. 


Naturwissenscluiftlifhe  Wochcnsclirift. 


4.S3 


Das  reine  Gold,  wclclie.s  ans  (xdldclilurid  darn-estcllt 
wurde,  war  v<dlk(uinncn  iiidirt'crent,  insdtVrn  als  es  dem 
Wasser,  das  durcli  Oulturijndjeii  sich  als  neutral  erwiesen 
hatte,  nicht  die  j;erini;sten  oligodynamischen  Eigenschaften 
ertheilte.  P^benso  verhielt  es  sieh  mit  Platin,  indem  Platin- 
drälite,  die  mit  Salzsäure  gereinigt  worden  waren,  neu- 
trales Wasser  in  keiner  Weise  zu  verändern  vernujchten. 
l'latinsehalen  kann  eine  Nachwirkung  anhaften.  Dieselben 
wurden  nut  Salzsäin-e  gewaschen,  was  ihnen  alle  oligo- 
dynamische Wirksandieit  nahm.  Auch  dii'  Gläser  kann 
man  von  der  Nachwirkung  befreien  durch  Waschen  mit 
verdünnter  Salz-  oder  Salpetersäure. 

Diese  Wirkung  der  Säuren  machte  es  wahrschein- 
lich, dass  dieselben  einen  im  Wasser  schwci'  lösliidien  Stoff 
von  der  Wandung  der  Gefässe  entfernten,  und  ferner  lag 
die  Vermuthung  nahe,  dieser  Stoff  möchte  ein  Metall, 
namentlich   Kupfer  sein. 

Die  oligodynaniischenEigcnsehaften  des  Wassers  lassen 
sieh  in  der  That  in  allen  Fällen  auf  Stoffe,  die  in  dem- 
selben gehist  sind,  zuriicktuhren.  Nun  weicht  aber  das 
durch  ]\Ietnllc  oligodynannsch  gewordene  Wasser  in  seinem 
Verhalten  wesentlich  ab  von  anderen  Lösungen.  Eine 
Salz-  oder  Zuckerlösung  verliert  ihre  Eigenschaften  nicht, 
wenn  unlösliche  Kiirper  in  dieselbe  gelegt  werden,  und 
sie  ertheilt  den  Wandungen  des  Gefässes  nicht  die  Fähig- 
keit, reines  Wasser  wieder  salzig  oder  süss  zu  machen, 
während  analoge  Erscheinungen  bei  den  Kupferlösuugen 
eintreten. 

Die  Sättigung  einer  Lösung  beruht  nach  der  Annahme 
der  Physiker  darauf,  dass  eine  bestimnde  Alenge  von 
Flüssigkeit  nur  eine  bestimmte  Menge  von  Lösungsmaterial 
aufzunehmen  vermag  und  dass,  da  der  Lösungsprocess  an 
der  Obertläclio  der  im  Ueberschusse  vorhandenen  festen 
Substanz  stets  f(n'tdanert,  der  Gleichgewichtszustand  da- 
ilureh  erhalten  wird,  dass  in  der  Zeiteinheit  ebensoviel 
Snijstanz  von  dem  gelösten  in  den  festen  Zustand  über- 
geht als  umgekehrt.  Ein  schwerlöslicher  Körper  ist  also 
ein  solcher,  bei  welchem  von  der  Flächeneinheit  und  in 
der  Zeiteinheit  nur  wenige  Moleeüle  sich  in  die  Flüssig- 
keit frei  machen.  Dies  setzt  voraus,  dass  die  Bewegungen 
der  Flüssigkcitsmolecüle  nur  selten  die  Schwingungen  der 
Substanzmolecüle  in  tortschreitende  Bewegungen  überzu- 
führen vermögen,  woraus  auch  i'olgt,  dass  die  letzteren 
leicht  sieh  an  festen  Gegenständen  anheften  und  somit 
wieder  in  den  unlöslichen  Zustand  übergehen.  Wir  haben 
uns  daher,  wenn  wir  das  Verhalten  des  durch  Metalle 
oligodynaniiseh  gemachten  Wassers  zu  Hilfe  nehmen,  fol- 
gende Vorstellung  von  dem  Vorgange  zu  machen.  Konnnt 
ein  Stück  Kupfer  in  reines  Wasser,  welches  etwas  Sauer- 
stoff und  etwas  Kohlensäure  enthält,  so  trennen  sich  lang- 
sam, aber  stetig,  Kupfertheilchen  los,  welche  sich  im  Wasser 
vertheilen,  und  von  denen  ab  und  zu  einzelne  an  die  Wan- 
dung des  Getässes  anstosscn  und  daran  hängen  bleiiien. 
So  nuiss  nach  Maassgabe,  als  die  Lösung  concentrirter 
wird,  auch  die  Zahl  der  an  der  Wandung  haftenden  un- 
löslichen Kui)fertheilchen  zunehmen.  Wenn  der  Sättigungs- 
grad erreicht  ist,  so  kann  eine  Zeit  lang  noch  ein  Lösungs- 
process an  dem  Kupferstüek  fortdauern,  indem  aus  der 
Lösung  mehr  Theilchen  an  die  Gcfässwandung  sich  an- 
legen, als  von  derselben  in  die  Flüssigkeit  zurückkehren. 
Zuletzt  stellt  sich  ein  Gleichgewichtszustand  in  der  Weise 
ein,  dass  der  Kupferüberzug  der  Wandung  ebenso  viele 
Jlolecüle  aus  der  gesättigten  Lösung  empfängt,  als  er  an 
dieselbe  abgiebt.  Nimmt  man  das  Kupferstüek  heraus, 
bevor  Sättigung  erfolgte,  so  dauert  die  Veränderung  der 
Lösung  noch  so  lange  an,  bis  ein  Gleichgewichtszustand 
in  der  Weise  eingetreten  ist,  dass  ebenso  viel  Kupfer- 
theilchen aus  der  Lösung  an  die  Glaswandung,  als  von 
dieser  in  jene  zurückgeben.  Giesst  man  eine  solche  Kupfcr- 


lösung  dann  in  ein  anderes  (reines)  Glasgefäss,  so  nimmt 
ihre  C(Micentration  so  lange  ab,  bis  zwischen  der  [jösnng 
und  dem  sich  bildenden  Kupferbeleg  ein  neues  Gleich- 
gewicht hergestellt  ist.  (liebt  man  aber  reines  Wasser 
in  ein  mit  einem  Ku|)ferbeleg  versehenes  Glas,  so  gehen 
von  diesem  so  lange  Kui)fertlieilchen  in  das  Wasser,  bis 
das  der  Kupfermenge  entsprechende  Verhältniss  zwischen 
Lösung  und  Niederschlag  erreicht  ist.  F^s  besteht  also 
ein  gewisses  Verhältniss  zwisc'hen  der  Concentration  der 
Kupfei'lösung  und  der  Mächtigkeit  des  kupfernen  Wand- 
beleges, d.  h.  der  Menge  des  der  Flächeneinheit  an- 
haftenden Kupfers.  Die  Gesannntmenge  des  Kupferüber- 
zuges aber  im  Verhältniss  zur  Menge  des  gelösten  Kupfers 
ist  um  so  grösser,  je  grösser  die  Wanddäche,  im  Ver- 
hältniss zum  Wasser. 

Wir  verstehen  nun  vollkonnncn  alle  Erscheinungen, 
welche  die  merkwürdige  Ncutralisirung  des  oligodynami- 
schen Wassers  durch  unlösliche  Körper  darbietet.  Die- 
selben wirken  nicht  anders  als  durch  Vergrösserung  der 
die  Lösung  begrenzenden  Oberrtäche.  Bringt  man  Glas- 
stäbe, Holz,  Stärkemehl,  Stearinkerzen  u.  s.  w.  in  die  Lö- 
sung, so  legen  sieh  Kupfertheilchen  an  diese  Gegenstände 
an  und  die  Concentration  wird  um  so  mehr  vermindert, 
je  grösser  die  Oberfläche  derselben  ist  und  je  stärker  ihre 
Anziehung  auf  Kupfer  wirkt.  Dem  entsprechend  vermin- 
dert sieh  die  Schädlichkeit  des  durch  Kupfer  oligodyna- 
misch gewordenen  Wassers  stets  durch  solche  Körper; 
dasselbe  kann  auf  diese  Art  zwar  nicht  frei  von  Kupfer, 
aber  doch  gairz  unschädlich  (neutralisirt)  werden,  wenn 
nändich  die  in  Lösung  belindliche  Kupfermenge  so  ge- 
ring wird,  dass  sie  das  Zellenleben  nicht  mehr  zu  be- 
einträchtigen vermag.  Dieser  Umstand  wurde  denn  auch 
dazu  benutzt,  um  das  destillirte  oligodynannsche  AVasser 
zu  neutralisiren.  Dasselbe  wurde  nämlich  längere  Zeit 
tüchtig  mit  Schwefelpulver  geschüttelt  und  dann  tiltrirt, 
worauf  es  sich  als  unschädlich  erwies.  Die  lösliehen 
Stoffe,  die  man  dem  durch  Metalle  oligodynamisch  ge- 
machten Wasser  beimengt,  verhalten  sich,  wie  ich  schon 
angegeben  habe,  je  nach  ihrem  ))hysikalischen  Charakter 
ungleich.  Der  molecularlöslichc  Zucker  verändert  solches 
Wasser  nicht,  während  die  micellarlösliidien  Dextrin  und 
Gunnni  dasselbe  ebenso  wie  Stärkemehl  und  Baumwolle 
neutralisiren.  Die  Ku])fertlieilchen  legen  sich  an  die  Über- 
fläche der  Mieellc  (unsichtbar  kleine  krystallinisehe  Kör- 
perchen), wie  an  feste  Körper  an,  können  aber  durch  die 
vereinzelten  ]\loleeüle  der  Molecularh'isungen  nicht  festge- 
halten werden.  Die  Neutralisirung  einer  Kupferlösung 
durch  Eiweis,  Leim,  Gunnni  l>tMnht  auf  einem  ganz  anderen 
\'organg,  als  die  Klärung  einer  trüben  Flüssigkeit  durch 
Eiweiss.  Im  letzteren  Falle  werden  die  susi)endirten  Theil- 
ehen  mechanisch  in  einen  Bodensatz  niedergerissen,  im 
ersteren  Falle  bleibt  die  Lösung  ohne  Niederschlag.  Die 
Micellartheoric  erhält  durch  diese  'riiatsache  eine  neue 
Bestätigung.  Die  bemerkenswerthe  Erscheinung,  dass  in 
einer  bestimmten  Menge  von  schwach  oligodynamischem 
Wasser  eine  kleine  Anzahl  von  Spirogyrcnfäden  rasch  ab- 
stirbt, während  eine  grössere  Anzahl  derselben  viel  später 
erliegt  und  eine  noch  gnissere  gar  nicht  afflcirt  wird, 
bietet  nun  keine  Schwierigkeiten  mehr  dar.  Die  gelösten 
Kupfertheilchen,  welche  auf  die  Algenfäden  trefl'cn,  setzen 
sich  zunächst  an  der  Oberfläche  und  in  der  Substanz  der 
Seheide  denselben  an  und  erst,  wenn  sich  hier  ein  ent- 
sprechender Niederschlag  gebildet  hat,  dringen  sie  auch 
in  erheblicher  Menge  in  das  Innere  der  Zellen  ein.  Nur 
die  letzteren  vernnigcn  die  oligodynannschen  \'erände- 
rungen  hervorzubringen.  Je  weniger  Algenfäden  sich  in 
einer  gegebenen  Lösungsmenge  betindcn,  um  so  grösser 
ist  die  Zahl  der  Kupfertheilchen,  welche  für  die  Aufnahme 
in  die  Zellhöhlungen  disponibel  bleibt.  Sind  die  Spirogyreu 


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in  grosser  Menge  vorhanden,    so    heiindct  sich  nach  Bil- 
dung des  Kuiifcrbclcges  auf  den  Scheiden  so  wenig  Kupfer 
in  Lösung,  dass  es  dein  Zellenlcbcn  keinen  Scliaden  mehr 
verursachen    kann.     Auch  die  verschiedenen  Thatsachen, 
die  wir  als  Nachwirkung  kennen  gelernt  haben,  sind  nun 
vollkommen  erklärt.  Ein  Glas,  in  welchem  während  einiger 
Zeit  Wasser  mit  Kupfer  oder  wässerige  Kupferlösung-  sich 
befunden  hat,  besitzt  einen  Ueberzug  von  Metalltheilchen. 
Derselbe  giebt,   wenn   das  Glas   geleert    und   mit  reinem 
Wasser  gefüllt  wird,  Kupfertheilchen  an  letzteres  ab.    Die 
Concenfration    der    neuen    Kupferlosung    hängt    von    der 
Menge  des  Wassers,  von  der  Grösse  der  Oberfläche  und 
von    der  iMächtigkcit    des  Kupferbeleges    ab.     Dass  sich 
ziemlich  viel  Ku})fer  an  die  Glaswandung  ansetzen  kann, 
beweist    die   Thatsache,    dass    unter   Umständen    ein   mit 
Nachwirkung  begabtes  Glas  mehrmals  nacheinander  seinen 
Inhalt  oligodynamisch  zu  machen  vermag.  Dass  der  Kupfer- 
beleg ziendich  fest  an  der  Glaswandung  anhaftet,  ergiebt 
sich  aus  dem  Umstände,  dass  derselbe  durch  Reinigen  mit 
einer  Bürste  nicht  entfernt  wird.     Wenn  in  einem  reinen 
Glas  die  Nachwirkung  durch  Kupferhisung  oder  durch  ein 
mitten    im    reinen  Wasser  aufgehängtes   Kupferstück    er- 
zeugt wird,  so  vertheilt  sich  begreiflicherweise  der  Kupfer- 
beleg  ziemlich    gleiehmässig    über  die  Wandung.     Wenn 
aber  das  die  Nachwirkung  verursachende  Kupferstück  ein- 
seitig die  Wandung  berührt,    so  müssen   an  dieser  Stelle 
viel  mehr  gelöste  Kupfertlieilchen  anprallen  und  sich  an- 
legen als  an  der  übrigen  Oberfläche,  so  dass  der  Kupfer- 
überzug hier  viel  mächtiger  wird.    Dementsprechend  geht 
nach  Entfernung    des  Kupferstückes    und   Ersetzung    der 
Lösung  durch  reines  Wasser  von  dieser  Stelle  in  der  Zeit- 
einheit   eine   weit    grössere   Zahl  von  Kupfertheilchen  in 
Lösung,  und  unter  den  im  Glase  befindlichen  Siiirogyren- 
fädeu  erfahren  diejenigen,  die  hier  liegen,  die  oligodyna- 
mische A\'irkung    zuerst,    oder    wenn   die  Gesammfmenge 
des  Kupfers  gering  ist,  auch  allein.    Die  Stelle  der  Glas- 
wandung, welche  früher  ein  Ivujjferstück  berührt  hat,  verhält 
sich  also  wie  ein  im  Wasser  befindliches  KupferstUck  selber. 
Die  diesem  anliegenden  Algen  sterben  zuerst  und  die  übrigen 
im  Wasser  befindlichen  um  so  früher,  je  näher  sie  liegen. 
Es  ist  nun    leicht,    das  mannigfaltige  Verhalten   des 
Wassers  von  ungleichem  Herkommen  zu  verstehen.    Wenn 
mau  weiss,    woher  ein  Wasser  stammt,    mit  welchen  lös- 
lichen und  unlöslichen  Stoffen  es  in  Berührung  gekommen 
ist,  so  kennt  man  deu  grössern,  geringern  oder  mangeln- 
den Gehalt  desselben  an  oligodynamischen  Eigenschaften. 
Das  Wasser  aus  Quellen,   Flüssen,  Sümj)fcu,  Torfmooren, 
Seen    ist    neutral.     Die    schwerlöslichen,    oligodynamisch 
wirksamen  Stoffe  (Metalle),  die  es  einmal  entiialten  mochte, 
haben    sich  auf   unlösliche  Körper  niedergeschlagen  und 
die    geringen  Mengen    der    noch    in   Lösung   befindlichen 
Verbindungen  sind  unschädlich. 

Die  meisten  der  leichtlöslichen  Verbindungen  lassen 
durchaus  keine  Nachwirkung  in  den  (iläsern  zurück,  sie 
mögen  in  gesättigter  oder  verdümitcrer  Lösung  ^\'ährend 
kürzerer  oder  sehr  langer  Zeit  darin  gestanden  haben. 
Dies  wurde  beobachtet  an  Schwefelsäure  und  anderen 
Säuren,  an  Aefzkali,  an  verschiedenen  Kali-,  Natron-  und 
anderen  Salzen,  an  verschiedenen  organischen  Substanzen. 
Dagegen  giebt  es  einige  Verbind  inigen,  welche  bezüglich 
der  Nachwirkung  sich  ähnlich  wie  metallisches  Kupfer 
verhalten.  Lässt  mau  eine  gesättigte  Lösung  von  Kupfer- 
chlorid einige  Tage  in  einem  Glasgefäss  stehen,  giesst 
dieselbe  aus,  reinigt  das  Glas  durcii  mehrmaliges  Aus- 
spülen mit  neutralem,  destiilirfeui  Wasser  und  Abreiben 
mit  einer  Bürste  und  füllt  es  dann  mit  neutralem  Wasser, 
so  erweist  sieh  dieses  in  kurzer  Zeit  oligodynamisch  und 
es  feten  an  den  Spirogyren  die  nämlichen  Erscheinungen 


ein,    wie    wenn    früher  metallisches  Kupfer  sich   in   dem 
Glase  befunden  hätte.     Wie  Kupferchlorid  verhalten   sich 
andere,    leicht    lösliche   Kupfersalze,    ebenso    Silber-    und 
Quecksilbersalze.     Dieses   Ergebniss   war    gegen    die  Er- 
wartung, da  es  im  Widerspruche  zu  stehen  schien  mit  der 
Thatsache,  dass  ein  Glas,  in  dem  sich  Wasser  und  Kupfer 
befunden    und    ein    dünner   Beleg  von  Kupferoxydhydrat 
gebildet    hat,    durch  Ausspülen  nnt   verdünnter  Salzsäure 
von  der  Nachwirkung  befreit  wird,  woraus  N.  den  Schluss 
zog,  dass  Kupferchlorid  wegen  seiner  leichten  Löslichkeit 
an    der   Glaswandung    nicht    haften    könne.     Die    beiden 
genannten,    scheinbar  sich   widersprechenden  Thatsachen 
lassen  sieh  durch  folgende  Erklärung,  die  übrigens  schon  von 
vorneherein   sich   als   sehr  wahrscheinlich  hätte  darbieten 
müssen,  in  Uebereinstinimung  bringen.    Wenn  eine  Lösung 
sieh  in  einem  Gefäse  Ijcfindet,  so  legen  sich  Molecüle  an 
die  Wandung  an   und  bilden  einen  Beleg.     Die  Mächtig- 
keit des   letzteren,    d.  h.  die  Zahl   der    an    der  Flächen- 
einheit befindlichen  Molecüle,  hängt  ab  von  der  Verwandt- 
schaft der  Gcfässwaudung  zur  Substanz  des  gelösten  Stoffes, 
von  der  Verwandtschaft  desselben  zum  Wasser  oder  dem 
Grade   seiner  Löslichkeit   und   von  der  Concenfration  der 
Lösung.    Von  der  Verwandtschaft  des  gelösten  Stoffes  zur 
Substanz    der  Gefässwandung  wissen  wir   vorerst    nichts-, 
wir    können    aber    vermuthen,     dass    Kupferoxydhydrat, 
Kupferchlorid,   salpefersaures  Ku|ifer  sich  gegenüber  von 
Glas  ziendich    ähnlich   verhalten  werden.     Was  die  Ver- 
wandtscliaft  zum  Wasser  betrifft,    so   nmss  aus  Lösungen 
gleicher  <  'oncentration  um  so  mehr  sich  an  die  Wandung 
anlegen,  je  geringer  die  Löslichkeit  ist.    Was  endlich  den 
Concentrafiousgrad  der  Lösung-  anlangt,  so  niuss  von  der- 
selben Verbindung  eine  um  grössere  Zahl  von  Moleeülen 
sich  an  die  Wandung  anlegen,  je  concentrirfer  die  Lösung- 
ist.    Hierdurch  erklären  sich  alle  be(djachfeten  Thatsachen. 
Vergleichen  wir  zunächst  bloss  das  schwerlösliche  Kupfer- 
oxydhydrat   und  das  leichtlösliche  Kui)fercldorid.     Beide 
hal)cn  in  Lösungen  von  1 :  10  Millionen  Wasser  oligodyna- 
mische Wirkungen.     Eine  gesättigte  Lösung  von  Kupfer- 
oxydhydrat  hinterlässt  in  dem  Glase,  in  dem  sie  gestanden, 
eine  sehr  starke  Nachwirkung,  während  aus  einer  glciciicn 
oder    auch    ziemlich   eoncentrirteren  Lösung   von  Kupfer- 
chlorid sich  so  wenig  an  die  Glaswand  anlegt,  dass  eine 
Nachwirkung    an  Spirogyrenzelleu    nicht    bemerkbar    ist. 
Aber  in  einer  stark  concentrirfen  oder  gesättigten  Lösung 
von  Kupferchlorid  wird  der  Wandbeleg  so  mächtig,  dass 
nach   wiederholtem  Reinigen,    vvährentl   dessen   das  Spül- 
wasser doch  nur  kurze  Zeit  lösend  einwirkt  und  nur  einen 
verhältnissmässig  geringen  Tlicil  wegninnnt,    hnmcr  noch 
genug  für  eine  kräftige  Nachwirkung  übrig  bleibt.    Dass 
der  Beleg  von  Kupferoxydliydrat  durcli  Salzsäure  haltiges 
Wasser,   welches  Ku])fercldorid  bildet,    entfernt  wird  und 
der  Beleg  von  Kupferchlorid  nach  gleich  langer   Behand- 
lung  mit  Wasser    grösstentheils    unversehrt    zurückbleibt, 
ist  leicht  begreiflich.    Ln  ersten  Fall  gerathcn  alle  Atome 
des  wandständigen  Kupferoxydhydrats  in  heftige   Bewe- 
gung, indem  sich  das  Gl  der  Salzsäure  mit  Cu,    und  das 
H  der  Salzsäure  mit  OH  des  Kupferoxydhydrafs  verl)indet. 
p]s  ist  begreiflieh,    dass   die  Molecüle  Cl.jCu  vermöge  der 
Bewegung,    in  der  sie  sich  im  ^lomenf  ihrer  Bildung  be- 
finden, zum  weitaus  grössten  Theil  als  Lösung  ins  ^\'asscr 
gehen,  zu  dem  sie  eine  grosse  Verwandtschaft  haben,  und 
dass  nur  äusserst  wenige  vielleicht  sieh  an  die  Wandung 
anlegen,  welche  eine  geringe  Airziehung  ausübt.    Anders 
verhält  es  sich,  wenn  kupfcrfreics  Wasser  mit  einem  Beleg 
von  Kupferchlorid    in    Berührung    kommt:    Die    in    Ruhe 
befindlichen  iMolecüle   des    letzteren  werden   nur  langsam 
durch    die    Bewegungen    der  Wasserinoleeüle    in   Lösung 
übergeführt. 


(Fortsetzung  folgt.) 


Nr.  44. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


485 


Die   physiologische  UtMUntiiiiur    des  Zellkerns.  — 

Eine  ilcu  iiliyisioloi;isclieii  Vc  rliültni.sscu  i;ereclit  wer- 
dende Anschauung-  von  der  IScdeutuni;-  des  Zellkerns, 
dessen  Rolle  iin  Zellenlebcn  bisher  fast  aussehlicsslicii 
von  morphologischen  Forschern  auf  Grund  morphologischer 
Erscheinungen  erschlossen  wurde,  zu  begründen,  ist  die 
Absicht,  welche  JI.  Verworn  in  seiner  Arlicit  tibcr  „die 
physiologische  Bedeutung  des  Zellkerns  ( PHüger's  Ar- 
chiv für  die  gesanmitc  riiysiologici  verfolgt.  M.  Verworn 
stützt  sich  dabei  auf  ein  breites  Thatsaclicnniatcrial,  in- 
dem er  sowohl  die  früheren  Beobachtungen  kritisch  ver- 
werthet,  als  auch  durch  umfassende  experimentelle,  be- 
sonders viviseetorische  ünter.suchungen  an  cinzelligeu 
Meeresorganismen   neue  wichtige  Anhaltspunkte  gewinnt. 

Besonders  günstige  ülijccte  für  ccllular-physidlogische 
Experimente  sind  wegen  ihrer  beträchtiicben  Grosse  und 
bedeutenden  Lebensfähigkeit  die  grossen  skeletUosen 
Eadiolarien  (Thalassicolla),  mit  denen  Verf.  am  Mittel- 
meer experimentirte,  sowie  die  grossen  Foraminiferen- 
formen  (Orbitolites),  die  dem  Verf.  am  rothcn  j\Ieere  als 
Versuchsol)jecte  dienten.  Bei  den  Thalassieollen  gelingt 
es  durch  eine  leichte  Operation,  den  Kern  aus  dem  erbsen- 
grosscu  Protoplasmakörper  zu  entfernen  und  sowohl  Kern 
als  Protoplasma  isolirt  für  sich  zu  untersuchen.  Des- 
gleichen ist  es  bei  den  Orbitoliten  niöglich,  von  den  über 
Centimeter  langen  l'seuddpodienbüschclu  reines,  nacktes 
rmtiiplasnia  ohne  Zeilkern  zu  gewinnen.  Auf  die  Einzel- 
heiten der  zahlreichen  Versneiic  einzugehen,  würde  hier 
zu  weit  führen.  Es  sei  nur  erwälint,  dass  die  kernlosen 
Protoplasniamassen  zunächst  noch  kurze  Zeit  normal  weiter 
leben,  dass  aber  bald  die  einzelnen  Lebenserseheinungen 
nach  und  nach  Störungen  erleiden  und  schliesslich  ganz 
ausfallen,  bis  die  rrotoplasmaniasse  dem  unvermeidlichen 
Tode  verfällt.  Dabei  zeigt  sich  die  interessante  That- 
sache,  dass  die  Degenerations-Erscheiuungcn  dieser  kern- 
losen Protoplasmamasse  volikonnnen  mit  den  Erregungs- 
Erscheinungen  identisch  sind,  die  durch  Reize  an  den 
unverletzten  Protisten  hervorgerufen  werden.  Auch  der 
isdiirte  Kern  geht  nach  kurzer  Zeit  unfehlbar  zu  Grunde. 
Dagegen  regeneriren  sich  Theilstücke,  die  nur  ein  wenig 
Kernsubstanz  und  ein  wenig  Protoplasma  besitzen,  wieder 
zu  vollkommenen  Individuen,  was  auch  schon  frühere 
Beobachter,  Nussbaum,  Gruber,  Balliiani,  Klebs  u.  A.  ge- 
funden hatten.  Dementsprechend  gelang  es  Verworn, 
Protoplasmamassen,  die  in  Folge  ihrer  Kernlosigkeit  in 
Degeneration  begriffen  waren  und  schon  keine  sichtbaren 
Lebens-Ersclieinungen  mehr  zeigten,  durch  Vereinigung 
mit  kernhaltigen  Massen  wieder  lebendig  zu  nuiehen.  .Sie 
verhalten  sich  dabei  dem  normalen  Protoplasma  gegen- 
über wie  gereiztes  Protoplasma,  bis  sie  ihre  normalen  Eigen- 
schaften wiedererlangt  haben. 

Das  allgemeinste  Ergel)niss,  zu  dem  der  Verl",  ge- 
langt, spricht  er  aus  in  dem  Satz:  „Die  physiolo- 
gische Bedeutung  des  Zellkerns  liegt  allein  in 
seinen  Stoffweehselbeziehungen  zum  übrigen 
Zellkörper.  Nur  durch  seine  Stoffweehselbe- 
ziehungen besitzt  er  einen  Einfluss  auf  die  Func- 
tionen der  Zelle."  „Auf  den  Stoffwechselbezieluuigen 
zwischen  Kern,  Protoplasma  und  Aussenwelt  beruht  der 
normale  Lebensvorgaiig  j'eder  Zelle,  dessen  Ausdruck  die 
einzelnen  Lebenserscheinungen  sind."  Dementsprechend 
zeigt  der  Verf.,  dass  sich  in  der  That  die  verschiedenen 
Lebenserseheinungen  der  Zelle  aus  den  Stoffweehsel- 
beziehungen zwischen  Kern,  Protojilasma  und  Medium  her- 
leiten lassen.  Auch  die  Energiciiniduction,  spi'cic'll  die 
Bewegungen,  erklärt  der  Verf  aus  der  Beziehung  zwisciien 
Kern,  Protoplasma  und  Medium,  eine  Anschauung,  die  er 
inzwischen  ausführlicher  in  seiner  grösseren  Arbeit  über 
„Die  Bewegung  der  lebendigen  Substanz"  begründet  hat. 


Als  höchst  lienierkenswerthes  Resultat  dieser  hoch- 
interessanten L'ntersuehungcn  ist  schliesslich  zu  erwäimen, 
dass  danach  der  Kern  auch  keineswegs  als  der  alleinige 
Träger  aller  erblichen  Eigenscliaften  angesehen  werden 
kann.  V.'s  Meinung  geht  dahin:  „Was  sicli  vererbt, 
das  ist  die  für  jeden  Organismus  eigenthümliehe 
Art  des  Stoffwechsels.  Protoplasma  und  Kern 
sind  beide  Träger  der  Vererbungssubstanzen  und 
die  Vererbung  kommt  nurzu  Stande?  durch  üeber- 
tragung  von  Sul)stanz  beider  Theile  und  iiirer  Stotf- 
wechselbeziehungcn  auf  die  Nachkommen,  ein 
Vorgang,  der  ja  auch  in  der  Fortpflanzung  durch 
Theilung  seinen  ursprünglichsten  und  einfachsten 
Ausdruck  findet."  X. 


Ueber  die  Voluiiieii-Rednction  bei  irinwaiidliiiig 
von  rflanzen-Material  in  Steinkohle  hat  11.  l'otonie 
in  der  Zeitschrift  „Glückauf"  (29.  Jahrgang  No.  80, 
(Essen/Ruhr,  Samstag,  7.  Oetober  1893)  einen  kleinen 
Beitrag  geliefert.  —  Renault  war  durch  anatomische 
Llntersuelunig  verkieselter  Reste  von  Arthroi)itus,  im  Ver- 
gleich mit  solchen,  ebenfalls  noch  zellige  Structur  zeigenden, 
in  Kohle  verwandeUen,  zu  dem  Resultat  gekonnnen,  dass 
bei  der  Umwandlung  dieser  Reste  in  Steinkohle  eine  Ver- 
ringerung des  Raumiidialtes  auf -^  bis  ^^  anzunehmen  sei. 

Die  Reuault'schen  Zahlen  beziehen  sich  nur  auf  die 
Umwandlung  von  Zellen  in  Steinkohle,  die  in  dersell)en 
noch  als  solche  zu  erkennen  sind.  Es  ist  klar,  dass  anilere 
Zahlen  gewonnen  werden  müssen,  wenn  man  sich  die 
viel  weitgehendere  Frage  vorlegt:  Welche  Volum- Ver- 
minderung haben  die  Pflanzen  bei  ihrer  Um- 
bildung zu  Steinkohle  erfahren?  Eine  Frage,  welche 
die  Specialfrage  nach  der  Umwandlung  von  einzelnen, 
als  solche  noch  erkeiml)ar  gebliebenen  Zellen  in  Stein- 
kohle in  sich  schliesst.  Denn  es  geht  zwar  aus  der 
mikroscopischen  Untersuchung  der  Steinkohlen  hervor, 
dass  je  nach  der  Sorte  derselben  mehr  oder  minder  zahl- 
reiche als  solche  erkennbar  gebliebene  (Jewebereste  sich 
erhalten  haben,  dass  jedoch  die  übrige  Steinkohlcn- 
substanz  eine  homogene  Masse  von  Kohlenwasserstoffen 
darstellt,  die  ursprünglich  mehr  oder  minder  flüssig  ge- 
wesen si'in  muss. 

P.  hat  zwei  Beispiele  zu  der  in  Rede  steheaden 
Frage  untersucht. 

In  einer  früheren  Arbeit*)  hat  er  naelig-ewiesen,  dass 
die  unter  dem  Namen  Schizodendron  Eichvv.  und  Tylo- 
dendron  Weiss  bekannt  gegebenen  Petrefakten  den  Mark- 
körpern rothliegender**)  Coniferen  entsprechen  und  zu 
l)egrün(len  versucht***),  dass  speciell  die  von  Weiss  als 
Tylodendron  bezeichneten  Reste  des  Saar-Rhein-Gebietes 
zu  Walchia  gehören.  In  einem  Sandsteinbruche  in  den 
Cuseler  Schichten,  etwa  1  km  östlich  von  Otzeidiauseu, 
hat  er  August  1893  Zweige  von  Walchia  piniformis  in  den- 
selben Blöcken  zusannnen  mit  Tylodendron  speciosum 
gefunden.  Die  Tylodcmlron- Petrefakten,  die  hier  als 
Steinkerne  aus  Sandstein  auftreten;  lösen  sieh  sehr  leicht 
aus    dem    dieselben    einbettenden  Gestein    heraus,    da  sie 


*)  Die  füssili.'    l'ilauzeiic;!ittuiig    Tvlddcjulrou    (.l:ihrbucli   drr 
ICöuis'l.  Preuss.  Geol.  Landcsaiistalt  für  188 (.  S.  311  ff.). 

**)  Damals  gab  .er  uoch  das  Vorkoinineii  dva  Petrefakten 
auch  in  der  obersten  Steinkohlonformation  an;  er  meint  al)cr  jetzt, 
dass  die  Horizonte,  in  denen  dieselben  vorkommen,  möglielierweisc 
alle  besser  ins  ITnterrotIdiegende  gestellt  werden. 

***)  Die  systematiselie  Zngcliörigkeit  der  versteinerten  Hölzer 
(vom  Tvpns  Araucarioxvlon)  in  den  paläolitiselien  Formationen 
(Naturw'.  Wochensehr.  Bd.  .i  S.  163  ff.  Nr.  -.'1  vom  17.  Febr.  1889). 
—  Diese  Abliandlung  ist  aiieli  liei  Ferd.  Dümnder  in  Br-rlin 
separat  ersehieuen. 


486 


Naturwissenschaftliche  Wocheusehritt. 


Nr.  U. 


—  wie  das  bei  seiner  Deutung  der  Reste  \erstiindlieli 
ist  —  von  einer  KohlenliiUle  iniigeben  werden,  die  sich 
ausserordentlich  leicht  sowohl  von  dem  umgebenden  Ge- 
stein als  auch  von  den  Petrefakten  ablöst.  Dieser  kohlige 
Rest  ist  natürlich  das  Ecsidium  des  Holzkörpers  und  der 
Rinde  zusammen.  Ein  Vergleich  des  Volumens  dieser 
Kohle-Hedeckung  mit  dem  Volumen  von  Holz  incl.  Rinde 
an  Tylodendron-Exemplaren,  welche  diese  Theile  noch 
im  urs})rünglichen  Volumverliältniss  zeigen,  wie  etwa  an 
verkieselten  Stücken,  bei  denen  die  Zeilen  wobl  kaum, 
wenn  überhaupt,  eine  Rcduction  iln-er  ursprünglichen 
Grösse  erfahren  haben,  muss  einen  Bruch  ergeben  als 
Ausdruck  für  die  Grösse  der  Voinmenreduetion  liei  der 
Umbildung  der  Holz-  und  Rindenthcile  zu  Steinkohle. 
P.  hat  ja  nun  in  der  Arbeit  im  Jahrbuch  der  Geologischen 
Landesanstalt  1.  e.  Tafel  XII  einen  verkieselten  Rest  von 
Tylodendron  mit  zum  Theil  noch  anliaftendem  Holztheil 
bekannt  gemacht,  und  wenn  auch  anzunehmen  ist,  dass 
der  gesannntc  Holztheil  in  radialer  Richtung  an  dem 
Exemplar  zu  Lebzeiten  dicker  gewesen  sein  wird  als  der 
an  demselben  erhalten  gebliebene,  und  wenn  auch  zweitens 
die  Dicke  der  Rinde,  da  von  derselben  garnichts  bekannt 
ist,  nicht  zu  ermitteln  ist,  so  lässt  sich  doch  durch  den 
Vergleich  der  kohligen  P>edeckung  der  TylodendronReste 
mit  der  Dicke  des  erhaltenen  Holztheiles  an  dem  er- 
wähnten verkieselten  Exemplar  ein  Bruch  gewinnen,  der 
da  angiebt,  wieviel  die  Rcduction  des  ursprünglichen 
Volumens  bei  der  Umwandlung  in  Steinkohle  mindestens 
betragen  iiaben  muss.  Wir  werden  dann  wissen,  dass  in 
dem  in  Rede  stcdienden  Fall  die  Rcduction  sicher  eine 
noch  bedeutendere  gewesen  sein  muss,  als  sie  auf  Grund 
der  erwähnten  Tylodendron-Materialien  konstatirt  werden 
kann. 

Dass  an  den  Sandsteinkerneu  mit  kohliger  Bedeckung 
vor  allem  die  Verminderung  des  Volumens  in  radialer 
und  tangentialer  Richtung  zu  berttcksichtigen  ist  und  be- 
rechnet werden  kann,  ist  ohne  weiteres  klar.  Eine  Rc- 
duction in  der  Längsrichtung  ist  nicht  constatirbar;  viel- 
mehr zeigt  sieh,  dass  die  Obertiächensculptur  der 
Sandsteinkerne  genau  mit  der  Oi)ertiächeubcschatfenheit 
der  verkieselten  Tylodendron-Exemplare  übereinstimmt:  in 
beiden  Fällen  verlaufen  die  Furchen  durchaus  gerade, 
ein  mehr  oder  minder  welliger  Verlauf  der  Furchen,  wie 
er  sich  gestalten  müsste,  wenn  die  kohlige  Bedeckung 
auch  in  der  Längsrichtung  eine  ^^erminderung  erfahren 
hätte,  ist  nirgends  zu  bemerken,  ebensowenig  wie  an  der 
überwiegenden  Mehrzahl,  z.  B.  der  Calamiten-Steinkerne 
etc.,  und  dabei  ist  zu  berücksichtigen,  dass  die  Steinkerne 
in  ihrer  Längsrichtung  überall  eine  durchaus  glciclnnässige 
koiilige  Bedeckung  tragen.  Mau  muss  sich  vctrstellen, 
dass  die  beim  Verwesungsprocess  vertiüssigten  resp. 
knetbar  gewordenen  Kohlenwasserstotfe,  den  Druek- 
verliältnissen  (die  natürlich  nur  ganz  schwach  angenommen 
zu  werden  brauchen)  nachgebend,  durch  die  resistenteren 
epidermalen  Gewebe  zusannnengehalteu,  die  etwa  durcii 
Volumenvcrniinderung  in  der  Längsrichtung  entstandenen 
Räume  sofort  ausgefüllt  haben,  so  dass  in  der  That  an 
Steinkernen,  wie  den  in  Rede  stehenden,  die  alleinige 
Berechnung  der  Volumen-Verminderung  in  radialer  und 
tangentialer  Richtung  richtige  Zahlen  ergiebt. 

Nehmen  wir  einmal  an,  dass  die  einzelnen  Zellen 
sämmtlich  als  solche  erkennbar  bei  ihrer  Verkohlung  vr- 
halten  geblieben  sind,  da  V.  W.  von  Gümbel  als  Resultat 
seiner  Untersuchungen  angiebt,  dass  in  der  Flötzsteinkohle 
„die  organische  Textur  der  ihr  zu  Grunde  liegenden 
PHanzen  durch  und  durch  in  erkennbarer  Form  erhalten 
ist",  so  müssten  die  Zellen  der  Kohlebedeckung  der 
Tylodendron-Steinkerne  eine  ausserordentlich  bedeutendere 
Volumenverminderung  erlitten  haben,  als  sie  die  Eingangs 


erwähnten  Renaultschcn    Untersuchungen    für  seine  Reste 
ergeben  haben. 

Da  wir  annehmen  können,  dass  die  Tylodendron- 
Sandsteinkerne,  wie  an  den  verkieselten  Exem})lareu,  die 
ursprünglichen  Grössenverliältnisse  der  Marksteinkör|)er 
wiedergeben,  so  brauchen  wir  nur  zur  Ausführung  der 
Berechnung  kohlig  bedeckte  Sandsteiukerne  zu  Grunde 
zu  legen,  die  etwa  dieselben  Dimensionen  zeigen,  wie  der 
Marksteinköi'per  des  von  P.  1887  beschriebenen  verkieselten 
Restes.  Auf  dem  Querschnitt  beträgt  der  Radius  (r)  des 
Markkörpers  (unterlialb  der  Anschwellung  des  letzteren) 
ca.  15  nun;  Sandsteinkernc  mit  demselben  Radius  zeigen 
eine  kohlige  Bedeckung  von  etwa  1  mm  Dicke;  denmaeh 
ist  der  Radius  dieses  ganzen  Fossils  r  -\-  1.  An  dem  ver- 
kieselten Exemplar  beträgt  die  Dicke  des  erhalten  ge- 
l)liebeneu  Holztheiles  im  Durchschnitt  40  mm,  demnach 
der  Gesanmitradius  r  +  40.  Hieraus  ergiebt  sich  ohne 
Weiteres  eine  ^'erminderung  des  Volumens  in  radialer 
Richtung    der    den    Jlarkkörper    umgebenden    Teile    von 

mindestens     ..     Es    ist    aber    noch    die    Reduetiou    in 
40 

tangentialer  Richtung  zu  berücksichtigen.     Das  Volumen- 

verliältniss  von  Kolüebcdeckung  zu  dem  verkieselten  Hidz- 

theil  ergiebt  sich  einfach  aus  der  Berechnung  ihrer  Quer- 

schnittstläelien.  Für  die  Sandsteinkerne  mit  Koldebedcckung 

ist     dieselbe    =  (r  -\-  1)-  n  —  y'-tt,     für     das     verkieselte 

Exemi)lar    (r  -+-  40)"  n  —  r"  n.      Das    Verhältniss    beider, 

also    (r  +  1)%  — r'-'/r  :  (r  -+-  40)-  /r  —  r'^n,    ist    der    Bruch, 

welcher    die    mindeste    Rcduction   der  Pflanzensubstanz 

an  den  zum  Theil    verkohlten   Exemplaren   angiebt.     Die 

Ausführung  der  Rechnung   ergiebt  rund  ^l 

Man  darf  dabei  nicht  ausser  Acht  lassen,  dass  in 
Sand  gebettete  Ptlanzentheile  bei  der  \'erwesung,  wegen 
der  lockeren  und  durchlässigen  Besehalfenheit  desselben, 
sehr  viel  mehr  von  ihrem  ursprünglichen  Material  ab- 
geben werden,  als  z.  B.  in  thonigem  Schlamm  ver- 
wesende. Die  Walchia-Zweige  in  dem  Otzenhausener 
Steinbruch  heben  sich  nur  durch  eine  sehwach  dunklere 
Färbung  aus  dem  umgebenden  Gestein  hervor  und  zeigen 
keine  oder  kaum  Spuren  kohliger  Reste;  P.  meint  des- 
iialb  auch,  dass  aus  der  Unmöglichkeit  der  Konstatirung 
von  K(dde  an  gewissen  an  Pflanzenformen  erinnernden 
Zeichnungen  im  Gestein  nicht  ohne  Weiteres  geschlossen 
werden  darf,  dass  dieselben  nun  auch  nicht  pflauzHchen 
Ursprunges  sind. 

Ausser  den  Tylodendren  und  Walchien  finden  sich 
in  dem  Otzenhausener  Steinbruch  Artisicn-Steinkerne :  die 
Markkörper  von  Cordai'ten.  Auch  die  dicksten  derselben 
zeigten  nur  eine  minimale  k(dilige  Bedeckung,  die  ebenso 
hinfällig  war,  wie  diejenige  an  den  Tylodendren.  Artisien 
aus  einem  festeren  dichteren  Sandstein,  wie  P.  solche  eben- 
falls in  diesem  Jahre  und  zwar  in  Carbon-Sandstein  der 
Carsten-Centrum-Grube  in  Oberschlesien  beobachtet  hat, 
zeigen,  da  die  A'erwesung  in  einem  solchen  Mittel  etwas 
leichter  hintaiigehalten  wird,  eine  dichtere  und  stärkere 
Kohlebedeckung.  Der  Radius  (r)  der  Artisie,  also  des 
Marksteiukörpers,  des  einen  dieser  Exemplare  ist  wiederum 
gegen  15  mm  lang,  die  kohlige  Bedeckung  sehwankt 
von  1  bis  1,5  mm.  Durch  einen  seitlichen  Druck  ist 
dieselbe  zum  Theil  von  der  Oberfläche  seitwärts  zu  einer 
im  Durchschnitt  3  nun  dicken  Lage  neben  den  Stciukern 
hingepresst  worden,  hier  ein  12  bis  22  cm  breites,  sich 
allmäldich  auskeilendes  Kohlenband  bildend.  Diese  Er- 
scheinung si)rieht  für  die  ursprüngliche  Weichheit  und 
Knetbarkeit  des  Kohlematerials.  Nehmen  wir  nun  die 
Dicke  der  Kohlebedeckung  zu  1,5  nun,  so  würde  das 
seitwärts     geprcsste    Material     unberücksichtigt     bleiben. 


Nr.  44. 


Naturwissenscliiiftliche  Woclienscltrirt. 


487 


Wir  werden  keinen  zu  grossen  Fehler  begehen,  wenn  wir 
daher  liier  die  Kohlehedcckuni;-  in  unserer  Rechniuii;'  zu 
2,b  nun  anueinnen.  Als  V'crg-leielisdhjekte  mit  dem  in 
Itede  stellenden  Exemplar  zieht  l'dtdnie  (!rand'  Eury's 
Reeoiistrnetioncn  einer  dünneren  und  einer  dickeren  Aelise 
von  Cordaites  auf  Taf.  XXIX  Fig.  1  und  "2  seiner  „Fl. 
carlion.  du  dep.  de  la  Loire  et  du  Ceutre  de  la  France'' 
heran.  Das  Verhältniss  der  Dicke  der  Kohlebedcekung 
unseres  Artisia-Steiukernes  zu  dem  Radius  desselben  be- 
trägt 2,b  :  15  mm;  das  cntsiircchende  \'erhältniss  bei  der 
rce(mstruirten  dünneren  Aciisc  der  Figur  (irand'  Eury's 
G,;") :  4,;")  nun,  und  an  dem  dickeren  Stammtheilc  70  :  30  nun. 
Auf  Grund  dieser  Zahlen  würde  die  Volumverringerung 
des  Holz-    incl.  Rindcntheiles    an    unserem   8teinkern    im 

Vergleich    mit    dem     dünneren     Achsentheil   -   =   und  im 

±6,0 

Vergleich  mit  dem  dünneren  Achsentheil  jr^  betragen.  Wir 

werden  uns  daher  nicht  gar  zu  weit  von  der  Wahrheit 
entfernen,  wenn  wir  ein  Mittel  aus  diesen  beiden  Hrüchen 

nehmen,  also  rund  --  als  Reduetiousbruch  für  die  kohlige 

Bedeckung  der  in  Rede  stehenden  Artisia. 

Aus   den  Zahlen  ^^   für     die     Tylodendren     und   , 

für  die  oberschlesische  Artisie  ersieht  man  jedenfalls, 
trotz  der  unzweifelhaften  Fehler,  die  unsere  Rechnungen 
einschliessen  müssen,  bestätigt,  dass  in  einem  dichteren 
Medium  sich  mehr  Kohlenwasserstoffe  erhalten,  als  in 
einem  lockeren.  Und  betrachten  wir  nun  noch  zur  Probe 
auf  diese  Schlussfolgerung  die  kohligeu  Reste  auf  den 
Ptlanzentheilen  des  Carbon-Thonschiefers,  der  als  .Schlannn 
weit  dichter  und  undurchlässiger  gewesen  sein  muss,  als 
der  zum  Sandstein  gewordene  Sand,  so  sehen  wir  dieselbe 
vollauf  bestätigt;  denn  z.  15.  kohlig  erhaltene  Fani- 
Spreiten-Reste  zeigen  im  Thonschiefer  oft  eine  merkbare 
Dicke,  trotzdem  wir  berechtigt  sind,  in  Analogie  mit 
unseren  heutigen  Arten  anzunehmen,  dass  die  Spreiten 
der  paläozoischen  Farne  nicht  dicker  gewesen  sind,  als 
die  der  heutigen  Arten.  Gümbel  meint  sogar,  dass  die 
Dicke  der  Kohlenrinde  bei  fossilen  Farnspreitentheilen  nicht 
oder  nur  wenig,  höchstens  um  die  Hälfte  geringer  ist, 
als  die  der  Blatttheile  in  grüuem  Zustande  etwa  gewesen 
sein  mag. 

Es  ergiebt  sich  also,  dass  die  Volumen-Reduction 
bei  der  Umwandlung  von  Pflanzen-Material  in 
Steinkohle  abhängig  ist  von  dem  Bergmittel,  in 
welchem  die  Verwesung  der  Reste  vor  sich  ging, 
dass  also  eine  allgemein  gültige  Zahl  nicht  ge- 
funden werden  kann. 


Eine  selbsttliätige  Si>ii'itiis-(Tebläselaiupe  ist  von 
der  Firma  Lehmbeck  und  Meeke  in  Berlin  konstruirt 
worden.  Da  diese  Lampen  eine  bisher  bei  Spiritus-  oder 
Benzin-Gebrauch  noch  nicht  erreichte  hohe  Temperatur, 
ca.  bis  zu  1800°  C.  zu  erzeugen  im  Stande  sind,  sich 
durch  genaue  Regulirbarkcit  (1er  Flamme,  grosse  Hand- 
lichkeit und  saubere,  solide  Konstruktion  auszeichnen  und 
für  wissenschaftliche  Zwecke  sehr  geeignet  sind,  so  wollen 
wir  eine  Beschreibung  und  Abbildung  derselben  bieten, 
wie  wir  auch  frühere  ähnliche  Apparate  berücksichtigt 
haben. 

Es  liegt  diesen  dochtlosen  Lampen  (zahlreiche  Ver- 
suche hatten  die  Erfinder  davtm  überzeugt,  dass  mittels 
Doclitlami)eu  keine  so  gewaltige  Wärmeentwickclung 
möglich  sei)  das  Princiii  zu  Grunde,  durch  starke  Ueber- 
hitzung  von  Spiritusdämi)fen  und  vollständige  Mischung 
derselben    mit    vorgewärmter    atmosphärischer    Luft    die 


eigentliche  Verl)rennungstemperatur  so  weit  zu  steigern, 
dass  sie  derjenigen  des  Gasgebläses  gleichkommt. 

Die  Erfinder  lialicn  zwei  Lampen  constniirt,  deren 
eine,  selbsttbiitigeSpiritus-GebUlselampe  Modell  la  (Fig.  1). 
einen  i'ünl'stiahligeii  liunsenbrcnner  von  1)  mm  Brenn- 
weite ersetzt  und  eine  Flammentemperatur  von  IßOO  bis 
1800°  C.  erzeugt,  während  die  zweite,  selbstthätige  Spiritus- 
Gebläselampe  Modell  IIa  (Fig.  2),  einen  einfachen  Bunsen- 
brenner ersetzen  S((li  und  eine  Hitze  von  l"iOO — 1600°  C. 
iiervorbringt. 

Die  in  Fig.  1  dargestellte  Lampe  besteht  aus  einem 
etwa  ISO  Kuliikcentimeter  Spiritus  fassenden  Kessel  aus 
starkem  Metallblech,  welcher  auf  einem  mit  Fu.ss  und 
Griff  verseheneu  Untergestell  ruht  und  durch  dessen  Mitte 
das  vertikale,  oben  und  unten  offene  Brennrohr  geht,  in 
welches,  fest  mit  ihm  verbunden,  ein  zweites  kürzeres, 
engeres  concentrisches  Rohr  eingelassen  ist.  An  seiner 
oberen  abgerundeten  Kante  trägt  der  Kessel  eine  mit 
Sicherheitsventil  versehene  Füllsehraube,  während  sein 
Hohlraum  mit  einem  Rohre  in  Verbindung  steht,    das  in 


Anlieizscliale 
Figur  1. 

mehrfachen  Windungen  um  den  oberen  Theil  des  Brenn- 
rohres läuft,  dann  nach  abwärts  führt  und  hier  in  ein  durch 
die  Regulirsehraube  absperrbares  anderes  l^ohr  übergeht, 
das  durch  eine  Düse  in  das  engere  und  kürzere,  eonceu- 
trisch  in  das  Brennrohr  eingelassene  Rohr  mündet,  dessen 
Wand  unmittelbar  über  der  Düsenoffnung  von  mehreren 
Oeltnuugen  durchbrochen  wird.  Unter  dem  Kessel  be- 
findet sich  eine  drehltarc  Anheizschale  und  über  derselben 
eine  gleichfalls  drehbare  Lösehplatte;  in  dem  engen  Rohr 
ist  Sieb  2  und  über  ersterem,  im  Brennrohr  Sieb  1  an- 
gebracht. 

Die  Handhabung  des  Apparates  ist  die  folgende, 
höchst  einfache:  Nachdem  der  Kessel  etwa  bis  zu  der  Höhe, 
wie  Fig.  1  es  zeigt,  mit  Spiritus  gefüllt  ist,  wird  die 
Füllschraube  geschlossen  und  die  Regulirsehraube  geöffnet. 
Die  herv(U-gcdrelite  Anheizsehalc  wird  j'etzt  entzündet  und 
wieder  unter  den  Kessel  zurückgedreht.  Sobahl  sich  im 
Brennrohr  ein  zischendes  Geräusch  (etwa  nach  drei 
Minuten),  hervorgebracht  durch  das  Ausströmen  der  er- 
wärmten Spiritusdämpfe,  vernehmen  lässt,  löscht  man  die 
Anheizseliale  mittels  der  Löschiilatte  aus  und  entzündet 
die  im  Brennndir  emp<irstnimendcn  Spiritusdämpfe. 

Infolge  der  den  oberen  Theil  des  nrennn ihres  füllen- 
den Flamme  wird  einerseits  der  Kessel  erwärmt  und  der 
darin     enthaltene    Spiritus     zum     schnellen    Verdampfen 


48fi 


Naturwisscnscliaftliche  Wochcnscliiift. 


Nr.  44. 


gebracht,  andererseits  aberbesomlers  das  Schlaiig-enrolir  und 
die  es  durcbströnienden  Dämpfe  starlv  crliitzt  und  liinaiis- 
g-epresst,  so  dass  sie  mit  grosser  Gewalt  aus  der  Üiise  in 
das  kurze  conceiitriseiie  Rohr  emi)ortreten,  bier  durcb  die 
durclibrocbene  Eobrwand  hinzutretende,  erwärmte  atmo- 
sphärische Luft  mit  sicli  reissen,  mit  der  sie  sich  beim 
Durcligangc  durch  Sieb  2  innig  mischen  und  ein  leiclit 
und  unter  grosser  Hitzeentwickclnng  lirennbaros  Gemenge 
bilden.  Die  etwa  25  cm  boiie  Stichtiamnie,  welche,  ohne 
an  Intensität  zu  verlieren,  auch  durcli  einen  knief(irniig 
gebogenen  Sehornstein  nach  der  Seite  gelenkt  werden 
kann,  bringt  J^iscndraht  in  kurzer  Zeit  zum  Hchmelzen. 
Ein  Geflecht  aus  V-2  mm  starkem  Eisendraht  mit  1  nun 
weiten  Masehen  schmolz,  wie  wir  uns  selbst  ül)crzcugen 
konnten,  in  ca.  20  Minuten  vollständig  zu  troptl)arer  Masse 
zusannnen. 

Der  in  Fig.  2  dargestellten  Lampe  liegt  dasselbe 
Prinzip  zu  Grunde,  nur  sind,  da  hier  nicht  eine  so  hohe 
Temperatur  erzielt  werden  soll,  die  aus  der  Abbildung 
ersichtlichen  Konstructionsänderungen  vorgenonnnen.  Die 
Handhabung  derselben  weicht    nur    insofern  von   der  der 


IienulirschrnubP 

C7        \. 


Figur  2. 

erstbesehriebenen  ab,  als  die  Regulirsehraube  hier  erst 
nach  dem  Erlöschen  der  Anheizschalc  geöifnet  wird.  Ein 
etwaiges  Verstopfen  der  Düse  wird  bei  beiden  Lampen 
leicht  durch  eine  Nadel  beseitigt. 

Wie  bereits  eingangs  gesagt,  zeichnen  sich  diese 
Lampen  durch  saubere,  äusserst  solide,  ja  sogar  elegante 
Konstruction  aus,  sind  leicht  transportirbar  und  unab- 
hängig von  jeder  Schlauchleitnng.  Man  kann  vermittels 
der  Regulirsehraube  die  Flamme  ganz  genau  einstellen 
und  nach  beendetem  Gebrauch  durch  einfaches  Zu- 
schrauben zum  sofortigen  Erlöschen  bringen.  Der 
.Spiritusverbrauch  ist  trotz  der  bedeutenden  Wärmcent- 
wickelung ein  sehr  massiger:  Modell  la  verbraucht  180  ccm 
in  ca.  oO  Minuten  Modell  IIa  '/a  Liter  in  etwa  drei 
Stunden.  Eine  Gefahr  bei  der  Handhabung  ist  ausge- 
schlossen, da,  sobald  die  Füllsehraube  festgeschlossen, 
ein  Auslaufen  des  Spiritus  unmöglich  ist.  Ist  die  erstere 
Form  mehr  für  wissenschaftliche  Zwecke  (Schmelzen 
schwerflüssiger  Metalle  etc.,  Spectralanalyse  etc.)  geeignet, 
so  dürfte  sich  die  zweite  schnell  viele  Freunde  unter  den 
Handwerkern  (Löten,  Auftauen  von  Leitungen  etc.  etc.) 
erwerben. 

Der    Preis    für    Modell    la    stellt    sich     auf   15    für 
Modell  IIa  auf  12  Mark.  F.  K. 


Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben. 

Es  wurden  ernannt:  Der  erste  Assistent  nn  der  pflnnzen- 
pliysiolog-isc.lien  Versuchsstation  in  Geisenlieiin  Dr.  Rudolf 
Aderhold  zum  Leiter  der  jitianzenpliysiolosischen  Versuchs- 
station in  Proskau.  —  Dr.  F.  Krügor  zum  ersten  Assistenten 
an  der  pttanzenphy^iiologischen  Versuchsstation  in  Geisenheim.  — 
Oberstabsarzt  Dr.  Jalm  zum  Chefarzt  des  Garnisonhiza.i-etlies  in 
der  Scharnliorststrasse  in  Berlin.  —  Dr.  Joliann  Woldrich, 
Professor  des  akademischen  Gymnasiums  in  Wien,  zum  Ordinarius 
der  Geologie  an  der  böhmischen  Universität  in  Prag.  —  Der 
Privatdocent  Dr.  Ignaz  Zakrzewski  zum  ausseroidentlichen 
Professor  für  E.xperimentalphysik  an  der  ITniversität  Lemberg.  — 
Dr.  Gg.  Jauff  inger  zum  ausserordentlichen  Professor  für  Larj-n- 
gologie  an  der  ITniversität  Innsbruck.  —  Dr.  Johann  Fritsch 
zum  ausserordentlichen  l-'rofessor  für  Psychiatrie  an  der  Univer- 
sität Wien.  —  An  der  Bibliothek  der  Universität  Prag  Dr.  Wenzel 
Tille  und  Dr.  Hugo  Glaeser  zu  Amanuensen.  —  Privat- 
docent Dr.  Dreyser  zum  Aasistenten  .am  pharmakologischen 
Institut  der  Universität  Bonn.  —  Dr.  Kichard  Möhlau,  ausser- 
ordentlicher Professor  für  Farbenchemie  an  der  Technischen  Hoch- 
schule in  Dresden,  zum  Ordinarius.  —  Dr.  Freiherr  v.  Dankel- 
inann  in  P.erlin,  bekannt  durch  seine  geograpliischen  und  natur- 
wissenschaftliidien  Forschungen,  zum  Professor. 

Es  hat  »ich  liabilitirt:  Privatdocent  an  der  Universität  Bonn 
Dr.  Emil   Erlenmeyer  für  Chemie  an  der  Universität  Strassburg. 


L  i  1 1  e  r  a  t  u  r. 


Prof.  Dr.  Oscar  Kertwig,  Lehrbuch  der  Entwickelungs- 
geschichte  des  Menschen  und  der  Wirbelthiere.  Vierte,  thcil- 
weise  umgearbeitete  Auflage.  Mit  362  Abbildungen  und  zwei 
Tafeln.     Gustav  Fischer.     Jena  1893.  —  Preis  IIJSO  Mk. 

Die  ausgezeichnete  Hertwig'sche  Entwickelungsgeschichte 
liegt  hiermit  in  neuer  Auflage  vor.  Sie  hat  selbstredend  ent- 
sprechend den  Fortschritten  in  der  umfangreichen  Disciplin  an 
verschiedenen  Stellen  eine  wesentliche  Umarbeitung  erfahren. 
Für  diejenigen,  die  das  Buch  noch  nicht  kenni'n,  erwähnen  wir. 
dass  es  der  Disposition  des  Inhaltes  nacli  als  eine  ver- 
gleichende Entwickelungsgeschichte  zu  Ijezeichnen  ist.  Es  zer- 
fällt nach  einer  kurzen  Einleitung  und  Aufzählung  der  wichtigsten 
Hand-  und  Lelirbücher  des  Gebietes  in  17  Kapitel.  Jedes  der- 
selben wii'd  pädagogisch  sehr  geschickt  von  einer  ,.Zusammen- 
fassung",  welche  in  präcisen  Sätzen  die  Ergebnisse  jedes  Ka])itels 
bündig  zusammenstellt,  geschlossen  und  einer  Litteratur-Liste,  die 
dem  Weiter-Arbeitenden  und  demjenigen,  der  einen  bestimmten 
Gegenstand  eingehender  zu  studiren  wünscht,  bequem  die  Bahn 
weist. 

Bei  dem  gediegenen  Inhalt,  der  klaren  Sehreiljweise  und  der 
treti'lichen  Disjiosition  des  Buches,  auch  wegen  des  für  das  ge- 
bdtiMie  (das  Buch  umfasst  incl.  Register  590  Seiten  und  liringt 
zahlreiche  Abbildungen)  sehr  massigen  Preises  desselben,  ist  es 
kein  Wunder,  wenn  es  sich  so  schnellen,  verdienten  Eingang  ver- 
schafft hat. 


Engler  und  Frantl,  Die  natürlichen  Pflanzenfamilien.  Fort- 
gesetzt von  Engler.  III.  Theil.  1.  Abtheilung.  \'erlag  viui  Wilhelm 
Eng.dmaiiU  in  Leipzig  1893.  —  Preis  9  Mk.,  in  Subskription  die 
Hälfte. 

Der  vorliegende  Theil  enthält,  wie  .alle  bisher  erschienenen, 
zahlreiche  Abbildungen,  von  denen  freilich  in  einem  Werke  wie 
dem  vorliegenden  gftr  nicht  genug  gebracht  werden  können.  Es 
sind  670  Einzelbilder  in  74  Figuren  auf  nur  128  Seiten  ;  alle  in 
gleich  trefflicher  und  exacter  Ausführung.  Der  III.  Theil  bringt 
die  Polygonaceen,  Chenopodiaceen,  Amarantaceen,  Batidaceen, 
Cynocrambaeeen  und  Basellaceen,  alles  Familien,  die  besondere 
Eigenthümlichkeiten  zeigen  und  daher  einen  eigenen  Reiz  besitzen. 
Den  Schluss  des  Heftes  bildet  wie  immer  das  Familien-  und 
Gattungs-Register,  sowie  ein  Verzeichniss  der  Nutzjjtlanzen  und 
Vulgärnamen.  Letzteres  ist  recht  kurz  gerathen,  so  vermissen  wir 
das  Wort  Spinat.  Besonders  hervorragend  ist  die  Bearbeitung 
der  Chenopodi.aecen  des  zur  Zeit  in  botanischi'Ui  Interesse  in 
Afrika  weilenden  Dr.  G.  \'olkens.  Unter  den  Figuren  Ijetindet  sich  eine 
Tafel,  welche  ein  Landschaftsbild  mit  Saxaulbäumen  (Haloxylon 
Ammodendron)  in  der  Sandwüste  Kisil-Kum  nach  einer  Original- 
zeichnung   von  Prof.  Sorokin. 


E.  J.  Marey,  Die  Chronophotographie.  Mit  47  Figuren.  Aus 
dem  Französischen  übersetzt  von  Dr.  A.  von  Heydebreck. 
(Photographische  Bibliothek  herausgegeben  von  Dr.  F.  Stolze. 
Bd.  II).     Mayer  &  Müller.     Berlin  1893.    -  Preis  2,50  M. 

Die  Analyse  der  Bewegungserschoinungen  bei  den  Natur- 
objecten  ist  vielfach  bei  der  Schnelligkeit  derselben  nur  auf  in- 
directeni  Wege,  mit  Hülfe  der  Photographie,  speciell  der  Chrono- 


Nr.  44. 


Naturwisscnscbaltliclie  Woclienschrift. 


4SVI 


pliotosraphic,  zu  bewerkstelligen.  Kino  Darstellunf;-  der  Methode 
die.ser  pliotograpliischen  I)isei|din  findet  sieh  in  dem  vorliog'enden 
enipt'ehlenswerthen  lieft.  Aneh  die  Anwendungen  der  Chrono- 
photographie  auf  die  Kunst  und  VVissensehaft  finden  gebührende 
Berücksichtigung. 

Bulletin  of  the  United  States  Geological  Survey.    Government 
Printing  ( tffiee. 

a.  Correlation  Papers. 
No.  82.  Charles  A.  Wliite,  Cretaceous.  Washington  1891. 
Der  Verfasser  gieht  eine  allgemeine  Ucbersicht  über  dici 
Kreideablagerungen  auf  dem  uordamerikanischen  Continente,  ohne 
dabei  auf  eine  Parallelisiruug  derselben  mit  den  cretaeeisehen 
ßildungen_  anderer  Erdtheile  einzugehen.  Er  besehränkt  sieli  eben 
nur  auf  die  nordanierikaniselien  Kreidevorkommen,  welche  er  mit 
einander  vergleicht  und  zu  identificiren  sucht.  Nach  einer  Reihe 
allgemeiner  einleitender  Bemerkungen,  z.B.  über  Zweck  und  Ent- 
steluing  seiner  Arbeit  u.  s.  w.,  giebt  er  ein  sehr  umfangreiches 
Litteraturverzeichniss,  welchem  er  eine  historische  Skizze  über 
die  Entwiekelung  der  Kenntniss  der  nordamerikanischen  Kreide 
folgen  lässt.  Alsdann  werden  die  Gebiete,  in  welchen  die  Kroide- 
ablageruugeu  entwickelt  sind,  einzeln  besprochen,  und  zwar  1) 
die  Atlantische  Küsten-,  2)  die  Golf-Küsten-,  3)  die  Texanische, 
4)  die  Nord-Me.xikanische,  5)  die  südliche  Inland-,  G)  die  nördliche 
Inland-  und  7J  die  Pacifische  Küsten-Region.  Alle  anderen  Kreide- 
Vorkommen,  welche  nicht  in  diese  Anordnung  mit  einbegrili'en 
sind,  wie  diejenige  Süd-Mexicos,  Central- Amerikas,  Grünlands, 
Alaskas,  sowie  endlich  vereinzelte  Punkte  im  Geliiete  der  A'er- 
einigteu  Staaten,  die  nicht  den  obengenannten  7  Regionen  sieh 
einfügen  Hessen,  werden  gesondert  ^ds  Extra-Regional-Districts 
behandelt.  Es  folgt  alsdann  eine  Reihe  von  Profiltafeln  und 
zum  Schkiss  eine  kurze  Darstellung  der  einzelnen  Kreidehorizonte. 
—  Ausgestattet  ist  das. 274  Seiten  starke  Heft  mit  3  Tafeln,  wovon 
eine  die  Entwiekelung  der  verschiedenen  Horizonte  in  den  ein- 
zelnen Regionen  veranschaulicht,  die  beiden  anderen  Uebersiehts- 
karten  darstellen,  und  zwar  die  eine  in  Schwarzdruek  die  räum- 
liche Ausd(dnning  clor  Regionen,  die  zweite  das  gesammte  Kreide- 
gebiet Nordamerikas  in  Buntdruck  zeigt.  —  Für  jeden  Geologen, 
der  sich  mit  dem  Studium  der  Kreide  beschäftigen  muss,  ist  die 
vorliegende  Arbeit  eine  ebenso  willkounnene  Ergänzung  der  cin- 
schliigigen  Litteratur  wie  ein  unentbehrliches  Handbuch. 


No.  83.  William  Bullock  Clark ,  Eoceno.  Washington  1891. 
In  ähnlich  umfassender  Weise,  wie  im  vorigen  Hefte,  wird 
in  diesem  das  Eocaen  dargestellt.  Nachdem  der  Verfasser  in  der 
Einleitung  u.  a.  festgestellt  hat,  was  unter  Eocaen  in  Amerika 
zu  verstehen  ist  (Eintheilung  des  amerikanischen  Tertiärs  in 
Eocaen  und  Neocaen.  Ersteres  deckt  sieh  nur  selten  mit  dem, 
was  in  Europa  darunter  verstanden  wird,  und  ist  wieder  in  Unter-, 
Mittel-  und  (_tl)cr-Eoeaen  gegliedert),  bespricht  er  die  drei  grossen 
Gebiete,  in  welche  mau  in  den  Vereinigten  Staaten  das  Eocaen 
nach  seiner  geograpliisclien  Verbreitung  gliedert:  1)  das  Atlan- 
tische und  Golf-Küsten-Gebiet,  2)  das  Pacifische  Küsten-Gebiet, 
3)  das  Inland-Gebiet.  Bei  der  Darstellung  des  ersteren,  welches 
wieder  in  4  Provinzen  (New  Jersey,  Mar3'hiud- Virginia,  Carolina- 
Georgia  und  Golf  province)  gotheift  wird,"  erwähnt  Verf.  auch  die 
Versuche,  welche  zwecks  Parallelisirung  des  Eocaens  von  Europa 
und  Amerika  gemacht  worden  sind.  Obwohl  gewisse  Aehulich- 
keiten  in  den  Ablagerungen  und  in  der  Fossilienführung  vorhanden 
sind,  sind  speciellere  Identificirungs-Versuche  zwischen  den  ein- 
zelnen Horizonten  nicht  angebracht.  Das  amerikanische  Eocaen 
entspricht  dem  Eocaen  und  Oligocaon  Europas.  Das  Heft  ist 
174  Seiten  stark  und  enthält  2  Kartenskizzen,  deren  eine  die  Ver- 
breitung und  Gliederung  des  Eocaens  in  Alabama,,  die  andere  eine 
Uebersicht  des  ganzen  Vorkommens  innerlialb  der  Vereinigten 
Staaten  bietet.  Ein  umfangreiches  Litteraturverzeichniss  und  ein 
sorgfältig  ausgearbeiteter  Index  erleichtern  die  Benutzung  des 
willkommenen  Werkes   ganz  wesentlich. 


No.    84.      William    Healey    Dali    and    Gilbert    Dennison 
Harris,  Neocene.     Washington  1892. 

Nach  einem  kurzen  geschichtlichen  Ueberblick  über  die  Kennt- 
niss der  Känozoischen  Periode  in  Amerika,  werden  die  Grenzen 
derselben  gegen  die  älteren  und  die  jüngeren  Formationen  fest- 
gestellt, ihre  Unterabtheilungeu  (Eocaen,  Miocaen,  Pliocaen  — 
letztere  beiden  zu.sammen  Neocaen)  kurz  besprochen  und  endlich 
die  geographische  Verbreitung  des  Neocaens  erläutert.  Das 
Neocaen  zerfällt  in  drei  durch  ihre  Verbreitung,  Fauna  u.  s.  w. 
von_  einander  geschiedene  Gebiete:  1)  Das  Atlantische,  2)  das 
Pacifische  Küsten-Gebiet  mit  marinen  Ablagerungen  und  o]  das 
Inland-Gebiet  mit  Land-  und  Süsswasserbildungen. 

Diese  Regionen  finden  eine  eingelu'ude  Erörterung,  indem  ihr 
Auftreten  —  von  Norden  beginnend  —  durch  die  einzelnen 
Staaten  hindurch  verfolgt  wird.  Der  Staat  Florida,  dessen  Boden 
ganz  aus  tertiärem  Gestein   besteht,    ist  besonders  eingehend  be- 


schrieben, weil  einerseits   dies   Gebiet   fast   ganz   unbekannt  war, 

andererseits  durch  seine  Beschaifenheit  von  specicllcm  Interesse 
ist.  Zum  ersten  Male  wird  in  der  vorliegemlen  Arbeit  auf  Grund 
sorgfältiger  Forschungen  gezeigt,  dass  bis  zum  Pliocaen  Florida, 
soweit  es  bereits  aus  dem  Meere  hervorragte,  eine  vom  Fcstlande 
durch  eine  breite  Strasse  getrennte  Insel  war.  Die  Arbeit  be- 
schränkt sich  nicht  ;dlein  auf  das  Gebiet  der  Vereinigten  Staaten, 
sondern  erstreckt  sich  auch  auf  Britisch  Columbion.  Eine  Anzahl 
Textillustratiouen,  Profile,  Tabellen,  sowie  ein  Verzeichniss  der 
Namen,  welche  für  tertiäre  Ablagerungen  und  Schichten-Com- 
plexo  in^  den  Vereinigten  Staaten  angewandt  werden,  endlich  ein 
sorgfältiges  Register  erleichtern  das  Verständniss  der  werthvollen 
Arbeit  und  orieutiren  den  sich  damit  Beschäftigenden  schnell.  Die 
Stärke  des  Bandes  beträgt  ;iüO  Seiten,  ausgestattet  ist  derselbe 
noch  mit  o  Karten  in  Farbendruck:  Geologische  Karte  von  Florida, 
Karte  der  Neocaenvorkonnnen  in  den  Vereinigten  Staaten  und 
Karte  der  Verbreitung  des  Neocaens  in  Alaska. 


No.  85.     Israel    Cook  Rüssel,   The  Newark   Svstem.     Was- 
hington 1892 

Das  „Newark-System"  ist  ein  wohl  begrenzter,  fossilien- 
fiihrender  Schichteucomjdex,  welcher  in  die  untere  mesozoische 
Formationsgru])iie  geliört.  Seine  genaue  Idcntifizirung  mit  euro- 
)iäischen  Formationsgliedern  hat,  wie  dies  mei-tens  hinsichtlich 
der  amerikanischen  Ablagerungen  der  Fall  ist,  bis  jetzt  nicht  zum 
Abschlüsse  gebracht  worden  können.  Die  Batrachier  und  Crusta- 
ceen  weisen  in  die  oberste  Trias,  erstei-e  auf  den  Keuper,  letztere 
speciell  auf  das  Rhaet;  die  Fische  zeigen  Anklänge  an  solche  des 
Jura.  Die  für  die  geologische  Altersbestimmung  so  wichtigen 
Pfianzen  halien  ebenfalls  triassischen  Charakter,  und  zwar  halten 
Heer,  Stur  und  Zedier  sie  auf  solche  des  Kcupers  bezogen,  Fon- 
taine und  Newlterry  auf  diejenigen  des  Rhaet,  während  in  aller- 
noucster  Zeit  S.  F.  Ward  sie  mit  denjenigen  des  Lnnzer  Saud- 
steijis  und  der  Ablagerungen  von  Neue  Welt  bei  Basel,  also 
solchen  der  unteren  karnischeu  Stufe  der  alpinen  Trias  zusammen- 
stellt. Bekannt  ist  das  „Nowark-System"  schon  seit  langer  Zeit 
und  ist  vielfach  gedeutet  und  benannt  worden :  (_)ld  red  sandstone 
(Maclure),  Siluriau  (J.  H.  Conrad),  New  red  sandstone  System 
(Hitchcok),  Permian  (Murchison),  u.  a.  Permian  Triassic  (Lyell), 
Triassic  and  Jurassic  (Dana.)  etc.,  etc.  —  eine  sorgsame  Ueber- 
sicht aller  dieser  Benennungen,  ihrer  Autoren,  des  Jahres  und 
des  Werkes  giebt  der  Verfasser  auf  Seite  16,  17  un<l  18  seiner 
Arbeit.  Verbreitet  ist  das  „Newark  System"  in  einer  vielfach 
unterbrochenen  Zone  längs  der  atlantischen  Küste  Nordamerikas : 
New  Brunswick,  Nowa  Scotin,  im  Connecticut-Thal  und  seiner 
Nachbarschaft  und  in  den  Staaten  Massachusetts  und  Con- 
necticut, vom  Staate  New-York  am  rechten  Ufer  des  Hudso:i 
River  in  einem  ununterlirocheneu,  anfangs  nach  SW.  (New  Jersey 
und  Pennsylvania),  dann  fast  nach  S.  (Maryland)  gerichteten 
Bande  bis  südlich  Cul]ieper  in  Virginia  und  südlich  liiervun  in 
mehreren  isolirten  Partien,  endlich  in  Nord-Carolina.  Das  allge- 
meine Streichen  des  ganzen  Zuges  ist  NO.  zu  SW.  Im  Uebrigeu 
verweisen  wir  auf  die  fleissigo  Arbeit  des  Verfassers  selbst,  w-elche 
durch  ein  sehr  umfangreiches,  ca.  200  Seiten  einnehmendes  Litte- 
raturverzeichniss noch  werthvoller  wird.  Ausgestattet  ist  der 
314  Seiten  starke  Band  mit  7  Karten,  welche  die  Verbreitung  des 
Newark-Systems  in  Farbendruck  zeigen  (darunter  die  erste  als 
Uebersichtskarte),  6  Tafeln  mit  Abbildungen  und  Profileu  und 
mehreren  Textillustrationen. 


No.  86.    Charles  Richard  van  Hise;  Archean  and  Algou- 
kian.     Washington   1892, 

In  einem  stattlichen,  552  Seiten  starken  Bande  giebt  der 
Verfasser  eine  Uebersicht  über  den  gegenwärtigen  Stand  der 
Kenntniss  der  vorcamlirischen  Gesteine  in  den  Vereinigten  Staaten 
und  in  Canada.  Das  Cambrium  schliesst  nach  dem  Verfasser  in 
Amerika  mit  den  Olcnellus-Schichten  ab.  Darunter  folgt  ein 
Schichtencomplex  von  oft  sehr  grosser  Mächtigkeit,  bestehend 
aus  elastischen  und  ihnen  ä(iuivalenten  crystalliuischen  Gesteinen. 
An  vielen  Lokalitäten  sind  hierin  Fossilien  (eine  kleine  an  Pa- 
tella erinnernde  Form,  Liugula-artige  Schalen,  Trilobiten-Reste  etc.) 
gefunden  worden,  und  es  ist  möglich  gewesen,  auch  zuweilen  eine 
Gliederung  dieses  Schichten-Complexes  durchzuführen;  indessen 
ist  letzteres  nur  sehr  vereinzelt  angängig.  Die  U.  S.  Geological 
Survey  hat  daher  für  diesen  Complex  die  Bezeichnung  Algonkian 
angenommen.  Nach  unten  zu  wird  derselbe  von  dem  Archean 
begrenzt,  welches  für  Amerika  den  eigentlichen  Gesteins-Unter- 
grund bildet  und  aus  Granit,  Gneis  und  Schiefern  besteht.  Seine 
untere  Grenze  ist  nicht  bekannt.  Als  Aufeinandi'rfolge  der  Zeit- 
alter und  Formationen  in  Amerika  wird  demnach  die  folgende 
angenommen: 

Zeitalter:  Formation: 

Zu  Unterst  Archäisches  Archean. 

Agnotozoisches   oder 

Proterozoisches 


xMgonkian. 


490 


NatnrwissenschaftHt'lie  Woclien.sclirif't. 


Nr.  44. 


Zeitalter: 


Palacozoisclios 


Forniiltion : 

f  Cainbriuin. 

I    Silur. 

I   Devon. 

I  Carbon. 
Der  Alltor  bchaudelt  die  liauptsächliehsten  Gebiete  iu  beson- 
deren Capiteln  in  folgender  Reihenfolge:  1)  Ost-Ontario,  West- 
Quebee  nnd  das  Gebiet  zwischen  Nord-Kanal,  Huronen-  und 
Tcmiscamang-See;  2)  das  Gebiet  des  Oberen  Sees;  3)  das  grosse 
nördliche  Gebiet  (Hud8on-Ba3'-Gegend,  Nord-Canada,  den  unteren 
St.  Lorenz-Strom  und  die  Gegenil  westlich  davon  bis  zu  den  Seeen 
St.  John  und  Misstassini;  4)  Üst-Canada  und  New-Foundland ; 
5)  isolirte  Gebiete  im  Mississippi-Thal;  6)  die  Cordilleren;  7)  die 
östliclion  Vereinigten  Staaten.  Bei  den  einzelnen  Gebieten,  welche 
ihrerseits  wieder  in  verschiedene  Theile  zerfallen,  wird  die  darüber 
bestehende  Litteratur  aufgeführt  und  besjirochen  und  die  Ent- 
wickolung  der  geologischen  Kenntniss  der  lietreft'endeu  Gegenden 
liistoriseli-kritisch  erörtert.  Im  Schlusscapitel  wird  ein  umfassendes 
Resume  der  verschiedenen  Ansichten  über  das  gesammte  praecam- 
brische  Gebirge  gegeben  und  die  Resultate  der  Forscliungen, 
sowie  die  Gesichtspunkte,  von  welcliem  aus  dieselben  nnter- 
nonnnen  worden,  einer  eingehenden  Besprechung  unterzogen. 
Ausgestattet  ist  das  Werk  mit  12  Karten,  welche  in  Buntdruck 
die  in  Rede  stehenden  Formationen  in  den  einzelnen  (^lebieten 
oder  Theileu  derselben  darstellen. 


b.    Verschiedene  Schriften. 
No.  'M.     Frank    Wigglcs  worth    Clarke.    Report   of    work 
done  in  the  Division  of  Cheniistrv  and   Physics  niainly 
dnring  the  fiscal  year  1S90— 91.     Washington   1S92"( 

Das  80  Seiten  umfassende  Heft  bringt  eine  Ri'ihe  von  Ge- 
steins-Analysen und  crystallograpliischen  Ifutersnchungeii,  welche 
in  der  chemischen  und  physikalischen  Abtheilung  der  U.  S.  Geo- 
logieal  Survey  ausgeführt  worden  sind. 


No.  91.     Nelson  Horatio  Darton,  Reeord  of  North  Ame- 
rican Geology  for  1890.     Washington  1891. 

Das  SB  Seiten  starke  lieft  bringt  ein  Verzeichniss  von  Pnbli- 
cationen  geologischen  Inhaltes,  welche  in  Nord-Amerika  gedruckt 
sind  oder,  wenn  ausserluilb  ersidiienen,  docli  auf  die  GeoUigic 
Nord-Amerikas  Bezug  haben,  sowie  kurze  Inhaltsangaben  dieser 
Werke.  Rein  paläontologische  oder  mineralogische  Arbeiten  sind 
nicht  berücksichtigt. 


No.   92.     Carl    Barus,    T  li  e    Compres  sib  il  i  t  v    of   Liquids. 
Washington  1892. 

Die  Ai-beit.  ein  Heft  von  96  Seiten  füllend,  handelt  über 
Untersuchungen,  welche  der  Verfasser  im  Laboratorium  der 
U.  S.  Geologieal  Survey  über  die  Thermodynamik  von  Flüssig- 
keiten angestellt  hat.  Im  1.  Capitel  (Seite  17 — 67)  wird  die  Ab- 
hängigkeit des  Volumens  verschiedener  Flüssigkeiten  von  Druck 
und  Temperatur  erörtert  und  eine  Anzahl  aus  Experimenten  ge- 
wonnener Resultate  angeführt.  Das  zweite  Capitel  bringt  eine 
interessante  Untersuchung  über  die  Wirkung  des  Druckes  auf  das 
elektrische  Leitungsvermögen  des  Quecksilbers.  Die  Zusammen- 
pressbarkeit  des  Wassers  über  100°  und  seine  auflösende  Wir- 
kung auf  Glas  bildet  den  Inhalt  des  3.  Abschnittes.  Das  4.  Ca- 
pitel endlich  behandelt  die  Löslichkeit  vulkanisirten  indischen 
Gummis  in  verschiedeneu  Flüssigkeiten.  Untersuchungen,  wie 
die  vorstehend  genannten,  sind  für  die  Geologie  von  grossem 
Werthe,  da  aus  ihnen  Scidüsse  auf  die  bei  der  Gestaltung  der 
Erdrinde  im  Grossen  wirkenden  Kräfte  gezogen  werden  können. 
.i9  Tabellen  und  29  Tafeln  mit  Abbildungen  und  graphischen 
Darstellungen  erleiclitern  das  Studium  der  fleissigen  Arbeit. 


No.    93.      Samuel    Hubbard    Scudder,    Some     Insects    of 
Special  Interest  from  Florissant,  Colorado  and  other  points 
in  the  Tertiaries  of  Colorado  and  Utah.     Washington  1892. 
Ans  dem  Oligocän  von  Colorado   (namentlicli  Florissant)  und 
Utah  beschreibt   der  Verfasser  9   neue  Insecten-Arten,    nnd   zwar 
2  Nenroiiteren,    1    Hemiptere   (Cicada   grandiosa),    2   Coleopteren, 
2  Dipteren.    1   Leiiidoptere   und  1  Hymenoptere.     Die  durch  ihre 
Grösse   auffallende  Cicade    ist    die   erste    aus   Amerika   fossil   be- 
kannte Cicadide.    Die  28  Seiten  umfassende  Arbeit  ist  mit  3  Tafeln 
ausgestattet. 


No.  94.  Carl  Barus,  The  Meclianism  of  solid  Viscosity. 
Washington  1892. 

Die  Arbeit  ist  eine  Fortsetzung  der  vom  Verfasser  im  Bulletin 
No.  73  (1891)  veröftontlichten  „Die  Viscosität  fester  Substanzen" 
und  beschäftigt  sich  mit  solchen  Untersuchungen  über  die  Zähig- 
keit fester  Substanzen,  welche  auf  den  viscose  Bewegung  beför- 
dernden molekularen  Bau  Bezug  haben. 

Das  Heft  ist  138  Seiten  stark  und  mit  24  Illustrationen  und 
59  Tabellen  ausgestattet. 


No.    95.      Edward     Singleton     Holden,     Earthquakes    in 
California  in  1890  and  18:n.     Washington   1892. 

Die  32  Seiten  füllende  Arbeit  ist  eine  Fortsetzung  der  Erd- 
bebenverzeichnisse, zusammengestellt  vom  Verfasser  und  Prof. 
Keeler,  und  unifasst  den  Zeitraum  von  Anfang  1890  bis  Ende  1891. 
Sie  notirt  und  charakterisirt,  je  nach  der  Heftigkeit  und  Genauig- 
keit der  Beobachtung,  resp.  Meldung  in  chronologischer  Reihen- 
folge sämmtliche  Erdbeben,  welche  auf  dem  Lick-Ctbservatorinm 
des  Mount  Hamilton  beobachtet  oder  gespürt,  sowie  alle  die- 
jenigen, welche  brieflich  gemeldet  wurden  oder  durch  Zeituiigs- 
nacli lichten  dortselbst  zur  Kenntniss  gelangten.  Verfasser  giebt 
zunächst  die  in  Gebrauch  betindlichen  Instrumente  (vor  allen  an- 
deren Ewing's  Seismographen)  an,  alsdann  die  Intensitäten-Scala 
(von  I  bis  X,  wobei  I  die  Bezeichnung  für  die  schwächsten  Stösse 
—  mikroseismische  —  ist)  und  darauf  die  Stationen  an  der  paci- 
fischen  Küste,  auf  denen  mittel^  Apparate  Beobachtungen  ange- 
stellt werden.  .  Aus  dem  Jahre  1890  sind  30  Erdbebentage  notirt, 
von  denen  4  dem  Januar,  4  dem  Februar,  3  dem  April,  2  dem 
Mai,  3  dem  Juni,  5  dem  Juli,  2  dem  August,  4  dem  September, 
2  dem  October  und  1  dem  December  angehören.  Die  34  Beben- 
tage des  Jahres  1891  vertheilen  sich,  wie  folgt:  Januar  .5,  Februar 
1,  April  3,  Mai  3,  Juni  3,  Juli  3,  August  1,  September  5,  Dctober 
6,  November  2,  DecenJjer  3.  Das  heftigste  Beben  von  1891  war 
dasjenige   am  2.  Januar. 

No.  96.  C  a  r  I B  a  r  u  s ,  T  h  e  V  o  1  u  m  e  T  h  c  r  m  o  d  y  n  a  m  i  c  s  o  f  L  iq  u  i  d  s. 

Das  100  Seiten  starke  Heft  enthält  Untersuchungen  über  die 
Volumen-Thermodynamik  von  Flüssigkeiten  und  ist  der  Anfang 
einer  grösseren  Reihe  von  Studien  seitens  des  Verfassers.  Im 
1.  und  3.  Capitel  stellt  der  Autor  die  Methoden  dar,  hohen  Druck 
(2000  bis  3000  Atmosphären)  zu  erzeugen  und  zu  messen,  im  2.  Ca- 
pitel behandelt  er  die  Isometrik  von  Flüssigkeiten,  im  4.  die  Iso- 
thermalien. 

Ausgestattet  ist  die  beachtenswerthc  Arbeit  mit  8  Tafeln, 
13  Textillustrationen  und  46  Tabellen. 

Filarszky,  Dr.  Nändor,  Die  Characeeu.     Bu<lapest      6  M. 
Haeckel,  Ernst,    Indische  Reisebriefe.      3.  Autl.     Berlin.     6,50  M. 
Heydebreck,    Dr.    A.  v.,    Ueber  die  Gewissheit  im  Allgemeinen. 

Leipzig.     1.20  M. 
Jordan,    Prof.    W.,    Logarithmisch-trigxmometrische    Tafeln    für 

neue    (centesimale)  Thrilung    mit    6   Decimalstellen.     Stuttgart. 

12  M. 
Kerville,  Henri  Gadeau  de,  Die  leuchtenden  Thiere  und  Pflanzen. 

Leipzig.     3  M. 
Kodis,  Josepha,  Zur  Analyse  des  Apperceptionsbegritt'es.    Berlin. 

4  M. 
Kuntze,    Dr.  Otto,    Revisio    generum    plantarum    secundum   leges 

nomenclaturae  internationales.     Leipzig.     50  M. 
Ijauterborn,  Rob.,   Ucdier  Bau  und  Kerntheilung  der  Diatomeen. 

Heidelberg.     1,20  M. 
Meyer,   Loth.,    GrundzÜL'c    der    theoretischen    Chemie.     2.   Aufl. 

Leipzig.     5,50  M. 
Planck,    Prof.    Max,    Grundriss    der    allgemeinen    Termochemie. 

Breslau.     4  M. 
Rohn,  Karl,  u.  Erwin  Papperitz,  Prof.  DD.,    Lchibuch  der  dar 

stellenden   (ieouietrie.      |.   Bd.     Leipzig.      12  M. 
Weber,    Prof.  Dr.  Max,    Zoologische    Ergebnisse    einer  Reise    in 

\iederländi,-eli-Ostindien.     3.  Bd      Leiden.     20  M. 
Weber's,  Wilh.,  Werke.     5.  Bd.     Berlin.     18  M. 
Weiss,    Prof.    Dr.    E.,    Ueber    die    Bestinnnung    der    Bahn    eines 

lliiiuiudskörpers  aus  drei  Beobachtungen.     Wien.     2,50  M. 
Wenzel,  Karl,  Die  Rabenarten  Norddeutschlands.     Stettin.     1  M. 


Berichtigung. 


In  No.  42  muss   es   auf  Seite  455,   erste  Spalte,    Zeile  34   von 
oben   pädogeu  etisch   statt  paragenetisch  heissen. 


Inhalt:  Pn.f.  Dr.  H.  Schubert:  Mathematische  Spieh'reien  in  kritischer  und  historischer  Beleuclitung.  Vlll.—  Carl  von  Nägeli: 
,,( tligodynamischo"  Erscheinungen  in  lebenden  Zellen.  —  Die  physiologische  Bedeutung  des  Zellkerns.  —  Ueber  die  Volumen- 
Reductiou  bei  Umwandlung  von  Pflnuzen-Material  in  Steinkohle."  —  Selbstthätige  Spiritus-Gebläselanipe.  —  Aus  dem  wissen- 
schaftlichen Leben.  —  Litteratur:  Prof.  Dr.  Oscar  Hert\\ig:  Lehrbuch  der  Entwickelungsgeschichte  des  Menschen  und  der 
Wirbelthirre.  —  Engl  er  und  Pran  tl:  Die  natürlichen  Pflaiizenfamilien.  —  E.  J.  Marey:  JUie  Chronoiihotographie.  —  Bulletin 
of  the  United  States  Geologieal  Survey.  —  Liste    —  Berichtigung. 


Nr.  44. 


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Meci')  15  M.,  Uiu  desgl.  der  ganzen  Erde 
(Land,  .Süsswasser  und  Meer)  30  M.,  .'>o  desgl. 
Land  und  Süsswasser  Deutschlands  10  M., 
25  desgl.  der  Euroitäischen  Meere  S  M. 

Schmetterlinge:  25  Arten  Deutschlands 
6  M.,  50  desgl.  Deutschlands  12  M.,  loock-sgl. 
Deutschlands  25  M.,  10  desgl.  aus  üliersee- 
ischen  Ländern  5  M.,  20  desgl.  aus  üher- 
seeischen  Ländern  12  M. 

Käfer: 

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\ ._  Malay,  Archipel,  Australien  und  Kaiser 
W'illielnislanit,  lirasiiien,  Chile  etc.  etc.  zu 
l'rrisen  von  M,  .'i,  10,  i.i,  l'u,  :'.o,  40  und  50  M. 


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auf  llrundlage  der  Anhagen'.schen  topogr.aphi.schen  Karte  und  der  geo- 
gnostischen Uebersichtskarte  von  K.  A.  Lossen;  inodellirt  von  Dr.  K.  Bus». 
Slaassstal)  1  :  luu.OÜO  (achtfache  Ueberhöhung.)    In  eleg.  Holzrahmen  M.  li;u.— . 

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Hierzu  eine    Beilage   vou    der   Verlagsbuchhandlung     H.  Bechhold   in   Frankfurt  a.  Main,    betreffen 
Handlexikon  der  Natnnvissenscharien  niid  Medizin",  die  wir  hiermit  iK^sonderer  Beachtung  empfehlen. 


Verantwortlicher  Kedakteur:    I.)r.  Henry  Potonie,    Berlin  N.  4.,  Invalidenstr.  44,  für  den    Inseratentheil:    Hugo  Bornstein    iu 
Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.   12.  —  Druck:  G.  Bernstein,  Berlin  SW.  12. 


Berlin.   — 


Redaktion:  f         Dr.  H.  Potonie. 

Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  IS,  Zimmerstr.  94. 


VIII.  Band.             Sonntag,  den  5.  November  1893. 

Nr.  45. 

Abonnement:  Mau  abonnirt  bei  allen  Buehhandluugen  und  Post-             v             Inserate :  Die  viergespaltene  Petitzeile  40 -A.    Grössere  Aufträge  ent- 
anstalten,   wie  bei  der  Expedition.    Der  Vierteljahrspreis  ist  .//^  4.—            dp           sprechenden  Rabatt.  Beilagennach  Uebereinkunft.  Inseratenannahnie 
Bringegeld  bei  der  Post  15  4  extra.                                       JL                         bei  allen  Annoncenbureaux,  wie  bei  der  Expedition. 

Abdrnck  ist  nni-  mit  voll!i)täii«lig;er  Qaellenangabe  gestattet. 

„Oligodynamische"  Erscheinungen  in  lebenden  Zellen. 

Nach  einer  nachfcelasseneu  Arbeit  von  Carl  von  Niigeli. 


(Fortsetzung.] 


geboren 


lanjj 
Zellvvaiulung- 


Die  Spirogyren  —  mit  denen  N.  experiuientirt  bat  — 
bekanntlieb  zu  den  im  Wasser  lebenden  grimeu 
Fäden  (Wassertaden),  sie  sind  gegliedert  und  jedes  Glied 
besteht  aus  einer  cylindriscbeu  Zelle.  Man  kann  sich  also 
den  Faden  als  einen  durcb  Querwände  abgetbeilteu  Hobl- 
cylinder  vorstellen.  Diese  Scbeidewände  besteben  meist 
deutlicb  aus  zwei  Platten,  von  denen  jede  einem  Fach, 
d.  b.  einer  Zelle  angehört.  Jede  Zelle  enthält  einen  oder 
mehrere  gleicblanf'endc  grüne  .Spiralstreifen.  .Spirogyra 
nitida,  welche  sich  neben  der  verwandten  Spirogyra  dubia 
am  geeignetsten  für  die  Beobachtung  der  oligodynamischen 
Erscheinungen  erwies,  besitzt  einen  Durchmesser  von 
0,1  mm.  Die  Zellen  haben  je  nach  dem  Vegetations- 
zustande eine  sehr  ungleiche  Länge;  bald  sind  sie  kaum 
er  als  der  Durchmesser,  bald  übertreficn  sie  denselben 
Ulf  das  6  fache,  sehr  selten  bis  auf  das  10 fache.  Die 
ist  4  Mik.  (=  0,004  mm)  dick  und  besteht 
aus  der  eigentlichen  Zellmembran  und  der  den  ganzen 
Faden  ununterbrochen  überziehenden  Seheide;  letztere  ist 
doppelt  so  dick  als  erstere.  Der  feste,  plasinatische  In- 
halt besteht  aus  drei  concentrisch  angeordneten  Systemen. 
Wie  in  allen  Ptlanzeuzellen  betiudet  sieb  zunächst  an  der 
Membran  der  ihr  dicht  anliegende,  äusserst  düinie,  farb- 
lose Plasmaschlauch,  welcher  wegen  seiner  Diinuheit  in 
der  natürlichen  Lage  nicht  sichtbar  ist,  aber  sofort  deut- 
licii  wird,  wenn  er  sich  in  verdünnten  Lösungen  von 
Zucker,  Glycerin,  Salzen  oder  Weingeist  von  der  Zell- 
membran zurückzieht.  Auf  denselben  folgen,  jedoch  auf 
die  Cylindertläche  beschränkt,  die  grünen  Spiralbänder, 
welche  bei  Spirogyra  nitida  in  der  Zahl  von  5,  selten  4 
oder  6  vorhanden  sind,  und  in  den  kurzen  Zellen  '/s  bis 
1  Windung,  in  den  langen  2  bis  21/2  Windungen  be- 
schreiben. Die  Spiralbänder  sind,  wie  bei  allen  Spiro- 
gyren, rinnenförmig,  mit  balltruudeni  Querschnitt  und  nach 
innen  gekehrter  convexer  Seite,    so  dass  zwischen  einem 


Band  und  dem  Plasmaschlauch  ein  halbkreisförmiger  Canal 
sicii  befindet.  Die  beiden  Ränder  des  rinuenförmigen 
Bandes  sind  gezackt,  so  dass  sie  nur  mit  einzelnen  Punkten, 
nämlich  mit  den  Spitzen  der  Zacken,  den  Plasmaschlauch 
berühren.  Die  Einbuchtungen  zwischen  den  Zacken  stellen 
bogenförmige  Eingänge  dar,  durch  welche  eine  Communi- 
cation  zwischen  der  Zellhöhlung  und  dem  Hohlraum  der 
Rinne  hergestellt  und  ebenso  ein  ungehinderter  Durch- 
gang für  Körpereben,  welche  in  der  Längsrichtung 
dem  Plasmaschlauch  sich  fortbewegen, 
Ein  grünes  Band, 
ein  von  Pfeilern, 
kann,  getragener 
Band  ist  an  den 
nimmt  nach  der  Mittellinie  an  Dicke  zu.  Hier  springt  der 
Rücken  leistenartig  oder  kammartig  vor  und  erscheint  auf 
der  Flächenausicht  als  ein  scharf  begrenzter,  dunkel- 
grüner Rückenstreifen;  zuweilen  mangelt  derselbe  strecken- 
weise, besonders  an  den  Enden  der  Spiralbänder;  manche 
Spirogyra -Arten  besitzen  ihn  gar  nicht.  In  den  Fäden 
mit  kurzen  Gliedern  haben  die  Spiralbänder  sehr  flach 
ansteigende  Windungen;  sie  sind  breiter,  sehr  reich  ge- 
zackt und  berühren  sich  beinahe,  so  dass  die  Zellen  ganz 
grün  erscheinen.  Strecken  sich  die  Glieder  in  die  Länge, 
so  wachsen  Zellwandung  und  Plasmascblaucii  stärker  als 
die  Bänder;  die  letzteren  rücken  auseinander,  indem  ihre 
Windungen  steiler  ansteigen;  sie  werden  schmäler  und 
zugleich    spärlicher    gezackt.     In    den   Spiralbändern   be- 


an 
ermöglicht  wird, 
von  der  Seite  angesehen,  muss  also  wie 
zwischen  denen  man  unten  durchgehen 
Viaduct  erscheinen.  Das  rinnenförmige 
beiden  (gezackten)  Rändern    dünn    und 


finden  sich  mit  grösseren  oder  geringeren  Abständen  die 
ringförmigen,  aus  vielen  kleinen  Theilkörnern  bestehenden 
Stärkekörner.  Dieselben  sind  Morgens  klein,  werden 
durch  die  assimilirende  Tliätigkeit  der  Chloropbyllbänder 
den  Tag  über  grösser,  um  während  der  Nacht  durch  Auf- 
lösung der  Stärke  wieder  abzunehmen.  Auch  ausserhalb 
der  ringförmigen  Stärkeköruer  können  in  einem  Chlorophyll- 


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band  sich  einzelne  kleine  Stärkekörnchen  bilden.  Den 
beiden  peripherischen  Plasmasjstemenjdem  Plasmaschlauch 
und  den  demselben  anliegenden  grünen  Spiralbändern 
steht,  durch  einen  grossen  Abstand  getrennt,  das  centrale 
System  gegenüber.  Dasselbe  wird  durch  den  Zellkern 
mit  etwas  anliegendem,  festem  Plasma  gebililet.  Wenn 
man  die  Spirogyrenfädeu  von  der  Seite  ansieht,  erscheint 
der  Zellkern  bei  Spirogyra  nitida  und  vielen  andern  Arten 
rechteckig,  bei  einigen  dagegen  linsenförmig.  In  Wirk- 
lichkeit ist  er  bei  den  crsteren  cylindrisch  und  in  der 
Richtung  der  Zellenaxe  wenig  verlängert;  unmittelbar  nach 
der  Zelltheilung  ist  er  der  Scheidewand  genähert  und  in 
der  Achsenrichtung  verkürzt.  JMitten  im  Zellkern  belindet 
sich  das  aus  dichterer  Substanz  bestehende  kugelige  Kern- 
chen; äusserst  selten  sind  zwei  Nucleoli  vorhanden.  Von 
den  beiden  Kanten  des  cylinderförniigen  Kerns  (scheinbar 
von  den  Ecken  des  Rechteckes)  strahlen  Plasmafäden  aus, 
die,  nicht  selten  nach  aussen  sich  verzweigend,  mit  ihren 
äussern  Enden  an  den  nach  der  Zcllhöhlung  vorspringen- 
den Rücken  der  Spiralbänder  sich  ansetzen,  und  zwar  an 
solche  Stellen,  wo  Stärkekörner  liegen.  Durch  diese  in 
kräftig  vegetirenden  Zellen  sehr  zahlreichen  Plasmafäden 
wird  der  Zellkern  unbeweglich  in  der  Mitte  des  Lumens 
schwebend  erhalten.  An  dem  Plasmaschlauch,  dem  Zell- 
kern und  an  den  Plasmafäden  haften  winzige  l'lasma- 
köruchen,  welche  nach  verschiedeneu  Richtungen  hin  fort- 
gleiten, oft  auch  wieder  zurückgehen.  Indem  mehrere 
Körnchen  sich  in  gleicher  Richtung  bewegen,  entsteht  der 
Anschein  eines  Strömchens.  Viele  Strömeheu  zusammen 
können  mehr  oder  weniger  deutlich  ein  Netz  darstellen. 
An  den  Plasmafäden  laufen  die  Körnchen  ziemlich  aus- 
schliesslich in  der  Läugsriclitung  derselben,  am  Plasma- 
schlauche überwiegend  in  der  Richtung  der  Zellenachse; 
hier  gehen  sie  unter  den  Spiralbändern  zwischen  deren 
Zacken  hindurch.  Der  Raum  in  der  Zelle,  welcher  zwischen 
dem  Kern  und  den  peripherischen  Plasmasystemen  sich 
befindet,  und  ebenso  die  Hohlräume  zwischen  den  rinnen- 
förmigcn  Spiralbändern  und  dem  Plasmaschlauche  sind 
mit  der  Zellflttssigkeit  erfüllt,  welche  aus  Wasser  und 
darin  gelösten  Stoffen  besteht.  Die  letztern  sind  theils 
molecularlösliche,  organische  und  unorganische  Verbin- 
dungen, theils  niicellarlösliches  Plasma,  welches  in  beson- 
ders reichlicher  Menge  vorhanden  ist  und  bei  verschiedenen 
krankhaften  Veränderungen  sich  kin-nig  ausscheidet. 

Das  geschilderte  Verhalten  der  Spirogyreuzellen  ist 
das  normale.  Bei  kräftigem  Vegetatiouszustande  lassen 
Tausende  von  Fäden  nicht  die  geringste  Abweichung  wahr- 
nehmen. Wirken  aber  schwache,  schädliche  Einflüsse  ein, 
so  treten  geringe  Störungen  ein;  man  findet  sie  an  wild- 
wachsenden, häufiger  aber  an  cultivirten  Pflanzen.  Die 
einen  sind  Störungen  im  Theilungsvorgauge,  die  man  als 
Missgeburten  bezeichnen  könnte  und  die  den  Vegetations- 
proeess  weiter  nicht  beeinträchtigen.  Hierher  gehören 
folgende  Erscheinungen.  Einzelne  Querwände  sind  nicht 
vollständig,  sondern  haben  ein  grösseres  oder  kleineres 
Loch  in  der  Mitte,  durch  welches  die  ZellflUssigkeiten  und 
manchmal  auch  die  Chlorophyllbänder  iler  beiden  Zellen 
in  ununterbrochener  Verbindung  stehen.  Die  Scheidewand- 
bildung ist  hier  unvollendet  geblieben.  —  Die  erwähnte 
Erhaltung  der  Spiralbänder  ist  ein  Beweis  dafür,  dass 
dieselben  oft  erst  in  einem  späten  Stadium  der  Theilung 
sich  spalten.  Geschieht  dies,  so  gerathen  sie  wohl  auch 
in  Unordnung,  so  dass  ein  Band  über  ein  oder  mehrere 
Bänder  kreuzend  hinweggeht,  welcher  Zustand  anfänglieh 
am  Ende  der  cylindrischen  Zelle,  später  aber  im  Verlaufe 
des  Wachsthums  und  der  Zelltheilungen  auch  in  der  Mitte 
einer  Zelle  beobachtet  wird.  Die  unvollkommene  Thei- 
lung kann  sich  auch  in  der  Lage  des  Zellkerns  kund- 
geben.    Er   befindet  sich   dann  nicht  in   der  Glitte  seiner 


Zelle,  sondern  oft  sehr  nahe  dem  einen  Ende  derselben. 
So  oft  dies  der  Fall  ist,  wird  ganz  das  nämliche  in  der 
benachbarten  Zelle  beobachtet,  so  dass  die  beiden  Kerne, 
die  durch  Theilung  aus  einem  Mutterkern  hervorgegangen, 
einander  genähert  sind.  —  Viel  seltener  kommen  in  einer 
Zelle  zwei  Kerne  vor,  indem  die  Schcidewandbildung 
ganz  ausgeblieben  ist.  Dieselben  können  sogar  noch  durch 
Plasmafäden  mit  einander  verbunden  sein.  Die  genannten 
Unregelmässigkeiten  haben  keine  nachtheiligen  Folgen 
für  das  vegetative  Zellenleben.  Andere  Störungen,  die 
durch  äussere  schädliche  Einflüsse  verursacht  werden, 
steigern  sich  beim  Andauern  dieser  Einflüsse,  bis  sie  mit 
Tod  und  Fäulniss  enden.  Sie  treft'en  alle  Theile  des  In- 
haltes und  stellen  das  natürliche  Absterben  dar.  Die 
Spiralbänder  bleiben  beim  natürlichen  Absterben  zwar  am 
Plasmaschlauch,  aber  verändern  hier  ihre  Lage;  sie  wer- 
den der  Zellenachse  mehr  oder  weniger  parallel,  biegen 
sich  hin  und  her  und  gerathen  oft  ganz  in  Unordnung, 
wobei  sie  stellenweise  bis  zur  Berührung  sich  nähern 
k(lnnen;  dann  zerfallen  sie  in  kleine  Stücke.  Die  Spiral- 
bänder verändern  ferner  ihre  Gestalt;  die  Zacken  ver- 
mindern sich  und  verschwinden  zuletzt  ganz;  das  Band 
wird  schmäler,  verliert  seine  Rinne  und  nimmt  einen 
ovalen  oder  rundlichen  Querschnitt  an.  Die  von  dem  Zell- 
kern ausgehenden  Plasmafäden  werden  beim  natürlichen 
Absterben  weniger  zahlreich  und  verlieren  sich  vollständig; 
dabei  rückt  der  Kern  an  die  Wandung,  vergrössert  sich 
und  rundet  sich  ab.  Seine  Substanz  wird  körnig,  ebenso 
die  des  Kernchens,  und  die  Kernmembran  hebt  sich  ein- 
seitig als  Blase  ab.  Die  strömende  Bewegung  hört  auf. 
In  der  Zellflüssigkcit,  meistens  zuerst  au  den  Scheide- 
wänden, scheiden  sich  winzige  Körnchen  aus,  die  sich  in 
tanzender  Bewegung  befinden  und  zuletzt  oft  die  ganze 
Zellhöhlung  dicht  "erfüllen.  Der  Plasmaschlauch  wird 
dunkel,  erscheint  körnig  und  zieht  sich  etwas  von  der 
Membran  zurück,  indem  die  Turgescenz  der  Zelle  sich 
vermindert  und  in  gänzliche  Schlaffheit  übergeht.  Die 
geschilderten  Veränderungen  charakterisireu  das  natür- 
liche Absterben,  wie  man  es  so  häufig  bei  Zimmerculturen 
beobachtet.  Auf  den  natürlicben  Standorten  ist  es  meistens 
in  den  tieferen  Theilen  der  Rasen  und  schliesslich  in  den 
ganzen  Rasen  zu  treffen.  Die  ersten  Merkmale  der  Er- 
krankung werden  bald  an  den  Chlorophyllbändern,  bald 
au  den  Strömchen,  am  Zellkern  oder  in  der  Zellflüssig- 
kcit sichtbar.  Nicht  selten  sterben  zuerst  die  Endzellen 
eines  Fadens  ab  und  trennen  sich  los.  Seltener  machen 
mittlere  Glieder  den  Anfang,  wobei  der  Faden  in  Stücke 
zerbricht.  Häufig  erkranken  alle  Zellen  eines  Fadens 
gleichzeitig,  wobei  der  letztere  meist  nicht  in  einzelne 
Theile  zerfällt. 

Um  einen  Ueberblick  über  die  krankhaften  Verände- 
rungen, welche  durch  die  gemeiniglich  als  (<ifte  bezeich- 
neten Stoffe  hervorgebracht  werden,  zu  gewinnen,  müssen 
wir  sie  einmal  von  den  oligodynamischen  Veränderungen 
unterscheiden.  Die  nämlichen  Stofle,  welche  in  minimalen 
Mengen  die  letztern  bewirken,  verursachen  in  gWisseren 
Gaben  die  crsteren,  die,  um  eine  Bezeichnung  zu  haben, 
die  chemischen  oder  chemisch-giftigen  Wirkungen  genannt 
werden  mögen,  weil  damit  wohl  ihr  hauptsächlichster 
Charakter  augedeutet  sein  dürfte.  Ferner  ist  zu  bemerken, 
dass  die  chemisch -giftigen  Stoffe  nicht  eine  besondere 
Gruppe  von  Verbindungen  darstellen,  sondern  alle  lös- 
lichen Verbindungen  umfassen,  indem  auch  die  unschäd- 
lichsten in  hinrcicliender  Concentration  giftig  werden.  Hier 
tritt  aber  der  besondere  Umstand  ein,  dass  gerade  diese 
unschädlichsten  Stoffe  in  noch  grösserer  Concentration 
durch  Diosmose  physikalische  Veränderungen  bewirken, 
welche  selbstständig  oder  in  Verbindung  mit  der  chemisch- 
üiftisen  Action   die'  Tödtung   der  Zellen  vollziehen.     Die 


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Naturwisseiiscliiiftlichc  Wocbenschrift. 


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löslic'licii  Stoffe  können  also  dix'i  \er.scliicdene  Kateiiurien 
von  tödtliclien  Erkrankungen  verursacben;  iu  grc'isstcr 
Menge  die  physikalische,  in  grösster  und  massiger  Menge 
die  ehemische,  in  geringster  IMenge  die  oligodynamische, 
wobei  die  Wirkungen  der  minimalen  Mengen  vorläutig 
als  oligodynamische  zusannnengefasst  \Ycrden.  Auf  die 
])liysikalisehen  Veränderungen  der  Zellen  in  concentrirten 
Lösungen,  wozu  sieh  am  besten  Zucker,  Salze,  Alkohol 
eignen,  braucht  nicht  näher  eingetreten  zu  werden.  Es 
genügt,  daran  zu  erinnern,  dass  je  nach  Umständen  ent- 
weder die  ganzen  Zellen  zusammengedrückt,  oder  bloss 
der  von  der  Membran  sich  ablösende  Plasraasclilauch  cou- 
trahirt  wird,  bis  er  zuletzt  fast  nur  noch  die  unlöslichen 
Inhaltsköriier  umscidiesst.  Was  die  chemisch-giftigen  Ver- 
änderungen betrifft,  so  sind  dieselben  sehr  mannigfaltig, 
indem  sie  nicht  nur  bei  den  verschiedenen  chemischen 
Verbindungen,  sondern  auch  bei  den  verschiedenen  Con- 
ceutrationcn  der  nämlichen  Verbindung  und  endlich  auch 
bei  verschiedenen  Vegctatinnsznständeu  ungleich  ausfallen 
k(iunen.  Durch  die  Einwirkung  der  chemisch  -  giftigen 
Stoffe  verlieren  die  Spiralbäudor,  ohne  ihre  Lage  am 
Plasmaschlauche  zu  verändern,  die  Rinne  und  den  kanmi- 
artig'cn  Rücken  und  werden  mehr  und  mehr  cylindrisch, 
indem  sie  besonders  bei  der  Einwirkung  von  Säuren  noch 
stärker  aufquellen.  Hie  und  da  konmit  es  auch  vor,  dass 
sie  in  grrissere  oder  kleinere  Stücke  zerfallen.  Zuweilen 
trennen  sich  die  ringförmigen  Stärkekörner  in  die  einzelnen 
Tlieilkörner.  Die  Plasmafäden,  welche  Kern  und  Spiral- 
bänder  verbinden,  zerreissen.  Der  Kern  geht  an  die  Wan- 
dung. Er  quillt  nebst  dem  Kernchen  auf;  oder  beide 
werden  körnig  und  verkleinern  sich  etwas.  Zuweilen 
bläht  sich  seine  Membran  blasenförmig  auf.  Die  Sti'öm- 
chen  stehen  still.  In  der  ZellHüssigkeit  wird  häufig  keine 
Veränderung  sichtliar;  in  andern  Fällen  findet  Trübung 
und  Körnchenausscheidung  statt.  Die  Körnchen  tanzen 
entweder  frei  in  der  Flüssigkeit,  wobei  sie  gleichmässig 
durch  die  Zelle  vcrtheilt,  meistens  aber  einer  Scheidewand 
genähert  sind.  Oder  sie  lagern  sich  zwischen  die  Spiral- 
bändcr  und  in  der  Rinne  derselben  an  und  bleiben  un- 
beweglich an  den  Bändern  und  dem  Plasmaschlauch  be- 
festigt. Die  Low 'sehe  Silberlösung  bewirkt  reichlichen 
Körnchenniederschlag  und  färbt  denselben  schwärzlich, 
während  Plasmaschlauch,  Spiralbänder  und  Zellkern  un- 
geschwärzt  bleiben.  Der  Plasmaschlauch  contrahirt  sich 
etwas  und  die  Turgescenz  der  Zelle  hört  auf. 

Um  sich  einen  raschen  Ucberblick  über  die  Ver- 
änderungen, welche  die  Wärme  an  den  .Spirogyrenzellen 
hervorbringt,  zu  verschaffen,  kann  man  einen  an  einem 
Holzstäbchen  hängenden  benetzten  Büschel  von  Fäden 
einer  Flamme  oder  dem  lieissen  Ofen  auf  kurze  Zeit  nahe 
bringen,  wobei  natürlich  die  Fäden  nass  bleiben  müssen. 
Man  findet  dann  von  der  Seite,  die  der  Wärmequelle  zu- 
geführt war,  bis  zu  der  abgekehrten  Seite  alle  firade  der 
Veränderung  von  abgestorbenen  l)is  zu  vollkommen  un- 
veränderten Zellen.  Oder  man  kann  den  Objectträger, 
auf  welchem  Spirogyren  ausgebreitet  sind,  kurze  Zeit  über 
eine  Flamme  halten.  Man  beobachtet  dann  gleichfalls 
von  der  Stelle,  welche  der  Flamme  am  nächsten  war,  bis 
zu  den  entfernteren  Stellen  die  verschiedenen  Abstufungen 
der  Wärmeeinwirkung. 

Unter  30°  C.  zeigt  Spirogyra  nitida  keine  Verände- 
rungen, insofern  das  Wasser  oligodynamisch -neutral  ist. 
Bei  30  und  31°  G.  können  die  Veränderungen  24  Stunden 
lang  ausbleiben.  Es  kann  aber  auch  sich  etwas  unlös- 
liches Plasma  aus  der  Zellflüssigkeit  ausscheiden,  die 
Spiralbänder  etwas  in  Unordnung  gerathen  und  der  Zell- 
kern, indem  die  Plasmafäden  thcilweise  reissen,  an  die 
Wandung  gehen.  Bei  33  bis  35°  C.  ziehen  sich  schon 
nach  einer  Stunde,    bald   auch    früher,    bald    später,    die 


Spiralbänder  von  dem  Plasmaschlauch  ins  Innere  der 
ZcUhöhlung  zurück,  indem  sie  die  Zacken  verlieren  und 
den  Querschnitt  abrunden.  In  der  Zellflüssigkcit  scheiden 
sich  reichliche  Körnchen  aus.  Bei  38  bis  40°  C.  nehmen 
die  Bänder,  ohne  sich  vom  Plasmaschlauch  abzulösen,  bald 
einen  rundlichen  Querschnitt  an,  indem  sie  mehr  oder 
weniger  aufquellen.  Der  Zellkern  contrahirt  sich  und  seine 
Membran  schwillt  blasenförmig  an.  Aus  der  ZellHüssig- 
keit scheidet  sich  etwas  körniges  Plasma  aus;  der  Plasma- 
schlauch wird  dunkel  und  zieht  sich  etwas  von  der  Zell- 
membran zurück. 

Die  angegel)enen  Veränderungen  bei  den  angegebenen 
Tcinperaturgraden  kcinnen  aber  keinen  Anspruch  auf  Be- 
ständigkeit erheben,  da  sie  offenbar  sehr  wesentlich  von 
dem  Vegetationszustande,  somit  von  der  grösseren  oder 
geringeren  Widerstandsfähigkeit  der  Pflanze  abhängen. 
Es  geschieht  einmal,  dass  die  Spirogyrenzellen  bei  einer 
bcstinnnten  'rem])eratur  nach  einem  bestimmten  Zeitraum 
noch  unverändert  erscheinen,  während  sie  ein  ander  Mal 
bedeutende  Umbildungen  erfahren  haben.  Es  geschieht 
firner,  dass  bei  der  nämlichen  Temperatur  zu  verschie- 
denen Malen  ungleiche  Veränderungen  eintreten.  Es  scheint 
auch,  als  ob  die  zweite  Art  der  Reaction,  wie  sie  für 
33  bis  35°  C.  geschildert  wurde,  ganz  ausbleiben  und 
beim  Steigern  der  Temperatur  die  erste  in  die  dritte 
Reaction  übergehen  könne. 

Die  Wirkung  der  Elektricität  auf  die  Spirogyren- 
zellen wurde,  wie  bereits  erwähnt,  in  verschiedener  Weise 
geprüft,  aber  ohne  Erfolg.  Nur  dann  trat  eine  Reaction 
in  den  Zellen  von  Spirogyra  nitida  ein,  wenn  ein  benetztes, 
an  einem  Holzstäbchen  in  der  Luft  hängendes  Büschel 
von  Fäden  mit  seinem  Ende  den  Condensator  einer  klei- 
nen Elcktrisirmaschine  berührte,  so  dass  ein  Strom  auf 
dasselbe  überging.  Nach  etwa  25  Umdrehungen  wurden 
die  ersten  Veränderungen  bemerkbar,  die  sich  bei  an- 
haltendem Strome  steigerten.  Sie  waren  je  nach  der 
Lage  der  Zellen  zur  Elektricitätsquelle  ungleich. 

Die  dem  Condensator  zunächst  befindlichen  Zellen 
zeigten  folgende  Veränderungen.  Die  Spiralbänder  ver- 
loren ihre  Zacken  und  ihren  Rückenstreifen  und  der  rinnen- 
förmige  Querschnitt  ging  in  eine  planconvexe  Gestalt  über. 
Nachher  wurden  sie  im  Querschnitt  oval  und  rundlich. 
Später  zerrissen  sie  in  grössere  oder  kleinere  Stücke, 
welche  zuweilen  noch  so  stark  aufquollen,  dass  ihr  Quer- 
durchmesser doppelt  und  dreimal  so  gross  wurde  als  die 
ursprüngliche  Breite  des  Bandes. 

Während  dieser  Umbildung  der  Spiralbänder  con- 
trahirte  sich  der  Zellkern  ganz  bedeutend  und  die  Plasma- 
fäden wurden  dünner.  Aus  der  Zellflüssigkeit  schieden 
sich  Körnchen  aus,  die  ziemlich  gleichmässig  durch  die 
Zellhöhlung  vcrtheilt  waren  oder  auch  zu  localcn  An- 
häufungen am  Plasmaschlauch  sich  sammelten.  Letzterer 
erschien  etwas  dunkel  und  fast  schwach  ziegelbraun  und 
zog  sich  wenig  von  der  Membran  zurück,  indem  die  Zellen 
ihren  Turgor  verloren. 

Die  eben  angegebenen  Erscheinungen,  welche  in  den 
dem  Gondensator  zunächst  gelegenen  Zellen  eintraten, 
gingen  in  den  entfernteren  Zellen  in  wesentlich  andere 
über.  Die  Spiralbänder,  die  dort  am  Plasmaschlauch 
haften  blieben,  lösten  sich  hier  al)  und  zogen  sich  ab- 
rollend gegen  die  Mitte  der  Zellhöhlung  zurück.  Der 
Uebergang  der  einen  Reaction  in  die  andere  erfolgte  all- 
mählich. Mit  der  Entfernung  von  dem  Condensator  nahm 
die  erstere  au  Intensität  ab;  dann  begann  die  zweite  und 
steigerte  sich  bis  zu  einem  bestimmten  Abstand  von  dem 
Condensator,  von  wo  aus  sie  sich  wieder  verminderte,  um 
in  noch  griisserer  Entfernung  sich  in  den  unveränderten 
Zustand  der  Zellen  zu  verlieren. 


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In  der  einzelnen  Zelle  begann  das  Zurückziehen  der 
Spiralbänder  bald  in  einer  mittleren  (dem  Zellkern  ent- 
sprechenden) Zone,  bald  an  beiden  Zellen-Enden,  zuweilen 
auch  an  einem  Ende  allein.  Hin  und  wieder  wurden  ganze 
Reihen  von  Zellen  l)eoliachtet,  welche  Abrollung  der  Spiral- 
bänder an  dem  einen  Ende  zeigten,  und  zwar  war  dieses 
Ende  das  der  einströmenden  Elektricität  entgegengesetzte. 

Zu  den  Ursachen,  welche  krankhafte  Veränderungen 
in  den  Spirogyrenzellen  bewirlcen,  gehören  auch  mikro- 
skopische Pilze.  Dies  wurde  an  Sp.  dubia  in  folgender 
Weise  beobachtet.  Innerhalb  der  Fäden  wachsen  Hyphen 
von  Saprolegnia  von  Zelle  zu  Zelle  weiter,  indem  sie  die 


Scheidewände  durchbrechen.  Wenn  dieselben  mit  ihrer 
Spitze  an  die  Wand  einer  unverletzten  Spirogyrenzelle 
anstossen,  lösen  sich  die  Spiralbänder  der  letzteren  vom 
Plasniaschlauchc  los  und  ziehen  sich  ins  Innere  der  Zcll- 
höhlung  zurück,  indem  sie  nocli  durch  dünne  J'lasmafädcn 
mit  dem  wandständigen  Plasmaschlauche  zusammenhängen. 
Sobald  die  Saprolegnia  die  Scheidewand  durchbrochen 
hat,  ist  die  Turgescenz  der  Zelle  plötzlich  vernichtet,  der 
Plasmaschlaueh  trennt  sich  von  der  Membran  los-,  es  finden 
Plasmaausscheidungen  aus  der  Zellflüssigkeit  statt,  die 
grünen  P>änder  quellen  auf  und  ballen  sich  oft  in  eine 
Masse  zusammen.  (Fortsetzung  folgt.) 


65.  Versammlung  der  Gesellschaft  deutscher  Naturforscher  und  Aerzte  in  Nürnberg 


vom  11.  bis  15.  Seiitembcr  1893. 


Wie  üblich  beschränken  wir  uns  im  Wesentlichen  auf 
eine  Berichterstattung  des  Inhaltes  der  sechs  Hauptvorträge 
in  den  drei  allgemeinen  Sitzungen. 

Die  Redner  waren:  in  der  ersten  allgemeinen  Sitzung: 
His,  über  den  Aui'bau  unseres  Nervensystems,  Pfeffer, 
über  die  Reizltarkeit  der  Pflanzen-,  in  der  zweiten  Sitzung 
Strümpell,  über  die  Alkoholfrage  vom  ärztlichen  Stand- 
punkt aus,  Günther,  über  Paläontologie  und  physische 
Geographie  in  ihrer  geschichtlichen  Wechselbeziehung,  und 
in  der  dritten  Sitzung  Hensen,  über  einige  Ergebnisse 
der  Plankton-Expedition  der  Humboldtstiftung,  Hueppe, 
über  die  Ursachen  der  Gährungen  und  Infectionskrank- 
heiten  imd  deren  Beziehungen  zum  Causalproblem  und 
zur  Energetik.  Nicht  weniger  als  vier  Mediciner  haben  also 
Vorträge  gehalten.  Drei  derselben  sind  von  den  Rednern  in 
der  „Berliner  klinischen  Wocheuschrift"  veröffentlicht 
worden,  sodass  uns  nunmehr  ihr  authentischer  Text  vorliegt, 
und  wir  demgemäss  in  der  Lage  sind,  ndt  den  Referaten 
zu  beginnen.  Wir  halten  dabei  die  Reihenfolge  des  Er- 
scheinens der  Vorträge  in  der  „Berliner  klinischen  Wochen- 
schrift" ein. 


Ferdinand  Hueppe:  Ueber  die  Ursachen  der 
Gährungen  und  Infectiouskrankheiten  und  deren 
Beziehungen  zum  Causalproblem  und  zur  Ener- 
getik. 

Das  Wesen  der  Specifität  im  Sinne  der  specifischen 
Entität  der  Gährungs-  und  Infectionserreger  liegt  nicht 
sowohl  in  deren  Species-Natur  oder  Species-Constanz,  als 
vielmehr  in  der  Gleichartigkeit  der  äusseren  Be- 
dingungen, d.  h.  zur  Annahme  einer  ontologischen  Auf- 
fassung ist  kein  Grund  gegeben. 

Wohl  wissen  wir  jetzt,  dass  unter  den  kleinsten  Lebe- 
wesen sich  Gattungen  und  Arten  unterscheiden  lassen. 
In  diesem  Sinne  der  Möglichkeit  der  Trennung  specifischer 
Merkmale  hatte  man  besonders  krankheitserregende,  farb- 
stofifbildeude  und  gährungserregende  (pathogene,  chromo- 
gene  und  zymogene)  Bacterien  als  Arten  getrennt.  Nur  in 
diesem  Sinne  der  Constanz  der  pathogenen  Eigen- 
schaften hätten  die  Infectionserreger  als  „Entitäten"  in 
Betracht  kommen  können.  Pathogene  Bacterien,  die  ihre 
pathogenen  Wirkungen  freiwillig,  d.  h.  durch  zufällige 
äussere  und  wechselnde  Bedingungen  oder  im  Versuche 
durch  künstliche  Schatiüng  solcher  Bedingungen  verlieren 
und  damit  aufhören,  pathogen  und  infectiös  zu  sein,  sind 
keine  „Wesen"  oder  „Entitäten"  mehr. 

Nun  haben  wir  sicher  kennen  gelernt,  dass  sogenannte 
pathogene  Bacterien  unter  anderen  Bedingungen  Farben 
bilden  oder  Gährungen  erregen  und  umgekehrt,  und  zwar 


auch  dies  genau  so  „specifisch",  wie  die  Infection.  Diese 
Thatsache  der  „Wirkungscyklen"  ist  jedoch  nicht  die 
einzige,  welche  uns  die  Bedeutung  der  Bedingungen  klar 
macht  und  damit  die  gesuchte  „Entität"  aufhebt. 
H.  Buchner  war  es  auf  Grund  systematischer  Versuche  zu- 
erst gelungen,  den  Milzbrandliacillen  ihre  pathogenen  Eigen- 
schaften zu  nehmen  und  sie  auf  den  Stand  einfacher  Sapro- 
phyten  zurückzuführen.  Eine  ähnliche  Beobachtung  machte 
etwas  später  zufällig  Pasteur,  nur  dass  er  dieselbe  als 
Ausgang  für  die  Schntzinipfungen  benutzte  und  damit  ein 
neues  Gebiet  erschloss.  Dieselbe  Beobachtung  wurde  dann 
später  für  fast  alle  i)athogenen  Bacterien  gemacht,  sodass 
man  geradezu  sagen  kann,  dass  keine  Eigenschaft 
der  Bacterien  leichter  zu  beeinflussen  ist,  als 
gerade    die    „speeifische".      Dies    gilt  genau  ebenso 


tür  die  Gährungserreger. 


Für  die  Pigmentbaeterien  wurde 


dieser  Nachweis  ebenfalls  geführt. 

Sind  al)er  die  Arten  der  Mikrobien  constant,  wie 
lässt  sich  dann  dieser  Wechsel  verstehen?  Die  Individuen 
jeder  Art,  auch  von  Mikrol)ien,  sind  in  ihrem  vererbbaren 
Protoplasma  mit  einer  Reihe  möglicher  Wirkungen  aus- 
gestattet die  ihnen  die  Anpassung  an  die  Aussen-Be- 
dingungen  ermöglichen.  So  lange  diese  Bedingungen 
gleich  bleiben,  werden  scheinbar  nur  ganz  bestimmte 
Eigenschaften  vererbt,  in  Wirklichkeit  werden  die  anderen 
Wirkungsmöglichkeiten  zunächst  nur  unterdrückt  und 
bleiben  latent. 

Je  länger  die  Bedingungen  für  die  eine  Eigenschaft 
günstig  bleiben,  um  so  sicherer  wird  diese  vererbt,  so 
dass  sie  schliesslich  allein  übrig  bleiben  kann,  al »er  nicht 
muss.  Dieser  Umstand  ist  nun  gerade  bei  den  pathogenen 
^Eigenschaften  in  dem  Maasse  sicherer  gegeben,  als  der 
Parasitismus  derselben  mehr  und  mehr  obligat  wird,  weil 
in  empfänglichen  Wirthen,  deren  Constanz  sich  in  ähn- 
licher Weise  erhält  und  vererbt,  die  Bedingungen  am 
wenigsten  wechseln.  Die  sogenannten  Tuberkelbacillen 
sind  viel  schwerer  zu  ))eeinflussen  als  Milzbrand-  oder 
Cholerabacterien,  Culturhefen  schwerer  als  die  weniger 
an  gleichartige  Bedingungen  angepassten  Gährungs- 
erreger. 

Aber  im  Versuche  kann  man  auch  diese  Schwierig- 
keiten beseitigen  und  es  ist  Koch's  grösste  Leistung, 
dass  er  die  Tuberkelbacillen  cultiviren  lehrte  und  damit 
die  Möglichkeit  eröft'nete,  auch  die  schwierigsten  dieser 
Fragen  im  Veisuche  zu  fassen.  Dasss  dabei  Koch's 
Methodik  allmählich  ganz  in  den  Dienst  der  Ideen  anderer 
Forscher  getreten  ist,  die  Koch  aufs  Messer  bekämpfte, 
ist  ein  merkwürdiges  Zusammentreffen. 

Nicht  die  vei-erbbare  Entität  mit  ihrer  Vererbung  der 
specifischen  Constanz  der  Species  ist  also  das  allein  Ent- 


Nr.  45. 


Natuvwissenscliaftliche  Wochenschrift. 


497 


scheidende,  sondern  der  Umstand,  dass  nur  unter  geeigneten 
und  g-leichniässigen  und  gleichbleihenden  Bedingungen 
gerade  diese  und  iicine  andei'cn  der  gegebenen  verer))barcn 
pjgenscliaften  für  die  Arteriialtung  geeignet  sind.  Der 
Zimnitliauni  vererbt  seine  aromatische  Rinde  nur  in  Ceylon, 
aber  niclit  mehr,  wenn  er  nach  dem  Contincnt  verptianzt 
wird.  Das  in  der  Industrie  gewünschte  A'crhältniss  von 
Allcohol  und  Glycerin  wird  durcli  die  Culturhefen  nur  1)ei 
bestiunnten  Temperaturen  der  Gährräume  gebildet;  bei 
höheren  Temperaturen  ändert  sicii  das  Verhältniss  zu 
(iunsten  des  Glyccrins.  Der  Mikrokokkus  ])rodigiosus 
verliert  über  40°  die  Fähigkeit,  seineu  herrlichen  fuchsin- 
ähulicheu  Farbstoff  zu  bilden,  und  seine  Fähigkeit,  Milch- 
säure aus  Zucker  abzuspalten,  tritt  immer  reiner  hervor, 
so  dass  man  nach  Wood's  Ermittelungen  glauben  könnte, 
einen  ganz  besonders  ty|)isclien  Miiehsäureerreger  vor  sich 
zu  haben.  Bei  den  pathogeneu  Bacterieu  hängt  in  ähn- 
liciier  Weise  die  Fähigkeit,  Gift  zu  bilden,  auch  von  der 
Temperatur  ab  unter  entsprechendem  Vor-  oder  Zurücktreten 
anderer  Wirkungen. 

So  sehr  es  anzuerkennen  ist,  dass  Naegeli  und  Weiss- 
mann die  Bedeutung  der  Vererbharkeit  gegel)ener,  aber 
einmal  doch  erworbener  Eigenschaften  hervorgehoben 
haben,  so  haben  doch  beide  darin  gefehlt,  dass  sie  die 
Bedeutung  der  äusseren  Bedingungen  für  die  Coustanz 
der  Vererbung  unterscliätzen.  Darin  hat  Moritz  Wagner 
von  allen  bisherigen  Naturforschern  wohl  am  klarsten 
beobachtet  und  gedacht,  wenn  er  die  Bedeutung  der  Iso- 
lirung,  d.  h.  die  Schaffung  glcicliartiger  und  event.  neuer 
Bedingungen  für  die  Eriialtung  urs](rün.i;]irher  Artmerkmale 
und  für  die  Aenderuug  der  Arten  und  damit  für  die  Ent- 
stehung neuer  Arten  scharf  erfasste.  Es  kann  nichts  ver- 
erben, was  nicht  irgendwie  vorgebildet  ist.  Aber  was 
sieh  vererbt  von  den  gegebenen  Möglichkeiten, 
das  hängt  auch  und  entscheidend  ab  von  den  ge- 
gebeneu Aussenbedingungen,  welche  als  Reize 
auf  auslösbare  Energie  des  Protoplasmas  ein- 
wirken, d.  h.  aber  schliesslich  nichts  weiter,  als  dass 
sich  eine  Art  äusseren  Bedingungen  anpassen  und  in 
diesem  Sinne  neue  Eigenschaften  erwerben  kann,  die 
ihrerseits  so  lange  vererbt  werden,  wie  die  neuen  Be- 
dingungen anhalten.  Ist  dieses  lange  genug  der  Fall,  so 
können  die  alten,  urspi-ünglich  scheinbar  allein  vorhanden 
gewesenen  Eigenschaften  ganz  verloren  gehen  und  eine 
neue  Art  mit  neuen  Eigenschaften  und  sogar  mit  neuen 
Anpassungsmöglichkeiten  Inidet  sich,  weil  durch  das  Her- 
vortreten bestimmter  Eigenschaften,  die  an  die  morpho- 
logische Structur  gebunden  sind,  der  ganze  Bau  bceinflusst 
wei-den  muss. 

In  dieser  nicht  ontologischcn  Auffassung  des  der- 
zeitigen Angepasstseins  an  zur  Zeit  vorhandene  relativ 
glciehlilcibende  Bedingungen  vermögen  Gährungs-  und 
Infcctionserreger  durch  Ucl)ertragnng  von  bestiunnten 
Protoplasmabewegungen,  die  event.  auch  an  isolirbare 
active  Eiweisskörper,  wie  Enzyme,  Toxalljuniine,  als  Reize 
oder  Anstösse  gebunden  sein  könneir,  bestimmte  Bewegungs- 
möglichkeiten  auszulösen. 

Dass  die  activen  Eiweisskörper,  gleichgültig  ob  sie 
von  der  Zelle  trennbar  sind  oder  nicht,  aber  ganz 
ausserordentliche  Bewegungen  ausführen  und 
dadurch  au''h  auslösen  können,  ist  gerade  durcli 
die  bacteriologischen  Untersuchungen  der  letzten  Jahre 
sichergestellt.  Welche  geringen  Mengen  Enzyme  ver- 
mögen als  Fermente  hydrolytisclie  Spaltungen  oder  Ge- 
rinnungen herbeizuführen!  Wie  geringe  Giftmengen 
eiweissartiger  Natur,  Toxalbuminc,  genügen,  um  die  Ver- 
giftungen von  Ch((lera,  Tetanus,  Diphtherie  herbeiziifüliren! 
Und  wie  energisch  schützen  die  activen  Eiweissk(iri)cr  des 
Blutserums,    Alexine,   natürlich   iunnuner  und  immuuisirter 


Thiere  das  Thicr  gegen  die  eindringenden  Parasiten  und 
deren  Gifte! 

Welcdie  gewaltige  Energie  dem  Protoplasnux  und 
jedem  activen  lebenden  Eiweiss  im  Gegensatze  zu  dem 
todten  P]iweiss,  mit  dem  die  Chemie  bis  jetzt  arbeitet,  zu 
Gebote  steht,  lehren  nicht  nur  diese  drei  Arten  von 
Wirkungen,  die  die  Vorstellungen  über  den  Chemisnuis 
des  Blutes  vollständig  umgestalten,  sondern  kann  auch 
vielleicht  die  Thatsache  veranschaulichen,  dass  sich  diese 
gewaltigen  Wirkungen  innerhalb  enger  Tcmpcralurgrcnzen 
abspielen,  während  der  Chemiker,  wenn  er  mit  rein 
anorganischen  Kräften  nur  Theile  dieser  Vorgänge  nach- 
ahmen will,  zu  ganz  ausserordentlichen  Eingrifl'cn  seine 
Zuflucht  nehmen  muss  und  Temperaturen  nicht  unter  100° 
anwenden  kann. 

Die  Bewegungen  des  Protoplasma  und  die  Activität 
des  lebenden  Eiweiss  werden  uns  verständlicher,  wenn 
wir  zu  ermitteln  suchen,  was  denn  diese  Wirkungen  für 
die  bewirkende  Zelle  selbst  für  eine  Bedeutung  haben 
und  da  sehen  wir  sofort,  dass  es  sich  um  eine  Art  Magen- 
frage handelt.  Die  Gährungs-  und  Infcctionserreger  müssen 
sich  ernähren  und  sie  führen  ihre  Protoplasmabewegungen 
in  erster  Linie  aus,  um  durch  Bewegungserregung  in 
anderen  Molekülen,  d.  h.  durch  Zerlegung  und  Spaltung 
derselben  solche  Atomgruppen  frei  zu  machen,  die  sie  für 
ihren  eigenen  Aufbau  nöthig  haben.  In  dieser  Beziehung  hat 
z.  B.  nach  Pflüger  das  Cyan  mit  seiner  Polymerisations- 
fähigkeit, nach  Loew  das  Formaldehyd  oder  die  mit 
demselben  ismnere  Gruppe  CHOII  eine  ganz  besondere 
Bedeutung  Wir  erkcnueu  auf  diese  Weise  in  inmier  ge- 
nauerer Weise,  dass  die  Ernährungsfähigkcit  einer 
Substanz  von  ihrer  chemischen  Constitution  ab- 
hängt. Um  aber  diese  freigemachten  Atomgruppen  der 
eigenen  Substanz  statt  der  verbrauchten  Stoffe  oder  für 
die  Vermehrung  der  Individuen  zu  assimiliren,  dazu  be- 
darf es  einer  gewaltigen  Energiemenge.  Diese  kann  nun 
in  sehr  verschiedener  Weise  bei  diesem  Vorgange  der 
Ernährung  und  Assimilation,  w'clche  ein  synthetischer, 
also  Wärme,  d.  h.  Energie  eonsumiremler  Vorgang  ist, 
gewonnen  werden.  Die  Extreme  sind  gegeben,  wenn 
Luft  oder  Sauerstoff  im  freien  Zustande  ausgeschlossen 
sind,  resp.  wenn  sie  frei  zur  Verfügung  stehen. 

Hiernach  hatte  Pasteur  die  echten  (iährungen,  die 
nur  bei  Luftalischluss  vor  sich  gehen  sollen,  grundsätzlich 
von  den  unechten  oder  Oxydationsgährungen  getreunt  nnd 
in  der  Abwesenheit  der  Luft  resp.  des  freien  Sauerstoffes 
das  Entscheidende  gesucht.  Zum  Athmeu  auf  Sauerstoff' 
angewiesen,  sollten  die  deshalb  sauerstoft'gierigen  ^likrobien 
bei  Luftabschluss  diesen  Sauerstoff  aus  ehemischen  Kör- 
l)ern,  z.  B.  aus  Zucker  frei  machen  und  diese  Körper 
dadurch  zerlegen,  d.  h.  eben  vergähren.  Diesen  Theil 
des  Vorganges  fassen  wir  jetzt  chemisch  allerdings  anders 
auf,  insofern  wir  erkennen,  dass  sauerstotfreicherc  Körper 
einen  Theil  ihres  Sauerstoffs  nicht  direct  und  frei,  sondern 
in  bestimmten  Atomgrup[)en,  z.  B.  in  Form  vou  Hydroxyl- 
gru])pen  an  leicht  oxydable  Körper  mit  labilen  Wasser- 
stofiatomeu  abgeben. 

In  etwas  anderer  Form  nähern  wir  uns  hiermit  den 
Vorstellungen  von  M.  Traube,  der  zuerst  erkannte,  dass 
l)ei  den  Gährungen  Oxydationen  und  Reductionen  neben 
einander  verlaufen  müssen.  Damit  ist  eigentlich  die  Auf- 
fassung von  Pasteur  ehemisch  nicht  mehr  haltbar.  Aber 
auch  biologisch  ist  sie  nicht  richtig,  da  es  ganz  reine 
Spaltungen  und  Reductionen  .giebt,  die  bei  einem  für 
Aerobiose  und  Anaerobiose  ehemisch  geeigneten  Nähr- 
material sogar  ausschliesslich  bei  Luftzutritt  und  Durch- 
lüften, oder  doch  mindestens  besser  verlaufen,  als  bei 
Luftabschluss,  die  also  chemisch  als  reine  Umlagerungeu 
vou  Atomgruppeu    reine    Gährungen    im   Sinne    Pasteur's 


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Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  4.5 


sind,  biologisch  aber  gerade  umgekehrt  verlaufen.  Die 
Bildung-  bestimmter  Gährungsprodncte  beruht  nicht  in  der 
Auiierobiose,  sondern  in  der  Gährfahigkeit,  d.h.  der  Nähr- 
fähigkeit und  der  potentiellen  Energie  der  Substanzen; 
die  Gährfäliigkeit  an  sich  ist  unabhängig  von  An-  und 
Abwesenheit  von  Luft  resp.  freiem  Sauerstoff  und  die 
Anaerobiose  hat  lediglieh  die  Bedeutung,  dass  bei  Luft- 
abschluss  chemisch  die  reinste  Form  der  Si)altungs- 
mögliehkeit  vorliegt.  Tritt  Luft  oder  freier  Sauerstoff 
hinzu,  so  kann  die  Spaltung  rein  bleiben,  wie  eine  Anzahl 
Fälle  beweisen,  aber  sie  muss  es  nieiit  mehr,  und  in  der 
Regel  tritt  sogar  die  Oxydation  d.  h.  die  weitere  Zer- 
legung durch  Vermittelung    von  freiem  Sauerstolfe  hinzu. 

In  letzterer  Weise  verlieren,  wie  ich  schon  vor  Jahren 
nachgewiesen  habe,  die  Cholerabacterien  ihre  Fähigkeit 
der  Giftliildung,  Milchsäurebaeterien  ihre  Fähigkeit  der 
Vergährung  des  Zuckers. 

Gerade  umgekehrt,  wie  es  Pastenr  annahm,  wird  also 
die  Frage  der  Anaerobiose  zu  einer  Frage  der  Constitution 
der  gährungsfähigen  Substanzen.  Jede  Substanz  ist 
gährfähig  und  bei  Lnftabschlnss  für  Mikrobien 
zerlegbar,  welche  die  Atomgruppen  zur  Synthese 
des  activen  Eiweiss  der  Gährungserreger  enthält, 
und  bei  deren  Zerlegung  gleichzeitig  die  nTithige 
Energie  gewonnen  werden  kann,  mit  deren  Hülfe 
diese  Synthese  ausgeführt  wird. 

Bei  Luftabschluss  kann  chemisch  die  Zerlegung  der 
Substanz,  wenn  auch  verschiedenartig  nach  der  Ver- 
schiedenheit der  Sauerstoftgruppen ,  die  als  Oxydations- 
mittel dienen,  stets  nur  eine  obertiäehliehc  sein.  Um  die 
Energie  zur  Synthese  zu  gewinnen,  also  im  mechanischen 
Sinne,  muss  viel  mehr  Material  zerlegt  werden,  als  dem 
blossen  chemischen  Bedürfnisse  der  Ernährung  zur  Ge- 
winnung der  Atomgruppen  für  den  Aufbau  entspricht. 
Je  höher  aufgebaut  das  Material  bei  qualitativ  entspre- 
chenden Atomgruppen  schon  ist  —  gleichgültig,  ob  dies 
durch  nur  einen  oder  durch  mehrere  Körper  erreicht  wird 
— ,  um  so  geringer  ist  die  Energie,  welche  zur  Synthese 
erforderlich  ist.  Pepton  erfordert  weniger  Arbeit  als  As- 
paragin,  dieses  weniger  als  Milchsäure  oder  Formaldehyd 
oder  endlich  als  Kohlensäure.  In  diesem  Energiebedürf- 
uisse  liegt  es  begründet,  dass  einzelne  Körper  nicht  mehr 
bei  Luftabschluss  zur  Synthese  verwendet  werden  können, 
trotzdem  sie  die  zur  Assimilation  uöthigen  Atomgruppen 
oder  Isomere  derselben  enthalten,  sondern  dass  nur  noch 
durch  wirkliche  Oxydationen  die  nöthige  Energie  zum 
Aufbau  beschafft  werden  kann.  , 

Die  Anaerol)iose  ist  also  eine  besondere  Anpassung 
an  bestimmte  Ernähruugsbedinguugen,  die  wir  vielfach 
schon  von  vornherein  clieniisch  nach  der  Constitution  der 
zur  Ernährung  dienenden  Substanzen  und  dynamisch  nach 
der  Energiemenge  beurtheilen  können.  Indem  wir  so  die 
Ernäluiing  mit  der  W;u-mel)ildnng,  d.  h.  mit  der  Energie- 
seite der  Frage  in  N'erbindung  behandeln,  hört  die  ana- 
erobe Gährung  auf,  etwas  ganz  Appartes  zu  sein,  und 
die  anaeroben  Spaltungen  werden  mit  den  Oxydationen 
durch  vielerlei  Uebcrgänge  verbunden,  wobei  bald  die 
chemische  Seite,  bald  die  mechanische,  bald  die  biolo- 
gische sich  der  Vorstellung  von  Pasteur  nicht  fügt,  die 
nur  den  Extremen  gerecht  wird. 

Ueber  die  Art  der  Energiegewinnung  zur  Synthese 
des  specitischen  Protoplasmas  und  damit  weiter  der  speci- 
fischen  Enzyme,  Gifte  imd  Gälirungsproducte  haben  wir 
auch  einige  Fortschritte  zu  verzeichnen.  Dass  die  Oxy- 
dation von  Ammoniak  zu  Salpetersäure  auch  im  Dunkeln  die 
Energie  liefert,  mit  deren  Hülfe  gewisse  Mikrobien  Kolden- 
säure  assimiliren,  ist  nacliHueppe  vonWirogrodsky  bestätigt 
worden.  Dieser  fand  weiter,  dass  aucli  die  Oxydation 
von   Schwefelwasserstoff   resp.  von    Ferrocarbonaten    für 


andere  Mikrobien  die  Energie  zum  Aufbau  liefern  kann. 
In  der  Meln'zahl  der  Fälle  ist  es,  wie  im  thierischen  Or- 
ganismus, die  Sijaltung  und  Oxydation  complexer  Molekel, 
besonders  von  Eiweiss  und  Kohlenhydraten,  welche  die 
Energie  liefert,  und  im  Pflanzenreiche  sind  es  ja  unter 
Vermittelung  des  Chlorophylls  in  der  Regel  die  Sonuen- 
strahlen.  Dass  das  höchste  (ilied,  die  gewaltige  synthe- 
tisclie  Arbeit  der  grünen  Pflanze  durch  die  Sonnenenergie, 
und  das  niedrigste  Glied,  die  Nitriflcation,  in  der  Fähig- 
keit der  Synthese  ans  Kohlensäure  übereinstimmen,  ver- 
wischt die  letzte  Grenze,  die  man  zwischen  Leben- 
dem und  Anorganischem  als  eine  qualitative  hatte 
aufstellen  können. 

Wichtig  ist  es,  dass  nach  allen  diesen  Ermittelungen 
die  Bildung  des  specifischen  Protoplasmas,  der 
sjtecifischen  Enzyme  und  Gifte  mit  der  Ernährung 
im  engsten  Zusammenhange  steht,  gleichgiltig,  ob 
die  nöthigen  Atomgru|»pen  aus  einfaclien  Körpern  oder 
aus  ganz  coinplexen  Substraten  gewonnen  werden,  ob  im 
ersteren  Falle  Energie  von  aussen  zugeführt  werden  muss, 
ob  im  letzteren  die  Zerlegung  der  Substrate  gleichzeitig 
allein  die  Energie  liefern  kann. 

Das  im  erörterten  Sinne  specitische  Protoplasma 
überträgt  die  mit  seiner  Ernäiirung  und  Energie- 
gewinnung untrennbaren  und  im  eingescliränkten 
Sinne  specifischen  Bewegungen  auf  bewegungs- 
fähige Körper,  d.  h.  es  löst  deren  Energie  aus.  Die 
auslösende  Bewegung  wird  damit  zu  einer  (Qualität,  die 
oft  scheinbar  allein,  in  der  Tliat  aber  nur  mit  entscheidet, 
was  erfolgt.  Diese  Bewegungen  der  specifischen  Gälirungs- 
und  Infectionserreger  bestimmen  nämlich  thatsächlich  nur 
die  bestimmte  Richtung  der  Zersetzung  in  den 
Fällen,  in  denen  sie  überhaupt  eine  Bewegung 
auslösen  können,  d.  h.  in  denen  ihre  Bewegungsforni 
adäquat  ist  einer  der  Bewegungsmöglichkeiten,  welche 
sich  aus  der  At()mgru)ipirung  der  Molekel  gährfähiger 
Substanzen  oder  der  ^licellen  und  Micellarverbände  des 
Protoplasmas  der  befallenen  Wirthe  ergeben.  Ohne  die 
Bewegungsübertragung  der  Erreger  bleibt  die  Energie 
der  gährfähigen  Substanzen  und  der  infectionszugäng- 
lichen  Organismen,  (Jrgane,  Gewebe,  Zeliterritorien,  der 
Säfte  und  Zellen  unausgelöst,  latent,  resp.  erfolgt  nur  in 
normaler  pliysiologischer  Weise  und  niclit  in  jener  quan- 
titativ und  qualitativ  abweichenden  Weise,  die  wir  eben 
Krankheit  nennen.  Aber  diese  specifischen  Er- 
reger können  nichts  auslösen,  was  nicht  im  Bau 
der  Zellen  vorher  vorhanden  war.  Sowohl  die  all- 
gemeinen Immunisirungen  durch  Activirung  der  nor- 
malen activen  Eiweisski'irper  des  Blutserums  (Alexine),  als 
die  specifischen  Immunisirungen  gegen  bestimmte  Micro- 
parasiten und  die  Giftfestigungen  des  Wirthsorganismus 
iiabeu  sieh  bei  genauereu  Untersuchungen  als  abhängig 
von  den  lebenden  Zellen  des  Organismus  erwiesen, 
wie  gegenüber  deu  rein  humoralpathologischeu  Auffas- 
sungen von  Behring  zu  betonen  ist.  Auch  hier  sehen 
wir,  dass  es  sich  um»  eine  Wesenheit  handelt,  bei  der 
zwei  Wesen,  der  Wirthsorganismus  mit  seineu  inneren 
Ursachen  und  seiner  potentiellen  Energie  und  der  Aus- 
lösungsorganismus des  Mikroparasiten,  nothwendig  zu- 
sammen arbeiten.  Beide  Momente  gehören  un- 
trennbar zusammen  und  deshalb  ist  weder  die 
kranke  Zelle  noch  der  Parasit  allein  das  angeb- 
lich gefundene  ensmorbi. 

Die  Weinsäure  kann  nach  unseren  heutigen  Kennt- 
nissen drei  verschiedene  Gährungen  erleiden.  Der  Trauben- 
zucker kann  mehrere  Buttersäuregährungen,  eine  ganze 
Anzahl  verschiedener  Alkoholgährungeu  und  verschiedene 
Milchsäuregährungen  eingehen,  bei  denen  sogar  die  auf 
chemischem  Wege  nicht  erhaltbar  gewesene  linksdrehende 


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Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


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Milchsäure  entdeckt  wurde.  Bei  den  coniplicirteu  Eiweiss- 
körpern  erhrdit  sich  die  Zahl  dieser  Miig-lichkeiten  so,  dass 
noch  Niemand  versucht  hat,  nur  für  todtcs  Eiwciss  alle 
niög-lichen  Gäliruiigcn  zu  sondern.  Noch  mehr  aber 
steigert  sich  die  Möglichkeit  der  Zahl  bei  dem  lebenden 
aetiven  Eiwciss  und  damit  muss  eine  grosse  Zahl  von  In- 
fectionen  möglich  sein.  Wir  können  uns  so  vom  rein 
chemischen  Standpunkte  kaum  noch  wundern, 
dass  die  Mehrzahl  aller  Krankheiten  pai-asitär  ist. 

Ja  es  ist  bei  diesen  vielen  ISewegungsmöglichkeitcn, 
die  gerade  das  Eiwciss  bietet,  fast  nnbcgrciilich,  dass 
sieh  trotzdem  immer  und  immer  wieder  die  be- 
sondere Structur  noch  so  entscheidend  bemerk- 
bar macht.  Bei  Zucker  derselben  empirischen  Zu- 
sammensetzung wie  Rohrzucker,  Maltose  und  Milchzucker 
kennen  wir  die  Constitution  genügend,  um  die  sehr  viel 
schwerere  Vergährbarkeit  des  Milchzuckers  gegenüber  den 
beiden  anderen  Zuckerarten  zu  verstehen.  Bei  dem  lebenden 
Eiwciss  können  wir  nur  aus  den  positiven  oder  negativen 
Erfolgen  der  versuchten  Auslösungen  dieselben  Thatsachen 
ersehliessen,  für  die  wir  uns  der  Bezeichnung  der  Krank- 
heitsanlage oder  Disposition  bedienen.  Wir  kennen 
verschiedene  Dis|)(isitionen  der  Gattungen,  Arten  und 
Rassen;  aber  auch  die  Disjiosition  des  Indi\iduums 
seiiwankt  nach  Alter,  Geschlecht,  Beschäftigung,  Ernäh- 
rung; das  sociale  Elend  ist  deshalb  ein  Factor,  über  den 
sich  kein  Hygieniker  schlangweg  hinwegsetzen  kann. 
Gonorrhoe  und  Syphilis,  Cholera  und  Abdoniinaltyphus 
befallen  von  selbst  nur  den  Menschen,  das  Rückfall'tieber 
ist  auf  Menschen  und  einige  Aflenarten  übertragbar,  die 
sogenannten  Tuberkelbacillen,  die  nur  die  parasitische 
Anpassungsform  eines  pilzartigen  pleomorphen  Mikrobion 
sind,  befallen  nur  bestimmte  Gattungen  und  Ai'teu  der 
Hausthiere  und  werden  durch  dieselben  so  beeintlusst, 
dass  Mafucci  und  Koch  sogar  zwei  Species,  die  der 
Säugethier-  und  Hulmertuberculose  streng  auseinander 
halten  wollten,  was  unrichtig  ist,  da  man  diese  zwei  ver- 
schiedenen „Si)ecies"  wechselweise  in  einander  überfuhren 
kann.  Der  Nährboden  der  Gewebe  und  Zellterritorien 
macht  sieh  mit  seinen  retativ  gleichbleibenden  Bedin- 
gungen so  gewaltig  bemerkbar,  dass  man  bei  Uebertra- 
gung  desselben  Ausgangsmatcrials,  z.  B.  bei  Tuberkulose 
und  Hinderseuehe  auf  verschiedene  Gattungen,  Arten  oder 
Rassen  von  Wirthen  schliesslich  oft  sogar  verschiedene 
Arten  von  Krankheitserregern  vor  sich  zu  haben 
glaubt.  Die  Specificität  der  Mikroparasiten  als  „Entität" 
oder  „Wesen"  wird  durch  solche  Versuchsergebnisse 
wieder  recht  eigenartig  beleuchtet. 

Wie  man  angesichts  solcher  Thatsachen  die  ent- 
scheidende Bedeutung  der  Krankheitsanlage  als  „Ursache" 
und  die  Vererbbarkeit  der  Kraukbeitsanlage  bestreiten 
kann,  ist  einfach  unbegreiflich. 

Einerseits  die  einschneidende  Bedeutung  der  Bedin- 
gungen, dann  die  Thatsachen  der  Wirkungscyklen 
und  der  Beeinflussung  der  ^'irulenz  heben  die  En- 
tität der  pathogenen  und  gährungserrege nden 
Mikrobien  auf.  Schon  die  „specitische"  Zelle  des 
einzelnen  Organes  ist  eigentlich  eine  Wesenheit,  die  sich 
aus  der  Wechselwirkung  mit  den  übrigen,  sieb  gegen- 
seitig regulirenden  Zellen  des  Körpers  ergiebt,  wie  es  für 
den  Sonderfall  der  Geschwülste  klar  gcstellf  ist.  Man  kann 
deshalb  an  diese  Erscheinungen  einerseits  den  Maassstab 
von  rtlüger  anlegen,  nach  dem  .,die  zahllosen  Lebens- 
erscheinungen —  trotz  allen  Scheines  der  tiefsten  Ver- 
schiedenheit —  doch  nur  Variationen  eines  und  desselben 
Grundphiinomenes"  sind,  aber  man  kann  auch  anderer- 
seits ruhig  die  thatsächlichen  Verschiedenheiten  der  ein- 
zelneu Zellkategorien  als  specitische  auffassen.  Für  die 
Üntologie  ist  mit  alledem  gar  nichts  gewonnen. 


Denn  schon  bei  der  einfachsten  Form  des  Parasitis- 
mus erweist  sich  dieser  als  ein  Sonderfall  der  Sym- 
biose, also  als  eine  Entität  aus  zwei  Wesen,  der 
Infections-  und  Wirthszelle. 

Dasselbe  Organ  oder  Gewebe  kann  durch 
ganz  verschiedenartige  Krankheitserreger  ana- 
tomisch ähnliche  Veränderungen  eingehen  oder 
es  können  ganz  ähnliche  Symptome  hervorge- 
rufen werden.  Auch  durch  solche  Thatsachen  wird  die 
Entität  der  Infectionserreger  aufgehoben. 

Aber  dieselben  Krankheitserreger  können 
auch  ganz  versciiiedene  Symptome  und  sogar 
ganz  verschiedene  Krankheiten  veranlassen, 
welche  die  Zellularpathologie  scharf  auseinanderhalten 
muss.  Durch  solche  Thatsachen  wird  die  Bedeutung  der 
kranken  Zellen  als  ens  morld  aufgehoben. 

Wie  wir  bei  verschiedenen  functionirenden  Zellen  des- 
selben Organismus,  etwa  bei  Nerven-,  Drüsen-  oder  Jluskel- 
zellen  einen  ganz  verschiedenen  moleeularen  Aufbau  an- 
nehmen müssen  und  zum  Theii  nachweisen  können,  so 
müssen  wir  aneli  annehmen,  dass  sich  die  gleichen  Zell- 
kategorien nicht  bei  jedem  Indi\iduum  derselben  Art  in 
genau  gleicher,  sondern  in  nur  ähnlicher  Weise  mit  einer 
gewissen  Breite  der  Anpassungs-  und  Arbeitsmöglichkeit 
vorfinden,  d.  h.  dass  die  Energie  nicht  in  stets 
gleich  leichter  Weise  auslösbar  ist,  dass  sie 
aber,  wenn  sie  von  gleichen  Reizen  ausgelöst 
wird,  in  qualitativ  gleicher  Richtung  ausgelöst 
wird.  Der  Disposition  der  Rasse  gegenüber  erscheint 
die  Disposition  des  Individuums  thatsächlich  nur 
als  stärkere  oder  geringere,  aber  nicht  als  eine 
qualitativ  abweichende,  etwa  so  wie  der  Techniker, 
der  zwei  Maschinen  genau  gleich  baut,  bei  der  Prüfung 
an  seinen  ludicatorcurven  stets  individuelle  Schwankuugeu 
zu  verzeichnen  hat. 

Es  giebt  auffallende  Beispiele,  welche  neben  dem 
qualitativen  ein  ausgesprochen  quantitatives  Moment 
der  Krankheitsreize  erkennen  lassen.  Die  algierischen 
Schafe  scheinen  im  Gegensatze  zu  unseren  einheimischen 
Rassen  immun  gegen  Milzbrand  zu  sein  und  doch  erliegen 
sie  grösseren  Mengen  des  Parasiten.  Einige  Exemplare 
der  Baeterien  der  sogenannten  Hühnercholera  t(idtcn  ein 
Kaninchen  sicher,  während  man  einem  Huhn  viele  Tau- 
seude  zum  selben  Erfolge  einspritzen  muss.  Wenige  Tu- 
berkelbacillen führen  den  Tod  eines  Meerschweinchens 
herbei,  aber  auch  den  gegen  Tuberkulose  immunen  Hund 
kann  man  durch  diesell)en  Mikrobien  an  typischer  Miliar- 
tuberkulose eingehen  lassen,  wenn  nuxn  ihm  grosse  Mengen 
dieser  Baeterien  zuführt. 

Die  Untersuchungen  über  die  physikalischen  Vor- 
gänge in  den  Nerven  und  Äluskcln  hatten  mehr  und  mehr 
sicher  gestellt,  dass  die  Auslösung  von  der  Quantität  der 
Reize  derart  beeintlusst  wird,  dass  man  ein  allgemeines 
Reizgesetz  entwickeln  konnte.  Aehnliches  stellte  sich 
immer  deutlicher  für  alle  anderen  Reize  der  Physiologie 
heraus  und  der  Ablauf  dei-  psychophysischen  Vorgänge 
erwies  sich  deutlich  in  Abhängigkeit  von  denselben  Gesetz- 
mässigkeiten. Die  Vorstellung  eines  „Schwellwerthes"  der 
Reize  ist  in  der  neueren  Physiologie  und  Psychologie 
ganz  geläufig.  Unbegreiflich  ist  es  nur,  dass  kein 
Physiologe  bis  jetzt  versucht  hat,  derartige  Reizgesetze, 
welche  die  Reize  geradezu  mehr  als  eine  Quan- 
tität denn  als  Qualität  aufzufassen  zwingen,  nnt 
dem  Energiegesetze  in  Einklang  zu  bringen.  Aber  die 
Bedeutung  dieses  Gesetzes  geht  noch  viel  weiter.  H.  Schulz 
ermittelte,  dass  dasselbe  Gesetz  auch  für  die  Desinfection 
gilt  und  ich  selbst  fand,  dass  es  ebenso  die  Heiluugs- 
vorgänge  beherrscht.  Das  Reizgesetz  ist  ein  für  alles 
organische    Geschehen    durchgreifendes    Gesetz, 


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Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  45 


nach  dem  jede  auslösende  Energie  unterhalb 
eines  bestimmten  Punktes  auf  Protoplasma  rei- 
zend und  anregend,  jenseits  desselben  aber  die 
Leistungen  herabsetzend,  vernichtend,  tödtend 
wirkt.  Es  ist  also  wieder  die  Quantität  des  Reizes, 
welche  uns  entscheidend  entgegentritt.  Und  ein  solches, 
das  ganze  organische  Reich  beherrschendes  (rcsetz  der 
Quantität  sollte  gar  keine  Beziehnngeu  zum  Energiege- 
setze haben? 

Beim  Heben  eines  Gewichtes  wird  demselben  eine 
bestimmte  Menge  potentieller  Energie  (Arbeitsvermögen) 
zugeführt;  wird  nun  die  Unterlage  entfernt,  oder  in  an- 
derer Weise  durch  einen  Anstoss  das  Gewicht  zum  Fallen 
gebracht,  so  ist  die  kinetische  Energie  (Arbeit)  der  poten- 
tiellen gleich.  Wir  wissen  aber  aus  dem  Versuche  und 
der  Berechnung,  dass  bei  dem  Verhindern  des  unmittel- 
baren Falles  des  gehobenen  Gewichtes,  d.  h.  bei  Ver- 
hindern des  Ueberganges  der  potentiellen  Energie  in  ki- 
netische durch  eine  Unterlage  die  beiden  Enei-gieraengen 
doch  schliesslich  nach  der  Auslösung  gleich  sind,  trotzdem 
inzwischen  Wärme  gebildet  wird,  trotz  des  hiermit  ver- 
bundenen Energieverlustes!  Es  müsste  in  diesem  Fall 
die  in  Form  der  Wärme  verloren  gegangene  Energie  aber 
aus  nichts  gewonnen  worden  sein,  wenn  sie  nachher  doch 
wieder  nach  Fallen  des  Gewichts  vorhanden  ist!  Die 
Auslösung  —  muss  man  daher  annehmen  —  führt  so 
viel  Energie  zu,  als  zur  Ueberwindung  der 
Hemmung,  als  in  specie  zur  Deckung  des  Wärme- 
verlustes nöthig  ist.  Der  Energievcrlust,  der  dadurch 
entsteht,  dass  wir  potentielle  Energie  nicht  unmittelbar, 
nicht  ohne  Auslösung  oder  Reiz  in  kinetische  Energie 
übergehen  lassen,  muss  aber  ganz  verschieden  gross  aus- 
fallen, je  nach  der  Art  und  Form  der  Unterstützung  des 
Gewichtes.  Zur  Ueberwindung  der  geringeren  Reibung 
eines  schräg  gelagerten  Gewichtes,  d.  h.  zur  Auslösung 
dieser  potentiellen  Energie,  genügt  vielleicht  der  Druck 
eines  Fingers,  während  zur  Ueberwindung  der  Hemmung 
desselben,  aber  horizontal  gelagerten  Gewichtes  auch 
eventuell  die  Kraft  eines  Pferdes  nicht  hinreicht.  Die 
Auslösung  erweist  sich  auch  hier  als  eine  Quan- 
tität! Die  Gerinnung  des  Käsestoffes  erfolgt  wohl  durch 
sehr  geringe  Mengen  Lab,  aber  innnerhin  muss  eine  be- 
stimmte Jünimalmenge  im  Verhältniss  zur  i\lengc  Milch 
vorhanden  sein,  wenn  die  Gerinnung  vollständig  werden 
soll.  Wo  wir  uns  auch  umsehen,  überall  tritt  die 
Auslösung  uns   auch   als  Quantität  entgegen. 

Die  Älöglichkeit  der  Gewinnung  und  Aufspeicherung 
potentieller  Energie  hängt  nun  damit  zusammen,  dass  wir 
den  Punkt  vermeiden,   an  dem  diese  Energie  unmittelbar 


und  ohne  Auslösung  in  kinetische  übergehen  muss,  dass 
wir  eine  Henmnnig  einführen.  Diese  Differenz  ist  es 
nun,  welche  in  der  Auslösung  als  Reizgrösse  zu- 
geführt werden  muss.  In  einem  System  sind 
potentielle  Energie  plus  Auslösungsenergie  der 
kinetischen  Energie  gleich.  Nur  für  eine  ganz  be- 
stimmte Versuchsanordnung  ist  ohne  jede  Einschränkung 
die  potentielle  Energie  allein  der  kinetischen  gleich,  näm- 
lich dann,  wenn  die  eine  Energieform  unnuttelbar  in  die 
andere  übergeht.  In  diesem  Fall  ist  es  widersinnig,  von 
Reiz  oder  Aushisung  zu  sprechen.  Die  Auslösung  ist 
eine  in  bestimmter  Weise  in  den  Energie  Zu- 
sammenhang eingreifende  Quantität  oder  sie 
ist  überhaupt  nicht  vorhanden. 

Im  normalen  physiologischen  Geschehen  wird  die 
potentielle  Energie  mögliehst  hoch  und  von  allen  be- 
kannten Fällen  am  labilsten  aufgebaut,  so  dass  relativ 
kleine  Reize  zur  Auslösung  genügen  und  ein  Ueber- 
schreiten  dieser  Reizgrössen  zu  krankhaften  Erscheinungen 
führt.  Ebenso  sucht  der  Techniker  seine  Maschine  so  zu 
bauen,  dass  die  Auslösung  als  Reizgrösse  möglichst  klein 
wird  und  eine  Kinderhand  den  gewaltigen  Dampfhammer 
zu  regiereu  vermag.  Der  Physiker  richtet  seine  Versuche 
über  Energie  so  ein,  dass  er  gegenüber  der  Grösse  des 
Wärmeäquivalentes  praktisch  die  Energiemenge  der  Aus- 
lösung in  der  Rechnung  vernachlässigen  darf.  Aber  mit 
alle  dem  verschwindet  diese  Grösse  doch  nicht, 
sie  wird  damit  nicht  zu  einer  blossen  Qualität. 
In  anderen  Fällen ,  die  doch  eben  so  gut  wie  die 
adäqualen  Minimalreize  der  Physiologie  zu  berücksich- 
tigen sind,  wird  aber  die  Reizgrösse  sogar  zu  einer  ge- 
waltigen. 

Bei  der  Befruchtung  sehen  wir  die  Auslösungsgrösse 
etwa  die  Hälfte  zur  kinetischen  Energie  beitragen,  bei 
der  Auslösung  der  Infectiou  wenig  disponirter  oder  spontan 
scheinbar  immuner  Thiere  dürfte  die  Reizgrösse  sogar 
mehr  als  die  Hälfte  zur  Energie  beitragen,  die  wir  als 
kinetische  Energie  in  Form  der  speeitischen  Krankheit 
auftreten  sehen.  Gerade  solche  Vorgänge,  welche,  wie 
die  Gährungen,  eigentlich  nur  quantitative  Ueberschrei- 
tungen  des  gewöhnlichen  physiologischen  Geschehens  dar- 
stellen, oder  bei  denen,  wie  bei  den  Krankheitsprocessen 
oft  ein  einfaches  Ueberschreiteu  physiologischer  Vorgänge 
als  specitische  Qualität  imponirt,  sind  deshalb  so  geeignet, 
die  Vorstellungen  einer  blos  qualitativen  Auffassung  der 
adäquaten  Mininialreize  zu  corrigiren  und  uns  ins  Gedächt- 
niss  zu  rufen,  dass  sich  diese  aus  den  gröberen  Massen- 
reizen als  Sonderfälle  in  Folge  häufiger  Wiederholung 
erst  in  langen  Zeitperioden  entwickelt  haben.  x. 


Ein  neuer  Wanderziig  des  Taiiiieiiliühers.  —  Wie 

im  Herbste  1885,*)  so  hat  auch  in  diesem  Herbste  (lS93j 
der  Tannenhäher  (Nucifraga  caryocatactes)  einen  Wander- 
zug nach  Deutschland  unternommen.  Es  liegen  mir  be- 
reits eine  Anzahl  vmi  Meldungen  vor,  welche  dieses  mit 
Bestinnnthcit  erkennen  lassen.  Am  10.  October  erhielt 
der  Präparator  des  mir  unterstellten  Instituts,  Herr 
W.  Viereck,  2  frisch  erlegte  Tannenhäher  zum  Ausstopfen 
zugeschickt,  welche  am  9.  October  von  dem  Cand.  rer. 
nat.  Weissermel  in  Gr.  Kruschin  (Westitreussen)  zur  Post 
gegeben  waren.  Der  Einsender  schrieb  dabei,  dass  in 
der  letzten  Zeit  sieh  diese  Species  ziendich  zahlreich  bei 
Gr.  Kruschin  gezeigt  habe. 


*)  Der  Wandprzug  von  1885  liat  liekaiintlich  niue  mouop-a- 
phisclie  Bearbuituug  erfahren.  Siehe  Rnd.  Blasiiis,  „Der  Wander- 
zug der  Tanuenliäher  dureh  Europa  im  Herbste  1885  und  Winter 
1885/86",  Wien  188G. 


Am  13.  October  erhielt  ich  von  einem  meiner  Zu- 
hörer, Herrn  Stud.  agr.  0.  Wagener,  ein  frisch  erlegtes 
Exemplar  aus  der  Oberförsterei  Uszballen  bei  Lasdehneu 
in  Ostpreussen,  mit  der  Bemerkung,  dass  sich  die  Tannen- 
häher kürzlich  einzeln  bei  Uszballen  gezeigt  hätten.  In 
der  Rominter  Heide  (Ostpr.)  seien  sie,  wie  Herr  Wagener 
mir  kürzlich  mittheilte,  zahlreich  aufgetreten. 

In  Folge  der  Veröffentlichung  obiger  Notizen  in  der 
Deutschen  Jäger-Zeitung  vom  11).  October  er.  gingen  mir 
6  Postkarten  zu,  enthaltend  Meldungen  über  simstige  Fest- 
stellungen von  Tannenhäheru  in  Deutschland.  Danach 
hat  man  dieselben  noch  an  folgenden  Orten  beobachtet: 
bei  AdHg  Dorabrowken,  Kr.  Graudenz  (beobachtet  von 
W.  Oedenburgj,  bei  Hoheheide  unweit  Ducherow,  Reg.- 
Bez.  Stettin,  und  im  Greifswalder  Kreise  (beobachtet  von 
Oberförster  Pyl),  bei  Billberge  unweit  Hämerten,  Altmark 
(beobachtet  von  Rittergutsbesitzer  Bethge),   bei  Camburg 


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a.  d.  Saale  (beobachtet  von  A.  Pfeil),  bei  Greiz,  Eeuss 
ä.  L.  O'cobachtet  von  H.  Nuschj  und  bei  (»ffenbacb  a.  M. 
(beobachtet  von  Dr.  Merz).  Die  eingesandten  bezw.  beob- 
achteten Exeini)Iare  gehören  meistens  der  diinnschäbligeu 
Varietät  an,  welclie  iiir  llauptvcrbrcitungsgeljiet  in  Sibirien 
hat.  Vielleicht  hat  auch  in  diesem  .Jahre  (wie  1885j  ein 
Missrathen  der  Zirbelnüsse  in  Sibirien  den  Anlass  zu  dem 


Wanderzuge  gegeben. 


Prof.  Dr.  A.  Nehring. 


Die  geologische  Eiitwickeliing,  Herkunft  und  Ver- 
breitung der  Säugethiere  betitelt  sich  ein  Aufsatz  von 
Karl  A.  von  Zittel  in  den  Sitzungsberichten  der  math. 
phys.  Classe  der  k.  b.  Acadeniic  der  Wissenschaften  zu 
München. 

Aus  der  ganzen  Entwickelungsgeschichte  der  Säuge- 
thiere von  der  l'rias  an  bis  zur  .Tetztzcit  erhellt  trotz  aller 
Mangelhaftigkeit  der  paläontologischen  Ueberlicferung  mit 
aller  Bestimmtheit,  dass  der  genetische  Zusanuiienhang 
zwischen  den  einzelnen  Faunen  ungeachtet  vielfacher 
Störungen  durch  geologische  Ereignisse  nie  vollständig 
unterbrochen  wurde  und  dass  jede  einzelne  Thiergeseli- 
scliaft  durch  allmähliclie  Transformation  ihrer  Elemente 
aus  einer  früher  vorliandenen  hervorgegangen  ist  und  zu- 
gleich die  Aussaat  für  die  nächst  folgenden  lieferte. 
Einzelne  der  Mikrofauna  angehörige  Gattungen  [Didelphys, 
Sciurus,  Myoxus,  Sorex)  lassen  sich  zurückverfolgen  bis 
ins  Eocaen  und  haben  seit  ihrem  erstmaligen  Erscheinen 
wohl  neue  Arten  hervorgel)racht,  aber  keine  nennens- 
werthen  Umgestaltungen  erlebt,  wie  überliaupt  die  poiy- 
protodonten  Marsupialier,  Insectenfresser  und  Nager  die 
wenigst  veränderlichen  Säugethiertypen  darstellen.  Re- 
cente  Genera  von  ansehnlicherer  Gi-össe  tauchen  vom 
unteren  Miocaen  in  inuner  stärkerer  Zahl  auf  und  dauern 
theilweise  bis  auf  den  heutigen  Tag  fort. 

Unsere  ganze  thierische  und  pflanzliche  Umgebung 
wurzelt  unbestritten  in  vergangenen  Perioden  und  bei 
keiner  Thierclasse  tritt  der  enge  Zusammenhang  zwischen 
Urzeit  und  Jetztzeit  schärfer  zu  Tage,  als  bei  den  Säuge- 
thiereu. 

Ueber  iin'e  Entstehung  und  früheste  Vertheilung  in 
mesozoischer  Zeit  fehlen  leider  noch  genügende  Anhalts- 
punkte, al)er  die  Gleichförmigkeit  der  aus  Allotherien, 
polyprotodonten  Beutelthieren  (oder  i)rimitiven,  vielleicht 
marsupialen  Insectenfressern)  bestehenden  jurassischen 
Säugethierfaunen  in  Europa  und  Nord-Amerika,  das  Vor- 
kommen einer  typischen  Allothericngattung  in  der  süd- 
afrikanischen Trias  und  die  grosse  Aehnlichkeit  der  ober- 
cretaceisehen  Genera  mit  ihren  jurassischen  Vorläufern 
machen  es  überaus  wahrscheinlich,  dass  in  der  mesozoischen 
Periode  eine  einzige  gleichförmige  Säugetiiierfauna  Europa 
(und  wahrscheinlich  auch  Asien),  Nord-Amerika  und  Afrika 
bevölkerte.  Ob  diesem  ausgedehnten  thiergeographischen 
Reich  damals  auch  Australien  angehörte  und  ob  sieh 
dorthin,  wie  vielfach  angenommen  wurde,  in  späterer 
Zeit  die  mesozoischen  Formen  zurückgezogen  haben,  lässt 
sich  auf  Grund  der  verfügbaren  Documente  nicht  mit 
Gewissheit  entscheiden.  Unter  allen  Umständen  hätten 
sich  in  diesem  Falle  die  jetzigen  australischen  Landsäugc- 
thiere,  wenn  sie  auch  im  Allgemeinen  hinter  ihren  Stammes- 
genossen in  anderen  Continenten  zurückgeblieben  sind, 
sehr  stark  verändert  und  nur  wenige  Züge  ihrer  uralten 
Vorfahren  bewahrt. 

Von  der  Tertiärzeit  an  ging  die  Verbreitung  der 
Landsäugethiere  sicherlich  von  nicht  mehr  als  drei 
Entwickelungsheerden  oder  sogenannten  Scböpfungs- 
centren  aus. 

I.  Das  altertliümlichste,  am  frühesten  von  den  übrigen 
abgetrennte,    noch   jetzt    am    schärfsten    begrenzte    thier- 


geographisehe  Reich  bildet  Australien  mit  der  Nachbar- 
iusel  Tasmanien.  Trotz  grosser  Verschiedenheit  in  kli- 
matischer und  meteorologischer  Hinsicht  und  ti'otz  der 
auffallenden  Ditferenzen  in  den  Nahrungsbedingungen 
enthält  dieses  Reich  sämmtliche  jetzt  existirende  Mono- 
trcnien  und  die  Marsujjialier  mit  Ausnahme  der  heute  in 
Amerika,  in  der  Tertiärzeit  auch  auf  der  ganzen  nörd- 
lichen Hemisphäre  verbreiteten  Didclphyiden,  ausserdem 
aber  nur  einige  höchst  wahrscheinlich  in  später  Zeit  von 
aussen  importirte  Fledermäuse,  Mäuse  (P^cudoxiy^,  Hy- 
dromiia,  .Iccadliomys,  Hapalotls,  Kclüothrix)  und  den  Dingo, 
eine  Varietät  des  Haushundes.  Nach  A.  Wallacc  hatte 
sich  Australien  schon  am  Sciduss  der  mesozoischen  Periode 
von  den  übrigen  Continenten  getrennt,  urafasste  jedoch 
wäln-end  eines  Theiles  der  Tertiärzeit  noch  Neu-Guinea, 
.Celebcs,  die  Salomons-  und  vielleicht  auch  die  Fidschi- 
Inseln  und  bcsass  eine  beträchtliche  Ausdehnung  nach 
Süden  und  Westen.  Noch  lieute  tinden  sich  auf  Neu- 
Guinea,  Oelebes,  Amboina  und  sogar  Timor  australische 
Beutlcr  mit  indischen  placentaien  Säugethieren  vermischt. 
Für  einen  einstigen  Zusammenhang  mit  »Süd -Amerika 
kann  das  reichliche  Vorkommen  fossiler  Bcutelthiere  in 
den  Santa  Cruz-Schichten  von  Patagonien  geltend  gemacht 
werden. 

n.  Das  zweite ,  ehemals  nicht  minder  streng  als 
Australien  abgeschlossene  thiergeogra])hische  Reich  ist 
Süd-Amerika  oder  Austro-Columbia.  Bis  in  die  jüngste 
Tertiärzeit  enthält  dasselbe  nur  Edentaten,  Toxodontia, 
Typotherla,  einige  iK'icht  eigenthündicii  diftercnzirte  Perisso- 
daetylcn,  iiistricomorphe  Nager,  platyrhine  Affen  und 
Beuteltiiiere,  die  jedocli  von  den  australischen  sehr  er- 
heblich abweichen.  Aus  diesem  Entwiekelungshecrd 
empfing  Afrika  wahrscheinlich  im  Begiim  der  Tertiärzeit 
einige  versprengte  Wanderer,  wie  die  Vorläufer  von 
Orydrropvs  und  3fa)ii!<,  die  vielleicht  aus  gemeinsamer 
Wurzel  mit  den  Typotherien  hervorgegangenen  Hyracoidea 
und  einige  hystricomorphe  Nager.  Der  einstige  Zu- 
sammenhang des  südamerikanischen  oder  neotropischen 
Reichs  mit  Australien  und  Süd-Afrika  müsste  aber 
sicherlich  schon  in  der  älteren  Tertiärzeit  wieder  gelöst 
worden  sein,  denn  die  zu  gleichen  Ordnungen  gehörigen 
Formen  in  den  drei  Continenten  haben  hinreichend  Zeit 
gehabt,  sich  in  ganz  eigenartiger  Weise  zu  specialisiren. 
Wie  am  Sciduss  der  Tertiärzeit  die  süldiche  und  nördliciie 
Hälfte  von  Amerika  zu  einem  Welttheile  zusanunenwuchsen 
und  wie  sich  ihre  liciderseitigen  Faunen  durcheinander 
schoben,  ist  früher  (S.  isl,  182)  eingehender  geschildert 
worden. 

III.  Das  dritte  und  grösste  thiergeographische  Reich, 
die  Arctogaea,  umfasst  nicht  nur  Europa,  Asien  und 
Afrika,  sondern  auch  Nord-Amerika.  Fehleu  über  die 
ältere  Tertiärzeit  bis  jetzt  auch  noch  alle  palöontologischen 
Ueberlieferungen  aus  Asien  und  Afrika,  so  erwecken 
weder  die  reichhaltige  mio-])liocäne  Säugethierfauna  Asiens, 
noch  die  spärlichen  Ueberrcste  aus  jüngeren  Tertiär- 
bildungen Afrikas,  noch  die  Zusanunensetzuug  der  jetzt 
in  Süd-Asien  und  Afrika  existirenden  Fauna  die  Ver- 
mutliung,  dass  neben  den  im  älteren  Tertiär  von  Europa 
und  Nord-Amerika  bekannten  Säugcthierstännnen,  noch 
andere  fremdartige  in  irgend  einem  Theile  von  Eurasieu 
entstanden  sein  müssten.  Die  bis  jetzt  bekannten  tertiären 
Formen  aus  Europa  und  Nord-Amerika  genügen  vielmehr 
vollständig,  um  die  Säugethiere  von  Europa,  Asien,  Afrika 
und  Nord-Amerika  (mit  Ausnahme  einiger  muthmaasslich 
aus  Australien  und  Süd-Amerika  eingewanderten  Formen) 
davon  abzuleiten.  Das  paläarktische,  nearktischc,  äthi- 
opische und  indische  Reich  von  Sclater  und  A.  R.  Wallace 
bilden  (wie  schon  lluxley  gezeigt)  für  die  Säugethiere 
ein  einziges    Verbreitungsgebiet,    das    sich    freilich  schon 


502 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  45 


während  der  Tertiär-  und  Diluvialzeit  in  mehrere  Pro- 
vinzen s])altete.  Am  frühesten  wurde  der  Zusammenhang' 
mit  Nord-Amerika  gelockert  und  schon  im  Miocän  und 
Pliocän  steht  die  neue  Welt  der  alten  als  eine  selbst- 
ständig-e  tliiergeogTaphischc  Provinz  gegenüber,  die  freilich 
nach  der  Eiszeit  wieder  einige  nordische  Gäste  walir- 
scheinlich  über  Ost-Asien  erhielt.  Nach  Süd-Asien  und 
Afrika  zog-  sich  am  Schlus  der  Tertiärzeit  ein  Theil  der 
wärmeliebenden  Formen,  namentlich  Hufthiere,  Raub- 
thiere  und  Affen  zurück  und  beviilkerte  eine  Provinz, 
welche  von  der  Westküste  Afrika's  bis  zum  chinesischen 
Meer  reichte  und  wohl  ancli  noeli  die  Küstengebiete  des 
Mittelmeeres  umspannte.  Cejdon,  die  Snnda-Inseln,  Phi- 
lippinen und  Madag-ascar  standen  in  der  jüngeren  Tertiär- 
zeit ohne  Zweifel  in  Verbindung  mit  den  benachbarten 
Continenten  und  erhielten  von  jenen  ihren  Vorrath  an. 
Landsäugethieren.  Afrika  und  Süd-Asien  besitzen  noch 
jetzt  eine  Menge  gemeinsamer  Gattungen  und  enthalten, 
strenge  genommen,  eine  einzige  einheitliche  Säugetliier- 
fauna,  die  sich  wahrscheinlich  erst  in  der  Diluvialzeit  so- 
weit differencirte,  dass  sie  heute  auf  zwei  solbstständige 
Provinzen  vertlieilt  werden  kann.  Gleichen  Rang  mit  der 
indischen  und  äthiopischen  Provinz  behau})tct  Madagasear 
mit  den  Mascarenen.  Die  Landsäugethiere  dieses  kleinen 
Gebietes  tragen  unverkennbare  Züge  grosser  und  früh- 
zeitiger Isolirung  zur  Schau.  Abgesehen  von  dem  Schwein 
und  einigen  kleinen,  in  der  Regel  passiv  wandernden 
Nagern  gehören  die  meisten  Säugethiere  besonderen, 
speeifisch  madagassischen  Gattungen  an.  Die  zahlreichen 
Lemuren  erinnern  an  obereocäne  Vorläufer  ans  Europa  und 
auch  die  Raubthiere  (Gryptoproctiden)  und  Insectenfresser 
(Centetideu)  weisen  auf  Ahnen  aus  dem  älteren  Tertiär 
hin.  Einheimische  Hufthiere  fehlen  diesem  Inselgebiet 
vollständig. 

Im  Gegensatz  zu  dieser  alterthündichen  (madagassi- 
schen) Provinz  besitzen  Europa  und  Nord-Asien  (das  so- 
genannte paläarktische  Gebiet)  die  jugendlichste  Säuge- 
thierfauna.  Erst  im  Diluvium,  wahrscheinlich  unter  Einfluss 
der  Eiszeit,  hat  sich  dieselbe  umgestaltet  und  allmählich 
einen  von  der  äthiopisch-indischen  abweichenden  Charakter 
erhalten.  Ob  auch  die  jugendlichste  Gestalt  in  der  ani- 
malischen Welt,  der  Mensch,  inmitten  dieser  jüngsten 
Fauna  entstanden  ist  oder  ob  seine  Wiege,  wie  Ameghino 
glaubt,  in  einem  andern  Welttheil  gesucht  werden  muss, 
lässt  sich  vorläufig  mit  Sicherheit  nicht  entscheiden. 


Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben. 

Es  wurden  ernannt:  A.  Nicolas  zum  Professor  für  Anatomie 
an  der  Universität  Nancy.  —  Der  Docent  für  Landwirthschaft 
an  der  Universität  Jena  Dr.  Konrad  von  Seelhorst  zum  au.sser- 
ordentliclien  Professor.  —  An  der  Universität  Berlin  Professor  Dr. 
Hans  Virchow  zum  ersten  Prosector  am  ersten  anatomischen 
Institute,  Dr.  Brösicke  zum  zweiten  Prosector,  Professor  Dr. 
W.  Krause  zum  Custos.  —  Dr.  Oswald  Kruch  zum  Conser- 
vator  des  Kgl.  botanischen  Instituts  in  Rom.  —  Dr.  John  M. 
Coulter   zum  Präsidenten  der  Lake  Forest  Univei-sity,    Illinois. 

Dr.  Achille  Terracciano  hat  seine  Stellung  als  Conser- 
vator  des  Kgl.  botanischen  Instituts  in  Rom  aufgegeben. 


L  i  1 1  e  r  a  t  u  r. 

Prof.  Dr.  Oscar  Hertwig,  Lehrbuch  der  Zoologie.     Mit  568  Ab- 
bildungen, zweite,  umgearbeitete  Auflage.  Gustav  Fischer.    Jena 
1893.  —  Preis  10  Mk. 
Erst  in  No.  44  S.  449  von  Band  VII  (1892)  haben  wir  die  erste 
Auflage  des  trefflichen  Buches  angezeigt  und  besprochen  und  schon 
jetzt    liegt    zu   unserer    Freude    eine    neue  Auflage  vor.     Die    ge- 
schäftige und  umsichtige  Verlagsbuchhandlung    hat    gewiss    einen 
dankenswerthen  Antheil  an  der  verdienten  schnellen  Verbreitung 
des  Buches,  da  sie  die  Preise    ihrer  Werke  —  für    deutsclie  Ver- 
hältnisse wenigstens  —  aussergewöhnlicli  billig  für  das  Gebotene 


gestaltet,  und  ein  „Lehrbuch"  muss  billig  sein.  Das  vorliegende 
Buch  z.  B.  bringt  nicht  weniger  als  568  vorzügliche  Abliildungen 
und  umfasst  in  Grossoctav  576  Seiten.  In  der  Disposition  hat 
Verf.  an  dem  Buche  nichts  geändert,  aber  viele  Verbesserungen 
angebracht  und  hier  und  da  Umarbeitungen  vorgenommen.  Im 
übrigen  verweisen  wir   auf  unsere  frühere  Bespreeliung. 


Prof.  Dr.  Eduard  Strasburger,  Das  kleine  botanische  Practicum 
für  Anfänger.  Anleitung  zum  Selbststudium  der  mikrosko- 
pischen Botanik  und  Einführung  in  die  mikroskopische  Technik. 
Zweite  umgearbeitete  Auflage.  Mit  110  Abbildungen.  Gustav 
Fi.scher.     Jena   1893.  —  Preis  5  Mk. 

Das  Buch  ist  sehr  geeignet  in  das  praktische  Studium  der 
botanischen  Anatomie  einzuführen  und  mit  Bedauern  müssen  wir 
daran  denken,  dass  nicht  schon  in  der  Zeit,  als  wir  selbst  unsere 
botanischen  Studien  trieben,  so  zweckmässige  Lehrmittel  ühev 
den  Gegenstand  vorhanden  waren,  wie  sie  Strasburger  in  seinen 
beiden  Practica  geschaft'en  hat.  Die  in  dem  Buche  gestellten 
Aufgaben  sind  in  32  Pensen  eingetheilt,  die  nach  ))ädagogischen 
Gesichtspunkten  geordnet  sind.  In  einer  Einleitung  finden  wir 
die  Instrumente  und  Reagentien  behandelt,  in  dem  ersten 
Pensum  den  Gebrauch  des  Mikroskopes,  die  Herstellung  der  Prä- 
parate und  als  erstes  Untersuchungsobject  den  Bau  der  Stärke. 
In  geschicktester  Weise  gliedert  sich  der  weitere  Stoft'  an,  nicht 
allein  von  dem  leichteren  zum  schwierigeren  und  complicirteren  fort- 
schreitend, sondern  im  Grossen  und  Ganzen  auch  in  einer  Folge 
der  Thenuita,  wie  sie  ein  systematisch  gegliedertes  anatomisches 
Lehrbuch  vorbringen  könnte.  Der  Inhalt  ist  dem  Lernenden  in 
jeder  Beziehung  so  bequem  wie  möglich  gemacht;  wir  erwähnen 
als  Beispiel  nur,  da.'^s  über  jedem  Pensum  die  für  die  Erledigung 
desselben  erforderlichen  Pflanzen  und  die  zu  besitzenden  Rea- 
gentien  genannt  werden. 


E.  Hammer,  Zeitbestimmung  (TThr-Controle)  ohne  Instrumente 
durch  Benützung  der  Ergebnisse   einer  Landesvermessung. 

Allgemein-verständlich  dargestellt.    Stuttgart,  J,  B-  Metzlerscher 

Vedag,  1893.  —  Preis  2  M. 

Das  Bedürfniss  selbstständiger,  zuverlässiger  Zeitbestimmung 
tritt  namentlich  auf  dem  Lande  fühlbar  hervor,  wo  „amtliche" 
Zeitangaben  oftmals  weit  und  breit  fehlen  oder  unzuverlässig  sind. 
Eine  ganze  Anzahl  bequemer,  kleiner  Instrumente  ist  darum  er- 
sonnen worden,  um  diesem  Bedürfniss  möglichst  ohne  jede  Rech- 
nung abzuhelfen.  Immerhin  ist  aber  die  Anschaffung  solchen- 
Apparate,  wenn  sie  eine  Genauigkeit  bis  auf  Bruchthoile  der 
Minute  geben  sollen,  kostspielig  genug  und  es  werden  darum  viele 
Landwirthe  dem  Autor  dankbar  dafür  sein,  dass  er  eine  becpieinc 
Beobachtungsweise  mit  einem  einfachen  Fadensenkel  angiobt,  auf 
Grund  deren  durch  eine  kleine  Rechnung  in  wenigen  Minuten  die 
Zeit  mit  hinreichender  Genauigkeit  ermittelt  werden  kann.  Die 
zahlreichen,  trigonometrisch  bestimmten  Punkte  der  Landesver- 
messung geben  diese  Möglichkeit  an  die  Hand.  Man  beobachtet 
mit  dem  Senkel  den  Augenblick,  wo  die  Sonne  genau  das  Azimut 
der  Verbindungslinie  zweier  ausgewählter  Punkte  passirt.  Die  Ab- 
weichung dieses  Azimuts  vom  Meridian  lässt  sich  aus  den  bekannten 
Coordinaten  jener  beiden  Punkte  leicht  berechnen  und  daraus  findet 
sich  dann  die  Zeit  der  Beobachtung  unter  Benutzung  der  Sonnen- 
deklination und  Zeitgleichung,  welche  Grössen  der  Autor  bis  1896 
in  einer  angehängten  Tafel  angiebt.  Alle  nöthigen  Rechnungen 
werden  mit  solcher  Ausführlichkeit  besprochen,  dass  jeder  mit 
dem  Gebrauch  der  Logarithment.afel  bekannte  Leser  ohne  weitere 
m.athematische  Kenntnisse  zur  Lösung  befähigt  ist.  —  In  einem 
besonderen  Anhang  giebt  Hammer  noch  eine  ausführliche  An- 
leitung zur  Bestimmung  der  Excentricität  des  Minutenzeigers  einer 
Taschenuhr.  Für  solche,  die  etwas  mehr  mathematische  Kennt- 
nisse besitzen,  wird  dieser  Anhang  ein  interessantes  Beispiel  einer 
Ausgleichungsrechnung  sein.  F.  Kbr. 


Lambert's  Photometrie.  (Photometria  sive  de  mensura  et  gra- 
dibus  luuiinis,  colorum  et  umbrae)  [1760].  Herausg.  von  E.  An- 
ding.  Mit  75  Te.xtfiguren.  (Ostwald's  Klass.  der  ex.  Wiss. 
No.  31—33.)  —  Preis  6,10  Mk. 

Lambert,  einer  der  genialsten  und  vielseitigsten  Gelehrten- 
köpfe des  vorigen  Jahrhunderts,  als  Philosoph  ein  Vorläufer 
Kant's,  als  Astronom  der  Vorgänger  von  Laplace,  ist  als  Phy.siker 
hauptsächlich  durch  die  in  der  „Photometria"  gegebene  Begründung 
des  photometrischen  Calculs  unsterblich  geworden.  Es  ist  ein 
sehr  dankenswerthes  Unternehmen,  das  bisher  nicht  überall  und 
Jedem  zugängliche  Werk  durch  die  vorliegende  deutsche  Ueber- 
setzung  den  heutigen  Physikern  neu  zu  schenken,  gereinigt  von 
manchen  überflüssigen,  weil  nicht  zur  Sache  gehörigen  Abschwei- 
fungen, befreit  von  zahlreichen,  sinnstöreuden  Druck-  und  Rechen- 
fehlern   und    endlich    in    fliessendem   Deutsch,    kurzum   in    einem 


Nr.  45. 


Naturwissenschat'tliplic  Woelicnschrit't. 


503 


Gewände,  wcichps  os  auch  für  den  modernen,  eiligen  Gelehrten 
zu  einem  brjuichbaren  Lehrbuche  macht.  Auf  letzteren  Titel  kann 
das  Werk  namentlich  auch  mit  Rücksicht  auf  die  zahlreichen  An- 
merkungen Anspruch  erheben,  durch  welche  der  Heransgeber  die 
Continuität  zwischen  dem  alten  Buche  und  dem  gegenwärtigen  Stande 
der  Wissenschaft  hergestellt  hat.  Lambert  hat  nämlich  seinen  Gegen- 
stand mit  einer  solchen  Vollständigkeit  und  erschöpfenden  Gründ- 
lichkeit behandelt,  dass  thatsächlich  kaum  eine  einschlägige  Frage 
der  heutigen  Wissenschaft  e.\istirt,  die  nicht  schon  von  ihm  in 
Angriff  genommen  wäre.  Anding  hatte  also  nur  nöthig,  in  An- 
merkungen auf  Irrthümer  Lambert's  hinzuweisen  und  die  (^»uellen 
anzugeben,  in  denen  die  betreifenden  Probleme  eine  weitere  Be- 
handlung erfahren  haben,  um  das  Werk  aus  einem  bloss  historisch 
interessanten  in  ein  nützliches  Compenilium  umzuwandeln.  Hätte 
der  Herausgeber  dieser  mit  grosser  Sorgfalt  bearbeiteten  Noten 
noch  ein  mit  geringer  Mühe  herstellbares  Register  angefügt,  so 
würde  er  zweifellos  seinen  oben  genannten  Zweck  in  "noch  voll- 
kommenerer Weise  erreicht  haben.  F.  Kbr. 


G.  Pizzighelli,  Anleitung  zur  Photographie  für  Anfänger.    Mit 

lii  T.'xtabi)ildungeu.  ö.  AuH.    Wilhrhn  Ivnapii,  Halle  a.  S.   1893. 

—  Preis  3  M.        " 

Das  handliche  Bücholchen  ist  trefflich  geeignet,  seinen  Zweck 
zu  erfüllen.  Die  1.  Aufl.  erschien  erst  18S7.  Es  zerfällt  nach 
einer  ganz  kurzen  pjinleitung  in  4  Abschnitte:  1.  Der  photogra- 
l)hische  Aufnahme-Apparat,  2.  der  Negativprocess,  3.  der  Positiv- 
process,  4.  die  praktische  Durchfidu-ung  der  photographischen 
Aufnahmen. 


komuien  der  Eisenerze  genannten  Gebietes.  1  Tafel  mit  Profilen. 
—  G.  C.  Comstock:  Der  gegenwärtige  Stand  des  Breitenproblenis. 
Verfasser  hat  Untersuchungen  über  die  sieh  ändernde  Lage  des 
Nordpoles  augestellt.  Danach  schreitet  derselbe  jährlich  etwa  um 
4  Fuss  in  einer  etwa  der  Westküste  Grönlands  folgenden  Richtung 
gegen  Süden  vor.  —  Frank  Levorett.'  Die  Beziehung  zwischen 
Moränen  und  den  Höhenrücken  des  Erie-Sees.  Untersuchungen 
iüjer  die  Glacialerscheinungen  der  Gegend  um  den  Erie-See. 
Hierzu  eine  Kartenskizze.  —  Hieram  B.  Loomis:  Ueber  die 
Wirkungen,  welche  der  Temperaturwechsel  auf  die  Vertheilung 
des  Magnetismus  hervorbringt.  Verfasser  berichtet  über  Experi- 
mente, welche  unternommen  wurden,  um  möglichst  genau  die  Ver- 
änderungen festzustellen,  welclie  in  Folge  Erhitzeus  und  .\l>kühlens 
eines  Magnetes  auftreten.  1  Tafel.  —  Edward  Kremers:  Die 
Simonen-Gruppe  der  Teryene.  Darstellung  der  Eutwickelung  der 
Kenntniss  der  eingangs  genannten  organischen  Verbindungen.  — 
E.  A.  Birge:  Verzeichniss  der  Crustacea  Cladoeera  von  Madison, 
Wisconsin.  Anknüpfend  an  seine  frühere  Arbeit  (Transact.  Wis- 
consin Ac,  1878)  über  den  Gegenstand,  giebt  Verfasser  in  der 
vorliegenden  Abhandlung  ein  möglichst  vollständiges  Verzeichniss 
ili'r  Crustacea  Cladoeera  nebst  —  wo  erforderlich  —  Beschreibung 
iliM'  Formen,  deren  Gesanimtzahl  sich  auf  64  belauft.  1  Tafel.  — 
i  Wni.  H.  Hobbs:  Notiz  über  Corussit  aus  Illinois  und  Wisconsin. 
(Krystallographisch.) 


Das  uns  von  der  Firma  Richard  Satth.'r  in  Braunschweig  zu- 
gehende Verzeichniss  antiquar.  Bücher  No.  (10  enthält  die  Biblio- 
thek des  verstorbenen  Algologen  F.  T.  Kützing,  200  Nummern, 
unter  denen  aber  5  Sammelbände. 


Transactions  of  the  Wisconsin  Academy  of  ScienceSj  Arts 
and  Lettres.  Vol.  VIU.  1888-1891.  Pnblished  by  Anthority 
of  l^aw.  Democrat  Printing  Company,  State  Printers.  Madison, 
Wisconsin,  1892.  —  Uns  liegt  ein  stattlicher  448 -t- XXVIII  Seiten 
umfassender,  gediegen  ausgestatteter  Band  vor,  dem  13  Tafeln  und 
2  Porträts  beigegeben  sind.  Derselbe  enthält  die  Sitzungsberichte 
der  Akademie,  giebt  Kenntniss  über  die  Vorgänge  innerhalb  der- 
selben und  ihre  Beziehungen  nach  aussen  und  bringt  eine  Reihe 
wichtiger,  z.  Th.  recht  umfangreicher  Arbeiten  auf  den  von  der 
Vereinigung  gepflegten  Gebieten.  Wir  führen  von  den  Abhand- 
lungen hier  die  folgenden  an:  Charles  R.  Barnes:  Künstlicher 
Schlüssel  zu  den  Gattungen  und  Arten  der  Moose,  welche  in  Les- 
quereux  und  James'  Handbuch  der  nordamerikanischen  Moose" 
anerkannt  werden.  —  T.  C.  Chamberlin:  Einige  Beiträge  zur 
Kenntniss  der  Interglacialzeit.  Verfasser  berichtet  über  die  Beob- 
achtung interglacialer  Ablagerungen  ,  besonders  im  unteren 
Mississippi-,  sowie  im  oberen  (_)hio-,  im  Alleghany-,  Susquehanna- 
und  Delaware-Thal.  —  Wm.  M.  Wheeler:  Ueber  die  Anhänge 
des  ersten  Abdominalsegmentes  bei  Insecten-Embryonen.  Verf. 
berichtet  über  seine  eigenen  auf  den  Gegenstand  bezüglichen 
Untersuchungen,  sowie  über  die  anderer  Autoren  bis  zum  Jahre 
1889.  Unter  den  von  ihm  selbst  beobachteten  Formen  nennen 
wir  u.  a.  Blatta  germanica  L.  und  Orientalis  L.  und  Cicada  sep- 
temdecim  Fabr.  Am  Schluss  der  von  grossem  Fleisse  zeigenden 
Arbeit  giebt  der  Autor  auf  5  Seiten  ein  umfangreiches  Litteratur- 
verzeichniss.  Hierzu  3  Tafeln.  —  Wm.  H.  Hobbs:  Ueber  einige 
metamorphosirte  Eruptivgesteine  in  den  krystallinischen  Gesteinen 
von  Maryland.  Petrographische  Untersuchungen  mit  3  Text- 
figuren und  einer  Tafel.  — 

Chas.  H.  Chandler:  Bemei'kungen  über  die  Ericaceae.  — 
G.  E.  Culver:  Notizen  idjer  ein  wenig  bekanntes  (iebiet  in 
Nordwest-Montana.  Verfasser  berichtet  üljer  die  Ergebnisse  seiner 
Theiluahme  an  einer  Expedition,  welche  zur  Erkundung  eines  im 
Nordwesten  von  Montana  zwischen  47  und  49°  n.  Br.  und  etwa 
113  und  114°  30'  w.  L.  gelegenen,  wenig  bekannten,  bis  7000' 
hiilieu  Theiles  des  Rocky  Mountains,  das  verschiedene  noch  vor- 
handene und  noch  zahlreichere  Spuren  einstiger  Gletscher  besitzt, 
unt(>rnommen  wurde.  Die  Arbeit  ist  geographischen  und  geolo- 
dischen  Inhaltes  und  durch  eine  Skizze  im  Text  und  eine  Tafel 
erläutert.  —  G.  C.  Culver  and  Wm.  H.  Hobbs:  Ueber  ein 
neues  (')livin-Diabas- Vorkommen  inMinnehaha  County,  Süd-Dakota. 

—  C.  Dwigt  Marsh:  Ueber  die  Tiefwasser-Crustaceen  des  GJreen 
Lake.  Biologische  Bemerkungen.  —  Derselbe:  Bemerkungen 
über  die  Tiefe  und  Temperatur  des  Green  Lake.     Hierzu  1  Tafel. 

—  C.  R.  van  Hise:  Die  Eisenerze  des  Lake-Superior-Geldetes. 
Untersuchungen    über    die    LagerungsverhiUtniase    und    das   Vor- 


Chwolson.  O.,  Actinometrische  Untersuchungen  zur  Construction 
eines  Pyrlieliiuneters  und  eines  Actinometers.    Leipzig.    5,25  M. 

Cvijie,  Prof.  Dr.  Jovan,  Das  Karstphänomen.     Wien.     4  M. 

Lassar -Cohn,  Privatdoc.  Dr.,  Arbeitsmethoden  für  organisch- 
cliemisclie  L:ib(irat(]rien.     2.  Aufl.     Hamburg.     7,50  M. 

Maximowicz,  C.  J.,  Diagnoses  plantarum  novarum  asiaticarum. 
Leipzig.     0,90  M. 

Reiss,  'W.,  u.  A.  Stübel,  Reisen  in  Südamerika.  2.  Lfg.  Berlin. 
18  M. 

Schimpf  ky.  Rieh.,  Deutschlands  wichtigste  Giftgewächse  in 
Wort  und  Bild.     Gera      2,75  M. 

Schiötz,  O.  E.,  Ueber  di(!  Reflexion  longitndineller  Wellen  von 
einer  rigiil  uiu-ndlichen,  i'benen  Fläche.     Christiania.     I  M. 

Schreiber,  Prof.  Dir.  Dr.  Faul,  General-Bericht  über  den  gegen- 
wärtigen Stand  unserer  Kenntnisse  über  Gewitter  und  die  be- 
ijleitenden  Erscheinungen  im  Königreich  Sachsen.  Chemnitz. 
(1,30  M 

Schroeder's,  Ur.  Carl,  Handbuch  der  Krankheiten  der  weiblichen 
(ieschlechtsorg.'iue.     11.  Aufl.     Leipzig.     14  M. 

Traube,  Privatdoc.  Dr.  J.,  Physikalisch-chemische»  Methoden. 
Hamburg.     .")  M. 

Wetterwald,  Dr.  Xav.,  Die  Kohlenstoff-Assimilation  in  histo- 
rischer Darstellung.     Basel.     2  M. 

Wiesner,  J.,  Photometrische  Untersuchungen  auf  pflanzenphysio- 
logiscliem  Gebiete.     Wien.     1  M. 

Wreschner,  Dr.  Arth.,  Ernst  Platner  und  Kant's  Kritik  der 
reinen  N'ernunft  mit  besonderer  Berücksichtigung  von  Tetens 
und  Aenesideuuis.     Leipzig.     2,50  M. 

Zuchristian,  Joh.,  Ueber  den  Einfluss  der  Temperatur  auf  die 
PotcMiti.ildilferenzen  dos  Wechselstrondichtbogens.    Wien.  0.30  M. 

Zusammenstellung  der  Beschlüsse  der  intm-nationalen  Meteoro- 
logen-Conferenzen  von  der  Conferonz  in  Leipzig.    Leipzig.  2,50  M. 


Briefkasten. 

Hrn.  Dr.  K.  —  Unter  „Pädogenesis"  wird  die  partheuogene- 
tische  Fortpflanzungsfähigkeit  einer  Thierart  im  Larvenzustand 
bezeichnet,  wie  dies  z.  B.  bei  den  Aphiden  und  Cccydomyien  be- 
kannt  ist. 

Hm.  Lud.  Arnhart  in  Wien.  —  Die  vor  einigen  Jahren  im 
Inseratentheil  der  „Naturw.  Wochenschr."  angezeigte  Büste  von 
Charles  Darwin  ist  von  dem  Bildhauer  Iliu-rn  Lehr  (Berlin,  Wil- 
helmstr.   135)  zum  Preise  von  50  M.  zu  beziehen. 


Inhalt 


E.  Hammer:  Zeitbestimmung  (Uhr-Controle)  ohne  Instrumente  durch  Benützung  der  Ergebnisse  einer  Landesvermessung.  — 
Lambert's  Photometrie.  —  G.  Pizzighe  1  li:  Anleitung  zur  Photograjdiie  für  Anfänger.  —  Transactions  of  the  Wisconsin 
Academy  of  Sciences,  Arts  and  Lettres.  —  Verzeichniss   anticpuirischer   Bücher.   —  Liste.  —  Briefkasten. 


5Ü4 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  45. 


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Dresden,    betretfend:    „Urteile  der  Presse  über  Zoolofiische  Werke  aus  genanuteni  A'erlage",    ilie  wir  hiermit  besonderer  Beach- 
tung empfehlen. 

Verantwortlicher  Redakteur:    Dr.  Henry  Potonie,    Berlin  N.  4.,  Invalidenstr.  44,  für  den    Insei-atentheil:    Hugo  Bernstein    in    Berlin.  — 
Verlag:  Ferd.  Diimmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12.  —  Druck:  G.  Bernstein,  Berlin  SW,  12. 


^^■^  Redaktion:  7         Dr.  H.  Potonie. 

Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12,  Zimmerstr.  94. 


VÜL  Band. 


Soniita«:,  den  12.  November  1893. 


Nr.  4(1 


Abonnement:  Man  abonnirt  bei  allen  Buchhandlungen  und  Post- 
anstalton,  wie  bei  der  Expedition.    Der  Vierteljahrspreis  ist  M  4.— 
Bringegeid  bei  der  Post  \h  4  extra. 


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Inserate:  Die  viergespaltene  Petitzeile  41)  9,.   Grössere  AufträKe  ent- 
sprechenden Rabatt.  Beilagen  nach  Uebereinkunft.  Inserateuannalime 
bei  allen  Annoncenbureaux,  wie  bei  der  Expedition. 


Abdruck  int  nur  mit  vollstän«li«jer  <|nelU'naiisal>p  jjemtattet. 


Ueber  das  Vorkommen  von  Mus  alexandrinus  Geoffr.  in  Vegesack. 


Von  S.  A.  Po  ppo. 


Die  in  Eui'opa  vorkormiieiideii  Ratten-Arten  werden 
jL;-cwülnilieli  als  Hausratte  (Mus  rattu.s  L.),  Wanderratte 
(M.  decunianus  Pali.)  und  ägyptisclie  Hatte  (Mus  alexan- 
drinus Geofir.)  unterschieden  und  bekanntlich  ist  die  erst- 
i;'cnannte  schon  seit  dem  Mittelalter  in  Europa  einheimisch 
und  von  hier  aus  durch  ilie  Schiffe  über  die  anderen  Erd- 
theile  verbreitet  worden.  Seit  der  ersten  Hälfte  des  acht- 
zehnten Jahrhunderts  hat  sie  jedoch  allmählich  der  Wander- 
ratte das  Feld  räumen  müssen,  und  es  wird  fast  überall 
angenominen,  dass  sie  nur  noch  an  wenigen  kleineren 
Orten  in  geringer  Individueuzahl  vorkommt  und  Ijald  ganz 
verschwinden  wird.  L.  Geisenheyner  hat  Jedoch  neuer- 
dings in  seiner  Wirbelthierfauna  von  Kreuznach  (s.  Na- 
turw.  Wochcnschr."  VII.  Bd.,  1892,  No.  lU)  nachgewiesen, 
dass  diese  Annahme  für  das  Nahethal  nicht  zutrift't,  wo 
sie  durchaus  nicht  selten  ist.  Auch  in  Lübeck  tindet  sie 
sich  nach  brieflicher  Mittheilung  des  Herrn  Ür.  H.  Lenz 
noch  jetzt,  und  ich  selbst  halie  ihr  Vorkommen  in  Urcmen 
1881  (cf.  Poppe,  Zur  Säugethierfauua  des  mmhvestlichen 
Deutschland,  Abb.  d.  Na't.  Ver.  Bremen  Bd.  VII,  1882), 
sowie  1885  in  meinem  Wohnorte  Vegesack  an  der  Weser 
eonstatiren  können.  Der  Umstand  nun,  dass  hier  in  Häusern 
der  Bremerstrasse  im  Laufe  der  letzten  Jahre  wiederholt 
Ratten  vom  Habitus  der  Hausratte,  aber  einer  l<'ärbung, 
die  der  der  Wanderratte  glich,  beobachtet  wurden,  ver- 
anlasste mich,  der  Sache  näher  zu  treten,  und  es  gelang 
mir,  zu  eonstatiren,  dass  diese  Exemplare  nicht  nur  in 
verschiedenen  Häusern  der  Bremerstrasse,  sondern  auch 
in  dem  an  Vegesack  grenzenden  Nachbarorte  Aumund 
vorkommen.  In  der  Sitzung  des  Nat.  Vereins  in  Bremen 
am  14.  März  1892  habe  ich  dann  in  einem  Vortrage 
meine  Ansicht,  dass  wir  in  den  fraglichen  Ratten  den 
Mus  alexandrinus  Geoffr.  vor  uns  haben  und  dass  diese 
sogen.  Art  mit  M.  rattus  L.  identisch  ist,  dargelegt.  Seit 
der  Zeit  habe  ich  mir  typisches  Material  der  ägyptischen 
Ratte   in  ganzen  Thicren   aus  Genua  sowie  in   Scluideln 


aus  Frankreich  verschafft  und  auch  verschiedene  Exem- 
plare der  fraglichen  Form  aus  Häusern  der  Hafen-, 
Neuen-  und  Langenstrasse  in  Vegesack  eriiaiten.  Das 
Ergebniss  meiner  Untersuchungen,  das  mit  den  Angaben 
De  risle's  in  dessen  Allhandlung:  „De  l'existence  d'une 
race  negre  chez  le  rat,  ou  de  l'identite  specitique  du  ]\Ius 
rattus  et  du  Mus  alexandrinus"  (Ann.  Sc.  nat.  Tome  IV, 
1865)  im  Wesentlichen  übereinstimmt,  gedenke  ich  si)äter 
ausführlich  an  anderer  Stelle  zu  publiciren  und  will  hier 
nur  einige  Punkte  hervorheben ,  die  von  allgemeinem 
Interesse  sind,  und  zugleich  aus  De  l'Isle's  Arbeit  das 
Wichtigste  anführen. 

Nach  J.  H.  Blasius'  classischer  „Naturgeschichte  der 
Säugethiere"  beherbergt  Europa  .S  Arten  von  Ratten,  die 
er  in  2  Gruppen  ordnet,  nämlich:  kurz  ohrige  und 
langohrige.  Zu  der  ersten  (iruppe  gehört  die  Wander- 
ratte, zu  der  zweiten  die  Hausratte  und  die  ägyptische 
Ratte.  Die  Wanderratte  ist,  abgesehen  von  den  kurzen 
( »hren,  noch  dadurch  charakterisirt,  dass  ihre  Oberseite 
bräunlich-grau,  ihre  Unterseite  grauweiss  gefärbt,  dass 
der  Schwanz  kürzer  als  der  Körper  ist,  dass  die  Gaumeu- 
falten  gekörnelt  sind  und  der  Gaumen  keine  Längsfurche 
besitzt.  Hausratte  und  ägyptische  Ratte  stimmen  ausser 
den  langen  ( »hren  darin  iibcrein,  dass  ihr  Schwanz  länger 
als  der  Körper  ist;  sie  unterscheiden  sich  aber  durch  ihre 
Färbung,  die  bei  ersterer  auf  der  Oberseite  schwarz,  auf 
der  Unterseite  nur  wenig  heller  ~  grauschwarz  —  ist, 
bei  letzterer  oben  braungrau,  unten  gelblichweiss.  So- 
dann soll  M.  rattus  nach  Blasius  glatte  Gaumenfalten 
und  keine  Längsfurchen  am  Gaumen  haben,  während 
bei  M.  alexandrinus  der  (Jaumen  von  einer  tiefen 
furche  durchzogen 
sollen. 

Nach  de  l'Isles'  und  meinen  Untersuchungen  steht 
j^edoch  fest,  dass  sowohl  die  Hausratte  wie  auch  die 
ägyptische    Ratte    gekörnelte    Gaumeufalten     und    keine 


Längs- 
und die  Gaumenfalten  gekörnelt  sein 


506 


Natnvwissenscliaftliche  Woclienschrift. 


Nv.  4r, 


Längsfurche  am  Gaumen  besitzen.*)  Sie  sind  hinsicbtlieli 
des  Habitus,  der  Pliysiognomie,  der  Augen,  der  Ohren, 
der  Gaumenfalten  und  der  Schädelbildung  absolut  iden- 
tisch und  unterscheiden  sich  einzig  und  allein  nur  durch 
die  Färbung.  Die  schwarzen  Exemplare  kommen  in  der 
Bretagne  zusannncn  mit  den  braungrauen  in  denselben 
Löchern  vor,  und  ich  selbst  erhielt  aus  einem  Hause  in 
Auniund  innerhalb  einer  Woche  4  jugendliche  Exemplare 
von  fast  derselben  Grösse,  von  denen  3  oben  braungelb- 
grau,  unten  gelblichweiss  waren,  während  das  vierte  die 
typische  M.  rattus-Färbung  zeigte.  Hinsichtlich  der 
Gaumenfalten,  des  Schädelbaus  und  der  Anzahl  der 
Schwauzwirbel  stimmen  alle  4  Exemplare  vollkonnnen 
üljcrein  —  sie  gehörten  offenbar  zu  einem  Wurfe.  Mus 
decumanus  aber  ist  in  demselben  Hause  nicht  beobachtet 
worden.  Andere  adulte  Exemplare  aus  Vegesack  zeigten 
auf  dem  Rücken  elicnfalls  schwarzgelbbraune  Färbung, 
waren  an  den  Seiten  meist  heller  grau,  am  Bauch  grau, 
weissgrau  mit  gelbem  Anflug  oder  scharf  abgesetzt  gelb- 
weiss.  Auch  de  l'Isle  hat  bei  den  gefangenen  Exem- 
plaren eine  Eeihe  von  Zwischenstufen  zwischen  der  Rattus- 
und  Alexandrinusfärbung  constatirt.  Er  fand  Exemplare 
von  Alexandrinus,  die,  wenn  auch  noch  zweifarbig,  doch 
an  der  Unterseite  viel  dunkler  als  gewöhnlich  waren  und 
ungewöhnlich  helle,  mehr  graue  als  schwarze  Rattus; 
dann  wieder  Exemplare,  die  oben  schwarz  wie  Rattus, 
unten  weiss  wie  Alexandrinus,  andere,  die  oben  grau- 
braun wie  Alexandrinus,  unten  schwärzlich  wie  Rattus 
waren.  Seine  Experimente  mit  beiden  Formen  während 
2'/o  Jahren  haben  ergeben,  dass  die  Ehen  zwischen  beiden 
stets  mit  Kindern  gesegnet  und  die  Mischlinge  unter  ein- 
ander eben  so  fruchtbar  waren.  Von  diesen  Mischlingen 
hatten  einige  die  typische  Färbung  von  Rattus,  andere 
die  von  Alexandrinus,  wieder  andere  tlieilten  sich  in  die 
Färbung  beider.  Die  verschiedenen  Färbungen  traten 
bei  Jungen  d  esselben  Wurfes  auf,  wenn  das  Männehen 
Alexandrinus,  das  Weibchen  Rattus  war  (von  39  Jungen 
in  6  Würfen  waren  19  schwarz,  19  oben  braun,  unten 
weiss  und  1  halbschwarz).  War  jedoch  das  Männchen 
Rattus,  das  Weibchen  Alexandrinus,  so  waren  alle  Jungen 
schwarz,  d.  h.  Rattus  (22  in  4  Würfen).  Wurden  diese 
schwarzen  Mischlinge  wieder  unter  einander  gekreuzt,  so 
waren  die  Jungen  vorzugsweise  schwarz  (14  von  18)  aber 
auch  einige  (3)  zweifarbig  und  1  von  getbeilter  Färbung. 

Der  Versuch,  Wanderratte  und  Hausratte  zu  kreuzen, 
ist  bisher  Niemanden  gelungen,  auch  de  l'Isle  nicht,  der 
zur  Vorsicht  ein  sehr  junges  Männchen  der  Wanderratte 
mit  einer  sehi'  jungen  weiblichen  Hausratte  zusammen- 
brachte. Dieselben  gewöhnten  sieh  auch  an  einander  und 
es  hat  wahrscheiulich  auch  eine  Begattung  stattgefunden, 
die  aber  steril  blieb.  Als  er  jedoch  genöthigt  war,  die 
Wohnung  zu  wechseln,  erwachte,  wahrscheinlich  durch 
die  Erschütterung  des  Wagens,  bei  der  Wanderratte  die 
alte  Wildheit:  sie  tödtete  die  Hausratte  und  frass  sie  auf 

Die  Angabe  Geoffroy's,  dass  die  ägyptische  Ratte 
einen  längeren  Schwanz  als  die  Hausratte  habe,  hat 
de  l'Isle,  der  das  typische  Exemplar,  das  Geofifroy  seiner 
Beschreibung  zu  Grunde  gelegt  hat,    vergleichen  konnte, 

*)  Noack  (B(.'itr.  zur  Kenntniss  der  Siiugßthierfauiia  von  Ost- 
afrika) glaubt  nach  dem  glatten  Gaumen  (sie!)  an  einem  ge- 
trockneten Rattenkopf  mit  Haut  und  Haarresten  constatiren  zu 
können,  dass  M.  rattus  in  Sansibar  vorkommt,  und  erklärt  die  An- 
nahme von  Peters,  dass  M.  rattus  und  M.  alexandrinus  artlicli 
identisch  seien,  für  unrichtig.  Seine  Ausführung  ist  jedoch  schon 
aus  dem  Grunde  nicht  beweisend,  da  ich  mich  durch  Autopsie 
überzeugt  habe,  dass  der  fragliche  Schädel  einem  typischen 
Mus  decumanus  angehört.  Es  ist  sein-  zu  bedauern,  dass 
Blasius  neben  der  Abbildung  des  Schädsls  von  M.  decumanus 
nicht  auch  eine  solche  von  M.  rattus  gegeben  hat,  da  dann  solche 
Irrthümer  nicht  vorkonnnen  und  die  Museen  keine  falsch  be- 
stimmten Rattenschädel  aufweisen  würden. 


nicht  bestätigt  gefunden.  Der  Schwanz  erschien  bei 
einigen  der  Vegesacker  Exemplare  auffallend  kurz,  war 
aber  stets  länger  als  der  Körper,  z.  B.  14 :  20,  15,7  :  IS, 8, 
16:20,9,  16:21,  17,5:19,5,  18:20,5,  19:23,5.  Von 
Schwanzwirbeln  habe  ich  31 — 37  gezählt,  während  bei  M. 
decumanus  29 — 32  vorhanden  waren.  Die  Zahl  der  Wirbel 
scheint  demnach  zu  variiren,  doch  ist  die  Möglichkeit  der 
Verstümmelung  des  Schwanzes  nicht  ausgeschlossen. 

Der  Schädel  der  ägyptischen  wie  der  Hausratte  ist 
kleiner  als  der  der  Wanderratte,  seine  Jochbogen  er- 
strecken sich  tiefer  nach  unten  und  sind  nicht  so  weit 
nach  aussen  ausgebogen,  seine  Scheitelfläche  ist  breit  und 
convex,  während  dieselbe  bei  M.  decumanus  schmal  und 
fast  platt  ist.  Die  starken  Leisten  der  Oberseite,  die  am 
vorderen  Ende  der  Stirnbeine  beginnen,  biegen  sich  bei 
der  Hans-  und  ägyptischen  Ratte  vom  vorderen  Rande 
der  Scheitelbeine  stark  nach  aussen  und  von  der  Mitte 
derselben  wieder  nach  innen,  ein  Oval  beschreibend. 
Bei  der  Wanderratte  verlaufen  sie  von  der  Mitte  des 
Aussenrandes  der  Stirnbeine  an  fast  in  gerader  Linie  bis 
zur  Mitte  des  Zwischenscheitell»eins,  dessen  Hinterrand 
einen  flachen  Bogen  bildet.  Jugendliche  Schädel  der 
Wanderratte,  bei  denen  diese  Leisten  noch  nicht  aus- 
geltildet  sind,  ähneln  sehr  denen  von  Alexandrinus  und 
Rattus,  da  ihre  Scheitelfläche  mehr  gewölbt  ist.  Sie  sind 
jedoch,  ebenso  wie  die  adulten,  von  diesen  durch  die  Ge- 
stalt des  Os  interparietale  leicht  zu  unterscheiden.  Wäh- 
rend dasselbe  nämlich  bei  der  ägyptischen  und  Hausratte 
an  einen  Kreisabschnitt,  bei  dem  der  Hinterrand  den 
Bogen,  der  nach  vorn  etwas  convexe  Vorderrand  die 
Sehne  darstellt,  erinnert,  zeigt  es  bei  Mus  decumanus  die 
Gestalt  eines  Trapezoids,  wobei  der  nach  aussen  etwas 
convexe  Hinterrand  die  längste  Seite  darstellt.  Die  Fora- 
mina  incisiva  reichen  bei  der  ägyptischen  und  der  Haus- 
ratte bis  über  den  Anfang  der  Backenzähne  hinaus, 
während  dieselben  bei  M.  decumanus  nie  denselben  er- 
reichen. Die  Angabe  de  l'Isle's,  dass  Alexandrinus  und 
Rattus  sich  durch  einen  specitisehen  Geruch  auszeichnen, 
während  M.  decumanus  frei  davon  sein  soll,  habe  ich  in 
der  Mehrzahl  der  Fälle  bestätigt  gefunden,  doch  sind  mir 
auch  geruchlose  ägyptische  und  Hausratten  vorgekonnuen 
und  andererseits  zeichnete  sich  eine  Wanderratte  durch 
einen  besonders  penetranten  Geruch  aus. 

Was  nun  die  Frage  betritft,  welche  der  beiden  bis 
dahin  als  distinete  Arten  betrachteten  Formen  als  Stannu- 
art,  welche  als  Varietät  anzusehen  sei,  so  beantwortet 
de  l'Isle  dieselbe,  wie  mir  seheint  mit  Recht,  dahin,  dass 
Mus  alexandrinus  die  Stammart  und  M.  rattus  eine  kli- 
matische Rasse  derselben  sei.  Seine  Experimente  haben, 
wie  oben  bemerkt,  das  Resultat  ergeben,  dass  Mischehen 
zwischen  der  ägyptischen  und  der  Hausratte  mehr  schwarze 
als  braungraue  Junge  ergeben,  dass  also  im  Laufe  der 
Zeit  die  Anzahl  der  schwarzen  im  Verhältniss  zu  den 
braungrauen  zunehmen  muss.  Er  weist  nun  darauf  hin, 
dass  bei  einer  ganzen  Reibe  von  Wirbelthieren  sieh  ein- 
zelne Individuen  finden,  die  schwarz  gefärbt  sind.  Unter 
den  Reptilien  sind  solche  bei  der  Ringelnatter  und  der 
Kreuzotter  beobachtet  (bei  letzterer  als  Pelias  prester  be- 
zeichnet), unter  den  Amphibien  bei  der  gemeinen  Kröte 
(Bufo  vulgaris),  die  in  den  Alpen  immer  dunkler  wird, 
je  mehr  sie  in  die  Höhe  steigt.  Unter  den  Nagethieren 
sind  vom  Hamster,  Bobac  und  Hasen  schwarze  Individuen 
bekannt  und  beim  Eichhörnchen  sind  dieselben  so  häufig, 
dass  sie  sich  in  einigen  Gegenden  zahlreicher  als  die 
rothen  finden. 

Sodann  bemerkt  de  l'Isle,  dass  alle  Arten  der  Gattung 
Mus,  soweit  sie  im  Freien  leben,  zweifarbig,  oben 
braun,  unten  weiss  sind  (von  den  europäischen  Arten  z.  B. 
die  Waldmaus  M.  silvatieus,   die  Brandmaus   M.  agrarius 


Nr.  4ß 


Natnrwisseiisc'liaftlichc  Woclieuscluii't. 


507 


und  die  Zwergniaus  M.  niinntus),  dass  aber  die  beiden 
Arten,  die  sieb  an  das  Ziisaiunicnleben  mit  dem  Menscben 
i;e\v(ihnt  baben,  die  llaiisniaus  (M.  niiisciihis)  und  die 
Hausratte,  fast  sanz  seliwar/,  sind.  Je  länger  dieser 
Farasitisnius  dauert,  desto  mein-  nuiss  aueb  die  schwarze 
Farbe  die  vorberrsebende  werden.  So  kennen  wir  die 
Hausmaus,  die  seit  dem  Altertlium  als  liausgenossin  des 
Mcnscben  l)elvannt  ist  und  deren  Name  im  Grieebiscben, 
Latcinisclien  und  Deutscbcn  derselbe  ist,  gar  nicbt  niebr 
in  der  ursiiriingliclien  Erdl'iirbung  und  nur  ausnahmsweise 
finden  sich  isabellfarbene,  wcissgcfleckte  oder  weisse 
Exemplare.  De  l'Isle's  Voraussage,  dass  diese  schwarze 
Färbung  im  Laufe  der  Zeit  auch  bei  der  Wanderratte 
auftreten  würde,  ist  inzwischen  eiugetroHen,  da  scliwarze 
A\'anderratten  im  Zoologischen  Garten  zu  Berlin  in  grosser 
Individuenzald  beobachtet  worden  sind  und  ein  Driitcl 
der  Wanderratten  im  Jardin  des  Plantcs  in  Paris  dunkel- 
braun, fast  schwarz  ist.  Auch  in  Süd-Amerika  kununt 
eine  dunkele  Varietät  der  Wanderratte  vor,  die  A^'ater- 
house  als  Mus  maurus  beschrieben  bat.*) 

!Mus  alexandrinus  ist  noch  jetzt  nicht  nur  in  Aegypten, 
sondern  aueb    im  tropischen  Afrika    in   den   mcnscblichen 

*)  Dass  Mus  d'.'cumanus  sich  immer  mt-lir  an  ilas  Zusammen- 
leben  mit  dem  Menschen  gewöhnt  und  nicht  nur  in  den  unteren 
Kiiumen  der  Häuser  verkehrt,  sondern  auch  die  oberen  Kiiunie 
aufsucht,  konnte  ich  in  der  Nähe  Vogosacks,  in  Seliönebeck,  bcoh- 
acliten,  wo  sie  in  einem  Arbeiterhauso  der  dortiireu  Ziegelei  den 
Hausboden  bewohnt,  zwischen  den  versclialten  Dachsparren  um- 
herklettert und  bei  Regenwetter  aus  der  Dachtraufe  zu  trinken 
pflegt.  An  einem  hohen  Fabrikgebäude  in  der  Umgegend  klettert 
sie  am  Epheu  liis  in  den  zweiten  Stock  hinauf. 


Wohmuigen  verbreitet,  und  zwar  ist  sie  dort  stets  braun 
gefärbt.  Die  Veränderung  in  der  Färbung  dürfte  daher 
mehr  durch  die  Einwandcruug  in  klimatisch  vcrscliiedenc 
Länder  und  den  Wechsel  in  der  Nahrung  als  durch  das 
Zusanmienlebcn  mit  dem  Menschen  verursacht  sein.  Frei- 
lich sind  auch  die  Ratten  gezwungen,  in  grösseren 
Städten  ein  mehr  uächtliclics  Leben  zu  führen  und  sieb 
während  des  Tages  versteckt  zu  halten.  In  Spanien  und 
im  südlichen  Italien  und  Frankreich  ist  die  typische  Fär- 
bung von  M.  alexandrinus  die  vorberrsebende,  auch  in 
Argentinien  ist  sie  nach  Hurnieister  überall  gemein,  wäh- 
rend die  Varietät  rattus  sich  bislier  nur  in  den  Zoll- 
Niederlagen  in  IJuenos  Ayres  findet.  Auch  in  Süd-Bra- 
silien ist  Mus  alexandrinus  nach  von  Jhering  in  den  Küsten- 
orten  sehr  häufig.  Im  nördlichen  Italien  und  Frankreich 
ist  die  Varietät  rattus  die  liäufigere  Form  und  was  spe- 
cicU  Deutschland  betrifft,  so  ist  der  typisciie  M.  alexan- 
drinus, wie  es  scheint,  bisiier  nur  in  Stuttgart  beobachtet 
worden,  denn  das  Bonner  Exemplar,  das  nach  Troscbel 
zu  dieser  Art  gehören  sollte,  ist,  wie  ich  mich  durch 
Untersuchung  des  Schädels  überzeugt  liabe,  ein  M.  decu- 
manus.  Um  so  interessanter  ist  ihr  Vorkommen  in  Vege- 
saek  und  Umgegend,  wo  sie  sich  dauernd  zu  halten 
sclicint.  Ich  zweifele  übrigens  nicht  daran,  dass  sie  sich 
auch  an  anderen  Orten  finden  wird,  wo  sie  vielleicht  nur 
wegen  ihrer  äusseren  Aehnliehkeit  mit  der  Wanderratte  bis- 
her übersehen  worden  ist.  Alle  Mittbeilungen  über  das  Vor- 
kommen von  Mus  alexandrinus  sowie  ihrer  schwarzen  Varie- 
tät rattus  würde  ich  mit  Dank  entgegen  nehmen  und  erkläre 
mich  gern   bereit,   zweifelhafte  Exemplare   zu  bestimmen. 


65.  Versammlung  der  Gesellschaft  deutscher  Naturforscher  und  Aerzte  in  Nürnberg 


vom  11.  bis  15.  September  1893. 


IL 


Adolf  Strümpell:  Ueber  die  Alkobolfrage  vom 
ärztlichen  Standpunkt  aus. 

Unzählige  Male  schon  hervorgehoben  sind  die  mannig- 
fachen und  nahen  Beziehungen  zwischen  Alkoholismus 
und  Verbreclien.  Was  schon  die  gewöhnliche  Beobachtung 
des  alltäglichen  Lebens  ergiebt,  bestätigt  in  zahlen- 
mässigcr  Deutlichkeit  die  Statistik.  Wo  man  diese  auch 
befragt  bat,  in  Frankreich,  in  Schweden,  in  Oesterreieh 
und  in  Deutschland,  überall  dasselbe  Ergebniss,  überall 
der  hohe  Procentsatz  der  Vergehen  und  Verbrechen, 
welche  theils  direct  in  trunkenem  Zustande,  theils  von 
notorischen  Trunkenbolden  verübt  wurden.  Sehr  häufig 
sind  beide,  Alkoholismus  und  Verbrecherthum,  die  notb- 
wendigen  coordinirten  Folgen  einer  angeborenen  abnormen 
geistigen  Veranlagung,  einer  psyehopatliischen  Degene- 
ration; aber  in  Wirklichkeit  kommt  dieser  krankhaften 
Veranlagung  gar  nicht  eine  so  besonders  grosse  Bedeutung 
zu;  denn  bei  einer  Unterscheidung  zwischen  Gelegen- 
heitstrinkern und  Gewolndieitstrinkcrn  hat  sicli  stets  er- 
wiesen, dass  eine  überwiegend  grosse  Anzahl  von  Ver- 
gebungen der  erstgenannten  Kategorie  zur  Last  fällt. 
Von  1130  l'ersonen,  welche  im  Jahre  1889  in  Deutschland 
wegen  Kcirpcrvcrletzung  bestraft  wurden,  waren  750 
Trinker,  und  zwar  fiOO  Gelegenheitstrinker  und  nur 
150  Gewobnlieitstrinker. 

Bezuglicli  der  Bedeutung  der  alkoholischen  Getränke 
als  Nahrungsmittel  Folgendes:  Dass  dem  Köri)er  ins- 
besondere bei  reichlichem  Biergenuss  erhebliche  Mengen 
von  Nahrungsstotf  zugeführt  werden,  ist  unbestreitliai'  und 
von  ganz  besonderer  Bedeutung.  Aber  wie  verlialten  sich 
der  Nährwertb    und    der  Preis    des  Bieres    zu    einander'? 


Für  eine  Mark  erhält  dei'  Arbeiter  in  Bayern  ungefähr 
4  Liter  Bier.  Diese  4  Liter  Bier  enthalten,  reichlich  ge- 
rechnet, 240  gr  Kohlehydrate  und  kaum  32  gr  Eiweiss. 
Für  dasselbe  Geld,  für  eine  Mark,  erhält  der  Arbeiter 
aber,  wenn  er  sich  Brod  kauft,  2000  gr  Kohlehydrate  und 
daneben  noch  250  gr  Eiweiss.  Man  sieht  also,  dass  der 
Preis  des  billigsten  15ieres  in  Bezug  auf  seinen  Nährwertb 
ungefähr  acht  Mal  höber  ist,  als  derjenige  des  Brodes, 
und  noch  weit  bölier,  wenn  man  ihn  mit  dem  Preise  der 
Kartoffeln,  der  Erbsen  und  anderer  Nahrungsmittel  ver- 
gleicht. Noch  viel  ungünstiger  stellen  sich  diese  Zahlen 
heraus,  wenn  man  an  die  weit  höheren  Bierpreise  denkt, 
welche  der  bessere  Mittelstand,  namentlich  in  Norddeutscb- 
land  bezahlen  muss.  Die  gedankenlose  Verschwendung, 
welche  Hunderttausende  wenig  bemittelter  Menschen  mit 
dem  Biergenuss  unausgesetzt  treiben,  tritt  besonders  klar 
hervor,  wenn  man  die  Zahlen  etwas  näher  ins  Auge 
fasst.  Arbeiter,  welche  einen  Verdienst  von  täglich  3  Mark 
haben,  geben  oft  jeden  Teg  nur  für  ihre  eigene  Person 
50  Pfennige  für  Bier  aus,  d.  i.  also  ein  Sechstel  ihres  ge- 
sammten  Einkommens.  Und  dabei  bandelt  es  sich,  wie 
schon  aus  diesen  Zahlen  hervorgeht,  keineswegs  um 
Trunlvcnbolde,  sondern  um  fieissige,  ordentliche  Menschen, 
welche  der  allgemeinen  Sitte  gemäss  ihren  Biergenuss  für 
etwas  Nothwcndiges  und  ganz  Selbstverständliches  halten. 
Aehnliehe  Berechnungen  für  andere  Stände  (Lehrer,  niedere 
Beamte,  Kaufleute  u.  a.)  ergeben  ganz  ähnliche  Resultate, 
nur  dass,  wie  meistens  in  solchen  Fällen,  die  ärmeren 
Bevölkernngsklassen  weit  ungünstigere  Verhältnisse  dar- 
bieten, als  die  wohlhabenderen.  Hunderte  von  Studenten 
auf  deutschen  Hochschulen  resp.  deren  Eltern  geben  täg- 
lich 1— IV,  Mivrk,  das  macht  im  Jahr  300—400  Mark, 
nur     für    Bier     aus.      Ohne    zu    übertreiben,    kann    mau 


508 


NatuiwisscuseliarUiclic  Woclicuscbril't. 


Nr.  4C. 


behaupten,  dass  dieVermög-eusuuistände  von  vielen  Hundert- 
tausenden sich  sofort  in  der  merklichsten  AVeise  bessern 
würden  durch  den  einfachen  Eutschhiss  der  Massigkeit 
bei  diesem  theuersten  aller  Nahruniisulittel,  welches  der 
gewöhnliclie  Mann  geniesst.  Die  früher  vielfach  betonte 
„eiweisssparende"  Wirkung  des  Alkohols  hat  sich  bei 
neuereu  genauen  Untersuchungen  als  keineswegs  stets 
vorhanden  herausgestellt.  Es  scheint  vielmehr,  dass  unter 
sonst  gleichen  Verhältnissen  bei  gleichzeitiger  Alkoholzufuhr 
sogar  eine  geringe  Steigerung-  des  Eiweisszerfalls  eintritt. 

Mit  Recht  liezeichnet  man  die  gegenwärtige  Epoche 
der  Medicin  als  die  ätiologische.  In  der  Erkennung  der 
Krankheitsursachen  erblickt  der  Arzt  jetzt  eine  der  h(ichsten 
Aufgaben  seiner  Forschung.  Wie  viele  Krankheitsursachen 
giebt  es,  welche  sich  an  Ausbreitung  und  Bedeutung  nur 
einigermaasen  der  chronischen  Alkohol-Intoxication  ver- 
gleichen lassen?  Höchstens  zwei  Infectionskraukheiten: 
die  Tuherculose  und  die  Syphilis. 

Zunächst  eine  kurze  allgemein-toxikologische  Bemer- 
kung. Wir  sehen  z.  B.  bei  der  chronischen  Bleivergiftung- 
in der  Regel,  dass  die  dem  verderblichen  Einflüsse  des  Bleies 
ausgesetzten  Arbeiter  täglich  nur  höchst  geringe,  dem  Ge- 
Avicht    nach    oft    kaum  bestimmbare  Meni;-en    Blei    durch 


den  Staub,    durch 


verunreinigte  Nahrungsmittel  u.  dergl. 


aufnehmen.  Die  Einzelwirkungen  dieser  alltäglich  auf- 
genommenen Giftmengen  sind  so  unbedeutend,  dass  sie 
sich  meist  nicht  durch  die  allergeringste  Störung  des 
körperlichen  Wohlbefindens  vcrrathen.  Nachdem  aber 
vielleicht  Jahre  lang  diese  ununterbrochene  tägliclie  Ein- 
wirkung- der  kleinsten  Giftmengen  stattgefunden  hat,  tritt 
oft  fast  mit  einem  Schlage  oder  in  wenigen  Tagen  irgend 
ein  schweres  Symptom  der  Bleivergiftung,  eine  Kolik,  eine 
Lähmung  der  Hände,  ein  epileptischer  Aufall  oder  dergleichen 
auf.  Hierbei  muss  also  nothwendigerweise  eine  Summation 
zahlreicher  ganz  geringer  Einzelwirkungen  stattgefunden 
haben,  die  nun  mit  einem  Male  die  Höhe  eines  ein- 
greifenden Reizes  oder  einer  das  organisirte  Gewebe  zer- 
störenden Kraft  gewinnt.  Diese  eigenthündiche  und  in 
theoretischer  Hinsicht  sehr  interessante  Thatsaehe  der 
Summation  kleinster  Giftwirkungen  findet  sich  fast  bei 
allen  chronischen  Intoxicationen  und  erklärt  uns  in  vielen 
Fällen  das  sonst  scheinbar  unvermittelte  plötzliche  Auf- 
treten schwerer  Krankheitserscheinungen.  Auf  diese  Weise 
verstehen  wir  z.  B.  den  plötzlichen  Ausliruch  der  schwersten 
Urämie  bei  einem  vorher  scheinbar  im  besten  Wohlsein 
befindlichen  Nierenkranken,  so  verstehen  wir  auch  bei 
einem  Trinker  das  plötzliche  Auftreten  eines  Dilirium 
tremens  oder  die  mit  einem  Mal  sich  einstellende  Kraft- 
losigkeit seines  geschädigten,  aber  bis  dahin  noch  völlig 
rüstig  arbeitenden  Herzmuskels.  Allem  Anschein  nach  ist 
es  vorzugsweise  das  Gewebe  unseres  Nervensystems, 
welches  diesen  sich  summirenden  Wirkungen  von  im 
Einzelnen  scheinbar  geringfügigen  toxischen  Einflüssen 
am  meisten  ausgesetzt  ist.  Die  Betrachtung  der  chronischen 
Alkoholwirkung  lehrt  uns,  dass  es  sich  bei  dieser  im 
Körper  so  leicht  verbrenubaren  Substanz  gewiss  nicht  um 
eine  Summation  des  toxischen  Stoffes  selbst,  sondern  um 
ein  andauerndes  Nachbleiben  der  durch  die  chemischen 
Wirkungen  desselben  einmal  eingetretenen,  an  sich  auch 
noch  so  geringen  Veränderungen  in  dem  Nervengewebe 
selbst  handeln  nuiss.  Diese  Veränderungen  wachsen  all- 
mählich immer  mehr  und  mehr  an,  bis  sie  schliesslich  in 
den  dauernd  krankhaften  Zustand  übergehen. 

Es  bedarf  also  durchaus  nicht  stets  der  häufig  wieder- 
holten acuten  schweren  Vergiftung  mit  äusserlich  bemerk- 
baren auffälligen  Symptomen,  um  schliesslich  doch  ein 
schweres  chronisches  Krankheitsbild  zu  erzeugen.  Es  sind 
keineswegs  nur  die  notorischen  Vieltrinker  und  richtigen 
Trunkenbolde,    welche    den    schädlichen    Wirkungen    des 


Alkoh(di.smus  verfallen,  sondern  auch  zahlreiche  Personen, 
welche  die  Bezeichnung  als  „Trinker"  mit  Entrüstung- 
zurückweiseu  würden. 

AVie  bei  fast  allen  anderen  acuten  und  chronischen 
Intoxicationen,  so  zeigt  sich  auch  beim  Alkoholismus  die 
interessante  Thatsaehe  der  so  ungemein  verschiedenen 
individuellen  A'eranlagung  gegenüber  den  Einwirkungen 
ein  und  desselben  Giftes  auf  den  menschlichen  Körper. 
Von  100  Schriftsetzern,  die  unter  fast  vollkommen  gleichen 
Bedingungen  in  demselben  Arbeitssaal  bei  derselben  Be- 
schäftigung täglich  ungefähr  die  gleichen  geringen  Mengen 
Blei  in  ihren  Körper  aufnehmen,  erkrankt  der  Eine 
vielleicht  schon  nach  wenigen  Monaten  an  schweren  Va-- 
scheinungen  des  Saturnismus  und  wird  immer  wieder  von 
neuem  krank,  sobald  er  zur  früheren  Beschäftigung  zurück- 
kehrt, der  Andere  dagegen  erkrankt  vielleicht  erst  nach 
Jahren,  ein  Dritter  niemals.  Und  neben  dieser  verschiedenen 
individuellen  Veranlagung  im  Allgemeinen  besteht  zweifellos 
auch  noch  eine  individuell  verschiedene  Disposition  der 
einzelnen  Organe.  Der  eine  dem  Blei  Ausgesetzte  er- 
krankt an  Lähmung  der  Hände,  der  Andere  au  einem 
Darmleiden,  der  Dritte  an  chronischer  Nieren  -  Ent- 
zündung u.  s.  w. 

Diese  Thatsachen  finden  ihr  Analogen  in  der  Patho- 
logie des  chronischen  Alkoholismus.  Der  Ausbruch  der 
sunnnirten  Alkoliolwirkung  kann  durch  gleichzeitige  anders- 
artige Schädlichkeiten  bedingt  sein.  So  sehen  wir  be- 
kanntlich oft  bei  einer  acuten  fiel)crhaften  Krankheit,  nach 
einem  Traume,  nach  einem  stärkeren  Blutverlust  mit  einem 
Mal  die  längst  vorbereiteten,  aber  bis  dahin  noch  vfdlig 
latenten  Wirkungen  des  Alkohols  zum  Ausbruch  kommen. 

Bei  der  acuten  Toxication  treten  die  Lälimungs- 
erscheinungen  an  den  höheren  psychischen  Vorgängen  am 
meisten  hervor,  weil  sie  am  leichtesten  bemerkliar  sind. 
Jede  etwas  genauere  Beobachtung  zeigt  aber  auch  schon 
bei  geringeren  Graden  der  Vergiftung  die  gleichzeitige 
P>eeinflussung  der  motorischen  Innervationsvorgänge,  die 
Unsicherheit  der  Bewegungen  und  die  Erschwerung  der 
Sprache,  während  die  sensiblen  Leitungswege  eine  weit 
grössere  Widerstandskraft  zu  besitzen  scheinen.  Genau 
entsprechend  diesen  bekannten  Erscheinungen  des  acuten 
Rausches,  sehen  wir  auch  die  zwei  Hauptformen  nervöser 
Erkrankung  in  Folge  chronischer  Intoxication  in  den- 
selben eben  genannten  Gebieten  auftreten,  einmal  im  Ge- 
bieti'  der  höheren  Bewusstseinsvorgänge  in  der  Form  des 
alkoholischen  Deliriums  im  Gebiete  des  motorischen 
Nervensystems,  in  der  Form  des  alkoholischen  Tremors 
und  der  alkoholischen  motorischen  Lähmungen  und 
Ataxien,  mit  einem  Wort  der  sogenannten  alkoholischen 
Polyneuritis.  Letztere  ist  bekanntlich  eine  der  häufigsten 
und  wichtigsten  Formen  der  grob  anatomischen  Nerveu- 
degeneration  in  Folge  fortgesetzter  chemisch-toxischer 
Einwirkungen.  Fraglich  und  noch  unentschieden  ist  es 
nur,  ob  dieses  Absterben  der  peripherischen  Nerven- 
fasern durch  eine  unmittelbare  Einwirkung  der  Alkohol- 
molecüle  auf  die  Nervenfasern  selbst  stattfindet,  oder  ob 
wir  die  eigentliche  Wirkungsstätte  des  Giftes  in  den  Zell- 
resp.  Kerncentren  der  Nervenfasern  zu  suchen  haben, 
sodass  die  letzteren  also  erst  secundär  in  Folge  der 
Schädigung  ihrer  entfernten  Ernährungscentren  absterben. 

Die  Häufigkeit  des  alkoholischen  Deliriums  tritt,  mit 
der  Gesammtzahl  der  Bevölkerung  verglichen,  nur  in 
einigen  grossen  Städten  hervor,  welche  ^on  einer  zahl- 
reichen schnapstrinkenden  .Arbeiterschaft  bewohnt  werden. 
In  Hamburg  werden  jährlich  ca.  150  Deliranten  ins  all- 
gemeine Krankenhaus  aufgenommen,  während  die  jährliehe 
Anzahl  derselben  in  der  Berliner  Charite  sogar  circa 
500  —  600  beträgt.  In  den  besseren  Bevölkerungsschichten 
und  insbesondere    bei    Biertrinkern    ist    das    alkoholische 


Nr.  4ß. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


009 


Delirium  eine  recht  seltene  Erkrankung,  wenngleich  es 
freilich  auch  hier  noch  oft  genug  die  Schlu.ssscL'ne  in  dem 
Lelieiisdiaina  eines  Trinkers  bildet.  Auch  den  alko- 
holischen Ncuritiden  konant  ihrer  relativen  Sciteidieit 
wegen  keine  sehr  grosse  praktishe  Bedeutung  zu.  hnnier- 
hin  wird  ihr  Vorkommen  weit  häutiger  erkannt  werden, 
wenn  die  Kcnntniss  dieser  Krankheit  erst  noch  mehr  in 
die  weiteren  ärztlichen  Kreise  eingedrungen  sein  wird. 
Namentlich  ist  das  Auftreten  einer  alkoholischen  l'oly- 
neuritis  keineswegs  nur  hei  Sehnapstrinkern,  sondern  auch 
schon  bei  starken  Biertrinkern  festzustellen. 

lieber  den  KinHuss  des  Alkohols  auf  die  übrigen 
Körperorgane  Folgendes : 

Unzählbare  Fälle  acuter  und  noch  weit  häufiger  chro- 
nischer Erkrankung  der  Pharynx-,  Magen-  und  Darni- 
schleimhaut,  sind  die  Folge  einer  aiulauernden  unmittel- 
baren Heizung  dieser  Tlieile. 

Seine  wesentliche  und  bedeutungsvolle  Einwirkung 
entfaltet  der  Alkohol  erst,  wenn  er  in  die  Circulation 
aufgenommen  ist  und  nun  in  unmittelbare  Berührung  und 
Wechselwirkung  mit  den  C4ewebszellen  der  verschiedenen 
inneren  Organe  tritt.  Gleich  nach  seiner  Resorption  sind 
die  in  der  Peripherie  der  Leberläppchen  gelegenen  Zellen 
die  ersten,  welche  von  dem  alkoholhaltigen  Blut  der  Pfort- 
adereapillaren  umspiUt  und  einer  toxischen  Beeinflussung 
daher  direct  ausgesetzt  werden.  Es  giebt  wenige  krank- 
hafte Processe,  an  welchen  wir  den  Vorgang  des  primären 
Zelltodes  im  eigentlichen  Organgewebe  durch  eine  un- 
mittelbare chemische  Schädigung  ndt  allen  ihren  in  dem 
widerstandskräftigeren  interstitiellen  Stützgewebe  sich  ab- 
spielenden Folgezuständen  so  klar  übersehen  können,  wie 
bei  der  alkoholischen  Lebercirrhose. 

Diejenigen  Organveränderungen,  welche  bei  weitem 
in  erster  Linie  genannt  werden  müssen,  wenn  von  dem 
schädlichen  Einflüsse  der  alkoholischen  Getränke  auf 
unsere  Gesundheit  die  Bede  ist,  sind  die  Erkrankungen 
des  Herzmuskels  und  seiner  nervösen  Apparate,  die  Er- 
krankung der  Arterien  und  die  Erkrankungen  der  Nieren. 
Die  alkoholische  J^rkrankung  der  Arterien,  die  chronische 
alkoholische  Endartcriitis,  lässt  sich  jedoch  ])raktisch  nicht 
genau  umgrenzen,  da  hierbei  in  Wirklichkeit  meist  die 
mannigfachsten  Krankheitsursachen  zusammenwirken.  Auch 
macht  sich  ihre  klinische  15edeutung  weniger  in  selbst- 
ständigen Krankheitsformen,  als  in  secundären  Folgeer- 
scheinungen geltend. 

Während  die  toxisch  -  alkoholische  Entstehung  der 
meisten  bisher  genannten  Erkrankungen,  wie  insbesondere 
des  Delirium  tremens,  der  multiplen  Neuritis,  der  Leber- 
cirrhose u.  a.  längst  allgemein  anerkannt  wird,  ist  die 
häufige  Entstehung  chronischer  Herz-  und  Nierenleiden 
durch  den  fortgesetzten  Alkoholgenuss  eine  lange  nicht 
genügend  ins  allgemeine  Bewusstsein  der  Aerzte  einge- 
drungene Thatsache.  Und  doch  ist  die  praktische  Be- 
deutung gerade  dieser  Formen  des  Alkoholisnuis  —  ganz 
abgesehen  von  ihrer  Häufigkeit  —  eine  so  ungemein 
grosse,  weil  gerade  sie  keineswegs  nur  durch  die  concen- 
trirten  alkoholischen  Getränke,  sondern  ganz  vorzugsweise 
durch  den  anhaltenden  unmässigen  Biergenuss  hervor- 
gerufen werden.  Darum  sind  es  viel  umfassendere  Be- 
völkerungsschichteu,  bei  denen  diese  Zustände  beobachtet 
werden,  keineswegs  nur  die  ärmeren  und  geistig  tiefer 
stehenden  Klassen  unseres  Volkes,  sondern  gerade  die 
wohlhabenderen  und  gebildeteren  Stände,  vor  allem  frei- 
lich, namentlich  in  Bayern,  der  durch  Beruf  und  Geschäft 
zu  der  Branindustric  in  Berührung  stehende  relativ  grosse 
Theil  der  Bevölkerung.  Nichts  ist  vom  ärztlichen  Stand- 
punkte aus  falscher,  als  zu  glauben,  dass  durch  die  zu- 
nehmende Verdrängung  anderer  alkoholischer  Getränke 
durch   das  Bier  der  verderbliche   Einfluss   des  Alkoholis- 


mus vermindert  wird,  dass  letzterer  seine  Opfer  vorzugs- 
weise nur  in  denjenigen  Ländern  findet,  wo  der  Brannt- 
wein einem  auf  niedriger  Culturstufe  stehenden  Volke 
seine  Armutli  und  seine  Nofli  vergessen  helfen  soll.  Nein, 
gerade  unter  der  täuscdicmlen  Maske  eines  scheinbar 
wohlschmeckenden  und  dabei  noch  nahrhaften  Genu.ss- 
mittels  hat  der  Alkohol  seinen  verderblichen  Eingang  ge- 
funden in  Kreise,  welche  ihm  sonst  vielleicht  ganz  ver- 
schlossen geblieben  wären.  Während  schon  das  Wort 
„Schnaps'-  in  guter  Gesellschaft  ungern  genannt  wird, 
während  man  mit  dem  Begriff  eines  Branntweintrinkers 
überall  den  Gedanken  an  eine  sittlich  verkonnnene,  ihrem 
geistigen  und  körperlichen  Verfall  sich  unaufhaltsam 
nähernde  Existenz  verbindet,  herrschen  über  den  l'>ier- 
genuss  fast  allgemein,  in  den  unteren  und  den  höchsten 
Schichten  Ansichten,  welche  jeder  vernünftigen  und  vor- 
urtheilslosen  ärztlichen  Einsieht  zuwiderlaufen.  Denn 
nicht  nur  die  hundertfache  Erfahrung,  sondern  die  ein- 
fachste Ueberlegung  der  thatsächlichen  Verhältnisse  lehrt 
uns,  wie  die  unleugbar  vorhandenen  Vorzüge  des  l>ieres 
gegenüber  anderen  alkoholischen  Getränken  reichlich  auf- 
gewogen werden  durch  die  Nachtheile,  welche  der  so 
häufige  sinnlose  Massengenuss  dieses  Getränks  hervorruft. 
Hierdurch  wird  nicht  nur  der  verhältnissmässig  geringe 
procentische  Alkoholgehalt  in  eine  keineswegs  bedeutungs- 
lose absolute  Menge  verwandelt,  sondern  noch  ein  zweites 
besonderes  Moment  hinzugefügt,  nämlich  die  Einführung 
ganz  hervorragend  grosser  Mengen  von  Flüssigkeit  und 
von  Nahrungsstoflfen,  welche  sich  meist  zu  der  gewöhn- 
lichen Nahrungs-  und  Wasseraufnahme  noch  hinzuaddiren. 

Alle  diese  iAIomente  spielen  ihre  grösste  Rolle  bei  der 
Entstehung  der  muskulären  Erkrankungen  des  Herzens, 
welche  wir  daher  auch  ganz  vorzugsweise  bei  starken 
Biertrinkern  Ijeobachten.  Die  anatomisch  hauptsächlich 
nachweisbare  Veränderung  ist  dabei  die  Hypertropjne 
des  Herzmuskels  und  zwar  zunächst  vorzugsweise  am 
linken  Ventrikel.  Jede  derartige  Hypertrophie  kann  nichts 
anderes  sein,  als  der  Ausdruck  und  die  Folge  einer  an- 
dauernd erhöhten  Arbeitsleistung  des  Herzens.  Welche 
Momente  es  aber  sind,  welche  dem  Herzen  des  starken 
Biertrinkers  eine  übermässige  Arbeitslast  aufbürden,  lässt 
sich  leicht  nachweisen.  In  erster  Linie  ist  es  gewiss  die 
grosse  Wassermenge  selbst,  welche,  ehe  sie  durch  Nieren, 
Haut  und  Lunge  wieder  ausgeschieden  wird,  vom  Blut 
aufgenommen  und  durcdi  das  Herz  in  Bewegung  gesetzt 
werden  muss.  Welche  Flüssigkeitsmengen  aber  bei 
starken  Biertrinkern  dem  Kreislauf  täglich  zugeführt 
werden,  ist  wirklich  zuweilen  kaum  glaublich.  Schon 
eine  tägliche  Menge  von  3 — 4  Liter,  d.  h.  6  —  8  Pfund 
Flüssigkeit  über  das  gewöhnliche  Maass  hinaus  kann  auf 
die  Dauer  nicht  ohne  Einfiuss  auf  das  Herz  bleiben. 
Dass  eine  Ueberbelastung  des  Kreislaufes  um  eine  die 
normale  mittlere  Blutmenge  fast  ums  Doppelte  über- 
steigende FlUssigkeitsmenge  zunächst  zur  Hypertrophie, 
dann  aber  zur  vorzeitigen  Erlahmung  des  Herzmuskels 
führen  muss,  ist  nicht  schwer  verständlich.  Daher  in 
Bayern  die  Häufigkeit  der  sogenannten  idiopathischen 
Herzvergrösserungen,  wie  sie  zahlenmässig  in  München 
festgestellt  ist. 

Die  übermässige  Flüssigkeitszufuhr  zum  Blut  ist  jedoch 
hierbei  nur  einer  der  mannigfachen  Factoren,  welche  das 
Zustandekonnnen  des  hypertrophischen  „Bierherzens'-  er- 
klären. Daneben  ist  vor  allem  auch  der  Gehalt  des 
Bieres  an  festen  Nährstoffen  in  Betracht  zu  ziehen,  zumal 
da  es  sich  hier  wieder  um  grosse  Gesannntmeugeu  handelt. 
Bei  einem  Gehalt  des  Bieres  von  nur  5  ])Ct.  Extractiv- 
stoflfen  (die  Müuehener  Biere  enthalten  nicht  selten  ti  pCt.), 
repräsentiren  5  Liter  Bier  bereits  eine  Menge  von  250  gr. 
Kohlehydraten.    Bedenkt  man,  dass  der  tägliche  Gesaumit- 


510 


NaturwissenscLartliche  Wochenschrift. 


Nr.  46 


bedarf  an  Kohlehydraten  eines  erwachsenen  sieli  gut 
nährenden  Mannes  nur  etwa  500  gr.  beträgt,  so  erlvcnnt 
man  sofort  die  bedeutende  Vcrniein-ung  der  Zufuhr  von 
Nahrungsstoffen,  welche  der  starke  IJiertrinker  seinem 
Körper  darbietet.  Auch  diese  Ueberlastung  des  Blutes 
und  der  Gewebe  mit  Nährmaterial  bringt  eine  Reihe 
schädlicher  Folgen  mit  sich,  indem  hierdurch  das  speci- 
lische  Gewiclit  des  Blutes  dauernd  erhöht,  die  Herzarbeit 
somit  wiederum  erschwert,  ferner  wahrscheinlicli  ein  ver- 
mehrter Heiz  auf  die  kleinen  Gefässe  und  dadurch  eine 
neue  Ursache  arterieller  Drucksteigerung  hervorgerufen 
wird.  Die  Unfähigkeit  der  Gewebszellen,  das  im  Ueber- 
maass  zugefülnte  P^rnährungsmaterial  völlig  zu  verbrauchen, 
führt  zu  der  unnöthig  grossen  Aufspeicherung  desselben 
und  so  entsteht  jene  allgemein  bekannte  Fettleibigkeit 
der  unmässigen  Biertrinker,  welche  als  solche  ihrerseits 
wiederum  eine  neue  Reihe  die  C'irculation  und  die  Ath- 
mung  erschwerender  Umstände  mit  sich  bringt.  Zu  dem 
allen  kommt  nun  schliesslich  noch  die  specilisch  toxische 
Wirkung  des  Alkohols  hinzu.  P^ünf  Liter  Bier  enthalten 
mindestens  100 — 150  gr.  reinen  Alkohols,  welchem  wahr- 
scheinlich eine  Hauptrolle  bei  der  Entstehung  der  mit  der 
llerzliypertrophie  liäufig  verbundenen  myodegenerativen 
und  nervösen  Veränderungen  zukonmit. 

Vielleicht  noch  häufiger,  als  die  Affectionen  des  Herz- 
muskels sind  die  Nierenkrankheiten  der  Alkoholistcn  und 
zwar  wiederum  keineswegs  nur  der  Wein-  und  Brannt- 
weintrinker, sondern  ganz  vorzugsweise  auch  der  starken 
Biertrinker.  Auch  hierbei  wirken  wahrscheinlich  ver- 
schiedenartige Umstände  in  dem  gleichen  Sinne  schädi- 
gend ein.  Neben  der  zu  starken  Wasserdurchtränkung 
und  Secretionsüberbürdung  der  Nierenepithelien  ist  wohl 
die  grösste  Bedeutung  der  specifischen  Alkoholeinwirkung 
auf  diese  E])ithelicn  selbst  zuzuschreiben.  Vom  kliniscii- 
toxicologischen  Standpunkt  ist  die  doppelte  Form  im  Auf- 
treten der  Alkohol-Nephritis  interessant.  Am  längsten  be- 
kannt und  von  den  Aerzten  allgemein  anerkannt  ist  die 
ganz  aliniähiicli  entstehende  und  langsam  fortschreitende 
Epitheldegeneration  der  Nieren,  welche  ihren  grob-anato- 
mischen Ausdruck  schliesslich  in  der  Entwickelung  einer 
sog.  Nierenscln'um})fung  (granulirte  Niere)  findet.  Weniger 
allgemein  liekaunt  ist  die  acute  alkoholische  Nephritis, 
acut  in  dem  Sinne,  dass  hierbei  die  Summation  lang  fort- 
gesetzter chronischer  Intoxicationswirkungen  zu  dem  plötz- 
lichen Ausbruch  einer  schweren  Functionsstörung  der 
Nierenepithelien  führt.  Wie  die  alkoholische  Neuritis,  so 
tritt  demnach  auch  die  alkoholische  Nephritis  zuweilen 
als  scheinbar  primäre  acute  Krankheit  auf,  obwohl  ihre 
Entstehung  von  langem  her  vorbereitet  ist  und  vielleicht 
erst  eine  anderweitige  äussere  Veranlassung  —  eine  Er- 
kältung oder  dergl.  —  den  letzten  Anstoss  zu  ihrem  .auf- 
treten giebt.  Die  acute  alkoholische  Nephritis  ist  im 
Gegensatz  zu  vielen  infectiösen  und  anderen  toxischen 
Nephritiden  meist  nicht  hämorrhagischer  Natur.  Sie  geht 
oft  mit  starker  Oedementwickelung  einher,  kann  rasch 
zum  Tode  fuhren  oder  in  eine  chronische  Nephritis  über- 
gehen.    Völlige  Heilungen  seheinen  nur  selten  zu  sein. 

Zu  den  zahlreichen  bisher  bekannten  hemmenden,  die 
normale  Function  der  Organzellen  schädigenden  und  her- 
absetzenden Giftwirkungen  des  Alkohols  gehören  auch 
gewisse  Einflüsse  auf  den  Ablauf  der  allgemeinen  Stoff- 
wechsel-Vorgänge. Bekanntlich  ordnen  wir  diese  letzteren 
in  drei  grosse  Hauptgruppen,  je  nach  der  chemischen 
Natur  der  drei  hauptsächlichsten  Arten  von  Nahrungs- 
stoffen, welche  dem  Organismus  zu  seiner  Erhaltung  zu- 
geführt werden  müssen.  Wir  unterscheiden  und  untersuchen 
im  einzelnen  die  chemischen  Umsetzungen  der  Eiweiss- 
körper,     der    Kohlehydrate    und    des    Fettes.      Dement- 


sprechend giebt  es  auch  drei  hauptsächlichste  Anomalien 
des  Stoffwechsels,  je  nachdem  die  Störung  sich  auf  <lie 
eine  oder  die  andere  der  drei  genannten  Gruppen  von 
Nährstoffen  bezieht.  Die  krankhafte  Aenderung  in  dem 
Umsatz  der  Eiweisssubstanzcn  tritt  uns  unter  den  klinischen 
Erscheinungen  der  echten  Gicht  (der  abnormen  Harn- 
säurebildung, der  Arthritis  urica  mit  ihren  zahlreichen 
Nebenerscheinungen)  entgegen,  die  krankhafte  Störung  in 
der  Verbrennung  der  Kohlehydrate  Itezcichnen  wir  als 
Diabetes  mellitus  (Zuckerharnrulir),  während  endlich  die 
Anomalien  des  Fettumsatzes  als  krankhafte  Fettleibigkeit 
und  Fettsucht  auftreten.  Bei  allen  diesen  genannten 
Krankheitszuständen  handelt  es  sich  um  eine  Herabsetzung, 
eine  Hemmung  und  Unvollständigkeit  der  normaler  Weise 
nothwendigen  chemischen  Umsetzungen.  Den  (irund  hier- 
von müssen  wir  alter  in  letzter  Hinsicht  stets  in  einer 
Verminderung  der  chemischen  Energie,  der  chemischen 
Leistungsfähigkeit  gewisser  bestimmter  oder  aller  Organ- 
zellen suchen.  Es  kommen  hierbei  wohl  im  wesentlichen 
zwei  Factoren  in  Betracht:  einmal  angeborene,  d.  h.  mit 
der  von  vornherein  gegebenen  Körperconstitution  zusammen- 
hängende Sciiwäehezustände  der  Zellen,  wodurch  diese 
früher  oder  später  nicht  mehr  im  Stande  sind,  die  ihnen 
zukommenden  chemischen  Aufgaben  in  genügender  Weise 
auszuführen:  sodann  aber  auch  im  Verlaufe  des  Lebens 
erst  entstandene,  d.  h.  durch  äussere  Schädlichkeiten  erst 
herbeigeführte  krankhafte  Veränderungen  der  Zellen, 
welche  in  gleicher  Weise  die  normalen  Zellfunctionen  be- 
einträchtigen. Zu  der  letztgenannten  Gruppe  von  Schäd- 
lichkeiten gehören  vor  allem  die  Einwirkungen  ganz  be- 
stimmter chemischer  Gifte.  So  ist  z.  B.  das  Auftreten 
einer  echten  typischen  Gicht  in  Folge  chronischer  Blei- 
vergiftung eine  allgemein  bekannte  Thatsache,  so  kennen 
wir"  zabireiehe  Gifte  (Phloridzin  u.  A.),  die  zu  einem 
künstlichen  Diabetes  füln-en,  so  lassen  sich  endlich  meln-- 
tache  Tliatsachen  anfuhren,  zu  Gunsten  einer  Beeinflussung 
des  Fettumsatzes  durch  gewisse  Gifte,  wie  z.  B.  Arsen, 
Phosphor  u.  A. 

Von  der  Gicht  (dem  Podagra,  ,,Zipperlein")  ist  es  ja 
eine  längst  allgemein  gewordene  Anschauung,  dass  die- 
selbe besonders  häufig  —  wenn  auch  freilich  keineswegs 
innner  —  in  Folge  einer  zu  üppigen  Lebensweise  im 
Verein  mit  andauerndem  reichlichem  Alkoholgenuss  ent- 
steht. Von  der  abnormen  Fettleibigkeit  ist  es  ebenso 
allgemein  bekannt,  dass  sie  bei  Trinkern,  und  zwar  Bier- 
trinkern ganz  vorzugsweise  entsteht.  Nur  liegen  hier 
natürlich  die  Veriiältnisse  insofern  anders,  als  man  selbst- 
verständlich in  erster  Linie  nicht  dem  Alkohol  als  solchem, 
sondern  dem  quantitativen  Uebermaass  der  zugleich  zu- 
geführten Nährstoffe  die  Hauptrolle  bei  der  Entstehung 
der  abnormen  Fettleibigkeit  zuschreiben  wird.  Bei  ge- 
nauerer Beobachtung  und  Ueberlegung  lassen  sich  aber 
auch  hier  in  gewissen  Fällen  Momente  nachweisen,  welche 
anscheinend  deutlich  auf  eine  ungenügende  Fettverbren- 
nung im  Organismus  hinweisen. 

In  Bezug  auf  die  dritte  der  erwähnten  Stoffwechsel- 
Anomalien,  den  Diabetes  mellitus  ist  auf  das  Bestehen  einer 
besonderen,  mit  Alkoholismus  zusammenhängenden  Form 
hinzuweisen.  Es  sind  solche  Fälle,  welche  den  Aerzten 
unter  der  Bezeichnung  ,, Diabetes  der  Fettleibigen''  längst 
bekannt  sind.  Eine  ganze  Reihe  interessanter  klinischer 
Complicationen  des  Diabetes,  wie  z.  B.  ausser  der  schon 
erwähnten  Fettleibigkeit  und  Polyneuritis,  mit  chronischer 
Nephritis,  mit  echter  (Jicht,  mit  Lebereirrhose  u.  A.  werden 
uns  klarer  und  verständlicher,  wenn  wir  auf  die  Möglich- 
keit einer  gemeinsamen  coordinirtcn  toxischen  Entstehung 
der  genannten  Zustände  mehr  achten,  als  es  bisher  meist 
geschehen  ist. 


Nr.  46. 


N.^tnrwisscnst'linf'lliclic  Wochenschrift. 


511 


„Oligodynamische"  Erscheinungen  in  lebenden  Zellen. 

Niicli   ciiiri-  ii.icliKelassüneii  Arbeit   von  C:irl   von   Nili;i'li. 


(Sclilu.-;«,) 


Die  durch  uiiiiiiiiale  Meiig'en  x»n  löslichen  Htoffen  ver- 
ursachten oligodynamischen  Erseheiniingcn  sind  folgende. 

Besonders  charaivteristiseli  ist  die  Reaetion  auf  die 
Sjjiralhändcr.  Dieselben  lösen  sich  vom  Plasniaschiauch 
los  und  ziehen  sieli,  ohne  ihren  Querschnitt  /.n  ändern, 
ins  Innere  der  Zellhöhlung  zurück.  Dabei  bleiben  iln'e 
Zacken  durch  zarte  Plasmafäden  mit  dem  Plasinaseidanch 
verbunden.  Man  sieht  oft  Bänder,  die  schon  weit  von 
dem  letztern  sich  entfernt  haben  und  noch  durch  eine 
grosse  Menge  feiner  Fäden  mit  ihm  zusanmienhängen. 
Diese  Fäden  reissen  nach  und  nacii  entzwei.  Das  Ab- 
hisen  der  Spiralbänder  beginnt  meistens  in  der  mittleren 
Zone,  die  den  Zellkern  umgiebt,  und  setzt  sieh  dann  auf 
die  beiden  Seitentheile  der  Zelle  fort.  Es  kann  aber  auch 
von  einem  der  beiden  Zelienenden,  selten  von  beiden  zu- 
gleich, ausgehen,  oder  an  der  ganzen  Oberfläehe  gleich- 
zeitig stattfinden.  Indem  sich  die  Spiralbänder  von  der 
Wandung  zuriickziclieii,  rollen  sie  sich  häutig  mehr  oder 
weniger  ab,  so  dass  ihre  Windungen  sich  vermindern;  sie 
können  selbst  an  ihren  Endtheilen  oder  ausnahmsweise 
in  ihrer  ganzen  Länge  gerade  werden.  —  Darauf  verlieren 
sie  die  Zacken  und  den  Rückenstreifen;  sie  quellen  etwas 
auf,  indem  das  rinnenförmige  Band  einen  cylindrisehen 
oder  ovalen  Querschnitt  anninnnt.  Der  cylindrische  Quer- 
schnitt hat  ungefähr  einen  der  ursprünglichen  Breite  gleich 
konnnenden  Durchmesser;  beim  ovalen  Querschnitt  ist  der 
eine  Durchmesser  etwas  grösser,  der  andere  etwas  kleiner, 
als  die  ursprüngliche  Breite.  Sehr  oft  zeigen  die  Bänder 
nun  deutliche  Querfalten,  später  können  sie  noch  sehr 
stark  anschwellen.  Zuletzt  haben  sich  die  Spiralbänder 
in  einen  soliden  Klumpen  zusammengeballt,  welcher  den 
sich  abrundenden  Kern  umschliesst.  Dieser  Klumpen  hat 
eine  rundliche  oder  ovale  (Gestalt,  indem  er  auf  die  Mitte 
der  Zelle  beschränkt  ist,  oder  eine  mehr  cylindrische  Form, 
indem  er  eine  grössere  oder  kleinere  Partie  der  Zellen- 
länge einnimmt.  Er  liegt  auf  der  einen  Seite  der  Wan- 
dung an.  Die  geschilderten  Umwandlungen  der  Spiral- 
bänder k(innen  sämmtlich  durch  eine  Verkürzung  derselben 
erklärt  werden.     Je  nacli  den  Eichtungen,    in   denen   die 

werden  die  Bänder  durch  gegen- 
mehr oder  weniger  abgerollt  und  die 
ganze  Masse  parallel  mit  der  Zellenachse  mehr  oder  weniger 
zusannnengezogen,  wobei  indess  häufig  das  eine  oder 
andere  Band  mit  seinem  Ende  an  dem  der  Zellen  hängen 
bleibt.  Neben  diesen  Verkürzungen  sind  Exijansionen  in 
anderen  Richtungen  thätig,  wodurch  sich  der  Querschnitt 
der  Bänder  verändert.  Die  oligodynamischen  Verände- 
rungen der  Spiralbänder  stehen  mit  denjenigen,  welche 
auf  ehemisch -giftige  Einwirkung  oder  beim  natürlichen 
Absterben  eintreten,  in  einem  scharfen  Gegensatz,  insofern, 
als 
Plasniaschiauch 


Verkürzung  thätig  ist 
läufige   Drehuni;' 


)ei  den  letzteren  eine  Ablösung  der  Bänder  von  dem 


nicht  eintritt.  Hier  ist  eine  Verkürzung 
in  denselben  zwar  im  Allgemeinen  ebenfalls  wirksam, 
aber  sie  verursacht  neben  ihrer  theilweisen  Geradstreckung 
(Abrollung)  eine  Ablösung  des  Plasmaschlauches  von  der 
Zellmembran.  Zuweilen  findet  auch  partielle  Verlängerung 
der  Bänder  statt,  welche  ein  Hin-  und  llcrbiegen  der- 
selben zur  Folge  hat,  was  bei  der  reinen  oligodynamischen 
Reaetion  wohl  nicht  vorkommt.  Dagegen  sind  die  Ver- 
änderungen des  (^ucrsehnittes  der  Bänder  der  beiden  Re- 
actionen  ziendich  gleich.  Das  ungleiche  Verhalten  der 
Spiralbänder  hat  zur  Folge,  dass  das  oligodynamische 
Absterben  der  Spirogyren  von   dem  natürlichen  und  dem 


chemisch-giftigen  sclmn  durch  das  blosse  Auge  nnter- 
seheidbar  ist.  Im  crsteren  Falle  erscheinen  die  Fäden 
weiss,  weil  der  ganze  Inhalt  innerhalb  des  Plasma- 
sehlauches sich  in  einen  kleinen  Klumpen  zusannnenballt. 
Im  zweiten  Falle  bleiben  die  Fäden  grün,  weil  der  wand- 
ständige Inhalt  seinen  Platz  nicht  verlässt,  und  verändern 
nur  langsam  ihre  Farbe  in  braun  oder  grau.  Ebenso 
charakteristisch  für  die  oligodynamische  Reaetion  ist  das 
Verhalten  der  Zellen  bezüglicli^  des  Plasmaschlauches  und 
der  Turgescenz.  Wenn  die  Spiralbänder  sich  ablösen  und 
zusammenballen,  so  bleibt  der  Plasniaschiauch  noch  un- 
verändert in  seiner  Lage  an  der  Zellmembran.  Die  Ström- 
chen der  wandständigen  Körnchen  dauern  fort  und  die 
Zelle  behält  ihren  Turgor.  Erst  siiäter  stehen  die  Ström- 
clien  still;  der  Plasmaschlauch  wird  dunkel  und  zieht  sich 
etwas  von  der  Membran  zurück  und  die  Zelle  wird  schlaff. 
Diese  Erscheinungen  weichen  gänzlich  ab  von  denen,  die 
man  beim  natürlichen  Absterben  und  bei  der  chemisch- 
giftigen Reaetion  beobachtet.  Hier  löst  sich  der  Plasiua- 
schlaueh  von  der  Membran  ab  und  die  Zellen  werden 
schlaff,  sobald  Veränderungen  an  den  Spielbändern  sicht- 
bar sind.  Die  Färbung  durch  Anilinrotli  zeigt  die  beiden 
Reaetionen  deutlich  an.  Im  unveränderten,  lebenden  Zu- 
stande wird  die  Zellineinl)ran  roth,  der  Inhalt  bleibt  farb- 
los. Bei  der  ehemiseh-giftigen  Erkrankung  färbt  sich  der 
Inhalt,  die  Membran  nicht.  Bei  der  oligodynamischen 
Erkrankung  wird  die  Membran  roth  gefärbt,  während  der 
Plasmaschlauch  mit  den  zu  einem  Klumpen  contrahirten 
Spiralbändern  und  dem  übrigen  Inhalt  noch  farblos  bleibt. 
Erst  etwas  später,  wenn  der  Plasmasehlauch  dunkel  wird, 
kehrt  sich  das  Verhalten  um,  indem  die  Zellmembran  sich 
entfärbt  und  das  J'lasma  dagegen  Farbstoff  aufspeichert. 
Die  oligodynamische  Reaetion  besteht  also  in  einer  sjie- 
citischeu  Empfindsamkeit  des  grünen  Plasmas.  Die  Spiral- 
bänder, die  aus  diesem  Plasma  gebildet  sind,  führen 
ausserordentliche  Lageveränderungen  aus,  während  das 
übrige  Plasma  mich  unberührt  erscheint,  indem  der  Plasnia- 
schiauch, die  Plasniaströinehen  und  das  in  der  Zellfiüssig- 
keit  gelöste  Plasma  keine  Veränderung  ihrer  Functionen 
wahrnehmen  lassen.  Während  die  oligodynamischen  Um- 
wandlungen der  Spiralbänder  von  den  chemisch -giftigen 
wesentlich  abweichen,  stinnnen  sie  ziemlich  mit  denjenigen 
überein,  welche  schwache  Elektricitäts-  und  Wärmewir- 
kungen und  der  Einiluss  anstossender  Saprolegniafäden 
hervorbringen.  Vielleicht  ist  jedoch  die  Wärmewirkung 
in  dieser  Parallele  auszusehliessen.  Da  das  für  die  Oligo- 
dynamik  charakteristische  Zurückziehen  der  Spiralbänder 
vom  Plasmaschlauch  bei  den  W'rsuehen  mit  allmählicher 
Steigerung  der  Temperatur  nicht  immer  eintritt,  so  wäre 
es  nicht  unmöglich,  dass  es  da,  wo  es  durch  Wärme  ver- 
ursacht scheint,  durch  minimale  Mengen  gelöster  Stofie 
bewirkt  würde,  welche  bei  gewöhnlicher  Temperatur  voll- 
kommen unschädlich,  bei  höherer  Temperatur  tödtlieh  sein 
können.  Wenn  die  oligodynamische  Einwirkung  in  die 
chemisch-giftige  oder  in  die  natürliche  Erkrankung  über- 
geht, so  sind  die  Erscheinungen  von  gemischtem  Charakter. 
Die  Ablösung  der  Spiralliäiider  von  dem  Plasmasclilaueh 
erfolgt  dann  stellenweise  und  in  geringem  Maassc. 

Fragen  wir  nach  den  ursächlichen  Momenten,  welche 
auf  die  oligodynamische  Reaetion  Einfluss  haben,  so  ist 
einmal  die  physiologische  Beschaffenheit  der  Spirogyren- 
zellen  von  grösstcr  Bedeutung.  Nicht  nur  giebt  es  zwischen 
den  verschiedenen  Species  eine  Abstufung  in  der  Reaetious- 


512 


Natni'wisscnspliaf'tlicho  Wochenschrift. 


Nr.  4(; 


fähif;keit  für  oligodynamische  Einwirkung-,  so  dass  selbst 
bei  gcwisseu  Species  (wie  z.  B.  bei  Spirogvra  orthospira 
und  verwandten)  die  Spiralbänder  sich  nur  wenig  und 
undeutlich  vom  Plasmaschlaueli  zurückziehen,  während 
sich  der  Mantel,  den  sie  in  jeder  Zelle  darstellen,  mehr 
oder  weniger  verkürzt.  —  Auch  die  nämliche  Species  hat 
vcine  sehr  ungleiche  Emptindlichkeit  je  nach  ihrem  Vege- 
tationszustande. So  ist  Spirogyra  nitida  am  Morgen  früli 
viel  empfindlicher  als  Abends.  Am  Schluss  des  Tages 
befinden  sich  in  den  Zellen  reichliche  Assimilationsproducte, 
wehdie  beim  Reginn  des  Tages  grösstentheils  aufgebraucht 
sind.  Von  den  uns  bekannten  Assimilationsproducten 
(Stärke  und  Lecithin)  vermag  die  Stärke  wohl  keinen 
unmittelbaren  Eintiu^s  auf  das  Plasma  auszuüben.  Da- 
gegen könnte  man  dies  von  dem  Lecithin  annehmen, 
welches  jedenfalls  in  feinster  Vertheilung  durch  die  Zelle 
verbreitet  und  vielleicht  in  einzelnen  Molccülen  den  Plasma- 
micellen  anhängt.  Sollte  allenfalls  eine  \vechselnde  ^lengc 
von  Lecithin  in  dieser  Art  in  das  Plasma  der  Spiralbänder 
eingelagert  sein,  so  wäre  die  wechselnde  Reactionsfähig 
keit  derselben  in  genügender  Weise  erklärt.  Allein  es  ist 
eben  so  wohl  möglich,  dass  noch  andere  wirksame  Assi- 
milationsproducte entstehen  oder  dass  das  Plasma  der 
grünen  Bänder  seilest  durch  die  Assimilationsthätigkeit 
seine  Constitution  etwas  verändert  und  befestigt.  Der 
Einfluss  des  Vegetationszustandes  auf  die  Keactionsfähig- 
keit  zeigt  sieh  ferner  darin,  dass  kurzgliedrige  Fäden,  in 
denen  die  Windungen  der  Spiralbänder  enge  beisammen 
liegen,  viel  resistenter  sind  als  langgliedrige  der  gleichen 
Species,  in  denen  die  Bänder  weit  gewunden  sind.  Wenn 
man  Spirogyra  nitida  aus  dem  Freien  holt,  so  hat  sie 
häutig  kurze  Zellen  und  ist  für  Versuche  wenig  geeignet; 
nach  einer  Zimmercultur  \on  1  bis  2  Tagen  sind  ihre 
Zellen  länger  und  emptindlich  geworden.  Ebenso  haben 
Pflanzen,  die  in  kälteren  Räumen  cultivirt  werden,  kürzere 
und  wenig  sensible  Zellen  und  erlangen  die  für  oligo- 
dynamische Versuche  tauglichsten  Eigenschaften  erst  nach 
einem  Aufenthalt  in  der  wärmeren  Zinmiertemperatur. 
Die  länger  dauernde  Einwirkung  einer  bestinnnten  Tem- 
peratur verleiht  also  den  Siiirogyrenzellen  bestimmte  Eigen- 
schaften, welche  in  einer  veränderten  Temperatur  einige 
Zeit  anhalten  und  dann  in  die  den  neuen  ^'erhältnissen 
entsprechenden  Eigenschaften  übergehen.  Die  verschie- 
denen Wärmegrade  haben  aber  auch  einen  sofortigen  Ein- 
fluss auf  die  Zelle,  indem  mit  der  Erh(ihung  derselben  die 
Emptindlichkeit  für  oligodynamische  Einwirkung  in  sehr 
bedeutendem  Maasse  zunimmt.  Kurze  Zellen  mit  engen 
und  lange  Zellen  mit  weiten  Windungen  ziehen  bei  höherer 
Temperatur  ihre  Spirall)änder  nicht  nur  schneller,  sondern 
in  absolutem  Maasse  auch  weiter  von  dem  Plasniaschlaueh 
zurück;  das  Maxinuim  wird  bei  30°  C.  erreicht.  —  p]s  ist 
selbst  häutig  der  Fall,  dass  in  der  nändichen  schwach 
oligodynamischen  Flüssigkeit  bei  der  niedrigeren  Tem- 
peratur die  Spiral Itänder  sich  gar  nicht  vom  Plasma- 
schlauch lostrennen,  während  sie  dies  bei  der  höheren 
Temperatur  nach  kürzerer  oder  längerer  Zeit  thun.  Unter 
den  ursächlichen  Momenten,  welche  die  verschiedenen 
Reactionen  der  Spirogyrenzellen  bewirken,  ist  aber  be- 
sonders der  Concentratiousgrad  der  Lösung  von  ent- 
scheidender Bedeutung.  Einmal  ist  unzweifelhaft,  dass 
die  stärkere  Conceutration  einer  Verbindung  chemisch- 
giftige,  die  schwächere  dagegen  oligodynamische  Erkran- 
kung verursacht.  Liisungen  von  1  Thcil  Kupferchlorid 
oder  salpetersaurem  Kupferoxyd  in  1000  oder  10000  Theilen 
Wasser  haben  die  erstere,  Lösungen  von  1  Theil  Salz  in 
1  Million,  in  10,  100  und  lOOÖ  Millionen  AVasser  die 
letztere  zur  Folge.  1  Theil  salpetersaures  Kali  in  weniger 
als  100  Theilen  Wasser  bewirkt  chemisch-giftige,  in  mehr 
als  1000  AVasser  oligodynamische  Erkrankung.    Verdünnt 


man  die  Lösungen,  welche  deutliche  oligodynamische  Re- 
actionen hervorrufen,  stetig  weiter,  so  langt  man  früher 
oder  später  bei  einem  Punkte  an,  wo  die  charakteristische 
Lostrennung  der  Spiralbänder  vom  Plasmaschlauch  nicht 
mehr  eintritt.  Die  einzige  Veränderung,  die  man  nun- 
mehr an  den  Zellen  beobachtet,  ist  mehr  oder  wenige)- 
starke  Ausscheidung  von  unlöslichem  Plasma  aus  der  Zell- 
tlüssigkeit,  das  sicli  vorzugsweise  an  den  Enden  der  Zellen 
anhäuft.  1  Theil  Chlorbarium  oder  salpetersaures  Barvt 
in  1000  bis  lOOOO  Theilen  Wasser  verursacht  die  erstere, 
in  100  000  Theilen  Wasser  die  letztere  Rcaction.  1  Theil 
salpetersaures  Kupfer  in  1  bis  10  Millionen  Wasser  be- 
wirkt die  erste,  in  100  bis  lOOO  Millionen  die  zweite  Rc- 
action. Diese  Veränderungen,  welche  durch  eine  noch 
geringere  schädliche  Einwirkung  als  die,  welche  die 
charakteristische  oligodynamische  Reaction  bedingt,  her- 
vorgerufen werden,  gleichen  denen,  die  bei  der  natür- 
lichen f^rkrankung,  bei  der  schwächsten  Schädigung  durch 
Wärme  (31  bis  33°  C.)  oder  durch  Elektricität  beobachtet 
werden.  Man  hat  sich  denuiach  die  Fi-age  zu  stellen,  ob 
sie  als  die  schwächste  oligodynamische  Reaction  zu  be- 
trachten oder  der  natürlichen  Erkrankung  zuzuzählen 
seien.  Dadurch  werden  wir  auf  die  andere  Frage  ge- 
führt, welche  Bewandtniss  es  denn  eigentlich  mit  dem 
natürlichen  Absterben  der  Spirogyren  habe.  Der  natür- 
liche Tod  tritt  im  Zimmer  und  in  der  freien  Natur  stets 
an  einzelneu  PHanzen  ein,  und  zwar  sind  es  vorzüglich 
die  am  tiefsten  im  Wasser  befindlichen,  welche  absterben. 
Da  sie  im  Uebrigen  den  gleichen  Einflüssen  ausgesetzt  zu 
sein  scheinen,  wie  alle  andern,  so  könnte  man  ihre  Er- 
krankung auf  den  spärlicheren  Genuss  von  Licht  und 
Sauerstoff  zu  setzen  geneigt  sein.  Jedoch  geschieht  es 
zuweilen,  dass  bei  Zinuncrcultur  die  ganzen  Rasen  in 
einem  Glase,  und  im  Freien  alle  in  einem  Tümpel  oder 
Graben  befindlichen  Pflanzen  erkranken  und  absterben. 
Mangel  an  Luft  und  Licht  kann  nicht  Schuld  daran  sein, 
weil  meistens  auch  die  an  der  Oberfläche  befindlichen 
Fäden  zu  Grunde  gehen.  Ebenso  wenig  kann  man  die 
Ursache  des  Todes  in  einem  Mangel  an  atmosphärischen 
oder  mineralischen  Nährstoffen  erkennen.  Im  Freien  fehlen 
die  Nährstoffe  sicherlich  nicht,  und  im  Zimmer  sterben 
die  Pflanzen,  auch  wenn  man  dem  Wasser,  in  dem  sie 
sich  befinden,  alle  Ufithigen  Nährstoffe  künstlich  zusetzt. 
Es  ist  wahrscheinlich,  dass  Excretionsstoffe  und  Fänlniss- 
stort'e,  die  sich  im  Wasser  lösen,  die  Ursache  des  natür- 
lichen Absterbens  sind,  und  dass  bei  Zimmercultur  der 
Vorgang  sich  folgendermaassen  gestaltet.  Bringt  man  in 
eine  grössere  Menge  von  oligodynamisch-nentralem  Wasser 
wenige  Spirogyi-enfäden,  so  findet  Waclisthum  und  Ver- 
mehrung statt.  Nach  längerer  oder  kürzerer  Zeit,  wenn 
die  Zahl  der  Fäden  hini-eichend  zugenommen  hat,  sterben 
einzelne  derseli)en  ab,  und  zwar  vorzugsweise  in  der 
unteren  Partie  der  Rasen.  Hier  ist  die  Menge  der  ge- 
histen  Excretionsstoffe  grösser  als  an  der  Oberfläche,  wo 
die  flüchtigen  durch  Verdunstung  in  die  Luft  gehen  und 
die  nicht  flüchtigen  durch  den  ausgeschiedenen  Sauerstoff, 
sowie  durch  den  Sauerstoff  der  Luft  reichlicher  oxydirt 
werden.  Mit  der  Zunahme  der  Gesammtmasse  vermehrt 
sich  auch  die  Zahl  der  abgestorbenen  und  in  Fäulniss 
übergehenden  Fäden,  und  wenn  die  Menge  der  im  Wasser 
befindlichen  Auswurfs-  und  Fäulnissstofte  eine  gewisse 
Höhe  erreicht  hat,  so  sterben  alle  Pflanzen  ab.  Zur  Er- 
haltung der  Spirogyren  in  der  Cultur  pflanzt  man  daher 
am  zweckmässigsten,  wenn  ihre  Masse  zugenommen  hat, 
die  gesunden  Pflanzen  in  kleineren  Partien  in  frische 
Gläser  um.  Die  gegebene  Erklärung-  für  das  natürliche 
Absterben  scheint  aber  nicht  für  alle  Fälle  auszureichen, 
denn  in  den  Lebensverhältnissen  von  Spirogyra  scheint 
eine  gewisse  Periodicität  zu  herrschen,  so  dass  die  Pflanzen, 


Nr.  4(;. 


Natnrwlsseiischaftliche  Wochenschrift. 


.513 


^enh  die  ^eiig'enferäfiou;   ton  der  Spore    aus  gereelmet, 
eine  gewisse  Höhe  erreicht,  gCifcn  bcstinmite  äussere  Ein- 
flüsse eine  geringere  WidersfahdstaiiJgkeJt  besitzen.     Da- 
her mag  es  kommen,   dass   scheinliar  unter  g^leiehen  Um- 
ständen Pflanzen  der  gleichen  Art,  aber  von  verscliiedenem 
Herkonmien,    sicii   ungieicli  verhalten,    und  dass  Pflanzeii 
von  der  nändiehen  Provenienz   unter  sclieinbar  verschie- 
denen Umständen   einem  gleichen  Al)sterben    unterliegen. 
tJebrigens   ist   zu   bemerken,    dass    auch   die   Temperatur 
einen  wesentlichen  Factor  bildet,  indem  in  kälteren  Perioden 
die  Pflanzen  viel  länger  aushalten  als  in  wärmeren.    Wenn 
der  natürliche  Tod  dtlrch  geringe  Mengen  von  Auswurfs- 
tinci  Fäiilnissstöft'en  Verursacht  wird,    so   dürfen    wir   ver- 
muthen,    dass    äitch    ändere    schädliche   Verbindungen   in 
entsprechenden  geringen   Mengen   das   Gleiche  bewirken, 
und   wir  können   kaum   daran   zweifeln,    wenn,    wie   dies 
wirklich  der  Fall  ist,  die  Veränderungen  im  /^elleninhalte 
die  nämlichen  sind.    Wir  sind  also  berechtigt,  von  manchen 
lösliehen  Stoffen  zu  sagen,    dass  sie   in  grösserer  Menge 
chemisch-giftiges,    in   geringerer  oligodynamisches  und  in 
noch  geringerer  Menge    natürliches   Alisterben    bedingen. 
Es  gilt  dies  von  den  Kupfer-,  Silber-,  Quecksilber-,  Blei- 
vcrbindungcn  u.  a.  m.     Wenn   man   aber   hieraus  folgern 
wollte,   die  oligodynamische  Reaction   sei   nichts   anderes 
als  eine  geschwächte  chemisch-giftige  oder  eine  verstärkte 
Wirkung  des  natürlichen  Abstcrhens,  so  wäre  dieser  Schluss 
voreilig.     Es    giebt    zwei    Thatsachen,    welche    dagegen 
sprechen.     Die  eine  Thatsaehe   besteht  in  der  gänzlichen 
Verschiedenheit    zwischen    den   Veränderungen    des   Zell- 
iniialtes  bei  der  oligodynamischen  und  den  beiden  andern 
Reactionen.    Letztere  beide  sind  einander  nahe  verwandt. 
Man    kann    den   natürlichen  Tod   der  .S|iirogyren   als   die 
langsame  Wirkung    eines    chemisch  -  giftigen    Stoffes    an- 
sehen, da  er  im  Wesentlichen  die  nändiehen  Erscheinungen 
dar))ietet,    die   bei  einer  chemischen  Vergiftung  eintreten. 
Aber   die  oligodynamischen  Veränderungen  unterscheiden 
sich   von    beiden    nicht    dem   Grade,    sondern    der  Natur 
nach.    Man  kann  die  oligodynamische  nicht  als  eine  weiter 
fortgeschrittene,    natürliche  Erkrankung   betrachten,    weil 
die  Erscheinungen  der  letzteren   nicht  etwa  die  Anfangs- 
stadien der  ersteren  darstellen,  sondern  im  Gegenthcil  ihr 
mangeln.    Ebenso  kann  man  die  chemisch-giftige  Erkran- 
kung nicht  eine  gesteigerte  oligodynamische  nennen,  weil 
die  Erscheinungen  dieser  bei  jener  nicht  vorhanden  sind. 
Die  andere  Thatsaehe  ist  die,  dass  nicht  alle  Stotfe,  wenn 
ihre  Lösungen   stetig  mehr  verdünnt  werden,    oligodyna- 
mische Erscheinungen  verursachen.  Es  giebt  Verbindungen, 
die   bei   stärkerer  Concentration  chemisch -giftige  Erkran- 
kung, in  schwächerer  natürliches  Alisterben  hervorbringen; 
so  verhält  sieh   beispielsweise   salpetrigsaures  Ammoniak. 
Ein  Theil  in  1000  oder  10  000  Wasser  bewirkt  chemische 
Vergiftung;  verdünnt  man  stärker,  so  treten  die  gleichen 
Erscheinungen  ein,  aber  viel  langsamer.    Bei  millionfacher 
und  stärkeren  Verdünnungen  bleiben  die  Spirogyrenzelien 
unverändert.     Ablösen    der    Spiralbänder,    welches    eine 
oligodynamische    Reaction    anzeigen    würde,    kommt    bei 
keiner  Verdünnung  vor.     Man    sieht    hier    deutlich,    dass 
die  von    den  weitest   gehenden  Verdünnungen  bewirkten 
Veränderungen   nichts   anderes   sind,    als    schwache   Gift- 
wirkungen.    Von  den  Verbindungen,   welche  keine  oligo- 
dynamische Reaction  zur  Folge  haben,  bis  zu  denjenigen, 
welche  dieselbe  am  ausgezeichnetsten  hervorbringen,  giebt 


es  eine  allmähliche  Abstufung.  Wenn  es  nun  als  sicher 
betrachtet  werden  kann,  dass  die  chemisch -giftige  und 
die  oligodynamisclie  Reaction  verschiedener  Natur  sind, 
so  wirft  sich  sofort  die  Frage  auf,  wie  es  geschehe,  dass 
bei  grösster  und  bei  geringster  Lösungsconcentration  die 
erste,  bei  mittlerer  dagegen  die  zweite  zu  Stande  kommt. 
Denn  man  muss  natürlich  annehmen,  dass  die  eine  und 
die  ander»'  Einwirkung:  bei  jeder  Verdünnung  nach  Maass- 
gabe der  Sub^tanzmenge  erfolge.  Das  merkwürdige  Ver- 
halten der  Spiiogrrenzellen  in  den  drei  Verdünnungsstufen 
erklärt  sich  dadurch,  dass  die  concentrirtere  Lösung  ihre 
chemisch -giftige  Wirkung  sehr  rasch  vollzieht  und  dass 
daher  für  die  oligodynamische  keine  Zeit  übrig  bleibt. 
Bei  schwächerer  Concentration  aber  geht  die  chemisch- 
giftige Erkrankung  so  langsam  vor  sich,  dass  die  oligo- 
dynamische Veränderung  mehr  oder  weniger  vollständig 
sich  abspielen  kann.  In  der  allergeringsten  Verdünnung 
vermag  die  oligodynamische  Einwirkung  keine  sichtbaren 
Erscheinungen  mehr  hervorzurufen,  während  die  chemisch- 
giftige den  natürlichen  Tod  herbeiführt.  Diese  Erwägung 
macht  es  begreiflich,  dass  schwerlösliche  Stotfe  keine 
chemisch-giftige,  sondern  bloss  oligodynamischeWirkungen, 
oder  auch  nicht  einmal  diese,  sondern  bloss  natürliches 
Absterben  zu  vollbringen  vermögen.  Wir  können  dies- 
bezüglich drei  Kategorien  von  schwerlöslichen  Stoften 
unterscheiden. 

1.  Wenn  eine  Verbindung  sich  langsam,  aber  zuletzt 
doch  in  erheblicher  Menge  löst,  so  sterben  die  Spirogyren, 
welche  man  in  die  gesättigte  Lösung  bringt,  durch 
ehemisch -giftige  Einwirkung  ab,  ohne  dass  es  zu  einer 
oligodynamischen  Reaction  kommt.  Bringt  man  dagegen 
den  festen  Körper  in  Wasser  mit  Spiicigyren,  so  erkranken 
diese  oligodynamisch,  weil  anfänglich  während  einer  hin- 
reichend langen  Dauer  die  Lösung  sehr  verdünnt  ist. 
Dies  ist  der  Fall  mit  Silberoxydhydrat,  welches  sich  in 
3000  Theilen  Wasser  löst  und  in  dieser  Concentration 
sofort  chemisch-giftige  Erkrankung  bewirkt.  Verdünnt  man 

die  gesättigte  Lösung  auf  ^^,  ^q^qö^^  und  j^^,^^, 

so  treten  oligodynamische  Verändernngen  ein.  Oligo- 
dynamische Erscheinungen  beobachtet  man  auch  stets, 
wenn  man  die  Spirogyren  mit  noch  so  grossen  Mengen 
von  Silberoxydhydrat  oder  von  metallischem  Silber  in  das 
Wasser  bringt.  Weiter  gehende  Verdünnungen  der  Lösung 
oder  geringere  Mengen  der  festen  Körper  vermögen  selbst- 
\erständlich  keine  oligodynamische  Reaction,  sondern  nur 
natürliches  Absterben  zu  verursachen. 

2.  Verbindungen,  die  sich  in  viel  geringerer  Jlenge 
lösen,  als  die  unter  1  aufgeführten,  bringen  oligodyna- 
mische Reaction  hervor,  man  mag  eine  gesättigte  wässerige 
Lösung  anwenden  oder  die  feste  Verbindung  in  noch  so 
grosser  Menge  dem  Wasser  beifügen,  während  eine 
schwächere  Einwirkung  bloss  den  natürlichen  Tod  be- 
wirkt. Zu  dieser  Kategorie  geh<iren  metallisches  Kupfer, 
Kupferoxyd,  Knpferoxydhydrat,  Quecksilber,  Quecksilber- 
oxyd,  Chlorsilber,  Nickeloxyd. 

3.  Körper,  die  noch  weniger  löslich  sind  als  die- 
jenigen der  Kategorie  2,  vermögen  wenigstens  bei  ge- 
wöhnlicher Temperatur  keine  oligodynamischen  Erschei- 
nungen, sondern  nur  die  des  natürlichen  Absterbcns  zu 
verursachen.  Dies  ist  der  Fall  mit  \\'isnnit,  Cadmium, 
metallischem  Arsen,  Mangansuperoxyd. 


Die  Blatttbnneii    fo.ssiler  Pflanzen  in  Beziehnng 
zn  der  vernmtlilichen  Intensität  der  Niederscliläge.  — 

In  seiner  in  der  „Naturw.  Wochenschr."  VIII  No.  2S 
S.  284  eingehend  besprochenen  Al)handlung  „Regenfall 
und    Blattgestalt"    hat    E.  Stahl  gezeigt,    dass    die    Zer- 


theilung  der  Blattspreite  in  mehr  oder  weniger  V(m  ein- 
ander unabhängige  Lamellen  den  \oitheil  bcr\(irbringt, 
dass,  bei  im  Uebrigen  gleicher  Stiuctur  und  gleicher  Ge- 
sanmitoberflächc,  die  Spreiten  schwächer  gebaut  sein 
köimen,    als   wenn   sie   ganz  sind.     „Hieraus  ergiebt  sich 


514 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  4C. 


—  sagt  Stahl  — ,  dass  die  Herstelhnig  einer  gegen  Regen 
und  Wind  gleich  resistenten,  getheilten  Spreite  einen  ge- 
ringeren Materialaufwand  erheisclit  als  die  einer  einfachen 
ungetheilten."  (Stahl  S.  162.)  VorStahl  hat  sich  schonL.Kny 
dem  Sinne  nach  in  gleicherweise  geäussert.  Er  sagt  nämlich 
in  seiner  Arbeit  „Üeber  die  Anpassung  der  Laubblätter  an 
die  mechanischen  Wirkungen  des  Regens  und  Hagels."  (Ber. 
d.  Deutsch,  bot.  GeselLsch.  Bd.  III,  1885,  S.  211):  „Als  . . . 
Schutzmittel  gegen  die  mechanischen  Wirkungen  des 
Regens  luid  Hagels  betrachten  wir  die  .,Zertheilung 
der  Blattspreite"  u.  s.  w.,  und  ferner:  „Ebenso,  wie 
zertheilte,  werden  schmale  und  sehr  biegsame  Blatt- 
spreiten .  .  .  befähigt  sein,  den  mechanischen  Wir- 
kungen der  atmosphärischen  Niederschläge  auszuweichen." 
Denn  es  leuchtet  ohne  Weiteres  ein,  „dass,  wenn  die 
Spreite  tief  gebuchtet  oder  in  eine  grössere  Zahl  kleiner, 
selbstständig  gestielter  Abschnitte  zerlegt  ist,  die  Beweg- 
lichkeit der  einzelnen  Theile  sehr  erhöht  wird  und  letztere 
dem  Anprall  eines  sie  treflenden  Stosses  leichter  durch 
Biegung  ausweichen  können,  als  dies  bei  einer  grösseren, 
ungetheilten  Spreite  möglich  ist."  Experimente  beweisen 
das  Gesagte  und  die  Natur  zeigt  die  Richtigkeit  der 
Anschauung  überall,  sobald  man  erst  einmal  auf  die 
Sache  aufmerksam  gemacht  worden  ist.  So  treten  nach 
Stahl  (S.  163)  z.  B.  grob-gefiederte  oder  völlig  ganz- 
randige  Blätter  den  fein-zerschlitzten  gegenüber  bei  den 
erdbewohnenden  Farnen  der  feuchten  Tropenregionen 
ganz  bedeutend  zurück.  „Dieser  Umstand  spricht  dafür, 
dass  wir  in  der  Spreitentheilung  nicht  bloss  eine  An- 
passung' au  den  Wind  zu  sehen  haben,  denn  gerade  die 
farnreichen  Schluchten  der  Wälder  der  tropischen  Ge- 
birge gehören  zu  den  allerwindstillsten  Standorten." 
Namentlich  lehrreich  muss  es  natürlich  sein,  verwandte 
Arten  mit  einander  zu  vergleichen,  und  diesbezüglich  habe 
ich  in  dem  genannten  Referat  der  Stahrscheu  Arbeit  in 
der  „Naturw.  Wochenschr."  den  von  diesem  (S.  166)  er- 
wähnten Fall  bei  den  europäischen  Arten  der  Pappeln 
erwähnt.  Sehen  wir  uns  also  —  um  es  hier  zu  wieder- 
holen —  die  europäischen  Arten  der  Pappeln  an,  so  be- 
merken wir,  dass  bei  Populus  alba,  der  Silberpappel,  die 
grössten  Blätter,  die  an  jüngeren  und  üppigen  Trieben 
oft  bis  15  cm  lang  und  12  cm  breit  werden,  die  Ein- 
schnitte des  Blattraudes  am  tiefsten  sind,  die  Spreite  nicht 
selten  drei-  bis  fünflappig  ist,  während  dieselbe  bei  Po- 
pulus tremula,  der  Zitterpappel,  und  Populus  nigra,  der 
Schwarzpappel,  deren  Blätter  immer  nur  geringe  Grösse 
erreichen,  niemals  so  weit  getheilt,  höchstens  nut  Rand- 
kerben oder  Zähnen  versehen  ist. 

Ich  möchte  nun,  was  ich  in  aller  Kürze  bereits  in 
meinem  Bericht  „Neues  aus  der  Botanik  II"  in  der  Phar- 
maceutischen  Zeitung  —  Berlin,  S.  623  gethan  habe  — 
hier  nachdrücklicher  darauf  aufmerksam  machen,  dass 
das  Auftreten  grossflächiger,  ungetheilter  Blatt- 
spreiteu  im  Ganzen  erst  eine  Errungenschaft  im 
Verlaufe  der  Entwickelung  der  Pflanzenwelt 
darstellt.  Je  tiefer  wir  in  den  geologischen  For- 
mationen in  die  Vorzeit  hinabsteigen,  um  so 
schmaler  resp.  zertheilter  und  kleinfiedcriger 
sind  im  Allgemeinen  die  uns  überkommenen 
Blattreste,  eine  Thatsache,  die  im  Lichte  der 
Kny  -  Stahl'schen  Untersuchungen  betrachtet, 
mit  der  Anschauung  in  Einklang  steht,  dass  die 
Regengüsse  der  früheren  Erdperioden  im  Grossen 
und  Ganzen   stärker  gewesen  sind  als  heute. 

Sieht  man  z.  B.  —  sage  ich  in  meiner  Flora  des 
Eothliegenden  von  Thüringen  (Herausg.  v.  d.  Kgl.  Preuss. 
geolog.'Landesaustalt.  Berlin  1893,  S.  236—237)  —  die 
Vorfahren  der  Ginkgo  l)iloba  durch,  zunächst  des  Tertiärs, 
dann  der  Kreide-,    der  Juraperiode,  der  Trias,  des  Perm 


und  endlich  des  obersten  Carbons  —  etwa  an  der  Hand 
von  0.  Heer's  Abhandlung  „Zur  Geschichte  der  Ginkgo- 
artigen  Bäume"  (S.  1 — 13  in  den  botanischen  Jahrbüchern 
für  Systematik,  Pflanzengeschichte  und  Pflanzengeographie, 
Herausgegeben  von  H.  Engler.  I.  Bd.  Leipzig  1881.)  — , 
so  wird  man  unschwer  bemerken,  dass  im  Grossen  und 
Ganzen  die  Blattlappen  der  als  Vorfahren  von  Ginkgo 
angesehenen  Arten  von  den  jüngeren  Formationen  be- 
ginnend und  zu  den  älteren  herabsteigend  immer  schmaler 
und  linealer  werden  bis  zu  der  zu  den  ältesten  Salis- 
burieen-Arten  gehörig  angeseheneu  Art  Trichopytys  hetcro- 
morpha  Saporta  aus  dem  Perm  von  Lodcve  mit  fast 
linienförmigen  Blatttheilen,  oder  also  umgekehrt,  dass  die 
Blätter  im  Grossen  und  Ganzen  vom  Palaeozoicum  an- 
fangend bis  heute  immer  mehr  an  spreitiger  Substanz  zu- 
nehmen, die  einzelnen  Lappen  gehen  aus  der  linealen 
Gestalt  immer  deutlicher  in  die  Keilform  über,  bis  sie  bei 
Gingko  breitkeilförmig  geworden  sind.  Die  Blattlappen 
der  Baicra  digitata  sind  verhältnissmässig  schmal-lineal. 
Die  Laubblätter  von  Baiera  Münsteriana  aus  dem  Rhät 
sind  spreitiger  und  daher  viel  leichter  als  zum  Typus  der 
Laubl)läfter  von  Ginkgo  biloba  gehörig  zu  erkennen,  nur 
sind  die  Blattlappen  immer  noch  schmaler  und  lineal,  die 
Nervatur  ist  die  gleiche.*) 

Auch  an  den  fossilen  Farn  (Filices)  lässt  sich  das 
Gesagte  mit  Leichtigkeit  constatiren,  sogar  schon  inner- 
halb der  palaeozoischen  Formationen,  die  ja  eine  beson- 
ders reichliche  Entwickelung  dieser  Gruppe  aufweisen. 
]Man  braucht  nur  einige  umfangreichere  Alibildungswerke 
durchzusehen,  um  sich  von  dem  Gesagten  zu  überzeugen. 
Durchblättern  wir  z.  B.  die  Abbildungen  zu  D.  Stur's 
Culm-Flora  von  1875,  so  wird  uns  dies  verhältnissmässig 
zahlreiche  Vorkommen  eines  Farntypus  mit  schmal-linealen 
bis  fadenförmigen  Fiederchen  letzter  Ordnung  auffallen 
(Typus  Rhodea).  In  dem  der  Zeit  nach  folgenden  geo- 
logischen Horizont,  dem  der  Ostrauer-  resp.  AValdenburger- 
Schichten  finden  sich  zwar  ebenfalls  noch  Farn  mit  sehr 
schmal-linealen  F.  1.  0.,  aber  nicht  so  zahlreich  wie  im 
Culm,  und  es  überwiegen  die  Formen  mit  kleinen,  sich 
der  Kreisform  nähernden  F.  1.  0.  (Typus  Sphenopteris 
i.  e.  S.  =  Eusphenopteris),  wie  die  Stur'sehen  Abbildungen 
seiner  Flora  der  Ostrauer-  und  Waldenburger-Schichteu 
von  1877  zeigen.  Durchblättern  wir  nun  des  genannten 
Autors  Werk  „Die  Farne  der  Carbonflora  der  Schatzlarer 
Schichten"  von  1885,  so  bemerken  wir  Formen,  die  man 
zum  Typus  Rhodea  stellen  könnte,  nur  noch  ganz  unter- 
geordnet. An  seine  Stelle  tritt  ein  Typus,  den  ich  durch 
den  ..Gattungs"-Namen  Palmafopteris  von  der  Sammel- 
gaftung  Sphenopteris  i  diese  Gattung  also  im  weitesten 
Sinne)  abgegliedert  habe,  der  sich  zwar  noch  durch 
schmale,  aber  doch  palmat  zusammentretende  F.  1.  0.  cha- 
rakterisirt.  Es  überwiegen  bei  weitem  die  Farn  des 
Typus  Eusphenopteris,  und  es  kommt  der  Typus  Ma- 
riopteris,  der  die  Schatzlarer  Schichten  besonders  aus- 
zeichnet, hinzu  mit  grösseren,  im  Ganzen  länglich-di-ei- 
eckigen  Fiederchen  1.  0.  Auch  der  Typus  Pecopteris 
mit  am  Grunde  breit-ansitzenden  Fiederchen  1.  0.  tritt 
nunmehr  bemerkenswerther  auf,  ein  Typus,  der  ja  in  dem 
demnächst  höheren  Horizont  häufiger  und  darüber,  im 
Rothliegenden,  sogar  herrschend  wird.  Dass  ein  pecopte- 
ridisches  Fiederchen  weniger  leicht  und  schnell  einem 
durch  schwere  Regentropfen  bewirkten  Sfoss  ausweicht 
als  ein  Fiederchen  von  dem  eusphenopferidisehen  Typus, 
das  nur  durch  einen  ganz  schmalen  Theil,  oft  nur  durch 
ein  Stielchen  ansitzt,  ist  ohne  Weiteres  einleuchtend. 


*)  Auf  die  obif^a",  iu  meiner  Rothliegeiideii  Flora  von  Thü- 
ringen veröttVntliclite  Thatsache  habe  ich  sclion  in  der  März- 
Sitzung  1892  des  Botanischen  Vereins  der  Provinz  Brandenburg 
aufmerksam  gemacht. 


Nr.  -U] 


Naturwisseuschaftliche  Wochenschrift. 


.515 


Zum  Schluss  möchte  ich  noch  darauf  hinweisen,  dass 
die  bannifcirmigen  Pteridophjten  des  l'ahieozoieums  wie 
die  Lepidodendreen,  Si^illarieen,  Calamariaceen  alle 
nur  schmale,  oft  lineale  Blätter  besitzen.  Nur  die  Cor- 
daitacecn  haben  zwar  breitere,  bandförmige  Blätter,  die 
aber  immer  nocii,  mit  den  Blättern  der  rccenten  Bäume 
verg-lichen,  schmal  namentlich  im  Verhältniss  zu  ihrer  Läng'e 
sind.  Ist  das  alles  ein  „Zufall''?  Die  Blätter  der  Baum- 
kronen sind  der  Wucht  der  Regentropfen  besonders  aus- 
gesetzt, und  es  ist  gewiss  erlaul)t.  ja  einzig  möglich,  die 
Eigenthiindichkeiten  der  fossilen  Pflanzen  nach  den  Er- 
kenntnissen, die  uns  das  Studium  der  recenten  verschafft, 
zu  beurtheilen.  H.  Potonie. 


Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben. 

Es  wurden  einaiint:  Dr.  T.  Rliyiiier  Mar^-liall  zum  Ijehrer 
für  Cliemio  am  St.  Muiigos  College  in  Glasgow.  —  Dr.  Ludwig 
Wober,  Docent  der  Physik  au  der  Technii^chen  Hoelischule  in 
Miiuclien,  zum  Regierungsrath  am  Königl.  Patentamt  in  Berlin.  — 
Der  Docont  für  Frauenheilkunde  an  der  Univei'sitilt  Moskau 
Dr.  (iubarew  zum  Professor  an  der  Universität  Dorpat.  —  Unser 
Mitarbeiter  der  Geheime  Regierungsrath  Prof.  Dr.  Foerster  zum 
Geheimen  Ober-Regierungsrath.  —  Dr.  Wang  zum  ausserordent- 
lichen Professor  an  der  Hochschule  für  Bodencultur  in  Wien.  — 
Oberbergrath  von  Amnion  in  Dortmund  zum  ililfjarbeiter  im 
Ministerium  für  öffentliche  Arbeiten  in  Berlin. 

Professor  Dr.  Dskar  Fraentzel  tritt  von  seiner  Stellung 
als  leitender  Arzt  der  Nebenabtheilung  der  Charite  in  Berlin  und 
Lehrer  an  der  Universität  zurück.  —  Der  Professor  der  Mineralogie 
an  iler  Universität  Zürich  Dr.  A.  Kenngott  tritt  von  seiner 
Lehrtliätigkeit  zurück.  —  Der  Professor  für  Frauenheilkunde  an 
der  Universität  Bonn  Dr.  Gustav  Veit  ist  in  den  Adelstand 
erhoben  worden. 

Es  haben  sich  habilitirt:  Unser  Mitarbeiter  der  Bergingenieur 
Dr.  F.  M.  iStajiff  für  dynamische  Geologie  an  der  Technischen 
Hochschule  in  Ciiarlottenburg  bei  Berlin.  —  Dr.  Ivonrad 
Ivretschmer  für  Erdkunde  an  der  ITniversität  Berlin. 

Es  sind  gestorben:  Der  Geologe  J.  W.  Davies  in  Halifax.  — 
Der  Geologe  G.  VV.  Shrubsole  in  Chester  —  Der  Chemiker 
W.  H.  Mellville.  —  Der  Professor  der  Geologie  Juan  Vila- 
iiova  y  Piera  in  Madrid.  —  Der  durch  seine  wissenschaftlichen 
Forschungen  bekannte  Geheime  Sanitätsrath  Dr.  Moritz  Meyer 
in  Berlin.  —  Der  durch  die  bildliche  Ausstattung  von  Brehm's 
Thiorleben  bek.annte  Thierzeichner  Gustav  Mützel  in  Berlin. 
Der  frühere  Professor  der  Medicin  an  der  Universität  Marburg 
Dr.  Ernst  Frerichs  in  Wiesbaden.  —  Der  auch  als  Schrift- 
steller vielfach  thätig  gewesene  Arzt  Dr.  Julius  Berg  in  Berlin. 
—  Der  Professor  der  Ingenieurwissenschaften  Franz  Grashof 
an  der  Technischen  Hochschule  in  Karlsruhe. 


Gruppe  „Unterricht  und  Erziehung"  der  Berliner  Gewerbe- 
Ausstellung  1896.  —  Die  Leser  werden  durch  die  Tagesblätter 
von  dem  Plan,  18'.i6  eine  Berliner  Gewerbe- Ausstellung  zu  ver- 
anstalten, bereits  gehört  haben;  uns  interessirt  besonders  die 
Gruppe  XIX  ..Erziehung  und  Unterricht",  deren  etwa  70  Vor- 
stands-Mitglieder am  31.  Getober  zusammengetreten  sind. 

In  der  Begrüssungsrede  wurde  von  dem  provisorischen  Vor- 
sitzenden, Geh.  Commerzienrath  L.  M.  Goldberger,  auf  die 
culturelleii  Aufgaben  hingewiesen,  denen  gerade  diese  Gruppe 
gerecht  zu  werden  habe,  der  es  vor  allen  anderen  obliege,  den 
engen  Zusammenhang  und  die  Wechselwirkung  zwischen  den 
praktischen  und  idealen  Aufgaben  der  Ausstellung  vor  Augen 
zu  führen. 

Alsdann  erstattete  Commerzienrath  K  ü  h  n  e  m  a  n  n  Berieht  über 
den  gegenwärtigen  Stand  des  Gesammtunternehmens  und  Professor 
Schwalbe  über  die  Ziele  der  Gruppe. 

Es  erfolgte  hierauf  die  Wahl  des  engeren  Gruppenvor- 
standes:  Den  Vorsitz  führen:  Geheimrath  Goldberger  und  Pro- 
fessor Dr.  B.  Seh  walbe,  Director  des  Dorotheenstädtisclien  Real- 
■Gymnasiums. 

Als  Schriftführer  fungiren  Professor  Dr.  Fr.  Bach  mann  und 
Professor  Dr.  A.  Trendel  en  bürg. 

Dem  Gru]ipenvorstand  gehören  —  wie  gesagt  —  über  70  Mit- 


glieder an.  Zur  Feststellung  drs  endgültigen  Grnppenprogranims 
und  der  weiteren  Organisation  wurde  eine  Arbeits -Commission 
mit  dem  Rechte  der  Cooptation  gewählt,  welcher  zunächst  die 
Nachgenannten  angehören: 

1.  Für  die  Abtheilung:  Einrichtung  von  Schulen;  Schul- 
Hygiene  die  Herren  Real-Gymuasial-Director  Dr.  Tb.  Bach,  der 
Director  des  Kaiser  und  Kaiserin  Friedrich  Krankenhauses  Prof. 
B  a g i  n  s  k  y .  Oberlehrer  Prof.  G.  E  c  k  1  e  r ,  Schulrath  Prof.  C.  E  u  1  e  r 
und  Frau  Schepeler-Lette. 

■2.  Für  die  Abtheilung:  Lehr-  und  Unterrichtsmittel  jeder  Art: 
physikalische  und  chemische  Apparate,  Ausstattung  von  Lidir- 
zinunern,  Globen,  Athmten,  Karten,  Bilder,  Modelle,  Naturalien- 
sammlungen, Bücher,  Hefte  u.  s.  w.  die  Herren  Geh.  Reg.-Rath 
Bertram,  Prof.  R.  ßoernstein,  Stadtschulrath  Fürstenau, 
Lehrer  H.  Gallee,  Vorsitzender  des  Berliner  Lehrervereins, 
Geheimer  Regierungs-  und  Proviuzial  -  Schulrath  Gruhl.  Ciym- 
nasial  -  Oberlehrer  G.  Heyne,  Prof.  L.  Kny,  Gvmnasial-Director 
Dr.  Kubier,  Geh.  Reg.-Rath  Kundt,  Geh.  Reg.-Rath  H.  Lan- 
dolt.  Geh  Reg.-Rath  K.  Mob  ins,  Prof.  K.  Müllenhoff, 
Dr.H.Paetel,  Dr.  H. Potonie,  Geh.  Reff.-Rath  N.  Pringsb  eim  , 
Geh.  Reg.-Rath  F.  Eilhardt  Schnitze,  Prof.  K.  Schumann, 
Director  Prof.  Waetzoldt  und  Prof  O.  Warschauer. 

3.  Für  die  Abtheilung:  Zeichenunterricht.  Handfertigkeits- 
arbeiten die  Herren  F.  Groppler,  Lehrer  der  2.  Berliner 
Schüler-Werkstatt,  Zeichenlehrer  und  Landschaftsmaler  M.  Linde- 
mann-Frommel  und  Dr.  Max  Weiss,  Vorsitzender  der  „Steno- 
graphischen Gesellschaft  Gabelsberg".     • 

4.  Für  die  Abtheilung:  Kunstgewerliliche  und  Fortbildungs- 
schulen die  Herren  O.  Jessen,  Director  der  1.  Ilandwi'rker- 
Schule,  P.  Szymanski.  Subdirector  der  1.  Handwerker-Schule 
und  Frau  Clara  Hessling,  Lehrerin. 


Ein  Congress  für  Mathematik,  Astronomie  und  Astro- 
physik hat  auf  der  Chicagoer  Weltausstellung  vom  "iL — 26.  August 
getagt..  Eine  grosse  Reihe,  zum  Theil  wissenschaftlich  hoch- 
bedeutsamer, zum  Theil  aber  auch  populärer  Vorträge  über  die 
verschiedensten  auf  der  Tagesordnung  der  Gegenwart  stehenden 
Fragen  wur.den  bei  dieser  Gelegenheit  in  einem  edlen  Wettstreit 
w'ohl  sämmtlicher  Culturnationen  gehalten.  In  astronomischer 
Hinsicht  spielten  natürlich  die  neuesten  Fortsehritte  der  Hinmiels- 
photographie  und  Spectralanalvse  die  Hauptrolle.  Besonders  werth- 
voUe  Mittheilungen  über  diese  Gegenstände  wurden  von  Pickering, 
Haie,  Keeler,  Langley  und  Max  Wolf  gemacht.  Wer  nähere  In- 
formation über  diesen  internationalen  Gedankenaustausch  zu  er- 
halten wünscht,  findet  in  der  vortrefflichen  amerikanischeil. 
Zeitschrift  „Astronomy  and  Astrophysiks"  (Wm.  Wesley  and 
Son,  28  E.ssex  St,  Strand,  London)  die  überwiegende  Zahl  der 
Vorträge  abgedruckt. 

Die  Forschungsreise,    welche   der  Geologe  Thoroddsen    im 

verflossenen  Sommer  in  gewisse  nocli  w^'nig  bekannte  Gegenden 
Islands  unternommen  hat,  ist  eine  sehr  erfolgreiche  gewesen.  Er 
hat  speciell  die  Gebiete  um  die  (.Quellen  der  Flüsse  Skaptä  und 
Hverfisfljot  in  geologischer  und  geographischer  Hinsicht  studirt 
und  hat  namentlich  in  ersterer  Beziehung  hochinteressante  That- 
sachen  zu  Tage  gefördert,  auf  die  wir  später,  w'enn  der  Gelehrte 
seine  Ergebnisse  erst  bekannt  gegeben  haben  wird,  eingehend 
zurückkommen  werden.  Soviel  sei  hier  schon  erwähnt,  dass  vul- 
canische  Erscheinungen  von  ungeahnter  Gewaltigkeit  beobachtet 
worden  sind,  welche  die  Island  bewegenden  plutonischen  Kräfte 
noch  ungeheurer  erscheinen  lassen,  als  man  sie  bisher  bei-eits 
kannte. 

Die  Reise  des  russischen  Forschers  Potanin  zur  Explorirung 
des  noch  immer  sehr  wenig  bi'kannten  Tibet  hat  in  Folge  des 
Todes  seiner  Frau,  welche  ihn  begleitete,  ein  unrrwartet  frülu-s 
Ende  gefunden. 


Briefkasten. 

Herrn  V.  Schleiflf  in  Bergen  a.  Rügen.  —  Sie  werden  dem- 
nächst über  den  von  Ihnen  erörterten  Gegenstand  in  der  „Naturw. 
Wochenschr."  in  dem  Referat  zweier  Bücher  von  Dr.  Ernst  Krause, 
die  die  von  Ihnen  aufgeworfene  Frage  eingehend  behandeln, 
mehrerlei  finden. 


Inhalt:  S.  A.  Poppe:  Ueber  das  Vorkommen  von  Mus  aloxandrinus  Gooft'r.  in  ^  egesack.  —  6i.  Versammlung  der  Gesellschaft 
deutscher  Naturforscher  und  Aerzte  in  Nürnberg.  II.  —  Carl  von  Nägel  i:  „Oligodynamische"  Erscheinungen  in  lebenden 
Zielen.  (Schluss.)  —  Die  Blattformeii  fossiler  Pflanzen  in  Beziehung  zu  der  vorniuthliehen  Intensität  der  Niederschläge.  — 
Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben.  —  Briefkasten. 


516 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  46. 


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Verantwortlicher  Redakteur:    Dr.  Henry  Potonie,    Berlin  N.  4.,  Inv 
Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlaf;sbiiehhandlung,   Ber 


alidenstr.  44,  für  den    Inseratentheil:    Hugo  B.^rnstein    in    Berlin, 
lia  SW.   12.  —  Drnck:  tt.  Bernstein,  Berlin  SVV.   12. 


vi^^  Redaktion:  '         Dr.  H.  Potonie. 

Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12,  Zimmerstr.  94. 


Vin.  Band. 


Sonnttig.  den  11) 


November  1893. 


Nr.  47. 


Abonnement:  Man  ahonnirt  bei  allen  Buchhanrilunppn  und  Post- 
anstalten,  wie  bei  der  Expedition.    Der  Vierteljahrspreis  ist  M  4,— 
Bringegeld  bei  der  Post  li  ^  extra. 


r  Inserate:  Die  viergesi)altene  Petitzeile  4(1 -Ä.    Grössere  Aufträge  ent- 

sprechenden Rabatt.  Beilagen  nach  Uebereinkunft.  Inseratenannahme 
bei  allen  Annoncenbureaux,  wie  bei  der  Expedition. 


.4b4lriick  ist  nnr  mit  vollständig^er  4{aellenniis;al>c  «gestattet. 


Der  Begriff  der  Bllithe. 


Von  H.  Potonie. 


DcrTennimis  „Blütlie"  lässt  .sich  iiacli  un.scrcii  beutig-en 
Kenntnissen  niciit  mehr  auf  die  „Phanerogamen"  (Eni- 
l)r}'oi)hyta  sipbonog'ama)  allein  bescliriinken,  sondern 
man  mnss  ihn  —  wenn  man  nicht  geradezu  Termini 
scbroft'  in  einer  bestimmten  IJegritisliestimmung  auch 
dann  iieibehalten  will,  wenn  sieb  herausstellt,  dass 
die  Detinitionen  derselben  unzweckmiissige  waren,  also 
wenn  man  nicht  den  Hanptnacbdruck  auf  die  Worte, 
sondern  auf  die  Tbatsacben  legt  —  auch  auf  die  Sporen 
tragenden  Sprosse  und  Spross- Enden  derjenigen  Pteri- 
do))hyten  anwenden,  bei  denen  die  Hauptfnnction  dieser 
Sprosse  und  Spross-Knden  im  Gegensatz  zu  den  Sprossen 
mit  ansschliesslicb  assimilirenden  Blättern  in  der  Er- 
zeugung von  Sporen  besteht.  P^s  kommen  durch  eine 
solche  zweckmässige  Uebertragung  des  Wortes  „Rliitbe" 
die  ganz  falschen  Bezeichnungen  für  die  in  Rede  stehen- 
den Sprosse  der  Pteridophyten,  mit  denen  man  sieb  be- 
holfen  bat,  wie  vor  allem  ihre  Bezeichnung  als  „Fructi- 
fieationen"  in  Wegfall,  da  doch  die  vSporangien  oder 
Sporangienkapscln  mit  einer  Frucht  (fructus),  welche  am 
zweckmässigsten  detinirt  wird  als  „die  Fruchtblätter  einer 
Bliithe  mit  den  reifen  Samen  und  etwaigen  anderen  Theilen 
der  Blüthc  und  iiire  Umgebung,  die  sich  gelegentbcb  (in 
bestimmten  Fällen)  nach  dem  Verblühen  während  der 
Samenreife  besonders  ausbildet",  also  kurz  als  das  Organ 
oder  bei  Früchtchenbildung  als  die  Organe  zusammenge- 
nommen, welche  aus  einer  Blütlie  und  eventuell  ihrer  Um- 
gebung nach  ihrer  Befruchtung  hervorgehen.*)  Samen 
kommen  aber  bei  den  ganzen  Pteridophyten  nicht  vor  und 
auch  nicht  eine  Befruchtung  auf  der  Mutterpflanze,  und  so 
kann  man  auch  bei  ihnen  nicht  von  Fructificationen  reden, 
wenn  man  nicht  etwas  Falsches  sagen  will.  Einen  doppelten 
Fehler    enthält   die    Bezeichnung-  der  in  Rede   stehenden 

*)  Vergl.  meine  ,. Elemente  der  Botanik",  2.  Ansgabo,  Berlin 
188;),  S.  24,  resp.  meine  „Tllusfrirte  Flora",  ,4.  Auflage,  Berlin 
1889,    S.  22. 


Organe  der  Zoidiogamen  als  „Frucbtähren",  da  die  Blütben 
dieser  Abtbeilung  einfache,  selten  verzweigte,  wie  z.  B. 
gegabelte  Sprosse  bei  tropischen  Lycopodium  -  Arten 
vorstellen,  also  Achsen,  denen  nur  Blätter,  Sporophylle, 
ansitzen,  bei  den  fossilen  (palaeozoischen)  Calamariaceen 
zuweilen  diese  untermischt  mit  sterilen  Blättern,  die  aber 
mit  sterilen  Blüthenblättern  zu  vergleichen  sind  (nicht  mit 
Laubblättern).  Mit  „Aehren",  also  Hauptachsen,  denen 
seitlich  ungestielte  Blütben  ansitzen*),  haben  somit  die 
.,Fruchtähren"  der  Pteridophyten  bei  dem  total  verschie- 
denen Aufbau  gar  nichts  zu  thun.  —  Diese  Beispiele 
mögen  genügen,  denn  auch  die  anderen  Bezeichnungen 
für  die  Blütben  dcrZoidiogamen,  wie  ,,Sporen-Aehre'"u.s.  w., 
sind  ebenfalls  ohne  weiteres  als  falsch  und  schlecht  ge- 
bildet zu  erkennen. 

So  schön  es  wäre,  wenn  auch  die  Genus-  und  Species- 
Namen  stets  sachgemäss  gebildet  wären,  so  zeigt  doch 
die  Praxis  sehr  bald  die  Unzweckmässigkeit,  in  dieser 
lieziehung  Aenderungen  vorzunehmen.  Die  erfahrensten 
Systematiker  sind  sich  darüber  einig,  dass  hier  nur  eine 
stricte  Befolgung  des  Prioritätsprincipes,  wie  dasselbe 
z.  B.  in  Alph.  de  CandoUe's  „Lois  de  la  nomenclatur 
botanique"  (adoptees  par  le  congres  international  de  bo- 
tanique  tenu  ä  Paris  en  aout  18ti7)  dargelegt  wird.  Man 
niuss  überhaupt  in  der  Wissenschaft  ebensowohl  wie  in 
der  Praxis  Termini  im  engeren  Sinne  und  Namen  unter- 
scheiden, denn  ebenso  wie  es  unzweckmässig  ist,  jemanden, 
der  „Karl"  lieisst,  umzubenennen,  weil  er  ganz  und  gar 
nichts  mit  einem  „Kerl"  in  des  heutigen  Sinnes  Bedeutung 
zu  thun  hat,  so  muss  man  sich  sehr  vorsehen,  wissen- 
schaftliche Namen  zu  ändern.  .Jedenfalls  sollte  man,  um 
heillose  Verwirrungen  zu  vermeiden,  im  allgemeinen  nur 
Congressen  nothwendig  erscheinende  Namensänderungen, 
beziehungsweise  Reformen  der  einmal  gegebenen  und  all- 

*)  1.  c.  Elemente  S.  I^S,  resp.  Flora  S.  24. 


518 


Nalnrwissensclinftliclic  Woclicnscln-iCt. 


Nr.  41 


gemein  zur  Aiiwenduug  gebrachten  Nomenclatur-Gesetze 
überlassen.  Wenn  jeder  Einzelne  diesbczüglicb  nach  seinen 
Special- Ansichten  verfahren  wollte,  würde  die  Nonienclatur 
noch  coniplicirter  und  unentwirrbarer  werden,  als  sie  in 
vielen  Fällen  leider  schon  so  ist.  Eine  Ansnahnie  wird 
man  mit  den  Bezeichnungen  für  die  grösseren  Gruppen 
des  organischen  Reiches  machen  können,  denn  hier  handelt 
es  sich  nm  weniger  zahlreiche Aendeiungen,  und  die  Namen 
dieser  Gruppen  sind  ja  von  vorn  herein  auf  Eigenthiini- 
liehkeiten  gemünzt.  Konniien  wir  zu  der  Einsicht,  dass 
die  Deutungen  und  Ansichten,  welche  diese  ursprüni;lichen 
Namen  veranlasst  haben,  durch  Fortschritte  in  der  Wissen- 
schaft unzeitgemäss  gewor- 


den sind,  so  liegt  es  m 
der  Natur  der  Sache,  die 
falschen  Namen   zu  ändern. 

Bezttglich  der  Termini 
von  Organen  oder  Organ- 
theilen  stehe  ich  nun  aber 
ganz  auf  dem  .Standpunkt, 
dass  eine  Veränderung  der- 
selben unbedingt  zu  ver- 
langen ist,  sobald  sieh  de- 
finitiv in  denselben  falsche 
Ansichten  wiederspiegcln.*) 

Namentlich  für  den 
Lernenden,  für  den  An- 
fänger, ist  eine  sachgemässe 
Terminologie  unschätzbar; 
aber  nicht  minder  für  die 
Wissenschaft.  Es  ist  frei- 
lich iniGrunde  gleichgiltig — 
sage  ich  in  der  schon  citir- 
ten  Schrift**),  —  wie  man 
eine  Sache  nennt,  vorausge- 
setzt, dass  man  sich  ver- 
steht. Wer  wollte  aber  leug- 
nen, dass  eine  gute,  zweck- 
mässige Terminologie  ein 
äusserst  werthvoller  Apparat 
für  die  Forschung  ist?  Ja, 
füge  ich  hinzu,  eine  gute 
Terminologie  hilft  die  AVis- 
senschaft    förderu    wie    ein 


heisstletzteres  anderes  als  seinen  Mitmenschen  Zeit  sparen, — 
niemals  bei  Seile  lassen." 

Ich  habe  mich  denn  auch  in  meinen  genannten  Büchern 
beniiilit,  auf  eine  möglichst  zweckentsprechende  Definition 
der  Termini  zu  achten,  und  in  der  in  Vorbereitung  l)e- 
gritTenen  Neu -Auflage  meiner  Elemente  werde  ich  dcm- 
gemäss  auch  die  durchaus  zeitgemässe  üebertragung  des 
Wortes  „Blüthe"  auf  die  „fructificirenden"  Spross- Enden 
und  Sprosse  der  Pteridophyten  ausführen. 

Schon  A.  Engler,  Director  des  Kgl.  botanischen  Gar- 
tens und  Museums  zu  Berlin,  dem  wir  —  wie  schon  früher 
in  der  „Naturw.  Wochenschr."  Bd.  VTII,    S.  32  ff.   mitge- 

theilt  —  die  Bezeichnungen 
Embryophyta  zoidiogama 
für    die   höheren  Kryptoga- 


Mikrrtsporcn        = 

-  Mikrosnoraiifrie  = 
S]>o]o]jhyn  — 


Pullen 

Pnllon.sack-- 
St:iiil)ljlatt- 


Phaneroga- 
sagt  bezü.i;-- 


■  Makrosporen 
SporanKiiini 


^-  Sporopliyll 


Embrvnsack  ■ 
NueelUiy 


=      Frnehtblalt 


r--- 

...  Mikrospore 

=          Poilenkorn 

m- 

--•  Protlialiitnn 

—        ProtlialUnm 

i 

-.-  Sporniatozoiden 

=  Polleiischlauch 

--    Arcliegonien 

=      Arehe*?OTiien 

"C'^V. 

-■  ProtlKiIliiim 

=         Endosperm 

■^■ 

--  Makrosp(n-e 

=       Einbryn.sack 

Makrosjioranghnn  =  Niu'ellns 

Bei  Selaginella    Tehlenii,  aber   bei  ] 
anderen   Pteridojjhyteu  vorhan- 
den:      Indusium  =   Integument  J 


guter,  den  an  die  Natur  ge- 
stellten Fragen  entsprechen- 
der physikalischer  Apparat. 
Und  ist  der  so  unendlich 
werthvolle  Apparat  der  ma- 
thematischen, so  trefflich 
zweckentsprechenden  Zei- 
chen etwa  etwas  anderes 
als  eine  im  höchsten  Grade 

sachgemässe  terminologische  Zeichensprache?  Ich  wieder- 
hole auch  hier  noch  einmal,  was  ich  schon  in  dieser 
Wochenschrift  VIII,  S.  32,  gesagt  habe:  „Die  Rück- 
sichtnahme auf  eine  schnelle  __und  leichte  Auffassung 
wissenschattlicher  Dinge  sollte  der  Gelehrte,  dem  es 
wahrhaft  darum  zu  thun  ist,  seiner  Wissenschaft  Jünger 
zu  gewinnen  und  leicht  verstanden  zu  werden  —  und  was 


*)  Vergl.  z.B.  „Niiturw  Woclicnsclir."  Bd.  III,  S.  lü.;'.,  wo  ich 
dio  Notliwendigkeit,  die  Termini  „traeheales  Sy-stem"  der  PHaiizrii 
Hiid  „Triiche'iden"  (von  dem  Bau  derjenigen  bei  den  Gymnospermen) 
umzubenennen  klarlege  und  für  die  sachentsprechenden  Termini 
„Hydrom"'  und  „Hydro -Stereide",  wie  schon  in  einer  früheren 
Arbeit  , Zusammensetzung  der  Leitbündel  bei  den  Gefässkryptn- 
gamen"  (Jalirb.  des  Kgl.  botan.  Gartens  und  botan.  Museums  zu 
Berlin,  II,  Berlin  1883,  S.  10  ff.)  nochmals  eine  Lanze  breche. 
**)  Zusammensetzung  der  Leitbündel,  S.  11. 


men  (Bryophyta  incl.  Ptcri 
dophyta)  und  E.  siphono- 
gama  für  die 
men  verdanken 
lieh  der  Anwendung  des 
Wortes  „Blüthe"  in  seinem 
„Syllabus  der  Vorlesungen 
über  spec.  und  med. -pharm. 
Botanik"  (Grosse  Ausgabe, 
Berlin  1892),  S.  54,  bei  der 
Charakterisirung  der  Pteri- 
dophyten: „Die  Sporangien 
tragenden  Blätter  bilden 
bisweilen  eine  gesonderte 
Sprossformation,  die  schon 
als  Blüthe  bezeichnet  wer- 
den kann",  und  er  wieder- 
holt diese  Worte  in  den  „Na- 
türlichen Pflanzenfamilien" 
(Lief.  91/92,  I.  Theil,  3.  Abt., 
Leipzig  1893,  S.  2). 

Franz  Buclienau  deünirt 
in  einer  kürzlich  erschiene- 
nen Arbeit  über  Einheitlich- 
keit der  botanischen  Kuiist- 
ausdrücke  und  Abkürzungen 
(Extra- Beilage  zum  13.  Bd. 
der  Abth.  des  naturw.  Ver- 
eins zu  Bremen,  1893,  S.  7) 
wie  folgt:  „Unter  Blüthe 
versteht  die  Wissenschaft  be- 
kanntlich einen  Spross  oder 
ein  Spross -Ende,  welches 
Geschlechtsblätter  trägt. " 
Sind  etwa  die  Sporophylle 
der  Pteridophyten  etwas  an- 
deres als  Geschlechtsblätter 
im  Sinne  der  Embryophyta 
siphonogama?  Der  einzige  Unterschied  besteht  darin, 
dass  die  Sporen  der  Pteridophyten  sich  vor  der  Be- 
fruchtung aus  dem  Sporangium  lösen,  frei  werden, 
während  die  Spore  (der  Embryosack)  der  Siphonogamen  in 
dem  Sporangium  (dem  Nucelius)  verbleibt,  und  somit  die 
Befruchtung  auf  der  Mutterpflanze  erfolgt. 

Um  diese  Verhältnisse  und  überhaupt  die  Homologieen 
der  Pteridophyten-  und  Siphonogamen  (Phanerogamen-) 
Blüthe  zu  veranschaulichen  und  auf  möglichst  kurzem 
Wege  verständlich  zu  machen,  pflege  ich  in  meiner  Vor- 
lesung über  Pflanzeupalaeontologie  an  der  Kgl.  Berg- 
akademie das  hier  in  der  Figur  wiedergegebene  Schema 
an  die  Tafel  zu  zeichnen,  und  da  ich  mich  überzeugt 
habe,  dass  dasselbe  gute  Dienste  leistet,  werde  ich  das- 
selbe auch  in  der  Neu -Auflage  meiner  Elemente  der 
Botanik  repr(  iduciren. 


Nr.  41 


Naturwissenschaftliche  Woehenschiift. 


all» 


Ich  will  im  Foii;cii(icn  eine  kurze  Davstclluiif;'  der 
jjeschlcchtliclien  Forfpflanzuii.^-.sOrii'ane  der  Fteridophyten 
geben  im  Vergleich  mit  denjenigen  der  Sipiionoganiae;  es 
wird  aus  derselben  für  denjenigen,  der  aus  der  obigen 
Anregung  nicht  genügend  den  Zwang,  den  Begriff  der 
Blütlie  in  der  erwähnten  Weise  zu  erweitern,  enii)funden 
hat,  die  Nothwcndigkeit  —  möeiite  ich  sagen  —  zu  diesem 
Vorgelien  erfielillieb  werden.  Es  handelt  sieli  daltei  freiiieh 
nur  um  eine  Kecapitulatiou  aus  den  Elementen  der  Botanik, 
aber  es  ist  doch  gut,  sich  bei  unserer  Frage  die  in  Rede 
stehenden  Vei'hältnisse  einmal  näher  zu  rücken. 

Die  Ptcridiiphyten  erzeugen  also  bekannliieh  aus  mi 
gesehleehtlieii  entstehenden  Sporen  ein  kleines,  grünes, 
mehrzelliges  Gebilde,  den  Vorkeim,  das  Prothallium,  meist 
in  Form  eines  auf  dem  Erdboden  liegenden  Lä|)pehens, 
auf  welchem  Behältnisse  (Antlieridien)  mit  Si)ermatoz(iTden, 
d.  h.  also  mit  kleinen,  frei  durch  Cilien  bewegliehen  „männ- 
lichen" Zellen  (daher  zoidi(igam  =  thierehig)  entstehen  und 
Behältnisse  (Areiiegonien),  die  grössere,  in  ihnen  verblei- 
bende, unheweglielie  .,weihliehe"  Zellen,  Eizellen,  entiiaiten. 
Das  Prothallium  stellt  die  1.  „proembryonale''  Generation 
dar.  Nach  der  —  wie  immer  bei  frei  beweglichen  Sperma- 
tozoiden  durch  AVasser  vermittelten  —  Befruchtung  geht 
aus  der  Eizelle  des  weiblichen  Orgaues  eine  zweite  (die 
.,end)ryonale")  Generation  hervor,  zunächst  ein  junges 
i'flänzcben,  ein  Embryo,  der  —  da  die  Eizelle  im  Arclic- 
gonium  verbleibt  —  ebenfalls  mit  dem  Prothallium,  welches 
abstirbt,  im  Verbände  verbleibt.  Die  "2.  Generation  zeichnet 
sich  durch  besondere  Grösse  und  Augenfälligkeit  aus  und 
erzeugt  an  ihren  Blättern  in  besonderen  Behältern,  d(;n 
Sporaugicn,  wieder  Sporen. 

Wir  haben  hier  den  Fall  angenonniien,  dass  die  Spo- 
ren unter  einander  gleich  und  gleichwerthig  sind,  dass  es 
sich  mit  anderen  Worten  um  „isospore"  Arten  handelt; 
aber  es  giebt  ja  eine  ganze  Anzahl  Pteridophyten,  bei 
denen  zweierlei  Sporensorten  geljildet  werden,  nändieh 
kleinere  (Mikrosporen  in  Mikrosporangienj  u\id  grfissere 
(Makrosporen  in  Makrosporangien),  die  sich  dadurch  von 
einander  unterscheiden,  dass  die  ersteren  nur  Prothallien 
mit  Antlieridien,  also  mit  Spermatozoiden,  die  letzteren  nur 
Prothallien  nntArchegonien,  also  mit  Eizellen,  erzeugen.  Alan 
nennt  diese  Pteridophyten  ungleichsporige  =  heterospore. 

Die  Blätter  können  \ .  entweder  alle  und  an  allen 
Theilen  gleichmässig  Sporangien  erzeugen,  also  dann 
zwei  llauptfuiictionen  hal)cn,  nämlich  a)  die  Function  der 
Assimilation  und  b)  die  der  Fortpflanzung,  oder  2.  die 
Blattei-  erzeugen  zwar  alle  ebenfalls  Sporangien,  aber  es 
tritt  wie  bei  den  Ophiogiossaeeen,  bei  Osmunda  und 
vielen  anderen  eine  Sonderung  in  einen  assimilirenden 
und  einen  Sporangien  tragenden  Abschnitt  ein;  3.,  also 
wieder  bei  anderen  Arten,  tritt  eine  Arbeitstheilung  in 
solche  Blätter  ein,  die  ausschliesslich  der  Assimilation, 
und  in  solche,  die  vorwiegend  oder  ausschliesslicli  der 
Sporangien-Erzeugung  dienen,  wie  bei  unserem  Blechnum 
Spieant  u.  a.,  bei  welchen  letzteren  dann  die  assimiliren- 
den Flächen  mehr  oder  minder  zurücktreten  oder  fehlen. 
Geht  die  Arbeitstheilung  so  weit,  dass  sich  ein  Spross 
in  einen  assimilirenden  und  einen  spitzensländige  Sporan- 
gien bildenden  Tlieil  unterscheidet,  oder  dass  sieb  assi- 
milirende  und  Sporangien  bildende  ganze  Sprosse  indi- 
vidualisiren,  wie  bei  Equisetuni,  Lyeopodium  u.  s.  w.,  so 
erhält  man  äusserlich  stark  auffalicnde,  besondere  Fort- 
pflanzungssiirosse,  die  den  BlUthen  der  Sijdionogamen  homo- 
log sind  und  daher,  da,  unsere  theoretiseh-morphologiscben 
Termini  die  Homologieen  zum  Ausdruck  bringen  sollen 
und  müssen,  auch  nicbt  anders  denn  als  Blüthen  bezcielmet 
werden  können.  In  wieweit  wir  bis  jetzt  mit  den  Ibnno- 
logieen  der  Siphonogamen-Blüthe  und  derjenigen  der  Pte- 
ridophyten-Blüthen  bekannt  sind,   veranschaulicht  nun  das 


S.  filS  gebotene  Figuren-Schema.  Um  diese  Homologieen 
möglichst  klar  hervortreten  zu  lassen,  habe  ich  in  dieser 
Skizze  eine  hoch  entwickelte  Pteridopliyten-Blüthe  — 
links  in  der  Figur,  wo  die  Verhältnisse  bei  Selaginella 
veranschaulicht  werden  —  mit  einer  Sii)honogamen-Blüthe, 
ans  einer  der  Gruppen,  die  sich  systematisch  an  die  Pte- 
ridophyten zunächst  anschliessen  —  rechts  in  der  Figur, 
wo  die  Verhältnisse  bei  einer  Coniferen-Blüthe  zur  Dar- 
stellung gelangt  sind  —  verglichen. 

Die  Si])honoganien  leiten  sich  ja  von  den  Pterido- 
l)hyten  mit  zweierlei  Sporen,  also  von  den  heterosporen 
Pteridophyten,  wohin  Selaginella  gehört,  ab.  Wie  in  den 
Mikrosporen  der  Heterosporeae  entstehen  in  den  Pollen- 
zellen der  Si])honogamen  und  in  ihren  Makrosporen  resp. 
Embryosäcken  durch  Zellliildung  mehr  oder  minder  deut- 
lich entwickelte  Prothallien  oder  Andeutungen  solcher, 
welche  die  proembryonale  Generation  vorstellen.  Nach 
der  Befruchtung  geht  aus  der  Eizelle  der  Siphonogamen 
die  embryonale  Generation  hervor,  die  als  Embryo  zu- 
nächst in  dem  End)ryosaek,  oder,  wie  wir  hier  auch  jetzt 
sagen  können,  in  der  Makrospore  verbleibt.  Da  auch 
diese  Makrospore  nicht  aus  dem  zugehörigen  Makrospo- 
rangium,  dem  Nucellus,  heraustritt,  so  verbleibt  also  der 
Embryo  durch  Vermittclung  der  wenigzelligen  proembryo- 
nalen Generation  noch  eine  Weile  in  Zusammenhang  mit 
der  vorausgehenden  embryonalen  Generation.  Der  P^m- 
bryo  mitsammt  dem  Sporangium  gliedert  sich  dann  als 
„Samen"  ab  und  entwickelt,  unter  günstige  Bedingungen 
gebracht,  den  Endjryo  zu  einer  vollentwickelten,  neuen 
embryonalen  Generation.  —  Nebenbei  bemerkt  macht  auch 
diese  Darstellung  einleuchtend  klar,  wie  äusserst  verkehrt 
es  ist,  von  den  Sjjoren  der  Pteridophyten  als  ..Samen"  zu 
sprechen. 

An  der  Hand  unseres  Figuren-Schemas  wollen  wir 
uns  nun  die  Homologieen  der  einzelnen  Theile  noch  ein- 
mal vergegenwärtigen,  auch  derjenigen  Theile,  die  im 
Vorausgehenden  noch  keine  Erwähnung  gefunden  haben. 
Links  findet  sich  also  das  Schema  einer  Selagincllaceen- 
Blüthe,  rechts  sehematische  .Vnsiehten  einer  männlichen 
(oben)  und  einer  weiblichen  (in  der  Mitte)  Conil'eren- 
Blüthe.     Es  sind  nun  honndog  hei  den 

1'  t  !•  1-  i  d  o  p  li y  t  f  n  :  G  \-  in  ii  o  ^  p  o  r  m  e ii : 

die  Mikrospore  dem  Pollcnkorn, 

das  Mikrosporangium  ,,  Pollensack, 

.,     männl.  Sporophyll        „  Staubblatt, 

die  Makros])ore  .,  Embryosack, 

das  Makrosporaugium  „  Nucellus, 

.,     Indusiuni  ,,  Integument, 

„     weibl.  Sporophyll         .,  Fruchtblatt, 

„     männl.  Prothallium  „  Prothallium  im  Pollenkorn, 

die  Spermatozoiden  „  Pollenschlauch, 

das  weibl.  Prothallium  .,  Endosperm, 

die  Archegonicn  den  Archegonien  im  Endosperm. 

Ein  „Eichen",  eine  „Samenknospe"  ist  mithin  ein 
Sorus  mit  nur  einem  einzigen  und  zwar  einsporigen  Spo- 
rangium :  ein  monangis(dier  Sorus.  Monangische  Sori 
kommen  übrigens  auch  bei  den  Pteridophyten  vor. 

Die  Betrachtung  der  Homologieen  der  gcsclileeditliehen 
Fortpfianzungsorgane  zwischen  Siphonogamen  und  Pteri- 
dophyten legt  die  Frage  nahe  nach  dem  Zusammenhang 
der  Pteridophyten  nacli  unten:  dies  veranlasst  mich  hier 
ein  Referat  über  einen  von  dem  Ordinarius  für  Botanik  an 
der  Münchener  Universität  Prof.  K.  Goebel  in  der  von 
diesem  redigirten  Zeitsidirilt  ..FIm'a"  (1892.  Ergänzungs- 
band S.  92)  verört'endicliten  .Aufsatz,  der  sich  „.Vrcliego- 
niatenstudien"  betitelt,  anzuschliessen.  Goebel  beschäf- 
tigt sicii  in  dem  I.  .Abscdmitt  dieses  Aufsatzes  mit  der 
einfachsten  Form  der  Moose,  welche  —  wie  er  mit  Recht 


520 


Naturwissenschaftliche  Wocheuschrift. 


Nr.  47 


mit  dem  Prothallium, 


meint  —  den  Auschluss  der  Pteridnphytcn  an  die  Bryo- 
phyten,  also  die  Honiologieen  dieser  beiden  die  Embryo- 
phyta  zoidiogama  bildenden  Abtheilungen,  deshalb  in  ein 
klares  Lieht  zu  setzen  geeignet  erscheinen,  weil  die 
Moose  und  Pteridopiiyten  einen  gemeinsamen  phyloge- 
netischen Ursprung  haben  müssen,  die  Moose  aber  nach 
oben  nicht  weiter  führen,  sodass  vielmehr  die  höchsten 
Moose  von  den  niedersten  Pteridophyten  beträchtlich  ab- 
weichen. 

Es   findet    bei    den    heutigen  Botanikern    keine    An- 
fechtung homolog  zu  setzen: 

bei  den  Moosen:  bei  den  Pteridopiiyten: 

1.    die  Antheridien  u.  Arche- 
gonien    erzeugende    Ge- 
neration   (=  Protonema  ( 
und  beblätterte  Sprosse)  J 

•2.  die  Sporen  erzeugende  \  .,  ,  .  o*  i  i  di- j. 
C4enerition,  das  Sporo-  ""  '^''  >"  Stengel  und  Blat- 
gonium.  die  meist  ge-  (  ^^'  gegljederten  Sporen 
stielte  Spornbüchse,  J       erzeugenden     Generation. 

1.  ist  die  proembryonale,    2.  die    embryonale  Generation. 

Vergleichen  wir  die  höchstentwickelten  Bryophyten 
allein,  so  ist  es  nicht  möglich,  eine  dirccte  Entwickelung 
der  Pteridophyten  aus  denselben  abzuleiten,  schon  bei 
äusserer  Betrachtung  fallen  gewaltige  Unterschiede  auf 
Die  geschlechtliche  Generation  der  höchsten  Moose  zeigt 
wohleutwickelte  beblätterte  Stämmchen,  die  entsprechende 
Generation  der  Pteridophyten  nur  thalloide,  kleine,  ver- 
gängliche Bildungen.  Die  II.  Generation  der  höchsten 
Moose  ist  eine  meist  gestielte  Sporenkapsel  und  weiter 
nichts,  da  jede  Beblätterung  fehlt,  die  entsprechende  Gene- 
ration der  Pteridophyten  zeichnet  sich  aber  gerade  durch 
Stamm-  und  Blattentwickelung  aus.  Man  muss  sich,  um 
die  Pteridophyten  von  den  Moosen  ableiten  zu  können, 
also  den  gemeinsamen  Vorfahren  beider  Gruppen  zu 
nähern  suchen,  und  das  hat  eben  Goebel  durch  Unter- 
suchung der  einfachsten  Form  der  Moose  zu  thun  versucht. 
Schon  früher  hatte  er  sich  dahin  ausgesprochen,  dass  die 
gemeinsamen  Vorfahren  der  Moose  und  Farn  algenähn- 
liche Tiiallophyten  sein  müssten,  aus  verzweigten  Zellfäden 
bestehend,  denen  die  Geschlechtsorgane  ansassen.  Eine 
l>lattentwickelung  trat  zum  Schutz  der  (icschlechtsorgane 
auf,  worauf  ihn  die  Hüllen  gewisser  Lebermoose  hin- 
wiesen. 

Goebel  hat  nun  auch  eine,  freilich  längst  bekannte 
Laubmoosgattung  näher  untersucht,  nämlich  Buxbaumia, 
welche  Eigenthümlichkeiten  zeigt,  die  durchaus  seine  An- 
schauungen unterstützen. 


Die  L  (männliche)  Generation  von  Buxliaumia  ist  so 
klein,  dass  sie  mit  blossem  Auge  nicht  wahrnehmbar  ist. 
Aus  der  Spore  erwächst  ein  Protonema,  also  ein  faden- 
algenähnliciies  Gebilde  wie  überiiaupt  bei  den  Moosen, 
und  diesen  sitzen  sehr  kurze  Zweige  an.  Diese  Zweige 
bestehen  nur  aus  einem  chlorophylllosen,  bräunlichen, 
l)lättchenförmigen  (icbilde,  das  nur  eiu  einziges  Antiie- 
ridium  undiüllt;  ein  Stännnchen  fehlt.  Das  aus  der  Spore 
entstehende  Gebilde  mitsammt  Antheridium  erinnert  also 
sehr  an  den  Bau  der  Fadenalgen,  bei  denen  freilich  nur 
die  Oogonien  Umhüllungen  besitzen. 

Die  weiblichen  Pflanzen  von  Buxbaumia  zeigen  com- 
plicirteren  Bau,  wohl  veranlasst  durch  die  Xothwendig- 
keit,  den  Embryo  zu  ernähren.  Sie  besitzen  minimal 
kleine  Stännnchen  mit  je  einem  Archegonium,  das  von 
mehreren  chlorophylllosen  Blättern  undiüllt  wird.  Schon 
die  Chlorophylllosigkeit  der  Blätter  deutet  darauf  hin, 
dass    es    sich    in    ihnen    nicht    um    Assimilations  Organe 


handelt,  während  das  Protomena  grün  ist. 


Goebel  glaulit  nicht,  dass  Buxbaumia  etwa  von  höheren 
Moosen  abstammend  als  ein  phylogenetisch  nachträglich 
reducirter  Tj'pus  anzusehen  sei,  sondern  er  meint,  dass  es 
sich  hier  um  eine  auf  niedrigerer  Stufe  stehen  gebliebene 
Gattung  handele 

Wie  man  sieht,  ist  bei  den  Moosen  noch  keine  Spur 
einer  Andeutung  von  BlUthen  in  dem  definirten  Sinne  vor- 
handen. Die  2.  Moosgeneration,  die  embryonale  Gene- 
ration, besteht  ja  nur  aus  einer  Sporenkapsel;  erst  durch 
weitgehende,  allmähliche  Differenzirung,  Gliederung, 
kommen  wir  zunächst  durch  eine  Sonderung  der  embryo- 
nalen Generation  in  Stamm  und  Blätter,  dann  durch 
weitere,  endlich  sich  auf  die  einzelnen  Sprosstheile  und 
Sprosse  ausdehnende  Arbeitstheilung  zu  Organen,  die  wir 
als  Blüthen  bezeichnen. 

Sehr  interessant  ist  zur  Beleuchtung  der  Honiologieen 
die  Thatsache,  dass  auch  bei  derjenigen  Farn-Familie, 
die  sich  in  mancher  Hinsicht  von  dem  Urtypus  der  Farn  am 
wenigsten  entfernt  zu  haben  scheint,  Prothallien  vorkommen, 
die  durch  ihre  fadenförmige  Gestaltung  an  die  Protoneiuen 
der  Moose  erinnern.  Hierüber  macht  Goebel  in  dem 
II.  Abschnitt  der  genannten  Arbeit:  „Weitere  Unter- 
suchungen über  die  Geschlechtsorgane  der  Hyraenophylla- 
ceen"  Jlitthcilung.  Die  Archegonien  der  Hymenophylla- 
cee  Trichomanes  rigidium  u.  a.  sitzen  auf  Trägern,  die 
sich  von  denjenigen  von  Buxbaumia  im  Wesentlichen  nur 
dadurch  unterscheiden,  dass  die  Archegonien  nicht  um- 
hüllt sind.  Hiermit  ist  der  Anschluss  an  die  Moose  nach 
Möglichkeit  erreicht:  aus  umhüllten  Archegonienträgern 
entwickelt  sich  eben  bei  den  hTiheren  Moosen  das  Stämni- 
chen  der  I.  Generation. 


65.  Versammlung  der  Gesellschaft  deutscher  Naturforscher  und  Aerzte  in  Nürnberg 


vom   11.  bis  15.  Septeri 


1893. 


HI. 

Wilhelm  His:  Ueber  den  Aufbau  unseres 
Nervensystems.*)  Seitdem  wir  wissen,  dass  bei  Wirbel- 
losen und  bei  Wirbelthiercn  die  Nervenfasern  aus  Nerven- 
zellen hervorgehen,  ist  mit  zunehmender  Bestimmtheit  die 
Vorstellung  ausgebildet  worden,  dass  innerhalb  der  Central- 


*)  Der  Veröflentlichung  in  der  Berliner  klin.  '\^'ocllenschr. 
sind  schematische  Abbildunfji'n  beigegeben;  wir  lialien  auf  die  Re- 
productiou  derselben  aus  Platzrüeksichten  verzichtet,  weil  der 
Leser  bei  der  klaren  Dai'Stelliing  des  Herrn  Verfassers  leicht  in 
der  Lage  ist,  sich  die  Schemata  selber  zu  skizziren.  Freilich 
fördern  aber  auch  solche  Selbstskizzen  das  Verständniss  ganz 
wesentlich.  Red. 


Organe  die  Nervenzellen  die  maassgebende  Rolle  spielen,  und 
dass  besonders  sie  die  Uebergangsstationen  der  Erregung 
sind.  Die  ersten  Schemata,  welche  mau  sich  entwarf,  waren 
sehr  einfacher  Natur.  Man  dachte  sich  die  Centrah irgane 
als  ein  System  von  netzförmig  unter  sich  verbundenen 
Zellen,  in  welches  von  der  Rückseite  her  die  sensiblen 
i  Fasern  einmünden,  und  von  dem  nach  der  Bauchseite  hin 
die  motorischen  Fasern  ausgehen.  Einfache  Verltindungs- 
fasern  zwischen  vurderen  und  hiutereii^larkzelleii  sollten  die 
Reflexe  vermitteln,  andere  vom  Gehirn  herabkoinmende  oder 
zu  ihm  heraufsteigende  Fasern  sollten  die  Willensimpulsc 
übertragen  und  der  bewussten  Empfindung  dienen,  wieder 
andere  sollten  die  Coordiiiation  von  Bewegungen  ermöglichen. 


Nr.  47. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


■)21 


Die  dirccten  Zellenverbincliingen  haben  vor  der  fort- 
schreitenden lleobachtung  nicht  Stich  gehalten.  Die  meisten 
Ausläufer  der  centralen  Nervenzellen  lösen  sieh  in  ein  Astvverk 
feiner  Fäden  ;uif,  von  denen  soviel  sieher  ist,  dass  sie  nicht 
in  andere  Zellen  einmünden.  Nun  hat  Deiters  I8ü5  die 
folgenreiche  Entdeckung  gemacht,  dass  eine  jede  centrale 
Zelle  neben  ihren  baumförmig  verzweigten  Ausläufern 
einen  einfachen,  wie  er  damals  annahm,  unverzweigten 
Fortsatz  abgiebt,  den  sogen.  Axencylinder-  oder  Nerven- 
fortsat'z,  weicher  in  eine  Nervenfaser  übergeht.  So  ent- 
stehen, wie  wir  jetzt  wissen,  die  sännntlichen  Bewegungs- 
fasern als  Fortsätze  von  Nervenzellen,  welche  in  der  vor- 
deren Hälfte  des  Markes  gelegen  sind.  Eine  ähnliche 
Entstehung  von  Empfindungsfasern  aus  Zellen  der  hinteren 
Markhälfte  wurde  zwar  seit  Deiters  oftmals  \ernmthet, 
aber  sie  Hess  sich  niemals  thatsächlich  nachweisen.  Da- 
für führten  die  Forschungen  von  Gerlach  1870  zu  der  Ent- 
deckung von  einer  Theilung  und  feinen  Verzweigung  der 
ins  Mark  eintretenden  Emptindungsfasern.  G.  vernmthete, 
dass  die  Endzweige  der  Empfindungsfasern  ein  feines  Netz- 
werk bilden,  in  welches  von  der  vorderen  Seite  her,  die 
verzweigten  Ausläufer  der  motorischen  Ncrvcnzelleu  ein- 
münden. Dies  G.'sche  Nervennetz  erschien  nun  als  das 
gesuchte  Zwischenglied  zwischen  Bahnen  verschiedener 
Herkunft,  und  es  erfreute  sich  bis  vor  Kurzem  einer  all- 
gemeinen Zustimmung.  P''fir  die  theoretischen  Betrach- 
tungen bot  es  den  Vortheil,  dass  es  den  vielseitigen  Ueber- 
leitungen  von  Erregungen  Raum  liess,  olnie  dass  man 
nöthig  hatte,  die  liebgewonnene  Voraussetzung  einer  un- 
unterbrochenen intratibrillären  Leitung  zu  verlassen. 

Ernstliche  Bedenken  gegen  centrale  Nervennetze  sind 
erst  1886  erhoben  worden.  Entwickelungsgeschichtlich 
Hess  sich  nachweisen,  dass  die  Nervenfasern  allmählich 
aus  Zellen  herauswachsen.  Jede  Faser  musste  somit 
während  längerer  Perioden  ihrer  Entwickelung  frei  aus- 
laufen, und  es  lag  kein  Grund  vor,  eine  spätere  Aende- 
rnng  dieses  Verhältnisses  anzunehmen.  Dazu  kam,  dass 
wir  schon  damals  eine  Reihe  von  freien  Nervenendigungen 
an  der  reripherie  kannten:  die  Muskelnerven,  die  Nerven 
der  Hornhaut,  diejenigen  der  Epidermis,  die  der  Pacini- 
sclien  und  der  Krause'sehen  Körper  laufen  nach- 
weislich entweder  in  feine  Endbäumchen,  oder  in  dickere 
Stümpfe  aus.  l'rincipicUe  Unterschiede  in  der  periphe- 
rischen und  centralen  Endigungsweise  von  Nervenfasern 
anzunehmen,   erschien  aber  ungerechtfertigt. 

Nur  wenige  Jahre  sind  seit  diesen  ersten  Angriffen 
auf  die  centralen  Nervennetze  vergangen.  Diese  Spanne 
Zeit  hat  uns  aber  eine  ungeahnte  Fülle  neuer  Beobach- 
tungen und  dannt  an  vielen  Stellen  klare  Anschauungen 
an  die  Stelle  blosser  Vermuthungen  gebracht.  Wir  ver- 
danken die  erreichten  Fortschritte  einerseits  der  f]inführung 
neuer  histologischer  Untersuchungsweisen,  anderenthcils 
dem  Eingreifen    entwickelungsgeschichtlicher    Forschung. 

Schon  seit  einer  Reihe  von  Jahren  hatte  Golgi  in 
Pavia  durch  Behandeln  von  Gehirnsubstanz  mit  chrom- 
sauren Salzen  und  mit  Silbersalpeter  Präparate  bekonnnen, 
an  welchem  die  Nervenzellen  und  ihre  Ausläufer  als 
dunkle  Figuren  in  grösster  Schärfe  hervortraten.  Er 
machte  zunächst  die  wichtige  Entdeckung,  dass  die  für 
nnverzweigt  gehaltenen  Nervenfortsätze  centraler  Zellen 
feine  Nebenzweige  abgeben  können,  und  dass  es  überdies 
im  Gehirn  und  Rückenmark  zahlreiche  Zellen  giebt,  deren 
Nervenfortsätze  sich  schon  nach  kurzem  Verlauf  in  letzte 
Endzweige  auflösen.  Die  centralen  Nervenzellen  zerfallen 
somit  in  solche  mit  langem  und  solche  mit  kurzem  Nerven- 
fortsatz. Erstere  hielt  G.  für  motorisch,  letztere  für  sen- 
sibel. Die  baumförmig  verzweigten,  sog.  Protoijlasnuifort- 
sätze  der  Nervenzellen  erklärte  G.  für  blosse  Ei-nährnngs- 
organe  der  Zellen   und  stellte  ihre  nervöse  Bedeutung  in 


Abrede.  Damit  fiel  auch  ihre  Theilnahme  am  Gerlach- 
schen  Nervennetz  dahin,  statt  dessen  sind  aber  Golgi  und 
seine  Schüler  für  ein  Nervennetz  eingetreten,  welches  aus 
den  feinen  Nebenzweigen  langer  Nervenfortsätze  und  aus 
den  Endzweigen  der  angehlieli  sensiblen  Zellen  hervor- 
gehen soll. 

Ramon  y  Cajal  in  Barcelona  hat  sich  der  (iolgi'schen 
Methode  bemächtigt,  dieselbe  voi'zugsweise  auf  Embryonen 
und  junge  Thiere  angewandt  und  damit  Ergebnisse  er- 
reicht, die  manche  der  obwaltenden  Fragen  fast  mit  einem 
Schlag  theils  gelöst,  theils  in  neues  Licht  gerückt  haben. 

Dank  der  (".'sehen  und  neuerer  Arbeiten  können  wir 
jetzt  unsere  Kenntnisse  vom  Verhalten  der  Nervenzellen 
und  Nervenfasern  in  Centrnni  und  Peripherie  in  wenigen 
Hauptsätzen  zusanunenfassen. 

Jede  dem  Centralorgan  entstammende  Nervenfaser 
entspringt  als  Axcnfortsatz  aus  einer  Nervenzelle.  Ihr 
der  Zelle  abgewendetes  Ende  läuft  frei  und  in  der  Regel 
mit  einem  Büschel  \o\\  \erzweigten  Endfäden  aus.  Die 
meisten  Nervenzellen  geben  ausser  dem  Nervenfortsatz 
noch  eine  Anzahl  von  baund'örmig  verzweigten  Ausläufern, 
die  sog.  Protoplasmafortsätze  oder  Dendriten  ab,  die  auch 
ihrerseits  frei  endigen. 

Die  Emptindungsfasern  \vurzeln  nicht  in  Zellen  des 
Gehirns  oder  Rückenmarks;  sie  hängen  nut  Zellen  der 
sog.  Spinalganglinicn  zusammen,  denen  sie  seitenständig 
angefügt  sind.  Der  centrale  Al)schnitt  der  Emptindungs- 
fasern theilt  sich  nach  seinem  Eintritte  ins  .Mark  zuerst 
in  zwei,  dann  in  mehrere  Fasern,  welche,  soweit  wir 
ihnen  folgen  können,  alle  frei  auslaufen,  und  ebenso  en- 
digt der  periiiherische  Theil  der  Emptindungsfasern  in 
freien  Endbäumchen  oder  in  Stümpfen.  Demnach  setzt 
sich  das  Nervensystem  aus  zahllosen  von  einander  ge- 
trennten, in  Fasern  auslaui'cnden  Zellenbezirken  zusammen, 
den  sog.  Nerveneinheiten  oder  Neuronen.  In  der  grauen 
Substanz  von  Gehirn  und  Rückenmark  bilden  die  End- 
verzweigungen dieser  Einheiten  einen  dichten  Filz,  aber 
kein  Netzwerk.  Der  ununterbrochene  Zusammenhang  der 
sämmtlichen  Nervenelcmente  innerhalb  der  grauen  Sub- 
stanz, den  man  noch  bis  vor  Kurzem  angenommen  hatte, 
besteht  in  Wirklichkeit  nicht. 

Ein  jeder  im  Centralnervcnsystem  ablaufender  phy- 
siologische Vorgang  nimmt  mindestens  zwei,  in  der  Regel 
aber  noch  mehr  Systeme  von  Nerveneinheiten  in  Anspruch. 

Zur  Erklärung  einige  Beispiele: 

Die  von  einer  bestimmten  Hiiutstclle  kommende  ]uii|irini-hings- 
faser  tritt  an  der  spinalen  Ganglienzelle  vorbei  ins  Rückenmark; 
hier  theilt  sie  sich  in  einen  anf-  und  einen  absteigenden  Ast. 
Jeder  von  ihnen  giebt  in  gewissen  Abstanden  feine  Seitenzweige 
ab,  die  sog.  Collateralon,  welche  in  die  graue  Substanz  eintreten, 
während  die  beiden  Hau])täste  innerhalb  der  hinteren  Längs- 
stränge des  Markes  ihren  Weg  nehmen.  Der  absteigende  Ast  er- 
schöpft sich  in  der  Regel  bald  durch  die  Abgabe  von  Collateralen. 
Der  obere  schlägt  die  Riclitung  nach  dem  Gehirn  ein.  Ein  Theil 
der  aufsteigenden  Fasern  erreicht  auch  unzweifelhaft  das  ver- 
längerte Mark,  wahrscheinlich  gehen  alle  Kuipfindungsfasern  so- 
weit hinauf,  indessen  ist  es  kaum  möglich,  dies  auf  directem  \Yegc 
nachzuweisen. 

Die  in  die  graue  Suliatanz  eintretenden  Collateralen  treten 
nach  vorn,  ein  grosser  Theil  derselben  erreicht  das  Gebiet  der 
motorischen  Zellen  und  umgreift  diese  mit  seinen  Endbäumchen. 
Die  zu  den  motorischen  Zellen  führenden  Collateralen  sind  die 
sensible  Strecke  von  Rctiexbahuen.  Von  den  durch  sie  umfassten 
Zellen  führen  die  Bewegungsnerven  zu  den  gegebenen  Muskeln. 
Da  sich  nun  die  Collateralen  einer  jeden  Emptindungsfaser  durch 
verschiedene  Stockwerke  <les  Markes  hindurch  erstrecken,  so  ver- 
mag dieselbe  Emptindungsfaser  ein  ausgedehntes  Gebiet  von 
Muskeln  direct  zu  beeiuHussen.  Dabei  ist  vorauszusetzen,  dass 
mit  der  Länge  der  Bahnen  die  Leitungswiderstände  wachsen. 
Von  der  Stärke  der  Erregung  wird  es  unter  sonst  gleichen  Xeben- 
bedingungen  abliängen,  ob  sich  ein  Kelh'X  auf  die  motorischen 
Centren  der  l^inirittsebene  beschränkt,  oder  ob  er  weitere  Bezirke 
in  Mitleidenschaft  zieht. 

Die  motorischen    Centren    des  Rückenmarkes  sind   nun   aber 


522 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  47 


nicht  nur  rcflectorisch  erregbar,  sie  unterstehen  aiu-h  der  directen 
Herrschaft  des  Willens.  Die  Willensbahnen  kennen  wir  schon  seit 
längerer  Zeit.  Als  sog.  I'yramidenstriinge  verlaufen  sie  von  den 
mittleren  Windungen  des  Grosshirns  aus,  ununterbrochen  durch 
die  tiefer  gelegenen  Hirntheile  herab,  und  sie  treten  mit  allen 
Stockwerken  des  Rückenmarkes  in  Verbindung.  Sie  entsenden 
ihre  Zweige  in  dessen  graue  Massen  liinein,  wo  dieselben  frei 
endigen. 

Der  Ursprung  der  Pyramidenfasern  liegt  in  den  grossen 
Pyraniidenzellen  der  Gehirnrinde,  deren  jede  ausser  ihrem  Nerven- 
fortsatz noch  ein  weit  ausgebreitetes  System  von  baumförmig  ver- 
zweigten Nebenfortsätzen  abgiebt. 

Sehen  wir  ab  von  den  vom  Gehirn  kommenden  Willensliahnen 
und  von  den  zu  ihm  hin  führenden  Emjjfindungsfnsern,  so  besteht 
der  beim  sensibeln  Reflex  in  Wirksamkeit  tretende  Apparat  aus 
einem  zweigliedrigen  Bogen.  Eine  sensible  und  eine  motorische 
Nerveneinheit  bilden  die  beiden  Sclienkel  des  Bogens,  wobei  wir 
allerdings  nicht  übersehen  dürfen,  dass  eine  jede  der  beiden  Ein- 
heiten ausser  den  in  die  Hauptleitnng  eingeschalteten  Bahn- 
strecken auch  Nebenbahnen  umfasst,  über  deren  Beziehungen  zum 
Hauptprocess  wir  kein  genügendes  Urtheil  haben 

Sehr  übersichtlieh  stellt  eine  der  Tafeln  von  Retzius  in  einem 
und  demselben  Querschnitt  die  Elemente  des  Retlexbogens  vom 
Regenwurm  dar:  die  in  der  Haut  entspringenden  sensiblen  Fasern, 
ihren  Eintritt  ins  Centralorgan  und  die  grossen  motorischen  Zellen 
des  letzteren  mit  ihren  zu  den  Muskeln  hintretenden  Stammfasern. 
Auch  hier  sind  indessen  Nebenausläufer  der  Stammfaseru  vor- 
handen, deren  Bedeutung  wir  nicht  direct  zu  entziti'ern  vermögen. 

Bei  den  sog.  höheren  Sinnesorganen  compliciren  sich  im  All- 
gemeinen die  Verhältnisse  dudurch,  dass  der  Zuleitungsapparat 
zwei-  oder  mehrgliedrig  wird.  Riechorgan,  Gehörorgan  und  Auge 
bilden  in  der  Hinsiclit   eine  fortlaufende  Stufenleiter. 

Beim  Riechorgan  gehen  die  Nervenfasern  von  Zellen  aus, 
welche  die  Schleimhaut  unmittelbar  bekleiden.  Diese  Fasern  er- 
reichen zunächst  den  Riechlappen  des  Gehirns  und  eine  jede  der- 
selben löst  sich  in  ein  Endbäumehen  auf,  welches  an  einem 
kugeligen  Körper,  dem  sog.  Glomerulus,  sich  ausbreitet.  Grosse, 
dem  Riechlappen  angehörige  Zellen  entsenden  nach  dem  Glome- 
rulus Dendritenfasern,  welche  sich  auch  ihrerseits  an  diesem  zer- 
theilen  und  deren  Endzweige  sich  mit  denen  der  Riechfasern  ver- 
schränken. Die  Nervenfortsätze  dieser  Zellen  treten  zu  weiter 
abliegenden  Theileu  des  Gehirns  und  erreichen  hier  fernere 
Zellonstationen.  Neben  den  in  die  Hauptleitnng  eingeschalteten 
Nerveneinheiten  entliält  der  Riechlappen  theils  kleinere,  tbeils 
etwas  grössere,  radiär  gestellte  Zellen  (Körner-  und  Sternzellen), 
deren  Fortsätze  sich  innerhalb  der  Dicke  des  Riechlappens  ver- 
theilen.  — 

Im  Gehörorgan  ist  die  erste  Reizaufnahme  besondern  Sinnes- 
zellen übertragen,  die  mit  Haaren  oder  Borsten  besetzt  und  in 
ein  epitheliales  Stützgerüst  eingelassen  sind.  In  den  Gebilden 
des  Vorhofes  ist  dies  Gerüst  einfacher  gebaut,  etwas  complicirter 
in  der  Schnecke,  wo  es  den  Namen  des  Corti'schen  Organes  trägt. 
Die  Fasern  des  Hörnerven  kommen  aus  bipolaren  Zellen  des  Vor- 
hofs- und  des  Schncckenganglions.  Ihre  peripherischen  Enden 
laufen,  wie  wir  jetzt  durch  Retzius  wissen,  in  der  Umgebung  der 
Sinneszellen  mit  feinen  Endzweigen  aus.  Die  centralen  Fasern 
dagegen  dringen  in  bestimmte  Bezirke  des  verlängerten  Markes, 
um  sich  da  zwischen  den  in  ihnen  vorhandenen  Zellen  zu  zer- 
theilen.  Von  den  letzteren  entstehen  neue  Fasern  welche  zu 
höher  gelegenen  Hirntheilen,  zunächst  zu  den  untr-roi  Vierhügehi 
hin  zu  verfolgen  sind.  Somit  umfasst  die  aeustische  Leitung  vom 
Endorgan  bis  zu  den  Vierhügeln  mindestens  drei  Glieder:  die 
Sinneszidle,  eine  durch  die  Ganglien  führende  Bahn  erster,  und 
eine  vom  verlängerten  Mark  ausgehende  zweiter  Ordnung.  Im 
Verlauf  di'r  h^tzteren  befinden  sich  zahlreiche  Abzweigungen  und 
Nebenleifungen. 

Noch  verwickelter  ist  der  nervöse  Leitnngsapparat  des  Seh- 
organes  angeordnet.  Ein  erstes  System  von  Uebertragungsvor- 
richtungen  ündet  sich  in  der  Netzhaut  des  Auges,  ein  zweites  in 
der  Rinde  des  Mittelhirns.  Die  lichterregbaren  Thcile  der  Netz- 
haut sind  die  Stäbchen  und  Zapfen.  Beiderlei  Bildungen  hängen 
durch  Vermittelung  von  Zellenleiberu  mit  besonderen  Fasern  zu- 
sammen. Die  Stäbchenfasern  sind  fein  und  endigi'n  in  einfachen 
Knöpfchen,  die  Zapfenfasern  dagegen  erscheinen  breit  und  sie 
laufen  in  ein  conisches  Endstück  mit  feinen  Wurzelfäden  aus. 
Diese  Theile  nehmen  die  aussei sten  Schichten  der  Netzhaut  ein. 
Ihnen  kommen  von  innen  her  andere  Tbeile  entgegen  :  die  mitt- 
lere Netzhautlage  (die  sog.  iiuiere  Körnerschicht)  enthält  nämlicli 
zahlreiche  bipolare  Zellen,  die  mit  ihren  Fortsätzen  die  Leitung 
von  den  äusseren  nach  den  iiuieren  Schichten  übernehmen.  Die 
äusseren  Fasern  der  bipolaren  Zellen  gehen  in  verzweigte  Büschel 
auseinander,  von  welchen  die  einen  je  einem  Zapfenfaserende  zu- 
gekehrt sind,  während  die  anderen  eine  Anzahl  von  Stäbchen- 
faserenden umgreifen.  Die  inneren  Enden  der  bipolaren  Zellen 
sind  minder  reich  verzweigt  und  sie  endigen  in  der  sog.  Ganglien- 
zellenschicht.    In   diesem  Äbschintt    der  Netzhaut   liegen  nämlicli 


grössere  und  kleinere  Zellen  in  flacher  Lage  ausgebreitet,  von 
denen  ji'de  einen  Nervenfortsatz  an  den  Sehnerven  abgiebt.  Von 
ihrer  äu.sseren  Oberfläche  gehen  dicke  Ausläufer  ab,  welche  in  ein 
dichtes  Buschwerk  sicli  verzweigen.  Ihre  Büsche  liegen  ver- 
schränkt mit  den  Endverzwi'ignngi'U  der  bipolaren  Zellen.  So 
haben  wir  also  von  der  Aussenfläcbe  der  Netzhaut  bis  zum  Seh- 
nerven drei  von  einander  getrennte  Glieder  des  Leitungsapparates: 
1.  die  Stäbeben  und  Zapfen  nebst  ihren  Zellen  und  Fasern,  2.  die 
bipolaren  Zellen,  3.  die  eigentlichen  Ganglienzellen.  Damit  ist 
aber  der  Aufbau  des  Apparates  nicht  erschöpft.  Noch  finden  sich 
in  der  mittleren  Netzhautlage  zwei  Gruppen  von  Nervenzollen, 
von  denen  die  einen  ihre  protoplasmatischen  Verzweigungen  nach 
auswärts  senden,  die  anderen  nach  einwärts.  Die  ersteren  kann 
man  als  horizontale  Zellen  bezeichnen;  sie  umfassen  mit  ihren  End- 
büschen grössere  Gruppen  von  Stäbchen-  und  Zapfenfasern;  sie 
geben  auch  feine  horizontal  verlaufende  Nervenfortsätze  ab,  deren 
Ende  unterhalb  der  Stäbchenfaserenden  auslaufen.  Dic^  zweite 
Zellenform  (nnzweckmässigerweise  Spongioblasten  genannt)  wur- 
zelt mit  ihrem  protoplasmatischen  Astwerk  zwischen  der  Sidiicht, 
welche  auch  die  Enden    der  Nervenzellmi  enthält. 

Als  besonders  beachtenswerthe  Elemente  enthält  endlich  die 
Netzhaut  Fasern,  welche,  vom  Sehnerven  herkommend,  in  die 
mittlere  Schicht  eindringen  und  hier  mit  freien  Verzweigungen 
endigen. 

Die  mit  dem  Sehnerven  das  Auge  verlassenden  Fasern  treten 
in  die  Aussenscineht  der  Vierhügelrinde  ein.  Hier  laufen  sie  in 
reiche  Endqnasten  aus.  Eine  mittlere  Schicht  der  Rinde  enthält 
zahlreiche  grössere  Zellen,  deren  Dendritenfasern  in  die  Ausseu- 
schicbt  vordringen  und  hier  zwischen  den  Quasten  der  Sehneryen- 
fasern  endigen."  Jede  dieser  Zellen  entsendet  nach  einwärts  einen 
Nervenfortsatz,  welcher  in  die  tiefer  liegende  Markschicht  eindringt 
und  von  da   in  entlegenere   Hirntheile    gelangt. 

Zwischen  diesen  Zellen  liegen  in  geringerer  Zahl  solche,  deren 
Nervenfortsätze  statt  nach  einwärts,  nach  aussen  gehen,  um  in  die 
Sehnervenschicht  zu  gelangen.  Diese  Zellensehen  wir  als  Ursprungs- 
stätten jener  Fasern  an,  welche  in  den  mittleren  Netzhantschiehton 
frei  endigen.  Der  Sehnerv  enthält  demnach  nebeneinander  Bahnen, 
die  vom  Auge  zum  Gehirn,  und  solche,  die  vom  Gehirn  zum  Auge 
hinleiten. 

Audi  die  Vierhügelrinde  enthält  ausser  den  in  die  Leitungs- 
bahn eingeschalteten  Nerveneinheiten  solche  von  lokaler  Bedeu- 
tung. Theils  sind  deren  Fort.sätze  der  Fläche,  theils  der  Tiefe 
nach  orientirt;  erstere  Elemente  liegen  in  den  äu.?seron,  letztere 
in   den  mittleren  Schichten  zerstreut. 

Der  Zusaiiinicnliang-  nervöser  Elemente  ist,  wie  sieh 
aus  dem  Mitgethcilten  ergiebt,  ein  unerwartet  loser,  da 
die  Einheiten  überall  von  einander  unabhängig-  sich  er- 
weisen. Es  führt  uns  dies  zur  Ueberzeugung,  dass  inncr- 
hall)  der  grauen  Marksubstanz  die  Leitung  der  Erregungen 
von  einem  Fasersystem  auf  ein  anderes  durch  nngcformte 
Zwischenmassen  vermittelt  werden  nntss.  Gleichwohl  be- 
stehen besondere  anatomische  Einrichtungen,  welche  die 
erforderliche  C4esetzmässigkeit  in  der  Ueberleitung  sicher- 
stellen. Bis  jetzt  kennen  wir  zwei  Haupttypen  von  Lei- 
tungsansehlüssen.  In  dem  einem  Falle  begegnen  sich  die 
Endbüsche  von  zwei  oder  von  mehreren  zusammengehörigen 
Einheiten,  indem  sie  sich  in  einander  Hechten,  oder  doch 
einander  zugekehrt  sind.  Im  zweiten  Falle  bildet  das 
Endbäumchen  des  einen  Nervenbezirks  ein  korbartiges 
Gehäuse  um  den  Zellenleib  eines  anderen.  In  l)eiden 
Fällen  erscheint  die  Zelle  als  das  eigentliche  Sammel- 
becken für  die  Strömie  zugeführter  Erregung.  Die  Weitcr- 
leitung  geschieht  von  da  in  allen  den  Fällen,  die  wir  ge- 
nauer beurtiieilen  können,  nach  der  Richtung  des  Xerveu- 
fortsatzcs.  So  bei  den  motorischen  Zellen  des  Rücken- 
marks, bei  den  Pyramidenzellen  des  Gehirns,  bei  den 
grossen  Ganglienzellen  der  Netzhaut.  Dem  gegenüber  er- 
scheinen die  Dendritenfortsätzc  wie  ein  System  von  Wurzeln, 
welche  aus  umfänglichen  Zuleitnugsbczirken  dieErregungen 
aufnehmen  und    der  Zelle  zuführen. 

V(m  besonderem  Interesse  erscheint  die  Einrichtung 
der  Collateralen,  vermöge  deren  eine  einzige  Nervenfaser 
grössere  Strecken  von  getrennten  Zcllenbezirkcn  zu  be- 
herrschen \'crmag.  Erst  seitdem  wir  wissen,  dass  die  zum 
Gehirn  aufsteigenden  Empfinduiigsfascrn  durch  zahlreiche 
Seitenzweige  mit  den  Bewegungscentren  des  Rückenmarks 
in  Verbintiung  stehen,  ist  unserem  Verstäudniss   das  alte 


Nr.  47. 


Natnrwisscnsphaftliclie  Wochcnschril't. 


)23 


Problem  zu^'änglicb  geworden,  dass  dicsell)cn  Nerven  so- 
wolil  Reflexe  auslösen,  als  hewnsste  Ein])fiiiduni;'  veran- 
lassen kiiiiueii. 

lii  den  Centralorganen  und  zum  Tlieil  schon  in  den 
Sinnesorganen  trefl'en  wir  neben  den  in  eine  grosse  Lei- 
tungsbalm  eingesclialteten  Ncrveneinlieiten  solche,  welche 
sich  den  Hauptbahnen  nicht  einordnen.  Es  sind  dies 
Zellen  kleineren  oder  mittleren  Calibers,  deren  Merveii- 
fortsät/.e  den  betreffenden  Bezirk  nicht  übersehreiten  und 
sieii  gieicii  den  Dendritenlbrtsatzen  darin  verlieren.  Diese 
Elemente  scheinen  eine  vorwiegend  iocale  Hednitung  zn 
haben,  sei  es.  dass  sie  Keizausgleiclumgen  vermitteln,  dass 
sie  gewisse  allgemeine  Stimmungen  des  Organes  unterhalten 
oder  in  irgend  einer  anderen  Weise  am  Gesannntvorgang 
sich  betheiligen.  In  manchen  Centraltheilen  sind  diese 
Nebenaijparate  besonders  reichlich  vorhanden  und  ihre  Be- 
deutung darf  demnach  in  keiner  Weise  unterschätzt  werden. 

Ein  vielgebrauciites  älteres  Bild  vergleicht  die  Ge- 
sanmitheit  von  Gehirn,  Rückenmark  und  Nerven  mit 
einem  reichverzweigten  Telegraphensystem,  in  welchem 
die  Nervenfasern  als  die  Leitungsdrähte,  die  Nerven- 
zellen als  die  End-  und  Zwischenstatiouen  functioniren. 
Dies  Bild  dürfen  wir  nicht  streng  nehmen,  denn  es  fehlt 
dem  Nervensystem  jener  Charakter  des  Geschlossenseins, 
wie  er  einem'  arbeitenden  Telegraphcnsystem  nothwendig 
zukommt.  Ein  zutreffenderes  Bild  haben  wir  in  der  Ver- 
waltung eines  grösseren  Landes,  bei  welcher  zahlreiche 
Behörden  in  bestimmter  Gliederung  einander  bei  und  über- 
geordnet sind.     Wohl  sendet    eine   (»rtsbehörde   in  gege- 


benem Falle  ihre  Depesche  nach  der  übergeordneten  In- 
stanz, um  sieh  Verwaltungsbefeide  zu  erbitten;  allein  die 
Antwort  erfolgt  nicht  durch  einfache  Umschaltnng  einer 
Leitung,  sie  ist  das  Ergebniss  einer  besonderen  Ver- 
arbeitung innerhalb  der  Oherbchörde.  Oberbehörden, 
Zwischen-  und  Unterbehörden  umfassen  mehr  (ider  minder 
umfängliche  Bnreaux  mit  Beamten  ungleiclicr  Stciilung. 
Die  Umwandlung  einer  Meldung  in  einen  Befehl  verknüpft 
sich  mit  verschiedenen  Nebenvorgängen,  mit  l'rDtokolürun- 
geu,  mit  Vergleichung  von  Präeedenzfällen  mit  Rücksicdit- 
nahme  auf  gleichzeitige  V(n-gänge,  mit  ausgleichenden 
Nebenbcfchlen  an  andere  Unterbehörden  u.  a.  ni.  Das 
Endergeb^i;^s  einer  Entscheidung  wird  durch  augenl)lick- 
liche  Stimnnmgen  der  beans[)ruchten  Behörde,  duich  vnran- 
gegangene  oder  gleichzeitige  Befehle  höher  stehender  Be- 
hörden beeinflusst  werden  und  was  dergleichen  Umstände 
mehr  sind. 

Der  in  einander  greifenden  Thätigkeit  der  einzelnen 
Nerveneleniente  wird  durcii  die  neueren  Untersuchungen 
mehr  Raum  gelassen  und  die  Individualität  eines  jeden 
Elementes  konmit  mehr  zu  ihrem  Recht.  Andererseits  be- 
gegnen wir  in  der  formlosen  Zwischenmasse  der  Mark- 
substanz einem  Bestandtheil,  welcher  Einflüssen  allge- 
meiner Natur,  bes(nulers  solchen  der  Ernährung,  sehr  zu- 
gänglich sein  muss.  Für  die  experimentelle  Forschung 
aber  ergiebt  eine  jede  Aendeiung  der  theoretischen  Grund- 
lagen neue  Angriffspunkte  und  von  ihr  darf  die  Auf- 
hellung mancher  der  noch  \orhaudenen  Schwierigkeiten 
erwartet  werden. 


Die  Trüger  der  Vererbung.  —  Als  „Träger  der 
Vererbung"  bezeichnet  Wilh.  Haacke*)  diejenigen  Theile 
des  Zellleibes,  an  welche  die  Fähigkeit  der  Vererbung 
morphologischer  Eigenschaften  gebunden  ist. 

Weismann  und  seine  Anhänger  haben  sieh  durch 
die  augenfälligen  Vorgänge  an  den  Chromosomen  des  Zell- 
kerns derart  fesseln  lassen,  dass  sie  dem  extranueleären 
Zellplasma  nicht  mehr  genügende  Aufmerksamkeit  zu- 
wandten. Diese  einseitige  Berücksichtigung  des  Kerns 
hat  Weis  mann  schliessbch  dahin  geführt,  denselben  für 
omnipotent  zu  halten.  Haacke  behauptet  dagegen, 
dass  die  „thatsäehliehen  Verhältnisse",  denen  zufolge  die 
Chromosomen  die  alleinigen  Vererbungsträger  sind,  aus- 
schliesslich in  der  Einbildungskraft  derjenigen  existiren, 
auf  welche  die  Forschungen  über  Zelltheilung,  die  so 
lange  und  so  ausschliesslich  den  Kern  ins  Auge  fassten, 
einen  allzu  einseitigen  Eindruck  gemacht  haben.  Er  ver- 
sucht nun  den  Nachweis  zu  führen,  dass  nicht  die  Chro- 
nu)somen,  sondern  die  Folkörper  (Centrosomen)  den 
morphologischen  Aufbau  der  Zelle  Iteherrschen, 
und  deshalb  als  die  „hauptsächlichsten  Träger  der  Ver- 
erbung" angesehen  werden  müssen. 

Man  könnte  zwar  hiergegen  einwenden,  dass  in  pflanz- 
lichen Zellen  bisher  noch  keine  indi^idualisirte  l^obnasse 
gefunden  worden  ist**);  jedoch  betont  Strasburger***), 
dass  das  Fehlen  einer  solchen  oder  einer  irgendwie  sicht- 
bar sieh  machenden  polaren  Action  an  den  in  J5ikluug 
begriffenen  Richtungsspindeln  noch  nicht  ein  wirkliches 
Fehlen  sich  von  den  Polen  aus  geltend  machender  Kräfte 
bedeutet.  Bei  Pflanzen  scheinen  die  während  der  Kern- 
theilung  polar  wirksamen  Massen  bei  jedem  Theilungs- 
schritt  neu  aufzutreten  und  sind  auch  in  den  ausgeprägtesten 
Fällen  nicht  deutlieh  gegen  das  umgebende  Cytoplasma 
abgesetzt. 


*)  Vergl.  Biolog.  Centralblatt,  Bil.  XIII,  No.  17  u.   18. 
**)  Ist  neuerdings  gelungen.  —  Red. 
***)  Strasburger,  Histolog.  Beitrüge,  Heft  I,  S.  112  u.  llo. 


Haacke  stützt  sieh  zunächst  auf  die  von  O.  Hertvvig 
in  dessen  Werk  „Die  Zelle  und  die  Gewebe"  gegebenen 
Abbildungen  der  Zelltheilungsvorgänge  und  meint,  dass 
dieselben  auf  jeden  Unbefangenen  den  Eindruck  niaolien 
müssen,  dass  die  Formgestaltung  von  den  Polk(')ri)ern  und 
nicht  von  den  Chromosomen  ausgeht.  Auch  auf  den  von 
Flemming,  Solger  u.a.  gegebenen  Altbildungen  von  in 
Theilung  begriffenen  thierischen  Zellen  beherrscht  das 
ausserhalb  des  Kerns  gelegene  Centrosoma,  wie  die  es 
umgebende  strahlige  Sphäre  zeigt,  die  Anordnung  des 
Zellplasmas,  also  den  morphologischen  Aufbau  des 
Organismus,  welcher  ja  doch  zweifellos  dasjenige  dar- 
stellt, was  hauptsächlich  durcli  eine  Vererbungstheorie  zu 
erklären  ist.  Eltcnso  erwecken  die  von  Strasburger  u.  a. 
gegebenen  Abbildungen  von  Theilungszuständen  pflanz- 
licher Zellen  durchaus  nicht  den  Eindruck,  dass  die  oft 
sehr  unregelmässig  angeordneten  Chromosomen  eine  grosse 
Rolle  in  der  Formgestaltung  des  Organismus  spielen. 

Zu  Gunsten  der  Weis  mann 'sehen  Anschauung  könnte 
man  zwar  entgegnen,  dass  Boveri's*)  Experimente  be- 
weisen, dass  der  Kern  der  Träger  der  Vererbung  ist. 
Boveri  hat  bekanntlich  Seeigel-Eier,  die  ihres  Kerns  be- 
raubt waren,  mit  dem  Sperma  einer  fremden  Art  befruchtet 
und  daraus  Larven  dieser  letzteren  erhalten.  Allein  mit 
den  Kernen  hat  Boveri  sieher  auch  die  Polkörper  ent- 
fernt; wenigstens  hat  er  nicht  den  Nachweis  geführt,  dass 
diese  in  den  ihres  Kerns  beraubten  Eiern  zurückgeblieben 
waren. 

Auch  0.  Hertwig  betont,  das  Wesen  des  Befruchtungs 
proeesses  bestehe  „darin,  dass  ein  vom  Samenfaden  und 
ein  von  der  Eizelle  abstannnender  Kern,  ein  Samenkern 
und  ein  Eikern,  ein  jeder  begleitet  von  seinen 
Central  körperchen,  sieh  zusannnenlegen  und  zu  einem 
Keimkern  verschmelzen".  Das  Studium  der  Befruchtungs- 
erscheinungen hat  also  nur  den  Nachweis  geliefert,    dass 


*)  Vergl.  „Natiirw.W(icb..nsclir."  Vlll.  Bd.,  No.27,  S. '270  oben. 


524 


Naturwissenscbaffliche  Woclienschvift. 


Nv.  4'; 


entweder  der  Kern,  d.  h.  die  Cliromosoraen,  oder  die 
Centralkörper ,  oder  auch  beide  Träger  der  Vererbung 
sind;  dafür  aber,  dass  die  Chromosomen  des  Kerns  es 
allein  seien,  wie  Weismann  will,  liegen  keinerlei  Be- 
weise vor. 

Gegen  die  Auffassung  Weisniann's  spricht  ferner 
auch  die  morphologische  Beschaffenheit  der  Zellkerne; 
denn  Hertwig  betont  ausdrücklicii:  „In  allen  Eleuientar- 
theilen  bei  Pflanzen  und  Thiereu  zeichnet  sich  der  Kern 
dui'ch  eine  überraschende  Gleichförmigkeit  aus:  Wenn 
wir  von  einzelnen  Ausnahmen  al)sehen,  die  eine  besondere 
Erklärung  erheischen,  erscheint  uns  der  Kern  in  allen 
Elementartheilen  desselben  (Organismus  inuncr  nahezu  in 
derselben  Form  und  (Jrössc,  während  das  Protoplasma  an 
Masse  ausserordentlichem  Wechsel  unterworfen  ist.  In 
einer  Endothclzelle,  einem  Muskel-  oder  Sehneukörperchen, 
ist  der  Kern  nahezu  el)Cuso  bcscluiffen  und  ebenso  sub- 
stanzreich, wie  in  einer  Epidermis-,  einer  Leber-  oder 
Knorpelzelle,  während  in  dem  ersten  Falle  das  Proto- 
plasma nur  noch  in  Spuren  nachweisbar,  im  letzteren 
reichlicher  vorhanden  ist.''  Wenn  die  Chromosomen  allein 
Träger  der  Vererbung  wären,  so  müssten  die  Kerne  sehr 
verschieden  sein,  denn  nach  Weisniann's  Anschauung 
wandern  die  Biojjhoren  in  das  umgebende  Zellplasma  aus, 
um  diesem  ihre  specifischc  Natur  aufzuprägen.  Was  das 
Plasma  also  au  Differenzirung  gewinnt,  verliert  der  Kern, 
und  die  Kerne  müssten  deshalb  ebenso  verschieden  sein, 
wie  die  Zellleiber;  wenn  sie  es  aber  nicht  sind,  so  folgt 
daraus,  dass  sie  eben  nichts  zu  thun  iiaben  mit  den  an 
das  Protoi)lasma  gebundenen  erblichen  Eigenthümlich- 
keiten.  Hertwig  bezeichnet  zwar  andererseits  in  üeljcr- 
einstimmung  mit  Koux  „die  Kerntheilungsfignren  als 
Mechanismen,  welche  es  ermöglichen,  den  Kern  nicht  blos 
seiner  Masse,  sondern  auch  der  Masse  und  Beschaffen- 
heit seiner  einzelnen  Qualitäten  nach  zu  theilen",  bringt 
aber  für  diese  Behauptung  keinerlei  Beweis  bei. 

Wenn  der  Kern  wirklich,  wie  Hertwig  selbst  be- 
hauptet, in  allen  möglichen  Zellen  auffallend  gleichförmig 
sein  soll,  so  kann  er  doch  gar  nicht  in  seine  Qualitäten 
zerlegt  sein!  Wie  sollte  er  es  dann  auch  fertig  bringen, 
den  ganzen  Organismus  zu  reproduciren,  was  bei  vielen 
Pflanzen  und  niederen  Thieren  bekanntlich  oft  schon 
wenige,  beliebig  aus  dem  Znsammenhang  herausgelöste 
Zellen  im  .Stande  sind,  falls  man  sie  unter  geeignete 
Existenzbedingungen  bringt';' 

Ein  weiterer  Umstand,  der  gegen  Weisniann's 
Theorie  spricht,  ist  der  zweifellos  bestehende  ursächliche 
Zusammenhang  zwischen  Ontogenie  und  Phylogenie;  wo- 
gegen Weisniann's  Idologie  und  Determinantenlehre 
sich  mit  der  Anschauung,  dass  säinintliche  Thierarten 
selbstständige  und  unabhängige  »Schöiifiingen  sind,  sehr 
gut  verträgt.  Wollte  man  Weismanns  Lehre  mit  voller 
Consequenz  zu  Ende  führen,  so  würde  man  schliesslich 
zur  alten  Eiuschachtelungstheorie  zurückkehren  müssen. 

Aus  seinen  Untersuchungen  über  die  Vererbung  per- 
sönlicher Eigenschaften  bei  Mäusen  schlicsst  Haacke, 
dass  es  sich  im  Zellleben  um  eine  >Symbiose  zwischen 
den  Chromosomen  einerseits  und  dem  Polkörper  nebst  dem 
extranucleären  Plasma  andererseits  handelt.  Demnach 
würde  es  eine  Vererbung  der  Eigenschaften  des  Centro- 
somas bezw.  des  dasselbe  zusammensetzenden  Plasmas, 
und  ebenso  eine  Vererbung  der  Eigenschaften  der  Chromo- 
somen (d.  h.  des  Kerns)  geben.  Zu  den  letzteren  kommen 
bei  vielen  Zellen  noch  andere  Gebilde,  welche  gleichfalls 
ihre  Eigenschaften  von  Zelle  zu  Zelle  übertragen,  z.  B. 
die  Chlorophvllkörper  der  Pflanzen.  Alle  diese  neben  dem 
Polkörper  in  der  Zelle  befindlichen  Gebilde  (der  Kern, 
die  Chlorophyllkörper  und  andere)  vererben  die  chemi- 
schen   Eigenschaften    des    Organismus.      Sie    alle    sind 


Organe  des  Stoffwechsels,  sie  bedingen  aber  nicht 
den  Formenaufbau  des  Körpers,  oder  doch  nur  insoweit, 
als  der  letztere  von  den  chemischen  Eigenschaften  des 
Kerns  und  anderer  Gebilde  in  der  Zelle  beeinflusst  wird. 
Auch  ,M.  N'erworn  gelangt  in  seiner,  in  dieser  Wochen- 
schrift (vergl.  „Naturw.  '\Vochcnschr."  Bd  VII l.  Nr.  44, 
S.  4H.Ö)  referirten  Arbeit  über  „die  physiol.  Bedeutung 
des  Zellkerns"  zu  dem  Schlüsse,  dass  die  physiolo- 
gische Bedeutung  des  Zellkerns  wesentlich  in 
seinen  Stoffwechselbeziehnngen  zum  übrigen  Zell- 
körper liegt.  Haacke's  Versuche  an  Mäusen  drängen  zu 
der  Ucberzengung,  dass  der  Kern  vor  allem  die  Vererbung 
der  Farben  bewirkt,  dass  dagegen  dasCentrosoma  bezw. 
das  Plasma,  aus  welchem  es  zusammengesetzt  ist,  die 
morphologischen  Eigenschaften  vererbt.  Durch  Kreu- 
zung von  gewöhnlichen  weissen  Ziermäusen  (Klettermäusen) 
mit  schwarzen  japanischen  Tanzmäusen  erhielt  H.  alle 
möglichen  Combinationen  gemischtfarbiger  Nachkommen. 
Paart  man  letztere  wieder,  so  erhält  man  in  der  8.  Ge- 
neration zuweilen  reinfarbige  Tanzmäuse  und  weisse 
reine  Klettermäuse,  welche,  wenn  man  sie  weiter  unter 
einander  paart,  immer  Nachkommen  liefern,  die  den  Eltern 
vollständig  gleichen.  Aber  auch  die  Jläuse  mit  gemischten 
Charakteren  lassen  sich  durch  entsprechende  Zuchtver- 
suche wieder  in  schwarze  und  farbige  Tanzniäuse  und  in 
weisse  und  farbige  Klettermäuse  zerlegen.  In  vielen  Fällen 
gelangt  man  also  sehr  bald  wieder  zu  reinrassigen  Thieren, 
d.  h.  zu  Thieren,  die  ihre  Eigenschaften  streng  vererben, 
ohne  jemals  wieder  Rückschläge  zur  früheren  Rasse  zu 
zeigen,  die  doch  nach  Weisniann's  Theorie  leicht  ein- 
treten müssten. 

Dieses  Ergebniss  der  Züchtungsversuche  an  langen 
Stammbäumen  von  mehr  als  30U0  Mäusen  steht  durchaus 
im  Einklang  mit  Haacke's  Ansicht  über  die  Bedeutung 
der  Reductionstheilung,  welche  Apomixis,  Entmischung, 
ist  und  nicht,  wie  Weismann  wül,  Mischung,  „Am- 
phimixis". 

Weisniann's  Dctcrminantenlehre  und  Idologie  sind 
also  direct  durch  die  praktische  Erfahrung  widerlegt;  sie 
lassen  sich  in  keiner  Weise  mit  den  von  Haacke  beob- 
achteten Vererbungserseheinnngen  in  Uebereinstimmung 
bringen.  Dr.  Robt.  Mittniann. 


Zur  Myrmekophilie  des  Adlerfarns.  —  In  dem  Be- 
richt über  den  Figdor'schen  Aufsatz  über  extranuptiale 
Nectarien  beim  Adlerfarn  in  No.  40,  Bd.  VI  der  „Naturw. 
Wochenschr.'-  heisst  es  am  Schlüsse: 

„Ob  Pteridium  aquilinuni  wirklich  den  Myrmekophilen 
—  wie  es  von  Delpino  geschieht  —  zuzuzählen  ist,  konnte 
F.  leider  nicht  endgiltig  entscheiden  und  erst  weitere 
Beobachtungen  müssen  über  diese  interessante  Frage  Auf- 
schlnss  geben." 

Im  verflossenen  Sommer  hatte  ich  nun  Gelegenheit, 
mich  zu  überzeugen,  dass  der  Adlerfarn  wirklich  myrme- 
koi)hil  ist.  An  einer  ganzen  Anzahl  von  Standorten  des 
Farns  in  der  Umgebung  von  Barmen  und  Elberfeld  fand 
ich,  dass  bei  wenigstens  zwei  Dritteln  der  Exemplare  die 
Nectarien  von  einer  bis  mehreren  Ameisen  i  meist  Lasius 
niger  L.)  besetzt  waren,  und  zwar  fast  immer  nur  die  Nec- 
tarien an  der  Basis  derjenigen  Fiedern  erster  oder  zweiter 
Ordnung,  welche  gerade  in  der  Entfaltung  begriff'en 
waren,  während  ältere  Nectarien  von  den  Ameisen  meist 
nicht  mehr  beachtet  wurden. 

In  vielen  Fällen  fand  ich  die  Oberfläche  der  Nectarien 
verletzt,  wobei  die  Verletzungen  mitunter  Löcher  von  der 
Grösse  eines  Stecknadelkopfs  darstellten,  meistens  aber 
geringer  und  oft  nur  mit  der  Lupe  zu  erkennen  waren. 
Wie  ich  in  zwei  Fällen  direct  beobachten  konnte,  sind 
diese  Nectarien  von  den  Ameisen  angefressen. 


Nr.  4-; 


Naturwisfsciiscliaf'tlifhc  Wochenschrift. 


525 


Im  Gegensatz  zu  Figdor  und  in  Uebei-cinstinmiung 
mit  F.  Darwin  fand  icli,  dass  die  Farbe  der  Ncctarieu 
von  vornherein  eine  grüne  ist,  nielit  „ursprünglieli  braun". 
Allerdings  waren  ältere  Nectarien  vielfaeli  braun  gefärbt, 
und  es  zeigte  sich,  dass  gerade  diese  immer  ^'el■lctz^ng•en 
trugen,  als  deren  Folge  wir  also  die  ISraunfärbung 
anzusehen  haben.  Die  grün  bleibenden  und  später  un- 
deutlich werdenden  Neetarien  waren  innner  unversehrt. 

Eine  directe  Gegenleistung  der  Ameisen,  etwa  in  der 
Zurückweisung  eines  den  Adlerfarn  besuchenden  Pflanzen- 
fressers bestehend,  konnte  nicht  beobachtet  werden.  Aber 
man  darf  wohl  den  Umstand,  dass  auf  dem  Farn  niemals 
andere  Insccten  angetrotfeu  werden,  auf  Rechnung  des 
Anieisenbesuches  setzen.*)  Dr.  Thoniae. 

Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben. 

Es  «iirdcii  cTniinnt:  F.  Mat  oiis  t- li  i'k  ziiin  |ii-ovisoriseliPii 
Assistenten  am  botanischen  Institute  der  k  k.  deiitsclien  Universität 
in  Prag.  —  Der  Akademiker  Di-.  Tlieodor  PIcske  zum  Direotor 
des  zoologischen  Museums  der  Kaiserliclien  Akademie  der  Wisson- 
scliaften  in  St.  Petersburg.  —  Der  Professor  der  Philosophie  an 
der  Universität  Münclien  Dr.  Stumpf  zum  Di-dinarius  an  der 
Universität  Berlin.  —  Dr.  Strauch.  Corpsro?sarzt  lieim  (i.  Armee- 
corps in  Breslau,  zum  Docenten  für  Thierlieilknnde  an  der  d(n-tigen 
Universität.  —  An  der  Universität  Wien  der  ausserordentliche 
Professor  Dr.  Palt  auf  zum  Prosector  —  und  der  au.'<serordentliche 
Professor  Dr.  K  ra  us  zum  Abt  heil  ungsvorsi  and  der  Wiener  Kranken- 
häuser. —  Dr.  Ferdinand  I^oewl,  ausserordrntlicdun-  Pnifessor 
der  Geographie  an  der  Universität  Wien,  zum  ( »i-dinarius  an  di-r 
UniviM-sität  Czerno«  itz 

Professor  Di-.  Henoch  tritt  von  seiner  Strllung  als  Lehrer 
an  der  Universität  und  Director  der  Ivlinik  für  Kinderkrankheiten 
an  der  Charite  zu  Berlin  zurück.  —  Professor  G.  Seh  weinf  u  rt  h 
ist  in  wissenschaftlichem  Interesse  nach  der  Colonia  Eritrea  gereist. 

Es  sind  gestorben:  Die  Natuiforschei-in  Ida  von  Boxberg 
auf  ihrem  Rittergute  Zschorna  bei  Radebiirg,  Königreich  Sachsen. 

—  Professor  Dr  Friedrich  Wilhelm  Pfeiffer,  ehemaliger 
Director  der  städtischen  Bibliothek  in  Breslau,  in  Freibnrg  im 
Breisgau.-  Der  Physiker  Dr.  Adolf  Steinheil  in  München. — 
Der  Elektrotechniker  Karl  Reitz  in  Indianopolis  U.S.  —  Der 
Professor  der  Chirurgie  an  der  Pariser  Universität  Leon  Le  Fort 
in  Brion  am  I^oiret.  —  Der  ungarische  Naturforscher  Dr.  Karl 
Akin  in  Fiume.  —  Der  durch  seine  weitgehende  F'örderung 
astronomischer  Forschungen,  besonders  auf  dem  Gebiete  dei- 
Astropliysik ,  bekannti'  mecklenburgische  Kammerlierr  Frei- 
herr von  Bülow  in  Kiel.  —  Der  Lciiidopterologe  C.  Frei- 
herr von  Gnmppenberg,  Postmeister  in  Baudieig,  daselbst. — 
Der  frühere  Ingenieur  der  zoologischen  Station  in  Ni-apel  Eucen 
von  Petersen  daselbst.  —  Dr.  l^edru,  Director  der  Ecole 
de    medecine    et    de    pharmacie    in    Clermont    Fervant,    daselbst. 

—  Der  auch  als  Schriftsteller  thätig  gewesene  Petersburger  Arzt 
Dr.  Eduard  Bary  in  Baden-Baden.  —  Der  Psychiater  Dr.  De- 
lasianvc,  Arzt  an  der  Salpetriere  in  Paris,  daselbst.  —  Der  auch 
wissenschaftlich  vielfach  thätig  gewesene  Chefarzt  an  der  Busch- 
tiehrader  Eisenbahn  Dr.  Friedrich  Fischel  in  Franzensbad. — 
Der  langjährige  Redacteur  des  British  Medical  Journal  Dr  Henry 
in  London. —  Der  Director  der  Wasserheihniftalt  Ilmenau  Sanitäts- 
ratli  Dr.  Emil  Proller  in  Kissingen.  —  Der  Professor  der  Ge- 
burtshilfe am  t^»ueens  College  Dr.  Holster  Bill  in  Belfast.  — 
Unser  Mitarlieiter  der  Chemiker  Dr.  WMlliam  Luzi  in  Leipzig.  — 
Der  Physiologe  Dr.  H.  M.  Ashdown  in  Edinburgh.  —  Der  .Staats- 
geologe der  Cai)-Colonie  S.  C.  Bain   in  Roudebosch,  Cape  Town. 

W'ie  uns  Herr  Prof.ssor  Schweinfurtli  mitthoilt,  soll  ein  Denk- 
mal für  £min  Pascha  in  Neisse  errichtet  werden  geradeso  wie 
seinerzeit  für  Nachtigal  in  Stendal.  Bekanntlich  ist  der  letztere 
in  dieser  Stadt  auf  der  Schule  gewesen,  eben.-o  wie  Emin  in 
Neisse.  Für  das  Emin -Denkmal  haben  sich  nu-hrerc  bekannte 
Persönlichkeiten  zu  einem  Comite  zusammengefunden. 


Ein  staatliches  Museum  wird  demnächst  in  Pretoria  erriclitet 
werden,  nachdem  die  .Summen  dafür  aufgebracht  sind. 


*)  Nach  Mittheilung  des  Herrn  Custos  H.  J.  Kolbe  konnnen 
auf  dem  Adlerfarn  Raupen  von  Lepidoptcren ,  z.  B.  Eriopus 
pur]nireo  fasciatus  vor;  im  übrigen  werden  ja  aber  die  Farn- 
kräuter bekanntlich  überhaupt  wenig  von  Insccten  befallen  und  in 
den  Herbarien  werden  sie  nur  selten  angefressen.  Sonach  dürften 
die  Ameisen  wohl  schwerlich  in  dem  obigen  Falle  als  Vertheidiger 


Ein  Internationaler  Gartenbau  -  Verein  ist  auf  der  Welt- 
ausstellung in  Chicago  gegründet  worden.  Sein  Hauptzweck  ist, 
den  Austausch  von  Pflanzen,  Sämereien  und  Büchern  zu  erh-iehtern. 


Zum    50jährigen  Doctor- Jubiläum    Rudolf  Virchow's    am 

21  Oetober  1893  hat  die  Berliner  klin.  \\'ochenschrift  ihre  No.  43 
in  zwei,  a  mid  b,  zertbeilt,  v<in  «  elclier  die  No.  43a  ausschliess- 
lich R.  Virchow  gewidmet  ist  und  aus  verschiedenen  Federn  sein 
Wirken  für  Medicin.  Hygiene  und  Anthropologie  zur  Dar.stellung 
bringt.  Wir  linden  (!  Artikel,  nämlich  1.  E.  v.  Rindfleisch,  allge- 
meine Pathologie  und  pathologische  Anatomie,  2.  W.  W^aldeyer, 
allgemeine  und  beschreibende  Anatomie,  Entwickelungsgeschichte 
untl  Zoologie,  3.  F.  Hueppe,  öfi'entliche  Gesundheitspflege  und 
Seuchenlehre.  4.  P.  Langerhaus,  praktische  Hygiene  im  Dienste 
der  Stadt  Berlin,  5.  Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte, 
und  6.  B.  Fi'änkel,  Thätigkeit  in  medicinischen  Gesellschaften 
(Einleitung).  In  dieser  Ehren -Nnunuer  werden  gleichzeitig  die 
Schriften  und  Notizen  Virchow's,  die  dieser  veröffentlichte,  zu- 
sammengestellt 

Von  Dr.  C.  Baenitz'  Herbarium  Europaeum  sind  sechs  neue 
Lieferungen   erschienen. 

Lief  7.5  und  76  umfassen  108,  resp.  102  No.  aus  Mitteleuro|Ki 
und  berücksichtigen  in  erster  Linie  die  schwierigen  Gattungen : 
Hieracium  (40  No.),  Rubus  (19  No.)  und  die  Pteridophyten 
("21  No.).  Die  Mehrzahl  di-r  Hieracien  hat  der  Herausgebir 
Dr.  C.  Baenitz,  welcher  seinen  Wohnsitz  von  Königsberg  i.  Pr. 
nach  Breslau  verlegte,  im  Altvater-,  Riesengebirge  und  um  Breslau 
gesannnelt.  Das  vom  Herausgeber  bei  Breslau  lu-u  entdeckte 
Fingi-rkraut  hat  Prof.  Dr.  v.  Borbas-Budapcst,  einer  unserer  besten 
Ki-nner  dieser  Gattung,  dem  Entdecker  zu  Ehren  Potentilla 
Baenitzii  benamit.  Auch  andere  vom  Herausgeber  in  Schlesien 
gemachte  Entdeckun>;en  dürften  weitere  Kreise  interessiren:  so 
das  Equisetum  limosum  L.  f.  ramosissima  Baenitz,  Asplenium  al- 
pertue  Mett.  f.  monsti-osa  glomerata  Baenitz  etc.  Den  Freunden 
der  Giattung  Rosa  dürfte  R.  abortiva  Junger  eine  willkommene 
Gabe  sein. 

Lief.  77  bringt  aus  Skaudieuavien,  Russland,  Italien  und  Frank- 
reich 40  No.  —  Prof  Dr.  Murbecks  Viola-  und  Potentilla-Arten 
sind  besonders  schön  präparirt  worden 

Lief.  78  gehört  ganz  der  Pyrenäenhalbinsel  an;  sie  enthält 
78  No.,  von  Dr.  Buchtien  in  Portugal  und  El.  Reverchon  in 
Spanien  gesammelt.  Neue  Arten  und  Formen  von  Freyn.  Will- 
konnn  und  Lauge,  auch  .Seltenheiten  ersten  Ranges  bietet  diese 
Abtheilnng. 

Lief.  79  umfasst  öO  No  aus  Bosuien,  Bulgarien,  Griechenland 
und  Macedonien  von  Buramüller,  Brandis,  Charrel,  Fiola,  v.  Held- 
reich,  P.  Sintenis  und  Strubrny  gesammelt. 

Im  Anschluss  an  Lii-f  79  mit  Rücksicht  auf  die  verwandten 
Formen  der  Balkanhalbinsel  bilden  .tI  No.  de  r  80.  Lief,  den  Schluss 
der  diesjähriuen  reichen  und  interessanten  Ausgabe.  Ausser  zwei, 
von  Dr.  Hartmann  gesammelten  No.  hat  der  berühmte  Reisende 
Paul  Sintenis  auf  einer  vorjährigei\  Reise  in  Paphlagonien  (Kleiu- 
asicn)  die  übrigen  Arten  präparirt.  darunter  eine  grössere  Zahl 
neuer,  von  Freyn,  Huth  und  Sintenis  aufgestellter  Arten. 

Das  Inhaltsvi'i'zeichniss  dieser  Lirferungen  kann  gratis  be- 
zogen werden  durch  den  Herausgebi'r  Dr.  C.  Baenitz  in  Breslau 
((ir.  Fürstenstr.  '22  1). 

L  i  1 1  e  r  a  t  u  r. 

Ergebnisse  der  in  dem  Atlantischen  Ocean  von  Mitte  Juli  bis 
Anfang  Kovember  1889  ausgeführten  Plankton -Expedition 
der  Humboldt-Stiftung.  Auf  (irund  von  gemeinschaftlichen 
Untersuchungen  eiiuT  Keihc  von  Fach-Forschern  herausgegeben 
von  Prof  ^'ictor  Hensen.  Verlag  von  Lipsius  &  Fischer  in 
Kiel  und  Leipzig  1892  und  1893 

Von   diesem  mächtigen  Werk,    das   auf  .')  starke  Quart-Bände 

berechnet  ist,   liegen    uns    bis  jetzt   vor 

1.  Band  I  A:  Prof  Dr.  Otto  Krüinmel,  Reisebe- 
schreibung der  Plankton-Expedition.  Nebst  Einleitung 
von  Dr.  Hensen  und  Vorberichten  von  Drr.  Dahl,  Apstein, 
Lohniaim,  Borgert,  Schutt  und  Brandt.  Mit  100  Figuren  im 
Text,  sowie  b  Karten,  2  l'afeln  und  einer  Photogravure.  1892.  — 
Preis  30  M. 

2.  Bd.  I  C:  Prof  Dr.  Dtto  Krümmel.  Geophysika- 
lische Beobachtungen  der  Plankton-Expedition.  Mit 
2  Karten.     1893.   —  Preis  10  M. 

3.  Bd.  II  G  a  ii:  Dr.  Fi-.  Dahl,  Die  Halobatiden  der 
Plankton-Expedition.     Mit  8  Textfiguren.     1893. 

4  Bd  HG  a  /5:  Dr.  H.  Lohniann,  Die  Halacarinen 
der  PI  ankton-Exjied  ition.  Mit  II  Textfiguien  und  13  Tafeln. 
1893.   —  Preis  mit  dem  vorigen  zusammen   l(i  M. 

.j  Bd.  II  K  (1:  Dr.  Ernst  Van  hoffen,  Die  Alkalephen 
der   JMankton-Expediton.     Mit  4  Taf.lu    und    I   Karte.     1892. 


526 


Natiirwisseuschat'tlichc  Wochcnschrill. 


Nr.  47 


—    Preis    8   Mark.      (In    Subscription    ist    das    ganze  Werk    10  "/o 
billiger). 

Ueber  die  Plankton-Expedition  haben  wir  schon  früher  in  der 
„Naturw.  Wochensohr."  ausführlich  berichtet,  vergl.  Bd.  V.  S.  31  tf. 
lind  S.  111  ff.  In  dem  ersten  Artikel  „V.  Hensen's  Plankton- 
Expedition  im  Sommer  1889"  nach  einem  Vortrage  des  Prof. 
Krümmel  ist  Genügendes  über  den  Verlauf  der  Reise  mitgetheilt, 
sodass  wir  an  dieser  Stelle  auf  ein  eingeliendes  systematisches 
Referat   von  Bd.  lA  verzichten  müssen. 

Eingeleitet  wird  der  Band  durch  einen  kurzen  Abschnitt  aus 
der  Feder  des  Prof.  V.  Hensen,  der  über  den  Reiseplau  und 
über  die  Vorgeschichte  der  bedeutenden  wissenscliaftlichen  Expe- 
dition Anfschluss  giebt.  Es  werden  dann  in  einem  zweiten  Ab- 
schnitt einige  allgemeinere  Ergebnisse  der  Expedition  mitgetheilt, 
wie  wir  das  ebenfalls  schon  in  dem  nach  einem  Vortrage  des 
Prof.  K.  Brandt  wiedergegebenen  Artikel  Bd.  V.  S  111:  „Ueber 
die  biologischen  Untersuchungen  der  Plankton-Expedition"  kurz 
gethan  haben. 

Da  die  Expedition  in  erster  Linie  dem  Studium  des  Plankton*) 
galt,  so  wollen  wir  über  die  Vertheilung  desselben  noch  eine 
specicllere  Angabe   machen. 

Es  ist  schon  1.  c.  S.  112  in  der  „Naturw.  Wochenschr."  auf 
das  Ergebniss  aufmerksam  gemacht  worden,  dass  die  kälteren 
Regionen  des  atlantischen  Oceans  sowie  auch  die  Nord-  und  Ost- 
see sehr  viel  reicher  an  Plankton  sind,  als  die  wärmeren  Striche 
des  Oceans.  Sehr  instructiv  erläutert  wird  diese  Thatsache  durch 
die  Karte  auf  der  Tafel  I,  in  welcher  der  Weg,  den  der  „Na- 
tional", das  Schill'  der  Expedition,  genommen  hat,  eingetragen  ist, 
der  als  Abscisse  für  Ordinaten  dient,  die  Art  und  Volumen  der 
Fänge  mit  dem  Planktonnetz  angeben.  Man  sieht  unmittelbar 
aus  dieser  Karte,  wie  sehr  viel  reicher  an  Plankton  die  kälteren 
Atlantic-Regionen  sind  als  die  ivärmeren.  und  zwar  ist  die  Menge 
des  Planktons  im  Norden,  in  der  kältesten  besuchten  Region,  bei 
Grönland,  weitaus  die  grösste,  in  einer  Kältezunge,  die  der  Ocean 
nordwestlich  Ascension,  dem  südlichsten  Punkt  der  Expedition, 
besitzt,  sehr  viel  weniger  bedeutend  und  verhältnissmässig  recht 
unbedeutend  in  den  übrigen  wärmsten  Regionen. 

Der  III.  Abschnitt  wie  die  folgenden  aus  der  Feder  des  Prof. 
O.  Krümmel  behandelt  die  Fahrt  durch  den  Nordatlantischen 
Ocean  nach  den  Bermudas-Inseln.  Diesem  Artikel  sind  wie  den 
folgenden  zahlreichere  Textfiguren  eingeschaltet,  die  zwar  zum 
Theil  nur  verschiedene  Episoden  aus  der  Reise  veranschaulichen, 
also  keinen  wissenschaftlichen  Inhalt  haben,  aber,  da  sie  kleine 
Kunstwerke  sind,  den  Text  angenehm  beleben.  Andere  sind  treff- 
liche landschaftliche  Charakterbilder,  die  einen  treuen  Einblick  in 
die  Natur  der  bereisten  Gegonden  gestatten  und  daher  für  den 
Geographen  und  Pflanzeugeogrniihen  von  Interesse  sein  müssen. 
Entworfen  sind  diese  Bilder  von  Marinemaler  R.  Eschke,  der  die 
Expedition  mitgemacht  hat.  Eine  gute  Photogravure  giebt  eine 
Anschauung  von  dem  chaotischen  Gewirr  des  Urwaldes  am  Ma- 
garitluss  bei  Para. 

Die  folgenden  Abschnitte  sind  überschrieben:  IV.  „Vier  Tage 
auf  Bermudas''  mit  einem  Anhange  „Die  Landfauna  von  Bermuda" 
von  Fr.  Dahl,  und  V.  „Durch  die  Sargasso-See  nach  den  Kap- 
verden." 

Dahl  giebt  hier  wie  in  den  späteren  Abschnitten  über  die 
Kapverden,  Ascension  und  Azoren  einen  guten  LTcbcrblick  über 
die  Gesammt-Fauna. 

Bezüglich  der  Sargasso-See  folgendes: 

Columbus  ist  der  eigentliche  Endecker  der  Sargasso-See  und 
auch  der  Vater  des  Mythus  von  der  Ortsbeständigkeit  einer  grossen 
Fucusbank  südwestlich  von  den  Azoren.  Seine  Nachfolger  haben 
erfunden,  dass  die  Tang-Ansammlung  den  Fortgang  eines  Schiffes 
hemmen  kann.  Namentlich  A.  v,  Humboldt's  Autorität  hat  die 
Ansicht,  die  er  mehrmals  und  ausführlich  vorgetragen  hat,  dass 
die  Sargasso-See  ortsbeständig  sei,  verbreitet  und  lange  als  die 
richtige  erscheinen  lassen  Nach  O.  Kuntze  giebt  es  aber  kein 
eigentliches  Sargassonieer,  es  handelt  sich  um  treibende,  von  den 
Küsten  losgerissene  Sargassumstücke.  Capt.  Haltemann  meint, 
das  Kraut  des  Sargassomeeres  stamme  vorzugsweise  von  den 
Bahamabänken,  wo  es  von  Stürmen  losgerissen  werde.  Nicht  alles 
losgerissene  Kraut  treibe  an  der  Oberfläche,  dort  finde  sich  nur 
das  frische,  bräunlich-gelbe  Sargassum;  anderes  halte  sich  in  etwas 

frösserer  Tiefe,  etwa  6  Fuss  von  der  Oberfläche  entfernt  auf, 
ieses  sei  gelblicher,  trage  weniger  Schwimmblasen  und  habe  ein 
fleischigeres  Geäste,  was  Kuntze  für  Anzeichen  vorgnschrittenen 
Verfalles  erklärt.  Von  einer  gleichmässigen  Vertheilung  des  Krauts 
kann  keine  Rede  sein.  Es  treibt  in  langen  Streifen  genau 
pai'allel  der  herrschenden  Windrichtung  u.  s.  w.  Die  Plankton- 
Expedition  fand  verhältnissmässig  sehr  viel  Sargassum  treibend 
vor.  Eine  Zählung  ergab  auf  525  Dm  je  ein  Pflanzenbüschel,  eine 
andere  Zählung  je  eine  Pflanze  auf  G60  Dm,  eine  dritte  2.555  Stück 
auf  1   Dkm.     Die  Vertheilung   ist   sehr  ungleichniässig,   denn   das 


*)  Vergl.  die  von  Hrn.  Prof.   von  Martens  gegebene  Erklärung 
des  Wortes  Plankton  in' der  „Naturw.  Wochenschr."  VI  S.   194. 


in  1  Minute  gezählte  Quantum  schwankte  von  0  bis  83  Stück. 
An  anderen  Stellen  traten  die  Sargassumbüschel  in  Feldern  und 
5 — '.)  m  breiten  Streifen  auf,  letztere  parallel  der  Windrichtung. 
Eine  gleichmässige  Vertheilung  angenommen,  würde  hier  etwa  ein 
zusammenhängendes  Pflanzenstück  auf  je  175  Dm  kommen.  Das 
Planktonvolumen  übertrifft  das  Sargassovolumen  bei  Weitem.  Am 
Strande  wachsend,  auf  Klippen  und  abgestorbenen  Riffen,  fand 
sich  Sargassum  auf  Bermudas.  Die  Azoren,  Kapverden  und  Ascen- 
sion waren  frei. 

Die  grosse  Sargasso-Bank  von  Flores  und  Cowo  A.  von  Hum- 
boldt's ist  weiter  nichts  als  die  Summe  aller  aus  den  verschiedensten 
Zeiten  herrührenden  Beobachtungen  entlang  der  Segelroute  von 
Segelschiffen,  die  nach  des  Seemanns  Ausdruck  „ihren  Durchstecher 
durch  den  Passat"  machen.  Humboldt's  Untersuchungen  sind 
überhaupt  in  der  in  Rede  stehenden  Frage  unkritisch,  denn  auch 
die  anderen  Angaben  sind  so  zu  erklären  wie  die  erwähnte:  „wo 
mehr  Beobachter,  da  sind  mehr  Sargassovorkommen"  notirt.  Auch 
<_).  Kuntze  trifl't  nicht  ganz  das  Richtige. 

Krümmel  zeigt,  dass  das  Sargassum  im  Sommer  aus  dem  Golf- 
stromgebiet nach  Südosten  wandert  und,  dem  herrt^chenden 
Meeresstrom  weiter  folgend,  im  Winter  30°  Br.  und  im  Frühling 
25°  Br.  überschreitet:  einer  Hochtluthwelle  ähnlicdi,  pflanzt  sich 
das  Maximum,  vom  langsamen  Strom  getragen,  erst  sü<lUch,  dann 
südwestlich  fort.  Die  Sargassumstücke  kommen  also  aus  dem 
Floridastrom,  und  zwar  genauer  aus  dem  Ursprungsgebiet  im 
karaibischon  Mittelmeer,  dessen  Inseln  und  Küsten  der  Strom  mit 
starkem  Laufe  bestreicht.  Praktiker,  erfahrene  Seeleute,  wissen, 
dass  jeder  sommerliche  Tropenorkan  mit  wüthender  Brandung 
das  Kraut  abreisst  und  der  Trift  liberantwortet,  sodass  selbstredend 
der  Floridastrom  liesonders  reichlich  besetzt  sein  muss.  Das 
Kraut  kann  schwimmend  wohl  ein  Paar  Jahre  Dauer  erreichen, 
da  es  Lebensbedingungen  in  sich  und  der  Umgebung  findet. 
„Freilich  aber  werden  die  Ernährungsverhältnisse  gegenüber  dem 
Wachsthum  am  Strande  insofern  ungünstiger  sein,  als  der  Stroin 
die  losgelöste  Pflanze  mit  ihrer  ganzen  Wasserumgebung 
zugleich  fortführt,  deren  Nahrungsstoffe  sich  also  verringern  und 
schliesslich  fast  erschöpfen  müssen,  wenn  nicht  die  Atmosphäre 
für  neue  Zufuhr,  etwa  durch  salpetersäurereiche  Gewitterregen 
soi'gt."  Dieser  Ungunst  der  Ernährung  wird  im  Allgemeinen  die 
Abwesenheit  oder  doch  ausserordentliche  Seltenheit  von  geschlecht- 
lichen Fortpflanzungsorganen  beim  treibenden  Sargasso  zuzu- 
schreiben sein.*)  Eine  Vermehrung  durch  Sprossbildung  kann 
ebenfalls  als  ausgeschlossen  gelten,  dazu  sind  die  Bedingungen 
der  Ernährung  zu  ungünstig.  Das  Endschicksal  jedes  treibenden 
Stückes  ist  immer  dasselbe:  die  Bryozoen  umspinnen  mit  ihren 
Kalknetzen  die  Schwimmblasen,  die  schliesslich  spröde  werden 
und  abbrechen,  w<u'auf  die  Alge  versinkt. 

Zu  Abschnitt  V,  aus  welchem  wir  vorstehend  die  interessante 
Frage  nach  dem  Wesen  des  sog.  Sargasso-See  referirt  haben,  die 
endlich  befriedigender  als  jemals  Beantwortung  gefunden  hat, 
finden  wir  2  Anhänge:  1.  C.  Apstein,  Vorbericht  über  die 
Alciopiden  und  Tomopteriden  der  Plankton  -  Expedition ,  und 
2.  H.Lohmann,  Vorbericht  über  die  Appendikid  arien  der  Plankton- 
Expedition,  die  sich  nächst  den  Copepoden  ihrer  Zahl  nach  als 
die  wichtigsten  mehrzelligen  Plankton-Organismen  erwiesen  ha'ien. 
Der  VI.  Abschnitt  behandelt  die  Reise  über  die  Kapverden  zum 
Aecpiator,  und  auch  hierzu  sind  2  Anhänge  gegeben,  nämlich  1.  Fr. 
Dahl,  Die  Landfauna  der  Kapverden,  und  2.  A.  Borgert,  Vor- 
bericht über  einige  Phaeodarien-  (Tripyleen-)  Familien  der 
Plankton-Expedition. 

Dahl  schildert  die  Vogelwelt  der  Kapverden  als  ziemlich  bunt 
zusammengewürfelt.  Bei  anderen  Thiergruppen  sind  2  Transport- 
mittel, die  Strömung  und  der  Wind,  deutlich  als  Vehikel  zu  er- 
kennen. Durch  die  Meeresströmung  werden  n  ich  t  fliegende  Thierc 
herbeigeführt,  und  zwar  theilweise  von  den  Kanaren  und  Madeira, 
seltener  von  Südeuropa,  theilweise  auch  von  dem  etwas  nördlich 
gelegenen  Theil  der  afrikanischen  Küste.  Durch  den  Wind  da- 
gegen wurden  fliegende  Insecten  von  der  gegenüberliegenden 
afrikanischen  Küste  herübergetrieben. 

Der  VII.  Abschnitt  behandelt  die  Reise  vom  Aequator  über 
Ascension  nach  Para,  mit  einem  Anhang  von  Fr.  Dahl,  Die 
Landfauna  von  Ascension. 

Abschnitt  VIII  beschreibt  2  Wochen  in  und  bei  Parä.  Von 
den  beiden  Anhängen  zu  diesem  Abschnitt  behandelt  Fr.  Dahl 
wiederum  die  Fauna  von  Para,  der  andere,  von  den  sämmtlichen 
„Anhängen"  der  umfangreichste,  aus  der  Feder  des  Botanikers 
der  Expedition  Franz  Schutt,  schildert  das  Pflanzenleben  der 
Hochsee.  Jlanches  in  dieser  Abhandlung  Mitgetheilte  ist  auch  der 
in  der  „Naturw.  Wochenschr."  VIII  S.  153  durch  Herrn  Professor 
E.  V.  Martens  bereits  ausfiüirlich  besprochenen  Arbeit  Schütt's 
„Analytische  Plankton -Studien"   zu   entnehmen,    man  wolle  dess- 

*)  Diese  Annahme   steht  in  Widerspruch    mit  der  Thatsache. 
dass    die   Pflanzen    geschlechtliche  Fortpflanzungs-Organe    gerade 
unter     ungüubtigeren     Ernährungs- Bedingungen     hervorzubringen 
i   pflegen.  P. 


Nr.  47. 


Natnrwisscnscliaft liehe  Woc-henschrif't. 


527 


halb  ilio  citirtc  Besprechung  vergleichen.  Die  (1.)  Diatomiiceen 
unterscheidet.  Schutt  als  Grunddiatomeen  und  Planktondiatomeen, 
die  an  ihre  Lebensweise  im  freien  Wasser  besondere  Anpassungen 
zeigen.  Man  kann  die  D.  in  nahtfülirende  und  nahtt'reie  trennen, 
je  nachdem  jede  der  beiden  Schalen  eines  Indiviihnuns  aus  zwei 
gleichen  Stücken  zusammengesetzt  i.st,  die  an  ihrer  Verbindungs- 
linie wie  durch  eine  verdickte  ..Naht"  verbunden  eischeinen,  oder 
dieser  ..Naht"  entbehren.  Es  ist  z.  B.  bemerkenswertli,  dass  die  I 
Grunddiatomeen  allermeist  Nähte  besitzen,  wiihn'nd  die  Plankton- 
diatomeen hingegen  überwiegend  nahtfrei  sind.  Es  erklärt  sich 
das  aus  der  Theorie  Max  Schultze's,  nach  welchem  der  feine  Spalt, 
der  die  Naht  der  Länge  nach  durchzieht,  zum  Durchtritt  für  das 
Plasma  hehufs  Eigenbewegung  der  Diatomeen,  die  gerade  für 
Grunddiatomeen  den  Planktondiatomeen  gegenüber  von  Nutzen 
sein  muss,  bestimmt  ist.  Für  die  Planktondiatomeen  ist  wie  er- 
siclitlich  der  Besitz  der  Naht  danach  überflüssig.  Ausser  dem 
Fehlen  von  Merkmalen,  die  die  Grunddiatomeen  charakterisiren, 
zeigen  die  Planktondiatomeen  auch  eine  Reihe  von  positiven  An- 
passungserseheinungen  an  das  Leben  im  freien  Wasser.  Wir  er- 
wähnen nur  die  Thatsache,  dass  die  Planktondiatunieen  an  Volumen 
die  Grunddiatomeen  übertreffen  und  wasser-  (saft-)  haltiger  sind, 
wodurch  eine  dem  Wesen  nützliche  Annäherung  ihres  specitischen 
Gewichtes  an  das  ihres  Mediums  erfolgt.  Auch  Scliwebeapparate 
z.  B.  in  Form  langer  fadenförmiger  Anhängo  sind  zu  bemerken 
U.S.W.  — Die  (2.)  Peridinoen*J  sind  bekanntlich  durchweg  Plankton- 
fnrmen,  während  die  (.S  )  Flagellaten  untergeordnet  vertreten  sind. 
Die  (4.)  Pyrocysteen,  kleine  einzellige  Algen,  spielen  ebenfalls  im 
Plankton  keine  grosse  Rolle,  während  die  (5.)  Schizophyten,  näm- 
lich die  Oscillariaceen,  Nostocaceen,  Rivulariaceen,  Chroococcaceen 
und  Bakterien  sehr  reich  vertreten  sind;  die  letzteren  sind  fern 
von  den  Küsten  in  der  eigentlichen  Hochsee  freilich  nur  in  ver- 
schwindend geringer  Menge  zu  finden.  Die  (6.)  Haplochlorophyten 
(Zygnemaceen,  Protococcaceen,  Hydrodictyaceen,  Pleurococcaceen 
und  \'(iIvocaceen)  besitzen  in  der  Hochsee  nur  wenige  Vertreter. 
Die  bisher  genannten  Gruppen  (1.— Ü.)  fasst  Schutt  als  „Haplo- 
phyten"  zusammen,  er  stellt  sie  den  „Syniidiyten"  gegenüber, 
welche  sänimtliche  Pflanzen  von  den  Confervales  an  umfassen,  die 
höher  organisirt  sind  als  die  Haplophyten.  Die  Cldoroph3'ceen 
haben  keine  Bedeutung  für  die  Hochsee,  die  Charales  noch  weniger 
und  die  Phaeophyceen  (Fucaceen,  Laminariaceen  und  Rhodo- 
phyceen)  kommen,  wie  z.  B.  Sargassum,  nur  als  Pseudo-Plankton- 
Pflanzen  in  von  ihrem  Standort  losgerissenen  Stücken  vor. 

Abschnitt  IX  schildert  die  Heimreise  ül)er  die  Azoren.  Zu 
demselben  sind  wiederum  "2  Anhänge  beigegeben:  1.  Fr.  Dahl, 
Die  Landfauna  der  Azoren  und  2.  K.Brandt,  Ueber  Anpassungs- 
erscheinungen und  Art  der  Verbreitung  von  Hochsoethieren.  Unter 
den  letzten  fällt  die  möglichste  Herabsetzung  des  specitischen 
Gewichtes  der  Organismen  zunächst  ins  Auge,  und  zwar  1.  durch 
Aushildung  von  Gallertsubstanz  durch  wässrige  Aufcjuellung  vieler 
Oller  aller  Gewebe,  '_'.  durch  Au.sscheidung  von  Gas  in  besonderen 
Behältern,  und  3.  durch  reichliche  Fettbildung.  Dazu  kommt  noch 
häufig  4.  eine  bedeutende  ( )berflächen-Vergrösserung  und  damit 
Erhöhung  des  Reibung.-widerstandes.  Die  Farbenanjiassung  äussert 
sich  vor  allem  bekanntlich  dadurch,  dass  viele  Hochseethiere.  die 
an  der  Oberfläche  leben,  eine  rein-blaue  Farbe  besitzen.  Die  Be- 
wohner der  Sargassum-Büschel  zeigen  eine  vollkommene  Farben- 
anpassung an  die  grünlich-braune  Alge.  Krebse,  die  an  derselben 
leben,  sind  braun-bunt,  während  die  an  freischwimmenden  Hoch- 
seethicren  angeklammerten  blau  sind.  Die  bei  Hochseethieren  so 
ausserordentlich  häufige  Erscheinung  des  Lenchtens  ist  Brandt 
geneigt  als  eine  Folgeerscheinung  der  Anpassung  an  das  Hoch- 
seelebcn  anzusehen,  indem  das  Fett,  das  mit  dem  Leuchten  in 
enger  Beziehung  steht,  wie  gesagt,  in  erster  Linie  der  Verringe- 
rung des  spec  Gew.  dient,  sodass  das  Leuchten  zunächst  nur 
eine  Begleiterscheinung  ist,  die  freilich  bei  vielen  Thieren  dann 
zur  Hau|)tfunktion  erhoben  worden  ist.  Manche  Thiere  kommen 
in  grossen  Anhäufungen  vor.  Die  koloniebildende  Radiohirie 
Myoxosphaera  coerulea  wnrde  in  gleielimässiger  Vertheilung  idier 
die  Strecke  von  gegen  läOO  Seemeilen  hin  conslatirt.  Schwärme 
pelagischer  Thiere  finden  sieh  häufig  besonders  als  Folge  der  die 
gleichmässige  Vertheilung  störenden  Meeresströnuuungen. 

Bd.  I  C  „Geophysikalische  Beobachtungen",  gliedert  sich  in 
\.  meteorologische  und  2.  oceanographische  Beobachtungen.  Der 
1.  Alischnitt  bringt  Nachrichten  über  Windstärken,  die  oberen 
Wolken,  Regenverhältnis.'^e  u.  s.  w.,   der  "J.  über  Tiefseelothungen, 


*)  Vergl  über  diese  Gruppe  den  reich  illustrirten  Artikel  „Die 
neuesten  Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der  Peridineen-Forscluing" 
in  der  „Naturw.  Wochensehr."   Bd.  VIT  No.  18  S.  173  ff. 


Salzgehalt,  Farbe  des  Wassers  und  Beobachtungen  an  Wellen. 
Von  den  beigegebenen  beiden  Karten  veranschaulicht  die  eine  den 
Salzgehalt  der  MeeresolxM'fläche,  .-lus  der  zu  ersehen  ist,  dass  der 
stärkste  Salzgehalt  des  Atlantic  in  einer  ungefähr  von  dem  2ü.  und 
30.  nördl.  Breitengrad  begrenzten  breitgezogenen  Ellipse  gefunden 
wird  Die  2.  Karte  veranschaulicht  die  herrschende  Wasserfarbe, 
aus  der  hervorgeht,  dass  eine  ähnliehe,  aber  vom  30°  der  Länge 
nach  durchschnittene,  also  nördlicher  als  die  vorige  liegende 
Ellipse  tiefes  Kobaltblau  von  grösster  Transparenz  zeigt,  während 
von  dieser  Ellipse  aus  nach  den  Küsten  hin  nach  einander  ver- 
zeichnet sind:  Kobaltblau,  Grünliidiblau.  ausgeprägt  Grünblau 
und  endlich  „Dunkel-  oder  Ostsi-egrün,  meist  stark  getrübt''. 

DieArbeitBd.il  Ga«  nimmt  um-  9  Seiten  ein.  Halebatiden, 
jene  an  inisere  Hydrometra  und  auch  zu  den  Hydroinetridae  ge- 
hörigen Wasserwanzen,  sind  bisher  nur  in  den  tro))isclien  Theilon 
der  Oceane  beobachtet  worden:  noch  vieles  in  ihrem  Leben  be- 
darf der  Aufhellung. 

Umfangreicher,  gegen  90  S.  einnehmend  und  mit  XIII  Tafcdu 
versehen,  ist  die  Abhandlung  Bd.  II  Guß.  Im  Gegensatz  zu  der 
vorigen  Insectengruppe  sind  die  Halacarinen  Bewohner  des  Meeres- 
bodens, mit  Ausnahme  weniger  Arten,  die  im  Süsswasser  vor- 
kommen, also  gerade  umgekehit  wie  die  im  Süsswasser  mit  den 
genannten  verwandten  Hydrachniden.  von  denen  einige  wenige 
Arten  auch  im  Meerwasser  vorkommen.  Die  Meeresmilben  bilden 
einen  wesentlichen  und  beständigen  Bestandtheil  der  Meeresfauna. 
Zwischen  dem  Sargassum  wurden  merkwüidigerweise  keine  ge- 
funden, aber  das  Absuchen  der  Küstenalgen  und  die  Plankton- 
fänge ergaben  9  Arten,  von  denen  4  neu. 

Bd.  II  K  d  uinfasst  28  Seiten  mit  4  Tafeln  mit  Darstellungen 
der  Thiere  und  ihrer  Theile  und  einer  Karte,  welche  die  geogra- 
phische Verbreitung  der  Cathammata  zur  Darstellung  bringt,  die 
erste,  grössere  Abbildung  der  acraspeden  Medusen.  Man  kann 
aus  derselben  u.  a.  ohne  Weiteres  herauslesen,  dass  die  Cliarvb- 
deidae  (Verf  theilt  die  Cathammata  in  1.  Charybdeiilae,  2.  In- 
coronata  und  3.  Coronata)  der  wärmeren  Meerregion  angehören, 
etwa  vom  30°  nördl.  bis  zum  30°  südl.  Breite.  P. 


B.  Farwick,    Nützliche  Vogelarten  nebst  ihren  Eiern,    deren 
Schutz  behördlich  angeordnet  ist,  nebst  erläuterndem  Text. 

VII  Farbenilrucktafeln.  Herausgegeben  von  Hans  Buscher,  litho- 
graphische Kunstanstalt.  Comm. -Verlag  von  Friedrich  Wolfrum, 
Düsseldorf.     181)2.  — 

Auf  7  Farbentafeln  bringt  obiges  Werk,  in  ziemlich  guter 
Darstellung,  an  welcher  man  bis«  eilen  einige  Härte  in  den  Farben- 
tönen mouiien  könnte,  die  Abbildungen  einer  Anzahl  von  Arten 
besonders  nützlicher  Vögel,  dci-en  Tödten  oder  Fangen  behördlich 
untersagt  ist.  Aus  einer  dem  Prospect  für  das  Werk  beige- 
druckten Verordnung  der  Kgl.  Regierung  in  Düsseldorf  ersieht 
Ref,  dass  der  Autor  sich  im  Wesentlichen  an  die  in  der  er- 
wähnten Verordnung  genannten  N'ögel  gehalten  hat  und  so  er- 
klärt es  sich  vielleicht,  dass  einige  Arten,  welche  man  in  <'inem 
Werk  wie  das  obige  suchen  muss,  nicht  berücksichtigt  sind, 
während  andere,  die  wegen  ihres  seltenen  Vorkommens  für  die 
Praxis  kaum  Bedeutung  haben,  wie  z.  B.  die  Mandelkrähe,  in 
Bild  und  Text  vertreten  sind.  Was  der  Autor  bietet,  ist  wichtig 
und  richtig  und  so  kann  man  dem  Werk  nur  eine  weite  Ver- 
breitung wünschen.  Besonders  dürfte  es  Landwirthen,  Volks- 
und Landschullehrern  zu  empfehlen  sein,  da  es  in  der  Hand 
des  Lehrers  ein  nicht  zu  unterschätzendes  Hilfsmittel  für  den 
Unterricht  in  der  Thierkunde  sein  wird.  Dr.  Ernst  Schaft'. 


Fritsch,    Prof.    Dr.  K.  v.,    Zumoffens    Höhlenfunde    im    Lib.inon. 

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i;eonietrisclien  und  anderen  Anwendungen.     Leipzig.     24  M. 
Löwl,  Prof.  Dr.  Ferd.,  Die  gebirgbildeiulen  Felsarten.    Stuttuart. 

4  M. 
Lombroso,    C,  u     G.  Ferrero,    Das  Weib    als  Verbreclu^rin    uiul 

Prostituirte.     llanihurg.      18,.'i(l  .M. 
Scheffler,  Dr.  Herrn.,    Beleuchtung    und  Beweis  eines  Satzes  aus 

Legendre's  Zahlentheorie.     Leipzig.     1  M. 
—     Die  Aeqüivalenz    der  Naturkräfte  und   das  Energiegesetz  als 

Weltgesetz.     Leijizig.     9  M. 
Schmidt,    Dr.    K.    E.    F.,    Beziehungen    zwischen    Blitzspur    und 

Saftstrom   lud   Bäunu'n.      Ilalh'.      1   M. 


Jlllialt:  H.  Potonie:  Der  Begritf  der  Blüthe.  (Mit  Abbild.)  —  65.  Versammlung  deutscher  X-iturfnri-clier  und  Aerzti'  in  Xürn- 
berg.  —  Die  Träger  der  Vererbung.  —  Zur  Mvrmekophilie  des  Adleifarns.  ~  Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben.  —  LItteratur: 
Ergebnisse  der  in  dem  Atlantischen  Ocean  von  Mitte  .luli  bis  Anfang  November  1889  ausgeführten  Plankton-Exijedition  der 
Humboldt-Sliftung.  —  B.  Farwick:  Nützliche  Vogelarten,  nebst  ihren  Eiern,  deren  Schutz  behördlich  angeordnet  ist,  nebst 
erläuterndem  Text.  —  Liste. 


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^ftp"     Xlt.   Siehe   Bespreclning  in  der 
„NaturwIssensch.Wochenschr."  Bd.  VIII.  1893  Nr.  44 


Verautwortlicher  Redakteur:    Dr.  Henry   l'otonie,    Berlin  N.  4.,  Invali 
Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin 


drustr.  41,    für  den    Inseratentheih    llii^o    r..Miisteiii 
SW.   12.  —  Druck:  G.  Bernstein,  Berlin  SW    12. 


llrrlill.     - 


Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12,  Zimmerstr.  94. 


VIII.  Band. 


Sonntag,  den  26.  November  1893. 


Nr.  48. 


Abonnement:  Man  abonnirt  bei  allen  Buchhandlungen  und  Post- 
anstalten,  wie  bei  der  Expedition.    Der  Viertcljahrspreis  ist  M  4.— 
Biingegeld  bei  der  Post  \i  -^  extra. 


Inserate :  Die  viergespalteue  Petitzeile  40  A.   Grössere  Aufträge  ent- 
sprechenden Rabatt.  Beilagen  nach  Uebereinkunft.  Inseratenannahme 
bei  allen  Annoncenbureaux,  wie  bei  der  Expedition. 


Abdruck  ist  nur  niit  vollständiger  <^uellt>naiigabe  gestattet. 


Ueber  die  Bedeutung  wissenschaftlicher  Ballonfahrten. 


Von  Dr.  E.  Koebke. 


Bei  der  Eutwiekeluiig,  welche  die  Meteorologie  in 
neuerer  Zeit  genommen  hat,  wurde  schon  früh  erkannt, 
dass  nur  dann  ausreichende  Erklärungen  für  die  wahr- 
genommenen Witterungserscheinungen  gegeben  werden 
können,  wenn  die  vcrticalen  Aenderungen  im  Znstand  der 
Atmosphäre  der  Untersuchung  zugänglich  gemacht  würden; 
der  einzige  Weg,  um  solche  Untersuchungen  auszuführen, 
besteht  darin,  regelmässige  Beobachtungen  an  Stationen 
auszuführen,  welche  möglichst  nahe  an  einander  und  in 
möglichst  verschiedener  Höhe  sich  befinden.  Aus  diesen 
C4ründen  wurde  schon  bald  von  den  Meteorologen  auf  die 
Wichtigkeit  der  Errichtung  von  Bergobservatorien 
hingewiesen  und  eine  ganze  Anzahl  solcher  Stationen  er- 
baut, von  denen  die  höchsten  in  den  einzelnen  Ländern 
die  folgenden  sind:  In  Deutschland  der  Wendelstein 
(1828  m),  in  Oesterreich  der  Sonnblick  (3103),  in  der 
Schweiz  der  Säutis  (2467),  in  Frankreich  der  Pic  du 
Midi  (2370)  —  auch  das  nach  den  neuesten  Berichten 
im  Bau  vollendete  Montblanc-Observatorium  dürfte 
demnächst  mit  den  Beobachtungen  beginnen  — ,  in  Italien 
der  Etna  (2990),  in  Portugal  die  Sierra  da  Estrella 
(1441),  in  Grossbritannien  der  Ben  Nevis  (1343)  und 
endlich  in  Nordamerika  der  Pike's  Peak  (4308).  Von 
dem  letzteren,  der  bisher  höehstgelegencn  Gipfelstation, 
liegen  bereits  langjährige,  ausführliche  Beohachtungs- 
resultatc  vor.  Aber  trotz  der  Bedeutun 
Stationen   besitzen,    kann  ihnen    doch 


immer 


welche  diese 
nur  ein  be- 


schränkter Tlieil  der  zu  lösenden  Aufgaben  zufallen;  sie 
bilden  auf  jeden  Fall  immer  nur  einen  Uebergang  von 
den  Verhältnissen  an  den  Tieflandstationen  zu  jenen  der 
höheren  Regionen,  denn  alle  dort  gewonnenen  Resultate 
stehen  immer  noch  in  hohem  Grade  in  Abhängigkeit  von 
den  Einflüssen  der  Erdoberfläche,  die  sich  ja  selbst  bei 
den  steilsten  Gebirgen  doch  immer  nur  allmählich  zum 
Gipfel  erhebt.  Erst  wenn  wir  über  Sinn  und  Grösse  der 
Uiitcr,schiedc  genau  unterrichtet  sind,  welche  zwischen  den 


im  Inneren  des  Luftmeeres  und  den  auf  Gebirgsstationen 
gewonnenen  Beobachtungen  bestehen,  erhalten  die  letzteren 
ihren  wahren  Werth. 

Zur  Ermittelung  dieser  Unterschiede  und  zur  Erforschung 
der  Verhältnisse  in  der  freien  Atmosphäre  giebt  es  kein 
anderes  Hilfsmittel,  als  den  Luftballon;  daher  ist  es  zu 
erklären,  dass  in  letzter  Zeit  den  zu  wissenschaftlichen 
Zwecken  mit  demselben  ausgeführten  Fahrten  ein  so  hohes 
Interesse  gewidmet  wird.  Bevor  wir  auf  diese  Fahrten 
näher  eingehen,  sei  noch  auf  die  Bedeutung  hingewiesen, 
welche  in  neuester  Zeit  der  Eiffelthurm  (305  m  hoch) 
für  die  Meteorologie  gewonnen  hat.  Da  die  auf  demselben 
angestellten  Beobachtungen  nahezu  frei  von  dem  Einflüsse 
des  umgebenden  Erdgeländes  sind,  so  können  sie  wohl 
als  die  Zustände  der  freien  Atmosphäre  charakterisircnd 
angesehen  werden,  und  in  der  That  sind  seit  der  kurzen 
Zeit  seines  Bestehens  schon  sehr  werthvolle  Resultate 
erzielt  worden,  von  denen  wir  einige  hier  anführen  wollen. 
Die  Windgeschwindigkeit  beträgt  hier  etwa  das  Drei- 
fache derjenigen  am  Erdboden.  Ihr  täglicher  Gang  ist, 
wie  die  umstehenden  Diagramme  (Fig.  1  u.  2)  erläutern 
mögen,  ganz  verschieden  von  demjenigen  unten;  während 
nämlich  in  der  Thalsohlc  in  allen  Monaten  das  Minimum  um 
Sonnenaufgang,  das  Maximum  gegen  1  —  2  Uhr  Nachmittags 
stattfindet,  zeigt  sich  auf  der  Spitze  des  Thunnes  gerade 
das  Gegentheil,  in  den  Sommermonaten  tritt  das  Jlinimum 
zwischen  9  und  10  Uhr  Morgens,  das  ]\Iaximum  gegen 
11  Uhr  Abends  ein,  in  den  Wiutermonaten  tritt  eine 
weitere  Verschiebung  ein. 

Bei  der  Temperatur  liegt  das  tägliche  Minimum  im 
Allgemeinen  höher,  das  Maximum  tiefer  als  in  der  Thal- 
station, die  Amplitude  der  täglichen  Variation  ist  etwa 
zweimal  schwächer  an  der  Spitze  als  am  Fusse  des  Eitfel- 
thunncs.     Dasselbe  gilt  von  der  jährlichen  Variation,    da 


die  Gipfeltemperatur  relativ  uiedrij. 
Winter  ist. 


im  Sommer,  hoch  im 


530 


Naturwisscuscbaftlicbc  Wochenschrift. 


Nr.  48 


So  intei-cssaiit  nud  wichtig  auch  diese  Resultate  sind 
und  so  wünschenswerth  die  Vermehrung-  ähnlicher  Beob- 
aehtungsstationen  wäre,  so  muss  man  doch  beachten,  an 
welche  geringen  Höhenunterschiede  man  bierliei  gebunden 
ist.  Will  man  ans  grösseren  Höhen  von  ganz  tVeigelegeneu 
Punkten  Beobachtungen  haben,  so  muss  man  zum  Luft- 
ballon gehen.  Seit  der  Erfindung  desselben  sind  denn 
auch  bei  Fahrten  fast  regelmässig  meteorologische  Beob- 
achtungen angestellt  worden;  ja  zum  Thcil  wurden  Fahrten 
nur  zu  diesem  Zwecke  unternommen.  Wir  heben  hier  nur 
hervor  die  Fahrten  von  Barral  und  Bixio,  welclie  am 
17.  Juli  ISÖO  sicii  bis  zu  einer  Höhe  von  über  700ü  ni 
erhoben,    wobei   sie   unter  anderem  eine  Temperatur  von 

—  39,7°  C.  beobachteten,  die  Fahrten  von  Glaishcr  aus 
den  seclizigcr  Jahren,  die  in  Bezug  auf  Kühnheit  und 
Eeichhaltigkcit  der  Ergebnisse  bisher  unerreicht  dastehen 

—  er  gelangte  bis  zu  mindestens  8800  m  — ,  endlich  die 
Fahrten    des    Ballons    Zenith    im 

Jahre  1875,  bei  dessen  letzter,  am 
5.  April,  Croce-Spinelli  und 
Sivel  in  einer  Höhe  von  wahr- 
scheinlich 8600  m  ihren  Tod  fanden.        ^1''*^'^ 

In  neuester  Zeit  ist  von  den 
Franzosen  ein  Unternehmen  ins 
A\'erk  gesetzt  worden,  welches 
durch  seine  Originalität  Interesse 
erregt.  Unter  Leitung  von  Hermite 
werden  unbemannte,  mit  Kegistrir- 
Instrumenten  ausgerüstete  Ballons 
in  die  Luft  gesandt,  welche  wegen 
ihres  geringen  Gewichtes  ganz  be- 
trächtliche Höhen  erreichen.   So  re- 


Jüui  —  September. 


Fuss 


Figur  1 


gistrirte 


ein    am    21.   März   abge- 


schickter, 113  cbm  fassender  Ballon 
während  einer  siebenstündigen 
Fahrt  als  niedrigsten  Barometer-  Siutz( 
stand  103  mm,  was  unter  Berück- 
sichtigung derTemperatur,  als  deren 
niedrigste  — 51°  C.  verzeichnet 
wurde  —  nachher  gefror  die  Tinte 
— ,  einer  Höhe  von  etwa  16  000  m 
entspricht.  Da  an  der  Erdoberfläche 
17°  Wärme  herrschten,  so  beträgt  j-„gg 

die    mittlere    Temperaturabnahme 
0,54°  C.  pro  100  m. 

Verdienen  nun  auch  diese 
Fahrten  und  die  durch  dieselben 
in    meteorologischer    Hinsicht    erzielten 


Figur 


Ergebnisse 
höchste    Interesse,     so     ist     doch     bei    ihnen    allen 


das 
ein 
Uebelstand  zu  beachten,  der  für  die  Verwerthung  dieser 
Beobachtungen  erschwerend  ins  Gewicht  fällt,  es  ist  der 
Umstand,  dass  die  Temperaturablesungen,  welche  auf 
diesen  Fahrten  gemacht  worden  sind,  nur  mit  der  aller- 
grössten  Vorsiebt  zu  gebrauchen,  zum  Thcil  sogar  ganz 
werthlos  sind.  Es  beruht  dies  auf  den  folgenden  Gründen. 
Bekanntlieh  hängt  der  Stand  eines  Thermometers  nicht 
allein  von  der  Temperatur  der  umgebenden  Luft,  sondern 
auch  davon  ab,  in  welchem  Maasse  dasselbe  durch  Ein- 
oder  Ausstrahlung  beeinflusst  wird.  Um  diesen  letzteren 
Einflüssen  abzuhelfen,  sind  für  die  Aufstellung  der  Thermo- 
meter die  verschiedensten  Schutzvorrichtungen  erfunden 
worden,  unter  denen  die  Hüttenaufstellung  die  bekannteste 
ist.  Diese  Schutzvorrichtungen  lassen  sich  aber  im  Luft- 
ballon nicht  anbringen,  und  gerade  in  ihm  treten  die 
Strahlungseinflüssc  am  allerschärfsteu  hervor,  weil  in  ihm 
stets  vollständige  Windstille  herrscht  —  er  fliegt  ja  mit 
dem  Winde.  Deshalb  eben  sind  in  den  Temperaturangaben 
der  älteren  Fahrten,    wo   die  Thermometer  zumeist  ganz 


ungeschützt  aufgestellt  waren, 


beträchtliclic  Fehler. 


Es  war  deshalb  von  Bedeutung,  dass  Professor  Assniann 
ein  Instrument  konstruirte,  bei  welciicm  die  erwähnten  Uebcl- 
stände  nach  den  von  ihm  angestellten  Versuchen  ganz 
Avcgfallen.  Schon  früher  hatte  man  durch  l'enutzung  des 
Schleuderthermometers  bei  Temperatnrablesungen  die 
Strahlnngseinflüsse  zu  vermeiden  gesucht:  An  einem  Faden 
wurde  ein  Thermometer  vor  der  Ablesung  einige  Minuten 
durch  die  Luft  geschleudert,  um  hierbei  die  wahre  Luft- 
temperatur anzunehmen.  Professor  Assmanu  benutzt  das 
umgekehrte  Princip,  er  führt  nicht  das  Thermometer  durch 
die  Luft,  sondern  die  Luft  an  dem  Thermometer  vorbei; 
zu  diesem  Zwecke  sind  bei  dem  As]»irationspsychro- 
nieter  zwei  Thermometer,  ein  trockenes  und  ein  be- 
feuchtetes —  der  Unterschied  in  den  Angaben  beider 
Thennometer  giebt  ein  Mittel  zur  Bestimmung  der  Luft- 
feuchtigkeit — ,  in  je  zwei  mit  einander  verbundenen,  blank 
l)olirten  Röhren  eingeschlossen,  durch  welche  von  einem 
Ventilator  die  Luft  hindurchge- 
saugt wird.  Eine  lange  Reihe  von 
Versuchen  führte  den  Erfinder  dazu, 
die  möglichst  günstige  Form  für 
diese  umhüllenden  Röhren  und  den 
V^entilator  zu  finden;  er  fand  seine 
langen  Bemühungen  durch  das  Er- 
gebniss  gekrönt,  dass  das  P.sychro- 
metcr  in  der  Sonne  und  im  Schat- 
ten, unter  sonst  gleichen  Verhält- 
nissen, denselben  Stand  zeigte.  In 
diesem  Apparat  nun  war  ein  Mittel 
gefunden,  das  für  die  IJeobach- 
tungen  im  Luftballon  von  höchster 
Bedeutung  ist,  und  es  war  des- 
halb gerechtfertigt,  dass  der  Wunsch 
entstand,  nunmehr  auch  eine  Reihe 
von  Fahrten  unter  Benutzung  dieses 
lustiumcntes  auszuführen,  durfte 
man  doch  jetzt  sehr  werth volle  und 
vor  allem  einwandsfreie  Tempera- 
turbeobachtungen erwarten. 

Freilich  sind  auch  gegen  die 
Verwendung  des  Aspirationspsy- 
chrometers  bei  Ballonfahrten  in 
neuerer  Zeit  durch  den  amerika- 
nischen Meteorologen  Professor 
Hazen  Bedenken  geltend  gemacht 
worden,  die  darin  gipfeln,  dass 
bei  solchen  Fahrten,  bei  sehr 
schnellem  Steigen  oder  Fallen  des  Ballons,  wo  die  Tempe- 
ratur sich  rasch  ändert,  der  durch  den  Ventilator  in  dem 
Instrument  erzeugte  Luftstrom  so  gering  ist,  dass  seine  An- 
gaben hinter  den  wahren  Werthen  zurückbleiben  müssen.  In- 
wieweit diese  Bedenken  gerechtfertigt  sind,  werden  genaue 
Untersuchungen  lehren.  Nur  das  eine  möchte  der  Verfasser 
aus  eigener  Erfahrung  hervorheben:  wir  haben  es  hier  mit 
einem  äusserst  empfindlichen  Instrument  zu  thun,  das  nur 
einem  geübten  und  durchaus  gewissenhaften  Beobachter  an- 
vertraut werden  darf,  da  es  leicht  ist,  mit  demselben  imierhalb 
gewisser  Grenzen  jede  beliebige,  etwa  gewünschte  Tem- 
peratur zu  erzielen,  wenn  man  nur  dem  Luftstrom,  welcher 
an  den  Thermometern  vorbeigeführt  wird,  irgend  welche 
Wärmequellen,  etwa  die  vom  eigenen  Körper  ausgestrahlte 
Wärme,  zuführt.  Namentlich  muss  diese  Vorsicht  während  ' 
der  Befeuchtung  des  einen  Thermometers  geübt  werden, 
indem  nach  derselben,  ebenso  wie  nach  jedem  Aufziehen 
des  Ventilator -Uhrwerkes,  dem  Insti-ument  Zeit  gelassen 
werden  muss,  sich  einzustellen. 

Wir  gehen  nunmehr  über  zur  I5esprechung  des  in 
diesem  Jahre  vom  Deutsehen  Verein  zur  Förderung  der 
Lultseliiftfahrt    ins  AVerk    gesetzten  Unternehmens,    durch 


0  c  t  0  b  c  r  —  D  e  c  c  m  b  c  1'. 
!     «     6    s    to  /?"  ?f  *     e    8   fo  n" 


Nr.  48. 


Natunvissenscluiftliclic  Wocliensclirift. 


531 


eine  grössere  Reibe  von  Falirten,  bei  denen  vor  allen 
Dingen  auf  die  Anstellungen  einwandfreier  Beob- 
achtungeu  Rücksiclit  genonniien  werden  soll,  zur  Er- 
forscluing  des  Zustandes  der  Atniospbäre  wertbvolle  Bei- 
träge zu  liefern.  Es  dürfte  deslialb  zunäebst  am  Platze 
sein,  noch  einmal  genauer  die  Aufgaben  anzuführen,  welelie 
bei  diesen  Fahrten  ilu'er  Lösung  möglichst  entgegengefübrt 
werden  sollen.  (Nach  W.  von  Bezold,  Himmel  und  Erde, 
Üetoberheft  18'J2.) 

Nachdem  man  erkannt  hatte,  dass  die  Vertheilung 
des  Luftdrucks,  die  Entstehung  und  Fortbewegung  baro- 
metrischer Maxima  und  Minima,  den  Charakter  des  Wetters 
bedingen,  wurde  man  bald  dazu  geführt,  die  Entstehung 
solcher  Gebiete  hohen  und  niedrigen  Luftdruckes  durch 
locale  Erwärmungen  über  einzelnen  Theilen  der  Erdober- 
fläche, sowie  durch  Abkühlung  an  anderen  Stellen  unter 
Mitwirkung  der  ablcnkeudeu  Kraft  der  Erdrotation  zu 
erklären;  diese  Lehre,  die  sogenannte  Convectious- 
theorie,  der  vornehmlich  die  meteorologische  Forschung 
in  den  letzten  Jahrzehnten  gewidmet  war,  deren  absolute 
Iliclitigkeit  aber  auch  durch  Beobachtungen,  namentlich  an 
Bergobservatorien,  in  Frage  gestellt  worden  ist,  bedarf  vor 
allen  Dingen  der  weiteren  Begründung  und  der  JModifi- 
cirung.  Des  weiteren  ist  die  Wolken-  und  Niedersclilags- 
bildung  näher  zu  untersuchen;  als  deren  wesentlichste 
Ursache  ist  ja  die  Abkühlung  anzusehen,  Avclcbc  die  Luft 
beim  Aufsteigen  erfährt;  da  nun  die  Beobachtung  der 
Wolken  lehrt,  dass  dem  aufsteigenden  Luftstrome  des 
barometrischen  Jlinimums  in  verschiedenen  Höben  Luft 
aus  dem  benachbarten  Maximum  beigemischt  wird,  so 
kommt  es  darauf  au,  die  Veränderungen  festzustellen, 
welche  das  Gesetz  von  der  Temperaturabnahme  mit  der 
Höhe  erfährt,  wenn  man  ans  der  ncbelfreien  Luft,  sei  sie 
nun  trocken  oder  von  Regentropfen  durchsetzt,  in  die 
Wolken  selbst  eintritt,  und  durch  Temperaturbestimmungen 
unterhalb  und  innerhalb  der  Wolken  festzustellen,  wie 
bedeutend  die  Erwärmung  oder  Abkühlung  ist,  welche  die 
Luft  bei  solchen  Vorgängen  erleidet.  Von  höchstem  Liter- 
esse werden  diese  Untersuchungen  namentlich  dann,  wenn 
der  Ballon  die  obere  Begrenzung  der  Wolken  passirt,  da 
au  dieser  Fläche  eine  gewaltige  Reflexion  der  Sonnen- 
strahlen eintritt,  welche  ebenso  wie  die  damit  Hand  in 
Hand  gehende  Verdunstung  zu  eigeuthümlichen  Erschei- 
nungen führen  muss.  Auch  über  die  Beschaffenheit  der 
Wolken  selbst  muss  Aufschluss  erhalten  werden,  wurde 
doch  schon  verschiedentlich  bei  Ballonfahrten  l)eobachtet, 
dass  innerhalb  der  Wolken  die  Temperatur  weit  unter 
dem  Gefrierpunkt  lag,  ohne  dass  hier  Eispartikelchen  an- 
getroffen wären.  Endlich  ist  von  Wichtigkeit  die  Be- 
stinunung  derjenigen  Hohen,  bis  zu  denen  sich  die  Wirk- 
sand^eit  atmosphärischer  Wirbel  erstreckt,  sowie  nament- 
lich derjenigen  Höhe,  in  welcher  ein  Zuströmen  der  Luft 
nach  der  barometrischen  Depression  in  ein  Ausströmen 
übergeht. 

Sollen  nun  alle  diese  Aufgaben  ihrer  Lösung  ent- 
gegengeführt werden,  so  wäre  dazu  freilich  erforderlich, 
dass  solche  Fahrten  bei  jeder  beliebigen  Witterung,  im 
Hochdruck-  oder  Tiefdruck- Gebiet,  bei  klarem  und  bei 
bedecktem  Himmel,  bei  Tag  und  bei  Nacht  unternommen 
werden;  leider  bietet  hier  die  Ballontechuik  Hindernisse 
dar,  die  nicht  leicht  zu  überwinden  sind.  Schon  bei 
einigermaassen  windigem  Wetter,  von  Sturm  ganz  zu 
schweigen,  gehört  die  Füllung  eines  grösseren  Ballons 
nahezu  zu  den  Unmöglichkeiten,  und  man  ist  deshalb 
darauf  beschränkt,  bei  leidlich  windstillem  Wetter  zu 
fahren.  Auch  auf  die  Landung  muss  ja  innuer  Rücksicht 
genommen  werden:  Ist  der  Ballon  über  den  Wolken,  so 
darf  doch  der  Luftschitier  die  Richtung  der  Fahrt  nicht 
verlieren,  namentlich  in  unseren  Gegenden,  wo  die  Gefahr, 


dass  die  See  erreicht  w-erde,  sd  nahe  liegt,  und  ist  des- 
halb genöthigt,  möglicherweise  die  interessantesten  Beob- 
achtungen zu  unterbrechen,  luii  durch  die  Wolken  hinab- 
zusteigen und  die  Erde  erblicken  zu  können.  Aber  selbst 
bei  so  beschränkten  Bedingungen,  unter  denen  Fahrten 
unternounnen  werden  können,  darf  noch  eine  ganz  ge- 
waltige Ausbeute  in  wissenschaftlicher  Hinsicht  erhoff't 
werden. 

Es  mag  noch  erwähnt  wi'rden,  dass  bei  Gelegenheit 
des  schon  erwähnten  Unternehmens  auch  nichtmeteoro- 
logische  Fragen  berücksichtigt  werden  sollen.  S(j  handelt 
es  sich  um  die  Untersuchung  von  der  Besehaflfenheit  der 
Luft  in  h('iheren  Gebieten,  um  Bestimmung  der  Luft- 
elektricität  in  verschiedenen  Höhen  u.  a. 

Da  nach  dem  Vorstehenden  einer  der  wesentlichsten 
Zwecke  der  Luftfahrten  stets  die  Ermittelung  derjenigen 
Zustände  sein  wird,  welche  gleichzeitig  in  verschiedenen, 
senkrecht  über  einander  gelegeneu  Luftschichten  herrschen, 
so  erwächst  die  Aufgabe,  möglichst  unterhalb  der  ganzen 
vom  Ballon  zurückgelegten  Bahu  aus  derjenigen  Zeit 
Beobachtungen  zu  erhalten,  während  welcher  derselbe  sich 
im  Zenith  befindet.  Demgemäss  werden  vor  jeder  Ballon- 
fahrt die  Vorsteher  der  in  der  voraussichtlichen  Fahrt- 
richtung gelegenen  meteorologischen  Beobaehtungsstationeu 
telegraphisch  ersucht,  innerhalb  der  ihnen  mitgetheilten 
Zeitpunkte  mriglichst  oft,  .jedenfalls  aber  zu  jeder  vollen 
Stunde  Ablesungen  an  den  ihnen  zu  Gebote  stehenden 
Instrumenten  zu  machen.  In  dieser  Weise  ist  bei  den 
Fahrten  mit  dem  „HumboUlt"  und  dem  „Phönix"  tnr  die 
Bearbeitung  der  Ballonbeobachtungen  werthvolles  Material 
erhalten  worden. 

Diese  Fahrten,  welche,  wie  bekannt,  allgemein  das 
höchste  Interesse  erregt  haben,  sollten  ja  zur  Erforschung 
so  mancher  atmosphärischer  Vorgänge  beitragen;  es  ist 
deshalb  für  dieselben  ein  reiches  Programm  aufgestellt 
worden,  über  dessen  bisherige  Erledigung  kaum  wesent- 
liche Punkte  veröffentlicht  worden  sind.  In  der  That  wer- 
den die  ganzen  Ergebnisse  nach  Beendigung  der  Fahrten 
einer  eingehenden  Bearbeitung  unterzogen  werden,  so  dass 
die  Resultate  eineu  stattliciieu  Band  füllen  dürften.  Ueber 
die  Technik  des  Ballons  hat  der  technische  Leiter  der 
Fahrten,  Prcmierlieutenant  Gross,  kürzlieh  eingehende 
Mittheilungen  gegebeu.*)  Es  dürfte  interessiren,  hier  eine 
Beschreibung  der  Fahrt  zu  geben,  au  welcher  Verf.  thcil- 
genommen  hat,  und  die  am  7.  April  d.  J.  stattfand. 

Die  Auffahrt  erfolgte  an  diesem  Tage  um  ü  Uhr 
"26  Minuten  Älorgeus  von  Charlottenburg  aus  unter  Leitung 
von  Premierlieutenant  Gross,  während  die  wissenschaftliehen 
Beobachtungen  ausser  dem  Verfasser  Herr  Berson  ausführte. 
Eine  nördliche  Luftströmung,  die  iu  grösserer  Höhe  in 
eine  etwas  östliche  überging,  führte  uns  über  Schöneherg, 
Tcmpelhof,  Dahme,  Ilerzberg,  Torgau,  Riesa,  Griuuna, 
Altenburg,  Saalburg,  üljcr  den  Thürinn'er  \Vi\\d  nach  ( )ber- 
franken,  wo  wir  um  G  Uhr  Abends  nahe  der  Eiseidiahn- 
station  Kronaeh  glücklich  landeten.  Der  Ballon  war  nnt  den 
immer  mitgeführten  Instrumenten  ausgerüstet,  zur  Beob- 
achtung des  Luftdruckes  dienten  ein  Aneroid-  und  ein 
(iueeksilberbarometer,  von  denen  letzteres  die  Ilanpt- 
beobachtungen  liefern  S(»llte,  ausserdem  ciu  Barograph 
des  Systemes  Richard  Freres,  welcher  namentlich  ffir  den 
Leiter  des  Ballons  sehr  angenehm  ist,  insofern,  als  er  das 
Steigen  und  Fallen  des  Ballons  durch  die  von  ihm  auf- 
gezeichnete Curve  ohne  weiteres  erkennen  lässt.  Das  zur 
Bestimmung  der  Lufttemperatur  dienende  Aspirations- 
psychrometcr  hängt  ausserhalb  des  Korbes  zwischen  den 
Schenkeln    eines   Holzgestänges    und   wird   mittelst  Fern- 


*)  Vergl.  Zoitsclirift  für  LiiftscliifAilirt  luul   I'livsik  der  Atmo- 
spluire,  Bd.  XII,  1893,  lieft  7-9. 


532 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  48 


rolires  abgelesen;  nur  zum  Befeuchten  des  einen  Thermo- 
meters wird  es  herangezogen;  als  Vergleiclisinstrnment 
führten  wir  noch  ein  Schleuderthermometer  mit,  wahrend 
ein  zweites  Aspirationsspychrometer 
innerhalb  des  Korbes  hing,  aber  von 
der  Körperwärme  in  so  augenschein- 
licher Weise  beeiuflusst  wurde,  dass 
die  damit  erzielten  Resultate  ohne 
w'eiteres  verworfen  werden  mussten. 
Die  Sonnenstrahlung  wird  durch  ein 
Schwarzkugcltherniometer  ermittelt, 
welches  stets  direct  dem  Sonnenschein 
ausgesetzt  wurde.  Endlich  wurde  ein 
])hotographischcr  Apparat  mitgeführt, 
mit  welchem  verschiedene  sehr  hüb- 
sche Abnahmen  der  Erde  erzielt 
wurden.  Die  Beobachtungen  wurden 
in  der  Weise  ausgeführt,  dass  von 
fünf  zu  fünf  Minuten  auf  Commando 
gemeinsame  Ablesungen  gemacht  wur- 
den, während  in  der  Zwischenzeit  auf 
sänmitlichc  Erscheinungen  in  der  Atmosphäre,  namentlich  das 
Auftreten  von  Wolken,"  die  Aufmerksamkeit  gelenkt  wurde. 


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Figur  3. 


eine  schwache  Luftbewegung;  ein  liarometrisches  Maxinuuii 

breitete    sich  langsam  von  den  britischen  Inseln  her  aus. 

Die  Temperatur  war  in  Deutschland  überall  gestiegen  und 
war  fast  an  allen  Orteu  über  dem 
Normalwerth. 

Die  AVindrichtung  war,  wie  schon 
erwähnt,  Nord  -  Süd,  in  höheren  Ke- 
gionen Nordost  -  Südwest.  In  Folge 
dieser  Vertheilung  herrschte  angeneh- 
mes, klares,  warmes  Wetter;  der  Himmel 
war  bei  der  Auffalnt  wolkenlos,  erst 
im  Laufe  der  Fahrt  kamen  Cumulus- 
wolken auf,  die  aber  nie  so  dicht 
wurden,  dass  sie  uns  den  Anblick  der 
Erde  entzogen  hätten.  Bei  der  Lan- 
dung waren  sie  wieder  ganz  ver- 
schwunden. 

Was  nun  den  Gang  der  einzelnen 
Elemente  während  der  Fahrt  anbetrifl't, 
so  ist  derselbe  durch  die  folgenden 
Diagramme    (Fig.  4 — 6)    inlietreff    des 

Luftdruckes,  der  Lufttemperatur  und  der  Luftfeuchtigkeit 

veranschaulicht. 


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70 


60 


3* 


IV.  Fahrt  des  „Humboldt",  den  7.  April  1893. 

1.    Luftdruckcurve. 

t1  t2  I  2  3  * 


»*  IG 


2.  T  e  m  p  e  r  a  t  u  r  c  u  r  v  e. 
r2  /  z  3 


3.  Feuchtigkeitscurve. 

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Figur  6. 


lOOfo 


AVas  die  Wetterlage  dieses  Tages  anbetrifft,  so  lag, 
wie  die  beistehende  Wetterkarte  von  7  Uhr  Morgens  (Fig.  3) 
erkennen  lässt,  hoher,  gleichmässig  vcrtheilter  Luftdruck 
auf  dem  ganzen  Gebiete,  und  es  herrschte  dcmgemäss  nur 


Es  erhellt  daraus,  dass  Luftdruck  und  Temperatur 
einen  ganz  regelmässigen,  einander  entsprechenden  Gang 
haben;  bei  fallendem  Luftdruck  ninnnt  die  Teiuperatur  ab, 
bei  stei  gendem  zu,  es  treten  also  an  diesem  Tage  keine  anor- 


Nr.  48. 


Naturwissenschaftliche  Wochcuschrift. 


533 


malen  Verhältnisse  auf.  Die  vielen  Schwankungen  in  der 
Luftdruckcurve  entsprechen  den  geringen  Höhenände- 
rungen, welche  durch  Ballastauswerfeu  veranlasst  werden. 

Das  Barometer  erreichte  seinen  niedrigsten  Stand  von 
390  mm  hei  — 19°  C.  um  4  Uiu-  8  Jlinnten,  was  einer 
Hülie  von  ö'iUO  m  cntspriclit. 

Die    Aufenthaltsdauer    in    den    Hohen    von   1000    zu 


1000  Metern 

geben 

die  folj. 

,-enden 

Zahlen 

an 

A 

M  f  c  n  t  li  u  1 

t 

Hoho 

bei 

ici 

Ali  in 

ihrt 

»L'iiii  Alistici; 

0—1000 

20  Minuten  ;[,■ 

j^    1  Minuten 

1000—2000 

1  Stun 

de 

'J 

10        „ 

2000—3000 

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3000—4000 

1       . 

10 

31        „ 

4000—5000 

1       ., 

12 

15        „ 

>5000 

23 

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(ü 

Summe     6 Stunden  31)  Minuten     1  Stunde  37  iMinuten 
Sie  lassen  zugleich  erkennen,  in  wie  kurzer  Zeit  der 
Abstieg  l)cwerkste]ligt  wurde. 

Die  Temperatur  betrug  an  der  Erde  vor  der  Auffahrt 
13°  C,  sie  erreichte  dann  ziemlich  schnell  den  Gefrier- 
punkt, hielt  sieh  zwischen  0  und  — 5°  längere  Zeit  und 
sank  dann  allmäldich  bis  zu  — 19^  herunter.  Wenn  wir 
ilie  gleichzeitigen  Beobachtungen  an  den  Basisstationen 
benützen,  so  finden  sich  für  die  Temperaturabnahme  mit 
der  Höhe  pro  100  m  die  folgenden  Zahlen. 
Die  Temperaturabnahme  betrug: 
in  1000  m  Höhe 
2000  „  „ 
3000   „      „ 


4000 
5000 
5215 


0,97°  C. 

pro 

100  m 

0,87     „ 

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0,72     „ 

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Hierbei  sind  als  Basisstationen  für  die  ersten  beiden 
Höhen  Berlin,  für  3-4000  ni  Torgau  und  für  5000  m  Rudol- 
stadt  gewählt  worden,  indem  dies  die  der  Flugbahn  am 
nächsten  gelegenen  Stationen  sind,  welche  zu  den  ent- 
sprechenden Zeiten  Beobachtungen  angestellt  haben. 

Berücksichtigt  man  nur  die  Ballonbeobachtungen,  so 
ergeben  sich  für  die  Temperaturabnahme 

zwischen    40  und  1000  m  Plöhe     0,97°  C.  pro  100  m 

1000    „    2000 

2000    „    3000 

3000    „    4000 

4000    .,    5000 


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n 

n 
Ein  Einfluss  der  Bewölkung  auf  diese  Zahlen  tritt 
nicht  scliarf  iiervor.  Die  Cumulus-Wolken  kamen  gleich  nach 
10  Uhr  im  Süden  auf,  zuerst  ganz  fein,  ballten  sich  dann 
immer  dichter  zusammen,  und  füllten  allmählich,  vom 
ganzen  Horizont  aus  aufkommend,  die  Atmospliäre  aus. 
Nur  zeitweise  waren  sie  direct  unter  uns;  ihre  Höhe  dürfte 
zwischen  1000  und  2000  m  geschwankt  haben.  Zwischen 
2  und  3  Uhr  wurden  sie  dünner  und  verschwanden  all- 
mählich wieder  ganz. 

Den  unregelmässigsten  Verlauf  zeigt  die  dritte  Curve, 


welche  die  relative  Feuchtigkeit  darstellt;  diese  zeigt  ganz 
bedeutende  Schwankungen  während  der  Fahrt. 

Sie  nahm    zu    von  52    auf    78    pCt.    bis  zu  1350  m 
ab      „     78      „      38V«  .        „     .   2215 
zu 
ab 


38V2  „      BO      " 
80      „      12V,  „ 


2935 


zu 


„  3695  „ 
„   5005  ., 


n 
n 

n        ""  )1  -;-   /a     17  77 

71  12  /o  „  G8  „  „ 
in  der  Höhe  über  5000  ra  betrug  sie  49V2  l'Ct.  in  5215, 
17  pCt.  in  5108  m  Höhe.  Es  kann  nicht  unsere  Aufgabe 
sein,  diese  Verhältnisse  hier  einer  eingehenderen  Dis- 
cussion  zu  unterziehen;  es  werden  namentlich  über  die 
Feuchtigkeitsveriiältnisse  erst  die  ganzen  Beobachtungen 
bei  ihrer  zusammenhängenden  Bearbeitung  Aufklärung 
geben  können. 

Von  Interesse  dürften  noch  die  Angaben  über  die 
verschiedenen  Geschwindigkeiten  sein,  welche  der  Ballon 
in  den  einzelnen  Höhen  zurückgelegt  hat.  Dieselljen  lassen 
sich  leicht  bestimmen,  indem  die  Zeit  notirt  wird,  zu 
welcher  sich  der  Ballon  senkrecht  über  liestimmten  Punkten 
der  Erdoberfläche  bcliudet;  die  Entfernung  dieser  Punkte 
braucht  dann  nur  ausgemessen  zu  werden  längs  der  vom 
Ballon  zwischen  ihnen  zurückgelegten  Bahn,  um  die  Ge- 
schwindigkeit zu  erhalten. 

Der  Ballon  legte  zurück  in 

0— 1000  m  Höhe    7Vokminl260Sec.,  d.h.  6,0mproSce.. 
1000-2000  „      „     23    "  „    „  4080    „ .      „     5,6  „    „     „ 
2000-3000  „      „     76       „    „8700    „       „     8,7  „    „     „ 
3000-4000  „      „     50  V2  ,1    7,  4740    „       „  10,7  „    „     „ 
4000—5000  „      ,,     63       ,,     „  4080    ,,        „  15,4  „    „     „ 

Seine  mittlere  Geschwindigkeit  betrug  demnach  9,3  m  pro 
Secunde.  Die  Horizontalbewegung  des  Ballons  war  so- 
nach nur  eine  sehr  seh  wache;  für  die  Landung  kam  diese 
geringe  Windgeschwindigkeit  sehr  von  statten,  indem  die 
Landung  ganz  glatt  ohne  erhebliehe  Schleiffahrt  bewirkt 
wurde. 

Was  den  Eindruck  betrifft,  welchen  eine  solche  Luft- 
fahrt auf  den  Neuling  macht,  so  lässt  sieh  derselbe  nur 
schwer  beschreiben.  Die  Fülle  des  Sehenswerthen  und 
Interessanten  ist  so  gross,  dass  das  Ange  kaum  den  immer 
neuen  Erscheinungen  zu  folgen  vermochte.  Körperliches 
Unbehagen  stellte  sieh  beim  Verfasser  trotz  der  erreichten 
beträchtlichen  Höhe  nur  in  geringem  Maasse  ein.  Erst 
in  der  höchsten  Höhe  trat  Herzklopfen,  verbunden  mit 
leichten  Athemlieschwerden  auf,  nie  aber  so  stark,  dass 
dadurch  irgend\vie  die  Thätigkeit  des  Bcobachtcns  gestört 
worden  wäre.  Nur  ])eim  Abstieg  führte  der  ungemein 
schnelle  Luftwechsel  Kopfschmerz  herbei,  der  indes  als- 
bald nach  der  Landung  sich  wieder  verlor. 

Es  ist  zweifellos,  dass  die  auf  dieser  Fahrt  erzielten 
Resultate  einen  schätzcnswerthcn  Beitrag  liefern  werden, 
der  erst  bei  der  zusammeniiängenden  Bearbeitung  des 
Beobachtungsmateriales  hervortreten  wird.  Hoffen  wir, 
dass  diese  Bearbeitung  den  Nutzen  der  Fahrten  zeigen 
und  über  manche  Punkte  in  der  Physik  der  Atmo- 
sphäre Aufklärung  geben  möge. 


65.  Versammlung  der  Gesellschaft  deutscher  Naturforscher  und  Aerzte  in  Nürnberg 


vom  11.  bis  15.  September  1893. 


IV. 


'  W.  Pfeffer:  Die  Reizbarkeit  der  Pflanzen.  — 
Die  Wechselwirkung  mit  der  Aussenwelt  ist  bekanntlich 
nothwendig,  um  lebendigen  Wesen  die  unerlässlichen  Be- 
dingungen für  ihr  Fortkommen,  für  ihre  Thätigkeit  zu 
gewähren.  Ohne  Zufuhr  von  Nahrung  stirbt  die  Pflanze 
so  gut  den  Hungertod  wie  das  Thier,  und  bei  Mangel  von 


Sauerstoff,  Jiei  ungeeigneter  Temperatur  kommt  auch  in 
der  Pflanze  die  Lebensthätigkeit  zum  Stillstand.  Diese 
allgemeinen,  diese  formalen  Bedingungen  setzen  w'ir  indess 
als  gegeben  voraus  und  richten  unsere  Pjlieke  nur  auf  die 
Reizbarkeit,  auf  die  zu  dieser  Kategorie  gehörigen  Reac- 
tionen,  mit  welchen  die  lebensthätige  Pflanze  auf  innere 
und  äussere  Eingriffe  und  Anstösse  antwortet.     Eine  wahr- 


534 


Natnrvvisscnscliaftlic'lie  AVocbcnscliiift. 


Nr.  48 


nehmbare  Keactioii,  eine  Bewegung,  ein  Stoffwechsel- 
process  oder  irgend  ein  anderer  Vorgang  ist  die  einzige 
Sprache,  dnrcli  weiche  uns  die  Reizbarlceit  der  stummen 
Lebewesen  verratlicn  wird.  Bei  dem  Wurme,  der  sicli 
bei  Berührung  Icrümmt,  bei  dem  Schmetterling,  der  dem 
Lichte  zufliegt,  ist  die  Bewegung  in  demselben  Sinne  das 
Erzeugniss  der  Reizung,  wie  bei  der  berührten  Sinn- 
pflanze (Mimosa  pudica)  das  Zusammenschlagen  der  Blätter, 
wie  bei  der  auf  dem  Blumentisch  stehenden  Pflanze  das 
laugsame  Hinkrümmeu  nach  dem  Fenster,  nach  dem 
helleren  Lichte,  wie  bei  der  frei  herumschwimmenden 
Schwärmzellc  das  Schwimmen  nach  dem  Lichte  oder  nach 
einer  anlockenden  Nahrung. 

Für  die  Simipflanze  ist  aber  die  Berührung  nur  die 
Veranlassung,  dass  sicIi  die  Blättchen  mit  eigener  Kraft- 
cntwickciung  zusannuenschlagen  und  die  nach  dem  Fenster 
sieh  krünunende  Pflanze  wird  nicht  etwa  durch  die  Licht- 
strahlen mechanisch  dorthin  gezogen,  sondern  nur  veran- 
lasst, mit  Hilfe  der  ihr  zur  Verfügung  stehenden  Betriebs- 
kraft die  nöthige  Krümmung  und  Wendung  auszuführen. 
In  gleicher  Weise  steuert  auch  der  Schmetterling,  und 
ebenso  die  pflanzliche  Schwärmspore,  mit  den  eigenen 
Bewegungskräften  dem  als  Reiz  wirkenden  helleren  Lichte 
zu  und  in  analogem  Sinne  ist  das  durch  einen  Spalt 
fallende  Licht  für  den  Jlensehen  nur  die  Veranlassung, 
mit  Hilfe  seiner  Bewegungskraft  den  Weg  aus  der  Dunkel- 
heit zum  Lichte  zu  suchen. 

In  der  nur  veranlassenden,  in  der  nur  auslösenden 
Wirkung  liegt  der  allgemeine  Charakter  der  Reizerschei- 
nungen, und  wenn  wir  von  Reizung  ledcn,  so  hal)cn  wir 
eben  die  im  lebendigen  Organismus  durch  irgend  einen 
Anstoss  veranlassten  Auslösuugsvorgänge  im  Auge.  Um 
aber  eine  Auslösung  zu  ermöglichen,  bedarf  es  ebenso- 
wohl in  den  von  Menschenhand  gebauten  Apparaten,  wie 
in  dem  lebendigen  Organismus  geeigneter  Einrichtungen 
und  Fälligkeiten  und  durchaus  von  diesen  hängt  Qualität 
und  Quantität  der  ausgelösten  Reaction  ab.  Während 
ein  Fiugerdruck  gegen  die  starre  Wandung  des  Dampf- 
kessels keinen  Erfolg  hat,  vermag  derselbe  Fingerdruck, 
wenn  er  in  geeigneter  Weise  gegen  den  Dampfspcrrer 
wirkt,  den  Gang  der  durch  Dampf  betriebenen  Maschine 
zu  veranlassen,  oder  auch,  indem  er  den  Taster  am  Tcle- 
graphenapparat  niederdrückt,  Glockengeläute  und  andere 
Signale  in  der  Nähe  oder  in  weitester  Ferne  hervorzurufen. 
Ebenso  reagirt  nicht  jede  Pflanze  auf  Druck  oder  Stoss, 
und  die  Reizerfolge,  welche  durch  solchen  Anstoss  in 
den  sensibelen  Pflanzen  erzielt  werden,  treten  uns  in  sehr 
verschiedener  Erscheinungsform  entgegen.  Während  z.  B. 
in  Folge  solcher  Reizung  die  Blättchen  der  Sinnpflanze 
plötzlich  zusammenschlagen,  veranlasst  Berührung  in  der 
parasitischen  Flachsseide  die  Bildung  der  in  den  Wirth 
eindringenden  Saugwurzeln,  in  anderen  Pflanzen  hin- 
wiederum ist  die  Antwort  auf  den  Reiz  ein  Stofi'wechsel- 
process,  der  äusserlich  durch  keine  Bewegung  verrathen  wird. 

Reizbarkeit  in  unserem  Sinne  ist  aber  nicht  etwa  ein 
Ausnahmefall,  ein  besonderes  Vorrecht  einzelner  Pflanzen, 
im  Gegenthcil  eine  fundamentale  Eigenschaft  aller  leben- 
digen Substanz,  und  so  ist  thatsächlich  eine  jede  Pflanze, 
die  niederste  wie  die  höchste,  die  frei  herumschwärmende, 
wie  die  an  die  Scholle  gebannte,  zu  Reizreactionen  der 
verschiedensten  Art  befähigt,  zu  Reactionen,  die  freilich 
zum  guten  Theil  dem  olterflächlichen  Blick  entgehen. 
In  der  speciflsch  verschieden  ausgebildeten  Reizbarkeit, 
in  der  besonderen  Sensibilität,  besteht  auch  das  allge- 
meinste Mittel,  um  im  Verkehr  mit  der  Aussenwelt  zweck- 
entsprechend und  demgemäss  verschiedenartig  zu  reagiren. 
Handelt  es  sieh  doch  einmal  darum,  die  ganze  Pflanze, 
oder  Organe  dieser,  in  die  für  ihre  Tliätigkeit  geeignete 
Stellung  zu  bringen,  im  anderen  Falle  aber  um  Anpassung 


an  neue  Verhältnisse,  um  Reactionen  gegen  nachtheilige 
Einflüsse  oder  überjiaupt  um  irgendwclciie  Veränderungen 
im  Stofi'wechscl  oder  Kraftwechscl  der  Pflanze.  Den  über- 
aus vielseitigen  und  wechsclvuUen  Aufgaben  entsprechend 
ist  eben  die  Sensibilität  und  das  Rcactionsvermögen  in 
verschiedenen  Pflanzen  und  wiederum  in  den  einzelnen 
Organen  derselben  Pflanze  in  bunter,  jedoch  zweckent- 
sprechender Mannigfaltigkeit  ausgebildet.  Zweckent- 
sprechende Reizbarkeit  ist  aber  auch  ganz  unerlässlich, 
um  einer  Pflanze  in  den  nicht  überall  gleichen  und  oft  in 
weiten  Grenzen  veränderlichen  Verhältnissen  die  Bedin- 
gungen  für  ihr  Fortkonnnen  zu  sichern. 

In  der  That  ist  die  Eutwickelung  und  das  ganze 
Getriebe  der  Pflanze  mit  den  mannigfachsten  Reizvorgängen 
verkettet. 

Gedacht  wurde  schon  der  Sinnpflanze,  sowie  des 
Ileliotropismus,  der  Wendung  von  Stengeln  und  Blättern 
gegen  die  Lichtquelle.  Für  die  Erzielung  zweektlien- 
liclier  Lage  ist  ferner  die  Reizwirkung  der  Schwerkraft, 
der  Geotropisnms,  von  hoher  Bedeutung.  Vermöge  dieses 
Geotropismus  krümmt  sich  in  der  horizontal  gelegten 
Keimpflanze  der  Stengel  aufwärts,  die  Wurzel  abwärts, 
l)is  beide  Organe  die  verticale  Stellung  erreicht  haben. 
Damit  ist  die  Gleichgewichtslage  gewonnen,  in  welcher 
diese  Organe  verharren  und  weiter  wachsen,  denn  die 
Veranlassung  zu  einer  geotropischeu  Krümmung  ist  immer 
nur  dann  gegeben,  wenn  eine  Störung  der  normalen 
Gleichgewichtslage  zwangsweise  hergestellt  wird.  In 
dieser  Gleichgewichtslage  flnden  sich  demgemäss  in  der 
Natur  die  Organe  einer  Pflanze  und  bei  uns,  wie  bei  un- 
seren Antipoden,  ist  die  bekannte  Richtung  von  Stengel 
und  Wurzel  wesentlich  durch  die  geotropisehe  Reizung- 
bedingt.  Die  entgegengesetzte  Krümmungsrichtung,  welche 
in  Stengel  und  Wurzel  durch  denselben  äusseren  Anstoss 
veranlasst  wird,  ist  eines  der  vielen  Beispiele,  dass  die 
einzelnen  Glieder  einer  l'flanze  in  speciflsch  verschiedener, 
also  unter  Umständen  auch  in  gerade  entgegengesetzter 
Weise  auf  die  gleiche  Reizursache   reagiren. 

Von  den  vielseitigen  Reizbewegungen  der  Wurzel 
mag  hier  noch  ihr  Hinwenden  nach  dem  feuchten  Medium, 
ihre  hydrotropische  Reizbarkeit,  erwähnt  werden.  Tritt 
diese  mit  dem  Geotropismus  in  Couflict,  so  sehlägt  die 
Wurzel  diejenige  Richtung  ein,  welche  sich  als  Resultante 
aus  beiden  Bestreitungen  ergiebt.  Deshalb  wächst  die 
geotropisch  abwärts  strebende  Wurzel  an  ciusciiüssigen 
Gehäugen  nicht  in  die  Luft,  sondern  wird  durch  den 
hydrotropischen  Reiz  veranlasst,  sich  nach  dem  feuchten 
Bledium  zu  begeben,  also  in  schiefer  Riclituug  in  den 
Boden  vorzudringen. 

Sehr  merkwürdig  ist  das  Empfindungsvermögen, 
welches  die  Ranken  der  Erbse,  des  Kürbis,  der  Zaun- 
rübe zum  Umschlingen  der  ihnen  Halt  gewährenden  festen 
Stütze  veranlasst.  Denn  während  zur  Auslösung  dieser 
Reizbewegung  schon  die  Berührung  mit  einem  Seiden- 
fadchen  genügt,  welches  nur  den  5000sten  Theil  eines 
Milligrannnes  wiegt,  sind  dieselben  Ranken  gegen  die 
kräftigsten  Zerrungen  durch  den  Wind  oder  durch  einen 
Wasserstrahl  vollkonnncn  unemplindiicli  und  reagiren  selbst 
dann  nicht,  wenn  die  Intensität  des  anprallenden  Queck- 
silberstrahles bis  zum  Zerquetschen  der  Ranke  gesteigert 
wird.  Die  Ranken  unterscheiden  also  den  festen  und 
flüssigen  Aggregatzustand,  und  diese  Eigenschaft  ist  in 
der  That  für  die  Pflanze  sehr  zweckentsi)rechend.  Denn 
kein  Sturmwind,  kein  noch  so  kräftiger  Platzregen  ver- 
anlasst in  der  Ranke  eine  Reizbewegung,  die  doch  nur 
unnütz  wäre,  während  die  Ranke  durch  die  Berührung 
mit  einer  Halt  gewährenden  festen  Stütze  zum  Umklammern 
dieser  veranlasst  wird. 

Ausser    den    schon    genannten   Agentien    veranlassen 


Nr.  48. 


Natiirwisscnschaftliehc  Wochcnsclirift. 


auch  eheniischc,  thermische,  ck'ktrische  und  andere  Ein- 
flüsse niannigfaclie  Rcizbewei;niii;-eu.  Doeli  antwortet  die 
Pflanze  auf  diese  und  andere  auslösende  Anstösse  niclit 
nur  mit  aurtallii;'cn  lieweyuns't'n,  sondern  selir  g'eM-(ihnlich 
mit  IJeaetionen,  die  äusserlieli  nielit  oder  doch  nicht  so- 
gleich wahrnehnd)ar  werden.  Ja  man  darf  ohne  Scheu 
liehaupteu,  dass  der  lehensthätige  Protoplasmaorganismus 
fast  j'eden  äusseren  Eingriff,  fast  jeden  Weeiisel  irgend- 
wie als  Reiz  empliiidet,  wenn  aucli  nicIit  iimucr  eine 
merkliche  Reactimi  \('ranlasst  wii'd. 

Zu  diesen  ausscrlicii  nicht  licrvortrcteiiden  Reizer- 
folgen zählt  u.  a.  die  Verstärkung  der  Zcllwände  in  Folge 
eines  Zugreizes.  Demgeraäss  wird  ein  Stengel  mit  höherer 
mechanischer  Inanspruchnahme  thatsächlich  tragfälliger, 
und  in  dem  Maasse,  wie  die  heranwachsende  Frucht  des 
Kürbis  schwerer  wird,  nimmt  auch  die  Tragfähigkeit  des 
Fruchtstieles  zu.  Ebenso  ist  es  die  Folge  einer  zweck- 
entsprechenden Reaction,  dass  die  Wurzel  energischer 
arbeitet,  wenn  sie  beim  Uebertritt  in  einen  zähen  Boden 
zur  Ueberwindung-  eines  höheren  Widerstandes  gezwungen 
wird.  Ferner  veranlasst  eine  Verletzung  vielfach  eine 
von  der  Wundstelle  aus  sich  verbreitende  Protoplasma- 
strömung, und  die  Steigerung  der  Athmungsthätigkeit, 
sowie  die  Gesannntheit  der  auf  Vernarbung  hinarbeitenden 
Stoffwechselprocesse  sind  weitere  Folgen  des  Wundreizes. 
Ueberhaupt  sind  viele  Wachsthums-  und  Stoffwechsel- 
processe ein  sprechendes  Zeugniss  für  sehr  mannigfache, 
jedoch    zumeist    nur  wenig  durchsichtige  Reizwirkungen. 

Nicht  minder  ist  in  den  zu  freier  Ortsbewegung  be- 
fähigten Pflanzen  die  Sensibilität  in  vielseitigster  Weise 
ausgebildet  und  auch  für  diese  Organismen  sind  auffallige 
Reizungen  durch  Licht,  Wärme,  Berührung,  Elcktricität, 
Schwerkraft,  chemische  Wirkungen  u.  s.  w.  in  reichem 
Maasse  bekannt. 

Es  ist  u.  a.  ein  fra])pantcs  Schauspiel,  wenn  die  bis 
dahin  ohne  ein  bestinmites  Ziel  herumschwimmenden  Bac- 
terien  bei  Darbietung  von  etwas  Fleisch  oder  Fleisch- 
extract  nun  sgleich,  sich  drängend  und  stosseud,  nach 
dem  anlockenden  Körper  eilen  und  demgemäss  auch  in 
eine  mit  dem  Köder  gefüllte  Capillare  steuern,  welche 
ihnen  als  Falle  gestellt  wurde.  Bei  zu  hoher  Couceutra- 
tion  des  Lockmittels,  oder  nach  Zugabe  von  Alkohol  oder 
Säure  zu  diesem,  prallen  die  Bacterien  in  einiger  Ent- 
fernung von  der  Capillare  zurück  und  vermeiden  so  ein 
Medium,  das  auf  sie  durch  die  hohe  Concentratiou  oder 
durch  die  giftigen  Beigaben  schädlich  oder  tödtlich  wirken 
würde. 

Während  die  beweglichen  Bacterien  durch  Pepton, 
Asparagin,  Kalisalze,  überhaupt  durch  viele  Ki'irper,  frei- 
lich in  spccitisch  ungleichem  Grade,  angelockt  werden, 
sind  die  Samenfäden  der  Farne  und  Laubmoose  sehr 
wählerisch.  Denn  die  ersteren  werden  fast  allein  durch 
Aei)felsäure,  die  letzteren  nur  durch  Rohrzucker  angelockt, 
und  zwar  werden  die  Samenfäden  durch  diese  specifischcn 
Reize  zu  der  zu  befruchtenden  Eizelle  gelenkt. 

Wie  nicht  selten,  ist  auch  in  diesen  Organismen  eine 
ungemein  feine  Sensibilität  ausgebildet.  Denn  bei  Bac- 
terien und  Samenfäden  genügt  schon  der  billionste  und 
trillionste  Thcil  eines  Milligrannnes  des  Reizmittels,  um 
Anlockung  zu  erzielen.  Diese  winzigen  Organismen  ver- 
m(')gen  also  noch  minimale  Mengen  des  Reizstoffes  zu 
unterscheiden,  die  keine  Waage,  keine  chemische  Reac- 
tion anzuzeigen  vermag. 

Dieses  sichere  Hinsteuern  frei  beweglicher  Organismen 
nach  dem  anlockenden  Ziele  muss  in  dem  nach  seinem 
sul)jectiven  Gefühle  urtheilenden  Beobachter  den  Schein 
eines  vernünftigen  Wollens  und  Handelns  unvermeidlich 
und  weit  mehr  erwecken,  als  scli)st  die  auffälligsten  Be- 
wegungen der  festgewurzelten  Pllanzen.     Denn  diese  sind, 


weil  an  die  Scholle  gebannt,  nur  zu  Bew^egungen  durch 
Krünnncn  ihrer  Glieder  befähigt,  vermögen  also  nur  durch 
Krünnnungsbewegungen  oder  durch  Wachsthumsverlänge- 
ruugen  eine  Annäiierung  oder  Entfernung  gegenüber  einem 
reizenden  Agens  auszuführen.  Doch  die  den  Eigenschaften 
angemessene  formale  (Jestaltung  der  Reactionen  ist  ohne  Be- 
lang für  das  Wesen  der  Reizbarkeit,  die  thatsächlich  in 
freibeweglielien  und  festgewurzelten  Pflanzen  in  gleicher 
I\lannigf,iltigkeit  ausgebildet  ist.  Und  wenn  einer  frei- 
schwinnnenden  .\lge  die  fortschreitende  ISewegung  un- 
möglich gemacht  wird,  so  ist  der  zwangsweise  festgehaltene 
Organismus  nur  noch  befähigt,  mit  Körperwendungen  auf 
geeignete  Richtungsreize  zu  antworten. 

Da  ai)er  die  meisten  Reizreactionen  höherer  Pflanzen 
langsam  verlaufen,  da  ferner  nur  dem  bewaffneten  Auge 
von  den  freisehwinnnenden  Organismen  Kenntniss  wird, 
so  ist  es  wohl  zu  verstehen,  wie  dem  Menschen  sich  die 
Ansieht  aufdrängte,  dass  die  Blumen  nicht  in  gleichem 
Sinne  reizbar  seien  wie  die  Thierc.  Einem  solchen 
Glauben  wäre  gewiss  nicht  der  Mensch  verfallen,  wenn 
es  ihm  vergönnt  gewesen  wäre,  von  seiner  Kindheit  ab  in 
mehr  als  tausendfacher  ^'ergrösscrung  alles  Leben  und 
Treiben  der  Pflanzenwelt  zu  überblicken.  Von  Jugend 
auf  hätte  sich  vor  dem  Auge  dieses  Menschen  das  grosse 
Heer  der  frei  hcrumschwärmenden  niederen  Pflanzen  und 
niederen  Organismen  herumgetummelt,  und  die  Eile,  mit 
welcher  ein  Bacterium  sich  nach  der  in  einiger  Entfer- 
nung auftauchenden  Nahrung  wendet,  würde  als  Analogen 
zu  dem  Raulithiere  erscheinen,  das  auf  die  wahrgenommene 
Beute  losstürzt.  Ein  solches  Auge  würde  aber  auch,  wie 
es  in  der  That  das  Mikroskop  zeigt,  die  wachsenden 
Stengel  und  Wurzeln  gleichsam  in  herumtastender  Be- 
wegung erblicken  und  an  jeder  höheren  Pflanze  schnell 
verlaufende  Reizreactionen  erkennen.  Unter  dem  Ansturm 
solcher  Eindrücke  wären  zweifellos  Reizbarkeit  und  Em- 
pfindung als  ein  selbstverständliches  Gemeingut  aller 
Pflanzen  angesprochen  worden.  Ja  in  diesem  Glauben 
würde  die  Menschheit  auch  dann  schon  aufgewachsen 
sein,  wenn  unsere  Wälder  und  Fluren,  an  Stelle  der  starr 
erscheinenden  Pflanzen,  mit  solchen  Pflanzen  geschmückt 
wären,  welche,  wie  die  stets  angestaunte  Sinnpflanzc,  bei 
Berührung,  bei  anderen  Anstössen  sensitiv  zusanuneu- 
zucken.  Sicher  hätte  dann  Aristoteles  den  Pflanzen  eine 
empfindende  Seele  zuerkannt,  und  schon  die  wirkliche 
Pflanzenwelt  erweckt  durch  ihre  Lebenserscheinungen  jene 
dunklen  Gefühle,  welche  Naturvölker,  welche  die  Stimme 
der  Poesie  und  des  sinnigen  Gemüthcs  in  den  Pflanzen 
emi)findsame  oder  auch  beseelte  Wesen  erblicken  Hess  und 
erblicken  lässt. 

In  der  Beurtheilung  des  Wesens  der  Reizreactionen 
dürfen  wir  überhaupt  nicht  mit  der  Schnelligkeit  der  Aus- 
führung rechnen,  welches  stets  nur  nach  einem  relativen 
Maassstal)  abgeschätzt  wird.  Ein  Bacterium,  welches 
unter  dem  Mikroskop  eiligst  durch  das  Gesichtsfeld 
schiesst,  das  sehr  flink  auf  die  lockende  Nahrung  los- 
stürzt, liewcgf  sich  thatsäeblich  nicht  entfernt  so  schnell, 
als  die  langsam  kriechende  Schnecke,  und  doch  wieder 
schnell  im  Vergleich  zur  eigenen  geringen  Grösse.  Denn 
während  der  Mensch,  kräftig  ausschreitend,  in  der  Se- 
kunde ungefähr  die  Hälfte  der  eigenen  Kör])erlänge 
durclnnisst,  vermag  ein  Bacterium  in  derselben  Zeit  das 
3-  bis  .'">  fache  des  eigenen  Durchmessers  zurückzulegen. 
Die  Erde  dagegen,  welche  in  rasendem  Fluge  den  AVeJten- 
raum  durcheilt,  durchläuft  in  der  Sekunde  ungefähr  den 
420.  Theil  ihres  Durchmessers.  Gegen  solche  absolute 
Schnelligkeit  aber,  und  noch  mehr  gegen  die  Eile,  mit 
welcher  ein  Lichtstrahl  von  der  Sonne  zu  unserem  Planeten 
gelangt,  sind  wiederum  äusserst  langsam  die  schnellsten 
Bewegungen   und  Reizvorgänge  in  den  flinksten  Thiercn. 


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Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  48 


Abstrahireu  wir  sachg-euiäss  von  allen  Besonderheiten, 
von  allen  specifischen  EigenthUnilichkeiten  in  dem  Ver- 
laufe und  dem  Erfolge  der  Rcactionen,  so  verbleibt  den 
so  überaus  mannigfach  gestalteten  Reizvorgängen  als 
gemeinsames  Band  der  Charakter  von  Auslösungsvor- 
gäng-en. 

Als  Reizbarkeit  und  Rcizreactiou  bezeichnen 
wir  eben  diejenigen  Auslösungsvorgänge,  welche 
sich  im  lebendigen  Organismus  abspielen.  Eine 
andere,  die  Gesanmithcit  aller  Reizvorgänge  umfassende 
Definition  ist  in  der  That  unmöglich,  mit  dieser  Definition 
wird  al)er  auch  das  gemeinsame  Wesen  aller  Reizvor- 
gänge voll  und  ganz  gekennzeichnet.  Mit  der  Einreihung 
in  die  Auslösungsvorgänge  ist  klar  und  unzweideutig  aus- 
gesprochen, dass  jcdwelcher  Reiz  nur  den  Austoss  zu  den 
ausgelösten  Rcactionen  und  Erfolgen  giebt,  dass  diese, 
gleichviel,  wie  verwickelt  und  verkettet  sie  sein  mögen, 
stets  nach  Maassgabe  der  specifischen  Eigenschaften  und 
Einrichtungen  des  Organismus  ausfallen,  dass  ferner  die 
mechanische  Ausführung  der  Reaction  durch  die  dem 
Organismus  zur  Verfügung  stehenden  Kräfte  besorgt  wird. 
Ausgesprochen  ist  ferner  mit  obigem,  dass  nicht  jeder 
beliebige  Eingriff  zu  einer  Reizung  führt,  dass  weiter 
eine  einfache  mechanische  Wechselwirkung,  d.  h.  eine 
ä(iuivaleute  Energieübertragung,  keinen  Reizvorgang  vor- 
stellt, dass  aber  natürlich  in  einer  ausgelösten  Reactious- 
kette  sich  eine  solche  Energieverwandlung  ein-  oder 
einigemal  abspielen  muss.  Ein  jedes  Geschehen  also,  das 
ohne  Auslösung  zu  Stande  kommt,  in  welchem  nicht  ein 
äusserer  oder  innerer  Austoss  nur  die  \'eranlassung  wird, 
dass  die  Pflanze  mit  Hilfe  ihrer  potentiellen  Fähigkeiten 
und  Energiemittel  etwas  ausführt,  ist  kein  Reizvorgaug. 
Ein  solcher  liegt  also  nicht  vor,  wenn  eine  Zellhaut  in 
der  Quellung,  eine  Zelle  durch  osmotische  Kraft  Wasser 
aufsaugt  und  hierdurch  Bewegungen  ausführt,  oder  wenn 
ein  Ast  durch  das  angehäugte  Gewicht  entsprechend  ge- 
bogen wird. 

Bei  mangelnder  Einsicht  können  freilich  Zweifel  auf- 
tauchen, ob  ein  uns  entgegentretendes  Geschehen  zu  den 
Auslösungen  zu  rechnen  ist,  und  in  solcher  Lage  befindet 
mau  sich  öfters  gegenüber  solchen  physiologischen  Vor- 
gängen, welclie  unzureichend  aufgehellt  sind.  Umsomehr 
ist  CS  wichtig,  sicii  in  princii)icller  Hinsicht  volle  Klarheit 
an  den  von  Menschenhand  gebauten  Apparaten  und  Ma- 
schinen zu  verschaffen,  deren  Bau  und  Getriebe  durch- 
sichtig vor  uns  liegt.  Anknüpfend  an  solche  Beispiele 
wurde  schon  hervorgehoben,  dass  ein  Fingerdruck  nur  au 
geeigneter  Stelle  auslösend  wirkt,  dass  derselbe  Finger- 


druck ebensowohl  die  Thätigkeit  einer  Dampfmaschine, 
als  elektrische  Signale,  oder  das  Ertönen  der  Harmonien 
einer  Spieldose  veranlassen  kann.  Ebenso  antworten 
auch  verschiedene  PHanzen  auf  den  gleichen  Austoss  mit 
verschiedenen  Reizrcactioncn,  und  wenn  dieserhalb  sich 
die  eine  Pfianze  uacli  dem  Lichte  hinwendet,  die  andere 
aber  das  Licht  flieht,  so  ist  dieses  an  sich  nicht  wunder- 
barer, als  dass,  nach  geschehener  Auslösung,  die  eine 
Dampfmaschine  vermöge  der  gebotenen  Constellationcn 
sich  vorwärts,  die  andere  sich  rückwärts  bewegt. 

Auch  ist  CS  selbstverständlich,  dass  zwischen  dem 
auslösenden  Agens  und  der  ausgelösten  Action  jede  be- 
liebige formale  und  energetische  Disproportionalität  be- 
stehen kann.  Die  geringe  Energie  eines  Funkens  genügt, 
um  durch  Entzündung  einer  Pulvermasse  die  riesigsten 
mechanischen  Leistungen  zu  veranlassen,  der  leichte 
Flügelschlag  eines  Vogels  vermag  die  Lawine  zu  er- 
zeugen, welche  Wald  und  Wohnstätten  hinwegfegt,  und 
an  derselben  Maschine  ist  die  ausgelöste  Action  nach 
Form  und  Arbeilsgrösse  dieselbe,  gleichviel,  ob  die  Oetf- 
nung  des  Dampfsperrers  sehr  geringen  oder  beliebig 
grossen  Kraftaufwand  erforderte.  Durcii  eine  erfolgreiche 
Auslösung  muss  ferner  nicht  plötzlich  die  ganze  disponible 
Spannkraft  in  Action  gesetzt  werden,  wie  es  bei  der  Ex- 
plosion des  Pulvers  und  ebenso  bei  der  Sinnpflanze  zu- 
trifft, deren  Blätter  bei  jeder  Reizung  die  volle  Bewegungs- 
amplitude  ausführen,  vielmehr  wird  sehr  oft  die  ausge- 
löste Action  mit  zunehmender  Energie  des  auslösenden 
Anstosses  gesteigert.  Das  ist  u.  a.  der  Fall,  wenn  mit 
fortschreitender  Verschiebung  des  Dampfsperrers  der  Gang 
der  Maschine  beschleunigt  wird,  und  derartige  Beziehungen 
bestehen  zweckentsj)rechcnd  in  den  meisten  Reizrcactioncn 
der  Pflanzen,  wie  u.  a.  in  zahlreichen  Bewegungen,  welche 
mit  der  zunehmenden  Reizwirkung  des  Lichtes,  der  Wärme, 
der  chemischen  Einflüsse  ausgiebiger  sieh  gestalten,  lieber 
ein  gewisses  Maass,  über  die  gebotenen  Fähigkeiten  hin- 
aus, kann  natürlich  eine  Action  weder  in  todten  Apparaten, 
noch  in  lebendigen  Organismen  ansteigen,  und  auch  an 
]\Liscliincn  sind  Einrichtungen  im  Gebrauche  oder  her- 
stellbar, welche  regulatorisch  wirken,  oder  die  bei  zuneh- 
mender Intensität  der  auslösenden  Wirkung  einen  ver- 
langsamten Gang  und  endlich  Stillstand  erzielen.  Regu- 
latorische Vorgänge  der  mannigfachsten  Art  spielen  gerade 
im  Organismus  eine  sehr  ausgedehnte  und  ungemein  be- 
deutungsvolle Rolle.  Auch  bietet  die  Pflanze,  was  ge- 
wöhnlich nicht  beachtet  wird,  Beisi)iele,  in  welchen  die 
Energie  des  auslösenden  Anstosses  den  Energiewerth  der 
ausgelösten  Action  übertrifft.  (Schluss  folgt.) 


Das  Ziisammoiileben  zweier  verscbiedenen  Thier- 
arteii  hat  mau  allgemein  als  Symbiose  bezeichnet.  Es 
sind  im  Laufe  der  letzten  Jahre  mannigfach  eigenthüm- 
liche  hierher  gehörende  Verhältnisse  bekannt  geworden. 
Einen  neuen  Fall  beschreibt  A.  Alcock  in  den  Ann.  and 
Mag.  of  Nat.  Hi.st.,  V.  10.,  C.  ser.,  London  1<S92,  S.  207. 
(A  case  of  Commcnsalism  between  a  Gyinnoblastic  Antho- 
medusoid  and  a  Scorpaenoid  Fish.)  Er  unterscheidet  zu- 
fällige, commensale  und  parasitische  Lebeusgenossen- 
schaften  und  stellt  die  für  die  gymnoblastischen  Hydrozoen 
bekannten  Fälle  zusammen.  Man  findet  die  Polypen  als 
zufällige  Ansiedler  auf  Krusterpanzern,  Weichthiergehäusen, 
Ascidien,  Moosthieren,  Schwämmen  und  Tintenfischen. 
Eine  wirkliche  Tischgenossensc.haft  sclieinen  Corynitis 
Agassizii  mit  Schwämmen,  Hydrantheca  margarica  mit 
dem  Moosthier  Flustra,  Lar  sabellum  mit  dem  Rölircn- 
wurin  SaljclLi  und  Stylacfis  verniicola  mit  einem  Tiefsee- 
ringclwurm  eingegangen  zu  sein. 


Wenigstens  fanden  sie 


sich  stets  nur  auf  diesen  ihnen  fern  stehenden  Thieren. 
Unzweifelhaft  commensalistisch  leben  Stylacfis  spongicola 
und  abyssicola  sowie  ein  Eudendrium  mit  Hornschwämmen 
der  Tiefsee  zusammen.  Ihre  Hydrorhiza  bildet  mit  ihrem 
cbitinösen  Perisarc  ein  Wohngerüst  für  den  Schwamm  und 
bestimmt  somit  seine  Form.  Andererseits  sind  die  Nähr- 
polypen dieser  Thiere  nur  klein.  Ferner  sind  Tubularia 
parasitica  und  eine  Gorgonia  (achtstrahlige  Koralle)  der- 
art vereinigt,  dass  letztere  den  Stamm  der  ersteren  als 
Stütze  benutzt,  ohne  eine  eigene  Achse  zu  besitzen.  Peri- 
gonimus  miuutus  bildete  regelmässig  einen  fransenartigen 
Besatz  um  die  Oeft'nung  der  Schale  der  Schnecke  Turri- 
tella  communis.  Weiter  fanden  sich  Merona  cornucopiae 
stets  auf  Astarte  sulcata  und  Deutalium  eutalis  sowie 
Campaniclava  cleodorac  auf  den  Schalen  von  32  von  40 
untersuchten  Individuen  der  pelagisehen  Cleodora  tricu- 
spidata.  In  den  letzten  Fällen  hat  der  Polyp  Nutzen  von 
der  Fortbewegung  des  Wohnthieres,    das    er   selbst    mit 


Nr.  48. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


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seinen  Nesselorganen  schützt.  Schmarotzend  endlich  leben 
Polypodium  hydriforme,  das  die  Stcrleteier  schon  im  Ovar 
befällt,  und  llVdricbthys  niirus,  welcher  den  Fisch  Seriola 
zonata  besiedelt.  Letztgenannter  Parasit  entbehrt  der 
Fangarnie.  Corydendrium  parasiticuni  schmarotzt  auf  einem 
anderen  Hydroidpolypen,  Eudendrium  racemosum. 

Der  vorliegende  Fall  betrifft  eine  Stylactisart,  St. 
minoi  genannt,  die  sich  zuerst  auf  einem  aus  70  Faden 
Tiefe  an  der  Coromandelküste  im  Godavari- Delta  er- 
beuteten Fisch,  Minous  inermis,  vorfand.  Beide  Thiere 
waren  bisher  unbekannt.  Der  Polyi)  fand  sich  auf  anderen 
in  demsell)en  Fisehzuge  gefangenen  Tliieren  nicht.  Ein 
zweiter  Fundort  dieses  Fisches  war  die  MalabarUüste,  ein 
dritter  lag  in  der  Nähe  des  Ganges-Delta.  Auch  in  diesen 
beiden  Fällen  trugen  die  Minous  inermis  den  genannten 
Polypen,  während  alle  anderen  niiterbeuteten  Thiere  frei 
von  ihm  waren,  so  auch  eine  zweite  Minousart.  Stets 
waren  also  in  auffälliger  Weise  die  beiden  Connncnsalisten 
vereint.  Beide  unterstützen  sich  gegenseitig  beim  Nah- 
rungsfang. C.  M. 


Wie  hält  der  fliegende  Raubvogel   die  Fänge?  — 

Zu  den  überraschenden  Beobachtungen,  die  Herr  E.  Ziemer 
mittheilt  (vergl.  „Naturw.  Wochensehr."  XIU,  S.  ooG),  be- 
merkt O.  Kleinscbmidt  (in  A.  lleichenow's  „Ürnithol. 
Monatsberichten"): 

An  etwa  30  Schleiereulen,  die  ich  vor  einigen  Jahren 
ting  und  wieder  fliegen  Hess,  machte  ich  Studien  über  die 
Haltung  der  Fänge.  Zu  Beginn  des  Fluges  Hessen  sie 
die  Beine  senkrecht  herabhängen  und  streckten  sie  später 
mehr  wagrecht  nach  hinten.  Ob  noch  später  der  Lauf 
nach  vorn  gebogen  und  somit  das  ganze  Bein  unter  die 
Bauch-  und  Weichenfedern  gezogen  wurde,  vermochte  ich 
in  keinem  Fall  zu  ermitteln.  Am  leichtesten  werden  Beob- 
achtungen auf  der  Krähenhütte,  wo  man  Raubvögel  aus 
grösster  Nähe  sehen  kann,  ohne  von  ihnen  eräugt  zu 
werden,  Aufsehluss  über  die  angeregte  Frage  geben.  Nach 
meiner  Meinung  sind  aber  stets  die  folgenden  theoretischen 
Gesichtspunkte  zu  beachten,  wenn  man  Jrrthümer  ver- 
meiden will: 

Durch  den  plötzlichen  Anblick  des  Menschen  er- 
schreckt, reckt  der  an  ihm  vorüberfliegende  Vogel  den 
Hals  mehr  als  gewöhnlich  aus,  kommt  so  ein  wenig  aus 
der  Balance  und  muss  deshalb  die  Fänge  ausstrecken, 
um  das  Gleichgewicht  zu  halten.  Am  deutlichsten  wird 
diese  Erscheinung  bei  einem  Fehlschuss.  —  Beim  Auf- 
fliegen und  vor  dem  Niedersetzen  oder  Aufbäumen  lässt 
jeder  Raubvogel  eine  ganze  Weile  die  Fänge  herabhängen. 
—  Vor  oder  während  des  Stossens  nach  der  Beute  ist 
ähuliclies  zu  bemerken. 

Im  Sitzen  kann  der  Raubvogel  einen  Fang  so  ein- 
ziehen, dass  auch  bei  knapp  anliegendem  Gefieder  keine 
Spur  davon  zu  sehen  ist.  Warum  sollte  er  es  nicht  auch 
im  Fliegen  thunV  Es  wäre  aber  recht  gut  möglich,  dass 
die  Fänge  bald  eingezogen,  bald  nach  hinten  ausgestreckt 
würden;  das  letztere  z.  B.,  um  bei  stark  gefülltem  Kropf 
das  Gleichgewicht  zu  halten  oder  um  durch  die  blutigen 
oder  schnmtzigen  Fänge  das  Getieder  nicht  zu  verunreinigen 
und  zu  verkleben. 

Bekanntlich  sieht  man  auch  andere  Vögel,  besonders 
Emberiza  miliaria,  die  Füsse  oft  im  Flug  weit  nach  hinten 
ausstrecken. 

Dies  alles,  meine  ich,  muss  man  berücksichtigen,  um 
nicht  ein  Urtheil  auf  Ausnahmefälle  zu  bauen.  Ich  will 
damit  aber  die  Frage  noch  keineswegs  als  erledigt  und 
die  Mittheilungen  des  Herrn  Ziemer  durchaus  noch  nicht 
als  Ausnahmefälle  betrachtet  haben.  Sichere  Beo])achtungen 
lassen  sieh  auf  diesem  Gebiet  sehr  schwer  anstellen.    So 


war  es  mir  z.  B.  unmöglich,  zu  ermitteln,  wie  die  Lach- 
möve  im  Flug  die  Beine  hält,  obsehou  die  Vögel  ganz 
niedrig  über  mich  hinstriciien.  Meist  waren  die  Füsse 
ausgestreckt  an  die  untere  Fläche  des  Schwanzes  ange- 
schmiegt; bei  kaltem  Wetter  dagegen  schienen  sie  un- 
sichtbar, ob  von  den  Bauchfedern  oder  den  Unterschwanz- 
decken verborgen,  weiss  ich  nicht.    Wohl  das  letztere! 


Energieciuellen  der  Bacterien.  —  In  den  Scientific 

Proceedings  of  the  Royal  Dublin  Society  vol.  8,  part  1 
macht  Herr  G.  Johns  tone  Stoney,  der  Vicepräsident 
der  R.  D.  S.,  eine  Mittheilung  unter  dem  Titel  „Suggestion 
as  to  a  possible  source  of  the  energy  for  the  life  of  ba- 
cilli,  and  as  to  the  cause  of  their  small  size",  die  auch 
in  das  Aprilheft  des  Philosophical  Magazine  übergegangen 
ist,  und  welche  auch  dann  uns  beachtenswerth  erscheinen 
dürfte,  wenn  man  sich  nicht  durchaus  den  Meinungen  des 
genannten  Physikers  anschliessen  will. 

Herr  Stoney  weist  darauf  hin,  dass  in  der,  nach 
unserer  Stellung  zu  Zeit  und  Raum  und  nach  der  Fähig- 
keit unserer  sinnlichen  Wahrnehmung  uns  zugänglichen 
Welt,  die  Zerstreuung  der  Energie  so  sehr  überwiegt, 
dass  Beispiele  für  den  umgekehrten  Proeess  nur  sehr  selten 
klar  und  scharf  nachgewiesen  werden  können,  wenn  sich 
deren  auch  einige  undeutlich  und  ge'wissermaassen  nur 
vermuthungsweise  und  von  Ferne  uns  zeigen.  Ein  solches 
Beispiel  will  er  in  dem  hier  zu  referirenden  Aufsatz  er- 
örtern; und  er  bemerkt  mit  Recht,  dass  derartige  Wahr- 
nehmungen von  grosser  Wichtigkeit  seien.  Denn  wenn 
wir  die  Permanenz  des  Universums  annehmen,  dann  mu.ss 
es  Theile  desselben  geben  oder  gegeben  haben  oder  solche 
Tbeile  müssen  wenigstens  der  Anlage  nach  (potentiell) 
vorhanden  sein,  wo  die  Concentration  der  Energie  in  ganz 
demselben  Maasse  überwiegt,  wie  dies  sonst  mit  der  Zer- 
streuung derselben,  unserem  Wissen  nach,  der  Fall  ist. 

Der  Autor  weist  auf  die  uitrogenen  Bacillen  des  Bo- 
dens hin,  die,  wie  man  annimmt,  durch  rein  mineralische 
Nahrung  erhalten  werden,  während  sie  Producte  liefern, 
die  ebensoviel  oder  mehr  potentielle  Energie  liefern,  als 
die  Nahrung  enthält.  Wenn  diese  Annahme  richtig  ist, 
so  muss  solchen  Bacillen  noch  eine  beträchtliche  Menge 
Energie  zufliessen,  vermöge  deren  sie  aus  jenen  Materialien 
Protoplasma  und  die  anderen  zu  ihrem  Aufbau  dienenden 
organischen  Bildungen  zu  entwickeln  vermögen.  Nun  ist 
es  richtig,  dass  viele  dieser  Bacillen  sich  an  solchen  Orten 
befinden,  wohin  ihnen  diese  Energie  schwerlich  von  unserer 
grossen  allgemeinen  Energiequelle,  der  Sonne,  aus  zuge- 
führt werden  kann.  Herr  Stoney  glaubt  sogar  dies  ein- 
schränkende „schwerlich"  durch  ein  „ganz  gewiss  nicht" 
ersetzen  zu  dürfen.  Und  er  stellt  nun  die  Hypothese  auf, 
dass  diese  Energiequelle  in  den  die  Bacillen  umgebenden 
Gasen  und  Flüssigkeiten,  d.h.  in  dereuMolecularbewegungen 
zu  suchen  sein  möchte. 

Die  mittlere  Geschwindigkeit  eines  Luftmolecüls  ist 
rund  500'"  (pro  See);  aber  es  werden  für  einzelne  Mole- 
cüle  grössere  Geschwindigkeiten  vorkommen.  In  Betreft" 
der  Geschwindigkeiten  der  Molecüle  einer  Flüssigkeit  sind 
unsere  Kenntnisse  nicht  so  weit  entwickelt  wie  hinsicht- 
lich der  Gase;  aber  die  Erscheinung  der  Verdampfung 
und  andere  machen  es  doch  wahrscheinlich,  dass  auch 
hier  moleculare  Geschwindigkeiten  vorkommen,  die  wenig- 
stens in  ausgezeichneten  Fällen  mit  denen  der  Gase  ver- 
gleichbar werden.  Nur  diese  schnellen  bewegten  Molecüle 
der  eine  Mikrobe  umgebenden  Gas-  oder  Flüssigkeits- 
massen können  offenbar  die  Energie,  von  der  die  Rede, 
liefern.  (Nur  sie  können  z.  B.  weit  genug  in  die  Mikrobe 
eindringen.)  Wenn  dies  aber  stattfindet,  dann  muss  die 
umgebende   Gas-  oder  Müssigkeitsmengc    sich    abkühlen; 


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Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  4S 


und  ein  Betrag  von  Energie,  der  der  hier  verlorenen 
Wärmemenge  genau  aequivalent  ist,  wird  dann  der  Mi- 
krobe zugeführt  sein  und  sie  zur  Entrichtung  organischer 
Bildung  befähigen.  Eine  solche  Anschauung  über  die 
Energiequellen  der  Bacillen  lässt  übrigens  auch  die  klei- 
neren Dimensionen  der  letzteren  als  zweckmässig  und  vor- 
theilhaft  erscheinen.  In  der  That  werden  Bacillen  mit 
einem  Durchmesser  von  */.,  bis  Vn  Mikron  einigermaassen 
gewissen  molecularen  Dimensionen  nahegebracht. 

Herr  Stoney  verhehlt  sich  nicht,  dass  die  von  ihm 
aufgestellte  Ansicht  über  die  Energiequellen  der  Bacillen 
nicht  in  Uebereinstimmung  zu  bringen  ist  mit  dem  zweiten 
Hauptsatz  der  mechanischen  Wärmetheorie,  wonach  die 
Wärme  nicht  von  einem  kälteren  zu  einem  wärmeren 
Körper  übergehen  kann,  wenn  nicht  ein  aequivalenter  com- 
pensirender  Vorgang  gleichzeitig  stattfindet  bezw.  vorher- 
gegangen ist. 

Zu  diesem  Punkte  bemerkt  er,  dass  es  sich  aber  hier 
um  elective  Molecularvorgänge  handele,  während  der 
zweite  thermodynamische  Hauptsatz  nur  als  ein  Durch- 
schnittsresultat zu  betrachten  sei  aus  einer  gewisser- 
maassen  statistischen  Betrachtung  der  ungeheuren  Anzahl 
aller  in  der  Natur  wirklich  vorkommenden  Molecular- 
vorgänge der  hier  in  Betracht  zu  ziehenden  Art.  Die 
Möglichkeit  solcher  electiven  Molecularvorgänge  ist  nun 
in  der  That  nicht  rundweg  abzuweisen,  wenn  auch  aller- 
dings nicht  jeder  besonderen  Lösung  dynamischer  Glei- 
chungen ein  reales  Correlat  in  der  wirklichen  Welt  zu 
entsprechen  braucht. 

Immerhin  muss  daran  erinnert  werden,  dass  wir  hin- 
sichtlich der  Vorgänge  der  organischen  Welt  auch  sonst 
in  die  Lage  kommen  können,  wenigstens  vor  der  Hand 
Ausnahmen  am  zweiten  thermodynamischen  Hauptsatze 
zuzulassen.  Und  mit  Rücksicht  darauf  dürfte  die  Stouey- 
sche  Hypothese  auch  hier  Erörterung  linden,  umsomehr, 
als  sie  Anregung  zur  Behandlung  der  Frage  giebt,  wo 
die  nothwendige  aequivalentc  Concentration  von  Energie 
stattfindet  gegenüber  der  sonst  wahrgenommenen  Dissi- 
pation  derselben.  Grs. 

lieber   das   HalbLydrat    des    Calciuinsulfats    von 

A.  Potilitzin  (Jouru.  d. russ.  phys.-chem.Gesellsch.  1893  [1] 
207,  D.  Chem.  Ges.  Ber.  26,  571  R.).  —  Dieses  Hydrat, 
dem  die  Formel  2  (Ca  SO^)  •  HgO  zukommt,  kann  durch 
unvollständige  Entwässerung  von  Gyps  oder  durch  Addition 
von  Wasser  zum  entwässerten  Sulfat  gewonnen  werden. 
Gyps,  CaSO^  •  2H.2O,  beginnt  beim  Erwärmen  auf  62—65° 
an  der  Luft  langsam,  aber  stetig  Wasser  zu  verlieren, 
bis  die  obige  Verbindung  entstanden  ist.  Das  vollständige 
entwässerte  Galciumsulfat  absorbirt  beim  Liegen  an  der 
Luft  anfangs  schnell  Wasser,  bis  dieselbe  Zusammen- 
setzung erreicht  ist,  während  dann  die  weitere  Absorption 
nur  sehr  langsam  und  nur  in  mit  Wasserdampf  gesättigter 
Luft  schneller  erfolgt.  Bei  längerem  Verweilen  in  solcher 
Luft  geht  endlich  das  Halbhj^drat  in  das  gewöhnliche 
wasserhaltige  Sulfat  über.  Durch  die  Eigenschaften  dieses 
Halbhydrates  sollen  die  Sonderheiten  übersättigter  Gyps- 
lösungen  erklärt  werden,  indem  sich  beim  Lösen  von 
wasserfreiem  Gyps  zunächst  das  leichter  lösliehe  Halb- 
hydrat bilde,  dieses  dann  in  Wasser  allmählich  in  das 
schwerer  lösliche  Dihydrat  übergehe.  Sp. 


Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben. 

Es  wurden  ernaunt:  Dr.  Fritz  Erk  in  Miinoliin  zum  Director 
der  Kgl.  bayc-'r.  metoorologisehen  Central-Statioii  daselbst.  —  Au 
der  Kgl.  Bibliothek  in  Berlin  die  Custoden  Dr.  Georg  Hermann 
Valentin  —  und  Dr.  Eduard  Ippel  zu  Bibliothekaren.  —  An 
der  Universität  Wien  dio  aus.serordentliehen  Professoren  in  der 
medieinischen  Facultät    Dr.  Moritz  Kai)osi   und  —  Dr.  Isidor 


Neumann  zu  Ordinarien  —  und  der  ausserordentlie.he  Prtit'essor 
für  Zoologie  Dr.  Karl  Grobben  zum  ordentlichen  Prot'i'ssor.  — 
Dr.  Ernst  Lecher,  Privatdocent  für  Experimental-Physik  an 
der  Universität  Wien,  zum  ausserordentlichen  Profes-sor  und  Director 
des  physikalischen  Caliinets  an  der  Universität  Innsbruck.  —  Mr. 
Charles  Stewart  zum  Professor  der  Physiologie  an  der  Royal 
Inr<titution  of  Great  Britain  in  London.  —  Dr.  Carl  Berg  zum 
I-'rofessor  der  Zoologie  an  der  Universität  Bui'nos  Ayres.  —  Der 
Privatdocent  Dr.  Senbi-rt  zum  ausserordentlichen  Professor  für 
analytische  und  pharmaceutisehe  Chemie  an  der  Universität 
Tübingen.  —  Dr.  Arthur  von  Oettingen,  früher  Professorder 
Physik  an  der  Universität  Dorpat,  zum  Ordinarius  an  der  Univer- 
sität Li'ipzig. 

Es  sind  gestorben:  Der  Professor  für  allgemeine  Geschichte 
der  Wissenschaften  am  College  de  France  Pierre  Laffitte  in 
Paris.  —  Der  Naturforscher  Sir  Andrew  Clark  in  London.  — 
Der  Professor  der  Agricultur  Dr.  E.  Leconteu.x  in  Paris.  — 
Dr.  Friedrich  Falk,  Professor  für  forensische  Medicin  an  der 
Universität  Berlin.  —  Bergingenieur  Georg  Bieneck  in  Breslau. 


Eine   Bronce  -  Statue  Chevreul's    wurde    am    20.  October    in 
seiner  Vaterstadt  Angers  enthüllt. 


Die  Redaction  der  „Ornithologischen  Monatsberichte"  (Dr. 
Ant.  Reichenow  Berlin,  Museum  für  Naturkunde,  Invalideiistr.  43) 
bittet  ihr  alle  diesjährigen  Beobachtungen  des  Tannenhehers  (Nu- 
cifraga  caryocatactes)  mitzutheilen,  da  es  sich  möglicherweise 
wieder  um  grössi're  Wanderschaaren  handelt. 


L  i  1 1  e  r  a  t  u  r. 

Th.  W.  Engelmann,    XJeber   den   TJrsprung    der    Muskelkraft. 

Mit  4  Figuren.     Wilhelm  Engelmann  in  Leipzig,    iy'J3.  —  Preis 

■2  Mark.  ' 

Auf  Grund  seiner  eingehenden  Untersuchungen  kommt  Verf. 
zu  dem  Resultat,  dass  die  Ursache  der  Kraftentwickelung  bei  der 
lebendigen  Muskelcontraction  in  der  Erwärmung  doppelln-echender 
Theilchen  gelegen  sei. 


Prof.  Dr.  G  Haberlaadt,  Eine  botanische  Tropenreise.  Indo- 
malayische  Vegetationsbilder  und  Reiseskizzen.  Mit  51  Ab- 
bildungen. Wilhelm  Engelmann,  Leipzig  IS'JS.  —  Preis  8  Mk. 
Hier  liegt  wieder  einmal  ein  Buch  vor,  das  man  so  recht  aus 
ganzem  Herzen  empfehlen  kann:  ein  prächtiges Weihnaclitsgescheidi 
für  jeden,  der  der  Natur  nicht  stumpf  gegenübi^rsteht.  Denn 
Uaberlandt  hat  —  obwohl  sein  Werk  dem  Botaniker  mannigfaches 
Neues  bietet  —  überhaupt  für  den  naturwissenschaftlich  Gebildeten 
geschrieben,  nicht  allein  für  den  Fachmann.  Schon  die  leichte 
Schreibweise  des  Autors  hebt  sich  angenehm  von  dem  leider  noch 
so  oft  geübten  schwerfälligen  und  ungeschickten  Styl  anderer  Ge- 
lehrten ab.  Die  biologische  Betrachtung  steht  in  den  Haberlandt- 
schen  Auseinandersetzungen  im  Vordergrunde,  wie  das  demjenigen 
selbstverständlich  sein  wird,  der  den  Autor,  Professor  der  Botanik 
an  der  Universität  Graz,  aus  seinen  früheren  Schriften  kennt. 

In  der  That  sollte  es,  wie  H.  Eingangs  erwähnt,  die  Pflanzen- 
welt der  Tro]ien  sein,  welche  für  die  Beurtheilung  derjenigen 
unserer  gemässigten  Zone  zu  Grunde  gelegt  wird,  nicht  umgekehrt; 
denn  erst  naehträglii-h  haben  sich  eine  Reihe  von  Anpassungen 
unserer  heimischen  Gewächse  an  die  Ungunst  des  Klimas  heraus- 
gebildet, aus  denen  dann  allgemeine  und  weittragende  Folgerungen 
für  das  gesammte  Gewächsreich  abgeleitet  worden  sind.  Ganz 
recht:  die  Botanik  ist  noch  ,,nordisch  -  europäisch",  und  diesen 
Fehler  kann  sie  nur  abstreifen,  wenn  Biologen  zahlreicher  in  die 
Tropen  gehen,  um  dort  die  der  Wissenschaft  anhaftende  Ein- 
seitigkeit allmählich  abstreifen  zu  helfen.  In  den  Tropen  „können 
sich  "alle  pHanzlichen  Lebensvorgänge  mit  grössenn-  Vollkonnnon- 
licnt,  in  typischer  Weise  abspielen;  die  Anpassungen  an  äussere 
Verhältnisse,  so  mannigfaltig  sie  sind,  verschleiern  in  viel  ge- 
ringerem Grade  die  inneren  Gestaltnngstriebe".  Jeder  Botaniker 
wird  daher  einen  hinausreisenden  Collegen  beneiden  um  dii>  Ein- 
drücke und  Anschauungen,  welche  er  gewinnen  muss,  die  den 
Blick  erweiti-rn  und  vertiefen;  aber  dieses  Gefühl  wird  mit  dem 
des  Dankes  verbunden  sein,  wenn  die  gesammelten  Erfahrungen 
so  trefHich  wii'  von  unserem  Autor  mitgetheilt  werden  und  so 
dem  an  die  Scholle  Gebannten  wenigstens  ein  Ersatz  geboten  wird. 
Wir  können  unmöglich  auf  den  reichen  Inhalt  der  H. 'sehen 
Schrift  eingehen:  man  muss  sie  ganz  lesen.  Es  sei  nur  bemerkt, 
dass  es  sich  also  um  eine  Schilderung  der  Tropen-Vegetation  von 
den  Standpunkten  der  „Allgemeinen  Botanik"  ans  handelt,  aber 
eingekleidet  in  anmuthende  Reiseskizzen  und  ausgestattet  mit 
wahrhaft  künstlerisch  von  dem  Autor    ausgeführten  Abbildungen. 


Nr.  48. 


Naturwissenschaftliche  Wochensclirift. 


.539 


welche  ansnezi'iohnete  Anschamingen  bioten.  Um  wenigstens  einen 
Einblick  in  ilas  Bnch  zu  gewähren,  werden  wir  baldigst  in  der 
„Naturw.  VVoehenschr."  einen  kurzen  Ali.scdniitt  ans  demselben 
zum  Abdruck  bringen.  P. 


Dr.  Joseph  Gottlieb  Kölreuter's  Vorläufige  Nachricht  von 
einigen  das  Geschlecht  der  Pflanzen  betreffenden  Versuchen 
und  Beobachtungen,  nebst  Fortsetzungen  1,  2  und  3.  (17ül 
bis  17G(i.)  Herausgegeben  von  W.  Pfeft'er.  (Ostwalii's  Klassiker 
der  exacten  Wissenschaften  No.  41.)  Wilhelm  Engehnann  in 
Leipzig  1893    —  Preis  i  M. 

Die  Wahl  der  bisher  in  Ostwald's  Klassikern  zum  Abdruck 
gelangten  Werke  älteren  Datums  ist  eine  sehr  glückliche.  Auch  der 
vorliegende  Neudruck  der  Kölreuter'sclien  Untersuchungen  über 
das  Geschlecht  der  l'tlanzen  ist  eine  klassische  Arbeit,  die  jeder 
Botaniker  in  der  Hand  gehabt  haben  sollte.  K.  J.  Cauierarius, 
J  G.  Kölreuter  und  Christian  Conrad  Sprengel  sind  :'>  Leuchten 
der  Wissenschaft,  denen  wir  die  grundlegenden  Ansichten  über 
das  Geschlecht  der  Pflanzen  verdanken.  In  erster  lieilie  waren 
es  Bastardirungsversuche,  die  Kölreuter  anstellte;  er  war  der  erste, 
der  —  von  wissenschaftlichen  Gesichtspunkten  geleitet  —  Bastarde 
erzog,  und  seine  Arbeiten  sind  bis  jetzt  über  diesen  Gegenstand 
fundamental  geblii'ben  in  der  Weise,  dass  jeder,  der  sieh  mit  dem 
Gegenstande  beschäftigt,  auf  Kölreuter's  Werk  zurückgreifen  muss. 
Schon  Kölreuter  hat  u.  a.  naclidriicklich  betont,  dass  zwar  nicht 
bei  allen,  al)er  doch  recht  zahlreichen  Pflanzen  die  Honigsaft 
sammelnden  Insectcn  den  Blüthenstaub  übertragen  und  öfters  zur 
Erzielung  von  Bestäubung  nothwendig  sind,  und  doch  konnte 
diese  so  wichtige  Erkenntniss  —  auch  ti'otz  Christian  Conrad 
SprengcFs  meisterhaften  Werkes  über  diesen  Special-Gi'genstand 
von  1793  bis  zum  Jahre  186'i,  als  Darwin  wieder  nachdrücklich 
darauf  aufmerksam  machte,  für  die  Wissenschaft  unbenutzt  bleiben  ! 
Wie  menschlich  ist  doch  auch  die  Wissenschaft!  P. 


Engler  und  Prantl,  Die  natürlichen  F  flanzenfamilien,  fintgeselzt 
\on  A.  Ellgier.  Liefeiungen  91.1  —  9'-'.  Wilhelm  Engehnann  in 
Leipzig  1S93.  —  Preis  der  Lief.  3,  in  Subscription   i,50  Älk. 

Schon  wieder  können  wir  das  Erscheinen  dreier  Lieferungen 
des  ausgezeichneten  Werkes  anzeigen:  Lief  90,  welche  die  Fort- 
setzung der  Li'guminosae  (bearbeitet  von  P.  Taubert)  bringt,  und 
Doppellieferung  91/92,  welche  über  Lebermoose  (bearbeitet 
von  V.  Schiffner)  handelt.  Auf  2  Seiten  linden  wir  vorher  eine 
Charakteristik  und  die  Eintheilung  der  Embryophyta  zoidiogama 
(Archegoniatae)  aus  der  Feder  Engler's.  LTnter  anderem  ist  in 
derselben  bemerkenswert!!,  dass  Engler,  wie  schon  in  seinem  Syl- 
labns.  den  Begriff  der  Blüthe  in  zAveckmässigster  Weise  erweitert. 
In  der  Charakteristik  der  Pteridiiphyta  linden  wir  nämlich  die 
Angabe:  „Die  Sporangieu  tragenden  Blätter  bilden  bisweilen  eine 
gesoudt^rte  Sprossformation,  die  schon  als  Blüth  e  bezeichnet 
werden  kann."  Ich  selbst  muss  sagen,  dass  gemäss  unserer 
heutigen  Kenntnisse  es  in  der  That  einzig  richtig  und  zweck- 
mässig ist,  für  die  mit  Sporophyllen  besetzten  Sprosse,  die  sich 
von  der  Laubregion  äusserlich  unterscheiden,  wie  bei  den  homo- 
logen Organen  der  Phanerogamen  oder  Embryophyta  siphonogania 
den  Namen  Blüthe  anzuwenden,  um  endlich  einmal  die  ilurchans 
ungerechtfertigten  Bezeichnungen  ,.Fructificati(Uien'',  „Sporen- 
Aeliren"'  und  ähnliche  zu  beseitigen.  Ich  habe  schon  Gelegen- 
heit gehabt,  in  der  „Naturw.  Wochenschr.''  einen  Aufsatz  übi-r 
den  Begriff  der  Blüthe  zu  veröfl'entlicheii,  der  die  in  Reile  stehende 
Frage  beleuchtet  (N'r.  47).  Die  bekanntlich  nur  fossil  vorkommenden 
Sphenophyllales  bringt  der  genannte  Gelehrte  zwischen  die  Equi- 
setales  und  Lycopodiales;  icii  habe  in  der  „Naturw.  Wochenschr." 
VllI  S.  219  ff',  begründet,  dass  besser  gegliedert  wird:  I.  Filicales 
2.  Sphenophyllales,  3.  Efpiisetales  und  4.  Lycopodiales.  Aus  der 
Bemerkung  bei  den  Sphenophyllales  „Sporangien  einzeln  auf 
der  Blattspreite  oder  in  der  Blattachsel"  geht  hervor,  dass  die 
neuesten  Zeiller-Williamson'schen  Untersucliungen  nnil  meine  Be- 
merkung zur  Unterbringung  der  Gruppe  nicht  mehr  Berücksichti- 
gung finden  konnten;  aber  es  wird  das  durch  die  von  mir  über- 
noinmeni'  Bearbeitung  der  Sphenophyllales,  Calaniariaceen  und 
Lepidephyten  in  den  natürlichen  Pflanzenfauiilien  wieder  ausge- 
glichen werden,  in  der  die  erwähntc'n  neuesten  Untersuchungen 
Berücksichtigung  finilen  können,  da  sich  das  Erscheinen  derselben 
noch  eine  ganze  Zeit  hinausschiebt. 

Die  Abbildungen  sind  wie  immer  ausgezeichnet.  Lief.  90  ent- 
hält deren  56  in  7  Figuren,  Dopijellief  91,  9"-'  nicht  weniger  als 
258  in  52  Figuren.  H.  P. 


Prof.  Dr.  Otto  Wünsche,  Die  Alpenpflanzen.  Eine  Anleitung 
zu  ihrer  Kenutinss.  Gebr.  Thu.st  (K.  Brämiiiiger)  in  Zwickau  i.S. 
1893.  —  Preis  3  IVlk. 
Das  bequem  in  der  Tasche  zu  transportirende  Büchelchon  ist 
sehr  geeignet,  den  Liebhaber  der  Alpenflora  —  und  wer  wäi'e 
das  nicht?  —  in  die  Kenntniss  denselben  einzuführen,  da  es  sich 
mit  Geschick  bemüht,  dein  Laien  verständlich  zu  sein  Ausser 
den  echten  Alpenptianzen  sind  auch  die  Phanerogamen  und  Pteri- 
dophyten  niederer  Höhen  (.'i'lü— I  lOH)  m  aufgenommen  worden  und 
ebenso  die  Arten  der  Voralpenregion.  Es  war  dies  nöthig,  da 
der  Anfänger  ja  noch  nicht  in  Alpen  und  andere  Arten  zu  scheiden 
weiss,  was  er  ja  u.  a  durch  das  Buch  lernen  soll.  Das  Buch  ist 
eine  Flora  zum  Bestimmen  der  Arten  nach  der  bekannten,  be- 
quemen Lainarck'schen  Methode:  es  wird  gewiss  die  Freude  au 
den  anziehenden  Alpenpflanzen  mehren  helfen. 


Barvir,  Dr.  Heinr. ,  Ueber  eine  Umwandlung  von  Granat  in 
diopsidartigeii  Pyroxen,  gemeine  Hornblende  und  basischen 
Plagioklns   in    einen   Granat  Amphibolit.     Prag.     0,20  M. 

Bauernberger,  Herrn.,  Ueber  die  Stärke  elektrischer  Wellen, 
wenn   der   Primärfiiiike   in  Oel   überspringt      Wien.     0,30  M. 

Bischoflf,  Prof.  Dr.  C.  A.,  Handbuch  der  Stereochemie.  Frank- 
furt a,M.     14  M. 

Burgerstein.  Dr.  Alfr.,  Vergleichend-anatomische  Untersuchungen 
des  Fichten-  und  Lärchenholzes.     Wien.     2  M. 

Dressler,  L.,  S.  J.,  Zur  Orientierung  der  Euergielehre.  Münster. 
1   M. 

Driesch,  Hans,  Die  Biologii'  als  selbständige  Grundwissenschaft. 
Leipzig.     1,20  M. 

Gänge,  Doc.  Dr.  C,  Anleitung  zur  Spectralanalyse.    Leipzig.    2  M. 

Garten,  der  botanische,  „'s  lands  plantentuin"  zu  Buitenzorg  auf 
.Java.     Leipzig.     14  M. 

Gerber,  P.,  (^lualitative  chemische  Analvse  in  tabellarischer  Ueber- 
sicht.      Bern       1    M. 

Haacke,  Dr.  Wilh.,  Gestaltung  und  Vererbung.  Eine  Entwicke- 
liingsiiiecdiniiik   der  ( )rgaiiismen.     Leipzig.     8  M. 

Haberlandt,  Prof.  Dr.  G.,  Eine  botanische  Tropenreise,    Leipzig. 

Hering's,  C,  Kurzgefasste  Arzneimittellehre.    2.  Bd.    Berlin.    10  M. 
Koelliker,    Prof.  A.,    Handbuch    der  Gewebelehre  des  Menschen. 

_ii.  AiiH      •-'.  Bd.     Leipzig.     10  M. 
Läska,  Dr.  W.,  Tafeln  zur  Auflösung  des  Kepler'schen  Problems. 

Prag.     0,48  M. 
Mach,  Ludw.,    Notiz    über    ein  Röhrenniveau    von  variabler  Em- 

piiiidliehkeit.     Wien.     0,20  M. 
Mazelle,    Ed.,    Der   jährliche    und    tägliche    Gang    und    die    Ver- 

.änderliehkeit  der  Lufttemperatur.     Wien.     1,80  M. 
Meyer,  Dr.  Hans,  Ostafrikanischc  Gletscherfahrten.   Leipzig.  12  M. 
Noväk,    Gymn. -Prof.    Jos.,    Die    Flechten    der    Umgebung    von 

Deutschbrod,  nebst  einein  Verzeichniss  der  überhaupt  in  Böhmen 

entdeckten  Arten.      Prag.     2  M. 
Piesch,  stud.   phil.  Bruno,    Ueber    den    elektrischen  Widerstand 

des  Ceylongraiilivts.     A\'ien.     0,20  M. 
Reverdin,  F.,   ii    H.  Fulda,  Tabellarische  Uebersicht  der  Xa]dita- 

linderivate      2  Thh-.     Basel,     lli  .M. 
Romanes.  George  John,  M.  A.,  LL.  D.,  F.  B.  S„  Eine  kritische 

Darstellung  der  VN'eiäinann'schen  Theorie.     Leipzig.     4  M. 
Safarik,  Prof  A.,  Ueber  Construction  von  metallischen  Teleskop- 

s|)ieg.-lii  nach  neuen  Grundsätzen.     Prag.     0,40  M. 
Sahulka,    J.,    l-a-kl.ärung    des    Ferrantiscdien    Phänomens.      W'ien. 

0,2U  M. 
Sa.yer,  Prof.  C,   Die  Wassermengen  der  fliessenden  Gewässer  im 

<  iros.-herzogthuiu  Baden.     Karlsrahe.     8  M. 
Sigwart,    Prof.  Dr.  Chrph.,    Logik.     2.  Bd.     Die    Methodenlehre. 

:.'.  Aut\.     Freiluug  i./B.     2i5  M. 
Study,  E.,   Sphärische  Trigonometrie,  orthogonale  Substitutionen 

und   elliplische  Functionen.     Leipzig.     5  M. 
Thomae,  Joh.,   Die  Kegelbchnitte  in  rein  proiectirter  Behandlung. 

Halle,     i;  M. 
Tolstopiatow,  Prof.  M.,  Recherches   mineralogiques.  Leipzig.  7  M. 
Tschermak,    Hofr.  Prof.  Dr.   Gust.,    Lehrbuch    der   Mineralogie. 

Wien.       IS    M. 
Tschumi,  Joh.,    Ein  Beitrag    zur  Geschichte    und   Discussion  der 

Cycloiden.     Bern.      I,.i0  M. 
Volkmann,    Prof.    Dr.    P.,     Beiträge     zur     Werthschätzung     der 

Königs fierger  Erdthi'rinoineter-Station   1872 — 1892.    Königsberg. 
0,2.')  M.  '  ' 


Inhalt:  Dr.  E.  Koebke:  Ueber  die  Bedeutung  wissenscliaftlicher  Ballonfalirteu.  (Mit  Abbild.)  —  65.  Versammlung  iler  Gesellschaft 
deutscher  Naturforscher  und  Aerzte  in  Nürnberg.  IV.  —  Zusammenleben  zweier  verschiedener  Thierarten.  —  Wie  hält  der  tli.geiide 
Raubvogel  die  Fänge V  —  Energiequellen  der  Bacterien.  —  Ueber  das  lialbhydrat  der  Calciumsulfats.  ~  Aus  dem  wisseiischafl- 
lichen  Leben.  —  Litteratur;  Th.  W.  Engelmanii:  Ueber  den  Ursprung  der  Muskelkraft,  —  Prof  Dr.  G.  Haberlandt:  Eine 
botanische  Tropenreise.  —  Dr.  Joseph  Gottlieb  Kölreuter's:  Vorläufige  Nachricht  von  einigen  das  Geschlecht  der 
Pflanzen  betreffenden  Versuchen  und  Beobachtungen,  nebst  Fortsetzungen  1,  2  und  3.  —  Engler  und  Prantl:  Die  natür- 
lichen Pflanzenfamilien.  —  Prof.  Dr.  Otto  Wünsche:  Die  Alpenpflanzen.  —  Liste. 


540 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  4S. 


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dieser  Wochenschrift  snb  M.  VV.  14. 


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Dr.  Th.  Elkan, 

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s^SammNiche  pholograph,  Artikel  |^ 

H  -Trocik  en  pl^ 


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räthe  für   wissenschaftliche   und   technische  Laboratorien. 

Verpackungsgelässe,  Schau-,  Stand-  und  Aussteliungsgläser. 

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Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.   12. 


für  den    lusoratentheil:  Hugo  Bernstein    in    Berlin. 
-  Druck:  G.  Bernstein,  Berlin  SVV-   12. 


^^  Redaktion:  (         Dr.  H.  Potonie. 

Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12,  Zimmerstr.  94. 


VIII.  Band. 


Sonntag,  den  3.  December  1893. 


Nr.  49. 


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Die  natürliche  Auslese  beim  Menschen. 

Von  Otto  Am  1110 11.*) 


Die  zweielterliche  Fortpflanzung'  Jn'iiigt  eine  viel 
grössere  Mannigialtigkcit  versebieden  gearteter  Individuen 
hervor,  als  dies  dnreh  die  individuelle  Variabilität  allein 
möglich  wäre.  Die  durch  die  „Ainphiniixis"  **)  entstehenden 
neuen  Combinationen  elterlicher  Anlagen  bilden  das  Ma- 
terial, in  welches  die  natürliche  Auslese  einsetzt.  Die 
günstigenConibinatioiien  werden  erhalten  und  ausgesondert, 
um  zu  allgemeinen  Culturzweckeii,  d.  h.  zum  Nutzen  der 
Art,  verbraucht  zu  werden,  die  ungünstigen  gehen  im 
Kampfe  ums  Dasein  unter,  und  die  grosse  Menge  von 
neutralen  Combinationen,  d.  h.  von  solchen,  die  gerade 
hinreichend  sind  zum  Bestehen  des  Daseinskampfes,  ohne 
hervorragende  Leistungen  erzeugen  zu  können,  werden 
durch  viele  Generationen  hindurch  erhalten  als  ürmaterial, 
bis  unter  den  Nachkommen  einmal  der  Fall  eintritt,  dass 
eine  günstige  Conibination  elterlicher  Eigenschaften  eine 
Begabung  über  Mittel  entstehen  lässt.  Wenn  ich  ge- 
zwungen bin,  mich  so  auszudrücken,  als  unterstelle  ich 
eine  bewusste  Zielstrebigkeit,  so  liegt  dies  au  der  Be- 
schaftenlieit  unserer  Sprache,  welche  bis  jetzt  ausschliess- 
lich an  die  teleologische  Denkweise  angepasst  ist  und  den 
richtigen  Ausdruck  nur  unter  Anwendung  von  Umschrei- 
bungen gestattet.  Ich  schicke  deswegen  hier  ein  für 
allemale  voraus,  dass  nach  meiner  Auffassung  die  be- 
stehenden Einrichtungen  der  menschlichen  Gesellschaft 
nicht  als  solche  aufzufassen  sind,  welche  zu  einem  be- 
stimmten Zwecke  geschaifen  wurden,  sondern,  als  sidche, 
die  unter  einer  Menge  möglicher  und  wirklieh  versuchter 


*)  Abgedruckt  mit  freundl.  Genehmigung  des  Verlages  aus 
dem  gleichuamigeu  Buch  des  Verfassers  (Verlag  von  Gustav  Fischer 
in  Jena,  1893.  Preis  7  Mk.),  in  welchem  er  am  Schluss  die  obige 
Zusammenfassung  giebt.  Vergl.  die  Besprechung  des  Buches  in  der 
„Naturw.  Wochenschr."  VIII,  S.  4(i0. 

**)  Der  Herr  Verfasser  huldigt  der  Lehre  Weismann's,  die  in 
Bd.  VIT  S.  141  der  „Naturw.  Wochenschr."  l-iesprechnng  gefunden 
bat.  —  Itei-I. 


Einrichtungen  sich  als  die  zweckmässigsten  erprobten  und 
im  Kampfe  ums  Dasein  siegreich  waren.  Die  Analogie 
mit  der  natürlichen  Auslese  bei  den  Individuen  wird  uns 
richtig  leiten:  auch  das  angepasste  Individuum  ist  nicht 
eigens  geschaffen,  sondern  es  stellt  nur  eine  günstige 
Conibination  dar,  welche  unter  unzähligen  verschiedeneu 
Combinationen  durch  den  Kamjif  ums  Dasein  ausge-. 
wählt  ist.  . 

Das  ürmaterial  für  die  natürliche  Auslese  beim  ;\Ien- 
sehen  bildet  in  der  Gegenwart  der  Bauernstand,  der  aus 
der  Verschmelzung  von  germanischen  Freien  mit  unfreien 
Mischlingen  hervorgegangen  ist.  Seit  unbestimmbar  langer 
Zeit  ist  der  das  Feld  bebauende  Mensch  an  seine  Lebens- 
bedingungen angepasst.  Wenn  wir  die  Veränderungen 
ausser  Acht  lassen,  welche  in  den  letzten  Jahrzehnten  in 
der  rationellen  Landwirthschaft  vor  sich  gegangen  sind, 
und  welche  nach  und  nach  auch  au  den  Bauernstand  er- 
höhte Anforderungen  stellen,  so  begegnen  wir  einer  Gleich-: 
mässigkeit  der  Lebensbedingungen,  welche  die  innige 
Anpassung  der  Bauern  erklärt.  Es  versteht  sich  vou 
selbst,  dass  auch  der  Bauer  kein  vollständiger  Dauertypus 
ist,  der  nur  Seinesgleichen  hervorbringt  Auch  unter  den 
Bairern  giebt  es  körperlich  starke  und  körperlich  schwache, 
seelisch  günstig  und  seelisch  ungünstig  veranlagte  Indivi- 
duen. Die  natürliche  Auslese  ist  fortwährend  in  Thätig- 
keit,  um  die  Bauern  im  Stand  der  Anpassung  zu  er- 
halten. Sie  wirkt  aber  auf  die  körperliche  und  auf  die 
seelische  Ausstattung  nicht  in  gleichem,  sondern  in  ent- 
gegengesetztem Sinne  ein.  In  Bezug  auf  die  körperliche 
Veranlagung  nimmt  die  natürliche  Auslese  die  schwachen 
Individuen  hinweg,  indem  diese  entweder  schon  im  Kindes- 
alter aus  Mangel  an  rationeller  Ptlege  zu  Grunde  gehen, 
oder  im  reiferen  Knabenalter  zur  Erlernung  eines  Hand- 
werks nach  den  Städten  geschickt  werden.  In  Bezug  auf 
diie  seelischen  Anlagen  werden  umgekehrt  gerade  die  am, 
höchsten  begabten  Individuen  vorzugsweise  hcrausgenom- 


542 


Naturwissenschaftliche  Woclienschi-ift. 


Nr.  49 


men,  um  in  den  Städten  ihren  Fähigkeiten  entsprechende 
Aufgaben  zu  erfüllen.  Diese  allbekannten  Thatsaclien  er- 
klären uns,  wie  es  konunt,  dass  der  Bauernstand  sich  durch 
lange  Zeit  hindurch  gesund  und  kräftig  erhält,  aber  hin- 
sichtlich seiner  seelischen  Anlagen  ein  gewisses  Niveau 
nicht  überschreitet. 

Der  Bevölkerungsstrom,  welcher  den  Geburten-Ueber- 
schuss  der  ländlichen  Bevölkerung  nach  den  Städten  führt, 
ist  nicht  ausschliesslich  durch  das  Spiel  des  Zufalles  zu- 
sammengesetzt, sondern  er  ist  zum  Theil  das  Erzeugniss 
einer  natürlichen  Auslese.  Die  Kopfniessuugen  haben  uns 
darüber  belehrt,  dass  die  nach  den  Städten  Wandernden 
etwas  mehr  Langköpfe  enthalten,  als  die  auf  dem  Lande 
Zurückbleil)enden,  und  wir  haben  uns  ül)erzeugen  müssen, 
dass  den  Langköpfen  eine  andere  Art  der  Begabung  inne- 
wohnt, als  den  Rundköpfen;  die  Verschiedenheit,  ja  in 
vielen  Fällen  Gegensätzlichkeit  der  seelischen  Anlagen 
von  Lang-  und  Rundköpfen  ist  uns  auch  sonst  noch  im 
Laufe  unserer  Untersuchungen  häufig  aufgestossen.  Wir 
haben  die  seelischen  Eigenschaften  der  Langköpfe  auf 
die  alten  Germanen,  die  der  Rundköpfe  auf  asiatische 
Einwanderer  zurückgeführt,  welche  schon  in  vorgeschicht- 
licher Zeit  durch  die  Pforte  des  Donauthales  in  das  Herz 
Europas  vorgedrungen  und  als  Ackerbauer  sesshaft  ge- 
worden sind.  Dem  hoehgemuthen  Sinn  des  Germanen, 
der  sich  immer  das  Erhabenste  zur  Aufgabe  stellt  und 
nur  im  unaufiiörlichen  Streben  seine  Befriedigung  findet, 
dem  es  aber  häufig  trotz  seiner  ausgezeichneten  Verstandes- 
schärfe an  der  klugen  Berechnung  und  an  der  zähen  Aus- 
dauer fehlt,  haben  wir  den  bescheideneren  Sinn  des  Rund- 
kopfes gegenüber  gestellt,  der  zufrieden  auf  seiner  Scholle 
ausharrt,  und  der,  in  höhere  Lebenslagen  versetzt,  nicht 
selten  durch  Fleiss  und  Ausdauer  die  glänzende  Begabung 
des  Langkopfes  schlägt,  jedenfalls  aber  für  sein  eigenes 
Wohl  besser  zu  sorgen  versteht,  als  dieser. 

Die  Einwanderer  gelangen,  zum  allergrössten  Theile 
wenigstens,  in  den  Städten  in  günstigere  Ernährungsver- 
hältnisse, als  sie  von  Haus  aus  gewohnt  sind.  Es  ent- 
steht ein  Activ-Ueberschuss  in  ihrer  physiologischen  Bilanz, 
der  sich  nicht  nur  in  einem  beschleunigten  AV^achsthum 
des  Körpers,  sondern  zugleich  in  einer  frühzeitigeren  Ent- 
wickelung  äussert.  Auch  die  seelischen  Anlagen  erfahren 
eine  Steigerung  ihrer  Thätigkeit,  und  zwar  nicht  immer 
alle  in  gleichem  Grade,  so  dass  oft  eine  Störung  des 
seelischen  Gleichgewichtes  die  Folge  ist.  Bei  Manchen 
werden  die  intellectuellen  Anlagen  vorzugsweise  in  leichtere 
Erregbarkeit  versetzt,  bei  Anderen  mehr  die  sinnlichen 
Triebe,  und  die  vorkommenden  Zwischenstufen  sind  von 
der  grössten  Mannigfaltigkeit.  Alte,  längst  eingeschlafene 
wilde  Urtriebe  wachen  wieder  auf,  andere  Anlagen,  die 
bisher  im  Vordergrunde  standen,  können  durch  jene  zu- 
rückgedrängt werden.  Die  vielgestaltigen  äusseren  An- 
regungen, welche  das  Lel)en  einer  Stadt  darbietet,  wirken 
ebenfalls  darauf  hin,  die  seelischen  Anlagen  in  lebhaftere 
und  raschere  Thätigkeit  zu  versetzen  und  sie  durch  üebung 
leistungsfähiger  zu  machen.  Alles  geräth  bei  den  Ein- 
wanderern in  Gährung.  Allmählich  sondert  sich  das  ver- 
worrene Durcheinander.  Ein  Theil  der  Individuen  verfällt 
dem  Laster  und  dem  Verbrechen,  ein  anderer  Theil  ge- 
langt mit  Mühe  dazu,  sieh  das  nackte  Dasein  in  den 
Städten  zu  fristen,  ein  dritter,  und  zwar  der  wichtigste 
Theil,  beginnt  auf  der  socialen  Leiter  in  die  Höhe  zu 
steigen.  Merkwürdigerweise  sind  es  hauptsächlich  die 
Rundköpfe,  welche  auf  dieser  Stufe  des  städtischen  Le- 
bens aufgerieben  werden,  wogegen  die  Langköpfe  sich 
besser  behaupten,  vermuthlich  durch  ererbte  grössere  sitt- 
liche Widerstandskraft  gegen  die  Versuchungen,  die  an 
die  Einwanderer  herantreten.  Der  ganze  Vorgang  ist 
nichts  anderes,  als  die  Anpassung  des  aus  ländlichen  Ver- 


hältnissen hervorgegangenen  Menschen  an  die  städtische 
Lebensweise,  insbesondere  an  eine  stärkere  Ernährung 
und  an  die  anregenderen  äusseren  Eindrücke,  die  das 
Kaleidoskop  einer  Stadt  darbietet.  Dass  diese  Anpassung 
an  völlig  neue  Lebensbedingungen  nicht  ohne  grosse 
Opfer  von  Individuen  geschehen  kann,  ist  in  der  Natur 
der  organischen  Welt  begründet. 

Die  für  die  höheren  Culturzwecke  tauglichen  Indi- 
viduen werden  durch  die  Ständebildung,  welche  im  Dienste 
der  natürlichen  Auslese  wirkt,  von  der  breiten,  gährenden 
Masse  der  städtischen  Bevölkerung  abgesondert  und  er- 
fahren eine  nochmalige  Verbesserung  der  Ernährung.  Es 
ist  anzunehmen,  dass  hierdurch  abermals  ein  gewisser 
Theil  der  Individuen  geopl'ert  wird,  welcher  durch  die 
Steigerung  der  sinnlichen  Trieljc  das  (41eichgewiciit  der 
seelischen  Anlagen  einbüsst,  und  damit  stimmt  die  oft 
beobachtete,  aljer  meist  missverstandene  Thatsache  über- 
ein, dass  es  nicht  wenige  Aergerniss  erregende  Glieder 
des  Mittelstandes  giebt.  Dieser  Theil  muss  jedoch  wegen 
der  vorau.sgegangenen  ersten  Siebung  verhältnissmässig 
kleiner  sein,  als  beim  unteren  Stande.  Bei  einem  anderen 
Theile  wird  durch  die  Versetzung  in  einen  günstigeren 
Nährboden  hauptsächlich  die  Intelligenz,  die  Erfindungs- 
gabe, der  Unternehmungsgeist  und  eine  Reihe  anderer 
vortheilhafter  Anlagen  in  höherem  Grade  ausgebildet  und 
zum  Vortheil  der  Gesammtheit  ausgenützt.  Die  günstigeren 
Lebensbedingungen  des  Mittelstandes  dienen  der  natür- 
lichen Auslese  nicht  allein  dadurch,  dass  sie  die  Individuen 
des  unteren  Standes  anspornen,  durch  Aufbietung  aller 
Geisteskräfte  sich  emporzuarbeiten,  sondern  sie  bringen 
selbst  eine  weitere  Steigerung  der  Geisteskräfte  hervor. 
Auf  die  ganze  Masse  der  städtischen  Bevölkerung  ausge- 
dehnt, würden  die  günstigeren  Lebensbedingungen  des 
Mittelstandes  in  beiden  Richtungen  ihre  Wirkung  ver- 
fehlen: sie  würden  nicht  nur  den  Wettbewerb  abstumpfen, 
sondern  auch  hauptsächlich  eine  Steigerung  der  sinnlichen 
und  thierisehen  Triebe  der  Massen  hervorrufen.  Dass  die 
Natur  hier  mit  einer  doppelten  Abstufung  und  Siebung 
verfährt,  ist  jedenfalls  sehr  vortheilhaft  und  sparsam; 
selbstverständlich  haben  wir  daher  in  der  Bildung  der 
Stände  eine  Einrichtung  zu  erblicken,  welche  aus  der 
natürlichen  Auslese  hervorgegangen  ist  und  der  natürlichen 
Auslese  dient. 

Die  bedeutsamste  Wirkung  der  Ständebildung  ist  die 
Verhinderung  der  Panmixie.  Die  beliebige  Mischung  von 
Individuen  der  verschiedensten  Herkunft  bringt  niclit  nur 
an  sich  schon  neben  einer  Minderzahl  günstiger  (Kom- 
binationen eine  Mehrzahl  ungünstiger  hervor,  sondern  be- 
fördert auch  den  Eintritt  von  Rückschlägen  auf  vergangene 
Formen  der  menschliehen  Entwickelung.  In  Folge  der 
Ständebildung  werden  auf  der  Stufe  des  Mittelstandes  nur 
solche  Individuen  mit  einander  verbunden,  welche  schon 
eine  erste  Auslese  bestanden  haben;  wenigstens  bildet 
dies  die  Regel,  und  die  Ausnahmen  krmnen  wir  übergehen, 
weil  wir  als  bekannt  voraussetzen  dürfen,  dass  die  natür- 
liche Auslese  nie  so  zielmässig  vor  sich  geht,  wie  eine 
methodische.  Je  ähnlicher  die  Eltern  einander  hinsicht- 
lich ihrer  Anlagen  sind,  desto  günstiger  gestalten  sieh  die 
Aussichten  auf  eine  im  gleichen  Sinne  begabte  Nach- 
kommenschaft, je  unähnlicher  die  Eltern,  desto  seltsamer 
erscheinen  in  den  Nachkommen  die  günstigen  und  die 
ungünstigen  Anlagen  mit  einander  gemischt,  desto  grösser 
wird  die  Wahrscheinlichkeit  von  Rückschlägen.  Unter 
allen  Misehlingsarten  sind  nur  diejenigen  im  Daseins- 
kampfe begünstigt,  welche  einem  der  reinen  ursprüng- 
lichen Typen  nahe  stehen  mit  einer  kleineu  Beimengung 
des  andern  Typus,  also  die  Langköpfe  mit  etwas  dunklerer 
Färbung  und  die  Rundköpfe  mit  etwas  hellerem  Pigment. 
Auf  das  Gebiet  der  seelischen  Anlagen  übertragen  würde 


Nr.  49. 


Naturwissenschaftliche  Wochen.schrit't. 


Ü43 


dies  heissen:  die  Germanen,  die  eine  Beinienginii;-  des 
stillen  Fleisses  und  der  das  Ziel  fest  ins  Au.i;-e  fassenden 
Beharrlichkeit  der  Rundk(>pfe,  und  die  Rundköpfe,  welche 
etwas  von  dem  idealistischen  ( ieiste.sfluge  der  Germanen 
bekonnnen  haben.  Alle  dazwischen  lieg-enden  Mischformen 
.i;elan,:icn  nicht  zu  grösseren  Erfolgen,  sondern  sind  der 
Vernichtung  durch  den  Kamjif  ums  Dasein  preisgegeben, 
denn  sie  wurden  nur  gesehaft'en  als  unvermeidliche  Neben- 
producte  bei  der  Ilervorbringung  jener  Besseren. 

Neben  der  Verhinderung  der  Panmixie  im  köipcr- 
liclien  Siinie  ist  die  Stäudebildung  aber  auch  durcli  die 
Absonderung  des  Nachwuchses  bei  der  Erziehung  und 
beim  Schulunterricht  von  Bedeutung.  Alles  Grosse  und 
Jlächtige  in  der  geistigen  Welt  der  Menschheit  wird  nur 
durch  Fernhaltung  vom  Gewöhnlichen  und  (iieraeinen  zur 
vollen  Reife  gebracht,  und  jedenfalls  ist  die  Trennung 
vonniitlien  im  Kindesalter,  in  welciiem  die  eigenen  Schutz- 
triebe der  Individuen  noch  nicht  genügend  entwickelt 
sind,  um  störenden  Einflüssen  Widerstand  zu  leisten.  Die 
durch  honiochrone  Vererbung  übertragene  späte  Entwicke- 
lung  der  Sclmtztriebe  bei  den  Kindern  hängt  im  allge- 
meinen mit  der  höheren  Organisation  und  im  besonderen 
mit  der  Anpassung  an  die  elterlichen  Schutztriebe  zu- 
sannnen,  welche  jene  entbehrlich  maclien.  Das  Bestrel)en 
der  Glieder  des  Mittelstandes,  auch  der  erst  frisch  auf- 
gestiegenen, ihre  Kinder  von  denen  des  unteren  Standes 
abzusondern,  beruht  auf  einem  ganz  i'ichtigen  elterlichen 
Instincte.  Dass  aber  die  Erwachsenen  verschiedenerstände 
bei  passender  Gelegenheit  nicht  auf  gleichem  Fusse  mit 
einander  sollten  verkehren  können,  folgt  daraus  keines- 
wegs, denn  die  Cliineserei  von  gesellschaftlicher  Absonde- 
rung ist  weder  nothweudig  noch  nützlich.  Sie  ist  sogar 
schädlich,  denn  sie  beraubt  die  höheren  Stände  der  Kennt- 
niss  des  Wesens  und  der  Lebensbedingungen  der  unteren. 
Ob  man  demjenigen,  der  über  ferne  Länder  und  Zeiten 
genaue  Auskunft  geben  kann,  aber  dem  Leben  seiner 
ärmeren  Mitmenschen  fremd  gegenüber  steht,  die  Bezeich- 
nung eines  allgemein  gebildeten  Mannes  ertheilen  kann, 
scheint  mir  zweifelhaft. 

Zum  grössten  Theile  aus  dem  Mittelstande,  zum 
kleineren  unmittelbar  aus  der  Landbevölkerung  oder  aus 
dem  unteren  Stande  der  Städte,  geht  der  Stand  der 
studirten  Berufsarteu,  der  Gelehrten  und  höheren  Beamten 
hervor.  Finden  wir  im  gewerblichen  Mittelstande  haupt- 
sächlich die  etwas  heller  gefärbten  Rundköpfe  vertreten, 
welche  doi-t  vermöge  ihres  praktischen  Sinnes  und  ihrer 
klugen  Berechnung  bedeutende  Erfolge  erzielen,  so  be- 
gegnen wir  im  studirten  Stande  einer  wahren  Auslese  von 
Langkö]ifen  mit  etwas  dunklerem  Pigment.  Die  Lang- 
köpfe sind  es,  welche  die  obersten  Gvnmasialclassen  be- 
völkern, tlieils  weil  sie  durch  ihren  Eifer  für  die  wissen- 
schaftliche Forschung  zum  Studium  getrieben  werden, 
theils  weil  ihrem  aristokratischen  Sinn  die  Laufbahn  des 
Beamten  am  meisten  zusagt.  Beides  beruht  auf  Vererbung 
aus  der  Zeit  der  Germanen,  welche,  wie  wir  gesehen 
haben,  sowohl  durch  ihre  hohe  Fassungsgabe,  als  durch 
ihr  Herrschertalent  ausgezeichnet  waren.  Die  Ruudköpfe, 
welche  wir  in  den  Gymnasialclassen  bis  einschliesslich 
Untersecunda  in  grosser  Zahl,  sogar  in  stärkerem  Ver- 
hältnisse als  bei  den  Wehrpflichtigen,  nachgewiesen  haben, 
treten  meist  mit  dem  Berechtigungsschein  zum  einjährigen 
Militärdienst  aus,  um  sich  dem  Gewerbe,  dem  Handel  und 
dem  subalternen  Beamtendienst  zu  widmen  und  siiäter 
wiederum  die  fragliciien  Schulclassen  mit  ihren  rund- 
köpfigen  Söhnen  zu  bevölkern. 

Aus  der  ungegliederten  Masse  der  Einwanderer,  die, 
wie  früher  gezeigt  wurde,  etwas  langköpfiger  sind  als  die 
Landbevölkerung,  sondert  sich  dcnmach  im  Laufe  zweier 
Stadtgenerationen    eine    hellere  rundköptige  Gruppe,    die 


der  gewerbe-  und  handeltreibinden  Bürger  und  der  Sub- 
alteru-Beaniten,  sowie  eine  dunklere  langköptige  Gruppe, 
die  der  Gelehrten  und  höheren  Beamten  ab.  Eine  That- 
sache  wie  diese,  die  das  Durchschlagen  der  ursprünglichen 
ererbten  Rassen -Anlagen  trotz  der  ganz  verschiedenen 
äusseren  Verliältnisse  der  Gegenwart  so  überzeugend  dar- 
thut,  muss  zu  den  merkwürdigsten  gerechnet  werden, 
welche  die  Anthropologie,  das  heisst  die  Kunde  v(]ni  Menschen 
und  von  seiner  Naturgeschichte,  hat  klar  legen  können. 
Dass  die  Eniporhebung  begabter  Individuen  in  bessere 
ICrnährungs-  und  Lebensbedingungen  und  die  Bildung  von 
Ständen  nur  im  Interesse  der  Art  und  nicht  im  Interesse 
der  abgesonderten  Individuen  selb.st  geschieht,  wird  da- 
durch bewiesen,  dass  die  Nachkommenschaft  der  letzteren 
dem  Aussterben  verfällt  und  dass  eine  fortwäin-ende  Er- 
neuerung durch  das  Aufsteigen  frischer  Individuen  statt- 
tindet.  Innerhalb  zweier  Generationen  wird  fast  die  ge- 
sammte  Stadtbev(ilkerung  bis  auf  einen  verschwindenden 
Rest,  der  die  Ani)assung  am  besten  erträgt,  durch  neue 
nachdrängende  Individuen  ersetzt.  Der  ansässige  liürger- 
stand  ist  oft  der  Schauplatz  grober  Entartung,  und  schlechte 
Propheten  wollen  daraus  die  Fäulniss  uud  den  Untergang 
des  Bürgerstandes  ableiten;  aber  nicht  der  Stand  artet 
aus,  sondern  nur  die  einzelnen  Glieder  k<innen  ausarten, 
und  der  Rahmen  füllt  sich  gleich  wieder  mit  gesundem 
und  tüchtigem  Nachschub,  denn  hier  herrscht  kein  Still- 
stand, sondern  Alles  ist  fortwährend  im  Flusse.  Dass  eine 
grössere  industrielle  Unternehmung  vom  Vater  auf  den 
Sohn  übergeht,  bildet  schon  nicht  mehr  die  Regel,  und 
dass  gar  noch  ein  Enkel  sie  behauptet,  dies  gehört 
zu  den  beinahe  sagenhaften  Vorkommnissen.  Auch  in  den 
Beamtenfamilien  giebt  es  keine  Vorrechte,  und  selten  er- 
halten sich  solche  Familien  gleich  brauchbar  durch  mehrere 
Generationen;  in  der  Regel  verschwinden  bald  ihre  Namen 
und  andere  treten  an  ihre  Stelle,  so  dass  es  allgemein 
bemerkt  wird,  wenn  bereits  der  Grossvater  eines  Beamten 
eine  ähnliehe  Stellung  wie  er  selbst  eingenommen  hat. 
Nur  der  Landadel  allein  lebt  unter  Bedingungen,  welche 
gebildeten  Familien  eine  Dauer  durch  eine  grössere  Zahl 
von  Generationen  ermöglichen;  aber  früher  oder  später 
werden  auch  adlige  Familien  vom  Schicksal  ereilt,  und 
zwar  desto  rascher,  je  höher  ihr  Rang  ist.  Die  Leitung 
der  öft'entlichen  Angelegenheiten  und  die  Leitung  der 
Gtttererzeugung  erfordern  eine  Anzahl  von  Persönlich- 
keiten, welche  in  ents])rcchendem  Grade  begabt  und  aus- 
gebildet sind,  um  verwickelte  Geschäfte  überschauen  und 
im  richtigen  Gange  erhalten  zu  können.  Auf  dem  Vor- 
handensein der  nöthigen  Zahl  solcher  Persönlichkeiten 
beruht  in  letzter  Linie  das,  was  wir  Cultur  nennen,  und 
beruht  auch  die  Ueberlcgenheit  eines  Volkes  über  das 
andere.  Es  ist  demnach  leicht  einzusehen,  dass  im  Laufe 
der  Geschichte  Völker  mit  zweckmässiger  Ständegliederung 
ihre  Einrichtungen  auf  Kosten  solcher  mit  unzweckmässiger 
Ständegliederung  ausbreiteten,  und  dass  Völker  ohne  alle 
Ständebildung  überhaupt  nicht  vorkommen  können,  weil 
sie  gänzlich  unfähig  wären,  den  Wettbewerb  zu  bestehen. 
Zur  richtigen  Wirkung  der  Stäudebildung  gehört,  dass 
die  Stände  nicht  zu  Kasten  verknöchern,  sondern  dass 
ein  beständiges  Vergehen  der  alten  uud  ein  Aufsteigen 
neuer  Individuen  aus  der  Masse  des  Volkes  stattfindet, 
also  den  Ständen  immer  frisches  Blut  zugeführt  wird. 
Das  Individuum  gilt  hierl)ei  nichts,  die  Art  gilt  Alles;  und 
diejenigen  Individuen,  welche  anfangs  scheinbar  bevtu'- 
zugt  werden,  bezahlen  diesen  Vorzug  entweder  mit  ihrem 
eingenen  oder  mit  dem  Untergang  ihrer  Nachkonnnenschatt. 
Die  Ursachen  des  Aussterbens  der  höheren  Stände 
sind  verwickelter  Art,  lassen  sich  aber  sammt  und  sonders 
unter  den  Begriff'  bringen,  dass  die  einseitige  Ausbildung 
des  Geistes   nnt  dem    körperlichen  Gedeihen    unvereinbar 


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Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  4y 


ist.  Wir  haben  gesehen,  dass  seliou  die  städtischen  Wehr- 
jitiichtigen  des  unteren  Standes  im  20.  Jahre  zwar  grösser 
sind  als  die  ländlichen,  aber  durch  ihren  geringeren  Brust- 
umfang die  beginnende  körperliche  Entartung  verrathen. 
Hätten  wir  auch  den  Brustumfang  bei  den  Söhnen  der 
höheren  Stände  messen  können,  so  würden  wir  zweifellos 
ein  noch  ungünstigeres  Ergebniss  gefunden  haben.  Die 
verfeinerte  geistige  Ausbildung  legt  sociale  Rücksichten 
auf:  ganz  unabhängig  von  der  Frage,  ob  die  Fruchtbar- 
keit an  sich  eine  verminderte  ist,  kann  als  ausgemacht 
angesehen  werden,  dass  nur  eine  beschränkte  Kiuderzahl 
standesgemäss  erzogen  werden  kann,  abgesehen  von  den 
Ausnahmefällen,  in  denen  besonders  günstige  Privatver- 
hältnisse vorhanden  sind.  Die  längere  Lebensdauer  der 
einzelnen  Individuen  kann  den  Jlangel  einer  weniger  zahl- 
reichen Nachkommenschaft  nicht  ausgleichen,  und  es  be- 
darf schon  aus  diesem  Grunde  eines  fortwährenden  Nach- 
schubes aus  den  unteren  Ständen,  um  die  Reihen  der 
höheren  gefüllt  zu  erhalten.  Die  Frage,  ob  das  Mengen- 
verhältniss  der  höheren  zu  den  unteren  Ständen  im  Laufe 
der  Zeit  eine  Verschiel)ung  zu  Gunsten  der  erstereu  oder 
der  letzteren  erlitten  hat,  haben  wir  auf  Grund  unserer 
vorhandenen  Materialien  nicht  zu  lösen  vermocht;  sie  ist 
eine  der  wichtigsten  Fragen  für  die  weitere  Forschung. 
Vielleicht  sind  die  von  Zeit  zu  Zeit  eintretenden  Industrie- 
Krisen  das  harte  aber  nothwendige  Mittel,  durch  welches 
die  unverhältnissmässige  Vermehrung  der  unteren  Classe 
gehemmt  und  ein  zweckentsprechendes  Verhältniss  zwischen 
Führenden  und  Geführten,  Begabten  und  Jlinderbegabten 
wieder  hergestellt  wird. 

Es  ist  noch  ausdrücklich  zu  betonen,  dass  weder  ein 
Rückstrom  von  den  Städten  nach  dem  Lande,  noch  ein 
Zurücktreten  von  Individuen  aus  einem  höheren  in  einen 
niederen  Stand  vorkommt,  abgesehen  wieder  von  einzelnen 


Ausnahmefällen,  die  an  der  Regel  nichts  ändern.  Die 
Gewölniung  an  bessere  Ernährung  und  an  geistige  Arbeit 
macht  es  den  Individuen  unmöglich,  sich  wieder  in  härtere 
Lebensbedingungen  zu  fügen,  und  bei  ihren  Nachkommen 
ist  meist  das  Nämliche  der  Fall.  Familien,  welche  in  den 
höheren  Ständen  im  Kampfe  ums  Dasein  unterlegen  sind, 
pflegen  daher  ganz  vom  Schauplatz  zu  verschwinden. 
Wahrscheinlich  spricht  sich  hierin  ein  tieferes  Gesetz  der 
Natur  aus.  Ein  organisches  Wesen  kann  leichter  aus 
einer  einfachen  Existenz  in  eine  verwickeitere  übergehen, 
als  aus  einer  verwickeiteren  in  eine  einfache.  Eine  Raupe 
verwandelt  sieh  in  einen  Schmetterling,  niemals  abei-  wird 
ein  Schmetterling  in  eine  Raupe  zurückverwandelt.  Die 
emporgehobenen  Individuen,  welche  ihrem  Zwecke  für  die 
allgemeine  Cultur  nicht  mehr  entsprechen,  werden  als  un- 
nütz bei  Seite  geworfen.  Der  Rückstrom  von  den  Städten 
nach  dem  Lande  wäre  nichts  weniger  als  günstig  für  die 
Gesammtheit.  Die  städtischen  Arbeiter  würden  ihre  auf 
eine  höhere  Stufe  der  Cultur  zugeschnittenen  Gewohnheiten 
auf  das  Land  hinaustragen  und  die  einfachen  Sitten  der 
bäuerlichen  Bevölkerung  untergraben.  Auch  die  städtischen 
Laster  würden  mit  verpflanzt  werden  und  die  Gesundheit 
der  naturgemässen,  genau  angepassten  Instincte  des  Land- 
volkes anstecken.  Das  hiesse  aber  die  Quelle  vergiften, 
aus  welcher  die  Menschheit  ihre  besten  Kräfte  zieht,  um 
sich  beständig  zu  erneuern.  Das  ganze  sociale  Gebäude  er- 
scheint so  weise  eingerichtet,  dass  die  Meinung  begreiflich  ist, 
alles  sei  mit  Vorbedacht  im  Einzelnen  so  geschaften,  wie 
es  ist;  und  dennoch  müssen  wir  vom  Standpunkt  des 
Naturforschers  immer  wieder  betonen,  dass  diese  wunder- 
bare Zweckmässigkeit  nur  durch  Anpassung  vermöge  der 
natürlichen  Auslese  zu  Stande  gekonnnen  ist,  nicht  ohne 
unzählige  vergebliche  Versuche  und  nicht  ohne  einen  un- 
geheuren Verbrauch  an  Individuen. 


65.  Versammlung  der  Gesellschaft  deutscher  Naturforscher  und  Aerzte  in  Nürnberg 


vom  11.  bis  15.  September  1893. 


IV.  (Schluss.) 

Um  einen  wahrnehmbaren  Reactionserfolg  zu  erzielen, 
muss  jeder  Anstoss  eine  gewisse  Intensität,  den  Schwellen- 
werth  des  Reizes,  übersteigen.  Die  Erfolge  werden  dann 
sogleich  oder  erst  nach  gewisser  Zeit,  nach  einem  ge- 
wissen Latenzstadium,  bemerklich,  um  sich  schnell  oder 
langsam,  während  kurzer  oder  langer  Zeit  abzuspielen. 
Doch  hierin  liegt  wiederum  keine  Eigenthümlichkeit  der 
physiologischen  Reactionen.  Denn  wenn  z.  B.  eine  Uhr 
durch  einen  auslösenden  Stoss  in  Gang  gesetzt  wird,  so 
verstreicht  el)enfalls  eine  gewisse  Zeit,  bevor,  als  weiterer 
Erfolg  der  Auslösung,  das  Schlagwerk  ertönt. 

Eine  specifische  Eigenheit  der  Reizvorgänge  ist  es 
auch  nicht,  dass  der  Organismus  gewöhnlich  mit  zweck- 
entsprechenden Reactionen  antwortet.  Denn  zweckent- 
sprechend und  selbstregulatorisch  arbeiten  und  reagiren 
gar  viele  der  im  Dienste  der  Wissenschaft  und  der  Technik 
benutzten  Apparate.  Der  geniale  Gedanke  Darwin's,  dass 
sich  nur  zweckentsprechende  Eigenschaften  der  Organis- 
men ausbildeten,  resp.  erhielten,  macht  die  zweckent- 
sprechende Reactionsfähigkeit  gegen  die  übliche  Umgebung 
ebenso  verständlich,  wie  das  nicht  immer  vortheilhafte  Ver- 
halten gegenüber  solchen  Verhältnissen,  welche  normaler 
Weise  dem  Organismus  nicht  begegnen.  So  ist  es  auch 
verständlich,  dass  in  einem  Bacterium  eine  schützende 
Emptindung  für  das  todtbringende  Ouecksilbersublimat 
nicht  ausgebildet  ist,  dass  also  ein  Bacterium  bei  Gegen- 
wart dieses  Stoffes  dem  anlockenden  Reize  des  Fleisch- 
extractes   folgt   und  unvermeidlich    ins  Verderben   rennt. 


während  derselbe  Organismus  schädliche  Concentration  des 
Lockmittels  flieht. 

Mit  Unrecht  ist  auch  der  Rückgang  auf  den  Aus- 
gangspunkt als  eine  specifische  Eigenheit  der  Reizvor- 
gänge angesprochen  worden.  Denn  wenn  auch  in  be- 
stimmten Fällen  die  selbstregulatorische  Wiederherstellung 
des  früheren  Zustandes  Thatsache  und  eine  physiologische 
Nothwendigkeit  ist,  gipfelt  gerade  das  Wesen  und  die 
Bedeutung  zahlreicher  anderer  Reizvorgänge  darin,  dass 
eine  andere,  den  neuen  Verhältnissen  entsprechende 
Gleichgewichtslage  geschaffen  und  erhalten  wird.  Zu 
dieser  Kategorie  zählen  u.  a.  die  allbekannten  Reizbewe- 
gungen im  Geotropismus  und  Heliotropismus,  während 
z.  B.  die  Blätter  der  Sinnpflanze  nach  einer  Reizung 
immer  wieder  in  die  ausgebreitete  Stellung  zurückkehren. 
Uebrigens  benutzt  auch  die  Technik  bekanntlich  sowohl 
solche  Apparate,  welche  bei  einer  Auslösung  in  eine  neue 
Gleichgewichtslage  übergehen,  als  auch  andere,  welche 
nach  der  Reaction  selbstregulatorisch  in  die  Ausgangs- 
lage zurückkehren. 

Sobald  man  in  sachgemässer  Weise  den  Kern  der 
Sache  herausschält,  so  wird,  insbesondere  im  Vergleich 
mit  Mechanismen,  in  unzweifelhafter  Weise  klar,  dass 
alle  die  mannigfachen  und  vielgestaltigen  Reizreaetionen 
stets  den  Charakter  der  Auslösungsvorgänge  tragen.  So- 
fern eben  diese  im  lebensthätigen  Organismus  sich  ab- 
spielen, reden  wir  von  Reizvorgängen,  um  mit  diesem  Worte 
sogleich  den  Schauplatz  der  Auslosungen  näher  zu  kenn- 
zeichnen.    Die    Herstellung    und    der   Gewinn  geeigneter 


Nr.  49. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


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Dispositionen  und  Energiemittel  ist  natürlich  sowohl  in 
Organismen  als  in  Mechanismen  die  nothwendige  Bedin- 
gung für  die  Actionsfähigkeit,  und  sobald  die  Gesammt- 
hcit  der  Thätigkeiten  in  Verband  mit  der  Ausiösung  ent- 
sprechend selljstregulatoriscli  gelenkt  wird,  ist  auch  ein 
Mechanismus  im  Stande,  eine  veranlasste  Reaetion  dauernd 
fortzusetzen  oder  nach  der  Aetion  den  reactionstaliigen 
Zustand  inmier  wieder  herzustellen. 

Um  eine  ^^ariation  im  Geschehen,  also  auch  um  eine 
Keizreaction  zu  erzielen,  bedarf  es  jedenfalls  irgend  einer 
Veränderung  in  den  inneren  oder  äusseren  Verhaltnissen. 
Denn  nicht  etwa  auf  einen  constanten  Druck,  sundern  auf 
Drucksehwankung,  auf  Stoss,  antwortet  die  .Sinn])flanze 
oder  die  Kanke  mit  Bewegung,  und  eine  Steigerung  der 
einseitigen  Beleuchtung  ist  nothwendig,  um  die  schwach 
heliotropisch  gekrümmte  Pflanze  zu  einer  weiteren  Be- 
wegung nach  der  Liclit(|uelle  hin  zu  veranlassen.  In 
diesem  Falle  befand  sich  die  Pflanze  durch  den  schwäche- 
ren heliotropischen  Reiz  in  einer  den  Verhältnissen  ent- 
sprechenden Gleichgewichtslage,  oder  anders  ausgedrückt, 
in  einem  statischen  Reizznstand,  der  eben  so  lange  sich 
constant  erhält,  bis  eine  Zunahme  oder  Abnahme  des 
Lichtreizes  von  neuem  eine  Bewegung  und  dadurch  den 
üebergang  in  eine  neue  Gleichgewichtslage  veranlasst. 

Ein  analoges  Verhältniss  ist  aber  geboten,  wenn 
durch  Erhöhung  der  Temperatur  das  Wachsthum  in  einer 
kältestarren  Pflanze  erst  erweckt,  oder  in  einer  schon 
thätigeu  Pflanze  beschleunigt  wird.  Denn  der  Teniperatur- 
wechsel  ist  hier  nur  Veranlassung,  nur  Reiz,  da  er  cl)en 
nur  Thätigkciten  auslöst,  welche  mit  den  in  der  Pflanze 
zur  ^'erfügung  stehenden  Mitteln  und  Kräften,  nicht  aber 
durch  die  zugeführte  Wärme  betrieben  werden.  MitConstanz 
der  Temperatur  befindet  sich  also  die  Pflanze  in  einem 
statischen  Reizzustand,  welcher  bekanntlich  eine  noth- 
wendige formale  Bedingung  für  die  Realisirung  und  das 
Ausmaass  der  vitalen  Thätigkcit  ist.  In  solchem  Sinne 
ist  überhaupt  die  Induction  gewisser  Reizzuständc  eine 
allgemeine,  eine  formale  Bedingung  für  die  Thätigkeit 
des  Organismus,  womit  indess  nicht  gesagt  ist,  dass  die 
Gcsammtheit  der  AUgemeiubedingungen  auf  Reizindnctionen 
hinausläuft. 

Ein  auslösender  Anstoss  muss  aber  nicht  gerade  von 
der  Aussenwelt  ausgehen.  Denn  so  gut,  wie  die  im  Gange 
befindliche  Uhr  durch  ihr  inneres  Getriebe  das  Sehlag- 
werk zeitweise  auslöst,  werden  auch  im  Entwickclungs- 
gang  und  in  der  Thätigkeit  des  Organismus  Constella- 
tionen  geschaffen,  welche  als  innere  Reizursachen  be- 
stimmte Auslösungsvorgänge  veranlassen.  Bei  solchen 
inneren  Reizen  liegen  l)egreiflicher  AVeise  die  Reizur- 
sachen gewöhnlich  nicht  so  durchsichtig,  wie  bei  äusseren 
Reizwirkungen,  in  welchen  der  Anstoss  nach  AVunsch 
variirt  und  mit  dem  ausgelösten  Erfolg  in  Vergleich  ge- 
bracht werden  kann.  AVenn  deshalb  die  Betrachtungen 
über  das  Wesen  der  Reizbarkeit  besser  zunächst  an  die 
externen  Reize  anknüpfen,  so  kann  doch  nicht  nachdrück- 
lich genug  betont  werden,  dass  sich  in  der  lebensthätigen 
Pflanze  interne  Reize  in  buntester  Mannigfaltigkeit  und 
Verkettung  unablässig  abspielen.  Ja  ohne  die  Mitwirkung- 
innerer  Reize  wäre  die  gesetzmässige  Entwickelung  und 
regulatorische  Thätigkeit  des  Organisnms  ganz  undenkbar, 
wäre  es  unmöglich,  dass  die  einzelnen  Glieder  der  Pflanze 
in  gegenseitiger  Abhängigkeit  entstehen  und  arbeiten, 
dass  beispielsweise  die  Verletzung  in  der  Krone  eines 
Baumes  eine  bis  in  die  AVurzelu  sich  erstreckende  Reiz- 
reaction  zu  veranlassen  vermag.  Und  so  gut  wie  die 
rythmischen  Pulsationen  des  Herzens,  fordern  einen  inneren 
Auslösungswechsel  diejenigen  periodischen  Bewegungen 
der  Blätter  des  Klees  und  anderer  Pflanzen,  welche  allein 
durch  innere,  durch  autonome  Ursachen  veranlasst  werden. 


In  einer  Auslösung,  und  entsprechend  in  jeder  Rei- 
zung, sind  zunächst  der  veranlassende  Anstoss,  der  Reiz- 
anstoss  oder  Reiz  und  der  Erfolg,  die  Reizreaction  oder 
der  Reizerfolg,  zu  unterscheiden.  Allein  durch  den  Reiz- 
erfolg wird  uns  die  Reizbarkeit  verrathen,  die  in  jedem 
Falle  eine  specifische  Perceptionsfähigkeit  voraussetzt. 
An  diese  nächste  Wechselwirkung  zwischen  dem  aus- 
lösenden Agens  und  dem  percipirenden  Theile  des  Or- 
ganisnuis  hat  sich  als  Folge  und  Bindeglied  die  zum  End- 
ziel führende  Kette  von  Actionen  zu  schliessen,  also  der 
Reactionsverlauf,  die  Reaetionskette  oder  die  Reizungskettc. 

So  einleuchtend  diese  Beziehungen  sind,  so  schwierig 
ist  es,  alle  diese  Glieder  im  Organismus  zu  durchschauen, 
und  thatsächlich  gelang  es  noch  in  keinem  Falle,  den 
Act  der  Perception  und  die  Gcsammtheit  der  bis  zum  End- 
erfolg sich  am-eihcndcn  Vorgänge  ohne  jedwelche  Lücke 
aufzudecken.  Doch  sind  die  Erfahrungen  ausreichend, 
um,  neben  dem  Einblick  in  das  Wesen  der  Sache,  zu 
lehren,  dass  sieh  in  der  Pflanze  gar  oft  ungemein  com- 
plicirte  Reactionsketten  abspielen.  Mit  der  Erkenntniss 
des  Wesens  der  Reizvorgänge,  mit  der  klaren  Frage- 
stellung ist  aber  <ler  Weg  für  weiteres  Eindringen  ge- 
bahnt, und  die  schon  gewonneneu  Erfahrungen  und  Re- 
sultate sind  der  Morgendämmerung  vergleichbar,  aus 
welcher  das  hellere  Licht  des  Tages  mit  Sicherheit  hervor- 
gehen wird  und  hervorgehen  muss. 

Um  aber  in  der  l3ämmerung,  auf  dem  Wege  zum 
Licht,  nicht  zu  irren,  muss  man  sich  darüber  klar  sein, 
dass  die  l)este  Kenntniss  des  auslösenden  Anstosses  und 
des  Enderlolges  keinen  vollen  Aufschluss  über  die  Re- 
aetionskette zu  geben  vermag,  dass  wir  dem  Enderfolge 
nicht  ansehen,  ob  er  mit  gleichen  oder  mit  verschiedenen 
Mitteln  erreicht  wurde,  dass  ferner  gleiche  Reize  zu  ver- 
schiedenen, ungleiche  Reize  zu  demselben  Enderfolg 
führen  können.  Einem  Menschen,  welcher  durch  den  Druck 
auf  einen  Knopf  die  Veranlassung  giebt,  dass  ein  Or- 
chestrion  sogleich  oder  erst  nach  einiger  Zeit  seine  Har- 
monien ertönen  lässt,  dem  aber  jedwelche  Einsicht  in  die 
verbindende  und  vermittelnde  Kette  versagt  ist,  einem 
solchen  Menschen  bleibt  es  ebenfalls  verborgen,  ob  durch 
den  auslösenden  Druck  direct  der  Sperrhaken  gelöst 
wurde,  oder  ob  durch  den  Druck  ein  elektrischer  Strom 
geschlossen  wurde,  der  in  der  Nähe  oder  Ferne  eine  Uhr 
in  Gang  setzte,  welche  reflectorisch  auslösend  auf  das 
Orchestrion  wirkte,  oder  ob  vielleicht  die  Explosion  einer 
Mine,  resp.  irgend  ein  chemischer  Process  als  A' ermittelungs- 
glied  eingeschaltet  wurde.  Auch  verrathen  die  erklingenden 
Töne  nicht,  ob  die  Betriebskraft  des  Orchestrion  durch 
ein  fallendes  Gewicht,  durch  eine  gespannte  Feder,  durch 
AVasser-  oder  durch  Dampf  kraft  geliefert  wird. 

Im  Lichte  dieser  und  ähnlicher  Erwägungen  wird 
man  auch  richtig  zu  würdigen  wissen,  warum  mit  der 
einfachen  Thatsache  einer  Veränderung  im  Reizerfolge 
zunächst  unentschieden  bleibt,  ob  die  maassgebende  Ur- 
sache in  dem  Acte  der  Perception  oder  im  Verlaufe  der 
Reizreaction  zu  suchen  ist.  In  den  gebotenen  Disposi- 
tionen, Reizstimnuingen,  ist  naturgemäss  das  Reactions- 
vermögen  der  Pflanze  in  quantitativer,  aber  auch  in  quali- 
tativer Hinsicht  modificirbar.  Derartige  Verschiebungen, 
welche  eine  sehr  bedeutungsvolle  Rolle  im  Pflanzenlcben 
spielen,  werden  ebensowohl  im  normalen  Entwickelungs- 
gang  geschaffen,  als  auch  durch  äussere  Eingriffe  erzielt, 
und  es  vermag  also  auch  die  Induction  eines  Reizzustandes 
die  Pflanze  in  einen  Zustand  zu  versetzen,  in  welchem 
sie  anders  als  zuvor  auf  einen  Reiz  reagirt. 

A'^ou  diesen  Verschiebungen  der  Reizstimmung  will 
ich  hier  nur  der  interessanten  Thatsache  gedenken,  dass 
Pflanzen,  in  ähnlicher  AVeise  wie  der  Alensch.  mit  Zu- 
nahme des  Reizes  eine  Abstumpfung   der  Enipfindlicidveit 


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Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  49 


erfahren.  Wie  der  Bettler  durch  eine  Mark,  durch  ein  ein- 
faches Mittagsmahl  angespornt  wird,  nach  (Gewinnung 
eines  solchen  ihm  werthvoll  und  köstlich  dünkcndcn  Lohnes 
eifrig  zu  streben,  nach  einem  Lohne,  welcher  dem  im 
Ueberfluss  lebenden  .Millionär  keiner  Anstrengung  werth 
erscheint,  so  wird  auch  das  im  nahrungsarmen  Medium, 
im  Hungerzustande  befindliche  ßacterium  schon  durch 
eine  äusserst  geringe  Menge  des  als  Reiz  wirkenden 
Fleischextractcs  veranlasst,  dem  ihm  nutzbringenden  Stoffe 
schleunigst  zuzueilen,  während  derselbe  Organismus  nach 
Versetzung  in  Nahi-ungsiiberfluss  nur  durch  einen  absolut 
grösseren  Gewinn  zu  gleichem  .Streben  gereizt  werden  kann. 

Ebenso  wie  bei  uns  der  schon  bestehende  Reiz  des 
Lichtes,  des  Druckes  um  dasselbe  Multiplum,  also  bei 
schon  vorhandener  stärkerer  Reizung  um  einen  viel 
höheren  absoluten  Werth  gesteigert  werden  nuiss,  um  als 
Reizzuwachs  merklich  zu  werden,  ebenso  verhält  es  sich 
mit  den  Ptlanzen.  Auch  in  dem  Empfindungsvermögen 
der  Pflanzen  finden  wir  die  im  sog.  Weber'schen  Gesetz 
ausgesprochene  Relation  wieder,  deren  Zustandekommen 
also  nicht  etwa,  wie  der  Begründer  des  sog.  psyclio- 
lihj'sisciien  Gesetzes,  wie  Fechner  auf  Grund  seiner  Studien 
am  Menschen  annahm,  an  höhere  psychische  Functionen 
gebunden  sein  muss. 

Eine  Pflanze,  oder  auch  ein  einzelnes  Organ  einer 
Pflanze,  ist  iiltrigens  niemals  nur  für  einen  Reiz  empfäng- 
lich, und  in  demselben  Organe  können  sich  dcnigemäss 
gleichzeitig  heterogene  Reizvorgänge  abspielen.  So  ver- 
mag z.  B.  während  der  Ausführung  der  geotropischen 
Reizkrünnnung  ein  mechanischer  Zug  die  Verstärkung  der 
Zellwaud,  ein  Wuudreiz  Plasmaströmungen  zu  veranlassen. 
Darin  liegt  zugleich  der  Beweis,  dass  nicht  jedwelche 
Reizung  in  einem  Pflanzenorgan,  in  einer  einzelnen  Zelle, 
denselben  Erfolg  hat,  dass  sich  also  die  Zelle  nicht  wie 
unser  Auge  verhält,  in  welchem  die  verschiedensten  An- 
stösse  eine  Lichtcmpfindnng  veranlassen.  Von  einer 
solchen  einseitigen  Befähigung  eines  Organes,  von  speci- 
fischeu  Energieen  im  Sinne  von  Johannes  Müller,  kann 
also  bei  Pflanzen  nicht  die  Rede  sein.  In  der  That  wäre 
auch  ein  winziges  Baeterium,  in  welchem  alle  vitalen 
Functionen  auf  kleinstem  Räume  zusammengedrängt  sind, 
undenkbar,  wenn  alle  Reize  nur  eine  einzige  Reaetion, 
etwa  Bewegungen,  hervorriefen.  Ja  wir  müssen  sogar 
S]iecifische  Sensibilitäten  für  alle  diejenigen  in  ihrem  Er- 
folge gleichgestalteten  Reizreactionen  voraussetzen,  welche 
sich  vereint,  aber  auch  unabhängig  von  einander  vor- 
finden. Denn  nur  so  ist  es  verständlich,  dass  das  eine 
Pfianzenorgan  für  geotropische,  heliotropische,  hydro- 
tropische  Reize,  das  andere  Organ  nur  für  geotropische 
oder  nur  für  heliotropische  Reizung  empfänglich  ist. 

Eine  Ausbildung  distincter  Sinnesorgane,  deren  Auf- 
gabe speciell  auf  die  Wahrnehmung  eines  einzelnen  Agens 
))crechnet  ist,  tritt  bekanntlich  bei  den  niederen  Thieren 
und  ebenso  bei  den  Pflanzen  zurück.  Distincte  Sinnesorgane 
sind  aber  ebensowenig  eine  Bedingung  für  die  Reizbar- 
keit, wie  für  das  Leben,  dessen  Pulse  auch  schon  im  ein- 
fachsten Protoplasmakörper  schlagen.  Ja  selbst  die  JMannig- 
faltigkcit  der  Sensibilität  ist  in  den  Pflanzen  nicht  geringer 
als  in  den  höheren'  Thieren,  deren  Empfindlichkeit  gegen 
einzelne  Reize  vielfach  von  den  Pflanzen  übertrofl'en  wird. 
Sensibcle  Ranken  reagiren  n.  a.  auf  äusserst  sanfte  Stösse, 
die  wir  nicht  zu  empfinden  vermögen,  und  bewegliche 
Bacterien  werden  schon  durch  den  billionsten  oder 
trillionsten  Theil  eines  Milligramm  von  Fleischextract, 
von  Sauerstoff  n.  s.  w.  angelockt,  also  von  winzigen 
Mengen,  die  wir  nicht  mehr  wägen,  die  wir  uns  kaum 
vorstellen  können.  Ferner  werden  viele  Pflanzen  durch 
ultraviolette  Strahlen  kräftig  gereizt,  d.  h.  durch  ein  Agens. 
für   welches    wir   keine    directe   Sinneswahruehmung   be- 


sitzen, von  dem  wir  nur  indirect,  durch  die  Wirkung  auf 
andere  Körper,  Kenntniss  gewinnen. 

P>leil)t  in  der  Pflanze  die  auffällige  Reizreaction  viel- 
fach auf  die  percipirende  Zone  beschränkt,  so  ist  doch 
irgend  eine  Fortpflanzung  der  Reizung  allgemein  im 
Spiele  und  nicht  selten  erstreckt  sich  die  Ausbreitung  auf 
grosse  Entfernung.  Allerdings  handelt  es  sieh  zumeist 
nicht  um  eine  so  einfache  und  auffällige  Reizleitung  wie 
in  der  Sinnpflanze,  in  welcher  das  Zusanniienschlagen 
eines  Blättchens  sehr  bald  die  Reizbewegung  in  näheren 
und  ferneren  Blättern  ^-eranlasst.  Vielnielir  dreht  es  sich 
sehr  gewöhnlieh  um  das  Ausstrahlen  von  Processen,  die 
nahe  oder  ferne  von  der  Perceptionsstelle  die  Veranlassung 
zu  weiteren  Reactionen  geben,  welche  nur  zum  Theil 
äusserlich  bemerkbar  werden. 

Eichen  und  Buchen  schmücken  sich  z.  B.  zum  zweiten 
Male  mit  grünem  Laube,  wenn  die  im  Frühjahr  erschie- 
nenen Blätter  durch  Menschenhand,  durch  Maikäferfrass 
oder  durch  Frost  vernichtet  werden.  In  diesem  Entlauben 
ist  der  Anstoss  gegeben,  welcher  diejenigen  Knospen  zum 
Austreiben  veranlasst,  welche  normaler  Weise  bis  zum 
nächsten  Frtth.jahr  oder  für  immer  gcschlunnnert  hätten. 
Von  den  austreibenden  Knospen  aber  geht  eine  Reizung 
aus,  welche  in  der  Basis  des  Stammes  und  in  den  Wurzeln 
gewisse  Wachsthumserfolge  und  Stoffmetamorphosen  ver- 
ursacht, eine  Reizung,  die  um  bis  dahin  zu  gelangen,  in 
hohen  Bäumen  eine  Strecke  von  mehr  als  20  Metern  zu 
durchlaufen  hat. 

Ferner  mag  hier  auf  die  räumliche  Trennung  von 
Perce])tion  und  Reaetion  in  der  hydroti-opisehen  Krünnnung 
der  Wurzel  hingewiesen  werden.  Diese  Reizkrümmung 
vollzieht  sich  in  einiger  Entfernung  von  der  Wurzelspitze, 
welche  letztere  sieh  selbst  nicht  krümmt,  wohl  al)er  allein 
befähigt  ist,  die  Feuchtigkeitsdifterenz  in  der  Luft  als 
Reiz  zu  empfinden.  Lehrreich  sind  ferner  die  Blätter  des 
inseetenfangenden  Sonnenthaues,  bei  welchem  ein  Contact- 
reiz  nur  das  Köpfehen  des  Tentakels  pereipirt,  von  dem 
aus  der  zur  Krümmung  führende  Impuls  dem  sich  krüm- 
menden Theil  des  Tentakels  übermittelt  wird.  Diese  und 
ähnliche  Fälle  erinnern  unmittelbar  an  die  von  Sinnes- 
organen ausgehenden  Reizreactionen,  wenn  auch  in  der 
Pflanze  die  Arbeitstheilung  nicht  so  weit  fortgeschritten 
ist,  dass  die  einzige  Hauptaufgabe  der  Wurzelspitze  oder 
des  genannten  Drüsenköpfchens  in  der  Perception  eines 
einzigen  Reizes  gipfelt. 

Eine  dauernde  gegenseitige  Beeinflussung  aller  Organe, 
somit  auch  der  einzelnen  Zellen,  ist  überhaupt,  wie  schon 
hervorgehoben  wurde,  eine  absolute  Nothwendigkeit,  um 
das  zu  gedeihliciier  Entwickelung,  zu  gedeihlicher  Thätig- 
keit  unbedingt  erforderliche  Zusammenwirken  der  Glieder 
in  normalen  und  abnormen  Verhältnissen,  in  guten  und 
schlechten  Tagen  regulatorisch  zu  leiten.  Ohne  eine  all- 
seitige, den  jeweiligen  äusseren  und  inneren  Veränderungen 
und  Bedürfnissen  entsprechende  Reizbecinfiussung  wäre 
es  ganz  undenkbar,  dass  die  Thätigkeit,  wie  es  that- 
sächlich  geschieht,  regulatorisch  in  zweckentsprechende 
Bahnen  gelenkt  und  in  diesen  erhalten  wird,  dass  sieh 
z.  B.  die  Entwickelung  von  Wurzel-  und  Spross.system  in 
correlativer  Abhängigkeit  abspielt,  dass  der  Stengel,  der 
Fruclitstiel  in  dem  Maasse  erstarkt,  wie  die  zu  tragende 
Last,  d.  h.  die  mechanische  Inanspruchnahme  gesteigert 
wird,  dass  ein  zunehmender  Widerstand  eine  vermehrte 
Arbeitsthätigkeit  der  Pflanze  veranlasst,  dass  die  Nähr- 
stoffe gerade  dahin  wandern,   wo  sie  nothwendig  sind. 

In  diesen  und  ähnlichen  Fällen  handelt  es  sich  aller- 
dings nicht  mehr  um  einen  einzelnen,  einfachen  Reizvor- 
gaug:  Vielmehr  spielen  sich  unzweifelhaft  verwickelte 
Ketten  von  Reizungen  und  mechanischen  Uebertragungen 
ab,  in  welchen  wiederum  die  erregten  Actionen  zum  Aus- 


Nr.  49. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


.547 


gangspunkt  mechanischer  Wechselwirkungen  und  Aus- 
lösungen werden,  die  sich  mit  den  von  anderen  Orten 
ausstralilenden  Einflüssen  in  mannigfachster  Weise  durch- 
kreuzen und  combiniren.  Der  Eiidcrfolg  allein  aber  ver- 
mag nicht  zu  verrathen,  welcher  Art  die  zu  ihm  hin- 
führenden verschlungenen  Wege  waren  und  weim  Avir 
z.  B.  die  Lichtentziehung  als  den  äusseren  Anstoss  für 
das  Verweilen  der  Pflanzen  feststellen,  wenn  wir  con- 
.statiren,  dass  durch  gewisse  äussere  Einflüsse  Pflanzen 
zu  frühzeitigem  Hlühen  und  Fruchten,  Algen  zur  Vermeh- 
rung auf  vegetativem  oder  sexuellem  Wege  veranlasst 
werden,  so  ist  damit  nicht  bestinnnt,  welche  Kette  von 
Vorgängen  zu  dem  endlichen  Ziele  führte. 

Es  wäre  aber  auch  unbillig,  schon  jetzt  eine  voll- 
ständige causale  Aufhellung  der  verwickelten  Processe 
zu  verlangen,  während  doch  die  volle  Einsicht  in  viel 
einfachere  Vorgänge  sehr  oft  wie  durch  einen  Nebel  ver- 
schleiert erscheint,  der  wohl  die  allgemeinen  Unu'isse  und 
einzelne  hervorstechende  Momente,  aber  nicht  das  ge- 
sammte  lunengetriebe  zu  durchschauen  gestattet.  Doch 
die  Fälle,  in  welchen  kritische  Studien  den  Nebel  mehr 
und  mehr  zu  zerstreuen  vermochten,  bieten  die  sichere 
Gewähr,  dass  Licht,  mehr  Licht  der  Lohn  der  siegreich 
fortschreitenden  Forschung  sein  wird. 

Der  weiter  und  weiter  strebende  causale  Rückverfolg 
einer  vitalen  Erscheinung  muss  nothwendiger  Weise 
schliesslich  in  das  Getriebe  des  lebendigen  Protoplasma- 
körpers führen.  Denn  ohne  diesen  giebt  es  kein  Leben, 
mit  den  Protoplasten  ist  auch  der  Organismus  todt  und 
somit  unfähig,  eine  von  dem  Leben  abhängige  Auslösung, 
also  eine  Keizreaction,  zu  vollführen.  Der  Protoplasma- 
körper, dieser  Elementarorganismus,  ist  aber,  in  analogem 
Sinne,  wie  jeder  Organismus,  aus  ungleiehwerthigen  Or- 
ganen aufgebaut,  aus  deren  Thätigkeit  und  Zusammen- 
wirken   die   Gesammtheit    der  Lebensthätigkeit    resultirt. 


Diese  differenten  Theile  sind  aber  sicherlich  nicht  nur  in 
der  Thätigkeit,  sondern  auch  in  der  Perception  und  Fort- 
führung der  Reize  von  ungieichwerthiger  functioneller  Be- 
deutung. Doch  dürfen  wir  in  diesem  Mikrokosmus,  eben- 
so wie  in  den  brichst  entwickelten  l'tlanzen,  im  allgemeinen 
nicht  solche  Organe  erwarten,  die  ausschliesslich  einer 
Einzelfunctiou  dienstbar  sind. 

Eben  weil  im  Protoplasmakörper,  in  diesem  Elementar- 
organisnnis,  das  ganze  (Jeheimniss  des  Lebens  und  also 
auch  der  mit  dem  Leben  verketteten  specitischen  Sensibili- 
täten ruht,  kann  auch  schon  in  den  cinlächsten  Organismen, 
in  einem  IJacterium  oder  in  einem  Schleimpilze,  die  Emptind- 
lichkcit  gegen  Reize  ebenso  reich  und  mannigfaltig  ausge- 
bildet sein,  wie  in  der  hoch  entwickelten  l'tlanzenart. 

Die  Gemeinsamkeit  dieses,  derselben  Gattung  zuge- 
hörenden Elementarorganismus  schlingt,  wie  schon  betont 
wurde,  das  einende  Band  um  Pflanzen  und  Thiere.  Ebenso 
wie  in  anatomischer  und  morphologischer  Hinsicht,  stellen 
auch  Pflanzen  und  Thiere  dieselben  allgemeinen  physio- 
logischen Probleme,  und  für  beide  muss  in  gleichem  Sinne 
die  Frage  beantwortet  werden,  in  wie  weit  Pflanzen  und 
niederen  Thieren  psychische  Regungen  zuzugestehen  sind. 
Auf  das  Psychische  in  anderen  Lebewesen  vermögen  wir 
aber  stets  nur  nach  unseren  pers(inlichen  Gefühlen  zu 
schliessen;  objectiv  gelangen  nur  Veränderungen,  gelangen 
also  auch  nur  Reizerfolge  zu  unserer  Wahrnehmung  und 
diese  Erfolge  können  nicht  verrathen,  ob  in  dem  bei  Be- 
rührung zuckenden  Wurme  oder  bei  dem  der  Nahrung 
zueilenden  Hactcrium,  ob  in  diesen  oder  anderen  Reiz- 
vorgängen irgend  eine  psychische  Mitte  durchlaufen  wird, 
ob  etwa  irgend  eine  Stufe  eines  aufdämmernden  Bewusst- 
seins  erreicht  wird.  \Vn  dürfen  indess  innnerhin,  ebenso 
wie  bei  niederen  Thieren,  in  einem  wohlberechtigten,  aber 
nur  metaphysischen  Sinne  v(m  einem  Empfinden,  von  einer 
Sensibilität  der  Pflanze  reden.  x. 


lieber IJalsam  uiulMyrrlie  hielt  Prof.  Dr.  G.Schwein- 
furth  in  der  Pharm.  Ges.  in  Berlin  einen  Vortrag,  dem 
die    Pharm.   Ztg.   (Berlin)    das   folgende  Referat   widmet: 

Neben  dem  Weihrauch  liefert  der  Balsamstrauch  das 
vornehmste  Product  in  der  Gesammtregion  der  Aromaten, 
jener  Striche,  welche  das  Wunderland  Punt,  in  das  die 
Alten  deu  Ursitz  der  Götter  verlegten  und  welches  später 
mit  dem  Namen  des  glücklichen  oder  richtiger  des  ge- 
segneten Arabien  belegt  wurde,  in  sich  schliessen.  Nach 
unseren  Begriffen  trostlos  öde,  sonnendurchglühte,  steinige, 
zum  Ackerbau  meist  untaugliche  Gebiete  sind  es,  wo 
die  schöpferische  Kraft  des  Bodens  trotz  der  kümmer- 
lichen Gewandung  der  Flora  eine  Fülle  von  Aromen  aller 
Art  hervorbringt,  wo  an  den  scheinbar  dürren  Zweigen 
der  so  laubarmen  Bäume  als  Ueberschuss  der  latenten 
Naturkraft  dicke  Knollen  heilsamen  Harzes  und  Thränen 
duftenden  Balsams  hervortreten.  Auch  heutigen  Tags 
noch  haben  die  Araber  eine  ausserordentliche  Vorliebe 
für  Wohlgerüche  aller  Art  und  unaufhörlich  sind  bei  den 
Wohlhabenden  die  Durehräucherungen  von  Körper  und 
Gewandung  mittelst  aromatischer  Substanzen. 

Es  war  bereits  in  frühester  Zeit  bekannt,  dass  der 
„Mekkabalsam",  wie  wir  ihn  zu  bezeichnen  pflegen,  einen 
weit  grösseren  Verbreitungsbezirk  hatte,  als  der  Weih- 
rauch, der  nur  in  zwei  begrenzten  Distrikten,  in  Süd- 
arabieu  und  im  Somallande,  zu  haben  war.  Heute  wird 
Balsam  nur  in  den  zum  heiligen  Gebiete  von  Mekka  ge- 
hörigen Thillern  stets  von  ein  und  derselben  Pflanzenart, 
Commiphora  (Balsamodendron )  Opobalsanuim,  eingesannuelt, 
obgleich  dieselbe  südlich  des  Wendekreises  im  gesannnfen 
Küstengebiete    des  Rothen  Meeres    und    auf    den    Inseln 


überall  verbreitet  zu  sein  scheint.  Die  Varietäten,  welche 
neuere  Systematiker  nach  der  Gestalt  der  Blätter  oder 
der  Zahl  der  Fiederjoche  zu  unterscheiden  versuchten, 
sind  nicht  hinreichend  constant;  allenfalls  Hessen  sich 
einige  Formen  mit  besonders  dichter  Behaarung  an  deu 
Blättern  als  Unterart  festhalten.  Redner  fand  den  Balsam- 
strauch, der  unter  Umständen  ein  Bäumchen  wird,  im 
südlichen  Nubien  auch  landeinwärts  verbreitet,  doch 
scheint  derselbe  im  tieferen  Binnenlande  zu  fehlen.  Wäh- 
rend Weihrauch-  und  Myrrhenbäume  die  mittleren  Berg- 
landschaften bevorzugen,  ist  der  Balsamstrauch  in  Arabien 
und  Nubien  auf  die  Küstenfläche  und  die  unterste  Ge- 
birgsstufe  bis  GUU  m  Höhe  beschränkt,  nur  im  Sommal- 
lande  fand  Hildebrandt  ihn  in  Höhenlagen  bis  zu  16Ü0  m. 
Schon  in  alter  Zeit  wurde  der  Balsamstrauch  in 
Palästina  und  in  Egypten  angebaut,  nur  im  ersteren  Lande 
jedoch  in  grösseren  Gärten,  wo  bereits  zur  Zeit  Alexanders 
des  Grossen  eine  gewinnbringende  Ausbeutung  geübt 
wurde.  Die  meisten  späteren  Autoren,  die  des  Balsams 
erwähnen,  gedenken  auch  gleichzeitig  dieser  merkwürdigen 
Gärten,  die  hauptsächlich  bei  Jericho,  im  Depressions- 
gebiete des  Jordanthaies,  angelegt  waren.  Flavius  Jo- 
sephus  erwähnt,  dass  diese  Culturen  auf  die  Zeit  des  Be- 
suches der  Königin  von  Saba  zurückzuführen  seien, 
indem  Salomo  von  ihr  unter  anderen  Geschenken  auch 
lebende  Balsambäume  erhielt.  Es  ist  indessen  wohl  an- 
zunehmen, dass  bei  der  Verbreitung  der  Früchte  durch 
den  Handel  (xaonoßd/Mapor)  diese  selbst  zu  Aussaat- 
versuchen benutzt  worden  sind.  In  Aegypten  sind  der- 
artige Versuche  in  früheren  Zeiten  schon  wiederholt  mit 
Erfolg  gemacht  worden,  neuere  aber  in  den  Gärten  Kairos, 


548 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  4n 


vermuthHch    iu    Folge    der    kalten    Winternächte,     miss- 
gliickt. 

Es  ist  anzunehmen,  dass  an  allen  Stellen  des  alten 
Testamentes,  wo  von  einem  tlüssigen  Wohlg-eruehe  Namens 
„mor"  die  Rede  ist,  nicht  Myrrhe  gemeint  ist,  wie  alle 
Bibelübersetzer,  offenbar  verleitet  durch  den  Gleichklang 
des  althebräischen  Wortes  mit  der  neuarabischen  Bezeich- 
nung für  Myrrhenharz,  angenommen  zu  haben  scheinen, 
sondern  Mekkabalsam,  denn  myrrlia,  (T/ivoi'/j,  ist  ein  festes 
Harz,  das  als  flüssiger  Wohlgerucli  nicht  anfgcfasst  werden 
kann.  Im  alten  Testamente  ist  keine  Andeutung  ül)er 
Myrrhe  im  Sinne   des  lateinischen  Namens  nachzuweisen. 

Die  Art  der  Gewinnung  des  Balsams  ist  noch  nicht 
sieher  bekannt.  Die  Zweigspitzen  des  Balsamstrauches 
sind  nur  in  einer  Ausdehnung  von  wenigen  Centimetern  saft- 
strotzend und  wie  gefirnisst.  Wenn  man  sie  abbricht,  so 
tritt  nur  ein  feines  Safttrö])fchen  aus  und  es  erscheint  fast 
unausführbar,  irgendwie  nennenswerthe  Mengen  durch 
Aufsammeln  derselben  zu  erlangen,  obwohl  Theophrast  von 
einem  „freiaustiiessenden"  Safte  spricht.  WahrscheinHch 
ist,  dass,  da  der  Balsam  auf  dem  Wasser  schwimmt,  die 
zerstampften  Zweigspitzeii  mit  lieissem  Wasser  Übergossen 
werden.  Je  nachdem  man  auch  die  Blätter  und  Rindeu- 
stücke  mit  verwendet,  dürfte  die  Farbe  dunkler  oder 
heller,  die  Consistenz  dicker  oder  dünner  ausfallen.  Die 
Bemerkungen  der  älteren  Autoren,  welche  bei  der  Ge- 
winnung von  Einschnitten  in  die  Rinde  sprechen,  dürften 
auf  die  übhche  Verwechselung  mit  der  ^lyrrhe  zurück- 
zuführen sein;  aus  der  Stanimrinde  ist  durchaus  kein 
Balsam  zu  erhalten.  Der  Geruch  des  Mekkabalsams  er- 
innert an  den  grüner  Kiefernza))fen,  sein  Preis  beträgt  in 
den  Drogenljazaren  zu  Kairo  über  60  M.  pro  Pfund. 

Die  Myrrhe  stannnt  von  3  —  4  Arten  derselben  Gattung. 
Die  aus  Arabien  in  den  Handel  konnnende  Sorte  ist  nach 
Defiers  hauptsächlich  von  Conmiiphora  abyssinica  abzu- 
leiten, während  Schweinfurth  seilest  an  C.  Schimperi  eine 
Harzausscheiduug  beobachtete,  welche  der  käuflichen 
Myrrhe  vollkommen  glich.  Diese  beiden  Arten  sind  auch 
im  nordahyssiuischen  Gebirgslande  sehr  verbreitet,  werden 
aber  daselbst  nicht  ausgebeutet.  Aus  Abyssinien  und 
Nubien  sind  noch  einige  weitere  Connniphoraarten  bekannt, 
welche  an  verletzten  Stellen  des  Stammes  gleichfalls  ein 
der  Myrrhe  sehr  ähnliches  Gunnniharz  ausscheiden,  das- 
selbe wird  jedoch  bis  jetzt  nicht,  oder  doch  nur  in  sehr 
unwesentlichen  Mengen  in  den  Handel  gebracht.  Die- 
jenige Art,  welche  die  vom  Somallande  in  den  Handel 
gebrachte,  bereits  von  Plinius  erwähnte,  von  der  arabischen 
abweichende  Sorte  liefert,  ist  ntich  nicht  nachgewiesen. 
Die  von  Nees  van  Esenbeck  beschriebene  C.  Myrrha, 
welche  Ehrenberg  in  Yemeu  sammelte  und  welche  an- 
geblich die  eigentlielie  Stammptlanze  der  Myrrhe  sein  sollte, 
eine  Angabe,  die  in  alle  pharmakognostischen  u.  s.  w. 
Werke  Eingang  fand,  liefert  weder  Myrrhenharz,  noch  ist 
an  ihr  überhaupt  ein  Geruch  oder  eine  Ausscheidung 
irgend  welcher  Art  wahrzunehmen.  Ehrenberg's  Herbar- 
notiz besagte  auch  nur:  „liefert  vielleicht  auch  Myrrhe, 
doch  ist  dies  nicht  genügend  constatirt." 


Zur  Lelii'e  vom  Luftwechsel  hat  Prof.  Dr.  G.  Wolff- 
hügel  eine  Arbeit  geliefert  (Arch.  Hyg.1893,  Bd.  18  S.251). 
Die  Abhandlung,  ein  Beitrag  zur  Festgabe  für  Petten- 
kofer,  geht  von  dessen  Anschauung  aus,  die  Aufgabe  des 
Luftwechsels  sei  es  nur,  sich  gegen  die  gasförmigen  Ver- 
unreinigungen der  Luft,  und  zwar  ausschliesslich  gegen 
die  in  einer  anderen  Weise  nicht  zu  Iteseitigenden  Aus- 
scheidungen von  Lunge  und  Haut  der  Menschen  zu  richten. 
Erst,  wo  die  Reinlicldvcit  nichts  mehi-  zu  leisten  vermag, 
beginne  die  Aufgabe  der  Ventilation.    (Pettenkofer,  Ueber 


den  Luftwechsel  in  Wohngebäuden.  München  1858, 
S.  72  tt'.).  K()nnte  es  auch  scheinen,  als  ol)  die  herrschende 
bakteriologische  Anschauung  dem  Luftwechsel  erweiterte 
Aufgaben  zuweise,  so  ergaben  doch  die  einschlägigen  Unter- 
suchungen Resultate,  welche  mit  der  Auffassung  Petten- 
kofers  nicht  im  Widerspruch  stehen. 

Bekanntlich  hat  Pettenkofer  zur  Beurtheilung  der  Luft 
bewohnter  Räume  in  erster  Linie  den  Kohlensäurogehalt 
herangezogen,  nicht  weil  derselbe  das  eigentlich  Schädi- 
gende oder  Belästigende  darstellt,  sondern  weil  er  einer- 
seits leicht  zu  ermitteln  ist,  andererseits  im  Freien  nur 
geringe  Schwankungen  zeigt  und  in  geschlossenen  Räumen 
nicht  durch  Flächenwirkung  und  Absorption  merklieh  be- 
einflusst  wird.  Nach  eingehender  Erwägung  der  für  und 
wider  dieses  Verfahren  geltend  gemachten  Gründe,  der 
einschlägigen  Experimental-Üntersuehungen  und  der  ander- 
weitigen Vorschläge  zur  Beurtheilung  der  Luft  und  des 
daraus  folgenden  Ventilationsbedarfes  kommt  Wt)lfl'hügel 
zu  dem  Schluss,  dass  Pettenkofer's  Verfahren  bisher  noch 
immer  das  Vortheilhafteste  und  dass  deshalb,  so  lange 
kein  besserer  Ersatz  vorhanden  ist,  dai'an  festzuhalten 
sei,  wenngleich  es  auf  strenge  Wissenseliaftlichkeit  keinen 
Anspruch  mache.  Sp. 

Ueber  den  von  Schneider  Trichospliaerium  Sieboldii 
genannten  meerbewolinenden  Khizopctden,  den  auch  Karl 
Möbius  in  seiner  Rhizopodenfauna  der  Kieler  Bucht  auf- 
führt, machen  R.  Greef  und  F.  C.  Noll  neuere  Mit- 
theilungen (s.  Zool.  Anz.,  15.  Jahrgang,  S.  60  und  209). 
Erstcrer  hat  das  Thier,  freilich  ohne  es  zu  benennen, 
im  Jahre  1869  in  Ostende  entdeckt  und  bemerkt  nun, 
dass  die  feinen  Stacheln,  die  seinen  Körper  bedecken, 
dünne  Kalknadeln  sind.  Es  sind  also  keine  organischen 
Gebilde.  Greef  beobachtete  ferner  lange  stäbchenförmige 
Pseudopodien,  während  Möbius  lappige  Protoplasmafort- 
sätze gefunden  hat.  Vielleicht  sind  demnach  die  Ostender 
und  die  Kieler  Form  zwei  Abarten.  Die  Pseudopodien 
dringen  aus  runden  Schalenöffnungen.  Der  protoplasma- 
tische  Binnenk(irpcr  besteht  aus  hellem  Ectoplasma  und  Va- 
cuolen  und  Nahrung  enthaltendem  dunkclenEntoplasuia.  Die 
Fortpflanzung  besteht  in  Theilung  oder  Knospung.  Ueber 
die  Ernährung  der  fragliehen  Protozoen  berichtet  Noll. 
Er  fand  zahlreiche  Exemplare  des  Thieres  an  der  mit 
Diatomeen  dicht  überzogenen  Wand  seines  Zimmer- 
Aquariums.  Sie  frassen  diese  Algen  reichlich,  so  dass 
einerseits  der  Ijraune  Diatomeenbelag  an  den  von  ihnen 
besiedelten  Stellen  bald  schwand,  andererseits  die  Tricho- 
sphaerien  sieh  rasch  vermehrten.  Die  Schale  der  Rhizo- 
poden  muss  dehnbar  seiu,  denn  es  wurden  Diatomeen  ver- 
zehrt, deren  Durchmesser  grösser  als  der  der  Schalen- 
poren war.  C.  M. 

Ueber  Jodoso-  und  Jodoverbindungen.  —  Vor  etwa 
Jahresfrist  ver(iffentlichteu  Victor  Meyer  und  Willi.  Wächter 
eine  Mittheilung*)  fll)er  einen  aus  Orthojodbcnzoesäure 
durch  rauchende  Salpetersäure  erhaltenen,  um  ein  Atom 
Sauerstoff  reicheren  Körper,  welcher  sich  als  echte  Säure 
erwies.  Da  Orthobrombenzoesäure  ein  derartiges  Ver- 
halten nicht  zeigte,  so  war  anzunehmen,  dass  das  hinzu- 
tretende Sauerstoffatom  durch  das  Jod  gebunden  werde, 
die  Verbindung  mithin  die  Constitution 

/J=0 

habe.    Da  eine  solche  Constitution  derjenigen  der  Nitroso- 
verliindungcn  RN^O  entspricht,  so  wurde  für  den  neuen 


*)  Deutscli.  Chem.  Ges.  Ber.  25,  2632. 


Nr.  4it, 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


549 


Körper  der  analog  gebildete  Namen  Jodosobenzoesäurc 
gewählt.  Bald  stellte  sich  heraus,  dass  der  neue  Kör])er 
in  nächster  iJeziehung  zn  einer  bereits  bekannten  Classe 
von  Verbindungen  stellt.  C.  Willgerodt  hatte  durch  Ein- 
wirkung von  Chlor  auf  in  Chloroform  oder  anderen  wenig 
angreifbaren  Mitteln  gelöste  aromatische  Jodverbindungen 
die  sogenannten  Jodidchloride  erhalten*),  welche  sich 
von  den  Ausgangskörpern  durch  den  Mehrgehalt  von 
zwei  Chloratcnnen  unterscheiden  und  diese  nicht  am  aroma- 
tischen Kern,  sondern  am  Jod  gebunden  enthalten,  so 
dass  L.  B.  der  einfachste  ]Je|)iäseritant  dieser  Körper- 
classe,  das  l'henvljodidchlorid,  die  Constitution  C,;!!;,  J=Cf, 
besitzt.  Es  lag  die  Annahme  nahe,  dass  diese  Kcirper  zu 
den  Jodüsoverbindungen  in  demselben  Verhältnisse  stän- 
den, wie  die  Chloride  der  Metalle  zu  deren  (Oxyden,  und 
in  der  That  fand  Willgerodt  diese  Annahnu'  durch  das 
Experiment  bestätigt.**)  Er  vermochte  sowohl  durcii 
freie  wie  dui'cli  kohlensaure  Alkalien  die  Jodidehlf)ridc  in 
Jodosoverbindungen  überzuführen  und  gelangte  auf  diese 
Weise  glatt  zum  einfachsten  Repräsentanten  derselben, 
dem  Jodosol)euzol,  C,;H,-,"J=0.  Von  diesem  stellte  es  sich 
heraus,  dass  es,  ganz  wie  ein  zweiwerthiges  basiselies  ( Ixyd, 
mit  Säuren,  auf  welche  es  nicht  oxydii-end  wirkt,  salzartige 
Verbindungen  zu  bilden  \crniag  und  dass  das  salzsaure 
Salz  mit  dem  Phenyljodidchlorid  identisch  ist.  In  üebcr- 
einstimniung  mit  der  hierdurch  constatirten  basischen  Natur 
der  J=0-Gruppc  steht  es,  dass,  wie  Paul  Askenasy  und 
Victor  Meyer***)  ausführlich  darlegen,  die  Jodosobenzoe- 
säurc zwar  eine  eclite  Säure,  aber  eine  der  schwächsten, 
schon  durch  K(d]lensäure  vollständig  austreibbaren  ist. 
Der  Umstand,  dass  die  Meta-  und  Parajodbenzoesäuren 
nicht  in  Jodososäuren  übertuhrbar  sind  und  dass  diese 
Erscheinung  sich  auch  bei  den  liölicren  Homologen  wieder- 
holt, legt  allerdings  die  Ansicht  nahe,  dass  die  Jodoso 
benzoesäure  überhaupt  keine  eigentliche  Carbonsäurc  sei, 
sondern  dass  sich  die  Seitenketten  darin  zu  einem  Fünf- 
ring ordnen,  die  Constitution  also 

J-OH 


\    / 


sei,  und  Victcn-  Meyer  sowohl  wie  ^\'illgerodtt)  scheinen 
dieser  Ansiciit  den  Vorzug  zu  geben.  Doch  wäre  hiermit 
die  ebenfalls  von  Victor  Meyer  und  seinen  Schülern  con- 
statirte  Thatsache,  dass  Nitro])roducte  von  Säuren,  welche 
nicht  jodosirt  werden  können,  ihrerseits  dieser  Reaction 
zugänglich  sind,  kaum  in  Einklang  zu  bringen. 

Wie  die  Jodosoverbindungen  den  Nitrosokörpern,  so 
sollten  den  Nitrokörpern  Jodoverbindungen,  also  solche,  die 
eine  ~JO.j-Gruppe  enthalten,  entsprechen,  und  es  wurden  Ver- 
suche, solche  Verbindungen  zu  gewinnen,  von  V.  Meyer  be- 
reits in  seiner  ersten  Mittheilung  über  die  Jodosobenzocsäure 
in  Aussieht  gestellt.  Willgerodt  fand,  dass  Jodosobenzol, 
wenn  es  an  der  Luft  bei  90 — 100°  erhitzt  wird,  in  der  That 
in  Jodobenzol,  CgHp^JOo,  übergeht.  Seine  anfängliche 
Ansicht,  dass  hierbei  der  Sauerstoff  der  Luft  oxydirend 
einwirke,  ist  später  gleichzeitig  von  ihm  und  von  V.  Meyer 
dahin  berichtigt  worden,  dass  zwei  Molecüle  Jodosoben/.ol 
sich  umsetzen  zu  je  einem  Molecül  Jodobenzol  und  Jod- 
benzol, deren  letzteres  sich  bei  der  angegebenen  Tempe- 
ratur verflüchtigt. 


*)  Jouni.  f.  praktischo  Chetnir  33,  154, 
""■)  Deutfch.  Chera    Gi'S.  Ber.  25,  349.5. 
***)  Deutsch.  Chem.  Gos.  Ber.  2«,  1354. 
t)  Deutsch,  Chem,  Ges.  Ber.  26,  1S02. 


Im  Gegensatz  zu  den  basischen  Jodosoverbindungen 
zeigen  sich  die  Jodo\crbindungcn  vollständig  neutral,  ohne 
jede  Fälligkeit  zur  Salzbildung. 

Es  erscheint  nun  höchst  wahrscheinlich,  dass  auch 
die  weiteren  Versuche,  den  Azoverbindungen  entsprechende 
Körper,  in  denen  ein  oder  beide  Stickstoifatome  durch 
Jod  ersetzt  sind,  zum  Ziele  führen  und  uns  mit  neuen 
interessanten  Körperklassen  bekannt  machen  werden. 

Bedauerlich  ist,  dass  die  Reizbarkeit  des  Herrn  Will- 
gerodt ihn  neuerdings  gegen  V.  Mej'cr  in  ein-M-  saciilich 
ebenso  unberechtigten  wie  formell  unschönen  A\'cise  auf- 
treten lässt,  weil  dieser  es  gewagt  hat,  einig.'  Angaben 
Willgerodt's  nachzuprüfen  und,  soweit  er  zu  anderen  Re- 
sultaten gelangte,  zu  berichtigen.  Nichts  könnte  der  Ent- 
wickejung  der  cliemischcn  Wissenschaft  hinderlicher  sein, 
als  wenn  das  Reservatrecht  auf  ein  in  Arbeit  genommenes 
Gebiet  soweit  ausgedehnt  würde,  dass  kein  anderer  mehr 
das  Recht  zur  Nacliprüfung  haben  sollte.  Noch  dazu 
scheint  Willgerodt  seine  eigenen  Worte  aus  der  Zeit 
besserer  Einsicht  plötzlich  vergessen  zu  haben,  dass  erst 
„die  hochinteressante  Arbeit  von  V.  Meyer  u.  W.  Wächter 
ihn  veranlasste,  das  Studium  seiner  Jodidchhu'ide  wieder 
aufzunehmen";  andernfalls  hätte  er  kaum  zu  dem  (ilaulien 
gelangen  können,  dass  „die  Bearbeitung  des  Jodoso-  und 
Jodbenzols  ihm  allein  zustehe".  Iloft'entlich  legt  sich  diese 
Erregung  l)ald  wieder,  so  dass  wir  fernerhin  die  beiden 
hervorragenden  Forscher  in  Ruhe  nebeneinander  das  inter- 
essante Ge.biet  der  aromatischen  Jodverbindungen  er- 
schliessen  sehen.  Dr.  L.  Spiegel. 

Neuer  Komet.  —  Am  16.  October  wurde  von  Brooks 
im  Sternbilde  der  Jungfrau  ein  neuer,  im  Telesko])  leicht 
sichtbarer  Komet  entdeckt,  der  gegenwärtig  am  Morgen- 
himnicl  gesehen  werden  kann.  Sein  Perihel  hat  derselbe 
nach  einer  ersten  Bahnbestimmung  l)ereits  am  19.  Septbr. 
passirt,  wobei  er  der  Sonne  nicht  viel  näher  kam,  als 
unser  Planet.  Die  Bewegung  ist  retrograd;  der  schein- 
bare Lauf  am  Himmel  ist  nordöstlich  durcli  das  Stern- 
bild Haar  der  Berenice  gerichtet.  F.  Kbr. 


/^-Lyrae.  —  An  diesem  bekannten,  veränderlichen 
Stei-n  von  kurzer  Periode  ist  neuerdings,  was  schon 
Pickering  vermuthete,  von  Belopolsky  in  Pulkovvo  er- 
wiesen worden,  dass  nämlich  der  Stern  ähnlich  wie  Algol 
aus  zwei  optisch  nicht  trennbaren  Körpern  besteht,  die 
in  13  Tagen  um  einander  kreisen  und  durch  partielle 
Verdeckungen  die  Liehtschwankungen  hervorrufen.  Es 
hat  sich  diese  Thatsache  hier  wiederum  auf  spectro- 
graphischem  Wege  durch  die  Schwankungen  der  hellen 
uml  dmikelen  Linien  in  den  zwei  supcrponirten  Spectren, 
welche  die  photographischen  Aufnahmen  zeigten,  erwiesen. 

F.  Kbr. 


Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben. 

Es  uurilen  eriiaiuit:  Der  «jrihiitliclie  l'nil'i-s.sor  iler  Bdtiiuik 
im  der  Universität  Berlin  Dr.  Simon  Seh  wendener  zum  (}e- 
heinien  Regioruugsrath.  —  An  der  Kgl.  Biljliotliek  zn  Berlin  die 
Hilfscustodeu  Dr.  Hans  Paalzow — "und  Dr.  Alfred  Schulze 
zu  Custoden.  —  Der  Botaniker,  C'onsul  a.  D.  L.  Krug  in  Gross- 
Lichterfeldc  bei  Berlin  zum  Professor.  —  Dr.  Kurt  We  igelt  in 
Berlin,  Generalsecretär  des  deutschen  Fischerei-Vereins,  zum  Pro- 
fessor. —  Der  ausserordentliche  Professor  für  analytisclie  Chemie 
an  der  Technischen  Hoclischule  in  Wien  Dr.  Rudolf  Benedikt 
zum  Ordinarius.  —  An  der  Universität  Dorpat  Dr.  Wassiliew 
zum  Professor  für  klinische  Medicin  —  und  Dr.  Tschi.scli  zum 
Professor  für  Irrenheilkiinde.  —  Der  ausserordentliche  Professor 
der  Pathologie  und  Therapie  an  der  Universität  Charkow  Dr. 
Scliiltow  zum  Ordinarius.  —  Am  Veterinär -Institut  zu  Dorpat 
der  Staatsrath  ausserorch'utliche  Professor  für  Vetcrinärwesen  Dr. 
Gutmann   zum  Ordinarius    und  —  der  Staatsrath  Prosector  Dr. 


550 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  49 


Kundsien  zum  ausserordentlichen  Professor.  —  Der  ansser- 
ordentlielip  Professor  der  Physik  an  der  Univer.sität  Kasan  Dr. 
Goldhammer  zum  Ordinarius.  —  Der  ausserordentliche  Professor 
der  Pharmaeologie  an  der  Universität  Kasan  Dr.  Rodsajewski 
zum  Professor  an  der  Universität  Charkow.  —  Der  Professor  in  der 
medicinischen  Faeultät  der  Universität  Kasan  Dr.  Bechterew 
zum  Lehrer  an  der  militär-medicinischen  Akademie  in  St.  Peters- 
burg. —  Privatdoceut  für  organische  Chemie  an  der  Universität 
Odessa  Dr.  Selinski  zum  ausserordentliclien  Professor  an  der 
Universität  Moskau.  —  An  der  Universität  Petersburg:  der  Pro- 
fessor der  Botanik  A.  Batalin  zum  Director  des  Kaiserl.  Botani- 
schen Gartens  —  und  der  Professor  der  Chemie  A.  Dianin  zum 
provisorischen  Nachfolsrer  Inostranzew's. 

Es  haben  sich  habilitirt:  Der  Kcgierungsrath  am  Kaiserlichen 
Gesundheitsamte  Dr.  Wilhelm  Ohlmüller  für  Hygiene  an  der 
Universität  Berlin.  —  Dr.  Friedrich  Reinke  in  der  medicini- 
schen Faeultät  der  Universität  Rostock.  — ■  Dr  A.  Tornquist 
für  Geologie  und  Paläontologie  an  der  Universität  Strassburg. 

Der  Wirkliche  Staatsrath  Professor  in  der  medicinischen 
Faeultät  der  Universität  Dorpat  Dr.  Alexander  Rosenberg 
hat  seinen  Abschied  erhalten.  —  Der  Professor  der  Psychiatrie 
an  der  Universität  Petersburg  Dr.  Mershejewski  legt  sein 
Amt  nieder. 

Es  sind  gestorben:  Der  Kgl.  Bezirksgeologe  Anton  Halfar 
in  Berlin.  —  Der  Naturforscher  George  Bennett  in  Sydney, 
Australien.  —  Der  Entomologe  Dr.  H.A.Hagen  in  New-York. — 
Der  Director  der  Universitäts  Frauenklinik  und  Professor  an  der 
Universität  Halle  Geheimer  Medicinalrath  Dr.  Kaltenbach  in 
Halle.  —  Der  Ornithologe  Dr.  Baldamus  in  Wolfenbüttel.  — 
Professor  Dr.  Hermann  Seger,  bekannt  durch  seine  Arbeiten 
auf  dem  Gebiete  der  chemischen  Technologie,  in  Berlin. 


Dr.    Stuhlmanii    hat    sich    wieder    nacli    <  )stafrika    zurück- 
begeben, um  das  Küstengebiet  wissenschaftlich  zu  durchforschen. 


L  i  t  t  e  r  a  t  u  r. 

Ernst  H.  L.  Krause,  Mecklenburgisclie  Flora.    Wilh.  Werther's 
Verlag.     Rostock  1803. 

Unser  Mitarbeiter,  der  Stabsarzt  Dr.  E.  H.  L.  Krause  ist 
ein  gewiegter  Florist  und  namentlich  vorzüglicher  Kenner  der 
Mecklenburgischen  Flora,  sodass  wir  aus  keiner  berufeneren  Feder 
ein  Werk  über  dieselbe  wünsclien  konnten.  Sie  ist  daher  nicht 
nur  für  den  Botanophilen  von  Werth,  sondern  auch  für  den  Fach- 
mann. Kulturpflanzen  hat  Verf.  —  soweit  sie  nicht  jetzt  wild 
wachsen  —  weggelassen,  jedoch  auch  von  diesen  auch  diejenigen 
nicht  aufgeführt,  welche  nur  ausnahmsweise  verwildert  oder  an 
nur  einem  bestimmten,  beschränkten  Fundpunkt  vorkummen.  Dass 
Verf.  die  Autoren-Namen  weggelassen  hat,  ist  zwar  nicht  störend, 
da  der  Fachmann  kaum  irgendwo  zweifelhaft  sein  wird,  welche 
Art  gemeint  sei  und  diese  Hinzufügungen  für  den  Anfänger,  für 
welchen  das  Buch  in  erster  Linie  geschrieben  ist,  keinen  grossen 
Werth  haben,  aber  dennoch  in  einem  wissenschaftlichen  Buch 
wie  dem  vorliegenden  zu  bedauern,  weil  die  Autoren-Bezeich- 
nungen den  Fachmann  entschieden  schneller  orientiren.  Deutsche 
Namen  hat  K.  löblicher  Weise  nicht  künstlicli  gebildet,  wo  die 
wissenschaftlichen  Namen  alli^emein  bekainit  sind  wie  z.  B.  Chrys- 
anthemum. Er  sagt  treffend:  Es  ist  Unsinn,  internationale  Vo- 
kabeln für  ein  nationales  Unglück  zu  halten. 


Dr.  W.  Breslich   und  Dr.   0.  Koepert,   Bilder  aus  dem  Thier- 

und  Pflanzenreiche.  Für  Srhule  und  Haus  bearbeitet.  Heft  1: 
Säugethiore.  Stephan  Geibd.  Alteuburg,  S.-A.  1893. —  Preis 
2  Mk.  60  Pf 

Die  Verfasser  wollen  durch  ihr  Buch  kein  Lehrbuch  der 
Zoologie  und  Botanik  für  Schulen  ersetzen,  sondern  vor  allem  ein 
solches  ergänzen,  da  auch  die  besten  Leitfäden  doch  immer  nur 
ein  Gerippe  der  Thier-  und  Pflanzenkunde  entlialten.  In  ihnen 
tindet  der  Lernende  das  Wichtigste  der  Mor])hologie,  Sj'stematik, 
und  auch  theilweise  der  Physiologie  und  Biologie.  Am  dürftigsten 
kommt  aber  letztere  in  der  Regel  fort,  obwolil  sie  gerade  das  be- 
sondere Interesse  des  Schülers  erregt  Diese  Lücke  soll  das  Werk 
ausfüllen.  Es  werden  daher  in  dem  vorliogend<'n  Heft  die  Lebens- 
äusserungen wichtiger  Säugethiere  geschildert.  Das  Buch  ist  als 
ein  kurzer  und  geschickter  Auszug  aus  den  Quellen  der  Biologie 
anzusehen,  das  ebensow'ohl  dem  Schüler  wie  dem  Lehrer  dien- 
lich sein  kann. 

Dr.  Eduard  Zache,  Geognostische  Skizze  des  Berliner  Unter- 
grundes. Mit  4  Abb.  (VViss.  Beilage  zum  Progranun  der  ü.  Real- 
schule (Höheren  Bürgerschule)  zu  Beilin  Ostern  1893).  R. 
Gaertuers  Verlag.     Berlin  1893.  —  Preis   1  Mk. 


Das  Schriftchen  bietet  eine  geschickte,  knappe  und  leicht-fass- 
lich geschriebene,  fachmännische  Uebersicht  der  geognostischen 
Verhältnisse  Berlins  und  der  Entstehung  derselben.  Wer  sich 
daher  kurz  und  mit  möglichster  Zeitersparniss  über  diesen  Gegen- 
stand zu  unterrichten  wünscht,  und  dieser  Wunsch  dürfte  bei  den 
Gebildeten  der  Hauptstadt  vielfach  rege  sein,  der  vertiefe  sich  in 
die  Zache'sche  Skizze,  und  er  wird  dem  Verf.  für  die  gebotene  An- 
regung und  Belehrung  Dank  wissen.  Die  Disposition  der  nur 
25  Quartseiten  umfassenden  Arbeit  ist  eine  sehr  einfache:  zunächst 
erhält  der  Leser  eine  knappe,  aber  genügende  Orientirung  über  die 
Topographie  der  Stadt,  sodann  findet  die  Geognosie  derselben  und 
zwar  zuerst  das  Quartär  und  dann  das  Tertiär  Besprechung.  Einige 
Profile  und  Kärtchen  unterstützen  das  Verständniss  wesentlich. 


Prof.  Dr.  W.  Hampe,  Tafeln  zur  qualitativen  chemischen 
Analyse.  3.  verb.  u.  verm  Aufl.  Grosse'sche  Buchhandlung. 
Clausthal  1893.  —  Preis  4.50  Mk. 

Das  kleine  Werk  zeichnet  sich  unter  der  grossen  Anzahl 
seinesgleichen  vortheilhaft  aus  durch  eine  den  Stoft'  erschöpfende 
Reichhaltigkeit.  In  den  zwölf  Tabellen  sind  fast  sämmtliche 
Reactioneu  der  Elemente  und  ihrer  Verbindungen  mit  Einschluss 
der  zehn  wichtigsten  organischen  Säuren  angegeben.  Dabei  ist 
vom  Verfasser  bei  jedem  einzelnen  Reagenz  das  Verhalten  der- 
selben bei  Zusatz  einer  geringen  Menge  und  im  Ueberschuss  er- 
läutert. Um  ferner  einem  mechanischen  Befolgen  der  Tabellen 
vorzubeugen,  das  den  inneren  theoretischen  Zusammenhang  der 
einzelnen  Trennungsmethoden  unberücksichtigt  lässt,  führt  der 
Verfasser  stets  vor  Augen,  was  z.  B.  in  einem  entstehenden 
Niederschlage  alles  enthalten  sein  kann,  und  fügt  ausserdem  den 
resultirenden  Verbindungen  die  Formeln  bei.  Wenn  der  Anfänger 
nur  einigermaassen  mit  den  allerwichtigsten  Reactionen  der  Basen 
und  Säuren  und  den  einfachsten  Manipulationen  der  chemischen 
Pra.\is  vertraut  ist,  wird  es  ihm  ein  Leichtes  sein,  nach  den 
Tabellen  zu  arbeiten  Aber  auch  dem  in  der  Analyse  Bewan- 
derten werden  sie  dann  und  wann  erwünschten  Aufschluss  geben, 
da  auch  das  Verhalten  der  seltener  vorkommenden  Elemente,  wie 
Thallium,  Indium  etc  ,  gegen  die  Reagentien  in  gedrängter  Kürze 
angegeben  ist,  und  man  dadurch  des  Nachschlagens  in  einem 
grösseren  Handbuch  enthoben  wird. 

Neben  den  unverkennbaren  grossen  Vorzügen  haften  den 
Tabellen  aber  auch  einige  Nachtheile  an,  welche  durch  die  Fülle 
des  verarbeiteten  Stoffes  bedingt  sind.  Die  Menge  der  ange- 
gebenen Reactionen  auf  trockenem  Wege,  deren  Wichtigkeit  als 
Vorprüfung  der  zu  analysirenden  Substanz  wohl  Niemand  be- 
zweifein wird,  könnte  für  den  Anfänger  etwas  knapper  bemessen 
sein.  Vor  allen  Dingen  aber  sind  die  zum  Tlieil  mehrfach  zu- 
sammengefalteten Tabellen  für  den  praktischen  Gebrauch  im 
Laboratorium  entschieden  zu  umfangreich  und  unhandlich.  Viel- 
leicht hätte  sich  das  durch  die  Wahl  eines  anderen  Formats  de.s 
ganzen  Büchleins  vermeiden  lassen.  In  dieser  Gestalt  ist  das 
Werkchen  neben  einem  Lehrbuch  der  Chemie  zum  Gebrauch  am 
Studirtisch  äusserst  empfehlenswerth,  oder  als  Nachschlagebuch, 
das  jeder,  der  qualitative  chemische  Analyse  treibt,  dann  und 
wann  gerne  zur  Hand  nimmt.  Dr.  H. 


Prof.  Dr.  Carl  Titus,  Das  Sternenzelt.  Mit  73  Abbildungen. 
Verlag  des  Vereins  der  Bücherfreunde.     Berlin   1893. 

Für  die  populäre  Darstellung  der  vorliegenden  elementaren 
Astronomie  hat  w-esentlich  das  prächtige  Werk  Arago's  zur  Grund- 
lage gedient.  Sie  will  mehr  anregen  als  systematisch  belehren. 
Wir  finden  daher  in  dem  Buche  12  einzelne  Aufsätze,  von  denen  jeder 
ein  abgeschlossenes  Thema  behandelt.  Es  macht  sich  in  ihnen 
die  heutige  Forsehungsrichtung  begreiflicherweise  bemerklich,  so 
ist  der  eine  der  Aufsätze  betitelt:  „Forschungen  und  Phantasien 
über  den  Planeten  Mars",  ein  anderer:  „Die  Photographie  im 
Dienste  des  Astronomen."  Sehr  lesenswerth  ist  der  Schlussaufsatz  : 
„Die  sog.  4.  Dimension  in  der  Astronomie",  in  welchem  Verf.  mit 
Recht  an  den  Liebmann'sehen  Satz  erinnert:  „Die  Raumanschauung, 
die  wir  besitzen,  kann  nicht  abgeleitet,  sondern  nur  charakterisirt 
werden",  und  darauf  aufmerksam  macht,  dass  allen  Speculationen 
über  Dimensionen  stets  schon  unser  Erfahrungsraum  zu  Grunde 
liegt. 

August  Trinius,  Alldeutschland  in  Wort  und  Bild.  Eine 
malerische  .Schilderung  der  deutschen  Heimath.  Mit  65  Illustratio- 
nen. Ferd.  Dümmler's  Verlagsbuchhandlung.  Berlin  189J.  — 
Preis  5,70  Mk. 

Von  dem  anziehenden  Werk  liegt  nunmehr  der  2.  Band  vor  mit 
G5  geschickt  ausgewählten,  charaktervollen  Illustrationen,  zum 
grössern  Theil  flotte  Skizzen,  anderntheils  directe  Reproductionen 
nach  guten  Photographien.  Der  Band  behandelt  die  Vogosen,  den 
Spessart,  den  Odenwald,  das  Eifelgebirge,  das  Bayerische  Ober- 
land, den  Taunus,  Wilhelmshöhe  und  den  Schwarzwald.  Jeder, 
der    sich    für    die    Eigenthümlichkeiten   seiner    weitereu    Heimath 


Nr.  49. 


Natiirwissensehaftliche  Wochenschrift. 


.551 


iiiteressii't,  ist  das  hülisuh  ge.schricbeiie  Bucli  des  guten  l<iciinrTs 
derselben  warm  zn  cmptVliliMi.  Wer  eine  Erholungsreise  machen 
will,  wird  sich  mit  Freuden  von  dem  kundigen  Führer  über  die 
Gegend,  Land  und  Leute  unterrichten  lassen,  um  dann  mit  düp]ieltem 
Genuss  zu  wandern  und  zu  schauen.  —  Ein  nettes  Weihnachts- 
geschenk! 

li'Intermediaire  des  Hathematiciens  ist  di'r  Titel  einer 
neuen  t'ranzüsischen,  matheuiatischen  Zeitschrift,  die  vom  Januar 
189-t  ab  in  dem  Verlage  von  GauthierVillars  et  Fils  zu  Paris  er- 
scheinen wird.  Die  Herausgeber,  C.  A.  Laisant  und  Emile 
Leraoine,  beabsichtigen  unter  dem  genannten  Titel  ein  für  die 
Mathematik  ganz  neues  mathematisches  Unternehmen  zu  schatten, 
das  wesentlich  dem  wissenschaftlichen  Verkehr  di'r  Mathematiker 
aller  Länder  insofern  gewidmet  sein  soll,  als  Fragen  wissenschaft- 
lichen, bibliographiseheu  und  biogra|jliiscben  Inhalts  aus  dem  Ge- 
biete der  Mathematik,  an  deren  Erledigung  dem  oder  jenem  ge- 
legen ist,  veröft'entlicht  und  aus  dem  matliematischen  Leserkreise 
heraus  beantwortet  werden.  Man  darf  dem  Fortschreiten  des 
eigenartigen  Journals  mit  Interesse  entuegensehen  und  wohl 
namentlich  für  das  bisher  sehr  vernachlässigte  biograpliische 
Moment  schätzenswerthe  Aufschlüsse  erwarten.  Wir  machen 
auf  das  Untm-nehmen  mit  dem  Bemerken  aufmerksam,  dass 
etwaige  Correspondenzen,  Anfragen  u.  s.  w.  an  die  oben  genannte 
Verlagsbuchhandlung  (Paris,  Quai  des  Grands- Augustius  55)  zu 
richten  sind. 

29.  Bericht  der  Oberhessischen  Gesellschaft  für  Natur- 
imd  Heilkunde.     Giessen  im  Mai   1893. 

Das  Heft  ist  mit  dem  Bildniss  des  verstorbenen,  besonders 
als  Pliänologen  bekannten  Prof.  Dr.H.  Hoffmann  geschmückt,  das  zu 
einer  Biograpliie  und  Schilderung  der  wissenschaftlieljen  Wirksam- 
keit desselben  aus  der  Feder  seines  SehiUers  und  Mitarlieiters  auf 
]diänologischein  Gebiete  Dr.  E.  Ihne  gehört.  Der  Nekrolog  ent- 
hält auch  ein  vollständiges  Verzeichniss  der  zahlreichen  Schriften 
Hotfmanns;  die  Thätigkeit  des  letzteren  als  Pilzforscber  hat  der 
Mykologe  Schroeter  in  Breslau  bearbeitet.  Gleichfalls  von 
Ihne  sind  die  für  1891  eingelaufenen  „Phänologischo  Beobach- 
tungen" zusammengestellt  worden.  Die  Veröffentlichung  dieser 
Beobachtungen  geschah  früher  von  Hotfmann,  von  jetzt  an  wird 
dies  Ihne  thun.  (Im  Sonderabdruck  liegt  bereits  Jahrgang  1892 
vor.)  Beide  Forscher  zusammen  haben  bekanntlich  seit  1882 
und  188o  weitere  Kreise  zu  phänologischer  Thätigkeit  angeregt, 
als  deren  Folge  die  seit  dieser  Zeit  in  den  Giessener  Berichten 
jährlich  abgedruckten  Daten  anzusehen  sind.  Den  Beobachtungen 
lässt  Ihne,  wie  früher  Hofi'mann,  ein  Verzeichniss  der  neuen 
phänologischen  Litteratur  folgen.  x. 

Der  29.  Bericht  enthält  ferner:  Friedrich  Roth,  Die  Tuffe 
der  Umgegend  von  Giessen  (ausführliche  Untersuchung);  Ihne, 
Uebersicht  der  meteorologischen  Beobachtungen  im  botanischen 
Garten  in  Giessen  1890  und  1891;  Prof  Dr.  Streng,  Ueber  die 
basaltischen  Kraterbildungen  nördlich  und  nordöstlich  von  Giessen 
(Untersuchung  und  Vortrag);  August  Köhler,  Beiträge  zur  Ana- 
tomie von  Siphonaria  (Vortrag);  Streng,  Eine  Reise  in  das  Land 
der  Mormonen  (vorläufige  Mittheilung).  Von  den  25  Auszügen 
aus  gehaltenen  Vorträgen,  grössteutbeils  medicinischen  Inhaltes, 
sind  umfangreichere  naturwissenschaftlichen  Inhaltes:  Hansen, 
Stoff bildung  bei  Meeresalgen;  Rausch,  Zur  Geschichte  der 
Sirenen,  und  Pitz,  Ueber  die  Saitenorgel. 


Arndt,  Prof.  Dr.  Rud.,    Kraft   und  Kräfte.     Greifswald.     1,-50  M. 
Bergbohm,  Dr.  Jnl.,    Entwurf   einer  neuen  Integralrechnung  auf 

Grund    der     Potenzial-,     Logarithuial-     und     Numeralreelinuug. 

2.  Heft.     Leijjzig.     2  M. 
Dinichert,     Rob.,    Etüde     des    courants    faradiiiues    k    laiile    du 

galvanometre  et  de  relectrodynamometre.     Bern.     1,20  i\J. 


Fhotographiacher  Apparat.  —  Von  Herrn  Max  Steckelmann 
in  Berlin  winl  gegenwärtig  ein  kleiner  photographischer  A])parat 
für  den  Preis  von  oO  Mk.  in  den  Handel  gebracht,  der  sich  trotz 
seiner  Billigkeit  durch  eine  recht  gediegene  Ausführung  auszeichnet. 
Sehr  gut  ist  die  Holzarbeit  an  der  Camera  und  ebenso  leistet  der 
ausziehbare,    mit   Lederecken   versehene  Balg  genügende  Gewähr 


für  seine  Haltbarkeit.  Die  Linse  liefert  sein-  klare  bis  nach  den 
Rändern  zu  scharfe  Bilder,  welche  einetirösse  von  9:12  cm  besitzen. 
In  den  Preis  mit  einbegriffen  ist  eine  vollständige  photograpliische 
Ausrüstung,  sodass  nichts  fehlt,  um  fertige  Bilder  herstellen  zu 
können.  Dem  Anfänger,  für  welchen  dieser  Apparat  sehr  geeignet 
sein  dürfte,  wird  aussei-dem  die  gedruckte  Anleitung  zum  Photo- 
graphiren, welche  ihn  über  das  ganze  Verfahren  gein'igend  auf- 
klärt, sehr  willkommen  sein.  Bei  genauer  Befolgung  der  ange- 
gebenen Vorschriften  wird  er  sehr  bald  gute  Bilder  i^rh alten.  D» 
sich  der  Apparat  ausserdem  durch  Leichtigkeit  auszeichnet,  so- 
dass er  auf  Reisen  bei|uem  mitgenommen  werden  kann,  so  möchte 
ich  die  AnschaffuiiK  allen  ilen<'n  empfehlen,  welche  die  sich  ihnen 
darbietenden  Landscbaftsbilder  als  eine  angenehme  Erinnerung 
von  ihren  Reisen  mit  nach  Haus  bringen  möchten. 

Professor  Dr.  Wahuschaft'e. 


Erklärung. 


In  seiner  „Entgegnung"  (Naturwiss.Wocbenschrift  1893,  No.  2ii, 
S.  264)  sagt  Herr  Dr.  0.  Kuntze:  „Die  Berichtigung  .  .  .  betrifft 
seine  eigenen  (des  Unterzeichneten),  in  meinem  Manuscript  revi- 
dirten  Bestimmungen."  Dieser  Erklärung  gegenüber  sehe  ich  mich 
genöthigt,  kurz  den  Sachverhalt  darzulegen. 

Herr  Di'.  O.  Kuntze  schrieb  in  Ramacaida  einen  Bericht  über 
die  Reise,  die  er  mit  uns  —  Dr.  Bodenbender  und  mir  —  ge- 
meinsam von  Villa  Mercedes  bis  Ramaeai'da  gemacht.  In  diesen 
Bericht  hatte  er  alle  die  PHanzennamen  als  sichere  Bestimmungen 
aufgenommen,  die  ich  ihm  während  der  Reise  gegeben.  Ich  hatte 
ihm  wiederholt  gesagt,  dass  diese  Namen  keine  Bestimmungen 
seien,  sondern  nur  Fingerzeige,  wo  man  die  Pflanzen  ungefähr  zu 
suchen  habe,  und,  von  mir  durum  ersucht,  vei-sprach  er  mir.  den 
Bericht  nicht  eher  zu  veröffentlichen,  ehe  er  nicht  die  betreffen- 
den Bestimmungen  revidirt  (dies  geschah  in  Dr.  Bodenbender's 
Beisein).  In  Chile  angekommen,  schickte  Dr.  0.  Kuntze  sein 
Manuscript  nach  Berlin  und  Hess  es  dem  Botanischen  Verein  der 
Provinz  Brandenburg  anbieten ,  der  es  zurückwies.  Als  Dr. 
O,  Kuntze  darauf  1893  nach  Cnrdoba  zurückkehrte,  machte  ich 
ihn  auf  das  Illojale  seines  Verfahrns  aufmerksam,  und  er  ver- 
sprach mir  W'iederum,  vor  einer  Veröffentlichung  seines  Manuscripts 
eine  Revision  der  Pflanzenbenennungen  vorzunehmen.  Dies  ist 
nicht  geschehen,  und  im  Januar  1893  erschien  Dr.  Kuntze's  Bericht 
in  der  „Naturwissenschaftlichen  Wochenschrift". 

Wenn  Herr  Dr.  Kuntze  nun,  nachdem  ich  zweimal  gegen  die 
Veröffentlichung  der  von  mir  provisorisch  gegebenen  Pflanzen- 
namen protestirt,  und  nachdem  er  mir  zweimal  eine  Revision 
derselben  versprochen,  die  er  nicht  ausgeführt  —  wenn  Herr 
Dr.  Kuntze  nun  von  „seinen  (dos  Unterzeichneten)  eigenen,  von 
ihm  revidirten  Bestimmungen"  spricht,  so  ist  dies  eine  Handlungs- 
weise, für  die  die  richtige  Bezeichnung  zu  wählen  ich  den  Lesern 
dieser  Zeitschrift  überlasse. 

Cördoba,  Rep.  Argentina.    22.  IX.  1893.  Dr.  F.  Kurtz. 


Briefkasten. 

Herrn  R.,  Breslau.  Eine  Zusaunnenstellung  der  wichtigsten 
mathematischen  Zeitschriften  finden  Sie  in  der  Rectoratsrede  des 
Herrn  Geheimrath  Prof.  Dr.  Lampe  (Zeitschrift  für  niathem.  und 
naturwiss.  Unterrieht,  1893).  Im  Uebrigen  verweisen  wir  Sie  auf 
das  Jahrbuch  für  die  Fortschritte  der  Mathematik,  herausgegeben 
von  E.  Lampe   (Berlin,  Georg  Reimer). 

*)  Der  Redaction  der  „Naturw.  Wochenschr."  ist  der  Artikel 
des  Herrn  Dr.  Kuntze  (der  sich  damals  auf  Reisen  befand)  von 
dem  damaligen  Vorsitzenden  dc>s  Botanischen  Vereins,  Herrn  Pro- 
fessor P.  Magnus,  mit  einem  Begleitschreiben  vom  2.  Mai  1892 
zugegangen,  das  mit  den  Sätzen  beginnt:  „  .  .  .  .  Herr  Dr.  Otto 
Kuntze  hatte  mir  beiliegendes  Manuscript  für  den  Botanischen 
Verein  der  Provinz  Brandenburg  zugesandt.  Das  Schriftf'ührer- 
amt  lehnt  es  aber  ab,  denselbi'n  aufzunehmen,  da  wir  haujitsäch- 
lich  die  heimische  Flora  zu  berücksicditigen  haben,  und  der  Verein, 
wie  Sie  wissen,  nicht  gerade  in  glänzenden  Finanzverhältnissen 
sich  befindet,  sondern  noch  in  einem  durch  den  Druck  des  Inhalts- 
verzeichnisses hervorgerufenen  Deficit  sich  befindet.  —  Ich  wollte 
das  Manuscript  ursprünglich  an  Dr.  Andree  für  den  „Globus" 
senden.  .  .  ."  u.  s.  w.  —  Ked. 


Inlialt:  Utto  Amnion:  Die  natürliclie  Auslese  lieim  Menschen.  —  65.  Versamndung  der  Ciesellschaft  deutscher  Naturforscher  uml 
Aerzte  in  Nürnberg.  IV.  (Schluss.)  —  Ueber  Balsam  und  Myrrhe.  —  Zur  Leln-e  vom  Luftwechsel.  —  Ueber  den  von  Schneider 
Trichosphaerium  Sieboldii  genannten  mi'erbewolnuMiden  Rhizopoden.  —  Ueber  Jodoso-  und  Jodoverbindungen.  —  Neuer 
Komet.  —  /JLyr.ae.  -  Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben.  —  Litteratur:  29.  Bericht  der  i  iberhessischen  Gesellschaft  für  Natur- 
und  Heilkunde.  —  Ernst  H.  L.  Krause:  Meckleid)urgische  Flora.  —  Dr.  W.  Breslich  und  Dr.  O.  Koepert:  Bilder  aus 
dem  Tbier-  und  Pflanzenreiche.  —  Dr.  Eduard  Zache:  Geognostische  Skizze  <les  Berliner  Untergrundes.  —  Prof  Dr.  W. 
Hampe:  Tafeln  zur  qualitativen  chemischen  Analyse.  —  Prof.  Dr.  Carl  Titus:  Das  Sternenzelt.  —  August  Trinius: 
Alldeutschland  in  Wort  und  Bild.  —  L'lntermediaire  des  Mathematiciens.  —  Liste.  —  Photographischer  Apparat.  —  Erklärung. 
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552 


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„Zoologisches  Centralblatt'»,  die  wir  hiermit  Ijesonderer  Beachtung  empfehlen. 


Verantwortlicher  Redakteur:    Dr.  Henry  Potouie,    Berlin  N.  4.,  Invalidenstr.  44,   für  den    Inseratentheil:  Hugo  Bernstein    in    Berlin. 
Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,   Berlin  SW.  12.  —  Druck:  G.  Bernstein,  Berlin  SW.  12. 


Redaktion:         7         Dr.  H.  Potonie. 
Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12,  Zimmerstr.  94. 


VIII.  Band. 


Sonntag,  den  10.  Decemljer 


1893. 


Nr.  50. 


Abonnement:  Man  abonnirt  bei  allen  Buebbandlungen  und  Post- 
anstalten,  wie  bei  der  Expedition.    Der  Vierteljahrspreis  ist  JC  4.— 
Bringegeld  bei  der  Post  \i  4  extra. 


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Inserate  :  Die  viergespaltene  Petitzeile  40  A.   Grössere  Aufträge  ent- 
sprechenden Rabatt.  Beilagen  nach  Uebereinkunft.  Inseratenannahme 
bei  allen  Äxinoncenbureaux,  wie  bei  der  Expedition. 


Abdruck  ist  nnr  mit  vollständiger  <^aellenangabe  s^cstattet. 


Die  natürliche  Auslese  beim  Menschen. 


Von  Otto  Ammon. 


(Schluss.] 


Die  hier  geschilderten  Vorgänge  der  natiirlicheu 
Auslese  erklären  uns  eine  bisher  dunkle  Frage  der  An- 
thropologie: warum  der  Kopf-Index  der  deutschen  Be- 
völkerungen sich  seit  der  germanischen  Urzeit  um  den 
ansehnlichen  Betrag  von  mindestens  6  Einheiten  erhöht 
hat.  Ursprünglich  müssen  die  Lebensbedingungen  der  Er- 
haltung und  Vermehrung  der  Langköpfe  günstig  gewesen 
sein,  wie  aus  '  der  ungeheuren  Ausbreitung  der  arischen 
Völker  in  vorgeschichtlichen  Zeiten  hervorgeht.  Nachher 
aber,  im  Beginn  der  geschichtlichen  Zeit,  kehrt  sich  die 
AVirkung  der  Auslese  um.  Wenn  immerwährend  ein 
grösserer  Procentsatz  von  Laugköpfen  aus  der  Land- 
bevölkerung herausgenommen  wird,  um  zum  allgemeinen 
Nutzen  verbraucht  zu  werden  und  somit  niemals  mehr  auf 
das  Land  zurückzukehren,  daun  ist  es  klar,  dass  der 
durchschnittliche  Index  beständig  zunehmen  nuiss.  In  der 
Gegenwart  sind  es  hauptsächlich  die  Städte,  welche  in 
diesem  Sinne  wirken;  in  der  Vergangenheit,  als  das  Laud 
noch  nicht  so  stark  bevölkert  und  die  Anziehungskraft 
der  Städte  eine  weniger  grosse  war,  wirkte  dieser  Factor 
sicherlich  weit  schwächer.  Aber  in  frühereu  Zeiten  gab 
es  andere  Kräfte,  welche  beständig  in  dem  gleichen 
Sinuc  arbeiteten:  die  Kriege  und  Felideu,  deren  Lasten 
hauptsächlich  von  den  germanischen  Edelfreien  und  Freien 
zu  tragen  waren,  und  die  Klöster  und  Stifter,  welche 
durch  das  Gelöbniss  der  Ehelosigkeit  die  geistig  hervor- 
ragenden Persönlichkeiten  der  Nachkommenscliaft  be- 
raubten. An  Beispielen  kann  man  zeigen,  wie  ungemein 
verheerend  besonders  der  letztere  Factor  im  Mittelalter 
gewirkt  hat,  wo  es  eine  selbstständige  Gelehrten-Existenz 
ausserhalb  der  kirchlichen  Anstalten  kaum  gab  und  die 
:ine,  wie  auch  die  ledigen  Töcliter   der 

Unterkunft  in 
solchen  sucheu  mussten.  Während  die  langkriptige  Rasse 
iu    langsamerem    oder    schnellerem    Aussterben 


nachgeborenen  Söl 

germanischen  Adelsfamilien  nothgedniugen 


begriffen 


war,  vermehrte  sich  die  Zahl  der  an  der  Scholle  klebeudeu 
Rundköpfe  ohne  ernstliehe  Beschränkung,  und  selbst  die- 
jenigen unter  den  Unfreien,  welche  von  veriiältnissmässig 
reinerem  gerinanischera  Geblüt  waren,  erlitten  durch  das 
Aufsteigen  in  den  Stand  der  Ministerialen,  aus  denen  der 
niedere  Adel  der  Gegenwart  hervorging,  eine  unaufhörliche 


Einbusse,    da 


sie  aus  den  gleichen  Ursachen  dem  Aus- 
sterben anheimfielen.  Alle  diese  Thatsachen  zusammen- 
genommen enthüllen  uns  in  hinreichender  Deutlichkeit 
den  Vorgang,  durch  welchen  der  mittlere  Kopf-Index  der 
deutsehen  Bevölkerung  sich  so  bedeutend  erhöht  hat: 
durch  die  natürliche  Auslese  und  Vernichtung  der  Lang- 
köpfe. Da  eine  im  gleichen  Sinne  gerichtete  Auslese  der 
hellen  Pigmente  nicht  stattfindet,  so  hat  die  deutsche  Be- 
völkerung die  blauen  Augen  und  die  blondeu  Haare  der 
germanischen  Stammrasse  viel  treuer  bewahrt,  als  die 
lange  Kopfform. 

Man    könnte  einwenden,    die  hier  geschilderten  Vor- 
inge   beträfen    nur    die    „städtische  Auslese"  und  uicht 
überhaupt,  also  nicht  das  Ganze, 
der  Auslese-Vorgänge.    Der  Ein- 
denn  die   städtische   Auslese  ist 
„die"  Auslese  beim  Menschen;  es 


seelischen  Aulagen 

Stände    bilden   die 

die  natürliche  Aus- 

()hue    die  Städte 


die  „natürliche  Auslese" 

sondern  nur  einen  Theil 

wand  wäre  unbegründet, 

eben  in  der  Gegenwart 

giebt    wenigstens    in  Bezug    auf   die 

keine  andere.      Die    Städte    und    die 

äussere  Vorrichtung,  innerhalb  deren 

lese    beim    Menschen    sich    vollzieht. 

könnte 

Germanen  waren,  eine  Auslese   geben,  unter  den  heutigen 

Zuständen  alter  nicht,    und    ohne  Stände    hat    es  niemals 

eine  Auslese  gegeben  «nd  kann  es  schlechterdings  keine 

geben.     Die  Ständebildung,  die  von  manchen  Philosophen 

und    Politikern     als    ein    Hemmschuh    der    menschlichen 

Kultur  und  des  geistigen  Fortseiirittes  angeseln'u  wird,  ist 

im  Gegentiieil    die    erste    Vorbedingung    der  Kultur    und 


es    unter    Zuständen,    wie    diejeuigen    der    alten 


554 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  50 


der  Ausgangspunkt  eines  jeden  Fnrtsclirittes,  weil  es  ohne 
Aufliebung  der  Panmixie  keine  vollkonuneueren  Varietäten 
innerlialb  der  Art  geben  kann.  Die  Einrichtungen,  welche 
die  natürliche  Auslese  für  den  Menschen  geschaifcn  hat, 
ähneln  denjenigen,  welche  ein  Züchter  bei  methodischeni 
Verfahren  treffen  luüsste,  in  geradezu  auffallender  Weise, 
so  dass  ich  den  Ausdruck  „natürliche  Züchtung",  den  icii 
sonst  als  zu  roh  für  die  Anwendung  auf  den  Menschen 
vermieden  habe,  hier  nicht  ganz  zurückweisen  kann. 
Vergegenwärtigen  wir  uns,  wie  ein  Züchter  verfahren 
würde,  um  aus  einer  wilden  Pferderasse,  die  sich  in  einem 
weiten  Gebiete  in  grosser  Menge  vorfindet,  veredelte 
Varietäten  zu  erzeugen.  Der  Züchter  würde  zuerst  eine 
gewisse  Anzahl  der  Tliiere  einfangen  lassen  und  diese  in 
einem  grossen  Pferche  unterbringen,  wo  sie  einer  Ijessercn 
Fütterung  theilhaftig  werden,  nach  der  Iiekanntcn  Züchter- 
Regel:  „Die  halbe  Rasse  kommt  durchs  Maul  hinein". 
Schon  beim  Einfangen  der  Thiere  würde  man  sich  Mühe 
geben,  die  schöneren  Exemplare  zu  bekommen,  und  dann 
würde  man  beobachten,  welche  derselben  sich  unter  dem 
Einflüsse  der  gesteigerten  Fütterung  am  besten  entwickeln. 
Man  würde  wahrscheinlich  an  einigen  der  Thiere  Merk- 
male hervortreten  sehen ,  welche  sie  zur  Ausbildung  als 
starke  Zugpferde  brauchbar  machen,  andere  würden 
vielleicht  mehr  zu  schnellen  Reitpferden  tauglich  er- 
scheinen. Der  methodische  Züchter  würde  alsbald  darauf 
bedacht  sein,  die  hervorragenderen  Individuen  von  der 
Panmixie  abzuhalten  und  er  würde  innerhalb  des  grossen 
Pferches  Unterabtheilungen  durch  Zwischenzäune  an- 
bringen. Die  geräumigste  der  Abtheilungen  würde  für 
die  grosse  Menge  der  mittelmässigen  Thiere  bestimmt 
bleiben,  während  die  kleineren  dazu  dienen,  die  eine  die 
Zugpferde,  die  andere  die  Reitpferde  aufzunehmen.  Die 
erlesenen,  besonders  tauglichen  Thiere  würde  der  Züchter 
mit  dem  vorzüglichsten  Futter  versehen  und  immer  nur 
unter  sich  paaren,  während  er  der  grossen  Menge  natürlich 
nicht  die  gleiche  Aufmerksamkeit  widmen  könnte.  Er 
würde  aber  jedes  edlere  Thier  unter  der  Menge,  welches 
er  für  geeignet  hielte,  in  einen  der  kleineren  Pferche  ver- 
setzen, um  beständig  für  die  ßlutauffrischung  zu  sorgen. 
Genau  so  macht  es  die  Natur  beim  Menschen.  Der  grosse 
Pferch,  das  sind  die  Städte;  die  kleineren  Einzäunungen 
sind  die  Stände. 

Die  Vergleichung  am  Schlüsse  des  vorigen  Satzes  er- 
fordert eine  Einschränkung,  die  fiü'  den  Menschen  be- 
sonders bezeichnend  ist.  Bei  Thicren  handelt  es  sich  in 
der  Regel  nur  um  körperliche  Eigenschaften,  welche  durch 
die  methodische  Züchtung  im  Verein  mit  besserer  Fütterung 
gesteigert  werden  sollen,  beim  Menschen  um  seelische 
Anlagen,  welchen  man  aber  auch  nur  auf  dem  Umwege 
durch  den  Körper  beizukommen  vermag.  Es  wäre  ein 
idealer  Zustand,  wenn  mau  beim  Menschen  durch  bessere 
Ernährung  die  seelischen  Eigenschaften,  welche  dem  In- 
dividuum oder  der  Art  zum  Vortheil  gereichen,  für  sich 
allein  zu  einer  lebhafteren  Thätigkeit  anzuregen  im 
Stande  wäre.  Die  Na+ur  des  Organismus  steht  dem  je- 
doch entgegen.  Von  der  vermehrten  Nahrungszufuhr,  die 
dem  iMenschen  zunächst  bei  dem  Uebergange  in  die 
Stadt  und  im  höheren  Grade  beim  Aufsteigen  auf  der 
socialen  Stufenleiter  zu  Theil  wird,  geht  ein  beträchtlicher 
Theil  lediglich  in  den  Körper  über,  dessen  Wachs- 
thum  und  Entwickelung  beschleunigt  werden.  Nur  ein 
Theil  dient  zur  Belebung  der  seeHschen  Anlagen,  und 
auch  von  diesen  werden  nicht  bloss  die  nützlichen,  sondern 
zugleich  die  schädlichen  gesteigert,  ohne  dass  man  bei 
einem  Individuum  vorher  beurtheileu  könnte,  ob  die  nütz- 
lichen oder  die  schädlichen  die  Oberhand  erlangen  werden; 
allein  die  Probe  kann  entscheiden.  Wir  möchten  mit 
anderen  Worten  einzig  die  eigentlich  menschlicheu  Seelen- 


anlagen besser  ernähren,  können  dies  aber  nur  thun,  in- 
dem wir  zunächst  das  Thier  im  Menschen  füttern.  Bei 
der  Mehrzahl  der  Individuen  frisst  das  Thier  Alles,  die 
wilden  Triebe  werden  oft  ins  Erschreckende  zur  Thätig- 
keit gebracht,  bei  einer  anderen  Gruppe  werden  Thier 
und  Mensch  ungcfäln-  in  gleichem  Maassc  berücksiclitigt, 
und  nur  in  einer  kleinen,  besonders  günstig  veranlagten 
Gruppe  kommt  die  Verbesserung  der  Lebenslage  aus- 
schliesslich oder  doch  voi-wiegend  den  nützlichen  seeli- 
schen Anlagen,  den  eigentlich  menschlichen  zu  Gute. 
Die  natürliche  Züchtung  opfert  alle  Uebrigen,  um  die 
wenigen  Individuen  der  letztgenannten  (iruppe  zum  \'or- 
theil  der  ganzen  Art  in  eine  ci-höhtc  Seelcntiiätigkcit  zu 
versetzen.  So  wunderbar  und  durchdacht  die  Ein- 
richtungen erscheinen,  auf  welche  die  natürliche  Auslese 
einzuwirken  vermag,  so  roh  und  das  menschliche  Gefühl 
verletzend  sind  oft  diejenigen,  welche  dem  Einflüsse  der 
natürlichen  Auslese  entzogen  sind.  Augenscheinlich  ver- 
mag die  natürliche  Auslese  keine  Menschenvaiietät  zu 
Stande  zu  l)ringen,  auf  welche  eine  erhöhte  Nahrungs- 
zufuhr  nur  veredelnd  einwirkt,  und  es  ist  auch  unschwer 
einzusehen,  warum  dieses  nicht  möglich  ist:  die  künstliche 
Steigerung  der  seelischen  Anlagen  hat  unfehlbar  das 
Aussterben  der  Varietät  zur  Folge,  und  es  hiesse  die 
ganze  Art  vernichten,  wenn  das  Experiment  zu  gleicher 
Zeit  mit  sämmtlichen  Individuen  angestellt  würde,  um  die 
untauglichen  ein-  für  allemal  auszuscheiden.  Deswegen 
wird  dasselbe  immer  nur  mit  einem  Thcile  der  Individuen 
vorgenommen,  die,  wenn  sie  ihre  Schuldigkeit  gcthau 
haben,  durch  andere  aus  der  grossen  Menge  heraus  ersetzt 
werden  können. 

Nach  alledem  gelangen  wir  zu  dem  Schlüsse,  dass 
die  natürliche  Auslese  in  der  lliat  auf  den  Menschen 
einwirkt.  Mit  diesem  Schlüsse  im  Einklänge  steht  die 
\veitere  Tbatsache,  dass  die  Vermehrung  der  Mensehen 
sich  längst  an  der  äussersten  Existenzmöglichkeit  stösst. 
Eine  durch  keinen  Mangel,  weder  an  Landgebiet,  noch 
an  Nahrung,  eingeschränkte  Bevölkerung  verdoppelt  ihre 
Zahl  schon  in  '2b  Jahren.  Nehmen  wir  an,  dass  Deutsch- 
land zur  Zeit  Hermann  des  Chcruskers  eine  Million  Ein- 
wohner gehabt  habe,  so  müsste  diese  Zahl  bis  zur  Gegen- 
wart auf  eine  Unsumme  angewachsen  sein,  die  sich  durch 
eine  Ziffer  von  30  Stellen  ausdrückt.  Setzen  wir  die  Zu- 
nahme nur  derjenigen  gleich,  welche  gegenwärtig  wii'klich 
stattfindet,  bezw.  durch  einen  Geburtenttberschuss  von 
jährlich  600  000  bei  einer  Gesammtbevölkerung  von 
50  Millionen,  d.  i.  1,2  "  „  ausgedrückt  ist,  so  würden  wir 
von  einer  Million  am  Anfange  der  christlichen  Zeitrechnung 
bis  zur  Gegenwart  auf  mehr  als  600  Billionen  konnuen, 
während  die  wirkliche  Bevölkerung,  wie  gesagt,  nur 
50  Millionen  beträgt.  Krieg,  Hungersnoth,  Seuchen,  Ent- 
artung und  Auswanderung,  die  Kämpfe  ums  Dasein  in 
jeder  Form,  haben  demnach  im  Laufe  der  Jahrhunderte 
die  Reihen  der  Menschheit  in  ungeheuerem  Maasse  ge- 
lichtet, und  es  hiesse  alle  Gesetze  der  Natur  verkennen, 
wollte  man  annehmen,  dass  hierbei  nur  der  blinde  Zufall 
gewaltet  habe  und  dass  nicht  die  übrigbleibenden  In- 
dividuen die  natürliche  Auslese  einer  besser  augepassten 
Varietät  dargestellt  hätten.  Gewiss  waltet  die  natürliche 
Auslese  nicht  so  sicher,  wie  die  methodische.  Neben  den 
schwächlichen  rafft  sie  häufig  die  stärksten  Individuen 
hinweg,  die  sich  der  Gefahr  am  meisten  aussetzen,  neben 
den  unbegabten,  die  sich  keinen  Platz  zu  erobern  wissen, 
müssen  häufig  genug  auch  die  geistig  höchststehenden 
durch  irgend  einen  körperlichen  Maugel  dem  Kampfe  ums 
Dasein  erliegen.  Aber  ebenso  gewiss  genügt  es,  dass  ein 
kleiner  Procentantheil  mehr  von  den  starken  und  von  den 
begabten  Individuen  erhalten  bleibt,  um  im  Laufe  der  Zeit 
eine  natürliche  Auslese  der  Menschheit  herzustellen.     Die 


Nr.  50, 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


555 


(ibig'cii  Zaiilen  g-eben  einen  Begriff'  davon,  mit  welchen 
nnerniessliciien  (»pfcrn  die  Anpassung-  erl^auft  wird.  Jeder 
Naturforscher  kennt  die  Rolle,  welche  die  Malthus'sche 
Schrift  über  die  Grenzen  der  Bcviilkernng-szunahme  bei 
der  Entdeckung  des  Gesetzes  der  natürlichen  Auslese  durch 
Darwin  und  Wallace  gespielt  hat. 

Wir  haben  uns  im  ^'erfülge  der  \orliegendcn  Ab- 
handlung überzeugen  können,  dass  der  Satz  von  Wallace, 
die  natürliche  Auslese  wirke  beim  Menschen  hauptsächlich 
auf  die  Vervollkommnung  des  Geistes  hin,  im  Grossen 
und  Ganzen  zutreffend  ist,  weil  eben  der  Kampf  ums 
Dasein  beim  Menschen  in  erster  Linie  durch  die  Geistes- 
fähigkeiten ausgefochten  wird.  Allein  so  ganz,  wie 
Wallace  glaubte,  ist  die  Einwirkung  auf  den  Körper  des 
Menschen  nicht  ausgeschlossen.  Allerdings  kann  der 
Mensch  durch  seine  Erfindungen,  wie  Kleidung,  Werk- 
zeuge, Maschinen,  Wohnung,  sowie  eine  Menge  anderer 
Dinge,  die  Wirkung  der  natürlichen  Auslese  im  Sinne  einer 
weiteren  Vervollkonnnnung  ausschliessen,  da  in  Bezug  auf 
diejenigen  Körpertheile  Panniixie  eintritt,  welche  dem  Wett- 
bewerb entzogen  werden.  Ja,  in  manchen  Beziehungen 
wirkt  der  Mensch  sogar  auf  die  Verschlechterung  seines 
Körpers  hin.  Die  J^rfindung  der  Augengläser  stellt  die 
Kurzsichtigen  im  Wettkani  j)f  des  Lebens  den  Normalsiehtigen 
gleich  und  bewirkt  dureli  Panniixie  eine  Herabdrückung 
(les  allgemeinen  Durchschnittes  in  der  VoUkonnnen- 
heit  des  Sehorganes.  Aehnlich  werden  durch  die  Hygiene 
und  durch  die  Heilung  mancher  Krankheiten  eine  Jlenge 
schwächlicher  Individuen  erhalten,  welche  sonst  der  natür- 
lisheu  Auslese  zum  Opfer  gefallen  wären,  und  daraus 
folgt  nach  den  einfachsten  Sätzen  der  Arithmetik,  dass 
der  durchschnittliche  Grad  von  Kraft  und  Gesundheit  er- 
niedrigt wird.  Auf  der  anderen  Seite  jedoch  gicbt  es 
namentlieji  im  Innern  Bau  des  Menschen  ( )rganc,  in  Be- 
zug auf  welche  genügende  künstliche  Ersatzmittel  bis 
jetzt  nicht  erfunden  sind,  und  vielleicht  nie  erfunden 
werden.  Bei  wilden  Völkern  gebären  die  Frauen  auf- 
fallend leicht,  weil  durch  den  Mangel  jeder  Hilfe  eine  in- 
dividuelle Abweichung  von  dieser  Norm  tödtlieh  wirkt. 
Die  natürliche  Auslese  bewahrt  dadurch  die  günstige 
Eigenschaft,  und  in  gewissem  Grade  wirkt  sie  auch  bei 
eivilisirten  Völkern  im  gleichen  Sinne.  Jede  erfolgreiche 
Kunsthilfe  bei  einer  Geburt  erhält  das  individuelle  Leben, 
wird  aber  kraft  der  Vererbung  zum  Ausgangspunkte  eines 
Stammbaumes  schwer  gel)ärender  P^rauen.  Die  natür- 
liche Auslese  in  liczug  auf  den  rudimentären  Wurmfort- 
satz des  Blinddarmes  strebt  darnach,  das  unnütze  An- 
hängsel zu  beseitigen,  und  die  Ansteckungskrankheiten 
raffen  eine  Menge  von  Individuen  dahin,  um  die  Ueber- 
lebenden  zu  einer  Acrhältnissmässig  innnuneren  Varietät 
auszubilden.  Dies  Alles  ist  aber  von  untergeordneter 
Wichtigkeit  gegenüber  der  natürlichen  Auslese  der  Ver- 
dauungsorgane, welche  bei  dem  Urmatcrial  des  Menschen, 
dem  Bauernstande,  stattfindet.  Das  Absterben  der  zahl- 
losen Säuglinge,  welche  die  sorglose  Kinderernährung  des 
Landvolkes  zu  Grunde  gehen  lässt.  ist  ein  Vorgang  der 
natürlichen  Auslese,  der  die  Grundlage  der  Gesundheit 
und  Kraft  des  Landvolkes  bildet,  und  nicht  nur  dies, 
sondern  auf  ihm  beruht  zum  grossen  Thcile  auch  die 
Steigerung  der  seelischen  Anlagen,  widelie  bei  der  Ver- 
setzung in  günstigere  Ernährungsverhältnisse  beobachtet 
wird.  Dieser  Punkt  ist  am  gehörigen  Orte  eingehend  er- 
örtert worden  und  es  soll  daher  an  dieser  Stelle  nur 
daran  erinnert  werden.  Wir  sehen  denmach,  dass,  unbe- 
schadet der  Voranstellung  des  (ieistes,  dcnnoeh  der 
Körper  seine  Bedeutung  bei  der  natürlichen  Auslese  be- 
hält. Ist  doch  ein  ererbter  guter  (icsundheitsziistand  das 
einzige  Mittel,  durch  welches  die  Angehörigen  iler  höheren 
Stände  bei  ihrer  schädlichen  sitzenden  Lebensweise  etwas 


länger  erhalten  werden  können,  als  dies  im  Durchschnitt 
der  P^all  ist,  wie  denn  ein  gesunder,  leistungsfähiger 
Körper  immer  eine  wichtige  Waffe  im  Kampfe  ums  Da- 
sein gei)ildet  hat  und  stetsfort  bilden  wird.  Der  Geist 
des  Mensehen,  die  Summe  seiner  nützlichen  seelischen  An- 
lagen, bleibt  aber  seine  Ilauptausrüstung,  und  auf  diese 
wirkt  daher  die  natürliche  Auslese  vorzugsweise  ein.  Die 
Art  und  Weise,  wie  dies  geschieht,  dui-cli  die  auslesende 
Kraft  der  Städte  und  durch  die  die  erlesenen  Individuen 
weiterzüchtende  Bildung  der  Stände,  das  ist  in  meinem 
Buche  in  grossen  Zügen  darzulegen  versucht  worden. 

Der  künftigen  Forschung  und  Darstellung  verbleibt 
die  Aufgabe,  in  die  Einzelheiten  des  Kampfes  ums  Dasein 
einzudringen.  Die  Ursachen  und  Vorgänge,  welche  das 
Aussterben  der  höheren  Stände  zur  Folge  haben,  werden 
näher  zu  ermitteln,  und  es  werden  praktische  Folgerungen 
aus  den  Ergebnissen  der  Untersuchung  zu  ziehen  sein. 
Insbesondere  lohnt  es  sich,  die  bedeutenden  Schädlichkeiten 
des  vielen  Sitzens  der  Jugend  der  gebildeten  Stände 
scharf  ins  Auge  zu  fassen,  und  zu  prüfen,  ob  sich  nicht 
Manches  dadurch  bessern  Hesse,  dass  man  unnütz  ge- 
wordene Bildungs -Rudimente  endlich  über  Bord  wirft. 
Ferner  sind  die  einzelnen  Gestalten  der  Daseinskämpfe 
eingehend  darzustellen.  Bei  den  Studirten  ist  ein  Theil 
der  Entscheidungen  des  Wettbewerbs  in  die  Schulen  und 
in  die  otficiellen  Prüfungen  verlegt,  ohne  deren  Bestehen 
Niemand  in  den  Stand  eintreten  kann;  die  Prüfungen 
allein  geben  aber  nicht  die  endgültige  Entscheidung,  son- 
dern die  Brauchbarkeit  im  Leben  konunt  elienfalls  in  Be- 
tracht, bei  einigen  Klassen  der  Studirten  mehr,  als  bei 
anderen.  Im  gewerblichen  und  industriellen  Leben  giebt 
es  keine  Prüfungen,  hier  entscheidet  einzig  und  allein  das 
Leben  selbst.  Es  wäre  festzustellen,  welche  seelischen 
Eigenschaften  hier  und  dort  vorhanden  sein  mi'issen,  um 
einen  günstigen  Ausgang  für  das  Individuum  herbei- 
zuführen. Möchten  doch  die  Psychologen  ihre  abstracten 
Lehrgebäude  einen  Augenblick  im  Stiche  lassen,  um  sich 
mit  diesen  wichtigen,  aus  dem  vollen  Menschenleben 
herausgegriffenen  Fragen  zu  beschäftigen!  Sie  würden  viel- 
leicht finden,  dass  es  nicht  blos  Intelligenz,  Flciss  und 
Arbeitskraft  sind,  welche  zum  Erfolge  verhelfen,  sondern 
dass  häufig  List  und  Rücksichtslosigkeit  dazu  mitwirken. 
Auch  würde  das  Studium  der  im  Kampfe  Unterliegenden 
sehr  interessante  Ergebnisse  versprechen.  Es  soll  durch- 
aus nicht  behauptet  werden,  dass  die  Opfer  des  Daseins- 
kampfes lauter  durchaus  unbegalite  Leute  seien,  wenn 
dies  auch  bei  einer  grossen  Zahl  derselben  zutreffen  mag. 
Es  können  Individuen  einzelne  hohe,  geradezu  glänzende 
Gaben  besitzen,  und  dennoch  können  sie  unterliegen  müssen, 
wenn  gewisse  andere  Eigenschaften  fehlen,  oder  wenn 
sieh  eine  Eigenschaft  hinzugesellt,  die  jene  in  ihrer  Wirk- 
sandvcit  lähmt.  Hohe  Intelligenz  mit  einem  Jlangel  an 
Arbeitskraft  gepaart  führt  ebensowenig  zum  Ziele,  als 
Arbeitskraft  ohne  den  nöthigen  Verstand.  Ja,  es  können 
Verstand  und  Arbeitskraft  im  Vereine  nutzlos  werden, 
wenn  die  Widerstandsfähigkeit  gegen  sittliche  Ver- 
lockungen nicht  Uiit  im  Bunde  ist.  Wer  hätte  niclit  schon 
solche  Persönlichkeiten  gekannt,  die  mit  einem  über- 
legenen Verstände  ausgestattet  waren  und  eine  erstaun- 
liche Arbeitskraft  besassen,  auf  die  aber  nie  ein  Verlass 
war,  weil  sie  als  Kinder  des  Augenblickes  jedem  fremden 
Antriebe  folgten  und  ihre  Stellungen  im  Leben  entweder 
cinbüssten,  oder  überhaupt  nie  solche  zu  erlangen  wussten  ? 
Endlich  wird  die  merkwürdige  Einrichtung  unter  den  Ge- 
sichtsjinnkt  der  natürlichen  Auslese  zu  bringen  sein,  welche 
wir  Strafrechlspficge  nennen,  und  die  von  Haus  aus  nichts 
anderes  ist,  als  eine  Anstalt  zur  Reinigung  des  niensch- 
liehen  Keimplasmas  von  gemeinschädlichen  Anlagen.  Da 
bei  der  jetzigen  Jurisprudenz  der  genannte  Gesichtspunkt 


556 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  50 


gänzlich  zurücktritt,  so  wird  es  uns  nicht  Wunder  nehmen, 
wenn  die  Justiz  ihre  Aufgabe  nicht  in  vollkommenerer 
Weise  erfüllt,  als  dies  die  natürliche  Auslese  im  all- 
gemeinen thut.  Es  ist  leicht  einzusehen,  dass  der  Grund- 
satz, die  Vorstrafen  eines  Individuums  in  Anschlag  zu 
bringen,  ein  vollkommen  richtiger  ist,  dass  er  aber  noch 
viel  weiter  ausgedehnt  werden  sollte,  indem  man  den 
Werth  der  ganzen  Persönlichkeit  für  die  menschliche 
Gesellschaft  in  Rechnung  zieht.  In  diesem  Sinne  würde 
nach  dem  Gesetze  der  Natur  nicht  bloss  die  bisherige  Uu- 
bescholtenheit  eines  Missethäters  zu  berücksichtigen  sein, 
sondern  es  müssten  zu  seinen  Gunsten  auch  die  guten 
Thateu,  durch  die  er  der  Menschheit  genützt  hat,  in  die 
Wagschale  geworfen  werden.  Trotz  aller  Schlagworte 
von  der  Gleichheit  Aller  vor  dem  Gesetz  hat  der  gesunde 
Instinct  nie  ganz  aufgehört,  nach  diesem  Gesichtspunkte 
zu  urtheilen,  und  in  dem  Augenblicke,  da  ich  dies  schreibe, 
sehe  ich  in  einem  grossen  Nachbarlande  die  öffentliche 
Meinung  ebenso  wie  die  Justiz  in  Verwirrung  versetzt 
durch  die  seltsame  Aufgabe,  den  gefeierten  Schöpfer 
eines  der  modernen  Weltwunder  am  Abend  seines  Lebens 
wie  einen  gemeinen  Schurken  zu  liehandeln,  ohne  auf 
seine  Verdienste  und  seinen  Ruhm  Rücksicht  zu  nehmen. 
Hier  ist  der  wissenschaftlichen  Forschung  noch  ein  weites 
Feld  eröffnet. 

Die  Forschung  wird  aber  auch  über  unsern  eigenen 
Welttheil  und  über  die  Gegenwart  hinausschaucn  müssen, 
um  sich  der  Schranken  von  Grt  und  Zeit  zu  entledigen. 
Suchte  sich  in  einer  entfernteren  Vergangenheit  unser  Be- 
völkerungs-Ueberschuss  Unterkunft  in  Euroi)a  selbst,  nn- 
aufhörliciie  Wanderzüge  und  Kriege  hervorrufend,  so  sehen 
wir  seit  400  Jahren  einen  machtvollen  AVanderstrom  nach 
dem  neuentdeckten  Amerika  gerichtet.  Dass  der  farbige 
Eingeborene  vor  dem  Athem  des  weissen  Mannes  dahin- 
schmilzt,  wie  der  Alpenschnee  vor  dem  Föhnsturm,  ist 
hierbei  nicht  die  einzige  Auslese-Erscheinung.  Die  Zu- 
sammensetzung des  Wanderstromes  selbst  versinnlicbt  eine 
natürliche  Auslese,  deren  wirkende  Kräfte  zu  verschiedenen 
Zeiten  sehr  ungleiche  Ergebnisse  geliefert  haben.  Waren 
es  ursprünglich  vorzugsweise  abenteuernde  Gesellen,  welche 
der  Dui-st  nach  Gold  oder  der  Hang  zu  einem  ungebun- 
denen Leben  über  den  Ocean  trieb,  so  folgte  darauf  eine 
Periode,  in  welcher  brave  Ackerbauer  und  Handwerker 
des  gleichen  Weges  zogen,  um  ihre  Arbeitskraft  und  ihre 

als  dies 
Die    faulen. 


Intelligenz  in  lohnenderer  Weise   zu  verwerthen 


mi 


alten  Vaterlande    damals    möglieh  war. 


wie  auch  die  unbegabten  Elemente  blieben  zurück,  und 
diese  Auslese  hat  ebensosehr  zum  Vortheil  Amerikas  als 
zum  Nachtheil  Europas  ausschlagen  müssen.  Bildeten 
doch  schon  die  hohen  Reisekosten  und  die  Gefahren  einer 
Seefahrt  in  früherer  Zeit  eine  Schranke,  welche  den 
Mittellosen  und  den  Muthloseu  von  der  Auswanderung 
abhielten.  Dann  folgten  Perioden  nnt  sehr  verschieden- 
artiger Beschaffenheit  des  Auswandererstromes.  In  einer 
gewissen  Zeit  waren  es  die  politisch  comproniittirten 
Persönlichkeiten  und  viele  andere  hochstrebende  Geister, 
welche,  an  der  Besserung  der  öft'entlichen  Zustände  der 
alten  Welt  verzweifelnd,    sich  jenseits    des  Oceans    eine 


neue  Heimath  suchten;  dieser  Wanderstrom  hat  Europa 
eine  Menge  unruhiger,  dabei  meist  über  Mittel  begabter 
Köpfe  entzogen  und  der  Union  ein  vorzügliches,  idealistisch 
angelegtes  Bevölkerungsclement  zugeführt.  Es  folgten 
Zeiten,  in  denen  Europa  arme,  verkommene  Leute,  ja,  oft 
geradezu  die  Bewohner  der  Strafanstalten,  auf  öffentliche 
Kosten  nach  Amerika  schickte,  um  sich  ihrer  ein-  für  alle- 
mal zu  entledigen;  dieser  Wanderzug  war  für  das  neue 
Vaterland  weniger  vortheilhaft  als  für  das  alte,  aber 
seine  Nachtheile  für  letzteres  wurden  durch  eine  neue 
Auslese  abgeschwächt,  da  man  in  Amerika  faule  oder 
sonst  unnütze  Leute  ohne  Mitleid  zu  Grunde  gehen  Hess. 
Seitdem  sich  die  öffentlichen  Zustände  in  Deutschland  er- 
heblich verbessert  haben,  und  das  Emporblühen  der  In- 
dustrie einem  grossen  Theile  des  ländlichen  Bevölkerungs- 
tiberschusses Verdienst  gewährt,  tritt  bei  uns  das  ungeheure 
Anwachsen  der  grösseren  Städte  in  die  Erscheinung,  und 
der  Auswandererstrom  hat  wiederum  seine  Beschaffenheit 
gewechselt:  er  wird  jetzt  hauptsächlich  aus  den  Latifun- 
diengegenden des  Nordostens  von  Deutschland  genährt. 
In  den  letzten  Jahren  wurde  in  Amerika  über  die  gering- 
werthige  Art  des  Zuzuges  aus  Russland  sehr  geklagt, 
und  es  war  sogar  die  Rede  davon,  dass  man  die  Ein- 
wanderung auf  eine  bestimmte  Zeit  gänzlich  verbieten 
solle.  Die  Wirkung  aller  dieser  Wandlungen  auf  den 
Verlauf  der  natürlichen  Auslese  diesseits  und  jenseits  des 
Wassers  erfordert  ein  eingehendes  Studium. 

Von  der  Gegenwart  rückwärts  schauend,  wäre  der 
geschichtliche  und  vorgeschichtliche  Verlauf  des  Kampfes 
ums  Dasein  zu  untersuchen,  mit  andern  Worten,  die  ganze 
Entwickeluug  der  Menschheit  nach  der  jederzeitigcu 
Richtung  der  natürlichen  Auslese  zur  Darstellung  zu 
bringen.  Man  würde  Aufschlüsse  darüber  zu  erforschen 
haben,  durch  welche  Einwirkungen  die  Menschheit  ihre 
jeweilige  Beschaffenheit  erlangt,  je  nach  Umständen  geän- 
dert oder  festgehalten  hat,  und  dabei  würde  insbesondere 
der  Vorgeschichte  die  grösste  Aufmerksamkeit  zuzuwenden 
sein.  In  meinem  Buche  wurden  beispielsweise  die  see- 
lischen Ausrüstungen  der  alten  Germanen  und  des  aus 
Asien  eingewanderten  rundköpfigen  Volkes  als  Thatsachen 
eingeführt,  mit  denen  mau  zu  rechneu  habe.  Die  Wiss- 
begierde wird  jedoch  vor  diesen  Thatsachen  nicht  Halt 
machen,  sondern  sie  wird  fragen:  wie  und  wodurch  sind 
gerade  diese  seelischen  Anlagen  herausgebildet  worden? 
Und  vielleicht  kann  es  gelingen,  aus  der  fortgeschrittenen 
Kenntniss  der  äusseren  Verhältnisse  ein  Bild  der  Lebens- 
bedingungen des  vorgeschichtlichen  Menschen  zu  entwerfen 
und  richtige  Schlüsse  auf  Ursache  und  Verlauf  der  Ent- 
wickelung  zu  ziehen.  Ja,  es  ist  nicht  au.sgeschlossen, 
dass  die  vielgestaltigen  und  auf  den  ersten  Blick  ver- 
worren aussehenden  Verzweigungen  der  seelischen  An- 
lagen der  verschiedenen  Menschenrassen  durch  Berück- 
sichtigung der  äusseren  Lebensbedingungen  erklärt  werden 
können;  noch  mehr,  dass  man,  auf  die  Stamniesvorfahrcn 
des  Menschen  zurückgehend,  dahin  gelangen  wird,  alle 
einzelnen  seelischen  Anlagen  auf  eine  gemeinsame  AVurzel 
zurückzuführen,  aus  der  sie  durch  Differenzirung  ent- 
standen sind.  X. 


65.  Versammlung  der  Gesellschaft  deutscher  Naturforscher  und  Aerzte  in  Nürnberg 


11.  bis  15.  Septem)).'!-  1893. 


Siegmund  Günther:  Paläontologie  und  physi- 
scheGeographie  in  ihrer  geschichtliche  nWechsel- 
beziehung.  —  Damit  derjenige  fundamentale  Zweig  der 
physischen  Erdkunde,  welchen  wir  als  Morphologie  der 
Erdoberfläche  kennen,    von  den   Fortschritten  der  Petre- 


factenkunde  Vortheil  ziehen  konnte,  mussten  erst  zwei 
Vorfragen  ihre  Erledigung  gefunden  haben:  Sind  die  so- 
genannten Fossilien  wirklich  dieUeberreste  ehemals  lebender 
Wesen,  und  lässt  sich  aus  der  Beschaffenheit  derjenigen 
Thiere  und  Pflanzen,  welche  man  im  Gesteine  angetroffen 
hat,  ein  Schluss  auf  das  relative  Alter  der  Felsmassc,  auf 


Nr.  50. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


."157 


die  Zeit  machen,  um  welche  dieselbe  aus  dem  alles  iiber- 
fluthendcu  Wasser  sich  abzuscheiden,  fcstzuwerden  be- 
gann? Es  hat  Jahrhunderte  gedauert,  bis  man  in  der 
Beantwortung  dieser  Fragen  zu  der  klaren  Antwort  ge- 
langte, welche  für  die  dynamische  Geologie  unerlässlich 
war,  und  der  Entwickeluugsprocess  war  nichts  weniger 
als  ein  gleichmässiger,  stetiger,  vielmehr  drängt  sich  uns 
nur  allzu  oft  die  den  Historiker  der  Wissenschaft  nicht 
befremdende  Wahrnehmung  auf,  dass  eine  gesunde  An- 
sieht, statt  sofort  Boden  und  weitere  Verbreitung  zu  ge- 
winnen, vomünkraute  der  sonderbarsten  Ideenverbindungen 
voUkonnnen  überwuchert  und  anscheinend  wieder  ganz 
vom  Sciiauplatze  verdrängt  wurde,  bis  dann  endlich  doch 
die  Wahrheit  über  den  Irrthum  einen  vollständigen  Sieg 
davontrug.  Unsere  Darlegung  wird  uns  manchen  inter- 
essanten Beleg  für  die  Richtigkeit  der  soeben  aufgestellten 
Behauptung  liefern:  glänzende  Geistesblitze,  divinatorische 
Vorahnungen  von  Errungenschaften  künftiger  Zeiten,  und 
daneben  wieder  auffällige  Rückfälle  in  einen  Gedanken- 
kreis, den  man  von  den  Männern,  mit  welclien  man  es 
zu  tliun  hat,  nach  ihrem  sonstigen  Verhalten  längst  tiber- 
wunden erachten  sollte.  AI)er  gerade  dieses  Ringen  um 
die  Erkenntniss  bietet  demjenigen,  der  geschichtlich  zu 
denken  gelernt  hat  und  nicht  vergisst,  dass  unsere  moderne 
Wissenschaft  nicht  wie  eine  Athene  aus  dem  Kopfe  des 
Zeus  hervorgehen  konnte,  den  grössten  Reiz,  und  so  möge 
es  um  so  eher  gestattet  sein,  einen  Ueberblick  über  den 
merkwürdigen  Werdeprocess  zu  geben,  als  es  uns  leider 
an  einer  systematischen  Darstellung  der  Geschichte  der 
Geologie  vorläufig  noch  gebricht.  Es  wird  dabei  möglich 
sein,  auch  über  einzelne  Persönlicldvciten  und  Leistungen 
Licht  zu  ^•erbreiten,  deren  Verdienst,  soweit  es  liier  in 
Betracht  konnnt,  entweder  noch  gar  keine  oder  doch  nicht 
die  richtige  Würdigung  erfahren  hat,  und  es  wird  dies 
auf  einem  deutschen  Naturforschertage  schon  deshalb  am 
Platze  sein,  als  es  sich  hier,  insoweit  neue  Perspectiven 
eröffnet  werden  können,  durchweg  um  Männer  unseres 
Volkes  bandelt,  von  denen  noch  dazu  der  eine,  ein  Nürn- 
berger von  hohem  wissenschaftlichen  Range,  an  einem 
Tage,  wie  dem  iieutigen,  unsere  Aufmerksamkeit  auf  sich 
zu  ziehen,  ein  besonderes  Recht  hat. 

Es  kann  Wunder  nehmen,  dass  das  angeblich  so 
wenig  naturwissenschaftlich  veranlagte  griechische  Alter- 
tlnim  in  diesen  Dingen  sich  ganz  auf  dem  richtigen  Wege 
befand,  und  dass,  wenn  nicht  im  Slittelalter  die  bekannte 
Reaction  gegen  die  Wissenschaft  der  Antike  Platz  gegriffen 
hätte,  durch  einfache  Weiterbildung  des  Vorgefundenen 
eine  richtige  Einsicht  in  den  Sachverhalt  erlangt  werden 
konnte.  Der  Lyder  Xanthus,  ein  älterer  Zeitgenosse 
des  grossen  Reisenden  Herodot,  hatte  sich,  wie  unlängst 
mit  Recht  hervorgehoben  ward,  eine  Art  abgeschlossenen 
Systems  piiysikalisch  geographischer  Natur  geschaffen, 
indem  er  den  Satz  aufstellte,  dass  das  feste  und  flüssige 
Element  auf  der  Erde,  weit  davon  entfernt,  an  stabile 
Grenzen  gebunden  zu  sein,  vielmehr  ununterbrochen,  wenn 
auch  langsam,  ihre  Plätze  mit  einander  vertauschten  — 
ein  Gedanke,  welchen  nachmals  der  grosse  Geograph 
S trabe  in  mustergiltiger  Weise  für  die  Ei'klärung  einer 
Fülle  von  geophysikalischen  Erscheinungen  verwerthete. 
Die  zahlreiclicn  Sehalthierüberbleibsel,  welche  er  in  den 
Gebirgen  seiner  Heimath  antraf,  reichten  für  ihn,  der  die 
Verhältnisse  unbefangen  so  nahm,  wie  er  sie  fand,  aus, 
um  seine  Anschauung  gerechtfertigt  zu  finden.  Auch 
Herodot  selbst  und  der  gelehrte  Alexandriner  Erato- 
sthenes  theiltcn  diese  Auffassung,  welche  unter  den  ge- 
bildeten Männern  des  Alterthums  jedenfalls  die  herrschende 
war,  wie  u.  a.  eine  Stelle  in  Ovid's  „Metamorphosen" 
deutlicli  genug  beweist.  Dass  überhaupt  Interesse  für 
dasjenige  herrschte,  was  man  dem  Boden  entnahm,  dar- 


über vergewissert  uns  eine  Nachricht  des  Suetonius  von 
den  Samndungen  des  Kaisers  Au gustus,  und  wenn  auch 
den  Forschungen  Reinach's  zufolge  von  keinem  paläon- 
tologischen Museum  die  Rede  sein  kann,  so  darf  man 
doch  wohl  annehmen,  dass  sich  unter  den  Raritäten  des 
Kaisers  auch  tertiäre  und  diluviale  Thierknochen  befunden 
haben  mögen. 

Während  des  Mittelalters  herrschten,  wie  schon  er- 
wähnt, abergläubige  Vorstellungen;  auf  eine  Einwirkung 
der  Gestirne  wollte  man  die  Versteinerungen  zurückführen, 
und  wenn  selbst  der  wohlunterrichtete  Ristoro  d'Arezzo 
die  Wasserbedeckung  oder  Wasserentblössung  einer  Erd- 
gegend davon  abhängig  sein  Hess,  dass  diese  Gegend 
einer  sternärmeren  oder  sternreicheren  Partie  des  Himmels- 
gewölbes gegenüberstehe,  so  darf  man  auch  in  der  Aus- 
brütung von  figurirten  Steinen  durch  die  Sternenwärme 
kaum  etwas  absonderliches  finden.  Ganz  entschieden 
machte,  als  der  erste,  Front  gegen  dieses  Phantasiespiel 
der  geniale,  in  allen  Sätteln  gleich  gerechte  Künstler, 
Ingenieur  und  Naturforscher  Lionardo  da  Vinci,  der 
sich  eingehend  ndt  fossilen  Fischen  und  Muscheln  befasstc, 
auf  die  ungeheure  Anzahl  der  versteinerten  Arten  hinwies 
und  die  Bildung  der  Abdrücke  in  feuchtem,  nach  und 
nach  erhärtendem  Schlamme  vortrefflich  erläuterte,  ja 
sogar  die  Blatt-  und  Algenabdrücke  richtig  identifieirte, 
welche  er  noch  in  sehr  bedeutenden  ^leereshöhen  antraf. 
Die  verschiedenen  Möglichkeiten,  wie  Versteinerungen  sich 
bilden  können,  hatte  er  klar  übersehen  und  sogar  die 
anatomischen  Verhältnisse  einzelner  fossiler  Formen  ent- 
sprechend gedeutet.  Sehr  überzeugend  war  sein  Einwurf: 
wenn  wirklich  astrale  Kräfte  im  Spiele  wären,  wie  lasse 
es  sieh  dann  begreifen,  dass  petrificirte  Gebilde,  die  hin- 
sichtlich ihrer  Lage  völlig  mit  einander  übereinstimmten, 
gleichwohl  so  beträchtliche  Verschiedenheiten  aufwiesen? 
Schade  nur,  dass  Lionardo 's  Speculationen  in  seinen 
schwer  lesbaren  Tagebüchern  begraben  blieben  und  so 
nicht  den  Nutzen  stiften  konnten,  der  nicht  hätte  aus- 
bleiben können,  wenn  sie  schon  vor  vierhundert  Jahren 
mit  der  Druckerpresse  liekanntschaft  gemacht  hätten. 

Auch  Fracastoro,  ein  Zeitgenosse  des  grossen 
Malers,  kam  von  sich  aus  zur  richtigen  Interpretation  der 
Petrefacten,  nicht  minder  bei  allen  Exceutricitäten,  die 
ihn  sonst  kennzeichnen,  der  Polyhistor  Cardano,  und  von 
anderweiten  Vertretern  der  Naturkunde  im  16.  Jahrhundert, 
welche  auf  den  gleichen  Boden  traten,  sind  namentlich 
Gessner  und  Kentman  zu  nennen.  Allein  es  stand  eben 
noch  Meinung  gegen  Meinung,  und  selbst  Stimmen  von 
Gewicht  Hessen  sieh  in  entgegengesetztem  Sinne  verneh- 
men. So  betrachtete  noch  ein  Agricola,  den  man  nicht 
ohne  Grund  unter  den  Begründern  der  neueren  Minera- 
logie und  Bergwerkskunde  mit  Ehren  nennt,  eine  gewisse 
durch  die  oberen  Erdschichten  vertheilte  ..Materia  pinguis" 
als  die  Erzeugerin  der  Fossilien,  und  Fallopio  sah  in 
ihnen  das  Ergebniss  tumultuarischer  Erdexhalationen. 
Gerade  die  Männer  von  der  Feder  gefielen  sich  in  diesen 
sonderbaren  Hypothesen,  während  einfachere  Gemüther 
von  unverdorbener  Denkkraft  sich  von  sidchem  Nebel  nicht 
umfangen  Hessen;  dachte  doch  noch  ein  Linne  an  Ge- 
schlechter im  Mineralreiche !  So  erseheint  als  ein  überaus 
beachtenswerthes  Beispiel  objeetiver  Betrachtung  der  Dinge 
der  berühmte  Keramiker  Palissy,  der  in  seiner  1536  zu 
Paris  erschienenen  Schrift  „Ueber  die  Kunst,  reich  zu 
werden",  das  Wesen  der  Versteinerung  von  Muscheln  so- 
wohl wie  von  Hölzern  mit  ganz  unzweideutigen  Worten 
auseinandersetzt  und  späterhin  seine  Erörterungen  auch 
auf  Fische  ausdehnt  und  dabei  bemerkt,  dass  manche 
dieser  versteinerten  Seethierc  lebenden  Exemplaren,  wie 
sie  das  der  Stadt  Saint<mge  benachbarte  Meer  in  Menge 
enthalte,    ganz  vollkonnnen  glichen.     Die  naive  Sprache 


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Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  50 


Palissy's  verleiht  seinen  Ausführungen  einen  besonde- 
ren Reiz. 

Im  Verlaufe  eines  ganzen  Jahrhunderts  hat  die  Wissen- 
schaft auf  diesem  Gebiete  keinen  nui-  irgend  nennens- 
werthen  Fortschritt  zu  verzeichnen  gehabt;  erst  im  Jahre 
1669  giebt  Lhwyd's  „Lithophylacii  Britannici  Icouo- 
graphia"  ((Oxford  1669)  der  Betrachtung  dieser  Fragen 
erneuten  Anstoss,  und  im  gleiclien  Jahre  tritt  Steno  mit 
seiner  tief  durchdachten  Lehre  von  der  Schichtenbildung 
hervor,  deren  Wesen  bis  zum  heutigen  Tage  für  die  Physik 
der  Erde  maassgebend  geblieben  ist.  Dachte  derselbe 
allerdings  auch  noch  nicht  daran,  mittelst  der  thierischen 
und  pflanzlichen  Einschlüsse  die  stratigraphischeu  Alters- 
verhältnisse festzustellen,  so  war  doch  die  Annahme,  dass 
jedes  solche  Fossil  an  dem  Orte,  an  dem  man  es  betriftt, 
dereinst  einmal  im  lebenden  Zustande  sich  befunden  haben 
müsse,  nur  eine  ganz  einfache  Consequenz  der  geologischen 
Theorie. 

Ziemlich  um  dieselbe  Zeit  erweiterte  sich  das  paläon- 
tologische Wissen  abermals  durch  Scilla's  Nachweis,  dass, 
wie  die  Fische,  so  auch  die  Korallen  ihre  Vorläufer  in 
vergangenen  Perioden  der  Erdgeschichte  gehabt  hätten, 
aber  auch  der  Irrthum  forderte  gerade  damals  sehr  ge- 
bieterisch seine  Rechte,  und  die  entschiedene  Verwahrung, 
welche  ein  Leibniz  in  der  „Protogäa"  von  1680  gegen 
die  Anzweifler  der  organisclien  Natur  der  Petrefacten 
einlegte,  hatte  nichts  weniger  als  einen  durchgreifenden  Er- 
folg. War  doch  sogar  der  tüchtige  Lister,  dem  man 
den  ersten  Versuch  einer  geologischen  Karte,  und  zwar 
von  England,  verdankt,  noch  nicht  ganz  im  Klaren  dar- 
über, ob  auch  nur  die  Muscheln  der  Urzeit  die  Stamm- 
arten der  heutigen  Bivalven  oder  ob  sie  nicht  direct  aus 
der  Erde  hervorgegangen  seien,  wie  denn  Ploth  (1677) 
noch  immer  von  einer  .,Plastic  Virtue  in  the  Earth" 
fabuliren  konnte.  Und  gerade  damals,  ja  strenge  ge- 
nommen schon  etwas  früher,  hatte  ein  anderer  Brite  ein 
Princip  mit  wenigen  Worten  ausgesprochen,  an  dem  die 
Nachwelt  nichts  zu  ändern  fand,  welches  alle  die  grossen 
Dienste  in  sich  schloss,  die  der  Geophysik  von  der  Ver- 
steinerungskunde geleistet  worden  sind. 

Dies  war  der  grosse  Experimentator  Hooke ,  der  Rival 
Newton 's,  durch  dessen  überstrahlenden  Namen  .seine 
Verdienste  mehr  in  den  Schatten  gestellt  wurden,  als  dies 
eine  unparteiische  Geschichtsforschung  anerkennen  darf. 
Ganz  nebenbei  begegnen  wir  in  seiner  Abhandlung  über 
Erdl)eben  der  Aeusserung,  dass  durch  die  Fossilien  eine 
Chronologie  der  Erdablagerungen  ermöglicht  sei;  man 
könne  sich  denken,  dass  ebenso,  wie  Münzen  mit  dem 
Bildnisse  eines  Regenten  eben  dadurch  die  Epoche  ihrer 
Prägung  genau  zu  bestimmen  gestatteten,  durch  den  Ver- 
gleich zweier  in  den  Schichten  A  und  B  entdeckter  Ver- 
steinerungen die  Frage,  ob  A  oder  B  früher  abgesetzt 
worden  sei,  der  Entscheidung  zugeführt  werden  könne. 
„Some  species  are  peculiar  to  certain  places."  Man  kann 
es  nur  beklagen,  dass  dieser  Grundsatz  nicht  weiter 
beachtet  wurde  und  später  wieder  ganz  von  Neuem  auf- 
gefunden werden  musste.  Dabei  ist  jedoch  nicht  ausser 
Acht  zu  lassen,  dass  Hooke  den  Versteinernngsprocess 
selber  nicht  ganz  richtig  anffasste,  sondern  an  eine  be- 
sondere, durch  geheinmissvolle  Kräfte  bedingte  Ueber- 
führung  der  organischen  in  anorganische  Körper  dachte, 
wobei  er  sich  mit  der  oben  erwähnten  Irrlehre  von  Ploth 
zusammenfand. 

Noch  immer  waren  eben  die  speeifisch-naturhistorischen 
Kenntnisse  nicht  ausgebildet  genug,  um  unter  dem  rein 
anatomischen  Gesichtspunkte  jedesmal  Familie  und  Gattung 
eines  neu  ermittelten  Naturobjectes  zu  tixiren,  insbesondere 
wenn  es  sich  nur  um  schleclit  erhaltene  Fundstücke  oder 
um  zerstreute  Körpertheile  höherer  Thiere  handelte.  Einige 


sehr  charakteristische  Fälle  dieser  Art  mögen  hier  im  Zu- 
sammenhange besprochen  werden.  Als  1695  bei  Gotha 
die  Knochen  eines  vorweltlichen  Elcphanten  ausgegraben 
wurden,  plädirte  das  ganze  Medicinalcollegium  genannter 
Stadt  für  eine  „vis  formativa  seu  plastica",  welche  jene 
hervorgebracht  habe,  und  es  bedurfte  einer  dem  Gegen- 
stande gewidmeten  Monographie  des  klarer  blickenden 
Tenzel  (Ossium  fossilium  docimacia,  Frankfurt  a.  M.  1704), 
um  dem  wirklichen  Sachverhalte  zu  seinem  Rechte  zu  ver- 
helfen. Ueberaus  belehrend  ist  in  gleicher  Hinsicht  auch 
der  „Oedipus  osteolithologicus",  den  ein  geachteter  Ge- 
lehrter Schaft'hausens,  David  Spleiss,  herausgab.  Auf 
dem  später  als  classisch  erfundenen  Boden  Cannstadts 
hatte  man  damals  schon  die  Knochen  grosser  Thiere  ge- 
funden, über  deren  Herkunft  hin  und  her  gerathen  wurde. 
Spleiss  erkannte,  dass  die  Provenienz  von  Säugethieren, 
wie  sie  in  der  Gegenwart  nicht  mehr  vorhanden  sind, 
ausser  allem  Zweifel  sei,  andererseits  aber  legte  er  auch 
Gewicht  darauf,  dass  es  eben  echte  Thierknochen  in 
„petrificirtem"  Zustande  und  keine  Versteinerungen  seien. 
I^ür  uns  scheinen  diese  Worte  einen  offenkundigen  Zwie- 
spalt in  sich  zu  schliessen,  aber  in  Wahrheit  kann  den 
Autor  dieser  Vorwurf  nicht  treffen:  eine  „Versteinerung" 
war  etwas  für  sich  bestehendes,  ein  „Spiel  der  Natur", 
und  hatte  mit  den  Organismen  der  Gegenwart  niu-  eine 
äussere  Aehnlichkeit,  wogegen  die  Cannstadtcr  Thier- 
knochen von  wirklichen  Vierfüsslern  abstammten  und  nur 
in  einen  etwas  anderen  Zustand  übergegangen  waren. 
Am  plausibelsten  sei  es  noch,  meint  Spleiss,  an  die 
Ueberreste  von  Opferthieren  aus  germanisch  ■  römischer 
Zeit  zu  denken! 

Auch  bedeutendere  Männer  wurden  irre  an  ihren 
wohl  erworbenen  Ueberzeugungen ,  wenn  ihnen  fossile 
Thiere  unter  die  Augen  kamen,  für  welche  in  der  modernen 
Schöpfung  Analoga  auszumitteln  schwer  oder  jiositiv  un- 
möglich war.  Während  der  Züricher  Naturforscher 
Scheuchzer  die  fossilen  Fische  durchaus  zutreffend  be- 
stimmte und  auch  bei  seiner  Verwechselung  eines  Sala- 
manders mit  einem  Menschenskelett  nur  in  sehr  verzeih- 
licher Weise  irrte,  stutzte  er  zuerst  vor  den  Anmioniten, 
und  wir  haben  keine  Ursache,  deshalb  mit  ihm  zu  rechten, 
wenn  wir  uns  vergegenwärtigen,  dass  ein  Leopold  von 
Buch  noch  hundert  Jahre  später,  in  der  schönen  akademi- 
schen Rede,  welche  er  1806  zu  Berlin  „Ueber  das  Fort- 
schreiten der  Bildungen  in  der  Natur"  hielt,  das  Einreihen 
der  Anmioniten  in  das  zoologische  System  für  eine 
schwierige  Sache  erklärte!  Wie  sollte  der  Binnenländer 
am  Gehäuse  die  Natur  von  Kephalopoden  erkennen,  von 
denen  er  nicht  einmal  die  annoch  vorhandenen  Formen 
im  Originale  kannte?  So  blieb  denn  Scheuchzer  dabei, 
an  einen  „lusus  naturae"  oder  auch  an  die  AusbrUtung 
von  Keimen  durch  die  Erdwärme  zu  glauben.  Und  wie 
man  damals  im  ersten  Freudenrausche  über  die  grossen 
Erfindungen  von  Newton  und  Leibniz  der  Mathematik 
auch  das  Unmögliche  zutrauen  zu  dürfen  vermeinte,  so 
dachte  der  Altdorfer  Professor  Sturm,  damals  ohne  Zweifel 
der  bedeutendste  Vertreter  exacter  Wissenschaften  auf 
deutschen  Universitäten,  sogar  daran,  die  Entstehung  der 
Ammonitengehäuse  aus  nassem  Schlamm  an  der  Hand  der 
cartesianischen  Wirbel  zu  demonstriren.  Wieder  war  es 
ein  Nürnberger,  der  durch  seine  „Oryctographia  Norica" 
zu  verdientem  Ansehen  gelangte  Medieiner  und  Natur- 
historiker Baier  (sen.),  der  die  thierische  Wesenheit  der 
ihm  aus  dem  Fränkischen  Jura  in  tausenderlei  Arten  und 
Spielarten  bekannten  Gewinde  verfocht,  wie  er  anderer- 
seits eine  solche  Beschaffenheit  für  gewisse  paläontologische 
Gebilde,  die  Dendriten  und  Geoden,  in  Abrede  stellte. 
Nur  den  Belemniten  gegenüber  musste  auch  er  die  Segel 
streichen;   sie  waren  und  blieben  ihm  ein  Naturspiel  und 


Nr.  no. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


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ein  Räthsel,  wie  sie  es  bisher  schon  den  schwcizeri.sclien 
Alpenforschern,  einem  Scheuchzer,  Cajjpeller  u.  s.  \v., 
gewesen  waren.  Man  niUsste  sich  eher  vei-wundern,  wenn 
Baier  zu  einer  anderen  Anschauung  gelangt  wäre,  da 
man,  wie  ein  Paläontologe  unserer  Tage,  Koken,  hervor- 
hebt, von  manchen  Kojjffüsslern  der  geologischen  Ver- 
gangenheit sich  gar  nicht  recht  vorzustellen  vermag,  wie 
das  Thier  mit  der  ihm  anhaftenden  grotesken  Röhre  im 
Leben  eigentlich  durchkam.  Trotzdem  jedoch  hat  der 
Scharfsinn  eines  jugendlichen  Forschers  damals  auch  dieses 
Räthsel  bereits  gelöst  oder  doch  seine  künftige  Lösung 
vorbereitet. 

Die  Universitätsl)ibliothek  zu  Erlangen  besitzt  einen 
wahren,  aber  allerdings  noch  wenig  ausgenützten  Schatz 
in  dem  handschriltlichen  Uriginalbricfwcclisel  des  Nürn- 
berger Gehcimraths  Trew  aus  dem  zweiten  und  dritten 
Viertel  des  vorigen  Jahrhunderts,  und  aus  diesem  ist  von 
uns  wieder  die  Correspondenz  zwischen  Trew  imd  dem 
Tübinger  Gmelin  als  sehr  bemerkenswerth  zu  bezeichnen. 
Da  bemerkt  nun  Ersterer  u.  A.,  bereits  im  Jahre  1727 
habe  ein  gewisser  Ehrhart  einen  zwingenden  Grund  da- 
für, dass  man  es  hier  mit  wirklichen  Thieren  zu  thuu 
habe,  aufgefunden.  Er  erhielt  nämlich  aus  der  reichen 
Fundgrube  jurassischer  Versteinerungen  von  Boll  einen 
Belemniten,  bei  dem  die  Miueralisirung  nicht  bis  zur 
Alveolarhöhle  vorgesehritten  war,  und  damit  war  somit 
die  schu'ierige  Frage  in  einer  für  Jedermann  überzeugenden 
Weise  gelöst.  Hält  man  diese  verschiedeneu,  nach  dem 
Wissen  des  Vortragenden  bisher  nirgendwo  von  neueren 
Schriftstellern  angemerkten  Thatsachen  gegen  einander, 
so  darf  man  wohl  die  These  aufstellen :  Die  eine  der  Ein- 
gangs erwähnten  Vorfragen  durfte  um  1730  insofern  als 
gelöst  gelten,  als  in  wissensehaftlicheu  Kreisen  auch  l)e- 
züglich  der  räthselvollsten  Petrefacten,  der  Nautiliden, 
Ammoniten  und  Belemniten,  kein  Zweifel  mehr  darüber 
obwaltete,  dass  man  wirkliche  Angehörige  des  Thierreiches 
vor  sieh  habe.  Dass  mit  dieser  Erkenntniss  Fehler  in 
Einzelbestimmungen  noch  nicht  ausgeschlossen  waren,  ver- 
steht sich  ganz  von  selbst;  ein  vergleichender  Anatom 
von  solchem  Rufe,  wie  er  Camper,  dem  Erfinder  eines 
der  wichtigsten  Hilfsinittel  der  Anthropometrie,  eignete,  hielt 
noch  die  Reptilienüberreste  aus  der  Kreide  von  Maestricht 
für  solche  von  walfischähnlichen  Thieren,  und  Fälle  ähn- 
licher Art  würde  ein  Specialhistoriker  der  Paläontologie 
in  Menge  aufzuzählen  im  Stande  sein.  Ja  noch  bis  in 
unser  Jahrhundert  herein  klingt  der  alte  Irrthum  nach, 
wenn  schon  in  zeitgemässer  Modification.  Der  l)ekannte 
Mineraloge  K.  v.  Raumer,  gewiss  ein  Kenner  seines 
Faches,  aber  von  den  Lehren  der  herrschenden  Natur- 
philosophie allzusehr  durchdrungen,  Hess  1819  eine  Be- 
sehreibung der  schlesisch  -  böhmischen  Grenzgebirge  er- 
scheinen, in  welcher  er  die  überraschende  Ansieht  aufstellte. 
Stein-  und  Braunkohlen  seien  nicht  das,  wofür  sie  damals 
schon  allgemein  gehalten  wurden,  sondern  man  habe  darin 
eine  „Entwickelungsfolge  von  nie  geborenen  Pflanzen- 
erahryonen"  zu  erkennen. 

Auch  für  die  zweite  der  beiden  Fundamentalfragen, 
von  denen  es  abhing,  ob  die  terrestrische  Morphologie  in 
der  Paläontologie  eine  ihrer  fruchtbarsten  Hilfswissen- 
schaften zu  begrüssen  hatte,  ergaben  sich  mehr  und  mehr 
neue  Aufschlüsse.  Woodward' s  Sintfluthypothese,  im 
übrigen  ein  eigenartiges  Gemisch  theologischer  und  natur- 
wissenschaftlicher Gedankengänge,  enthielt  doch  auch  einen 
Grundsatz  von  grosser  Tragweite :  Gesteinslagen,  in  denen 
sich  Fossilien  von  vollkommener  Uebereinstimmung  vor- 
finden, sind  als  gleichzeitig  entstandene  Sedimente  zu  be- 
tracliten.  Nur  in  England,  dem  i)alä()ntologiscli  am  besten 
durchforschten  Lande,  konnte  eine  so  wichtige  wie  ein- 
fache Wahrheit  ans  Licht  treten,    und    nur  England   bot 


auch  dem  auf  diesem  Grunde  weiter  arbeitenden  Forscher 
das  nöthige  Material  zu  seinen  Untersuchungen.  Strachey 
sanmielte  1719  in  verschiedenen  Kohlenminen;  Packe 
bearbeitete  1743  die  Geognosie  von  Ost-Kent;  1766  er- 
schienen die  „Fossilia  Hautonensia"  von  Brander.  Gleich- 
zeitig kamen  verbesserte  Methoden  zur  kartogra])hischen 
Darstellung  geologischer  Thatsachen  in  Aufnahme,  und 
solche  Diagramme  waren  unbedingt  erforderlich,  wenn 
die  paläontolugische  Altersbestimmung  einer  festen  Grund- 
lage theilhaftig  werden  sollte.  In  Frankreich  waren  Fon- 
tenelle,  Reaumnr  und  nachher  vor  allem  der  wackere 
Guettard,  in  England  war  der  schon  genannte  Packe 
für  eine  derartige  übersichtliche  Abbildung  der  Fund- 
stätten thätig.  In  Deutschland  stammen  geologisch-petro- 
graphische  Karten  erst  aus  einer  etwas  späteren  Zeit,  und 
bei  der  relativ  besten  ihrer  Art,  die  man  aus  dem  18.  Jahr- 
hundert besitzt,  bei  derjenigen  von  Flurl,  bildet  die 
Versteinerungskunde  noch  nicht  den  Handweiser,  was  frei- 
lich bei  dem  Mangel  an  Fossilien  im  eigentlichen  Alt- 
bayern nur  natürlich  ist. 

Diejenigen  Geologen,  welche  den  Zusammenhang 
zwischen  der  Lage  einer  Felsschieht  und  den  in  ihr  ent- 
haltenen Einschlüssen  näher  zu  ergründen  suchten,  waren 
namentlich  Vallisnieri  in  Italien,  der  auch  den  Einfluss 
der  Dislocationen  auf  die  Lagerung  zu  berücksichtigen 
lehrte,  Lehmann  in  Deutschland,  den  man  allgemein  als 
den  Bahnbrecher  für  Wem  er 's  Reformen  zu  bezeichnen 
pflegt,  und  Rouelle  in  Frankreich  (1703—1770).  Dem 
letzteren  ist  die  Wissenschaft  für  zwei  hochwichtige  Be- 
reicherungen ihres  Besitzstandes  zu  Dank  verpflichtet;  er 
unterschied  nämlich  eine  „alte,  mittlere  und  neue  Erde", 
indem  er  das  Felsgerüste  der  Erdkruste  durch  zwei  weit- 
verzweigte Parallelflächeu  in  Stockwerke  abschied,  und 
er  bemerkte  zuerst  jene  feineren  Unterschiede  im  Bau 
zeitlich  zusammengehöriger  Versteinerungen,  die  man  später 
mit  dem  Namen  der  Faciesverschiedenheit  zusammen- 
zufassen sieh  gewöhnt  hat.  Jene  Dreitheilung,  für  welche 
Arduino  die  zweekmässigere  Bezeichnung  der  „primären, 
secundären  und  tertiären  Felsen"  in  Vorschlag  gebracht 
hat,  erwiess  sich  bekanuterinaassen  als  äusserst  zählebig, 
sie  ging  über  in  Werner' s  Terminologie,  der  sieh  binnen 
kurzem  kein  Culturland  zu  vcrschliessen  vermochte,  und 
sie  hat  sich,  wiewohl  in  etwas  anderer  Bedeutung,  bis 
auf  die  Gegenwart  erhalten.  Ganz  besonders  einsehneidend 
aber  gestaltete  sieh  der  neue  Faciesbegrifl'  für  gewisse 
Probleme  der  physischen  Geographie.  Konnte  man  bis- 
lang von  einer  nicht  völlig  azoischen  Gesteinsart  nur  eben 
aussagen,  dass  sie  sieh  aus  Wasser  niedergeschlagen  habe, 
so  erött'nete  sicdi  von  jetzt  ab  auch  die  Möglichkeit,  über 
die  Beschaffenheit  des  Wasserbeckens,  zu  dessen  Inhalt 
das  Sediment  in  seinem  aufgelösten  Zu.stande  beigetragen 
hatte,  etwas  näheres  aussagen  zu  können,  ob  sein  Wasser 
salzig,  brackisch  oder  sUs?  war,  ob  man  es  mit  einem 
freien  Meere,  mit  einem  seichten  Busen  oder  mit  einem 
Süsswassersee  zu  thuu  hatte.  Der  in  Rouelle's  Geist 
am  meisten  fortwirkende  Geologe  war  Soldani,  der  u.  a. 
auch  die  merkwürdige  Analogie  zwischen  den  thierischen 
Mittelmeerbcwohnern  von  einst  und  jetzt  aufdeckte;  er 
unterschied  in  dem  berühmt  gewordenen  Grolikalkbecken 
von  Paris,  welches  nicht  viel  später  Cu  vi  er 's  Ruhm  be- 
gründen sollte,  mit  Bestinnntheit  |)elagische  und  lacustre 
Muschelarten  und  deutete  solchergestalt  den  Weg  an, 
dessen  Betretung  zu  klarer  Einsicht  in  die  Schwankungen 
der  Wasserbedeckung  an  einer  liestimmten  Erdstelle  führen 
konnte  und  auch  wirklich  führte.  Von  deutschen  Fach- 
männern, die  beim  Studium  unserer  obigen  zweiten  Vorfrage 
mit  Erftdg  bcthciligt  waren,  führen  wir  noch  FUchsel 
und  Raspe  aus  der  Werners  Auftreten  einleitenden 
Periode  an;    von   Raspe  wurde  (1763)  auch    damit   ein 


560 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  .50 


neuer  anregender  Gedanke  in  die  Discussion  geworfen, 
dass  er  auf  die  Ivlimatische  Verscliiedcnheit  der  Zeiträume 
aufmerksam  machte,  in  welche  die  eine  oder  andere  Ver- 
steinerung zu  verlegen  sei. 

Nicht  namhaft  gemacht  pflegt  in  der  Regel  jener 
Naturforscher  Gmelin  auf  unserem  Arheitsfeldc  7ai  werden, 
der  allerdings  den  Geographen  wohl  hekaiint  ist,  der  aber 
auch  ein  emsiger  und  denkender  Paläontologe  war.  Seineu 
„Nucleus  lithologiae  figuratae"  beherbergt,  wie  so  vieles 
andere,  die  uus  erinnerliche  Trew'sche  Correspondenz, 
und  aus  dieser  Abhandlung  ersehen  wir,  dass  ihr  Ver- 
fasser sein  Cabinet,  zu  welchem  ihn  eben  wesentlich  die 
unerschöpflichen  Trias-  und  Juragebirge  Württembergs 
verholfen  hatten,  für  gründliche  Studien  auszunützen  ver- 
stand. Neben  Gmelin  soll  aber  auch  noch  eines  anderen 
deutschen  Gelehrten  gedacht  werden ,  der  durch  sein 
Mahnwort  vielleicht  nicht  unerheblich  mit  dazu  beigetragen 
hat,  die  Versteinerungskunde  aus  einer  falschen  Bahn 
hinaus-  und  auf  den  richtigen  Pfad  zu  bringen,  welchen 
betretend  sie  allein  die  unentbehrliche  Gehülfin  der  Erd- 
bildungslebre  werden  konnte.  Es  erscheint  als  eine  ein- 
fache Pflicht  der  Gerechtigkeit,  diesen  Namen  einer  un- 
verschuldeten Vergessenheit  zu  entreissen. 

Ignaz  V.  Born,  ein  Deutschbühme,  war  in  allen  auf 
Geologie  bezüglichen  Dingen  wohl  zu  Hause.  Da  be- 
merkte er,  dass  in  den  Reihen  der  Paläontologen  die 
blosse  Sammelliebhaberei  allzusehr  einreisse;  man  legte 
Museen  an  und  stellte,  um  v.  Born 's  eigene  Worte  zu 
gebrauchen,  „ekelhafte  Register  unbestinunter,  verworrener, 
oft  lächerlicher  Benennungen"  zusannnen.  Methodische 
Ergründung  des  Wesens  der  Versteinerungen  fehle  voll- 
ständig, und  dafür  sei  die  unsystematische  Art  und  Weise, 
wie  man  zumeist  gearbeitet  habe,  verantwortheh  zu  machen. 
Aus  solchen  Erwägungen  flössen  v.  Born 's  „Zufällige 
Gedanken  über  die  Anwendung  der  Conchylien-  und  Petrc- 
factenkunde  und  die  physikalische  Erdbeschreibung",  ein 
Aufsatz,  von  dem  nur  zu  bedauern  ist,  dass  er  sich  nicht 
der  aphoristischen  Form  entrungen  und  die  richtigen 
Eiuzelanregungen  zu  einem  systematischen  Ganzen  ver- 
dichtet hat.  In  den  unzähligen  versteinerten  Schalthieren, 
die  man  kennen  gelernt  habe,  sei  Stoff  gegeben  zu  den 
wichtigsten  Schlüssen  über  Veränderungen  auf  der  Erd- 
oberfläche, auf  das  Zurücktreten  und  Vordringen  der  Ge- 
wässer, ja  sogar  auf  klimatische  Schwankungen  der  Vor- 
zeit. Der  Autor  verbreitet  sich  dann  über  die  Mittel,  wie 
eine  solche  Vertiefung  der  Wissenschaft  zu  erreichen  und 
das  relative  Alter  zweier  durch  ihre  Einschlüsse  gekenn- 
zeichneten Gebirge  zu  ermitteln  sei.  Von  Interesse  ist 
auch  V.  Borns  Stellungnahme  gegen  die  damals  grosses 
Ansehen  behauptende  Kataklysmenlehre  Button 's;  allein 
selbst  dieser  das  ruhige  Walten  der  Natur  so  wenig  an- 
erkennende Theoretiker  müsse  einräumen,  dass  sich  die 
allermeisten  Felsbänke  folgeweise  aus  dem  Wasser  nieder- 
geschlagen hätten. 

Gewiss  gebührt  v.  Born  ein  Ehrenplatz  in  der  Reihe 
der  Männer,  welche  die  Epoche  Werner's  vorbereiteten, 
und  in  seiner  scharfen  Betonung  der  Bedeutung  einer 
vorweltlichen  Fauna  ist  er  dem  Freiberger  Oryktognosten 


sogar  überlegen ;  denn  es  muss  daran  festgehalten  werden, 
dass  letzterer  bei  der  Begründung  seiner  Formationen- 
lehre —  und  diesen  Ruhm  wird  ihm  niemand  streitig 
machen  wollen  —  sich  viel  zu  sehr  von  rein  petrographischen 
und  viel  zu  wenig  von  paläontologischen  Gesichtspunkten 
leiten  Hess  und  in  Folge  dessen  sein  System  nicht  zu 
jenem  Grade  der  Vollkommenheit  erhob,  den  er  anderen- 
falls erreicht  haben  würde.  In  seiner  späteren  Zeit  gab 
er  solchen  Ueberlegungen  selbst  mehr  Raum,  und  gewiss 
war  es  seine  Einwirkung,  auf  welche  hin  zwei  seiner  be- 
deutendsten Schüler,  v.  Schlot  heim  und  v.  Buch,  die 
Ausgestaltung  seines  Grundgedankens  durchfidn-ten. 

Des  Erstgenannten  Leistungen  ist  vorzugsweise  die 
Ausbildung  der  Paläophytologie  zu  danken,  während 
V.  Buch  die  organische  Verbindung  der  Stratigraphie  — 
und  damit  indirect  der  ganzen  Morphologie  —  mit  der  Ver- 
steinerungskunde zu  einem  vorläufigen  Abschluss  brachte. 
Gestützt  auf  letztere,  gab  v.  Buch  die  erste  ausreichende 
Definition  der  Karbonformation,  der  „Steinkohlengebirge", 
wie  der  damalige  Ausdruck  war;  sie  lieferte  ihm  die  Mittel, 
aus  den  sehr  unbestimmten  Secundärgebilden  Jura  und 
Kreide  als  selbststäudige  Bestandtheile  al)zugliedern  und 
auch  mit  der  Eintheilung  des  Tertiärs  in  dem  Alter  nach 
verschiedene  Lagen  den  vielversprechenden  Anfang  zu 
machen.  Man  darf  sagen,  dass  die  allgemeinen  Directiven, 
welche  v.  Born  dreissig  Jahre  vor  dem  Beginne  der 
Glanzzeit  des  grössten  deutschen  Geologen  gegeben  hatte, 
von  diesem  —  der  wohl  die  Abhandlung  seines  Vorgängers 
gar  nicht  kannte  —  selbstthätig  aufgenommen  und  in  der 
glücklichsten  Weise  zur  Feststellung  gesicherter,  concreter 
Erfahrungssätze  verwerthet  worden  sind. 

Heute  ist  die  Paläontologie  soweit  ausgebildet,  dass 
sie  in  den  meisten  Fällen  sogar  den  Horizont  anzugeben 
vermag,  wohin  ein  irgendwie  aufgefundener  versteinerter 
Thicr-  und  Pflanzenkörper  gehört,  und  damit  ist  die 
Dynamik  der  Erdkruste  in  den  Stand  gesetzt,  sich  von 
den  oft  so  abenteuerlichen  Dislocationen  und  Schichten- 
störungen causale  Rechenschaft  zu  geben,  mit  denen  uns 
ein  immer  tiefer  eindringendes  Studium  der  Erdgebirge 
bekannt  machte.  Der  Geophysiker  stellt  bloss  die  Frage 
der  Altersfolge,  der  Paläontologe  beantwortet  ihm  die- 
selbe, und  im  Uebrigen  gehen  beide  Disciplinen  ihre  ge- 
sonderten Bahnen.  Damit  es  aber  so  weit  kommen,  damit 
auch  hier  die  Arbeitstheilung  im  ausgedehntesten  Maasse 
Platz  greifen  konnte,  mussten  zuvor  die  erwähnten  Zwischen- 
stadien der  Erkenntniss  durchlaufen  werden.  Ging  die 
Absicht  auf  der  einen  Seite  dahin,  gewisse  Persönlich- 
keiten und  wissenschaftsgeschichtliche  Momente  mehr  in 
den  Vordergrund  zu  rücken,  als  dies  in  der  üblichen  Dar- 
stellung geschieht,  so  sollte  auf  der  anderen  Seite  ein 
noch  höher  stehender  Zweck  erreicht  und  an  einem 
interessanten  Beispiele  dargelegt  werden,  wie  nur  durch 
gegenseitiges  Ineinandergreifen  verschiedener  Wissens- 
abzweigungen die  Erkenntniss  auf  die  zur  Zeit  erreichte 
Höhe  gebracht  werden  konnte,  auf  eine  Höhe,  die  zu  er- 
klimmen es  langer  und  mühsamer,  durch  die  mannig- 
fachsten Zwischenfälle  unterbrochener  und  beeinträchtigter 
Geistesarbeit  bedurfte. 


Wiederkäuende  Menschen  sind  der  Gegenstand  eines 
in  der  Gesellschaft  für  Natur-  und  Heilkuude  zu  Dresden 
gehaltenen  Vortrages  von  R.  Schmalz  (Jahresber.  1893, 
S.  161).  Vom  einfachen  sog.  Aufstossen  sonst  Gesunder 
nach  einer  etwas  schweren  Mahlzeit  bis  zum  echten 
Wiederkäuen,  der  Rumination,  giebt  es  eine  continuirliche 
Reihe  von  Uebergäugen.  Dass  das  Aufstossen  von  Gasen 
einen  ruminirenden  Charakter  annehmen  kann,  hat  Re- 
ferent selbst  an  einem  Kranken  beobachtet.    Das  Wieder- 


heraufkommen von  Speisen  oder  Getränk  aus  dem  Magen 
kommt  schon  seltener  vor,  ist  aber  noch  keine  eigentliche 
Rumination.  Die  regurgitirten  Bissen  haben  meist  ihren 
Geschmack  durch  den  Aufenthalt  im  Magen  noch  nicht 
verloren;  sie  schmecken  gewöhnlich  nicht  einmal  sauer, 
so  dass  sie  ohne  Widerwillen  noch  einmal  gekaut  und 
verschluckt  werden  können.  In  wohl  schon  als  patho- 
logisch zu  bezeichnenden  Fällen  kommen  diese  Regurgi- 
tationen   längere   Zeit    hindurch  nach   jeder  Mahlzeit    in 


Nr.  nO. 


Natnrwissiiischaftliche  Woclieuschrift. 


oGl 


vytlimisclicn  Pansen  vor.  Ganz  iilnilicli  dem  Acte  des 
tiiicrischen  Wiederkauens  wird  die  eii;-entliiiudiclie  Er- 
scheinung aber,  wenn  sie  den  uacli.stehenden  Verlauf 
nimmt.  „Vor  jedem  Aufsteigen  eines  Bissens  Ijeobaclitet 
man  ein  tiefes  Einathnien,  welehem  ein  kurzes  Aniialten 
des  Athcms  folgt;  darauf  tritt  eine  kräftige  Contraction 
der  Bauelmiuskeln  mit  kurzem  Heben  der  Baueliwand  ein, 
und  man  Ijemerkt  gleichzeitig,  während  Kopf  und  Hals 
leicht  gestreckt  werden,  das  Aufwärtssteigeu  des  Bissens 
am  Halse  und  den  Beginn  der  Kaubewegungen.'-  Hier 
bandelt  es  sich  beim  Menschen  offenbar  ebenso  wie  beim 
Tliier  um  einen  wohlcoordinirten  Reflexvorgang.  Wie 
weit  im  Einzelfalle  nervöse  Störungen,  Disposition, 
.Schwäche  der  Magenmuskulatur  u.  dergl.  zum  Zustande- 
kounnen  der  Rumination  mitwirken,  lässt  sich  natürlich 
nicht  allgemein  entscheiden.  Schacfer. 


Einen  Beitrag  zui-  Aiitotomie,  jener  zum  Zweck 
der  Vertheidigung  eintretenden  freiwilligen  Verstümmelung, 
liefert  PaurGaubert  (Bull.  Soc.  zool.  France,  T.  17, 
S.  224).  Nvmphon  gracile,  eine  in  den  Algen  zu 
Concarneau  häutige  Asselspinne  (Pycnogonide),  warf  ihre 
Gliedmaassen  sehr  leicht  ab.  Der  Bruch  geschah  zwischen 
dem  ersten  und  zweiten  Glied.  Es  ist  das  hier  besonders 
merkwürdig,  weil  sich  der  Verdauungscanal  und  die  Ge- 
schlechtsorgane in  die  Beine  hinein  verzweigen.  Wahr- 
scheinlich findet  hier,  wie  bei  dem  Taschenkrebs  und  dem 
Weberknecht,  eine  Reproduction  statt.  Sie  konnte  nicht 
beobachtet  werden,  da  die  Thiere  sich  nicht  lange  am 
Leben  erhalten  Hessen.  Während  beim  Taschenkrebs  und 
bei  Spinnen  schliesslich  alle  Gehfüsse  abgestossen  wurden, 
wurden  von  Nymphou  höchstens  zwei  Beine  abgeworfen. 
C.  M. 

Eine  Mittheilung  über  die  aiigebUche  Nicht-Aus- 
rottung de.s  anierikauischen  Bison  (Bison  ameiicanus), 
des  fälschlicherweise  als  „BütfeP'  bezeichneten  gewaltigen 
Bewohners  der  Prärien  des  fernen  Westens,  bringt  Nr.  51 
des  XXIV.  Bandes  vom  „AVeidniann".  Hiernach  sollen  in 
diesem  Sommer  von  einem  Händler  aus  Edmonton  in 
Nordwest-Canada  10  Köpfe,  von  einem  anderen  2ü  Häute 
von  Bisons  auf  den  Markt  gebracht  worden  sein.  Ferner 
sollen  die  beiden  Händler  ausgesagt  haben,  dass  am 
Sklavensee  und  am  Friedensfluss  ca.  200  Stück  des  so 
seltenen  Wildes  erlegt  wurden.  Möglicherweise  gehörten 
diese  Bisons  zu  einer  bisher  den  Nachstellungen  ent- 
gangenen Heerde  —  so  vermuthet  man  wenigstens,  und  es 
wird  die  Hoffnung  ausgedrückt,  dass  die  Regierung  des 
in  Betracht  kommenden  Gebietes  alsbald  strengste  Ge- 
setze zum  Schutz  der  auf  diese  Weise  vielleicht  noch  vor 
dem  gänzliclien  Untergang  zu  bewahrenden  Thierart  er- 
lassen werde. 

Wir  können  übrigens  nicht  unterlassen  zu  liemerkcii, 
dass  uns  die  obige  Notiz  von  höchst  fragwürdigem  Werthe 
zu  sein  scheint,  da  die  Amerikaner  über  das  Schicksal 
der  Bisons  und  über  die  letzten  Reste  derselben  genaue 
Nachforschungen  angestellt  haben,  und  in  einer  Arbeit 
von  Hornaday  (The  Extermination  of  the  American  Bison. 
Smithsonian  Report  1886/87,  Washington)  der  Nachweis 
geführt  wurde,  dass  das  Aussterben  der  Bisons  nur  eine 
Frage  der  nächsten  Jahrzehnte  sei.  Jedenfalls  bedarf  die 
aus  Edmonton  stannuende  Nachricht  sehr  der  P>estätigung. 
Allerdings  wäre  dieselbe  mit  Freude  zu  begrüssen,  da  es 
jeden  (lenkenden  Alenschen  nur  mit  Bedauern  erfüllen 
kann,  wenn  er  scheu  muss,  wie  eine  interessante  niul 
wichtige  Säugethierspecies    vom   Erdboden    verschwindet. 

Dr.  Ernst  Schall'. 


Ueber  die  A'criiiclituug  der  Feldmäuse  nach  dem 
Loeffler'schen  Verfahren  haben  wir  wiederholt  in  der 
„Naturw.  Wochenschr."  berichtet  (vergl.  Bd.  VII,  S.  396 
und  VIII,  273  und  361).  Privatdocent  Dr.  Eckstein 
äussert  sich  zu  der  Frage  in  der  „Forstlich-naturwissenschaft- 
lichen Zeitschrift"  (1893.  11.  Heft)  wie  folgt:  Der  land- 
wirthsehaftliche  Verein  Bremervörde  hat  in  der  zweiten 
Aprilhälftc  dieses  Jahres  die  Vertilgung  der  wieder  recht 
zahlreich  auftretenden  Feldmäuse  mit  dem  \'erfahren  des 
Prof.  Dr.  Loeft'ler-Greifswald  unter  Leitung  des  Dr.  Abc! 
von  dort  angestellt.  Das  Auslegen  der  durch  Mäusetyphus- 
Bacillen  inficirten  Brotwürfcl  geschah  am  20. — 22.  April. 
Verschiedene  Untersuchungen,  welche  8  —  14  Tage  nach 
Auslegen  der  Brotwürfcl  auf  den  belegten  Aeckeru  an- 
gestellt wurden,  ergaben,  dass,  mit  seltenen  Ausnahmen, 
sämmtliche  Brotwürfel  verzehrt  and  ca.  75 ",,,  der  bis 
dahin  bewohnten  Gänge  nicht  mehr  begangen  wurden, 
aus  welchem  Umstände  mit  Sicherheit  zu  schliessen  war, 
dass  die  darin  befindlichen  Thiere  erepirt  waren.  — 

Etwa  acht  Tage  später  ergab  die  Besichtigung  der 
Felder  wieder  eine  erhebliche  Zunahme  der  Mäuse  —  es 
war  die  junge  Brut  der  nicht  vergifteten  Jläuse  heran- 
gewachsen —  und  neue  Versuche  mit  Saccharin-Strychnin- 
Hafer  der  Firma  A.  Wasmuth  &  Co.  in  Ottensen  wurden 
angestellt.  Schon  am  nächsten  Tage  nach  dem  Legen 
wurde  beim  Nachsuchen  eine  erhebliche  Anzahl  todter 
Mäuse  gefunden  und  dieser  Umstand  regte  zu  weiterem 
Vorgehen  an. 

Die  bei  diesen  Versuchen  erzielten  Resultate  waren 
folgende : 

Das  Loeffler'sche  Verfahren  ist  durchaus  zweckent- 
sprechend, seine  Wirkung  ist  jedoch  von  der  Witterung 
abhängig,  da  nasse  Witterung  i)ckanntermaassen  die  Wir- 
kung desselben  abschwächt.  Das  Auslegen  der  Brotwürfcl 
ist  etwas  unbequem. 

Das  Vergiften  der  Mäuse  durch  Wasmuth's  Saccharin- 
Strychnin-Hafer  ist  gleichfalls  durchaus  wirksam,  die 
wiederholte  Anwendung  desselben  aber  ebenso  nothwendig, 
wie  die  der  Mäusetyphus-Bacillen.  Der  Erfolg  ist  ein 
weit  rascherer,  das  Legen  derselben  in  die  Mauselöcher 
mit  einem  Legeapparat  ein  bequemes,  und  die  Verwen- 
dung dieses  Giftes  hat  durch  die  Art  der  Anwendung 
keine  Naehtheile  für  die  Vogelwelt  zu  Tage  gefördert. 

Somit  steht  fest,  mit  beiden  Mitteln  kann  der  Land- 
mann sich  der  Mäuseplage  erwehren,  wenn  er  sie  zur 
rechten  .Zeit  und  mit  genügender  Ausdauer  anwendet. 
Die  nothwendigen  Kosten  werden  wie  die  aufgewandte 
Mühe  durch  den  nut  Sicherheit  zu  erzielenden  Erfolg 
reichlich  belohnt. 


Der  gegenwärtige  Stand  des  Breiten-Problems  ist 

eine  kleine  Abhandlung  (Transactions  of  the  Wisconsin 
Academy  of  Sciences,  Arts  and  Letters,  Vol.  VIII,  S.  229, 
Madison,  Wisconsin,  1892)  überschrieben,  in  welcher  Pro- 
fessor G.  C.  Comstoek  der  Frage  über  die  Veränderung 
der  Lage  des  Erd-Poles  näher  tritt.  Uralte  Ueberlieferungen 
machen  es  nicht  unwahrscheinlich,  dass  in  entlegenen 
Zeiten  die  Lage  derllimniclsgegendeu  eine  von  der  heutigen 
ganz  verschiedene  war.  So  scheinen  z.  B.  die  alten  ägyp- 
tischen Tempel  nach  den  Hauptpunkten  des  Compasses 
orientirt  zu  sein,  als  dieselben  eine  von  der  heutigen  ganz 
abweichende  Stellung  hatten.  In  neuer  Zeit  ist  denn  auch 
der  Gedanke  ausgesprochen  worden,  ob  mau  nicht  aus 
der  heutigen  Lage  der  ägyptischen  Pyramiden  zu  den 
Hinunelsgegcuden  auf  die  Grösse  der  Positionsveränderung 
des  Poles  und  damit  der  Rotationsaxe  der  Erde  schliessen 
könnte.  Die  Stellung  der  Erdaxe  schien  in  dem  allge- 
meinen Wechsel  der  Naturerscheinungen  eins  der  wenigen 


562 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  ;')() 


feststehenden  Momente  zu  sein;  aber  aucli  diese  geradezu 
als  Glaubenssatz  behandelte  Anschauung-  wurde  völlig  er- 
schüttert und  darf  heute  als  überwunden  betrachtet  werden, 
nachdem  Dr.  Küstner  bei  seineu  ausserordentlich  sorg- 
fältigen Breiteubestimmungeu  behufs  Ermittelung  der  Con- 
stanten der  Aberration  gefunden  hatte,  dass  während  der 
Dauer  seiner  Untersuchungen  sich  die  Breite  des  fest- 
gelegten Ortes  um  V2Secunde  geändert  hatte.  Systematisch 
auf  drei  deutschen  Observatorien  (auf  Veranlassung  der 
internationalen  geodätischen  Association)  durchgeführte 
Messungen,  sowie  weitere  Messungen  in  Amerika  ergaben 
übereinstimmende,  den  Küstner'schen  ähnliche  Resultate. 
Fergola  zeigte  1884  auf  der  Conferenz  der  internationalen 
geodätischen  Association  an  der  Hand  eines  l)edeutenden 
Beobachtungsmaterials,  dass  im  Verlaufe  der  letzten  100 
Jahre  die  Breiten  in  Europa  sich  fortgesetzt  vermindert 
hätten,  und  auf  seine  Veranlassung  hin  unternahm  man 
systematische  Messungen  in  verschiedenen  Ländern,  welche 
jedoch  nicht  recht  von  statten  gingen.  Auf  Wunsch 
mehrerer  mit  der  Glaeialtheorie  beschäftigter  Geologen 
stellte  Professor  Comstock  vor  4  Jahren  eingehende  Unter- 
suchungen über  die  Veränderung  der  Breiten  an,  deren 
Ergebnisse  er  im  Sommer  1892  der  American  Association 
for  the  Advancement  of  Science  vorlegte.  Seine  Resultate, 
betreffend  amerikanische  Stationen,  sind  kurz  die  folgen- 
den: Die  Breite  der  amerikauischen  Beobacbtungspunkte 
vergrössert  sich  von  Jahr  zu  Jahr,  mit  anderen  Worten: 
der  Nordpol  rückt  beständig,  und  zwar  längs  der  West- 
küste Grönlands,  im  Jahre  etwa  4  Fuss  den  amerikani- 
schen Stationen  näher  und  entfernt  sich  in  gleichem  Ver- 
hältnisse von  denen  Europas.  C.  macht  den  Vorschlag, 
so  bald  als  möglich  umfassende,  systematische  Unter- 
suchungen über  diesen  Wechsel  der  Breiten  anzustellen, 
und  zwar  auf  Stationen,  die  in  den  Vereinigten  Staaten 
und  längs  der  Ostküste  Asiens  liegen  müssten.    Hier  würde 


man  die  grössten  Werthe  für  die 


iährliehe  Breitenänderung 


erhalten,  da  die  hier  befindlichen  Observatorien  in  der 
Richtung  der  Wanderbahn  des  Poles  liegen.  Jeder  unter 
anderer  Länge  gelegene  Beobachtungspunkt,  wie  die 
Stationen  Deutschlands  und  auf  den  Hawaiischen  Inseln, 
auf  denen  augenblicklich  hierauf  bezügliche  Messungen 
angestellt  werden,  sei  durch  seine  Lage  weniger  be- 
günstigt und  müsse  daher  nicht  so  in  die  Augen  fallende 
Resultate  ergeben. 

Soweit  die  Ausführungen  Comstock's.  —  Die  hier  kurz 
augedeuteten  Verhältnisse  sind  für  die  Geologie  von  ganz 
gewaltiger  Tragweite.  Ihre  definitive  Bestätigung  würde 
die  Beantwortung  gewisser,  heute  noch  schwebender  Fragen 
auf  eine  bisher  ungeahnte,  von  der  jetzigen  ganz  ab- 
weichende Weise  beschleunigen  und  ganz  neue  Perspectiven 
eröffnen.  Die  geologisch-paläontologische  Forschung  hat 
ergeben,  dass  in  heute  unter  Eis  begrabenen  Ländern, 
z.  B.  Grönland,  Spitzbergen  etc.  etc.,  in  früheren  Erdperioden 
ein  Klima  geherrscht  haben  muss,  welches  als  ein  subtropi- 
sches bezeichnet  werden  kann.  Die  fossilen  Pflanzenreste 
aus  dem  Tertiär,  der  Kreide-  und  der  Steinkohlenformation 
jener  Länder  gehören  an  Ort  und  Stelle  erzeugten  Ge- 
wächsen an,  deren  Verwandte  man  heute  nur  in  tropischen 
und  subtropischen  Gegendeu  findet.  Man  hat  hieraus,  in 
Uebereinstimmung  mit  der  Kant  -  Laplace'schen  Theorie 
über  die  Entstehung  unseres  Planeten,  geschlossen,  dass 
ein  gleichmässig  heisses  Klima  einst  über  die  ganze  Erde 
geherrscht  habe,  welches,  noch  unbeeinflusst  durch  einen 
Wechsel  der  Jahreszeiten,  es  jenen  ent.ichieden  tropischen 
Gewächsen  ermöglichte,  in  den  heute  polaren  Gegenden 
zu  gedeihen.  Diese  Erklärung  wird  durch  die  Eingangs 
behandelten  Untersuchungen  hinfällig.  In  Folge  der  all- 
mählichen Veränderung  der  Lage  unserer  Erdaxe  müssen 
natürlich  auch  die  Klimazonen  wandern   und   heute  unter 


Eis  begrabene  Gebiete  im  Laufe  von  Jahrtausenden  einen 
Wechsel  vom  polaren  zum  subpolaren,  gemässigten,  sub- 
tropischen und  tropischen  und  wieder  zum  polaren  Klima  etc. 
durchmachen.  Viele  bisher  gar  nicht  in  das  Gesanmitbild 
hineinpassende  Erscheinungen,  wie  das  nacligewiesene 
Auftreten  von  Eiszeiten  in  verschiedenen  Formationen, 
z.  B.  der  Steinkohleuformation  etc.,  finden  dadurch  ihre 
Erklärung.  Endlich  sprechen  auch  Befunde  an  fossilen 
Pflanzen  gewisser  Abschnitte  der  Carbonzeit  dafür,  dass 
während  ihres  Bestehens  ein  Klimawechsel,  d.  h.  ein 
periodist'her,  jährlicher  Wechsel  zwischen  einer  günstigen 
und  einer  ungünstigeren  Jahreszeit  bestanden  haben  muss. 


Eiu  neuer  8tern  siebenter  Grösse  wurde  am  26.  Oc- 
tober  von  Mrs.  Fleming  auf  einer  photographiseheu  Stern- 
aufnahme vom  10.  Juli  dieses  Jahres  entdeckt.  Leider 
kann  das  neue  Gestirn  nur  von  (Jrten  der  südlichen  Erd- 
halbkugcl  aus  beobachtet  werden,  da  es  in  50°  südlicher 
Declination  und  230°  Rectascension  steht.  Auf  Grund  der 
Bekanntmachung  dieser  Entdeckung  sah  Kapteyn  seine 
früheren  Aufnahmen  derselben  Stelle  des  Himmels  nach 
und  glaul)t  auf  Platten  aus  den  Jahren  1875  und  1887 
den  fraglichen  Stern  ebenfalls  gefunden  zu  haben,  jedoch 
nur  in  der  Helligkeit  eines  Sternes  neunter  Grösse. 

Kbr. 


Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben. 

Es  wurden  ernannt:  Mr.  H  Uline  znni  Ciirator  des  Her- 
bariums der  Lake  Forest  University,  Illinois.  —  Der  Obser\aior 
am  Observatorium  zu  Paris  Dr.  O.  Callendreau  zum  Professor 
der  Astronomie  an  der  Ecole  Polytechnique.  —  Dr.  Aeh  zum 
Assistenten  am  ersten  ehemischen  Institut  der  Universität  Berlin. 
—  Dr.  Wandollek  zum  Assistenten  an  der  zoologischen  Ab- 
tlieilung  di'S  iMuscums  für  Naturkunde  in  Berlin. 

Dr.  L.  Schulte  ist  als  Assistent  am  Museum  der  Kgl.  Preuss. 
Geologischen  Landesanstalt  eingetreten.  —  Unser  früherer  Mit- 
redacteur  und  jetzige  Mitarbeiter  Dr.  Harry  Gravelius  ist  als 
wissenschaftlicher  Hilfsarbeiter  in  das  Bureau  des  Kgl.  Wasser- 
ausschusses eingetreten.  —  Dom  Berghauptmann  Freiherrn  von 
der  Heyden-Rynsch  in  Halle  —  und  dem  Berghau|itn)ann 
Achenbacli  in  Clausthal  ist  der  Charakter  als  Wirklicher  Ge- 
heimer Oberbergrath  mit  dem  Range  der  Räthe  1.  Classe  verliehen 
worden. 

Es  sind  gestorben:  Der  Entomologe  Professor  Dr.  P.  M.  F  er - 
rari  in  Genua.  —  Der  Naturforscher  William  Dinning  in 
Newcastle.  —  Das  Mitglied  der  Akademie  der  Wissenschaften  in 
Paris  Chambrelent. —  Der  ordentliche  Professor  der  Mechanik 
an  der  Technischen  Hochschule  in  München  Dr.  Johann  Rau- 
schinger.  —  Der  Keimpflanzen  -  Forscher  Geheimer  Kriegsrath 
A.  Winkler  in  Berlin. 


I 


L  i  1 1  e  r  a  t  u  r. 

Breliin's  Thierleben.  Kleine  Ausgabe  für  Volk  und  Schule.  2.  Aufl., 
gänzlich  ncubcarboitet  von  Richard  Schmidtlein.     III.   Bd.    Mit 
1  Karte,    1    Tafel    in    Farbendruck    und    713    Textabbildungen. 
Bibliographisches  Institut    in  Leipzig.     1893.  —  Preis   10  i\I. 
Auch  der  3.  (Schluss-)  Band  des  „kleineu  Brehm"  ist  nunmehr 
von    der    rülnigen   Verlagshandlung    ausgegeben   worden.     Er   be- 
handelt die  Kriechthiere,  Lurche,  Fische,  Insecten,  Krebse,  Würmer, 
bis   zu    den  Urthieren.     Das  Gesammtwerk,    3   stattliche,   nnister- 
gidtig    ausgestattete  Bande,   jeder    von    fast    lOüO   Seiten    Stiiike, 
bildet  ein  hübsches  Weihnachtsgeschenk.     Die  Karte,  die  in  dem 
vorliegenden  III.  Bande  Platz  gefunden  hat,    ist  die  der  Verbrei- 
tung   wichtiger    Thiere.      Im    Uebrigen     verweisen    wir    auf    die 
früheren  Besprechungen  der  Bände  I  und  II. 


Dr.  Harry  Gravelius,    Lehrbuch   der  höheren  Analysis.     Zum 

Gebrauche  bei  Vorlesungen  an  Universitäten  und  technischen 
Hochschulen.  I.  Band  :  Leh  rb  u  eh  der  Differentialrech- 
nung. Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  180:3.  — 
Preis  6  M. 

Schon    seit   längerer  Zeit    macht  sich  das  Bedürfniss  und  das 
Streben  geltend,  die  Ergebnisse  der  neueren  functionentheorctischen 


Nr.  50. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


.')(*)3 


Forseluiiigen  bei  der  Darstelhiiig  der  liölicren  Aiialysis  zu  ver- 
werthen  und  die  letztere  damit  auf  einer  wolilgesieherten  Grund- 
lage aufzubauen.  Diese  Tendenz  verfolgt  aucli  das  Werk,  von 
dem  uns  der  erste  Band,  die  Ditfoventialreclinuiig,  vorliegt.  Um 
es  gleich  vorwegzunehmen,  bemerken  wir,  das»  der  Herr  Verfasser 
in  seiner  Darstellung  ein  grosses  Geschick  bekundet  und  mit  dem 
ersten  Bandit  die  HoflFnung  erweckt,  dass  wir  ein  sehr  schätzens- 
werthes  Lehrbuch  der  höheren  Analysis  aus  seiner  Feder  erhalten 
werden,  ein  Werk,  welches  allgemeine  Beachtung  seitens  der 
mathematischen  Kreise  verdient. 

Vor  Allem  wird  der  kundige  Leser  den  tiefen  Einfluss  er- 
kennen, den  die  berühmten  Vorlesungen  von  Weierstrass  auf  die 
Darstellung  ausgeübt  haben.  Aber  auch  die  Forschungen  anderer 
Mathematiker,  die  an  dem  Aufbau  der  neueren  Fuuctionentheorie 
und  an  dem  gründlichen  Ausbau  einzelner  Theilo  derselben  mit- 
gewirkt haben,  finden  die  gebührende  Berücksichtigung;  wir 
brauchen  nur  an  Namen  wie  Heine,  Hankel,  G.  Cantor,  Dini, 
Pringshi'im  u.  a.  zu  erinnern. 

Im  Allgemeinen  findet  das  Werk  auch  hinsicditlich  der  Dispo- 
nirung  unsere  Sympathie.  Um  an  dieser  .Stelle  nicht  zu  sehr 
ins  Detail  zu  gehen,  erwähnen  wir  nur,  dass  zunächst  die  irra- 
tionalen Zahlen  mit  Zuhilfenahme  von  Heine's  Zahlzeichen  einge- 
führt und  die  allgemeinen  Eigenschaften  des  Systems  der  reellen 
Zahlen  entwickelt  w(n-den;  alsdann  werden  ilie  reelle  Veränder- 
liche und  ihre  Functionen  und  besonders  die  Stetigkeil  der 
letzteren  eingehend  behandelt.  Nach  Ableitung  der  Grundlehren 
der  Differentialrechnung  für  Functionen  einer  und  mehrerer 
reellen  Veränderlichen  folgt  dann  ein  wichtiges  Capitel  über  die 
Darstellung  der  Functionen  durch  Potenzreihen  und  über  den  von 
Herrn  G.  Cantor  eingeführten  Begriff  der  Punktmengen.  Die 
Elemente  der  Theorie  der  Maxinia  und  Minima  füllen  das  nächste 
Capitel,  welchem  sich  ein  anderes  anscliliesst,  das  über  Anwen- 
dungen auf  die  Geometrie  handelt.  In  diesem  verdienen  nament- 
lich die  Paragraphen  Beachtung,  welche  über  die  in  Lehr- 
büchern wenig  oder  gar  nicht  berücksichtigten  räumlichen  Linien- 
systeme handeln.  Den  Beschluss  des  vorliegenden  Bandes  bildet 
ein  kurzes  Capitel  über  die  coniple.xe  Veränderliche.  Es  wird  auf- 
fallen, dass  diesem  wichtigen  Gegenstande  so  wenig  Beachtung 
gewidmet  ist,  doch  müssen  wir  ein  Urtheil  hierüber  aussetzen, 
da  der  Verfasser  auf  denselben  in  einem  späteren  Bande  ein- 
gehend zurückzukommen  verspricht. 

Uebrigens  ist  noch  zu  bemerken,  dass  der  Herr  Verfasser 
keine  Uebungsbeispiele  beigegeben  hat  und  auf  die  bekannten 
Aufgabensammlungen,  namentlich  die  von  Fuhrmann,  verweist. 

Ein  abschliessendes  Urtheil  über  das  Gravelius'sche  Buch 
kann  nach  den  obigen  Worten  noch  nicht  abgegeben  werden,  da 
wichtige  Theile  erst  später  zur  ausführlichen  Behandlung  kommen. 
Wie  der  Herr  Verfasser  die  gesammte  höhere  Analysis  zu  er- 
ledigen gedenkt,  welche  Grenzen  er  sich  gesteckt  und  wie  er  die 
einzelnen  Materien  zu  disponiren  beabsichtigt,  hat  er  uns  nicht 
verrathen. 

Die  Ausstattung  des  Werkes  seitens  der  Verlagsbuchhandlung 
ist  als  „gut  und  billig"   zu  bezeichnen.  A.  G. 


L.  Carnot,  Betrachtungen  über  die  bewegende  Kraft  des 
Feuers  und  die  zur  Entwickelung  dieser  Kraft  geeigneten 
Maschinen  (1824).  Uebersetzt  und  herausgegeben  von  W.  (_)st- 
wald.  Mit  5  Textfiguren.  ((Jstwald's  Klass.  d.  e.  Wiss.  Xo.  Ö7). 
Wilhelm  Engelmann.     Leipzig  1892.  —  Preis  1,20  Mk. 

Die  Abliandlung  betrachtet  die  Wärmemaschinen  zum  ersten 
Mal  von  einem  theoretischen  Gesichtspunkte  aus  und  führt  zu 
den  wichtigen  Resultaten,  welche  gegenwärtig  den  Inlialt  des  sog. 
zweiten  Hauptsatzes  der  mechanischen  Wärmetheorio  bilden.  Ob- 
gleich bereits  1824  erschienen,  datirt  die  historische  Wirksamkeit 
der  Schrift  doch  erst  aus  weit  späterer  Zeit,  da  dieselbe  anfangs 
als  Einzelbrochüre  keine  weite  Verbreitung  fand.  Erst  als  1843 
Clapeyron  auf  die  Bedeutung  des  „Carnot'schen  Kreisprozesses" 
hingewiesen  und  nachdem  dann  namentlich  1850  Clausius  an 
diesen  Satz  den  weiteren  Ausbau  der  mechanischen  Wärniethoorie 
angeknüpft  hatte,  wurde  man  allgemein  auf  die  Arbeit  des  in- 
zwischen längst  verstorbenen,  französischen  ( Ifficiers  aufmerksam. 
Immerhin  aber  war  die  Originalarbeit  bisher  nicht  leicht  zu  erlangen 
und  es  ist  darum  besonders  verdienstlieh,  die  schwungvolle  Ab- 
handlung in  einer  angenehm  lesbaren  Uebersetzung  dem  deutschen 
Publicum  zugänglich  gemacht  zu  haben.  Khr. 


Atti  deUa  Reale  Accademia  dei  Lincei,  Rendiconti.  (Serie 
(|uiiita,  volunic  II".)  —  Dii'  'rsteu  secdis  Lieferungen  des  ersten 
Halbjahrsbandes  1898  sind  in  No.  28,  Band  \T1I  der  „Xaturw. 
Wochenschr."  kurz  inhaltlich  skizzirt  worden.  Aus  den  übrigeui 
sechs  Lieferungen  dieses  Halbjahrsbandes  ersclieinen  folgende  Ab- 
handlungen besonders  erw.ähuenswerth:  Righi,  Ueber  einige 
experimentale  Anordnungen  für  den  Beweis  und  das  Studium  der 
Hertz'schen  elektrischen  Schwingungen;  Ghira,  Ueber  das  Mole- 
kularvolumen einiger  Borverbindungen;  Golgi,  Ueber  den  Ur- 
sprung des  vierten  cerebralen  Nerven;  Volterra,  Ueber  die 
Schwingungen  der  elastischen  Körper;  Clerici,  Bemerkungen 
über  die  Bodenbeschaft'enheit  Roms;  Magnanini,  über  den  o.s- 
motischen  Druck;  Guglielmo,  Beschreibung  einer  neuen  Form 
des  Quecksilberbarometers;  Agamennone,  Die  Erdbeben  und 
die  magnetischen  Störungen;  Righi,  Versuche  mit  Hertz'sclHui 
Schwingungen  von  kleiner  Wellenlänge;  Volterra,  Ueber  die 
Integration  der  Differentialgleichungen  der  Bewegung  eines  iso- 
tropen elastischen  Körpers. 


Das  Akademische  Berlin.  Winter-Halbjahr  1893/94.  Mayer 
u.  Müller.  Berlin.  —  Preis  0.80  M.  —  Auch  die  vorliegende  2.  Aus- 
gabe des  von  Dr.  A.  Römer  vorfassteu  Heftes  wird  dem  Studi- 
renden  Dienste  leisten;  es  folgt  den  Veränderungen  in  i\pn  Per- 
sonalien, an  den  Hochschulen  Berlins  geschickt.  Im  Uebrigcn 
verweisen  wir  auf  die  Besprechung  der  ersten  Ausgabe  in  diesem 
Bande  der  ,,Naturw.  Wochenschr."   S.  244. 


Ein  Catalog  der  farbigen  Sterne  bildet  die  neueste  Publi- 
cation  di-r  Kieler  Sternwarte.  Die  Arbeit,  deren  Autor  Herr 
Friedrich  Krüger  ist,  stellt  eine  Erweiterung  und  Vervollständi- 
gung einer  von  der  Kieler  Universität  gekrönten  Preisschrift  dar, 
und  wird  sicherlich  den  auf  colorimetrischem  und  spectralanaly- 
tischem  Gebiete  arbeitenden  Astronomen  eine  sehr  willkommene 
Gabe  sein,  sowie  auch  die  Aufsuchung  veränderlicher  Sterne,  die 
bekanntlich  zumeist  durch  eine  röthliche  Farbe  gekennzeichnet 
sind,  wesentlich  unterstützen.  Während  der  1874  erschienene 
Catalog  rother  Sterne  von  Schjellerup  deren  nur  402  aufzählte,  die 
1877  von  Birmingham  veröffentlichte  Liste  diese  Zahl  auf  723, 
und  die  Neubearbeitung  der  letzteren  durch  E.spin  (1888)  dieselbe 
auf  1472  steigerte,  führt  das  KrUger'sche  Verzeichniss  2297  far- 
bige und  durch  ein  Absorptionsspectrum  bemerkenswerthe  Sterne 
auf,  obgleich  es  sich  auf  den  zwischen  —  23°  und  +  90°  Declination 
liegenden  Theil  des  Himmels  beschränkt.  Ausser  der  näheren, 
allerdings  nur  durch  Schätzung  gewonnenen  Farbenbestimmuug. 
führt  der  Verfasser  bei  jedem  Stern  auch  die  bisher  bekannt  ge- 
wordenen oder  sich  auf  eigene  Beobachtungen  stützenden  Angaben 
über  das  Spectrum  an,  und  die  Sorgfalt,  mit  der  die  einschlägige 
Litteratur  berücksichtigt  worden  ist,  berechtigt  zu  der  Annahme, 
dass  das  Werk  an  Vollständigkeit  kaum  etwas  zu  wünschen  übrig 
lassen  dürfte.  Hoffentlich  wird  der  Krüger'sche  Catalog  neue 
Anregung  zur  weiteren  Erforschung  der  in  vieler  Hinsicht  so 
interessanten  Sterne  vom  dritten  Vogel'schen  Spectraltypus  geben. 
Uns  scheint  es,  dass  die  Bevorzugung  der  spectroskopischen  Beob- 
achtung die  rein  colorimetrischen  Messungen  in  zu  starkem  Maasse 
in  den  Hintergrund  gedrängt  hat  und  dass  eine  ausgedehntere 
messende  Farbenbestimmung  der  Sterne ,  wie  sie  seiner  Zeit 
Zöllner  bei  einigen  Fixsternen  und  Planeten  durchgeführt  hatte, 
neben  der  spektroskopischen  Mappirung  auch  heute  noch  eine 
nützliche  und  dankbare  Aufgabe   bilden  würde.  Kbr. 


Altmann,  Rieh.,  Die  Elementarorganismen  und  ihre  Beziehungen 

zu  den  Zellen.     2.  Autl.     Leipzig.     32  M. 
Bachmann,    Reallehr.   Otto,    Leitfaden    zur   Anfertigung    mikro- 

skoiiischer  Dauerpräparate.     2,  Aufl.     München.     6  M. 
Bastian,  A.,  Ccuitroversen  in  der  Ethnologie.     Berlin.     2,40  M. 
Bastian,    Adph.,    Vorgeschichtliche    Schöpfungslieder    in     ihrem 

ethnischen  Elementargedanken.     Berlin,     .'i  M. 
Caro,  Chem.  N.,  Darstellung  von  Chlor-  und  Salzsäure  unabhängig 

von  der  Lelilanc-Soda-lndustrie.     Berlin.     3  i\I. 
Dölp,  weil.  Prof.  H.,    Die  Determinanten,   nebst  Anwendung  auf 

die  Lösung  algebraischer  und  analytisch-geometrischer  Aufgaben. 

4.  Aufl.     Darmstadt.     2  M. 
Freytag,  Gust..    Karte    der  Hochalpen-Spitze    und    des  Ankogel- 

Gebietes.     Wien.     2.50  M. 


Inhalt:  (If  to  Am  mon:  Die  natürliche  Auslese  beim  Menschen.  (Schluss.)  —  65.  Versammlung  iler  Gesellschaft  deutscher  Karurforscher 
und  Aerzte  in  Nürnberg.  V.  —  M'iederkäuende  Menschen.  —  Beitrag  zur  Autotomie.  — •  Angebliche  Nicht-Ausrottung  des  ameri- 
kanischen Bisons.  —  Ueber  die  Vernichtung  der  Feldmäuse.  —  Der  gegenwärtige  Stand  des  Breiten-Problems.  —  Ein  neuer 
Stern.  —  Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben.  —  Litteratur:  Brehsu's  Thierloben.  —  Dr.  Harry  Gravelius:  Lehrbuch  der 
höheren  Analysis,  —  L.  Carnot:  Hetracdituugeu  über  die  bewegende  Kraft  des  Feuers  und  die  zur  Entwickelung  flieser  Kraft 
geeigneten  Maschinen  (1824).  —  Ein  Catalog  der  farbigen  Sterne.  —  Atti  dolla  Reale  Accademia  dei  Lincei,  Rendiconti.  — 
Das  Akademische  Berlin.  —  Liste. 


564 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  50. 


„Linnaea",  Naiurhistorisclies  Institut. 


(Naturalien- 
Berlin  NW. 


&  Lehrmittel-Handlung.) 

Luisenplatz  6. 

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ompfelilon  wir  für  die  reifere  Jagend 
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Mineralien : 

25  Arten  kl.  Formiit    .... 
20       „      gr.       „  .... 

25  Erze  incl.  Gold  und  Silber 


M.  -..- 
„  lü.- 
„     12.- 

Versteinerungen :  2.t  Arten  aller  Forma- 
tionen 15  M.,  ."lO  desgl.  26  M.,  lou  desgl. 
.50  M. 

Conehylieii:  (Muscheln  und  Schnecken.) 
30  Arten  der  tropischen  Meere  S  M-,  5o  desgl. 
der  ganzen  Erde  (Land,  Süsswasser  und 
Meer)  15  M.,  loo  desgl.  der  ganzen  Erde 
(Land,  Susswasser  und  Meer)  30  M.,  50  desgl. 
Land  und  Süsswasser  Dcuischlan.is  10  M.. 
25  desgl.  der  Eurojjäischen  Meere  S  M. 

Schmetterlinge:  25  Arten  Deutschlands 
i;  M.,  50  desgl  Deutschlands  12  M..  loo  desgl. 
Deutschlands  25  M.,  10  desgl.  aus  übersee- 
ischen Ländern  5  M.,  20  desgl.  aus  über- 
seeischen Jjändern  12  M. 

Käfer : 

50  Arten  Deutschlands        .    . 

lO'l        ,  „  ... 


.     .     .     .    5M., 
.      .      .      .    10    „ 

Verschiedene  CoUectionen  ausländ.  Käfer, 
hauptsächlich  aus  Deutsch- Ostafrica  Mada- 
gascar,  Kl.  Asien ,  Centralasien,  Ja])an, 
V.  Malay,  .^.rchinel,  Australien  uud  Kaiser 
Wilhelmsland,  Brasilien,  Chile  etc.  etc.  zu 
Preisen  von  M.  5.  lO,  i.^,  2o,  30,  40  und  50  M. 

Vogeleier: 

2.5  Arten M    7.50, 

50       „        „  15.-. 

Herbarien:  Grosses  landwirthsch.  Herb. 
250  Arten  M.  22.  —  Gemeinnutz.  Herb,  für 
Schule  und  Haus,  I5u  Arten  M.  15.  —  . 

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nrogeii-Gcschäf'ten  a   s.  w. 


SjiP~     Dieser  Nummer  liegt  ein  Prospekt  der  b^irma  T.  O.  Weigel  Nachf.  in  Leipzig,    Itetrefiend:  „Naturwissenschaft- 


liche M'erke''  bei,  den  wir  hiermit  besonderer  Beachtung  empfelil 


Verantwortlicher  Redakteur:    Dr.  Henry  Potoniti,    Berlin  N.  4.,  luvalidenstr.  44,   für  den    Inseratentheil:  Hugo  Beinstein    in    Berlin. 
Verlag:  Ferd.  Diimmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12.  —  Druck:  G.  Bernstein,  Berlin  S\V.  12. 


^v^  Redaktion:  7         Dr.  H.  Potonie. 

Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12,  Zimmerstr.  94. 


VIII.  Band. 


Sonntag,  den  17.  Decenil3er  1893. 


Nr.  51. 


Abonnement :  Man  abonnirt  bei  allen  Buchhandlungen  und  Poat- 

anstalten,   wie  bei  der  Expedition.    Dei-  Vierteljahrspreis  ist  Jl  4.— 

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sprechenden Rabatt.  Beilagen  nach  Uebereinkunft.  Inseratenannahnie 
bei  allen  Annoncenbureaox,  wie  bei  der  Expedition. 


Abdruck  ist  nnr  mit  vollständiger  C^aellenangabo  gestattet. 


Ueber  Aufnahme  und  Speicherung  von  Kupfer  durch  die  Pflanzenwurzeln. 

Von  \)\-.  Ricli.  <lttn,  As.sisteiiteii  am  jitlaiizi'uijhysiologiscken  In.stitut  der  Kj;!.  Landwirtliscliaftlichen  NT^ > --^2-''%vO/ 

Hooliacliule  zu  Berlin.  ^~Ö^    Ä      K»" 


Die  Aufiialime  und  .Speieberung  des  Knjjfers,  (ider 
l)esser  gesagt  von  Ki^ipt'erverbiudungeu  diivcli  ilip  Pflanze^ 
ist  schon  seit  /iemücli  lauger  Zeit  der  Gegenstand  vieler 
wissensehaftlielicr  Untersucliungen  gewesen,  iiacli  welchen 
das  Kupfer  jedenfalls  als  weit  verbreitet  im  Ptlanzen- 
reiebe  angesehen  werden  nmss.  Ebenso  ist  durch  die- 
selben auch  wohl  endgültig  der  Beweis  erbracht,  dass  die 
Verbindungen  des  Kupfers  von  den  Pflanzen  aufgenommen 
und  gesiieichert  werden  können. 

Allerdings  divergiren  bezüglich  der  Art  und  Weise 
dieser  Aufnahme  und  Speicherung  die  Ansichten  der 
einzelnen  Forscher  gar  sehr.  —  Da  es  nun  nicht  luög- 
lieh  ist,  diese  Ansichten  hier  im  Einzelnen  kurz  wieder- 
zugeben, so  sei  hinsichtlich  dieses  Punktes  auf  das  vor 
Kurzem  erschienene,  .sehr  interessante  Buch  des  Professors 
Dr.  A.  Tschirch  in  Bern:  „Das  Kupfer  vom  Stand- 
punkte der  gerichtlichen  Chemie,  Toxikologie 
und  Hygiene  u.  s.w."  (Stuttgart,  F.  Enke,  1893)  ver- 
wiesen, welches  neben  il.:'n  eigenen  Forschungen  des  Ver- 
fassers auch  die  sehr  ausführliche  Litteratur  der  Kupfer- 
frage in  ihrem  ganzen   Umfange  enthält. 

Im  Xaehfolgenden  werde  ich  alsf»  vorwiegend  nur 
die  Ergebnisse  neuerer  Untersuchungen,  betreffend  die 
Aufnahme  und  Si)eicherung  des  Kupfers  durch  die  i'tianze, 
anführen  und  im  Anschluss  daran  einige  Versuche  über 
das  Verhalten  der  Pflanzenwurzeln  gegen  Kupfcrsalz- 
lösungen  mittheilen,  welche  ich  vor  einiger  Zeit  im  ]>flanzen- 
physiologischen  Institut  der  Kgl,  Landwirthscbaftlicheu 
Hochschule  zu  Berlin  ausgefülirt  habe. 

Schon  im  Jahre  1832  hat  de  CandoUe^'O  die  An- 
sicht vertreten,  dass  das  Kupfer  von  den  Pflanzen  auf- 
genommen werden  kann,  und  nach  den  Untersuchungen 
Forschammers**),   im  Jahre  18.55,  gehört  da.sselbe  zu 

*)  Physiologie  vegetale  ISS'i  1,  S.  889. 
**)  Poggend.    Ann.    XIV   S.  60;    Jahrbueli    der   Clieiiiio   185,0, 
VIII,  S.  987. 


den  von  den  Pflanzen  aus  dem  Boden  aufnehmbaren  Me- 
tallen, und  zwar  sind  es  nach  der  Ansicht  dieses  Forscliers 
die  Alkalichloride,  welche  das  Kupfer  im  Boden  hislich 
machen.  Gorup-Besanez*)  zog  dann  einige  Jahre 
später  (1863)  Pflanzen  (Polygonum  Fagopyrum, 
Pisum  sativum,  Seeale  cereale)  in  mit  Kupfer- 
carbonat  gemischtem  Boden,  vermochte  aber  nicht  Kupfer 
in  der  Ernte  nachzuweisen. 

Entgegen  dieser  letzteren  Ansicht  sprechen  dann  für 
die  Aufnahme  von  Kupfer  durch  die  Pflanze  neuei-e 
V^ersuche  von  Francis  Phillipps  (1882)**)  mit  Kupfer- 
carbonat  bei  Geranium,  Colea,  Ageratura,  Achy- 
ranthes    nnd   Viola   tricolor.     Ebenso    wies   Freitag 


(1882) 


in 


den    Blattern    der  Eichen  und   Birken    bei 


Mansfeld  Kupfer  nach  und  glaubt,  dass  Kupfer  in  grösserer 
oder  geringerer  Menge  von  der  Pflanze  absorbirt  werde. 
Hierzu  im  Gegensatz  soll  wiederum  nach  im  botanischen 
Garten  zu  Erlangen  angestellten  Versuchen  f)  (1888) 
Kupfer  nicht  von  der  Pflanze  aufgenommen  werden. 

Auch  A.  Tschirch  hat  sich,  wie  erwähnt,  in  neuester 
Zeit  sehr  eingehend  mit  dieser  und  anderen,  das  Kupfer 
betreffenden  Fragen  beschäftigt.  Nach  seinen  im  Jahre 
1891  und  1892  mit  Kupfersulfat  bei  Weizen  und  Kartoffeln 
angestellten  Versuchen -ff)  wird  das  Kupfer  unzweifelhaft 
von  den  Pflanzen  aufgenommen,  und  zwar  mehr  bei 
doppelter  als  bei  einfacher  Kupferung;  aber  seihst  bei 
starker  Kupferung  des  Bodens  nur  in  geringer  Menge. 
Eine  schädliche  Wirkung  des  Kupfers  auf  die  Pflanzen 
beobachtete  Tschirch  bei  diesen  Versuchen  nicht,  obwohl 
auf  eine  2  qm    grosse  Fläche    im  Ganzen   4  kg  Kupfer- 

*)  Ann.  d.  Cheni.  u.  Pharm,     L8G3.    S.  243. 
**)  Cheni.  News  XLM,  1882,  S.  224. 
***)  Bot.  Centrallil.  Xll,  1882,  S.  127. 
t)  Bot.  Centralbl.   1888,  S.  36."). 

tt)  Tschirch:  Das  Kupfer  u.  s.  w.,  Stuttgart,  F.  Knke, 
189;},  S.  13  u.  folg. 


566 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  51 


Sulfat  gebracht  waren;  die  Pflanzen  entwickelten  sich 
normal,  trugen  normale  BlUthen  und  Früchte,  während 
nach  Francis  Phillipps*)  grössere  Mengen  Kupfers 
giftige  Wirkungen  auf  die  Pflanzen  ausüben  sollen,  indem 
(lie  Ausbildung  der  Wurzeln  gestört,  die  Lebensthätigkeit 
der  Pflanzen  geliennnt  oder  die  Pflanzen  auch  ganz  und 
gar  getödtet  werden.  (Nach  Tscliirch  mag  dieses  für 
Niihrstofflösungen  zutreffen,  wo  die  Wurzeln  in  der 
Kupfersulfatlösung  schweben  und  noch  ganz  andere  Wir- 
kungen mit  im  Spiele  sind,  für  den  Boden  nicht.) 

Nach  Tschirch's  weiteren  Untersuchungen  ist  die 
lebende  Pflanze  im  Stande,  Kupfer  sowohl  durch  die 
Wurzeln  als  auch  durch  die  Epidermis  aufzunehmen,  und 
wird  es  auch  immer  aufnehmen,  wenn  es  iiir  im  Boden 
geboten  wird.  Da  nach  diesem  Forscher  aber  wohl  alle 
Ackerböden  Kupfer  enthalten,  so  ist  die  Möglichkeit  auch 
nicht  ausgeschlossen,  dass  auch  alle  Pflanzen  kleine  Mengen 
davon  aufzunehmen  vermögen. 

Haselhoff**)  hat  dann  vor  Kurzem  bei  seinen  Unter- 
suchungen über  die  schädigende  Wirkung  von  kupfer- 
sulfat-  und  kupfernitrathaltigem  Wasser  auf  Boden  und 
Pflanzen  unter  anderem  gefunden,  dass  kupfersalzhaltige 
(kupfersulfat-  und  kupfernitrathaltige)  Rieselwasser  die 
Pflanzennährstofl'e  des  Bodens,  besonders  Kalk  und  Kali, 
lösen  und  auswaschen,  während  dabei  Kupferoxyd  vom 
Boden  absorbirt  wird.  Bei  fortdauernder  Berieselung 
kann  durch  diese  Absorption  dann  schliesslich  soviel  Kupfer 
im  Boden  angehäuft  werden,  dass  dasselbe  auf  die  Pflanzen 
schädlich  wirken  und  die  Fruchtbarkeit  des  Bodens  ver- 
mindern muss.  —  Weiter  zeigten  Wasserkulturversuche 
ndt  wachsenden  Pflanzen  (Mais  und  Pferdebohnen)  in 
kupfersulfathaltigem  Wasser  beim  Mais  eine  schädliche 
Wirkung  des  Kuitfersulfats  bei  0,005  gr.  CuO  pro 
1  1. ;  bei  den  Bohnen  hingegen  eine  nachtheilige  Wirkung 
auf  das  Wachsthum  erst  bei  0,010  gr.  CnO  pro  1  1. 
Grössere  Mengen  Kupferoxyd  Hessen  die  Krankheits- 
erscheinungen um  so  schneller  und  intensiver  auftreten. 
Nach  Haselhoff's  Versuchen  sind  mithin  lösliche  Kupfer- 
salze für  die  Pflanzen  schädlich,  diese  schädigende  Wir- 
kung tritt  bei  einem  Gehalt  von  0,010  gr.  CuO  pro 
1  1.  auf,  während  bei  0,005  gr.  CuO  pro  1  1  noch 
keine    durchgreifend    schädliche  Wirkung   vorhanden    ist. 

Schliesslich  haben  auch  meine  eigenen  Versuche***), 
welche  ich  zur  Entscheidung  obiger  und  ähnlicher  Fragen  im 
Sommer  1891  im  pflanzenphysiolog.  Institut  der  Kgl.  Land- 
wirthschaftl.  Hochschule  zu  Berlin  nach  Art  der  Wasser- 
kulturcn  mit  mehr  oder  weniger  kupferhaltigen  und  kupfer- 
freien Lösungen  bei  verschiedenen  Pflanzen  angestellt  habe, 
ergeben,  dass  in  der  That  das  Kupfer  giftige  Wir- 
kungen auf  die  Pflanzen  ausübt,  die  Ausbildung 
der  Wurzeln  stört  und  die  Lebensthätigkeit  der 
Pflanzen  hemmt  oder  dieselben  gar  tödtet,  wenn 
die  Pflanzen  mit  ihren  Wurzeln  nach  Art  der 
Wasserkulturen  in  mehr  oder  weniger  concen- 
trirten  Kupfersulfatlösungen  wachsen. 

Meine  Versuche  bezweckten  im  Wesentlichen  Folgendes: 
1.  einmal  genauer  morphologisch  die  Ausbildung  des 
Wurzelsystems,  sowie  auch  der  oberirdischen  Theile 
bei  verschiedenen  Pflanzen  (Phaseolus  vulgaris, 
Zea  Mays,  Pisum  sativum)  zu  verfolgen,  wenn  die- 
selben längere  Zeit  mit  ihren  Wurzeln  in  Kupfer- 
sulfatlüsungen  sowie  in  destillirtem  und  Wasser- 
leitungs-Wasser wachsen, 


**)  Landwirth.  Jahrb.  Bd.  XX,  1891,  S.  2Ö1. 
***)  Ausfülirlicher  sind  dieselben  initgethoilt  uuter  dem  Titel : 
„Untersucliungen  über   das  Verhalten   der  PHanzenwurzeln   gegen 
Kupl'ersalzlösungen''    (Zeitscln-il't     für   PHanzcnkrankbeiten,     1893, 
Bd.  III,  Heft  üj. 


2.    festzustellen,  ol)  sich  in  diesen  Fällen  Kupfer  in  der 
Wurzelmasse  in  bedeutenderer  Menge  ansammelt, 
ob    dasselbe    also  in   dieser  sehr  löslichen    Form 
von  den  Wurzeln  mit  Begierde  aufgenounnen  wird 
und  als  solches  in   den  Wurzeln    resp.  den  ober- 
irdischen Tbeilen  naclizuweisen  ist. 
Ueber  die  Versuche  im  Einzelnen,  sowie  die  Versuchs- 
anstellung selbst  sei  auf  meine  oben  citiite  ausführlicliere 
Abhandlung    in    der    Zeitschrift    für  Pflanzenkraidvlieitcu, 
1893,  Bd  III,  Heft  G,  verwiesen. 

1.  Die  Versuche  mit  Phaseolus  vulgaris  in 
destillirtem  Wasser,  Leitungswasser  und  Lei- 
tungswasser mit  Knpfersalzlösung  ergaben  unter 
anderem,  dass  für  Phaseolus  eine  verdünnte  Kupfer- 
salzlösung (0,00699  gr  CuO  pro  1  1),  selbst  wenn  die  Wur- 
zeln in  dieselbe  eintauchen  und  sich  eigentlich  recht  ab- 
norm entwickeln,  doch  nicht  allzu  schädlich  zu  sein  sclieint, 
wie  ja  auch  nach  dem  Versuch  von  Haselhoff  bei  der 
Bohne  die  schädliche  Wirkung  erst  bei  0,010  gr  CuO  pro 
1  1  eingetreten  ist.  Die  Wurzeln  der  Pflanze  waren  fast 
ausnahmslos  stark  gebräunt,  einige  jüngere,  noch  weisse 
Wurzeln  zeigten  auch  schon  mehr  oder  weniger  kranke 
Stellen.  Die"  Bräunung  war  stets  am  stärksten  an  den 
Endt'n  der  Wurzeln  und  den  Ansatzstellen  der  Neben- 
wurzeln. 

Die  chemische  Untersuchung  der  Gesammtvvurzelmasse 
auf  Kupfer  ergab  bloss  mit  Ammoniak  eine  ganz  minimale 
Blaufärbung,  "welche  also  nur  auf  eine  sehr  geringe 
Spur  Kupfer  in  der  Wurzelmasse  deutet,  während  mit 
Schwefelwasserstoff"  und  Ferroeyankalium  keine  Kupfer- 
reaction  erhalten  wurde.  Die  auf  gleiche  Weise  unter- 
suchten Sprosse  (Stengel  nebst  Blättern)  Hessen  hingegen 
nicht  die  geringste  Spur  Kupfer  mit  diesen  drei  Eca- 
gentien  erkennen. 

Die  Phaseoluspflanze  hatte  also  trotz  ihres  krank- 
haften und  kümmerlich  ausgebildeten  Wurzelsystems  keine 
irgendwie  erhebliche  :\Ienge  Kupfer  von  der  Kupfer- 
suifathisung  (6,99mg  CuO  enthaltend),  in  welcher  die  Pflanze 
sich  mit  ihren  Wurzeln  über  4  Wochen  befunden,  in  den 
Wurzeln  gespeichert.  Und  noch  viel  weniger  hatte  sich 
Kupfer  in  den  oberirdischen  Theilen  der  Pflanze  angehäuft. 

2.  Die  Versuche  mit  Maispflanzen  in  Leitungs- 
wasser, destillirtem  Wasser,  verdünnter  und  con- 
centrirter  Kupfersulfatlösung,  wo  je  4  ursprünglich 
normale  Pflanzen  in  Lösungen,  die,  wie  folgt,  zusannnen- 
gesetzt  waren: 

A.  B. 

3,5   1     VVasserleitungs  -  Wasser  Zfi  I  destdhrtes Wasser  +  1 1 5  ecni 
+   17.5  com  Normahuilirstott-  Normalnährstofl'lösung. 

lösung. 

t . 

3,5  1  Wasserl.-Wasser  +  175  ecm 

Noruiahiährstofflüsung-fO,078  gr 

Kupfersulfat  =  0,0fit7gr  Cu. 

wuchsen,  ergaben,  dass  alle  4  Pflanzen  der  Culturen 
A.,  B.  und  ganz  besonders  bei  C,  während  sich  die 
Pflanzen  3  Wochen  lang  in  der  Kupfersulfatlösuug  ent- 
wickelt hatten,  auch  nicht  die  geringste  Spur  Kupfer 
in  den  Wurzeln  gespeichert  hatten.  Dagegen 
zeigten  sänuntliche  Pflanzen  in  C.  eine  ganz  anormale 
unterirdische,  wie  oberirdische  Entwickelung,  die 
nur  auf  die  Anwesenheit  des  Kupfersalzes  in  der 
Culturlösung  zurückzuführen  ist. 

Die  in  der  Gesannntwurzelmasse  aUer  4  Pflanzen  von 
der  Cultur  D.  angetroffene,  sehr  minimale  Spur  Kupfer 
(sehr  geringe  Blaufärbung  mit  NHg)  Hess  sich  quantitativ 
gar  nicht  bestimmen,  so  dass  also  auch  in  diesem  Falle 
wohl  kaum  von  einer  Si)eicherung  von  Kupfer  in  der 
Wurzel  gesprochen  werden  kann.     Andererseits  trat  aber 


I 


D. 

3,51  Wasserl.-Wasser  -\-  175  ecm 

Norinalnilhrstott'lösung+0,15Ggr 

Kupfersulfat  =  0,0394  gr  Cu. 


Nr.  51. 


Natnrwissenscliai'tliche  Wochenschrift. 


nCu 


auch  liier  wieder  der  scli;ldii;ende  Einflus.s  des  Kupfer- 
salzes auf  die  Wurzeln  sowohl  wie  auf  die  oberirdischen 
Theilc  sehr  deutlich  hervor. 

3.  Die  in  ganz  gleicher  Weise,  wie  bei  B.,  mit 
Erbsenpflanzen  ausgeführten  Versuche  in  Lei- 
tungswasser (A.),  destillirteni  Wasser  (ß.),  ver- 
dünnter (C.)  und  concentrirter  (D.)  Ku|)fersulfat- 
lösuug  zeigten  bei  der  späteren  cliemisciien  Prüfung  auf 
Anwesenheit  von  Kupfer  in  den  Wurzeln  als  auch  in  den 
oberirdischen  Theilen  (von  je  4  Pflanzen)  folgendes: 


A. 


ganz 


frei 


mz  frc 


Unterirdi.se  li: 
gunz  frei  eine     geringe 

Spur  (aehv  ge- 
ringe    Färbung 
mit  NH,). 

0  Vi  e  r  i  r  d  i  s  c  h  : 
ganz  frei.  ganz   frei. 


D. 

eine  Spur  (ge- 
ringe    Färbung 
mit  NH,i). 


ganz   frc 


Es  war  also  auch  liier  bei  je  4  Erbsenpflanzen  die 
Kupferaufnahnie  in  den  Wurzeln,  nachdem  dieselt)en  über 
41/0  Wochen  sich  in  der  Kupfersulfatlösung  befunden  hatten, 
eine  äusserst  minimale  und  quantitativ  durchaus 
nicht  bestimmbare,  während  die  oberirdischen 
Organe  vollständig  frei  davon  waren.  Sehr  hervor- 
tretend war  dagegen  auch  im  vorliegenden  Falle  eine 
durcli  die  Gegenwart  des  Kupfersullats  veranhisste  Schädi- 
gung sowohl  der  Wurzeln  als  auch  der  oberirdischen 
Theile  aller  Pflanzen  in  C.  und  D. 

Diese  Versuche  zeigen  also  auch,  wie  dies  ja  schon 
Haselhoff  (1.  c.)  ausgesprochen,  dass  die  Pflanzen  in 
ku])fersulfathaltigeni  Wasser  geschädigt  werden;  das 
Wurzelsysteni  erfährt  eine  ganz  abnorme  Ausbildung, 
ebenso  die  oberirdischen  Theile. 

Andererseits  haben  sie  dargethan,   dass  die  Pflanzen 


(Bohnen,  Mais,  Erbsen)  selbst  bei  langem  Verweilen  ihrer 
Wurzeln  in  einer  verhältnissmässig  concentrirten  Kupfer- 
sulfatlösung so  gut  wie  gar  kein  Kupfer  aufgenonimen 
haben.  Würde  man  andernfalls  nicht  in  der  Gesammt- 
wurzelmasse  (von  4  Pflanzen)  bei  der  den  Pflanzen  zu 
Gebote  gestandenen  bedeutenden  Kupfermenge  auch  mit 
den  anderen  Reagentien  (Seh wefcl wasserstofl'  und  Ferroeyan- 
kalium)  Kupfer-Keactionen  erhalten  haben  und  nicht  bloss 
eine  ganz  minimale  Blaufärbung  mit  Ammoniak"?  Das 
lebende  Protoplasma  lässt  jedenl'alls  das  Kupfer  osmotisch 
sehr  schwer  oder  vielleicht  gar  nicht  eindringen.  Augen- 
scheinlich kann  aber  die  Berührung  mit  Kupferlösung  für 
die  Zelle  tödtlich  wirken;  in  todte  Zellen  aber  wird  natür- 
lich Kupferlösung  eindringen.  Sonst  hätte  sich  das  Kupfer, 
wenn  es  wirklich  in  irgendwie  erheblicher  Menge  von 
diesen  Pflanzen  aufgenommen  wäre,  auch  wohl  in  den 
oberirdischen  Theilen  nachweisen  lassen  müssen,  was  auch 
niclit  der  Fall  gewesen. 

Es  erscheinen  auch  mir,  ebenso  wie  liumni=-j,  nacii 
dem  Vorstehenden  die  Resultate  von  Pichi**)  höchst 
unwahrscheinlich,  welcher  nach  Zuführung  sowohl  von 
gelöstem  als  auch  von  gepulvertem  Kupfersulfat  durch 
die  Wurzeln  bei  der  betretfenden  Pflanze  Krystalle  von 
Kupfervitriol  im  Innern  der  Mcsophyllzellen,  namentlich 
in  der  Nähe  der  Mittellippen,  mikroskopisch  gefunden 
haben  will.  Hiernach  mUsste  ja  das  Kupfer  in  ausser- 
ordentlich grosser  Menge  ohne  Schaden  von  der  Pflanze 
aufgencnnmen  sein;  das  scheint  aber  nach  den  vorstehenden 
Untersuchungen  sehr  wenig  wahrscheinlich,  ganz  abgesehen 
davon,  dass  nach  Untersuchungen  von  Nägeli  Kupfer  ein 
sehr  scharfes  Gift  für  Pflanzenzelleu  ist. 


*)  Ber.  d.  Deutsch,  bot.  Ges.,   1893,  Bd.  XI,  S.  79  u.  folg. 
**)  Lltalia  agricola,  1889,  No.  I,  ferner  Bolletino  della  Soeieta 
Italiana,  1892,  S.  203. 


65.  Versammlung  der  Gesellschaft  deutscher  Naturforscher  und  Aerzte  in  Nürnberg 

vom  11.  bis  15-   September  1893. 


VI. 

V.  Henseu:  Mittheilung  einiger  Ergebnisse 
der  Plankton-Expedition  der  Humboldt-Stiftung. 
—  Die  untersuchte  Meeresstrecke  hat  gut  15  000  See- 
meilen betragen.  Am  18.  Juli  schwammen  wir  nördlich 
Schottland  auf  dem  einsamen  Ocean.  Einsam  in  Bezug 
auf  jedes  sichtbare  Leben,  denn  nach  den  von  Dr.  Dahl 
ausgeführten  Zählungen  aller  deutlich  sichtbaren  Vögel 
wurde  auf  unserer  Reise  28  Tage  lang  überhaupt  kein 
Vogel  gesehen,  nnd  in  67  weiteren  Tagen  wurden  nur 
71  Vögel  gezäiilt.  In  dieser  Richtung  erwies  sich  der 
Ocean  etwa  160  mal  einsamer  als  die  Mitte  der  Nordsee, 
wo  es  doch  schon  einsam  genug  ist! 

Das  Fundament  für  unser  Unternehmen  bildete  erstens 
die  Zuversicht,  dass  meine  Fangmethode  sieh  bewähren 
werde.  Diese  besteht  hauptsächlich  darin,  dass  ein 
grosses  Netz  aus  sehr  feinmaschigem  Zeug  mit  relativ 
engem  kaum  meinem  Brustumfang  entsin'echenden  Ein- 
gang leer  in  die  Tiefe  hinaligesenkt  und  dann  tischend 
vertical  in  die  Höhe  gezogen  wird.  Dadurch  sollte  eine 
für  die  specielle  Untersuchung  und  Zählung  ausreichende 
Menge  der  in  den  verschiedenen  Tiefen  unter  der  Olieifläche 
sich  aufhaltenden  Organismen  gewonnen  und  wohlerhalten 
zu  Tage  befördert  werden.  Früher  hatte  man  die  Netze 
lediglich  horizontal  gezogen  und  an  die  Möglichkeit  nicht 
geglaulit,  durch  einfachen  verticalen  Aufzug,  genügendes 
Material  zu  erhalten;  da  ich  aber  mein  Verfahren  schon 
vielfach  und  sogar  auf  dem  Ocean  selbst  geprüft  hatte, 
durfte  ich  dessen   sicher  sein.     Ich   hatte  einzig  die  Be- 


fürchtung, dass  die  Fänge  vielleicht  zu  gross  ausfallen  und 
das  Netz  verstopfen  könnten,  aber  das  ist  nicht  einge- 
treten, die  3Iethode  hat  sieh  bewährt.  Wir  bekamen 
also  bei  einem  Zug  aus  gleicher  Tiefe  ein  Filtrat  gleicher 
Wa.sserinassen  und  den  Inhalt  aller  Schichten  einer  gleich 
langen  und  gleich  dicken  Wassersäule  und  konnten  nicht 
nur  relativ,  sondern  auch,  in  Folge  von  Bestimmungen 
über  die  Durchlässigkeit  des  Netzzeuges,  absolut  bestimmen, 
was  sich  unter  einer  Meeresoberfläche  von  entsprechender 
Grösse  vorfand. 

Unser  Fundament  bildete  zweitens  die  Hoffnung,  dass 
die  Organismen  im  Meere  gleiehniässig  genug  vertheilt 
seien,  um  zu  erlauben,  aus  regelmässigen  Stichproben 
einen  Rüekschluss  zu  machen  auf  das  Verhalten  weiter 
Mecresstrecken,  d.  h.  auf  Flächen  von  tausenden  von 
Quadratkilometern.  Diese  Hoffnung  beruhte  auf  meinen 
praktischen  Erfahrungen  in  der  Ostsee,  die  trotz  relativ 
ungünsliger  Verhältnisse  schon  eine  grosse  Gleiclimässig- 
keit  in  der  Vertheilung  des  Planktons  erkennen  Hessen, 
ferner  auf  der  Erwägung,  dass  bei  den  so  gleichartigen 
Lebensbedingungen  in  dem  Ocean  die  Vertheilung  kaum 
anders  als  gleiehniässig  sein  könne.  In  der  Thal  \\  ird 
wegen  der  absoluten  Abhängigkeit  der  Producti<in  be- 
lebter Materie  von  den  äusseren  Bedingungen  eine  Ver- 
änderung der  i'inen  xon  einer  Veränderung  der  anderen 
begleitet  sein  müssen. 

Unser  Ergebniss  ist  gewesen,  dass  diese  meine  Hoff- 
nung sich  in  ausgedehnterem  Maasse  bestätigt,  als  ich 
erwartete.     Man  kann   sich  vcrhältiiis.-^niässig  leicht  eine 


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Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  51 


ziemlich  erschöpfende  Kunde  über  den  Inhalt  weiter 
Meeresstrecken  verschaifen.  Die  l)eziigliche  Erfahrung- 
möchte ich  in  folgender  Weise  illustriren.  Wäre  ein 
Htromgebiet  des  Oceans  über  Europa  ausgebreitet  und 
fischte  das  Planktouuetz  hier  über  Nürnberg,  so  würde 
es  bei  einem  bald  darauf  über  München,  Wien  und  Berlin 
gemachten  Zuge  beinah  in  allen  Beziehungen  das  Gleiche 
fangen.  Von  den  etwa  300  Formen,  die  bei  der  Zählung 
der  Fänge  leicht  unterschieden  werden  können,  würden 
vielleicht  ein  oder  zwei  seltenere  Wesen,  die  hier  ge- 
funden wurden,  dort  ausfallen,  dafür  würde  dann  etwa 
die  gleiche  Menge  neuer  Formen  an  jenen  Plätzen  auf- 
treten. Im  Uebrigen  würde  nicht  nur  dasselbe  Verhält- 
niss  der  Organismen  zu  einander,  sondern  auch  dieselbe 
absolute  Zahl  gefunden  werden  bis  zur  Genauigkeit  von 
im  Mittel  ±  20"/,,.  Jetzt  hegen  auf  festem  nicht  culti- 
virtem  Lande  die  Verhältnisse  so,  dass  selbst  bei  langem 
Suchen  hier  und  dort  kein  Fleckchen  gleicher  Grösse  ge- 
funden werden  dürfte,  dass  eine  entsprechende  Gleichheit 
aller  Bewohner  aufweisen  könnte.  Man  hat  auch  keinen 
Grund,  auf  dem  Lande  Gleichheit  zu  erwarten,  falls  sie 
nicht  durch  Cultur  erzeugt  worden  ist. 

Als  Grundlage  für  die  Expedition  diente  drittens  fol- 
gende Ueberlegung.  Die  Huminsubstanzen  der  Erde  ent- 
wickeln fortwährend  Kohlensäure;  verschiedene  Arten 
von  Bacterien  arbeiten  daran,  die  Ammoniak-  und  Amid- 
Verbindungen  des  Hunnis  zu  Gunsten  der  Pflanzen  in 
salpetrige  und  Salpetersäure  zu  verwandeln,  unter  Um- 
ständen sogar  den  Stickstotf  der  Luft  zu  binden.  Das 
Gestein  und  die  Formation  der  Oberfläche  bietet  die 
mannigfaltigste  Gelegenheit  zur  Entwickelung  von  Lebens- 
gemeinschaften. Neben  einander  liegen  Gebirge  und  Thäler, 
Wald,  Feld,  Wiese,  Haide  und  Moor,  Seen,  Flüsse  und 
Bäche,  alle  mehr  oder  weniger  reich  von  Pflanzen  über- 
wachsen und  mit  einem  Ueberfluss  von  Verstecken  in  und 
auf  der  Erde  versehen.  Dazu  kommt  die  mehr  oder 
weniger  strenge  Isolirung  kleinerer  oder  grösserer  Land- 
flächen durch  Wasser,  Gebirge  oder  Wüsten.  Diese  Iso- 
lirung kann  besondere  Entfaltungen  der  Fauna  und  Flora 
bedingen.  Darum  findet  man  einen  grossen  Reichthum 
mannigfaltigster  Lebensformen  in  verschiedenartigster 
Mischung  hart  neben  einander.  Diese  sind  in  so  viel- 
fältiger Weise  geschützt  nnd  ganz  oder  doch  mit  ihren 
Wurzeln  verborgen,  dass  sie  unübersichtlich  werden  und 
der  Quantität  nach  nicht  erfasst  werden  können. 

In  gleicher,  nur  weniger  verwickelter  Weise  verhalten 
sich  die  Lebensgemeinschaften  an  den  Küsten,  wo  die 
Organismen  immer  noch  festen  Boden  und  mancherlei  Ver- 
stecke finden. 

Ganz  anders  liegen  die  Dinge  auf  hoher  See.  Hier 
liegt  der  Grund  so  ausserordentlich  tief,  dass  eine  Ver- 
bindung zwischen  ihm  und  der  Oberfläche  nicht  nachzu- 
weisen ist  und  jedenfalls  kaum  in  Betracht  kommt.  Es 
fehlen  im  Oberflächenwasser  alle  Verstecke  und  die 
Lebensbedingungen  müssen  sehr  einfache  sein,  sobald 
nur  die  Küsten  nicht  mitzählen.  Sonne,  Regen  und  Wind 
sind  die  drei  Urfactoren,  die  einen  Wechsel  hervorbringen 
und  den  Zufluss  von  Energien  vermitteln.  Diese  Factoren 
können  sieh  zwar  sehr  verschieden  combiniren,  aber 
immerhin  sind  diese  Combinationen  verglichen  mit  den 
Verhältnissen  auf  dem  Lande  wenig  zahlreich  und  werden 
darum  eher  dem  menschlichen  Verständniss  zugängig  sein. 
Daher,  so  meinte  ich,  wird  man  nirgends  so  tief  in  die 
Lebenswege,  in  das  Nebeneinander  der  Organismen,  in 
die  Geschichte  ihres  Entstehens  und  ihres  Vergehens,  in  die 
Abhängigkeit  der  Arten  von  den  unorganischen  Bedin- 
gungen einzudringen  vermögen,  als  in  den  Oceanen.  Das 
Leben  in  diesen  scheint  überdies  am  wenigsten  von  allen 
jenen  Revolutionen  betroffen  werden  zu  können,  die  auf  dem 


Festlande  so  unendlichen  Massen  von  Lehensformen  im 
Verlauf  ungemessen  langer  Perioden  den  Untergang 
gebracht  haben.  Das  haben  für  die  Tiefsee-Thiere  auch 
in  der  That  die  Untersuchungen  von  AI.  Agassiz  und  An- 
deren, die  manche  für  untergegangen  gehaltene  Typen 
noch  lebend  aufgefunden  haben,  und  die  Erfahrungen  der 
Paläontologen,  die  einige  noch  heute  lebende  Seethicrc 
in  den  ältesten  Ablagerungen  wiederfinden,  genügend  er- 
wiesen. 

Dies  war  der  Standpunkt,  auf  den  ich,  nach  Allem, 
was  damals  bekannt  war,  bei  dem  Antritt  der  Expedition 
mich  zu  stellen  ein  Recht  hatte.  Es  fragt  sich  nun,  wie 
sich  unsere  Ergebnisse  zu  diesen  Erwägungen  verhalten. 
Ich  kann  sagen,  dass  die  Erfahrungen,  die  wir  gemacht 
hallen,  die  dargelegten  Ansichten  durchaus  stützen,  dass 
aber  darüber  hinaus  unsere  Einsicht  in  den  Lebensstrom, 
der  dem  Ocean  eut(]uillt,  geklärt  und  gewachsen  ist. 

Es  hat  sich  ergeben,  dass  die  Annahme,  Wind, 
Sonnenschein  und  Regen  allein  erzeugten  und  erhielten 
das  Leben  im  Ocean,  unrichtig  ist.  Diese  Erfahrung  ist 
gegenüber  der  grossen  Genügsamkeit  mancher  Land- 
pflanzen recht  autt'allend;  ob  nicht  doch  durch  die  ge- 
nannten Urfactoren  allein  das  Leben  dauernd  unter- 
halten werden  könnte,  weiss  ich  nicht,  aber  im  Ocean 
unterhalten  sie  es  thatsächlich  nicht  allein,  denn  es  kommt 
eine  nenuenswerthe  Masse  von  Stoff"  hiir/>u,  den  die 
Küsten,  den  die  Flüsse,  den  das  Festland  fortwährend  an 
das  Meer  abgeben. 

Durch  unsere  Expedition  wird  festgestellt,  dass  sich 
überall  in  den  von  uns  befahrenen  Theilen  des  Meeres 
Bestandtheile  der  Küstengewässer  vorfinden  und  dass  es 
nicht  allzu  lange  Zeit  gedauert  haben  kann,  ich  meine 
Iniclistens  ein  Jahr,  bis  Theile  des  Küstenwassers  in  die 
'SliüQ  des  Oceans  gelangt  sind.  Der  langwierige  Streit 
über  die  Sargassowiesen  mitten  im  Atlantic  dürfte  durch 
unsere  Expedition  definitiv  dahin  erledigt  sein,  dass  die 
Pflanzen  vergehende  Theile  der  Küstenbewachsung  sind. 
Grosses  Gewicht  ist  ferner  darauf  zu  legen,  dass  wir 
überall  ziendich  zahlreiche  Larven  von  Thieren  nach- 
weisen, die  nur  von  den  Küsten  herstammen  können, 
Larven  von  höheren  Krebsen,  von  Schnecken,  von  Muscheln, 
von  Seesternen  und  von  Actinien,  ja  sogar  eine  ]\lilbe 
der  Flussmündung  bei  Para  wurde  von  Hrn.  Dr.  Lohmann 
600  Seemeilen  vom  Laude  treibend  aufgefischt.  Wo  wir 
mit  unserem  kleinen  Netz  auch  nur  ein  Thier  fingen, 
haben  wahrscheinlich  Milliarden  desselben  getrieben. 
Diesen  Thatsaehen  reiht  sich  die  wichtige  Erfaln-ung  an, 
dass  die  hohe  See  entschieden  arm  an  Masse  der  trei- 
benden Organismen  ist,  ärmer  als  die  Küste;  diese  ist 
wiederum  ärmer  als  die  Buchten  und  Flussmündungen. 
Die  eigentlichen  Brackwasser  zeigten  mir  freilich  eine 
etwas  verminderte  Fruchtbarkeit,  aber  nach  den  cpianti- 
tativcn  Untersuchungen  des  Hrn.  Dr.  Apstein  sind  wieder- 
um viele  Landsecn  l)cdeutend  reicher  an  treibendem  Ma- 
terial als  die  Buchten  der  Küste. 

Es  ist  schon  durch  die  Challenger-Expedition  erkannt 
worden,  dass  die  Bewohner  der  oceanischen  Tiefen  an- 
zusehen sind  als  von  den  Küsten  her  ausgewanderte  und 
dann  modificirte  Formen;  es  liegt  nahe,  zu  fragen, 
ob  Aehnliches  für  die  Wesen  des  Planktons  anzunehmen 
sei?  Ob  etwa  gar  der  Wohnsitz  der  treibenden  Bewohner 
des  Oceans  nur  an  den  Küsten  ab  hängen  liege,  da, 
wo  der  Grund  noch  erreichbar,  nur  bis  100  und  1000  m 
abfällt.  Die  bisher  vorHegenden,  niemals  quantita- 
tiven Untersuchungen  schienen  diese  Möglichkeit  nicht 
sicher  auszusehliessen.  Unsere  Expedition  verneint  für 
die  gegenwärtige  Zeit  ein  solches  Verhalten,  denn  wir 
finden  zwar  bei  xVnnäherung  an  die  Küsten  und  bei  län- 
gerer Fahrt  nahe   dem  Abfall    in  die  Tiefe   eine  gewisse 


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Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


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Verniehning  der  meisten  Pianlcton-Organismen,  aber  diese 
Vermehrung  ist  nicht  entfernt  s  o  gross,  dass  man  die 
Fänge  mitten  im  Ocean  lediglich  aus  einer  Zerstreuung 
der  an  den  Küsten  entstehenden  Massen  deuten  könnte. 
Ferner  ist  die  Thatsache  ausgiebig  festgestellt  worden, 
dass  es  eine  Reihe  von  Thieren  giebt,  die  sicli  n  u  r  auf 
hoher  See  finden,  die  aber  in  der  Nähe  der  Küsten, 
selbst  schon  über  Tiefen,  die  mehr  als  400  Meter  be- 
tragen, verschwinden  oder  nur  in  grösster  Spärlichkeit 
angetroffen  werden.  Auf  Bermuda  lagen  wir  im  Gezeiten- 
strom nur  500  Meter  von  der  freien  See  entfernt,  wo  die 
Küste  rasch  zu  grossen  Tiefen  abfällt.  Trotzdem  war 
das  Plankton  völlig  verändert.  Ein  Zug  fing  dort  z.  B. 
3821  Larven  von  Borstenwürmeru,  während  die  10  be- 
nachbarten Hochseefänge  davon  zusammen  41  Stück  er- 
gaben. Die  Krebsgattung  der  Corycäiden  war  auf  Ber- 
muda gar  nicht  vertreten,  während  die  10  Fänge  aus  der 
Nachbarschaft  davon  3177  Stück  ergaben;  ähnlich  war  der 
Unterschied  bezüglich  sehr  vieler  anderer  Formen.  Ich  ver- 
mag noch  nicht  diesen  merkwürdigen  Ausfall  der  Hochsee- 
thiere  in  einem  gleichsalzigen  und  gleichwarmen  Küsten- 
wasser theoretisch  zu  begründen.  Dass  eine  besondere 
Fauna  auf  der  hohen  See  ausgebildet  ist,  hat  man  schon 
seit  langer  Zeit  angenommeu,  eine  genaue  Abgrenzung 
derselben  wird  von  der  Expedition  mit  Hülfe  vieler  nume- 
rischen Beispiele  vorgenommen  werden  können.  Trotzdem 
also  der  atlantische  Ocean  überall  eine  gewisse,  wenn 
auch  nicht  allzugrosse  Zufuhr  von  Stoffen  und  Organismen 
aus  dem  Lande  und  von  den  Küsten  erhält,  hat  sich  doch 
in  ihm  ein  besonderes,  selbstständiges  Leben  entwickelt. 
Dementsprechend  sieht  man  in  den  tropischen  Theilen  des 
Oceans  rings  um  das  Schiff  die  fliegenden  Fisclie  sehweben, 
Physalien  mit  ihren  faustgrosseu  violetten  Schwimmblasen  vor 
dem  Winde  treiben,  die  weiss  schimmernden  Kämme  der 
Velellen  hin  und  her  kreuzen,  und  bei  stehendem  Schiff 
Porpiten,  die  kleinste  Art  der  Segelqualleu,  auf  der 
Wasserfläche  dahin  gleiten.  Dann  sieht  man  auch  die 
kleinen  Seespinnen  auf  den  Wellenkänmien  laufen,  die 
mehr  als  fingerlangen  Schleimmassen  gewisser  Radiolarien- 
colonien  stossen  gegen  die  Oberfläche,  während  in  der 
Tiefe  einige  Fische,  Rippencjuallen,  Pyrosomen,  Salpen, 
Siphonophoren  und  selbst  manche  Krustenthicre  dem  auf- 
merksamen Auge  erkennbar  werden.  Im  Norden  mit 
seinem  trüberen  Wasser  sieht  man  freilich  nichts  von 
diesen  Thieren,  aber  das  Netz  füllt  sich  mehr  mit  Thieren 
und  Pflanzen  als  im  Süden.  Die  Körper  dieser  Organis- 
men gehen  bis  zu  unsichtbarer  Kleinheit  hinab,  immerhin 
findet  diese  Kleinheit  eine  Grenze,  die,  wie  Hr.  Sachs 
ausgeführt  hat,  durch  das  Raumerforderniss  des  Zellen- 
inlialts  bedingt  wird,  aber  auch  wohl  durch  die  absolute 
Grösse  des  Eiweissmoleküls  angewiesen  sein  dürfte.  Ab- 
gesehen von  einigen  spärlich  vorkommenden  Bacterien 
überschreiten  selbst  die  kleinsten  Formen  um  ein  Viel- 
faches, die  Grösse  der  menschlichen  Blutkörperchen.  Diese 
kleinsten  Formen  stehen  an  Häufigkeit  stets  und  entschie- 
den den  grösseren  einzelligen  Wesen  nach.  Ich  habe  mir 
im  Verein  mit  Hrn.  Dr.  Schutt  auf  einer  früheren  Fahi-t 
in  den  Ocean  grosse  Mühe  gegeben,  durch  möglichst 
dichtes  aber  noch  durchlässiges  Zeug  selbst  die  sehr 
kleinen  Formen  alle  zu  gewinnen,  aber  dabei  vermehrte 
sich  ihre  relative  Anzahl  nicht  erheblich,  so  dass  icli 
die  Dichte  des  für  das  Planktonnetz  gebrauchten  Zeuges 
für  ausreichend  halten  darf,  um  uns,  wenn  auch 
nicht  die  ganze  Masse,  so  doch  eine  genügende  An- 
zahl der  verschiedenen  kleinsten  Formen  vor  Augen  zu 
führen. 

Sobald  man  die  Verhältnisse  auf  dem  Lande  zum 
Maassstab  ninmit,  fällt  es  recht  auf,  dass  das  gleichzeitig- 
vorhandene  Volumen  an  Pflanzen   gegen   das  vorhandene 


Thiervolumen  sehr  zurücktritt.   Das  ist  ein  ausgesprochener 
Charakter  des  Hochsce- Planktons. 

Die  nähere  Untersuchung  der  Fänge  ergiebt,  dass 
die  verschiedenen  Theile  des  Oceans  trotz  ihrer  voll- 
ständigen und  l)reiteu  Continuität  verschiedene  und  cha- 
rakteristische Bewohner  hal)cn.  Nicht  nur,  dass  in  den 
grösseren  Tiefen  bis  mindestens  5000  Meter  hinab  ganz 
besondere  Formen,  wenn  auch  in  grosser  Zerstreuung, 
leben,  was  zuerst  Hr.  Chun  nachgewiesen  hat,  son- 
dern die  Oberfläehenbewohner  halten  sich  zu  einem 
gewissen  Tlieil  streng  an  gesonderte  Provinzen,  d.  h.  nur 
dort  können  sie  leben,  in  anderen  Regionen  gehen  sie  zu 
Grunde.  Durch  den  Florida-  und  Golfstrom  ist  der  Süden 
scharf  vom  Norden  getrennt,  im  Süden  und  im  Norden 
unterscheiden  sich  viele  Bewohner  des  Ostens  von  denen 
des  Westens,  doch  sind  namentlich  im  Süden,  der  eine 
grössere  Mannigfaltigkeit  von  Gestalten  aufweist,  noch 
weitere,  besondere  Gebiete  zu  unterscheiden.  Diese 
Scheidung  ist  nicht  so  zu  verstehen,  dass  in  jedem  Bezirk 
nur  neue  Formen  auftreten,  sondern  so,  dass  einige  Arten 
auf  bestimmte  Kreise  beschränkt  sind,  während  sich  an- 
dere, ja  die  Mehrzahl,  auf  sehr  weite  Regionen  hin  aus- 
dehnen, oder  gar  kosmopolitisch  sind.  Wir  haben  viele 
Formen,  die  sich  ausgesiirochen  in  der  einen,  viele,  die 
sich  deutlich  in  der  anderen  Weise  verhalten,  selbstver- 
ständlich finden  sieh  dann  auch  Zwischenformen.  Die 
Untersuchungen  sind  aber  noch  nicht  weit  genug  fort- 
geschritten, um  ganz  allgemeine  Angaben  machen  zu 
krmnen.  Man  kann  gespannt  darauf  sein,  wie  sich  dabei 
die  absoluten  Mengenverhältnisse  herausstellen  werden. 
Ich  kann  berichten,  dass  innerhalb  der  einzelnen  Genera 
die  weitverbreitetsten  Arten  an  Menge  der  Individuen 
ausserordentlich  die  engverbreiteten  .\rten  übertreffen  und 
dass  die  letzteren  da,  wo  sie  vorkommen,  nicht  gerade 
besonders  gut  zu  gedeihen  pflegen,  die  einen  besser,  die 
anderen  schlechter,  einige  sehr  wenig  gut.  Mehrfach 
wiederholt  es  sich  für  ein  Genus,  dass  die  am  weitesten 
verbreitete  Art  gegen  50  "/u  f^er  ganzen  Genussunmie,  die 
enger  verbreiteten  30  "/q,  10  %,  7  "/o  ausmachen,  während 
auf  die  ziemlich  häufig  gefundenen,  ganz  eng  begrenzten 
Avteu  nur  1  7o  oder  weniger  fallen.  Es  fragt  sich,  wo- 
durch ein  so  eigcnthümlichcs  Verhalten  zu  erklären  istV 
Dass  die  bctrefi'cnden  Formen  besonders  wählerisch  und 
zart  sein,  dass  sie  einen  nur  feinen  Lebensfaden  haben 
werden,  darf  wohl  angenommen  werden,  aber  warum  sind 
sie  so  beschaffen?  Sind  es  neu  entstehende,  sind  es  alte 
vergehende  Formen,  oder  floss  vielleicht  gerade  in  der 
Periode  unserer  Reise  die  ihnen  adäquate  Nahrung  be- 
sonders spärlich?  Letztere,  scheinbar  am  nächsten  lie- 
gende Erklärung  nuichte  ich  nicht  gelten  lassen,  denn  hei 
der  Gleichförmigkeit  der  Zustände  auf  der  See,  Itci  der 
Gleichniässigkeit  des  Klimas  in  den  Tropen,  findet  sie  zu 
wenig  Unterstützung;  namentlich  aber  sind  die  selten  vor- 
kommenden Arten  fast  immer  neu,  die  weitverbreiteten 
fast  immer  schon  beschrieben.  Kämen  von  den  selteneren 
Arten  zu  anderen  Zeiten  grössere  ]\Iengen  vor,  so  wären 
sie  sicher  schon  aufgefunden  worden.  Würde  es  sich  bei 
dieser  Sache  nur  um  einzelne  Arten  weniger  Familien 
handeln,  so  wäre  es  wohl  aussichtslos,  nach  dem  „wes- 
halb'- zu  fragen,  da  uns  aber  mit  numerischen  Angaben 
gestützte  und  zahlreiche  Beispiele  aus  den  verschiedensten 
Pflanzen-  und  Thierfamilien  vorliegen  werden,  so  lässt 
sieh  mancher  Beitrag  zu  dieser,  die  Descendenzlein-e  Ite- 
rührenden  Frage  erwarten. 

Es  wird  festgestellt,  dass  Arten  eines  Genus,  die  zu- 
nächst auf  Grund  bestinnnter  Structuren  von  den  anderen 
Arten  des  Genus  unterschieden  werden,  sich  überdies 
noch  dadurch  auszeichnen,  dass  sie  riiuiidich,  also  in  ,Vb- 
hängigkeit    von    physikalisch  -  geographischen    Zuständen 


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Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  51 


enger  oder  weiter  verbreitet  sind,  und  dass  sie  mit  ab- 
solut i;erini;er  oder  grosser  Individuenzalil  in  die  Masse 
des  Genus  und  in  die  Masse  aller  Meeresorganismen  ein- 
gehen. Durch  diese  Feststellungen  werden  eine  Anzahl 
einfacher  Gleichungen  gewonnen,  die  es  g-estatteu  sollen, 
falsche  Vermuthangen  zu  eliminiren  und  eine  oder  die  an- 
dere unbekannte  Grösse  zu  bestimmen,  d.  h.  auf  andere 
Grössen   zu  reduciren. 

Natürlich  uiuss  man  der  Daten,  auf  die  man  sich 
stützen  will,  sicher  sein.  lu  einer  grossen  Reihe  von 
Gattungen,  namentlich  unter  den  einzelligen  Wesen,  haben 
wir  alle  bisher  bekannten  inid  eine  grosse  Zahl  unbe- 
schriebener Formen  erworben.  Das  giebt  aber  keinen 
genügenden  Maassstab,  weil  man  sich  früher  mit  so  kleinen 
Wesen  der  Hochsee  wenig  beschäftigte.  Von  höheren 
Organismen  sind,  soweit  bis  jetzt  die  Untersuchung  reicht, 
viele  Familien  in  unseren  Fängen  vollzählig  vertreten,  so- 
fern sie  in  unserem  Gebiet,  also  südatlantischer,  arc- 
tischer  und  antarctischer  Ocean,  Mittelmeer  und  Nordsee 
ausgeschlossen,  gefunden  worden  sind.  Zu  den  17  bisher 
in  dem  Atlantic  beschriebenen  Salpeu  und  Dolioliden  hat 
Hr.  Traustedt  zwei  neue  Salpen  hinzufügen  können. 
Eine,  behufs  der  zonalen  Vertheilung  fortgeführte  Unter- 
suchung der  Hrn.  Borgert  und  Apsteiu  hat  ergeben,  dass 
jedenfalls  alle  Dolioliden  und  alle  schon  bekannten 
Salpen  gefangen  wurden.  Für  die  höheren  Krebse  lässt 
sich  aus  der  15earl)eitung  von  Hrn.  Dr.  Ortniann  ent- 
nehmen, dass  zu  den  etwa  47  bisher  sicher  als  den 
pelagischen  Hochseeformen  zuzuzählenden  Dekapoden 
und  Mysideen  11  neue  Arten  hinzukommen,  während 
9  bereits  beschriebene  Arten  nicht  gefangen  worden 
sind.  Viele  Hunderte  unserer  Krebschen  hatten  frei- 
lich in  dem  wilden  Trubel  in  den  mit  Fang  gefüllten 
Gläsern  und  durch  die  nachträgliche  Auslese  ihie  charak- 
teristischen Merkmale  verloren,  so  dass  unter  ihnen  noch 
einige  der  vermissten  Species  enthalten  sein  könnten. 
Ausserdem  vermochten  gerade  diese  Krebschen  vermöge 
ihrer  grossen  Beweglichkeit  dem  Netz  leicht  zu  entfliehen. 
Rechnet  man,  dass  auf  38  bekannte  1 1  neue  Arten  ge- 
fangen wurden,  so  werden  für  die  9  nicht  gefangenen 
noch  etwa  3  unbeschriebene  Arten  zu  erwarten  sein. 
Mögen  auch  di'eimal  so  viele  neue  Species  noch  vor- 
konunen,  so  wunderbar  reich,  M'ie  man  es  bisher  gerne 
wollte,    dürfen  wir  uns   die  Mannigfaltigkeit  des  Oceans 


nicht  mehr  vorstellen.  Sobald  die  Arten  auf  zwcige- 
schleclitliche  Fortpflanzung  angewiesen  sind,  können  sich 
die  Individuen  wenig  \veit  von  einander  entfernen,  sonst 
würden  sie  sich  nicht  vereinigen  können,  daher  beruht  es 
nicht  einfach  auf  Zufall,  wenn  sie  gefangen  werden. 

Die  Planktonfahrt  hat  unzweifelhaft  nicht  alle  bezüg- 
lichen Formen  zur  Untersuchung  geliefert,  aber  die  Sunune 
des  noch  Fehlenden  fällt  für  die  meisten  Familien  nicht 
erheblich  ins  Gewicht.  Es  ergiebt  sich  übrigens,  dass 
mit  etwas  grösseren  Netzen,  etwas  mehr  Zeit  und  mit 
noch  weiter  getriebener,  sofort  gemachter  Auslese  des 
Fangs,  eine  so  gut  wie  erschöpfende  Kunde  der  Plankton- 
rflanzcn  und  Thiei'c  in  der  lichtdurchströmten  Fläche  der 
Hochsee  zu  erlangen  sein  wird.  Dem  Laien  erscheint 
damit  die  Aufgabe  gelost,  für  die  Wissenschaft  aber  ist 
nur  gewonnen,  dass  das  Feld  ganz  urbar  gemacht  wird, 
so  dass  es  mit  sicherem  Erfolg  mit  ihren  Troblemen  be- 
säet und  daraus  Verständniss  der  Natur  geerntet  werden 
kann.  — 

Ich  habe  innner  wieder  zu  betonen,  dass  auf  hoher 
See  die  maassgebenden  Factoren  ungleich  einfacher  sein 
müssen  und  einfacher  sind,  als  auf  dem  Lande  oder  an 
den  Küsten,  also  als  an  allen  jenen  Orten,  von  wo  aus 
bisher  den  Botanikern,  Zoologen  und  Paläontologen  die 
neuen  Formen  in  überwältigenden  und  unerschöpflichen 
Massen   zuströmten. 

Die  Lebensgemeinschaften,  die  Eiei-,  die  jungen  und 
die  alten  Individuen  liegen  uns  vor,  die  Nährpflanzcn, 
die  Pflanzenfresser,  die  Raubthierc  und  Parasiten  wie  sie 
alle  nach  Art  und  Zahl  zusammengehören,  finden  sich, 
mit  Ausnahme  der  ganz  grossen  Raubthierc,  in  einem 
oder  wenigen  Fängen  vereint  bei  einander,  es  fehlt  daher 
nicht  an  l)iologischen  Anknüpfungspunkten.  Die  Materie 
schwillt  an  unter  unseren  Händen. 

Ich  hoffe  nur,  dass  wir  die  erwachsende  Arbeit  glück- 
lich und  solide  beenden  können,  dann  ist  es  sicher,  dass 
die  Expedition  nicht  nur  viele  Thatsaehen  unserer  natur- 
wissenschaftlichen Kunde  hinzufügen  wird,  sondern  dass 
sie  auch  ein  neues  und  ergiebiges  Gebiet  genauer  und 
nach  bestinnntem  System  zu  betreibender  Forschungen 
aufgedeckt  hat.  Hoffentlich  wird  sie  allen  Naticnien 
zeigen  kömien,  wie  dabei  am  richtigsten  und  sichersten 
die  angeschlagenen  Gänge  weiter  zu  treiben  und  aus- 
zubauen sein  werden.  x. 


Ueber  die  Kesnltate  von  48  mit  Tiiberciilin  be- 
liaiidelteii  Tuberculosen  berichten  die  Doctoren  Schiess 
Bey  und  Kartulis  (ans  dem  ägyptischen  Regierungs- 
hospital in  Alexandrien)  in  der  Zeitschrift  für  Hygiene 
und  Infeclionskrankheiten. 

Es  sind  zwei  Jahre  —  sagen  die  Autoren  — ,  dass 
wir  (sofort  nach  der  Koeh'schen  Entdeckung)  das  Tnber- 
culin  gegen  die  Tuberculose  anwenden.  Bis  jetzt  sind  im 
Ganzen  68  Fälle  mit  diesem  Mittel  eingespritzt  worden. 
Mit  Ausnahme  von  7  Lepra-  und  13  Controlfällen  waren 
die  übrigen  48  Tuberculose,  wovon  27  ambulant,  21  aber 
im  Hospital  behandelt  wurden. 

Im  Beginn  des  neuen  Behaudlungsverfahrens  bestand 
imser  Contingent  aus  13  Tuberculosen,  5  Leprösen  und 
2  zweifelhaften  Fällen.  Die  Erfolge,  die  wir  damals  durch 
das  neue  Verfahren  erzielt  hatten,  waren  so  ermuthigend, 
dass  wir  uns  entschlossen,  die  Tuberculinbehandlung  weiter 
fortzusetzen.  Es  war  aber  keine  leichte  Aufgabe,  Kranke 
zu  finden,  bei  denen  Hoffnung  war,  sie  durch  längere 
Zeit  beobachten  zu  können.  Unser  Wunsch  nämlich  war 
anfangs,  dem  Rathe  Koch's  folgend,  nur  Fälle  von  be- 
ginnender   Tuberculose    anzunehmen.     Durch    die    ersten 


Fälle  indess  wurden  wir  bald  belehrt,  dass  das  Tubercuiin 
in  unserem  Klima  als  ein  gefahrloses  Mittel  zu  l)etraehten 
war,  weshalb  auch  vorgeschrittene  Fälle  zur  Behandlung 
herangezogen  werden  konnten.  Die  Erfolge  haben  unsere 
Erwartungen  erfüllt  und  noch  übertroffen. 

Das  Tubercuiin  hat  sich  gegen  den  tuberculösen  Pro- 
cess  als  ein  Specificum  ersten  Ranges  erwiesen. 

Unsere  Kranken,  mit  wenigen  Ausnahmen,  waren 
mittellos  und  ausser  Stande,  sich  ihrem  Leiden  entsprechend 
zu  pflegen.  Auch  die  im  Hospital  Behandelten  wurden 
nicht  in  besonders  gute  Ernährungs-  und  Pflegeverhält- 
nissc  versetzt,  indem  sie  durchaus  nicht  ^on  den  übrigen 
lIos])italkranken    bevorzugt  wurden. 

Wenn  dabei  die  mit  Tubercuiin  behandelten  Fälle 
sich  zusehends  bald  besserten  und  viele  davon  geheilt 
wurden,  während  der  Zustand  der  nicht  mit  Tubercuiin 
behandelten  Flithisiker  sich  verschlimmerte,  muss  dies  nur 
der  Tuberculinbehandlung  zugeschrieben  werden.  Bei 
einer  langjährigen  Ilospitalerfahrung  haben  wir  nie  ähn- 
liche Resultate  gesehen.  Bei  keinem  der  von  uns  früher 
im  Hospitale  behandelten  Phthisiker,  Aegypter,  Euro- 
päer oder  sonstigen  Fremden  konnten  wir  eine  dauernde 


Nr.  51. 


Naturwis.senscliaf'tlichc  Wochenschrift. 


571 


Heilung  feststellen;  allerdings  hatten  wir  in  der  Privat- 
praxis (Tclegenlii'it,  bedeutende  Besserungen  und  selbst 
Heilungen  von  tuberculösen  Processtm  zu  sehen ;  es  han- 
delte sich  daltei  um  leichte  Fälle  in  ihrem  Anfangsstadium, 
und  zumeist  bei  Europäern,  die  durch  günstige  Ver- 
niögensverhältnissc  in  die  Lage  gesetzt  waren,  unser  Klima 
aufzusuchen  und  sich  hier  mit  allem  erdenklichen  Oomfort 
zu  umgeben. 

Gesetzt  auch,  vorgeschrittenere  Erki'ankungen  ki'innten 
durch  unser  Klima  günstig  beeinllnsst  werden,  wie  viele 
Kranke  sind  in  der  Lage,  diese  kostspielige  ürhandlungs- 
weise  sieh  zu  versehaft'enV 

Davon,  dass  das  Tuberculin  nicht  nur  ein  vorzüg- 
liches, sondern  auch  ein  gefahrloses  Mittel  ist,  wenn  es 
mit  Vorsicht  den  Kranken  einverleibt  wird,  überzeugten 
wir  uns  bei  den  ambulant  behandelten  Kranken.  Obwohl 
viele  derselben  mit  vorgeschrittenen  Leiden  beliaftet  waren 
und  elend  aussahen,  konnten  wir  in  keinem  l'^alle  eine 
naehtheilige  ^Virkung■  des  Mittels  beobachten.  Unerklärlich 
sind  uns  deshalb  verschiedene  ungünstige  Mittheilungen 
über  die  Wirkung  des  Tuberculins.  Auf  dieselben  hier 
einzugehen,  ist  nicht  der  Zweck  dieser  Arbeit,  aber  nicht 
unerwähnt  möchten  wir  lassen,  dass  hierin  wieder  ein  zu 
grosser  Eifer  den  grössten  .Schaden  hervorgeljracht  hat. 
Eine  chronische  Krankheit  wie  die  Tubereulose  mit  Erftilg 
zu  bekämpfen,  erheischt  vor  allem  Geduld.  Und  welch' 
unmögliche  Hoffnungen  hat  man  in  das  Tuberculin  ge- 
setzt. Obwohl  Koch  in  seiner  zweiten  Mittheilung  den 
Schwerpunkt  seines  Heilverfahrens  in  die  möglichst  früh- 
zeitige Anwendung  des  Mittels  legte,  indem  er  sagte: 
„Das  Anfangsstadium  der  Phthise  soll  das  eigentliche 
Object  der  Behandlung  sein,  weil  sie  diesem  gegenüber 
ihre  Wirkung  voll  und  ganz  entfalten  kann",  zog  man 
doch  zur  Behandlung  alle  Stadien  der  Tuberculose  heran; 
und  wenn  die  ersehnten  Erfolge  auch  in  den  schlimmsten 
Fällen  ausblieben  und  die  Krankheit  ihren  gew(ihnlichen 
Verlauf  nahm  und  sich  verschlimmerte,  sollte  das  Tuberculin 
allein  schuldig  sein.  Nach  unserem  Dafürhalten  seheinen 
zwei  Factoren  hierbei  eine  Rolle  gespielt  zu  haben.  Einer- 
seits die  ungeeignete  Wahl  der  Fälle,  und  andererseits 
die  grossen  Dosen,  die  man  anfangs  anzuwenden  pflegte. 
Bei  genauerer  Untersuchung  der  zu  behandelnden  Kranken 
mit  s<n-gfältiger  Individualisirung  nebst  Anwendung  sehr 
geringer  Anfangsdosen  läuft  man  keine  Gefahr,  einen 
Schaden  zu  bringen. 

Dass  das  Tuberculin  in  Verbindung  mit  der  klimatischen 
Kur  und  diätetisch -hygienischer  Behandlung  sicherer  die 
Heilung  fördert,  ist  uns  selbstverständlich.  Wir  anerkennen 
auch  gern  den  Vortheil  unserer  Kranken,  nämlich  das 
milde  ägyptische  Klima,  Es  ist  schon  seit  alten  Zeiten 
bekannt,  dass  Brustkranke  ihre  Heilung  in  Aegypten 
suchten.  Unser  Alexandriner  Klima  insonderheit  zeichnet 
sich  durch  eine  gleichmässige  Wintertemperatur  aus.  Der 
kalten  Tage  im  Jahre  sind  sehr  wenige,  und  sehr  selten 
sinkt  die  Temperatur  unter  -t-8°  C,  Die  Temperatur- 
Schwankungen  betragen  höchstens  5°,  gewöhnlieh  2°  bis 
3°,  so  dass  die  Nächte  nicht  so  kühl  sind  wie  in  Cairo 
und  Oberägypten.  Der  Regentage  sind  gleichfalls  wenige. 
Der  Sommer,  welcher  von  Anfangs  Jlai  bis  Ende  November 
dauert,  ist  allerdings  in  den  Monaten  August,  Seniptembcr 
und  October  sehr  feucht,  die  Temi)eratur  steigt  aber  sehr 
selten  über  +  30°  C.  in  den  heissesten  Sonnncrtageu,  und 
die  Luft  wird  im  Sommer  durch  Nordwinde  abgekühlt. 
Dadurch  werden  die  Kranken  in  den  Stand  gesetzt,  sich 
den  ganzen  Tag  im  Freien  bewegen  zu  können,  und  sehr 
selten  hat  man  sich  gegen  ungünstiges  Wetter  zu  schützen. 
Durch  diese  günstigen  klimatischen  Verhältnisse  war  der 
Gedanke  nahe  gelegt,  dass  wir  einen  Theil  unserer  Kranken 
ambulant    behandeln    könnten.     Nur    bei  wenigen  Fällen  i 


haben  wir  die  Hospitalbehandlung  der  ambulanten  vor- 
gezogen, jedoch  betraf  dies  nur  Kranke,  die  unter  sehr 
schlechten  Verhältnissen  loljten,  oder  deren  Leiden  weit 
vorgeschritten  war. 

In  den  letzten  Jahren  sind  mehrere  Mittel  gegen  die 
Tuberculose  empfohlen  worden.  Wir  begnügen  uns,  hier 
um-  das  Arsen,  das  Tannin,  das  Jodoform,  insbesondere 
aber  das  Creosot*)  und  Guajakol  zu  nennen.  In  dem  Zeit- 
räume von  sieben  Jahren  haben  wir  in  unserem  Hos])ital, 
so.vie  auch  in  der  Piivat])raxis  iiei  durchschnittlich  30'J 
Schwindsüchtigen  im  Jahre  alle  dii'se  Mittel  angcuandl, 
wir  müssen  aber  gestehen,  dass  wir  mit  keinem  von  diesen 
Mitteln  in  unserem  Klima  einen  nciuienswcrtlien  Erfolg 
gesehen  haben. 

Das  Tubi'rculin  setzt  uns  in  den  Stand,  beginnende 
Tuberculose  unter  ganz  gewohnlichen  Verhältnissen  zu 
behandeln.  Die  Kraidcen  können  damit  auch  ambulant  be- 
bandelt werden  und  ihrer  Beschäftigung  nachkommen.  Auch 
vorgeschrittene  Kranke,  wenn  sie  dur"h  die  Tubereulin- 
behandlung  gebessert  werden,  werden  bald  arbeitsfähig. 
Unter  unseren  Krankengeschichten  findet  man  Fälle  von 
sehr  vorgeschrittener  Phthise,  deren  Träger  während  der 
Behandlung  nicht  einen  Tag  ihre  Beschäftigung  unter- 
brochen haben. 

Bei  beginnender  Tuberculose  führt  das  Tuberculin 
sicher  und  rasch  zur  Heilung;  demnach  ist  es  auch  mit 
keiner  anderen  Kur  und  mit  keinem  von  den  bereits  be- 
kannten Mitteln  zu  vergleichen. 

Wenn  wir  die  mit  Tuberculin  behandelten  Fälle  einer 
kurzen  Uebersieht  unterwerfen,  so  fällt  vor  Allem  auf, 
dass  durch  dieses  .Alittel  geringe  Veränderungen  in  den 
Lungen  (I.)  leicht  und  in  kurzer  Zeit  heilbar  sind.  Vor- 
geseln-ittene  Fälle  (II.)  beanspruchen  längere  Zeit,  um  ge- 
heilt zu  werden,  während  weit  vorgeschrittene  Phthisis  i  III.) 
wenig  Aussicht  auf  Heilung  bietet.  Die  Kranken  der 
ersten  Gruppe  erforderten  eine  bis  vier  Jlonate  dauernde 
Behandlung,  um  gesund  erklärt  zu  werden.  Die  kürzeste 
Behandlungszeit  dieser  Kategorie  war  drei  Jlonate.  Je 
nach  der  Intensität  der  Erkrankung  erfolgte  die  Heilung 
bei  den  zwei  folgenden  Gruppen  nach  einem  viel  längeren 
Zeitraum.  Eine  bedeutende  Rolle  spielen  hierbei  die 
hygienischen  Bedingungen,  sowie  auch  die  Ernährung  der 
Kranken.  Wenn  einige  unserer  Patienten  nur  kurze  Zeit 
zur  Besserung  bezw.  Heilung  gebraucht  haben,  so  nniss 
dies  den  guten  Verhältnissen,  unter  welchen  dieselben 
lebten,  zugeschrieben  werden. 

Die  Behandlung  eines  Phthisikers  erheischt  nach 
unserer  Erfahrung  eine  grosse  Geduld  und  Ausdauer,  so- 
wohl von  Seite  des  Patienten  als  auch  von  der  des  Arztes. 
Bei  Beginn  der  BehantUung  stellten  wir  uns  die  erforder- 
liche Zeit  als  eine  viel  kürzere  vor.  Einige  Fälle  bieten 
allerdings  einen  rascheren  Heiluugsverlauf,  andere  dagegen 
zeigten,  wie  vorsichtig  mau  mit  der  Heilungserklärung 
sein  musste. 

In  Bezug  auf  die  Heilung,  ob  dieselbe  eine  dauernde 
ist  oder  nur  kurze  Zeit  dauert,  betindcn  wir  uns  in  der 
glücklichen  Lage,  versichern  zu  krmnen,  dass  in  den  bis 
jetzt  als  geheilt  erklärten  Fällen  die  Heilung  eine  end- 
gültige ist.  So  ist  ein  Patient,  welcher  die  letzte  Ein- 
spritzung am  4.  April  1891  erhielt,  bis  heute,  18  Monate 
nach  seiner  Entlassung,  ganz  gesund  geblieben. 

Sehr  nachtheilig  war  für  die  Tubercuhisen  die  Aus- 
setzung des  Mittels  während  der  Behandlung,  AVir  haben 
nämlich  beobachtet,  dass  bei  Kranken,  die  oft  während 
der  Einspritzungstage  abwesend  waren,  oder  sogar  auf 
längere  Zeit  die  Einspritzung  einstellten,  der  Erfolg  aus- 
blieb.   Solche  Fälle  boten  während  dieser  Zeit  eine  Nei- 


*)  Vergl.  „Naturw.  Woclicuschr.'-  VI,  S.  .518.  —  Red. 


572 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  51 


n-ung-  zur  Verschlimmerung-.  Wir  gewannen  daher  den 
Eindruck,  dass  während  der  l'-ehandlung  das  Mittel  auf 
längere  Zeit  nicht  ausgesetzt  werden  darf. 

Die  beiden  Autoren  ziehen  aus  ihren  Beobachtungen 
die  folgenden  Schlüsse: 

1.  Beginnende  Lungcnphthisis  ist  mit  dem  Tuberculin 
sieher  und"  binnen  3  bis  4  Monaten  zu  heilen.  —  2.  Vor- 
geschrittene Fälle  von  Phthisis  heilen  langsam,  von  sechs 
Monaten  bis  zu  einem  Jahr.  —  3.  Schwere  Fälle  mit 
nicht  sehr  grossen  Cavernen  können  unter  besonderen 
günstigeren  hygienischen  Verhältnissen  geheilt  werden.  — 
4.  Sehr  schwere  Fälle  mit  grossen  Cavernen,  hektischem 
Fieber  und  Nachtschweiss  sind  für  die  Tni)erculinbehand- 
lung  nicht  geeignet.  —  5.  Ilauttuljcreulose,  wie  Scrophul- 
odernia,  Hautgeschwüre  werden  schneller  als  Lupus  ge- 
lieilt.  —  6.  Gewisse  Formen  von  Knochen-  bezw.  Gelenk- 
tuberculose,  sowie  Drüsentuberculose  werden  mit  Tuberculin 
und  mit  Combiuation  von  chirurgischen  Eingriffen  schneller 
geheilt  als  mit  chirurgischen  Eingriffen  allein.  —  7.  Das 
Tuberculin  ist  ein  gefahrloses  iAlittel,  wenn  es  in  kleinen 
Anfangsdosen  verabreicht  wird.  —  8.  Kleine  Dosen  allein 
von  Tuberculin  sind  nicht  im  Stande,  eine  dauernde  Heilung 
der  Tuberculose  zu  bewirken.  —  9.  Das  ägyptische  Klima 
eignet  sich  besonders  für  die  Tuberculinbehandlung.  — 
10.  Die  poliklinische  Behandlung  der  Lungentuberculose 
mit  dem  Tuberculin  ist  nur  bei  leichten  Fallen  angezeigt, 
schwere  Fälle  müssen  in  Anstalten  behandelt  werden. 


ein  so  gut  wie  absoluter  Schutz  gegen  Mikroorganismen 
ist,  können  dann  durch  diese  kleine  Verletzungen,  wenn 
sie  auch  nur  mikrciskopisch  sind,  alle  möglichen  Bacterien 
und  Sporen  in  den  Körper  eindringen;  daher  die  l)e- 
sondere  Gefährdung  derjenigen  Personen,  welche  über- 
grosse, zu  Entzündungen  neigende  Mandeln  besitzen! 

Schaefer. 


Symbiose    und    Kampf  ums    Dasein     unter    den 
Mikro'bien.  —  Ein  Vortrag  von  Nowack  „Ueber  Misch- 
infection  im  Allgemeinen  und  bei  Gonorrhoe  im  Besonderen" 
(Sitzung    vom    17.  Deeembcr    181)2    der    Gesellschaft    für 
Natur-    und    Heilkunde    in  Dresden,   Jahresbericht    1893, 
S.    48)    giebt    eine     interessante    Zusammenstellung     der 
wichtigsten    bisherigen    Arbeiten    über    die    gegenseitige 
Beeintiussung  von  Mikrobien,  die  zusammen  auf  dem  näm- 
lichen Nährboden  wachsen.'    Zum    grossen  Theil    ist    der 
Charakter  derselben  der  einer   Hcnnnung.     So  heben   die 
Bacillen  des  blauen  Eiters  sowohl  im  Reagenzglas  wie  im 
Thierkörper  die  Virulenz  der  Milzbranderreger  auf.     Des- 
gleichen sind  Erysipelcoccen  und  Friedländersche  Bacillen 
Antagonisten  des  Milzbrandes,    während    andererseits  der 
B.  fluorescens  putridus  ein  Gegner  des  Typhusbacillus  ist. 
Neben  diesen  antagonistischen  Bacterien  giebt  es  nun  eine 
ebenso    grosse    Zahl    symbiotischer,     d.    h.    solcher,    die 
friedlich  und  gedeihlich  auf  der  nämlichen  Stelle  mit  ein- 
ander   wachsen,    und    endlich    metabiotischer    Mikrobien, 
d.  h.  solcher,  die    sich    gegenseitig    den  Nährboden    erst 
tauglich  machen.     Letzteres  geschieht  z.  B.  dadurch,  dass 
Aerobien  zu  Gunsten  von  Anaerobien  den  Sauerstoff   der 
Umgebung    absorbiren;    dass    die    eine    Art    die    für    die 
zweite  nöthige  Wärme  producirt;  oder  dass  gewisse  Spalt- 
pilze den  Nährboden  für  andere  ehemisch  präpariren.    So 
gelingt  es,  um  nur  ein  Beispiel  zu  geben,  durch  Impfung 
mit  B.  prodigiosus  Kaninchen,  die  sonst  dagegen  immun 
sind,  für  mafignes  Oedem    empfänglich    zu  machen.     Als 
Paradigmata  für  die  Symbiose  können  verschiedene  Misch- 
infectionen,  so  das  Eindringen  von  Eitererregern  in  tyi»höse 
Darmgeschwüre,    die    mancherlei    Nachkrankheiten    nach 
der  Influenza  und  dem  Tripper  u.  a.  m.  angesehen  werden. 
Hierher     gehört     auch,     wie     Referent    der    allgemeinen 
WichtigkeU  der  Thatsache  wegen  hinzufügen  möchte,  die 
öfter  zu  machende  Beobachtung,  dass  eine  Hals-  und  vor 
allem  eine  Mandelentzündung  die  Veranlassung  einer  mehr 
oder  weniger  schweren  lufectionskrankheit  werden  kann. 
Die  rasche  Schwellung  entzündeter  Mandeln  lässt  nämlich 
Risse    in    dem    nicht    genügend    dehnbaren    Schleimhaut- 
überzuge entstehen.     Während    eine    intacte    Schleimhaut 


Ueber  einen  eigenthüniHclien  Aufentlialtsoi-t  der 
Afterskor]»ione,  zu  denen  unser  bekannter  Büchcrskorpion 
gehört,  nändieh  den    Körper    anderer  Gliederfusser,    sagt 
Ludwig  in  Leunis  Synopsis  der  Thierkunde,  3.  Auflage, 
2.  Bd., 's.  569:  .,mitunter  trifft  man  sie,  wie  schmarotzend, 
auf  dem  Körper  von  Fliegen,  Ohrwürmern,  Wanzen,  After- 
spiimen  u.  s.  w.  an."     Es  sind  für  diese  wenig  l)ekaunte 
Thatsache  neuerdings  mehrere  Belege    bekannt    gemacht 
worden.     F.  v.  Wagner  beschreibt  einen  Fund,   der  bei 
Schwerin  gemacht  worden  ist  (Zool.  Anz.  No.  406,  S.  434). 
Eine  Schnake  oder    Kammmticke,    Ctenophora    pecti- 
nicornis,    trug    au    den    Beinen    vier  Exemplare    eines 
augenloscn  Chernes.     Sie  hatten  sich,    ohne    ihre  Beine 
zu  benutzen,    mit    ihren  Scheeren    am   Ober-  oder  Unter- 
sehenkel   der  Fliege    angeklammert.     Offenbar   benutzten 
sie  das  Kerbthier    nur    als  Mittel,    einen    anderen  Ort  zu 
erreichen.     F.  Leydig    theilt    mit    (Zool.    Anz.  No.  411, 
S.  36),  dass  er  den  Bücherskorpion    an    der    Afterspinne 
Phalangium  opilio  sowie  an  einer   Sehmeissfliege    an- 
traf.    Er    ist  jedoch  der  Meinung,    dass    hier    nicht   nur 
Schmarotzerthum  vorgetäuscht  wird,  sondern  wirklich  vor- 
liegt.    Die    Skorpione  stechen  wohl  ihre  Wohnthiere    an. 
Bestärkt  wird  Leydig  in  dieser  Ansicht  dadurch,  dass  er 
an  einem  brasilianischen  Bockkäfer,   Acrocinus    longi- 
manus,    unter    den  Flügeln    einen  stattUchen    Chelifer 
americanus  fand.     Es  handelt  sich  hier  wohl  um,  wenn 
auch    gelegentlichen,    Parasitismus.      Ergänzend    bemerkt 
weiter "H.  v.  Iheriug,  dass  er  unter  den  Flügeln  zweier 
Pyrophorusarten     oft     Chernetiden     fand.      Auch     auf 
anderen  Käfern  fanden    sie    sich.     Ihering    schliesst   sich 
der  Ansicht  Wagners    an-,    die  Stelle    unter    den  Flügeln 
würde  gewählt,    weil    hier    Schutz   vorhanden  sei.     Doch 
hält  er  "eine  auf  die  Lösung  der  Frage  abzielende  Unter- 
suchung   für    erforderlieh.      Jedenfalls    würde    ein    Orts- 
wechsel der  baumbewohnenden  Skorpione  und   .Milben  in 
den    Cami)ros    ohne    diese    „Reitthiere"    schwerlich    auf 
weitere    Strecken    gelingen.      Verfasser    ist    der   Ansicht, 
dass  vielleicht  die  Ansiedelung  der  Unio-Embryonen  auf 
Cypriniden  Europas    auch    hierher    gehört.      In    l)eiderlei 
Fällen     würde     der     vermuthliche     „Commeusale''     oder 
„Parasit"  nur  ein  „Reitgast"  sein.  C.  M. 


Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben. 

Es  wurdmi  ernannt:  Bergrath  von  Bcrnuth  in  Witten 
:i  d  liuhr  ziuii  Obevbergratli.  —  An  der  Technischen  Hochschule 
in  München  Privatdocent  Dr.  M.  Edrlmuun  zum  ausserordent- 
liclu'n  Professor  der  Pliysilc  -  und  Privatdocent  Dr.  K  Luide 
zum  I'lxtraordinarius  für  mechanische  Teclm(dogie.  —  Dr.  W  1 1 1 1  am 
Patten  zum  Professor  der  Biologie  am  Darmouth  College  in 
Hannover,  New  Hampshire,  U.S.  -  Dr.  Braun  zum  Assist_enten 
am  mineralogischen  Institut  der  Technischen  Hochschule  ni  Karls- 
ruhe —  Ob.^rbergrath  Salscha  in  Ivrakau  zum  Berghauiitmaini. 
—  Der  Privatdocent  für  Frauenheilkunde  an  der  Universität  Ijerlin 
i:)r.  August  Martin  zum  Professor.  . 

Dr.  Adolf  Karl  Vogt,  ordentlicher  Professor  der  Hygiene 
an  der  Universität  Bern,  legt  sein  Lehramt  nieder. 

Es  sind  gestorben:  Unser  Mitarbeiter,  der  Professor  der  Botanik, 
an  der  Universität  Wien,  Dr.  Josef  Boehm.  -  Der  Physiker 
Dr  John  Tyndall  in  London.  —  Der  Bibliothekar  an  lUt  Kg. 
Biblioth.'k  Dr.  W  i  1  h  e  1  in  G  r  ii  t z  m a  ch e  r  in  Berlin.  -  Der  General- 
Consul  G.  II.  von  Kreitner,  bekannt  als  Geograph  und  Keise- 
Schriftsteller,  in  Yokohama.  —   Der  Chemiker  am  Owens  College 


Nr.  51. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


r)73 


.losi'ph  Hey  wood  in  London.  —  Dhi- iiiusHcrordentliche  Professor 
der  Geologie  an  der  Universität  Halle  Dr.  David  August  Brauns 
in  Gauderslieim.  —  Der  Technologi'  Dr.  G.  van  Muyden  in 
Friedenau  bei  Berlin.  —  Der  Professor  tier  Mathematik  nrul  Astro- 
nomie an  der  Universität  Zürich  Dr.  Rudolf  Wolf. 


L  i  1 1  e  r  a  t  u  r. 

Sanitätsrath   Dr.  Max  Bartels,    Die  Medicin  der  Naturvölker. 

Ethniihigiseln'  Bcirräge  zur  Urgesi-iiiehte  der  Medicin.  Mit 
175  Original  -  Holzscluiitten  im  Text.  Leipzig.  Th.  Grieben's 
Verlag  (L.  Fernau).     1893.  —  Preis  9  Mk. 

In  allen  Zweigen  der  Wissenschaft,  mag  es  die  Medicin, 
.Juristerei,  Botanik,  Zoologie  oder  sonst  etwas  sein,  giebt  es  grosso 
Gebiete,  weh-Iie  bisher  wenig  oder  gar  nicht  bearbeitet  sind.  Es 
inuss  nur  „der  richtige  Mann"  konnnen  zur  Bearbeitung  dieser 
Gebiete,  und  man  ist  erstaunt,  welche  Fülle  des  Hochinteressanten 
und  Wichtigen  zu  Tage  gefördert  wird.  Ein  solcher  ist  auch  der 
Verfasser -vorstehenden  Werkes.  Als  hervorragender  Anthropologe 
längst  bekannt,  erwarb  er  sich  unschätzbare  Verdienste  dureli 
Herausgabe  und  spätere  völlige  Neubearbeitung  von  Ploss  „Das 
Weib",  ein  Werk,  das  in  den  beiden  letzten  Anflagen  die  Schöpfung 
Bartel's  ist.  und  dessen  hohe  Bedeutung  von  jedem  Anthropologen 
und  Gynäkologen,  wie  von  jedem,  der  für  die  Culturgeschichte 
Interesse  zeigt,  anerkannt  ist.  Das  vorliegende  Werk  schliesst 
sich  dem  genannten  würdig  an.  Es  sind  in  demselben  nicht  die 
Krankheitsarten  besprochen,  denen  die  Naturvölker  unterworfen 
sind,  sondern  die  medicinischen  Anschauungen,  welche  sie  haben, 
und  die  Mittel  und  Wege,  wie  sie  sich  mit  den  Krankheiten  ab- 
linden. Ein  immenses  Material  ist  in  dem  Werk  verarbeitet,  und 
je  mehr  man  in  demselben  liest,  um  so  mehr  begreift  man.  welche 
grosse  Ausdauer  und  Mühe  dazu  gehört,  das  Material  zu  sichten 
und  die  Uebersicht  zu  gewinnen,  wie  sie  das  Werk  zeigt.  Un- 
gemein werthvoll  für  das  Verständuiss  ist  die  grosse  Zahl  von 
Abbildungen,  welche  zum  grössten  Thoil  nach  eigenen  photo- 
graphischen Aufnahmen  von  Gegenständen  des  Kgl.  Museums 
für  Völkerkunde  in  Berlin  angefertigt  sind.  Viele  der  ethno- 
graphischen Gegenstände  werden  dadurch  überhaupt  zum  ersten 
Male  in  Abbildungen  vorgeführt.  In  einem  besonderen  Anhang 
sind  sämmtliclie  Abbildungen  mit  grosser  Genauigkeit  erklärt. 
Ebenso  sind  in  einem  besonderen  Anhang  die  im  Ti>xt  ungemein 
zahlreichen  geographischen  und  Völkernamen  alphabetisch  geordnet 
und  erlä\itert:  eine  sehr  zweckmässige  Einrichtung. 

Das  Buch  wird  eingetheilt  in  15  grössere  Abtheilungen,  von 
denen  jede  eine  Zahl  von  Unterabtheilungen  hat.  In  der  ersten 
Abtheilung  ist  von  den  „Quellen  zu  einer  Vorgescliichte  der  Me- 
dicin" die  Rede.  Die  zweite  behandelt  „die  Krankheit",  und  zwar 
zunächst  „das  Wesen  der  Krankheit".  Vielfach  werden  die  Krank- 
heiten mit  den  Dämonen  in  ursächliche  Verbindung  gebracht,  wie 
es  ja  auch  Martin  Luther  that,  der  es  als  zweifellos  hinstellte, 
d<ass  Pestilenz,  Fieber  und  andere  schwere  Krankheiten  nichts 
anderes  seien,  denn  des  Teufels  Werke.  Eine  Anzalil  von  Völker- 
schaften ninunt  an,  dass  der  böse  Geist  in  den  Körper  hinein- 
fährt und  nun  ist  es  die  Krankheit.  An  eine  derartige  Besitz- 
ergreifung durch  einen  Dämon  glauben  u.  A.  Stämme  in  Alaska 
und  Britisch-Columbien,die  Austral- Neger  in  Victoria,  die  Siamesen. 
Andere  nehmen  wieder  an,  dass  die  Dämonen  von  bestimmten 
Körperthoilen  Besitz  ergreifen,  so  die  Mos((üito -Indianer  in  Hon- 
duras; auch  die  alten  Assyrer  und  Akkader  hatten  ähnliche  An- 
schauungen. Im  Seranglao-  und  Gorong  -  Archipel  —  d.  i.  im 
östlichen  malayischen  —  fährt  nicht  der  Dämon  selber,  sondern 
dessen  Schatten  in  den  Kranken  hinein  und  verzehrt  die  Ein- 
geweide des  Betreffenden.  Von  den  zahlreichen  Kranhkeitsdämonen 
in  Slam  leben  einige  in  Wäldern,  diese  fallen  von  den  Bäumen 
auf  die  Vorübergehenden  oder  sie  stellen  Netze.  Den  europäischen 
Völkern  ist  der  Begriff  der  Besessenheit  wahrscheinlich  durcli 
biblische  Vorstellungen  zum  Bewusstsein  gekommen.  Der  deutsche 
Sprachgebrauch  beweist  die  Art  der  Auffassung  zur  Genüge.  Die 
Krankheit  tritt  an  den  Menschen  heran,  sie  packt  und  ergreift 
ihn,  sie  wirft  ihn  nieder,  rüttelt  und  schüttelt  ihn,  zehrt  und  nagt 
an  ihm,  tödtet  ihn  oder  lässt  ihn  wieder  los,  so  dass  ihr  der 
Mensch   glücklich  entrinnt. 

Bildlichen  Darstellungen  von  Krankheitsdämonen  begegnen 
wir  verliültnissniässig  selten.  Bei  den  Singhalesen  werden  sie 
durch  Holznuisken  dargestellt,  mit  allen  möglichen  Farben  bi'uialte, 
widerwärtig  verzerrte  Menschengesichter.  Auch  die  Onondasa- 
Indianer  in  Nordamerika  haben  Ilolzmasken,  welche  die  bösen 
Geister  Hondoi  bediuiten,  die  den  Menschen  Krankheit  und  Un- 
glück bringen.  Versöhnt  werden  sie  durch  Tänze,  wie  durch 
Speise-  und  Tabaksopfer.  Ebenso  finden  wir  bildliche  Darstellungen 
bei  den  wandernden  Zigeunern  des  südöstlichen  Europa.  „Die- 
selben glauben,  dass  Ana,  die  schöne  Königin  der  Keshalyi  oder 
Feen,  sich  wider  ihren  Willen  mit  dem  abscheulichen  Könige  der 
Lo(;olico,   der  Dämonen,   vermählt  und  ihm  neun  Kinder  geboren 


habe.  Das  sind  dii'  neun  jMise<;e,  die  Bösen,  d.  h.  die  Dämonen, 
welche  Krankheiten  bringen.  .Sie  gingen  mit  (ünander  Ehen  ein 
und  haben  luizählige  Kinder  gezeugt,  welche  ähnliche  Eigenschaften 
wi(^  die  Eltern  besitzen.  Hieraus  erklären  sich  die  vielfachen 
\'ariationen  im  Vi-rlaufe  der  Krankheiten.  Um  .«ich  vor  diesen 
Dämonen  zu  schützen,  muss  man  seinen  Leib  oder  seinen  Arm 
mit  einer  besonderen  Binde  umgeben,  in  welche  das  Abbild  des 
Dämons  in  bestimmten  Farben  von  der  Zauberfrau  hineingenäht 
ist.  Auch  in  kh-inp  Holztäfeh-hen  brennt  sie  die  Däinoneniigurei) 
mit  einer  glühenden  Xadel  ein."  Von  diesen  neun  Dänicjuen  wollen 
wir  hier  anführen  Shilalyi.  die  Kalte,  von  der  Gestalt  einer 
kleinen  weissen  Maus  mit  unzähligen  Füssen,  .<ie  erzeugt  das  kalte 
Fieber;  Bitoso,  den  Fastenden,  er  verursacht  Kopf-  und 
Magenschmerzen  u.  s.  w.,  „er  hat  die  Gestalt  eines  vielköpfigen 
kleinen  Wurmes,  der  in  dem  betr.  Körpertheil  durch  seine  un- 
gemein raschen  Bewegungen  .Schmerzen  verursacht";  Minceskre, 
die  vom  weiblichen  Geschlech  tst  h  e  il  e,  verursacht  die 
Krankheiten  der  Genitalien  sowohl  bei  den  Frauen,  wie  bei  den 
Männern,  mit  Fiinschluss  aller  venerischen  Erkrankungen.  Sie  ruft 
diese  Krankheiten  dadurch  hervor,  dass  sie  des  Nachts  als  ein 
haariger  Käfer  über  den  Leib  des  Menschen  hinwegkriccht." 

Es  sind  ferner  die  Seelen  der  Verstorbenen,  welche  Krank- 
heiten bringen.  Sie  trennen  sich  nach  dem  Tode  vom  Körper, 
fliegen  in  der  Luft  herum  und  suchen  sich  einen  amleren  Körper 
als  Wohnung  aus,  der  dann  ebenfalls  krank  wird.  Solche  An- 
schauungen finden  wir  bei  den  .Jakota-Indianern  und  auf  einigen 
Inseln  des  malayischen  Archipels.  Besonders  gefürchtet  werden 
von  einigen  Völkern  die  Geister  von  Frauen,  welche  während  der 
Entbindung  oder  im  Wochenbett  starben,  ferner  u.  A.  von  Jung- 
frauen, vcin  todtgeborenen  oder  gleich  nach  der  Geburt  gestorbenen 
Kindern.  Die  Krankheit  als  Thier  aufgofasst,  das  in  den  Körper 
gerathen  ist,  finden  wir  sehr  häufig.  Gbenan  steht  der  Wurm, 
welcher  mancherlei  Krankbi'iten  veranlasst,  aber  wir  finden  ferner 
ein  Inseet,  den  Frosch,  die  Schlange,  den  Hirsch,  Bär  u.  s.  w.  Ein 
Vogel  im  Kopfe  des  Kranken  veranlasst  auf  Eetar,  nördlich 
Timor,  die  Epilepsie,  auf  den  Tanembar-  und  Tinialao  -  Inseln 
«ausserdem  Geisteskrankheiten.  Der  Deutsche  sagt  ja  auch.  Jemand 
hat  einen  Vogel  oder  einen  Vogel  im  Kopfe.  Aber  auch  fremde 
Substanzen  im  Körper  sind  die  Krankheit,  Strohhalme  bei  den 
Australnegern  in  Victoria,  eine  Bohne  ]nn  den  Xosa-Kaftern,  ein 
I^rdklumpen  auf  Eetar,  ein  Stück  Kohle  in  Süd-Australien.  Ein- 
zelne Indianerstämme  Nordamerikas  betrachten  als  die  verkörperte 
Krankheit  ein  Eisenstück,  aber  auch  die  Tatzen  des  Bären,  die 
Stacheln  des  Stachelschweines  u.  s.  w.  Eine  besondere  Art  von 
Fremdkörpern  ist  das  in  den  Körper  des  Kranken  eingedrungene 
magische  Geschoss,  in  Form  einer  Gewehrkugel,  eines  Steines, 
einer  Kugel  von  Haaren.  Die  Ipurina-Indianer  in  Brasilien  glauben, 
dass  Abwesende  von  ihren  Medicin -Männern  durch  ihre  mit 
magischer  Kraft  versehenen  Medicin  Steine  verletzt  und  getödtet 
werden  können.  „Der  Medicin  Mann  wirft  sie  in  der  entsprechen- 
den Richtung,  in  welcher  er  tien  Auserlesenen  vermuthet,  gegen 
diesen.  Derselbe  empfindet  dann  sofort  einen  heftigen  Stich,  wie 
von  einer  Wespe,  und  von  dieser  Zeit  an  siecht  er  langsam  dahin 
und  stirbt."  Einige  Indianer  des  westlichen  Nordamerikas  glauben, 
dass  eine  magische  Kugel  oder  ein  Stein  in  das  Herz  geschossen 
werden  kann,  der  die  Krankheit  erzeugt  und  nach  dem  Tode  noch 
darin  gefunden  werden  könne.  Aehnliches  haben  wir  bei  unserem 
Hexenschuss,  den  die  Einwohner  von  Wales  als  Elbenscbuss 
bezeichnen.  In  Irland  wurden  von  Bauern  als  Amulet  gegen  den 
Elbenscbuss  in  Silber  gefasste  Feuerstein -Pfeilspitzen  gebraucht, 
die  sie  als  Eiben -Pfeile  betrachteten.  Die  Ansicht,  dass  die 
Krankheit  eine  Strafe  sei,  ist  fast  über  die  ganze  Welt,  und  wie 
Jedermann  weiss,  bei  den  civilisirten  Nationen  verbreitet.  „Un- 
endlich erfindungsreich  ist  der  menschliche  Geist  in  Versuchen, 
seinen  Nebenmenschen  Schaden  zu  bringen;  und  so  trefi^en  wir 
auch  die  complicirtesten  Maassnahmen,  durch  welche  ein  ver- 
hasster  Gegner  krank  gemacht  oder  gar  getödtet  werden  soll. 
Für  gewöhnlicdi  wird  ein  langsames  Dahinsiechen  bezweckt,  und 
nur  selten  handelt  es  sich  um  directe  Vergiftungen.  Meistentheils 
ist  es  irgend  eine  Form  der  Behexung,  der  Bezauberung  oder  das 
Auslegen  eines  magischen  Giftes,  welches  nur  in  eine  gewisse 
Nähe  von  dem  ausei-korenen  Opfer  zu  gelangen  braucht,  um  seine 
schädlichen  Wirkungen  zu  entfalten.  Die  Bezauberungen  jedoeli 
sind  auf  unglaubliche  Entfernungen  hin  wirksam,  untl  von  dem 
unfehlbaren  Eintreten  des  gewünschten  Erfolges  ist  der  diui  Zauber 
Ausübende  fest  überzeugt,  ebenso  wie  sehr  häufig  irgend  ein  Er- 
krankter keinen  Augenblick  darüber  im  Zweifel  ist,  dass  er  seine 
Leiden  den  Zaubermanipulationen  irgend  eines  Feindes  in  der 
Ferne  zu  verdanken  habe."  Auf  einigen  Inseln  südlich  Neu- 
Guinea  gräbt  man  verderbenbringende  Gegenstände  in  die  Erde; 
geht  das  auserwählte  Ojifer  über  diese  Stelle  hin,  so  bricht  die 
beabsichtigte  Krankheit  bei  ihm  aus.  Auf  den  Timorlao- Inseln 
hat  das  Vergraben  dieser  Gegenstände  den  Sinn,  dass  sie  beim 
Darüberschreiten  in  den  Kiirper  hineinfahren  und  nun  die  Krank- 
heit sind.  Unter  Verwünschungen  werden  zu  diesem  Zwecke 
Dornen,    spitze    Steine,    Fischgräten  u.  s.  w.   vergraben.     Vermag 


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Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


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derjenige,  welcher  eine  Person  krank  mMelii^n  will,  etwas  von  ihr 
in  seinen  Besitz  zu  bringen,  so  gelingt  der  Zanbor  um  so  leichter. 
Daher  finden  wir  auch  bei  vielen  Völkern  die  Sitte,  abgeschnittene 
Nägel,  ausgekämmte  Haare,  ja  selbst  den  Speichel  so  zu  ver- 
nichten, dass  Niemand  ihrer'  habhaft  werden  könne.  Weitere 
Krankheitserscheinungen  sind  der  Wille  oder  die  gnädige  Fügung 
der  Gottheit,  sympathetische  Uebertragung,  böse  Winde,  der  böse 
Blick  u.  s.  w. 

In  dem  dritten  Abschnitt  des  Buches  werden  „die  Aerzte" 
behandelt,  die  sociale  Stellung  der  Medicin- Männer,  ihre  über- 
natürlichen Fähigkeiten,  auffallendes  Benehmen  u.  s.  w.  Ein  ab- 
sonderliches Leben  führen  sie  in  Victoria,  „um  den  Glauben  an 
ihre  überirdische  Gewalt  rege  zu  halten.  Sie  essen  getrennt  und 
zu  ungewöhnlichen  Zeiten,  sie  schlafen,  wenn  die  anderen  wachen. 


Medicin-Mann  der  Schwarzfuss-Indianer. 


und  sie  behaupten,  lange  Wanderungen  zu  unternehmen,  wenn 
die  anderen  im  Lager  alle  im  Schlafe  liegen.  Selten  jagen  und 
fischen  sie,  oder  thun  irgend  eine  Arbeit.  Sie  machen  eigenthüm- 
liche  Geräusche  in  der  Nacht,  wandern  fort  und  suchen  ihr  Volk 
zu  erschrecken.  Durch  ihre  Klugheit  und  Verschmitztheit  und 
durch  ihre  Geschicklichkeit,  den  Zufall  zu  benutzen,  indem  sie 
Wache  halten,  wenn  die  anderen  schlafen,  erhalten  sie  sich  ein 
Uebergewicht  über  die  Mitglieder  ihres  Stammes  und  sie  verstehen 
es,  angenehm  zu  leben  und  Vortheil  von  ihrer  fremdartigen  Lebens- 
weise zu  ziehen."  Consultationen  sind  sehr  verbreitet,  selbstver- 
ständlich auch  der  Brodueid.  Bei  den  Austi'alnegern  Victorias 
gewinnen  die  Medicin- Männer  Kinfluss  durch  vieles  Geschwätz, 
Selbstlob  und  Herabsetzung  Anderer.  Letztere  geht  bisweilen  so 
weit,  dass  dem  Patienten  die  Tödtung  des  Concurrenten  ange- 
rathen  wird.  Die  Wohnung  der  Aerzte  zeigt  nicht  selten  auch, 
vermöge  ihrer  Ausnahmestellung,  irgend  welche  Sonderheiten. 
Aerztliches  Honorar  wird  oft  nur  bezahlt,  wenn  die  Behand- 
lung erfolgreich  war.  So  bei  den  Zulu,  den  Annamiten,  den 
Koniagas    in   Nordwest  -  Amerika  u.  A.     Nach    der    Schwere    des 


Falles  richtet  sich  der  Preis  bei  den  Isthmus  -  Indianern.  Auch 
^'orausbezahlung  findet  statt,  so  bei  den  Dacota  -  Indianern.  In 
anderen  Fällen  werden  Opfergaben  gegeben,  so  in  Liberia,  auf 
Sumatra,  bei  eleu  Betschuanen  und  den  Xosa-Kafl'ern.  Bisweilen 
ist  die  Behandlung  sehr  kostspielig,  so  bei  den  Ganguella-Negern 
in  Central  -  Afrika,  bei  den  Negern  von  der  Loango  -  Küste,  be- 
sonders theuer  ist  sie  bei  einigen  Indianern.  Aljer  es  ist  der 
ärztliche  Beruf  bei  einigen  Naturvölkern  auch  nicht 
ohne  Gefahr,  so  bei  den  Californiern.  den  Creek-  und  Oregon- 
Indianern,  welche  beim  Tod  des  Kranken  den  Zauber  des  Medicin- 
Manues  dafür  verantwortlich  machen  und  diesen  ebenfalls  tödten. 
Bei  einer  ganzen  Zahl  von  Völkerschaften  haben  sich  auch  Spe- 
cialisten  ausgebildet.  Selbstverständlich  darf  der  Medicin-Mann 
nicht  wie  jeder  Andere  gekleidet  herumgehen,  sondern  hat  nicht 
selten  eine  höchst  phantastisch  zusammengesetzte  Amtstracht, 
so  bei  den  Ätna  -  Indianern  in  Alaska  und  besonders  bei  den 
Schwarzfuss  -  Indianern  am  Yellowstone  River.  (Vergl.  die  hier 
beigegebene  Figur.) 

George  Catlin  hat  darüber  folgendes  gesagt:  „Sein  Kopf  und 
Körper  waren  ganz  mit  der  Haut  eines  gelben  Bären  bedeckt, 
dessen  Kopf  ihm  als  Maske  diente,  und  dessen  Klauen  ihm  auf 
die  Handgelenke  und  die  Knöchel  hevabreichteu.  Dieser  Anzug 
ist  das  seltsamste  Gemisch  von  Gegenständen  des  Thier-  und 
Pflanzenreichs.  An  der  Haut  des  gelben  Bären,  welcher  hier 
selten  vorkommt,  daher  als  eine  Ausnahme  von  der  regelmässigen 
Ordnung  der  Natur  und  folglich  als  grosse  Medicin  betrachtet 
wird,  sind  Häute  von  mancherlei  Thieren  befestigt,  die  ebenfalls 
Anomalien  oder  Missbildungen  und  daher  Medicin  sind;  ferner 
Häute  von  Schlangen,  Fröschen  und  Fledermäusen,  Schnäbel, 
Zehen  und  Schwänze  von  Vögeln,  Hufe  von  Hirschen,  Ziegen  und 
Antilopen,  mit  eniom  Worte,  etwas  von  Allem,  was  in  ilieseni 
Theile  der  Welt  schwimmt,  fliegt  oder  läuft." 

Die  Vorbereitungen  zum  ärztlichen  Studium  sind  auch 
mancherlei  Art.  „Fasten  und  Beten,  Waldeinsamkeit  und  Hal- 
lucinationen  spielen  dabei  eine  hervorragende  Rolle."  Später 
schliesst  sich  der  Candidat  mit  einem  oder  mehreren  Coliegon 
einem  Medicin-Mann  an,  um  allmählich  in  die  Pra.\is  eingeführt 
zu  werden.  Nicht  selten  geht  der  eigentlichen  Approbation  ein 
besonderes  Examen  voraus.  Bei  den  Xosa  -  Kaftern  bleibt  der 
Candidat  zur  Vorbereitung  eine  Zeit  lang  einsam  in  seiner  Hütte. 
Nach  dieser  Zeit  treten  auf  Geheiss  des  Häuptlings  die  Aerzte 
zum  Examen  zusammen  und  übergeben  dazu  dem  Candidaten  den 
nächsten  schweren  Krankheitsfall.  „Hier  muss  er  zeigen,  ob  er 
im  Staude  ist,  den  Patienten  wiederherzustellen,  oder  denjenigen, 
der  gehe.xt  hat,  herauszuriechen.  Hat  er  das  zuw<'ge  gebracht, 
so  erfolgt  seine  Approbation  in  etwas  absonderlicher  Weise.  Das 
Kraut  oder  die  Wurzel,  deren  Eigenschaften  die  Geister  ihm  offen- 
bart haben,  wird  in  Stücke  geschnitten  und  in  Wasser  gekocht. 
Diese  Abkochung  giesst  ihm  dann  der  vornehmste  der  Medicin- 
Männer  über  den  Kopf,  und  diese  Ceremonie  beweist  dem  Volke, 
dass  sie  von  jetzt  ab  in  ihm  eine  geschickte  und  geeignete  Per- 
sönlichkeit zu  erblicken  haljen,  um  die  Heilkunst  oder  die  Kunst 
des  Ausrieehens  von  Hexereien  auszuüben.  Es  kann  dem  Can- 
didaten aber  auch  die  Approbation  verweigert  werden.  Dann 
niu.^s  er  sich  noch  weiteren  Unterricht  ertheilen  lassen  und  ist 
gezwungen,  sich  später  noch  einmal  einer  Prüfung  zu  unterziehen. 
Ein  nochmaliges  Durchfallen  macht  ihn  jedoch  untauglich  für  den 
ärztlichen  Stand." 

Wir  wollen  es  uns  versagen,  weiter  des  Nähi>ren  auf  die  hoch- 
interessanten Einzelheiten  des  Werkes  einzugehen  und  wollen  zum 
Schluss  nur  noch  den  Hauptiidialt  der  einzelnen  Abschnitte  an- 
führen. Dieselben  enthalten:  „Die  Diagnostik  der  Naturvölker, 
die  Medikamente  und  ihre  Anwendung,  die  Arzneiverordnungs- 
lehre der  Naturvölker,  die  Wasserkur,  Massagekuren.  Verhaltungs- 
vorschriften für  den  Kranken,  die  übernatürliche  Diagnose,  die 
übernatürliche  Krankenbehandlung,  einzelne  Capitel  der  speciellen 
Pathologie  und  Therapie,  die  Gesundheitspflege  und  die  f^pidemien, 
die  kleine  Chirurgie  und  die  grosse  Chirurgie." 

Nicht  imr  der  Mediciner,  sondern  jeder  Gebildete  wird  seine 
Freude  an  der  Leetüre  des  Werkes  haben  und  reiche  Belehrung 
finden.  Dem  Verfasser  die  höchste  Anerkennung  und  der  beste 
Dank  für  diese  neue  Gabe!  Stabsarzt  Dr.  Matz. 


Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete  der  Forst-  und 
Jagdzoologie.      Von    Dr.    Karl    Eckstein,     Privatdocent   an 
iler  Forst-Akademie  Eberswalde.     Zweiter  und  dritter  Jahrgang. 
1891   und  1892.     Pet.  Weber.     Berlin   1893.  —  Preis  4  M. 
Bei    dem    enormen   Anwachsen    der   Litteratur    auf    den    ver- 
schiedensten  Gebieten  des   Wissens    ist    die  Nothweudigkeit   um- 
fassender Litteraturberichte    immer   dringender  geworden   und  es 
ist  dieser  Nothweudigkeit   z.  Th.    seit   längerer  Zeit   schon  Rech- 
nung getragen.     Wir  erinnern  beispielsweise   an  die  zoologischen 
Berichte  im  Archiv  für  Naturgeschichte,  ferner  im  Zool.  Anzeiger 
und  im  Zool.  Record.    In  der  oben  angeführten,  überaus  fleissigen 
Arbeit  wird  uns  ein  neuer  Jahresbericht,  dessen  erster  Jahrgang 


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Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


r>(i) 


für  1890  bereits  tViüier  erschien,  vorgelegt  und  zwar  für  das,  wenn 
auch  ansclieinend  ziemlich  eng  begrenzte,  al)cr  doch  immerhin 
rocht  umfangreiche  Gebiet  der  Forst-nnd  Jagdzoologie.  Der  Verf., 
durch  eine  Reihe  forstzoologischer  Arbeiten  bekannt,  referirt  nicht 
nur  über  die  deutsche,  sondern  auch  über  die  österreichische, 
diinische  und  schwedische  Litteratur;  ausserdem  ist  der  vorliegende 
Bericht  gegenüber  dem  ersten  insofern  erheblich  erweitert,  als 
auch  einerseits  die  übrigen  Zweige  der  angewandten  Zoologie, 
z.  B.  Thierzucht,  Fischerei  u.  s.  w.  berücksichtigt  werden,  anderer- 
seits spuciell  die  auf  die  Vogelzucht  bezügliclien  Arbeiten,  welche 
in  anderen  zoologischen  Jahresberichten  niclit  aufgenonuuen 
werden,  obwohl  sie  mancherlei  Bemerkenswerthes  enthalten,  mit 
aufgeführt  werden.  Da  der  Verfasser  sich  nicht  mit  einer  Auf- 
zählung der  Titel  begnügt,  sondern  bei  den  meisten  Arbeiten  kurz 
den  Inhalt  angiebt,  so  enthält  der  18"2  Seiten  starke  Bericht  für 
1891  und  1892  eine  grosse  Fülle  werth voller  Nachweise  für  fast 
alle  Klassen  der  Thierwelt.  Zu  unserem  Bedauern  hörten  wir  vor 
einiger  Zeit,  dass  aus  geschäftlichen  Gründen  das  junge  Unter- 
nohmen einem  raschen  Ende  entgegen  gehe.  Hotfcntlich  bewahr- 
heitet sich  diese  Nachricht  nicht. 

Dr.  Ernst  Schaft'. 

Zeitschrift  für  Naturwissenschaften.  Herausgegeben  von  Dr. 
G.  Brandes.  Gß.  Bd.  .5.  Folge,  4.  Bd.,  1.  u.  2,  Heft.  Mit  1  Tafel 
und  1  Textfigur.  C.  E.  M.  Pfeft'er.  Leipzig  18!t3.— Preis  2  Mk. 
Ausser  22  Litteratur-Besprechungeii  und  eiiu'r  Liste  neu  ei"- 
scbienener  Werke  bringt  das  Heft  4  (.)riginal-Abhan<llüugen,  näm- 
lich: G.  Brandes,  Die  Blattläuse  und  der  Honigthau,  ein  Auf- 
satz, auf  den  wir  im  Anschluss  au  unsere  Mitthoibnig  über  Büsgeu's 
in  der  „Naturw.  M'^ocheuschr."  VI,  S.  130  besprocliene  Unter- 
suchungen über  denselben  Gegenstand  ausführlich  zurückkommen 
werden.  2.  H.  Erdmann,  Ueber  Grösseuordnungen.  13.  G. 
Kleine,  Ueber  Einwirkung  von  Aethylenbromid  etc,  auf  Trimetyl- 
amin.  4.  Dr.  von  Schi  ech  ten dal,  Bemerkungen  zu  Dr.  Eck- 
.stein's  ,,Pflanzengallen  und  Gallenthiereu",  in  welchen  der  auf 
dem  Gebiete  der  Cecidiologie  wohl  bewanderte  Autor  dankens- 
werthe  Ergänzungen  und  Verbesserungen  zu  der  auch  in  der 
„Naturw.  Wochenschr."  Bd.  VII,  S.  181,  besprochenen  Arbeit 
Eckstein's  liefert. 

Bücherkataloge  gingen  uns  zu: 

1.  Von  der  Firma  E.  H.  Moritz  in  Berlin  4  Antiqnariats- 
Kataloge  (No.  1  —  4),  enthalteiuf  die  Bibliotheken  des  (}eh.  Hath 
Prof  Hartmann  und  des  Prof.  Marthe  und  zwar  namentlich  Werke 
über  und  ziu-  Geographie. 

2.  Von  der  Firma  Alfred  Loren  tz  in  Leipzig  der  Katalog 
No.  73  über  boschreibende  Naturwissenschaften. 


Andree's,    Bich.,    Allgemeiner    Handatlas    in    91    Haupt-    und  86 

Neljenkarteu ,    nebst    vollständigem     alphabetischen    Namenvcr- 

zeichniss.     3.  Anti.     Bielefeld.     28  M. 
Arzruni,    Andr.,     Physikalische    Chemie    der    Krystalle.      Braun- 
schweig.    7,öO  M. 
Backe,  F.,    Ueber    die  Bestimmbarkeit   der  Gesteinsgemengtheile, 

besonders  der  Plagioklasse  auf  Grui.d  ihres  Lichtbrechungsver- 

mc-igens.     Wien.     0,70  M. 
Beilstein,     Prof.    Dr.    F.,     Handbuch     der    organischen    Chemie. 

3.  All«.     1.  Bd.     Hamburg.     49  M. 
Berthelot,  Sekr.  M.,  Praktische  Anleitung  zur  Ausführung  theruio- 

chennscher  Messungen.     Lei))zig.     2  M. 
Binz,  Arth.,    Ueber    das    optische   Drehungsvermögen    homologer 

und  isomerer  Terpenderivate  und   über  neue  Abkömmlinge  des 

Fenchylamins.     Göttingen.     1   M. 
Brick,  Dr.  C,  Ueber  Nectria  cinuabarina.     Hamburg.     0,50  M. 
Dippel,    Prof.    Dir.    Dr.    Leop.,     Handbuch    der    Läubholzknnilc. 

Berlin.     GO  M. 
£!der,   Dr.  Jos.  Maria,    u.  Ed.  Valenta,    Ueber    den  Verlauf   der 

Bunsen'schen    Fhimmenreactionen    im    ultravioletten    Spectrum. 

Wien.     1,60  M. 
Fischer,    Ed.,    Die    Sklerotienkrankheit    der    Alpenrosen  (Sclero- 
tinia  Kliododendri).     Bern.     0,60  M. 
Haacke,  Dr.  Wilh.,  Die  Schöpfung  der  Thierwelt.    Leipzig.    I.t  M. 
Haeckel,  Ernst,    Der  Monismus    als  Band  zwischen  Ridigion  und 

Wissenschaft.     G.  Aufl.     Bonn.     1,60  M. 
Haenle,    Dir.    Dr.  Ose,    Einführung   in    die    organische    Chemie. 

Berlin.     2  M. 
Heinitz,  Geo.,    Elementare  Berechnung    der  Zahl  /<,    welclu'    den 

((uadratischen  Restcharakter  bestimmt,     (iöttingen.     1   .M. 


Hugruenel,  E.,  Beitrag  zur  Erklärung  der  Erdbeben  und  der 
sehlagenil(>u   \Vetter.     Potsdam.     1  M. 

Koerber,  Gymn.  -  Oberlehr.  Dr.  Felix,  u  Paul  Spiss,  Physik 
Berlin.     4M. 

Kobert,  Dir.  Prof.  Dr.  Rud.,  Compendium  der  Arzneiverordnungs- 
Udire  für  Studiri'iiil.'  luid  Aerzte.     2.  Autl.     Stuttgart.     7  M. 

Kohl,  Cust.-Adjunct  Frz.  Frdr.,  Hymenopteren,  von  Herrn  Dr.  Fr. 
Stühbuann   in   (»stafrika   gesammelt.     Hamburg.      1   M. 

Kohn,  Frivatdoc.  Dr.  Gust.,  Ueber  eine  Eigenschaft  der  Invari- 
anten  von   CiivarianteM.     Wien.     0.30  M. 

Kühling,  Privatdoc.  Dr.  O.,  Handbuch  der  stickstoft'lialtigen 
Ch'tlioenn(lensatious|u'iidncte.     Berlin.     IG  M. 

Kuthe,  Max,  Ueber  Menthylamin.     Dessau.     1  M. 

Mayr,  Dr.  Gust.,  Formiciden.  von  Herrn  Fr  Stuldmanu  in  Ost- 
Afrika  gesammelt.     Haudjurg.     0,50  M. 

Molisch,  Prof.  Dr.  Hans,    Zur   Physiologie    des  Pollens,    mit  bc-  • 
sonderi'r  Rücksieht    auf   die    chemotropischen  Bewegungen   der 
Pollensehläuelip.     Wien.     0,70  M. 

Moog.  Joh.  Bapt.,  Ueber  Elektrolyse  einiger  substituirter  organi- 
scher  Säuren.      München.      1,40  M. 

Nernst,  Frof.  W.,  u.  Dr.  A.  Hesse,  Siodi-  und  Schmelzpunkt, 
ihre  Theorie  und  jiraktisehe  Vi-rwerthung  mit  besonderer  Be- 
rücksielitigung  organischer  Verbiiulungen.  Braunschweig.  2,40  M. 

Pagenstecher,  Dr.  Arnold,  Lepidopteren,  gesauimelt  in  Ost- 
Afrika   1888/89  von  Dr.  Frz.  Stuhlmann.     Hamburg.     1  M. 

Pauli,  B.ob.,  Bestiunnung  der  Emplindlichkeitskonstanten  eines 
Galvanometers  mit  astatischem  Nadelpaar  und  aperiodischer 
Dämpfung      Göttingen.     3  M. 

Pfeffer,  Dr.  Geo.,  Ostafrikaniscbe  Fische,  gesammelt  von  Herrn 
Dr.  F.  Stuldmaini  im  Jahre   1SS8  und   1889.     Hamburg.     2,'>0  M. 

Potonie's,  Dr.  H.,  Naturwissenschaftliche  Repetitorienr  I.  Heft: 
Koerber-Spies,  Physik.     Berlin.     4  M. 

Puluj,  Prof.  J.,  Ueber  einen  Phasenindicator  und  einige  unt 
demselben  ausgefüiirte  Messungen.     Wien.     0,70  M. 

Kawitz,  Privatdoc.  Dr.  Bernh.,  Grundriss  der  Histologie.  Berlin. 
7  M. 

Sadebeck,  Dir.  Prof,  Dr.  R.,  Die  ])arasitischen  Exoasceen.  Ham- 
burg.    5  M. 

Schmidt,  Archidiac.  Adf.,  Atlas  der  Diatomaceen-Kunde.  47  Hft. 
Leipzig.     <>  M. 

Schuberg,  Privatdoc.  Dr.  Aug.,  Carl  Semper,  Professor  der 
Zoologie  und  vergleichenden  Anatomie  an  der  königlichen 
Universität  Würzburg.     Würzliurg.     0,G0  M. 

Schrötter  v.  Kristelli,  stud.  med.  Herrn.  Ritter,  Uebei-  den 
Farbstoff  des  Arillus  von  Af/.elia  Ciianzensis  Welwitsch  und 
Ravenala  Madagascariensis  Sonnerat,  nebst  Bemerkungen  über 
den  anatomischen   Bau  der  Samen      Wien.     1,20  M. 

Sobotka,  J.,  Ueber  Berüln-ungscurven  der  Schraubungsregel- 
thichiui  mit  umschriebenen  Cy linderflächen.     Prag.     1,20  M. 

Speckmann,  G..  Beiträge  zur  Zahloulehre.     Oldenburg.     2  M. 

Thompson,  Henry  Dallas,  Hyjierelliptische  Schnittsysteme  und 
Zusannuenurilnung  di'r  algebraischen  u.  transcendentalen  Tliefa- 
cbarakteristikini.     (iöttingen.     2  M. 

Tornquist,  Dr.  Alex.,  Fragmente  einer  O.xfordfauna  von  Altaiii  in 
Deutsch-Ostafrika,  nach  dem  von  Dr.  Stühbuann  gesannuelten 
Material.     Hamburg.     2  M. 

Vogel,  Geo.  Clem.,  Der  Vermehrungsprocess  im  Tliierreiche. 
Dresden.     2.50  M. 


Letzte  Entgegnung. 


Auf  Seite  551  der  „Naturu-.  Woelinnselir."  d.  J.  behauptet 
Herr  Dr.  F.  Kurtz,  dass  er  die  Publication  meines  von  ihm  selbst 
gelesenen  Reisebriefes  („Botanisclie  E.xcursion  durch  die  Pampas" 
in  No.  1 — 3  dieser  Wochenschrift  d.  J.),  zu  welchen  Reisebriefeii 
mich  übrigens  der  damalige  Vorsitzende  des  brandenburgischeu 
botanischen  Ver(MU8,  Herr  Prof.  Dr.  Paul  Maginis,  schriftlich  am 
9.  November  1891  für  di'u  Verein  aufgefordert  hatte,  von  di'r 
Superrevision  der  Bestimmungen  abhängig  gemacht  habe.  Das 
muss  ich  entschieden  bestreiten;  ich  habe  die  Bestimmungen  nur 
als  provisorische  von  Herrn  Dr.  F.  Kurtz  erhalten  und  an  deren 
Richtigkeit  wenig  Zweifel  zu  hegen  brauchen,  und  ich  habe  mich 
zu  weiter  nichts  verpflichtet,  als  diese  Bestimmungen  wie  pro- 
visorische zu  l)ehandeln,  was  ich  ja  aucli  nur  gethan  habe. 

Dr.  Otto  Kinitze. 

Da  die  Leser,  die  sich  für  den  Streitfall  der  Herren  Kurtz 
und  Kuntze  interessiren,  nunmehr  zur  Genüge  die  Ansichten  bei- 
der Herren  kennen,  erklären  wir  die  Discussion  in  der  Angelegen- 
heit in  der  „N.iturw.  Woehensehr."   für  geschlossen.   —   Red. 


Inhalt:  Dr.  Rieh.  Otto:  Ueber  Aufnahme  und  Speicherung  von  Kupfer  durch  die  Pflanzenwurzeln.  —  65.  Versammlung  der 
(iesellschaft  deutscher  Naturforscher  und  Aerzte  in  Nürnberg.  —  Ueber  die  Resultate  von  48  mit  Tuberculin  behandelten 
Tuberculosen.  —  Symbiose  und  Kampf  ums  Dasein  unter  den  Mikrobieu.  —  Ueber  einen  eigenthümlichen  Aufenthaltsort  der 
Afterskorpione.  —  Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben.  —  Litteratur:  Sanitätsrath  Dr.  Max  Bartels:  Die  Medicin  der  N'atur- 
völker.  (Mit  Abbild.)  —  Bericht  über  die  L<dstungen  auf  dem  Gebiete  der  Forst-  und  Jagdzoologie.  —  Z<?itscbrifl  für  Natur- 
wissenschaften. —  Bücherkataloge.  —  Liste.  —  Letzte  Entgegnung, 


£0P'  Dii'ser  Nummer  liegt  ein  Prospekt  der  Rengerschen  BuchhandlUDg,   (loMiarill  .UViiisdi 
Atlas  zur  allgemeinen  Zoologie"  bei,  den  wir  hiermit  besonderer  Beachtung  empfehlen. 


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Berlin  NW.,  Speueistr.  23. 

IJi^     XB.   .'^iche   Besprechung  in  der 
„NaiurwIssensch.Wochenschr."  Bd.  \'in.  ISI'o  Xr.-14. 


Verantwortlicher  Redakteur:    Dr.  Henry  Potonie,    Berlin  N.  4.,  Invalidenstr.  44,   für  den    Inseratentheil;  Hugo   Uernstein    in    Berlin. 
Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagabuchhandlang,  Berlin  SW.  12.  — -  Druck:  G.  Bernstein,  Berlin  SW.  12. 


Dr.  H.  Potonie. 
Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12,  Zimmerstr.  94. 


VIII.  Band. 


Sonntag,  den  24. 


December  1893. 


Nr. 


.): 


Abonnement :  iMaii  abonnirt  bei  alleu  Buchhandlungen  und  Po3t- 

anstalten.   wie  bei  der  Expeiütion.    Der  Vierteljahrspreis  ist  M  4.— 

Bringegeld  bei  der  Post  lä  -tJ  extra. 


Inserate :  Die  viergespaltene  Petitzeile  40  .A.   Grössere  Aufträge  en  t  - 

sprechenden  Rabatt.  Beilagen  nach  Uebereinkunft.  Inseratenannahme 

bei  allen  Annoncenbureaux,  wie  bei  der  Expedition. 


Abdrnck  ist  nur  mit  vollständiger  Qnollenangabe  gestattet. 


Die  Mangrove. 

Von  Prof.  Dr.  G.  II  aber  lau  dt.*) 


Ueberall,  wo  in  den  feuchten  Gebieten  der  Tropen- 
zoue  die  Meeresküste  flach  und  schlammig  ist  und  der 
Ansturm  der  Brandung  nicht  allzu  heftig  wird,  an  den 
Ufern  der  Buchten  und  Inselgruppen,  an  den  Mündungen 
grösserer  Flüsse  und  Ströme,  findet  man  im  Bereich  von 
Ebbe  und  Fluth  einen  Wald-  und  Buschgürtel  vor,  die 
Vegetation  der  Mangrove,  welche  in  biologischer  und 
physiognoraischer  Hinsieht  zu  dem  Merkwürdigsten  gehört, 
was  die  tropische  Pflanzenwelt  aufweist. 

Die  auffallendsten  Anpassungen  der  Mangrovepflanzen 
sind  jene,  die  mit  der  Fluthbcwegung  zusammenhängen; 
die  breiten  Gestelle  der  Stelzenwurzeln,  das  „Lebend- 
gebären" der  Keimpflanzen  sind  derartige  Adaptationen, 
die  seit  jeher  die  Aufmerksamkeit  der  Tropenreisenden 
auf  sich  gelenkt  und  dabei  nicht  selten  ganz  irrige  Coin- 
binationen  veranlasst  haben.  Doch  auch  die  Anpassungen, 
welche  mit  der  Beschaffenheit  des  schlammigen  Bodens, 
mit  dem  Salzgehalt  des  Seewassers  im  Zusammenhang 
stehen,  sind  höchst  überraschend  und  eigenartig. 

Meine  erste  flüchtige  Bekanntschaft  mit  der  Mangrove 
habe  ich  in  der  Nähe  des  neuen  Hafens  von  Batavia,  bei 
Taudjong  Priok,und  an  den  Küsten  einiger  kleiner  Korallen- 
inseln gemacht.  Mehrere  Arten  von  Mangrovebäumen 
werden  im  botanischen  Garten  zu  Buitenzorg  im  Quartier 
der  Sumpfgewächse  mit  Erfolg  cultivirt  und  lassen  sich 
hier  aufs  Bequemste  beobachten.  Die  ganze  Eigenartig- 
keit der  Mangrovelandschaft  habe  ich  jedoch  erst  auf  der 
Heimreise  kennen  gelernt,  und  zwar  an  der  Mündung  des 
Serangoon-  (Sairanggong-)  Flusses  an  der  Nordküste  der 
Insel  Singajiore  und  am  Strande  der  kleinen  Insel  l'ulu 
Obin  nordöstlich  von  Singapore.  Der  österreichische  Consul, 
Herr    D.   Brandt,    besitzt    auf    dieser    grösstentheils    mit 


*)  Abdruck  mit  freiindliclier  Genebiniiiuiig  der  Verlassliuch- 
liaiidluiig,  der  wir  auch  die  Cliches  der  Abbildungen  verdanken, 
uis  des  Vi'rfassers  Buch  „Eine  botani.sche  Tro|ieiireise"  (Wilhelm 
Sngelmann  in  Leipzig).   Vergl.  „Natiirw.  Woclienschr.''  \'III,  S.  538. 


aus 
E 


Dschungel  und  Urwald  bewachsenen  Insel  einige  Kaflfcc- 
und  Pfefferplantagen;  seiner  Freundlichkeit  verdankte  ich 
es,  dass  ich  das  Bungalow  des  Verwalters  als  behagliches 
Absteig-  und  Nachtquartier  aufsuchen  konnte. 

Auf  heisser,  schnurgerader  Strasse  durchquerte  ich 
zu  Wagen  die  Insel  Singapore  und  langte  nach  ein- 
stüudiger  Fahrt  in  früher  Nachmittag.sstunde  an  der  Mün- 
dung des  Sairanggong-Flusses  an.  Hier  wurde  sofort  eine 
kleine  chinesische  Dschunke  bestiegen  und  nahe  dem  Ufer 
stromabwärts  gerudert.  Die  Hitze  über  dem  trägen,  miss- 
farbigen  Wasserspiegel  war  fast  unerträglich;  kein  Vogel- 
laut oder  Inscctengezirpe  unterbrach  die  Stille;  nur  manch- 
mal krachte  es  in  den  Wurzelgestellen  am  Ufer,  wenn 
eines  der  häufigen  Krokodile  sich  Bahn  brach.  Zahlreiche 
Gasblasen  stiegen  auf  und  platzten  mit  leisem  Paften. 
Ein  unangenehmer  Sumpfgeruch  erfüllte  die  schwüle  Luft 
und  erinnerte  an  die  pernieiöse  Malaria,  die  hier  zu 
Hause  ist. 

Die  Dschunke  fuhr  knapp  neben  dem  Maugrovesaum 
des  rechten  Ufers  dahin.  Den  Hauptbestandtheil  des 
Waldes  bilden  die  dichten  buschigen  Bäume  einer  Rhizo- 
phora-Art,  Rh.  mueronata,  die  überall  im  malayischen 
Archipel  an  der  Zusammensetzung  der  ^langrovevegetation 
den  hauptsächlichsten  Antheil  nimmt.  Es  sind  3 — 7  m 
hohe  Bäume  mit  lebhaft  hellgrünen  Blättern  (von  der  Ge- 
stalt eines  kleinen  Blattes  von  Ficus  clastica),  die  an  den 
Enden  der  weit  abstehenden  Zweige  zu  dichten,  steilen 
Rosetten  zusammengedrängt  sind  (Fig.  1).  Der  Eindruck 
des  Lichten,  den  die  Rhizophora- Kronen  erwecken,  wird 
durch  die  zahllosen  Liehtreflexe  des  glänzenden  Laubes 
und  durch  die  hellgelbe  Farbe  der  älteren  Blätter  nicht 
wenig  verstärkt,  ^\'ie  lange  grüne  Schoten  hängen  die 
ausgewachsenen  Keimpflanzen  von  den  Aesten  herunter. 
Höchst  charakteristisch  ist  der  breite  bandartige  Saum, 
den  Wurzeln  und  Laubwerk  knapp  über  dem  AVasscr- 
spiegel  bilden.     Zueist  ein  ganz  dunkler,  schwarzlirauner 


578 


Naturwissenschaftliche  Wochenschvift. 


Nr.  52 


Streifen,  das  Gewirre  der  Stelzenwurzehi,  und  scliarf  da- 
von  abgegrenzt  ein  im   Sonnenschein  fast  schneeweisses 
3  dem  Breite,    die    untersten  Theile  der 
beim    höchsten  Stande   der  Fluth   unter 


Band  von  etwa 
Kronen,  welche 
Wasser  tauchen 
durch  den 


war. 


und  jetzt,   wo  die  Fhith  sciion  gesunken 
weisslichen  Salz-  und  Schlanuubelag  auf 
den  dunklen  Wurzelgestellen 


den  Blättern  sich  scharf  von 

und  dem  frischgrünen  Laubwerke  abhoben. 

Hinter  diesem  Rhizophora- Gürtel  glauben  wir  hier 
und  da  eine  Weide  zu  sehen,  mit  schmalen,  silbergrau 
glänzenden  Blättern;  es  ist  eine  Avicennia  officinalis,  deren 
gelbliche  Blüthenköpfchen  einen  höchst  intensiven  Duft 
verbreiten.  Zuweilen 
drängt  sich  ein  dunk- 
lerer Baum  vor,  der 
über  und  über  mit  roth- 
grünen Früchten  be- 
hangen ist;  zwischen 
dem  Kranze  der 
Kelchzipfel  schauen 
die  abwärtshängen- 
den Keimpflanzen 
hervor;  dies  ist  Bru- 
guiera  eriopetala, 
während  dahinter 
noch  eine  andere  Art 
dieser  Rhizophoreen- 
Gattung,  Bruguiera 
gymnorrhiza,  ihre 
dunklen  und  hohen 
Schirmkronen  aus- 
breitet. Da  und  dort 
gewährt  eine  Lücke 
in  der  undurchdring- 
lichen Wand  der  Rhi- 
zophora einen  Ein- 
blick in  das  Innere 
des  Mangrovewaldes. 
Ueberrascht  blicken 
wir  auf  ein  Bäum- 
cheu  mit  buschiger 
Krone,  Carapa  obo- 
vata,  aus  welcher  die 
kopfgrossen,  goldig- 
braunen Kugelfrüchte 
hervortreten  und  die 
schwachen  Zweige 
nach  abwärts  ziehen. 
Daneben  erhebt  sich 
ein  Busch  von  Aegi- 
ceras  majus,  mit 
seinen  prächtigen 
weissen  Blüthendol- 
den    und    den    dichten  Büscheln 

Früchtchen.     Eine  stattliche  Höhe  erreicht  die  Lythracee 
Sonneratia  acida,  \vährend  die  Nipapahne  (Nipa  fruticans) 
anscheinend  stammlos  ihr 
Wasser  emporragen  lässt 

Nach  kaum  halbstündiger  Bootfahrt  eiTeichen  wir  den 
Meeresarm  und  sehen  jetzt  schon  auf  Pulu  Obin  hinüber; 
im  Nordosten  erheben  sich  schwarz  -  violette  Gewitter- 
wolken, die  lichtgrüne  Oberfläche  der  See  beginnt  sieh 
zu  kräuseln,  der  chinesische  Schiffer  spannt  ein  Segel  aus 
und  rasch  durchfurcht  nun  das  Boot  die  bewegte  Wasser- 
fläche. Bald  sieht  man  ganz  deutlich  den  schwarzen 
Wurzelsaum  des  Mangrovegürtels,  darüber  das  hellgrüne 
Laub  und  dahinter  die  weissen  Säulenstärame  der  Urwald- 
bäume mit  ihren  phantastisch  geformten  Aesten  und  Kronen. 
Nach  einer  weiteren  halben  Stunde  erreichen  wir   knapp 


Figur  1. 

Jüngeres  Exemplar  von  Rhizophora  mucronata;  links  eine  einzelne  verzweigte  Stelzen 
Wurzel.    (Koralleninsel  Edam  bei  Batavia.) 


hornfürmig 


gekrümmter 


e  glänzenden  Blattwedel  aus  dem 


vor  Ausbruch  des  Ungewitters  die  Landungsbrücke  in- 
mitten des  stark  gelichteten  Mangrovewaldes.  Rechts  und 
links  von  der  Brücke  bietet  sich  hier  die  schönste  Ge- 
legenheit dar,  zur  Zeit  der  Ebbe  die  Eigenthümlichkeiten 
der  Mangrovevegetation  zu  studiren,  ohne  gerade  eine 
Kletterpartie  auf  dem  Gewirre  der  Stelzenwurzehi  unter- 
nehmen zu  müssen. 

Unter  den  verschiedenen  ]\Iangrovepflanzen  besitzen 
bloss  die  Rliizophoraceen  ein  Wurzelgestell,  und  nur  bei 
der  Gattung  Rhizophora  selbst  ist  dasselbe  von  grösserer 
Mächtigkeit.  Dafür  sind  auch  nur  diese  Bäume  im  Stande, 
als  weit  in  das  Meer  hinausgescholiene  Vorposten,  gleich 

winzigen  Inselchen, 
dem  Anprall  der 
Wellen  genügend  zu 
widerstehen.  Dem 
kurzen  Stamme  ent- 
springen allseits  die 
bogigen  Stelzenwur- 
zeln, welche  erst  in 
horizontaler  Richtung 
und  dann  in  weit- 
ausgreifendem Bogen 
abwärts  wachsen.  So 
ruht  der  Stamm,  der 
am  Grunde  bald  ab- 
stirbt, auf  einem 
2 — 3  m  hohen,  breit 
fundirten  System 
elastischer  Streben, 
die  sich,  sobald  eine 
Woge  anprallt,  auf 
der  Zngseite  mehr 
gerade  strecken,  auf 
der  Druckseite  stär- 
ker krümmen ,  um 
schliesslich  immer 
wieder  die  ursprüng- 
liche Form  der  Krüm- 
mung anzunehmen 
(Fig.  1).  Sehr  häufig 
gabelt  sich  eine  Wur- 
zel in  zwei  Aeste, 
indem  die  Spitze  ab- 
stirbt und  dahinter 
Nebenwurzeln  ent- 
stehen. Auch  kommt 
es  häufig  vor,  dass 
auf  der  Unterseite 
der  primären  Wurzel 
eine  ganze  Reihe  von 
Seitenwurzeln 
steht,  welche 
Baum  noch  fester  verankern  helfen.  Selbst  von 
Zweigen  senken  sich  vertical  Wurzeln  herab,  die 
Boden  sich  reichlich  verzweigen. 

Während  Rhizophora  mucronata  meist  aufrechte  BäUme 
bildet,  kriechen  die  alten  Stämme  von  Rh.  conjugata  in 
mancherlei  Windungen  über  dem  Wasser  dahin,  getragen 
von  den  nach  beiden  Seiten  hin  ausstrahlenden  Stelzen- 
wurzeln, die  selbst  noch  den  unteren  Aesten  entspringen. 
Man  kann  sich  denken,  welch  abenteuerliche  Gestalten 
auf  diese  Weise  zu  Stande  kommen. 

Nächst  dem  Wurzelgestelle  sind  es  die  im  Geäste 
pendelnden  Keimpflanzen,  welche  unser  lebhaftes  Inter- 
esse erregen.  Wieder  ist  es  Rhizophora  mucronata,  welche 
auch  die  Erscheinung  der  „Viviparie"  besonders  schön 
zeigt  und  die  längsten  Keimpflanzen  entwickelt  (Fig.  2). 
Sehen  wir  uns  eine  frisch  vom  Baume   gepflückte  Frucht 


ent- 

den 

den 

im 


Nr.  52. 


Natuvwissenschaftliche  Wochenschrift. 


579 


näher  an,  so  finden  wir,  dass  sie  sich  in  zwei  Theile 
gliedert;  der  obere  Theil  mit  den  zurüci^geschlagenen, 
spröden  Kelclibliittern  gleicht  einer  raulisclialigen  Leder- 
birne von  rothbrauner  Farbe.  Dies  ist  der  eigentliche 
Fruclitköri)er,  ans  dessen  Schale  nnten  ein  langer,  stab- 
artiger kSteng-el  hervorragt,  das  Hypocotyl  des  Keindings, 

der    an   der  Mutterpflanze 


Wj 


4 


kegelför- 
er  Theil  ein  Saugorgan 


die  Länge  von  einem  Meter 
erreichen  kann.  Die  ge- 
wöhnliche Länge  beträgt 
60 — 70  cm.  Oben  ist  dieser 
Stengel  ca.  1,5  cm  dick, 
nach  unten  zu  wird  er 
stärker  und  das  keulige 
untere  Ende,  welches  in 
eine  harte,  kegelförmige 
Spitze  ausläuft,  erreicht 
eine  Dicke  von  2 — 2,3  cm 
und  darüber.  Auf  dem 
Längsschnitte  durch  die 
Frucht  (Fig.  3)  zeigt  sich, 
dass  die  Keimblätter  zu 
einem  merkwürdigen  Ge- 
bilde verwachsen  sind, 
dessen  oberster 
m 

\orstellt,  durch  welches 
der  Keinding  die  für  sein 
starkes  Wachsthum  nöthi- 
gen  ISaustoft'e  aufnimmt. 
Dann  folgt  ein  breiterer 
Wulst,  dessen  Bedeutung- 
wohl die  ist,  dass  er  das 
Herausrutschen  des  immer 
schwerer  werdenden  Keim- 
lings verhindert;  schliess- 
lich folgt  der  röhrenförmi- 
ge Scheidentlieil,  der  1  bis 
2  cm  weit  aus  der  Frucht 
heraus  wächst  und  die 
Stammknospe  umschliesst. 
Hat  das  Hypocotyl  die 
oben  erwähnte  Länge  er- 
reicht, dann  löst  sich  der 
untere  Rand  der  Keim- 
blattscheide vom  Stengel 
los  und  der  Keimling  fällt 
herunter.  Dank  seiner  nach 
unten  zu  kculenförnng-  ver- 
dickten Gestalt  fällt  er  in 
senkrechter  Stellung  zur 
Erde  und  bohrt  sich  zur 
Ebbezeit  oder  bei  seichtem 
Wasserstand  fest  in  den 
scidannnigen  Boden  ein. 
Nun  mag  die  Fluthwelle 
kommen,  sie  kann  dem 
befestigten  Keinding  nicht 
mehr  viel  anhaben,  zumal 
er  sich  schon  nach  weni- 
gen Stunden  durch  Seitenwurzcln  noch  fester  im  Boden 
verankert.  Die  ersten  Internodicn  des  ziemlich  lang- 
sam wachsenden  jungen  Stammes  sind  stark  gestreckt, 
so  dass  die  sich  entfaltenden  Laubblätter  zur  Fluthzeit 
gerade  noch  über  den  Wasserspiegel  hervorragen.  Auch  die 
Verzweigung  tritt  erst  in  jener  Höhe  ein,  welche  die  Fluth 
bei  ihrem  höchsten  Stande  erreicht.  Noch  später  wachsen 
ganz  nahe  dem  Boden  die  ersten  Stelzenwurzeln  aus  dem 
sich  stark  verdickenden  Stamme  hervor. 


iSükLWSStJä 


Fracht  und  Keimliug  von  Rhizoiihora 
mucronatu  (verklein.)    (Tandjoug  Priok). 


Aehnlich  verhalten  sich 
die  Keimpflanzen  der  übrigen 
Rhizophora-Arten.  Bei  allen 
fällt  bloss  der  Keimling  vom 
Baume  herab,  die  Frucht 
dagegen  bleibt  sammt  dem 
Keimblattkörper  am  Zweige 
hängen.  Bei  Bruguiera  da- 
gegen fällt  die  ganze  Frucht 
sammt  dem  angewachsenen 
Keimling  herunter,  was  bei 
der  von  nnr  im  botanischen 
Garten  zu  Buitenzorg  genauer 
beobachteten  Br.  eriopetala 
in  Bezug  auf  die  erste  Befesti- 
gung des  Keimlings  im  Boden 
entschieden  von  Vortheil  ist. 
Das  aus  der  Frucht  hervor- 
ragende dicke  Hypocotyl  wird 
nämlich  am  Baume  bloss 
ungefähr  fingerlang,  so  dass 
es  häufig  nicht  senkrecht 
herabfällt  und  sich  nur  un- 
genügend oder  auch  gar  nicht 
in  den  Bodenschlamm  ein- 
bohrt (Fig.  4).  Dafür  dringen 
nun  mehrere  von  den  zahl- 
reichen, spitzen  und  festen 
Kelchzipfeln  in  den  Boden 
ein,  und  da  sie  etwas  ge- 
krümmt sind,  so  verankern  sie  den  horizontal  auf  dem 
Boden  liegenden  Keimling  vorläufig  in  genügender  Weise. 
Rasch  wächst  nun  die 
Hauptvvurzel  aus  und 
befestigt  das  Pflänz- 
chen  dauernd  im 
Boden.  — • 

Als  ich  zur  Zeit 
der  Ebbe  den  stark 
gelichteten  Mangro- 
vegürtel  neben  der 
Landuugsbrücke  auf 
Pulu  Obin  durch- 
streifte, da  niusste 
ich  mich  fortwährend 
in  Acht  nehmen,  um 
nicht  über  die  zahl- 
reichen      aufrechten 


ur  3. 


Längsschnitt  durch  die  Frucht  von 
Rhizophora  mucronata,  natürl.  Grösse; 
/'  Fruchtschale,  s  Samenschale,  c  En- 
dosperm,  c  Cotyledonarkörper,  A  Co- 
tvledouarscheide. 


Wurzelschlingen 


zu 


stolpern,  welche  sich 
in  grosser  Anzahl 
zwischen  den  Bru- 
guieren      über      den 


schlammigen 


Boden 
erheben.  Diese  eigen- 
thümlichen  Bildungen 
kommen  dadurch  zu 
Stande,  dass  die  un- 
terirdisch kriechen- 
den Wurzeläste  sich 
stellenweise  schräg 
über  den  Boden  er- 
heben und  nach 
knieförmiger  Krüm- 
mung wieder  in  den 
Schlamm  eindringen. 


Figur  4. 

Frucht  und  Keimling  von  Bruguiera  eriopetala. 
(Natürliche  Grösse.)   (B.  G.  13g.) 


Bei    Bruguiera    gymnorhiza     erreichen     diese 
Wurzelstttcke    eine    beträchtliche    Dicke    und    Höhe 


geknieten 
und 


bilden 


um    die    Stämme    ein    sonderbares    Zick- 


580 


Naturwissenschaftliche  Woclienschrift. 


Nr.  52 


zack  von  schwarzbraunem  Astwerk.  Noch  eine  andere 
Mangrovepflanze,  Lumnitzera  coceinea,  zeigt  diese  Er- 
scheinung, wenn  auch  in  kleinerem  Maassstabe.  Was  be- 
deuten nun  diese  cigcnthümlichen  Wurzelkniee?  Die  Ant- 
wort darauf  lautet  ganz  überraschend.  Mat  hat  es  in 
ihnen,  wie  auf  Grund  ihres  anatomischen  Baues  und  eigens 
hierzu  angestellter  Versuche  mit  Sicherheit  zu  behaupten 
ist,  mit  eigenen  Kespirationsorganen  zu  thun,  deren  Auf- 
gabe darin  besteht,  das  unterirdische  Wurzelsystem  mit 
Sauerstoff  zu  versehen.  Es  ist  ja  leicht  begreiflich,  dass 
in  dem  wasserdurchtränkten  Schlamme,  in  welchem  die 
wachsenden  Wurzeln  sich  ausbreiten,  eine  mehr  oder 
minder  beträchtliche  Sauerstoftarmuth  herrscht,  so  dass 
dem  Wurzelsystem  der  zur  Athmung  nöthige  Sauerstoif 
von  oberirdischen  Theilen  der  Pflanze  her  zugeführt  wer- 
den muss.  Durch  Ausbildung  jener  AVurzelkniee  hat  sich 
die  Pflanze  auf  einfache  Weise  zu  helfen  gewusst.  Die 
Durchlüftung  des  Wurzelsystems  kann  so  auf  kürzestem 
W^ege  erfolgen. 

Noch  auffallender  sind  die  „Athemwurzeln"  der  Avi- 
cennia-Arten  und  von  Sonneratia  acida,  deren  Bedeutung 
zuerst  von  Goebel  erkannt  worden  ist.  Einige  mächtige 
Exemplare  des  letztgenannten  schönen  Mangrovebaumes 
befinden  sich  im  Sunipfpflanzenquarticr  des  Gartens  zu 
Buitenzorg.  Wie  lichte  Spargel.sjjrosse  erheben  sich  aus 
dem  dunklen  Schlamme  die  senkrecht  emporstehenden 
Athemwurzeln;  dieselben  sind  geotroiiiscli  nach  aufwärts 
wachsende  Seitenäste  der  horizontal  im  Schlamme  dahin- 
kriechenden  Bodenwurzeln-,  ihr  unterirdischer  Theil  ist 
dünner  als  der  spindelförmig  in  die  Luft  ragende  Theil, 
der  eine  Höhe  von  mehreren  üecimetern  erreichen  kann. 
Die  Oberfläche  der  Wurzel  ist  mit  einer  gelbbraunen  Kork- 
haut bedeckt,  die  sich  in  unregelmässigen  Fetzen  ab- 
schilfert, worunter  ein  weisses  lockeres  Parenchj-mgewebe 
zum  Vorschein  kommt.  Die  Luftcanäle  desselben  stellen 
die  Communication  zwischen  der  äusseren  Atmosphäre  und 
den  Durchlüftungsräumen  des  Wurzelkörpers  her. 

Auch  bei  anderen  Pflanzen,  namentlich  Sumpfgewächsen, 
welche  in  wasscrdurchtränktem  Erdreich  wurzeln,  kommen 
nicht  selten  ähnliche  Athemorgane  vor,  wenn  sie  auch 
niemals  so  gross  und  auffallend  werden,  wie  bei  den  oben 
erwähnten  Mangrovebäumen. 

Die  eben  geschilderten  Athemwurzeln  sind  ein  lehr- 
reiches Beispiel  für  die  Mannigfaltigkeit  der  Functionen, 
welche  die  Wurzeln  der  Tropengewächse  übernehmen 
können.  Wenn  bei  den  Pflanzen  unserer  Gegenden  die 
Wurzel  als  jenes  Glied  des  Pflanzenkörpers  erscheint, 
welches  der  „Metamorphose"  am  wenigsten  unterliegt  und 
dessen  Functionen  mit  seiner  Aufgabe  als  Befestigungs- 
und Ernährungsorgan,  bisweilen  auch  noch  als  Reserve- 
stoflspeicher,  erschöpft  sind,  so  wetteifert  dagegen  die 
AVurzel  der  Troi)enpflanzen  mit  Blatt  und  Stamm  in  Bezug 
auf  die  Verschiedenartigkeit  der  physiologischen  und  bio- 
logischen Aufgaben,  die  sie  zu  übernehmen  im  Stande  ist. 
Wie  mannigfaltig  sind  allein  schon  ihre  mechanischen 
Leistungen,  als  Säulen-,  Bretter-,  Stütz-  und  Stelzenwurzel 
wie  als  Haft-  und  Rankenwurzel  bei  Lianen  und  Epiphyten. 
Welch  ungewöhnliche  Metamorphose  zeigen  die  Dorncn- 
wurzeln  der  MyrniecodiaknoUen  und  des  humussannnelnden 
Wurzelgeflechtes  von  Grammatophyllum  speciosum.  Noch 
merkwürdiger  ist  die  Umwandlung   der  Luftwurzeln  ver- 


schiedener Orchideen  zu  grünen,  bandförmigen  Assimi- 
lationsorganen; doch  auch  die  gewöhnliehen  Luftwurzeln 
der  epiphytischen  Orchideen  und  Araceeu  mit  ihrem  wasser- 
aufsaugenden Capillarapparat,  der  Wurzelhülle,  sind  eigen- 
artig genug.  Dazu  kommen  schliesslich  noch  die  oben 
besprochenen  Athemwurzeln  verschiedener  Mangrove- 
pflanzen. 

Alle  diese,  so  verschiedenen  Aufgaben  dienenden 
Organe  sind  Luftwurzeln  oder  aus  solchen  hervorgegangen. 
Häufige  Luftwurzelbildung  ist  aber  bloss  in  einem  sehr 
feuchten  Klima  möglich,  wo  der  Feuchtigkeitsgehalt  der 
Luft  gross  genug  ist,  um  die  durch  die  Wurzelhaube 
nur  unvollkommen  geschützten  Vegetationsspitzen  der 
Wurzeln  nicht  austrocknen  zu  lassen.  Es  ist  sonach 
kein  Zufall,  wenn  wir  gerade  im  feuchten  Tropenklima 
einer  solchen  Mannigfaltigkeit  in  Bezug  auf  Bau  und 
Function  der  Wurzeln  begegnen,  welche  sogar  den  all- 
gemeinen physiognomischen  Eindruck  der  Pflanzenwelt 
mitbestimmt.  — 

Nach  dieser  Abschweifung  kehren  wir  wieder  zur 
Mangrovevegetation  zurück.  Es  sind  jetzt  noch  einige 
Eigenthümlichkeiten  des  Laubes  zu  schildern,  welche  die 
Maugrovepflanzeu  mit  der  übrigen  Strandtlora  gemein 
haben.  Bei  Betrachtung  des  anatomischen  Baues  der  Laub- 
blätter tritt  uns  nämlich,  wie  Schimper  gezeigt  hat,  die 
anscheinend  paradoxe  Thatsache  entgegen,  dass  sich  das 
Laub  durch  dieselben  Einrichtungen,  welche  wir  auch  bei 
Pflanzen  trockener  Standorte,  bei  Steppen-  und  Wüsten- 
pflanzen antreffen,  vor  zu  starker  Transpiration  zu  schützen 
sucht.  Das  ist  gewiss  bei  Pflanzen,  die  eine  halb  aqua- 
tische  Lebensweise  führen,  eine  ganz  unerwartete  Schutz 
maassregel.  Die  Aussenwände  der  Epidermiszellen  sind 
dick  und  stark  cuticularisirt,  die  Spaltöft'nungcn  häufig 
eingesenkt,  Schlcimzellen  sind  nicht  selten  und  ein  mehr 
oder  minder  mächtiges  Wassergewebe  verleiht  den  Blät- 
tern eine  fleischige  Beschaffenheit.  In  letzterer  Hinsicht 
fiel  mir  besonders  auf,  dass  die  älteren,  bereits  vergilbten 
Laubblätter  von  Rhizophora  mucronata,  welche  auffallend 
lange  an  den  Zweigen  sitzen  bleiben,  bedeutend  dicker 
und  fleischiger  sind,  als  die  ausgewachsenen  grünen  Blätter; 
die  mikroskopische  Untersuchung  lehrte  denn  auch,  dass 
diese  Dickenzunahme  auf  einem  nachträglichen  Wachs- 
thum  des  Wassergewebes  beruht.  Das  aUernde  Blatt, 
welches  nicht  mehr  zu  assimiliren  vermag,  wandelt  sich 
in  ein  Wasserreservoir  um;  gewiss  ein  sehr  merkwürdiger 
Functionswechscl,  den  ein  und  dasselbe  Blatt  während 
seiner  Lebenszeit  durchmacht. 

Schon  in  einem  früheren  Capitel  ist  der  Schlüssel 
zum  Verständniss  des  „xerophilen  Charakters"  der  Strand- 
flora mitgetheilt  worden.  Wie  Schimper  auf  Grund  von 
Culturversuchen  gezeigt  hat,  beeinträchtigt  eine  beträcht- 
liche Koclisalzanhäufung  in  den  Geweben  des  Blattes  in 
hohem  Maasse  seine  Ernährungsthätigkeit;  die  Assimi- 
lationsenergie des  grünen  Gewebes  wird  bedeutend  herab- 
gesetzt. Die  Pflanzen  des  Meeresstrandes  müssen  dem- 
nach die  Wasseraufnahnie  seitens  der  Wurzeln  möglichst 
einschränken,  da  mit  dem  Wasser  eben  auch  Kochsalz 
aufgenommen  wird.  Dies  hat  zur  Voraussetzung,  dass  die 
Transpiration  so  sehr  als  möglich  verniin<lert  wird,  und 
so  erklärt  sich  das  Auftreten  jener  Schutzmittel,  die  oben 
aufgezählt  wurden.  x. 


Nr.  b2. 


Naturwissenschaftliche  VVochensciirift. 


581 


Das  Reifen  der  Früchte  und  Samen  frühzeitig  von  der  iVliitterpflanze  getrennter  Blüthenstände. 


Von  1'.  Gi'iiebiiür. 


Wohl  schon  seit  den  ältesten  Zeiten,  jedciitalls  seit- 
dem essbare  Früchte  Gegenstand  der  Versendung  und  des 
Handels  sind*),  ist  man  auf  eine  Erscheinung  aiit'nierksani 
geworden,  die  man  allgemein  mit  dem  Namen  des  Nach- 
reifens bezeichnet.  Saftige  Früchte  werden,  besouders 
dann,  wenn  sie  nach  entfernten  Bestimmungsorten  be- 
fördert werden  sollen,  und  längere  Zeit  unterwegs  sein 
müssen,  noch  che  sie  ihre  völlige  Keife  erlangt  haben, 
von  der  Mutterpflanze  getrennt  und  so  werden  bekannt- 
lich viele  Aepfcl  und  Birnen,  die  Apfelsinen  und  Feigen 
unreif  versandt.  Ebenso  werden  die  Früchte  solcher 
Pflanzen,  die  zur  Zeit  der  Reife  sofort  aufspringen  und 
die  Samen  weit  fortschleudern,  wie  Impatiens,  Viola, 
Oxalis  und  viele  andere,  um  den  Verlust  der  besten 
Samen  zu  vermeiden,  vor  der  Reife  abgenommen.  Nie- 
mals aber  ist,  soweit  mir  bekannt,  mit  diesem  Nachreifen 
ein  Verlust  oder  nur  eine  Abnahme  der  Keimkraft  der 
Samen  verbunden.  Es  sind  mir  jedoch  keine  Beob- 
achtungen oder  Versuche  bekannt  geworden,  aus  denen 
hervorginge,  wie  weit  bei  verschiedenen  Pflanzenarten  die 
Fähigkeit  entwickelt  ist,  solche  unreif  abgetrennten  Früciite 
bezw.  Samen  oder  auch  an  ganzen  von  ihrem  Mutterboden 
entfernten  Exemplaren  befindliche  zur  Keimfähigkeit  zu 
bringen.  In  der  That  ergiebt  sieh  bei  einer  Verg'leichung 
verschiedener  Pflanzen  eine  so  grosse  Verschiedenheit,  wie 
sie  kaum  erwartet  werden  konnte,  denn  während  eine 
ziemlich  grosse  Anzahl,  und  zwar  nicbt  nur  von  sogen. 
succulenten  Pflanzen,  selbst  die  jüngsten  Frueiitanlagen 
zur  Reife  brachte,  fand  bei  anderen  nicht  einmal  ein  Nach- 
reifen schon  ausgewachsener  Samen  statt,  allerdings  be- 
wegt sich  die  Mehrzahl  der  Pflanzen  in  der  Mitte  zwiscben 
beiden  Extremen:  die  Samen  fast  oder  ganz  ausgewaciisener 
Früchte  erhalten  auch,  wenn  sie  aligetrennt  sind,  ihre 
völlige  Keimfähigkeit. 

Veranlasst  wurden  die  nachstehenden  Versuche  durch 
die  Beobachtung,  dass  Exemplare  von  Senecio  vulgaris  L., 
die  in  den  ersten  Tagen  des  April  1892,  also  zu  einer 
Zeit,  wo  noch  die  Blüthenköpfchcn  nicht  vollständig  ent- 
wickelt waren,  aus  dem  Erdboden  gezogen  und  in  einem 
kühlen  Zimmer  trocken  aufbewahrt  wurden,  während  des 
allmählichen  Verdorrens  eine  grosse  Anzahl  reifer  Samen 
erzeugten.  Der  noch  mehrmals  an  derselben  Pflanze  auch 
während  des  Sommers  wiederholte  Versuch  lieferte  das- 
selbe Resultat  (jedoch  in  kürzerer  Zeit);  wenn  Befruch- 
tung der  Blüthen  stattgefunden  hatte,  so  war  auch  mit 
Sicherheit  auf  reife  Samen  zu  rechnen,  gesetzt,  dass  ein 
genügend  (ca.  6—8  cm)  lange«  Stengelstück  an  dem 
Blüthenköpfchcn  belassen  wurde  und  das  Object  nicht 
der  Sonne  ausgesetzt  blieb,  sondern  an  einen  kühlen  und 
schattigen  Ort  gebracht  wurde. 

Am  verbreitetsten  scheint  diese  eigenartige  Erschei- 
nung, abgetrennte  junge  Früchte  zur  Reife  zu  bringen,  ab- 
gesehen von  Crassulaeeen  und  anderen  Succulenten-Familien, 
bei  Amaryllidaceen,  Liliaceen  und  Orchideen  zu  sein. 
Das  interessanteste  Beispiel  sowohl  wegen  der  Grössen- 
zunahme  der  betreffenden  Organe  als  wegen  der  langen 
Zeit,  die  die  Pflanze  zur  Ausbildung  der  Früchte  bedarf, 
ist  die  bekannte  Zinnnerpflanze  Vallota  purpurea  Herb, 
aus  der  Familie  der  Amaryllidaceen.  Die  Blüthenstände 
der    genannten    Pflanze,     von    denen    einige    bezeichnete 


*)  Ich  erinnere  hier  nur  an  jenen  Korb  voll  karthaf;ischer 
Feigen,  an  welche  der  alte  Cato  im  römischen  Senate  sein  ceterum 
censeo  knüpfte. 


Blüthen  befruchtet  waren,  wurden  je  nach  dem  Verwelken 
der  Blüthen  zwischen  dem  4.  und  9.  October  1892  am 
(irunde  abgetrennt  und  locker  zwischen  Fliesspapier  oder 
in  Watte  liegend  auf  dem  Herbarienständer  an  einem 
trockenen  kühlen  Orte  bei  matter  Beleuchtung  aber  un- 
gehindertem Luftzutritt  aufbewahrt. 

Zu  dieser  Zeit  zeigten  die  Fruchtknoten,  deren  Narben 
bestäubt  waren,  noch  keinen  Unterschied  von  den  un- 
befruchteten. Aber  schon  nach  kurzer  Zeit  begannen  die 
Blüthenstände,  die  keine  befruchteten  Samenanlagen  ent- 
hielten, zu  welken,  und  zwar  fast  in  allen  Theilen  gleich- 
massig,  während  bei  den  übrigen  die  unbestäubten  Blüthen 
mit  den  Fruchtknoten  und  Blüthenstielen  abtrockneten, 
der  übrige  Blüthenstand  aber  mit  Einschluss  des  Schaftes 
fest  und  saftig  blieb  und  nur  allmählich  von  unten  nach 
oben  abstarb.  Nach  etwa  4  Wochen  war  ein  ca.  2  cm 
langes  Stück  trocken;  Anfang  December  war  nur  noch 
etwa  die  Hälfte  des  Stengels  grün  und  am  29.  Januar 
zeigte  die  Frucht,  die  eine  Länge  von  33  mm  und  eine 
Dicke  von  14  mm  erreicht  hatte,  eine  leichte  Gelbfärbung, 
ohne  jedoch  welk  zu  sein.  Der  Stengel  war  bis  auf  ein 
ca.  2  cm  langes  Stück  trocken,  das  Blüthenstielclien  unver- 
ändert grün.  Im  Februar  trocknete  die  Frucht  zusammen, 
sprang  an  einer  Seite  auf  und  die  ausgesäeteu  Samen 
keimten  bei  erhöhter  Temperatur  nach  ca.  3  Wochen  in 
normaler  Weise.  Der  im  laufenden  Jahre  wiederholte 
Versuch  mit  derselben  Art  scheint  zu  gleichem  Erfolge 
zu  führen.  Leider  steht  mir  jetzt  nur  ein  Blüthenstand, 
der  zwei  Früchte  trägt,  zur  Verfügung,  derselbe  ist  am 
9.  October  1898  abgeschnitten  worden  und  zeigt  heute 
am  3.  December  ein  noch  11  cm  langes  grünes  Stengel- 
stUck,  die  Früchte  haben  eine  Länge  von  23  und  25  mm 
und  eine  Breite  von  13  mm  erreicht.  —  Die  Samen  ver- 
brauchen augenscheinlich  während  dieser  langen  Zeit  von 
nahezu  4  Monaten  die  in  dem  dicken  saftigen  Stengel 
aufgespeicherten  Reservestoffe  und  dessen  Feuchtigkeits- 
gehalt, die  Verdunstung  ist  auf  ein  Minimum  beschränkt, 
da  die  Spaltöffnungen,  wie  die  vorgenommene  Unter- 
sucbung  ergab,  vollständig  fest  geschlossen  sind  und  die 
Ej)idermis  ausserdem  mit  dem  der  Pflanze  eigenthümlichen 
reifartigen  Wachsüberzuge  bedeckt  ist.  Die  Vergrösserung 
der  Fruchtknoten  ist  eine  s.dn-  beträchtliche  zu  nennen, 
wenn  man  bedenkt,  dass  nach  der  Blüthe,  als  die  Stengel 
abgeschnitten  wurden,  dieselben  nur  10 — 12  mm  lang 
und  ca.  6  mm  breit  waren.  Herr  Geheinirath  Prof. 
L.  Wittmack  hat,  wie  er  mir  freundlichst  mittheilte,  die- 
selbe Beobachtung  an  einer  andern  Amarvllidacec  Hippe- 
astrum robustum  (vergl.  Garteuflora  1892  V'erhandluugen) 
gemacht. 

In  ähnlicher  Weise  haben  eine  grössere  Anzahl  von 
Pflanzen  die  Fähigkeit  gezeigt,  ihren  Samen  die  Keim- 
fähigkeit zu  erhalten,  nur  bei  den  wenigsten  so  auffallend, 
wie  bei  Vallota,  weil  die  Blüthezeiten  meist  in  den  Sonmier 
fallen,  und  in  Folge  der  grösseren  Wärme  der  Reife- 
proeess  schneller  vor  sich  geht.  So  zeigte  Narcissus 
poetieus  L.  die  Eigenschaft  im  höchsten  Grade.  Am  7.  Mai 
1892  abgeschnittene  Blüthen  entwickelten  ihre  grossen 
schwarzen  Samen  zur  völligen  Reife.  Das  nordafrikanische 
und  indische  Ackcrunkraut  Asphodelus  tenuifolius  Cav., 
von  dem  ich  im  vorigen  Jahre  durch  die  Güte  des  Herrn 
Geheinu'ath  Prof.  Dr.  L.  Wittmack  Samen,  die  in  in- 
dischem Weizen  gefunden  waren,  erhielt,  erzeugt  eben- 
falls Früchte,  wenn  es  bald  nach  der  Blütlie  aus  der  Erde 
gezogen    wird.      Von    anderen    Vertretern    der    Liliaceen 


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sind  es  besonders  noch  einige  Alliumarten,  die  die  ge- 
nannte Eigenschaft  besitzen,  so  besonders  Allium  Schoeno- 
prasum  L.  und  A.  Cepa  L.  und  weniger  auffällig  A.  fistn- 
losnm  L.,  welche  sämmtlich  in  blühendem  Zustande  von 
der  Zwiebel  abgetrennt  wurden  (bei  A.  Schoenoprasum  L. 
habe  ich  den  Versuch  mehrniais  mit  gleichem  Erfolge 
wiederholt) ;  in  ähnlicher  Weise  scheinen  sich  A.  sphaero- 
cephalum  L.  u.  A.  obliqunni  L.  zu  verhalten,  denn  ich 
besitze  Exemplare  dieser  Arten,  die  augenscheinlich  zur 
Blüthezeit  oder  doch  bald  nachher,  mit  noch  wohlerhal- 
tenen Blüthen  unter  schwachem  Druck  gepresst  sind  und 
deren  Fruchtknoten  reife  Samen  enthalten).  Die  Früchte 
anderer,  oft  mit  den  genannten  nahe  verwandten  Allium- 
Arten,  scheinen  eine  bedeutend  weniger  grosse  Lebeus- 
zähigkeit  zu  besitzen,  so  missglüekten  Versuche  mit 
A.  Porrum  L.  und  besonders  mit  A.  acutanguluni  8chrad. 
Einige  Arten  von  Orchidaceen  scheinen  auch  ganz 
besonders  zur  Erhaltung  ihrer  befruchteten  »Samenanlagen 
befähigt  zu  sein,  denn  eine  nicht  geringe  Anzahl,  so 
vor  allen  Orchis  laxiflorus'-')  Lndc.  var.  paluster  (Jacq.), 
0.  latifolius  L.,  0.  incarnatus  L.,  0.  macnlatus  L.,  Epipactis 
palustris  (L.)  Crtz.,  E.  latifolia  (L.)  AU.,  sowie  Neottia  Nidus 
avis  (L.)  Rieh,  und  weniger  Goralliorrhiza  iunata  ß.  Br., 
(letztere,  wenn  sie  etwas  feucht  oder  in  geschlossener  Luft 
aufbewahrt  wird)  entwickelten  iln'c  Samen,  nachdem  sie 
während  der  Blttthc  aus  dem  Erdboden  gezogen  waren,  in 
mehr  oder  weniger  grosser  Zahl.  Die  Samen  waren  bei 
mikroskoi)ischer  Betrachtung  von  den  in  normalen  Ver- 
hältnissen reif  gewordenen  nicht  zu  unterscheiden.  Mein 
verehrter  Freund  Herr  Obergärtner  E.  Wocke  theilte  mir 
mit,  dass  er  ähnliche  Beobachtungen  an  Ophrys  apifera 
Huds.  gemacht  habe,  die  er  auf  Wiesen  bei  Zanle  unweit 
Triest  sammelte. 

Dagegen  konnte  ich  von  Orchis  militaris  (L.  ex  p.) 
Huds.  (von  3  Pflanzen  1  Frucht),  0.  coriophora  L.,  Gymua- 
denia  conopea  (L.)  R.  Br.,  Malaxis  paludosa  (L.)  Sw.,  Li- 
paiis  Loeselii  (L.)  Rieh,  und  Listera  ovata  (L.)  R.  Br. 
wenig  oder  gar  keine  Samen  und  nur,  wenn  sie  in  weit  vor- 
geschrittenen Stadien  gesammelt  waren,  erhalten. 

Unter  den  Dikotylen  finden  sich  zunächst  unter 
den  Polygonaceen  einige  Pflanzen,  die,  ziemlich  jung  ab- 
geschnitten, Samen  zur  Reife  gelangen  lassen,  so  Rumex 
maritinuis  L.  und  R.  acetosella  L.,  Polygonum  Convol- 
vulus  L.  uüd  P.  aviculare  L.  (bedeutend  weniger  P.  Bi- 
storta  L.  und  P.  amphibinm  L.),  unter  den  Chenopodia- 
ceen  zeigt  Salsola  Kali  L.  die  Eigenschaft  in  hervor- 
ragendem Maasse,  weniger  Atriplex  patuluni  L.  und  A 
hastatum  L.  sowie  Chenopodium  album  L.  —  Montia 
minor  Gmel.  Hess  eine  grosse  Anzahl  junger  Samen  zur 
Reife  gelangen. 

Unter  den  Sympetalen  sind  besonders  einige  Convol- 
vulaceen,  die  Orobanchaceen  und  eine  Anzahl  Compositen 
zu  nennen.  Von  Pharbitis  purpurea  (L.)  Aschers,  waren 
einige  Zweige  mit  ganz  jungen  Früchten  abgetrennt 
worden  und,  trotzdem  die  Blätter  sehr  bald  verwelkten 
und  die  Zweige  täglich  einige  Stunden  von  der  Sonne 
getroffen  wurden,  erhielten  sich  die  Früchte  einige  Wochen 
grün  und  erzeugten  je  einen  bis  einige  (allerdings  immer 
wenige)  Samenkörner.  Die  Cuscuta-Arten  erhalten  sich 
noch  längere  Zeit  lebend,  wenn  auch  der  abgetrennte  Zweig 
der  Nährpflanze  abgestorben  ist,  während  dieser  Zeit  ent- 
wickeln sich  die  .Blüthen  und  Früchte  weiter  und  er- 
zeugen reife  Samen.  Eine  ähnliehe  Lebenszähigkeit  zeigen 
die  Orobanchaceen,  deren  isolirte  Blüthenstengel  im  Stande 
sind,  selbst  die  Samenanlagen  von  Blüthen  reifen  zu  lassen, 
deren  Oorolleu  zur  Zeit  des   Abschneidens   noch   geöffnet 


*)  Orchis  ist  nach  Saint-Lager  (vgl.  Ascherson  in  dieser  Zeit- 
schr.  1893,  S.  354)  masculiui  genevis. 


waren  und  daher  ist  auch  wohl  die  Erscheinung  zu  erklären, 
dass  mau  oft  in  Herbarien  Orobanchaceen  findet,  deren 
Corollen  vollständig  unversehrt  und  ausgebreitet  sind, 
während  die  stark  angeschwollenen  Fruchtknoten  reife 
Samen  enthalten.  Ich  erhielt  sowohl  von  solchen  Pflanzen 
von  Phelipaea  ramosa,  Ph.  arenaria  und  Orobanciie 
Hederae,  die  ich  aus  der  Erde  entfernte  und  trocken  auf- 
bewahrte, als  auch  von  solchen  Exemplaren  der  ersteren  Art, 
von  denen  ich  bei  Beginn  dei'  Blüthenentwickeluug  die 
Nährpflanzen  entfernte,  normal  ausgebildete  Samen. 

Von  Campanula  pyramidalis  L.  war  im  Juli  1891 
ein  grosser  Blüthenstand  im  Berliner  Botanischen  Garten 
durch  den  Wind  abgebrochen,  derselbe  blühte,  nachdem 
ich  ihn  in  der  beschriebenen  Weise  zwischen  trockenes 
Fliesspapier  gelegt  hatte,  noch  einige  Zeit  fort  und  ent- 
wickelte selbst  aus  relativ  jungen  Fruchtknoten  keim- 
fähige Samen,  trotz  der  Sommerwärme  wurde  der  Frucht- 
stand erst  nach  ca.  1  Monat  trocken.  E.  Wocke  hat  die- 
selben Verhältnisse  an  Exemplaren  dieser  Art  vom  Monte 
Spaccato  bei  Triest  beobachtet. 

Schliesslich  wären  noch  einige  Compositen  zu  er- 
wähnen, die  die  genannte  Fähigkeit  besitzen,  ausser  dem 
schon  genannten  Senecio  vulgaris  L.,  von  dem  ich  auf 
dem  Lande  oftmals  gehört  habe,  dass  man  das  Kreuz- 
kraut nur  ausrotten  könne,  wenn  man  alles  verbrenne, 
weil,  —  so  setzte  man  allerdings  mit  grotesker  Ueber- 
treibung  hinzu,  —  jedes  trockene  Stückchen  wieder  weiter 
zu  wachsen  vermöge  (!),  würden  von  Seuecio-Arten  noch 
S.  vernalis  W.K.  und  silvaticus  L.  vorzugsweise  in  Be- 
tracht kommen,  bedeutend  weniger  S.  viscosus  L.  und 
S.  Jacobaea  L.  Von  anderen  hierher  gehörigen  Gattungen 
seheinen  besonders  Tussilago  Farfarus  L.,  Carlina  vul- 
garis L.  und  C.  aeaulis  L.  Spilanthes  oleracea  Jacq., 
Galinsoga  parviflora  Cav.,  Achillea  Millefolium  L.  und 
Matricaria  discoidea  DC.  Beachtung  zu  verdienen,  in  zweiter 
Linie  etwa  Carduus  nutans  L.  (C.  acanthoides  L.  ent- 
wickelte keine  Samen),  Chrysanthemum  Tanacctnm  Karsch 
und  Aster  Tripolium  L.  Herr  Wocke  hat  von  Exem- 
plaren von  Cirsium  (aeaule  oleraceum),  die  er  in  blühen- 
dem Zustande  sammelte,  reife,  keimfähige  Samen  er- 
halten, ebenso  wurden  Frnchtköpfe  von  Jurinca  moUis 
Rchb.  reif. 

Unter  den  hier  aufgeführten  Pflanzengru])pen  wird 
man  einige  der  grössten  Familien,  besonders  die  Cruci- 
feren*)  und  Leguminosen  vermissen;  bei  denselben  gingen 
jüngere  Früchte  nach  dem  Abtrennen  stets  zu  Grunde. 
Auch  Versuche  an  einigen  Juueaceen,  Iridaceen,  Caryo- 
phyllaceen  u.  a.  lieferten  negative  Resulate.  Das  Extrem 
in  dieser  Richtung  scheinen  die  Magnolien  zu  bilden, 
deren  Samen,  trocken  aufbewahrt,  allerdings  überhaupt  nur 
eine  kurze  Zeit,  ca.  2— o  Monate,  keimfähig  bleiben; 
denn  Früchte  der  Magnolia  tri))etala  L.  wurden,  trotzdem 
sie  erst  vollständig  ausgewachsen  abgepflückt  waren, 
nicht  mehr  reif,  von  den  ausgestreuten  Samen  keimte  nicht 
ein   einziger. 

Eine  grosse  Zahl  derjenigen  Arten,  bei  denen  wir 
diese  für  die  Erhaltung  der  Art  so  dienlich  erscheinende 
Anpassnngserscheinung  in  hohem  Maasse  ausgebildet 
finden,  sind  nut  die  häufigsten  und  lästigsten  unserer 
Unkräuter**),  bei  anderen,  wie  bei  den  Orobanchaceen,  ist 


*)  Wocke  hat  das  Reifen  junger  Samen  bei  Exeinjilai-en 
einiger  alpiner  Draben  beobachtet,  von  denen  die  ganzen  Pflanzen 
aus  dem  Erdboden  gezogen  waren. 

**)  Diese  Eigenthümlichkeit  bildet  eine  nicht  unwichtige  Er- 
gänzung der  Eigenschaften  der  Allerwelts-Unkriuiter,  auf  welche 
neuerdings  Focke  und  Buchenau  (Abb.  Naturw.  Vereins  Bremen 
XII,  S.  424  und  .554),  u.  a.  auch  bei  Senecio  vulgaris  und  Galin- 
soga parviflora  hingewiesen  haben:  sich  rasch  zur  Samenreife  zu 
entwickeln  und  in  mehreren  Generationen  im  Laufe  eines  Sommers 
zu  erscheinen. 


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die  Fortpflaiizuns",  weil  au  das  Vorhandensein  einer  be- 
stimmten Nährpflanze  gebunden,  zweifelhaft,  bei  noch 
anderen,  wie  den  Orchidaceen,  die  vegetative  Vermehrung 
schwierig.  Danach  scheint  es,  als  ob  wir  es  hier  in  der 
That  mit  einer  weit  verbreiteten  Schntzanpassung  der 
Pflanzen  /u  tlnni  haben. 

Die  vorstehende  Liste  solcher  Pflanzen,  die  die  Eigen- 
tiiümlichkcit  besitzen,  dass  ihre  geschlechtliche  Vermeh- 
rung durch  das  Abtrennen  der  Früchte  oder  durch  äussere 
Beschädigung  der  l'flanze,  selbst  durch  Entwurzelung  zu 
einer  Zeit,  wo  die  Samen  noch  der  Keimfähigkeit  ent- 
behren,    eine    Einbusse     erleidet,     soll     keineswegs     auf 


irgend  welche  Vollständigkeit  Anspruch  machen,  weder 
was  die  Zahl  der  Spccies  noch  die  Bedingungen  der 
Fruchtreife  unter  diesen  abnormen  Verhältnissen  anbetrifft. 
Einer  späteren  Untersuchung  wird  es  vorbehalten  bleiben, 
festzustellen,  inwici'crn  der  natürliche  Feuchtigkeitsgehalt 
der  Luft,  die  Höhe  der  jeweiligen  Ti'mpcratur  und  die 
Luftbewegung  auf  die  Aus])ildung  solcher  isolirti'r  Frucbt- 
stände  einzuwirken  im  Stande  ist. 

Den  Herren  Prof.  Dr.  Ascherson,  Geh.  Kath  Prof.  Dr. 
L.  Wittmaek  und  Obergärtner  Wocke  sage  ich  für  die 
freundliche  Unterstützung  bei  der  vorliegenden  Arbeit 
besten  Dank. 


Die  Blattläuse  und  der  Houigthau  betitelt  sich  ein 
Artikel  von  Dr.  6.  Brandes,  Privatdocenten  der  Zoologie 
in  Halle,  den  er  in  der  von  ihm  herausgegebenen  „Zeitscbr. 
für  Natnrw."  66.  Bd.  (1893)  veröft'entliclit.  Sowohl  über  die 
Blattläuse  als  auch  über  den  Honigthau  findet  man  häufig 
falsche  Angaben;  so  begegnet  man  trotz  der  eingehenden 
Abhandlung  Witlaezil's  über  die  Anatomie  der  Aphideu  in 
zoologischen  Arbeiten  noch  häufig  der  Meinung,  die  so- 
genannten Ilonigröhren  sonderten  ein  süsses  Secret  aus, 
das  von  den  Ameisen  als  Leckerbissen  geschätzt  würde 
—  und  ebenso  findet  man  in  botanischen  Lehrbüchern 
trotz  der  ausführlichen  und  gewissenhaften  Untersuchungen 
Büsgen's*)  noch  oft  genug  die  Ansicht  von  einer  vege- 
tabilischen Herkunft  des  Honigthaues  vertheidigt. 

Als  in  diesem  ausserordentlich  trocknen  Sommer  die 
Naturerscheinung  des  Honigthaus  in  so  auft'allender  Weise 
eintrat,  dass  fast  alle  Bäume  und  Sträucher  mehr  oder 
weniger  lackirte  Blätter  zeigten,  fand  man  in  der  Tages- 
presse und  in  faehwissenschaftliehen  Zeitschriften  mehr- 
fach widersprechende  Angaben  über  die  Entstehung  des 
Honigthaus.  Dies  veranlasste  mich,  sagtBr.,  meine  Aufmerk- 
samkeit der  eigenthümlichen  Erscheinung  zuzuwenden. 

Vorausschicken  will  ich,  dass  meine  Beobachtungen 
die  von  Büsgen  in's  Eingehendste  begründete  Ansicht  von 
der  animalischen  Herkunft  des  Honigthaus  vollauf  be- 
stätigen; trotzdem  glaube  ich  über  das  von  mir  Beob- 
achtete berichten  zu  dürfen,  da  allem  Anscheine  nach 
noch  immer  Zweifel  herrschen  betreffs  dieser  Erscheinung, 
und  ich  auch  einige  neue  Thatsaeheu  ermittelt  habe;  vor 
allem  will  ich  aber  im  Nachfolgenden  versuchen,  die 
eigenthümliche  Production  des  Honigthaus  aus  dem  Bau 
und  der  Lebensweise  der  Blattläuse  zu  erklären. 

Vor  Sonnenaufgang  gebt  es  träge  zu  in  den  Blatt- 
laus-Schaaren,  die  auf  der  Unterseite  der  Blätter  und  an 
der  Spitze  der  Zweige,  wo  die  Rinde  noch  nicht  allzusehr 
verkorkt  ist,  ihr  Wesen  treiben.  Erst  wenn  die  Sonnen- 
strahlen die  wärmebedürftigen  Thiere  treffen,  wird  es 
lebhaft.  Sie  wechseln  ihre  Plätze,  bohren  also  an  anderer 
Stelle  ihre  langen  Saugborsten  ein,  häufig  nur  versuchs- 
weise, da  sie  natürlich  nicht  voraussagen  können,  ob  sie 
stets  ein  Gefässbündel,  aus  dessen  Weichbast  sie  meist 
die  Säfte  saugen,  treffen  werden,  sie  stossen  und  treten 
einander  und  dann  machen  sie  auch  eigentbümliclie,  uns 
hier  besonders  interessirende  Uebungen:  plötzlich  sieht 
man  nämlich  das  eine  oder  andere  Thierchen  wage- 
recht vom  Zweige  sich  abheben,  wie  ein  Turner,  der  an 
der  Kletterstange  die  Fahne  macht  (nur  dass  die  Aphiden 
sich  mit  denVordergliedmaassen  nur  abzustemmen  brauchen, 
da  sie  ja  vermittels  des  langen  Rüssels  sicher  vor  Anker 
liegen),  in  demselben  Augenblicke  sieht  man  ein  etwa 
millimeterdiekes  krystallklares  Kügelchen  am  hinteren 
Körperpole  erscheinen,    das    durch    kräftiges  Stossen  mit 


*)  Vergl.  „Naturw.  Wochenschr."  VI.  S.   130. 


den  Hintergliedniaassen  weit  fortgeschleudert  wird.  Wir 
dürfen  also  nicht,  wie  es  bisher  immer  geschah,  von  einem 
Spritzen,  sondern  müssen  von  einem  Schleudern  der 
Blattläuse  sprechen.  Wie  dieses  Fortschleudern  geschieht, 
lässt  sicii  nicht  deutlich  beobachten,  doch  vermuthe  ich, 
dass  die  eigcnthüudiehen,  verhältnissmässig  langen  Borsten, 
die  den  After  umgeben,  als  elastische  Träger  des  Tröpf- 
chens dienen,  und  dass  der  Stoss  des  hinteren  Extremi- 
tätenpaares diese  Borsten  trifft,  die  dann  ihrerseits  die 
Belastung  fortschncllen. 

Die  fortgeschleuderten  Kügelchen  fallen  zu  Boden 
oder  treft'en  auf  Blätter  des  von  den  Blattläusen  be- 
wohnten oder  eines  benachbarten  Strauches,  wo  sie  je 
nach  ihrer  Grösse  und  der  Höhe,  von  der  sie  herunter- 
geworfen wurden,  zu  einem  mehr  oder  weniger  grossen 
Fleckchen  sich  al)platten.  Es  liegt  auf  der  Hand,  dass 
diese  Kügelchen  meistens  die  Oberfläche  der  Blätter 
treffen,  aber  es  kommt  auch  oft  genug  vor,  dass  die 
Unterseite  den  Tropfen  auffängt.  Nur  plattet  er  sieh 
hier  selten  ab,  da  er  in  der  auf  der  Unterseite  meist 
vorhandenen  Behaarung  hängen  bleibt  und  dann  in  seiner 
ursprünglichen  Form  erhärtet,  wobei  er  ein  opakes  Aus- 
sehen annimmt.  Diese  Tropfen  fallen  nun  neben  und  auf 
einander  und  bilden  in  kurzer  Zeit  eine  gleicbmässige 
Schicht,  deren  Entstehung  aus  einzelnen  Tröpfchen  nicht 
mehr  zu  erkennen  ist.  Die  Berechnungen  Büsgen's  über 
die  Stärke  der  Honigthau-Production  sind  meines  Er- 
achtens  zu  gering  ausgefallen,  und  zwar  deshalb,  weil  er 
die  Saftzufuhr  der  zum  Versuch  dienenden  Blätter  durch 
Abpflücken  unterbrach,  ich  halje  im  Freien  Uhrschälchen 
unter  die  Blätter  gehängt  und  auf  diese  Weise  —  aller- 
dings ohne  exakte  Zählungen  gemacht  zu  haben  —  eine 
viel  grössere  Leistungsfähigkeit  gefunden. 

Wenn  die  Anhänger  des  vegetabilischen  Honigthaus 
dies  für  unmöglich  halten,  weil  die  Thierchen  unter  solchen 
Umständen  fortwährend  trinken  müssten,  so  kann  ich  nur 
sagen,  dass  dies  auch  wirklich  geschieht.  Sie  thun  nichts 
anderes,  als  neue  Stellen  anbohren  und  saugen,  alles 
andere  wird  nebenbei  abgemacht.  Sie  haben  aber  auch 
nichts  zu  thun.  Wir  finden  nämlich  in  den  Sommer- 
monaten nur  Weibchen  (geflügelte  und  ungeflügelte):  es 
gilt  also  nicht,  einen  Hausstand  in  Ordnung  zu  halten; 
ferner  sind  diese  sehr  fruchtbaren  Weibchen  vivipar,  und 
zwar  verlassen  die  jungen  Thiere  den  Körper  in  einem 
vollständig  entwickelten  Zustande,  so  dass  auch  die  Sorge 
für  die  Eier  und  die  junge  Brut  gänzlich  fortfällt.  Sic 
können  also  fortwährend  „beim  vollen  Glase"  sich  gütlich 
thun  und  sie  müssen  dies  auch,  wenn  sie  anders  überhaupt 
leben  wollen.  Die  eigenthümliche  sommerliche  Fort- 
pflanznngsweise  erfordert  nändich  eine  Menge  Nahrung, 
andererseits  macht  sie  im  Körper  viel  Raunmnsprüche  und 
hat  daher  die  Rückbildung  der  bei  den  Insekten  die 
Nieren  vertretenden  malpighischen  Gefässe  zur  Folge  ge- 
habt.    Diese  galten  bisher  als  völlig  fehlend,  jetzt  glaubt 


584 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


Nr.  52 


sie  Witlaczil  in  dem  sogenannten  „secundären  Dotter" 
entdeckt  zu  haben.  Jedoch  sind  sie  jedenfalls  sehr  ru- 
dimentäre Bildungen,  da  ihnen  ein  Lumen  völlig  fehlt, 
und  auch  die  Verbindung  mit  dem  Darme  nur  eine  ganz 
oberflächliche  zu  sein  seheint. 

Es  fehlen  also  den  Blattläusen  Organe,  die  die  Ab- 
fallproducte  einer  complicirten  Verdauung  aus  den  Körper- 
säften entfernen  könnten,  also  dürfen  wir  hier  dement- 
sprechend nur  eine  sehr  unvollkonnnene  Verdauung 
voraussetzen.  Dass  der  Honigthau  nicht  identisch  ist 
mit  dem  Safte  der  betreftenden  ]5äume,  also  ein  Ver- 
dauungsvorgang im  Magen  der  Aphiden  bestimmt  statt- 
findet, beweisen  uns  die  chemischen  Analysen  des  Honig- 
thaus  und  der  zuckerartigen  Substanzen  der  Blätter. 
Ich  will  eins  dieser  Resultate  anführen:  Lindenblätter 
enthielten  unter  5  g  Zucker  ca.  4  g  Rohrzucker  und  1  g 
Invertzucker,  die  Auswurfstoffe  der  aut  den  Lindenblättern 
lebenden  Blattläuse  in  der  gleichen  .Menge  ca.  2V .,  g  Rohr- 
zucker, ly.,  g  Invertzucker  und  1  g  Dextrin.  Die  Ver- 
dauung hat  also  eine  Spaltung  des  Rohrzuckers  zu  Gunsten 
von  Invertzucker  und  Dextrin  veranlasst.  Eine  weitere 
Verdauung  der  zuckerhaltigen  Nahrung  würde  die  Säfte 
der  Thiere  mit  giftigen  Stoffen  beladen,  für  die  ein  Aus- 
weg nicht  gefunden  werden  könnte;  daher  die  Ver- 
sehwendung des  Materials,  über  die  auch  Büsgen  in  der 
oben  citirten  Honigthau-JIonographie  seine  Verwunderung 
ausspricht. 

Man  wird  mir  vielleicht  den  Vorwurf  machen,  mit 
dieser  Erklärung  allzusehr  anthropomorphischen  Vor- 
stellungen gefolgt  zu  sein,  aber  ich  meine  mit  Unrecht, 
denn  ich  will  ja  gar  nicht  behaupten,  dass  der  Causal- 
nexus  nun  wirklieh  ein  solcher  gewesen  ist,  wie  er  aus 
meiner  Darstellung  sich  ergiebt.  Ebensogut  wie  von  der 
Fortpflanzungsart  als  gegebener  Grösse  könnte  man  auch 
von  der  Ernälu'ungsweise  ausgehen:  mir  kommt  es  lediglich 
darauf  an,  zu  zeigen,  dass  die  auffallende  Verschwendung 
von  werthvolleni  Nahruugsmaterial  auf's  Innigste  zu- 
sammenhängt mit  dem  Bau  und  der  Lebensweise  der 
Aphiden. 

Auch  nniss  weiter  in  Betracht  gezogen  werden,  dass 
die  so  unvollkommen  verdauten  Auswurfstoffe  den  Blatt- 
läusen doch  noch  in  gewisser  Hinsieht  nützlich  werden. 
Es  ist  allgemein  bekannt,  dass  die  Ameisen  dieses 
krystallklare,  süsse  Excret  mit  Begierde  verzehren  und 
daher  aus  sehr  egoistischen  Gründen  als  eine  eifrige 
Schutztruppe  der  Blattläuse  auftreten,  indem  sie  deren 
ärgste  Feinde,  die  Larven  der  Coccinelliden,  angreifen 
und  von  den  befallenen  Zweigen  entfernen. 

Wenn  von  gegnerischer  Seite  behauptet  wird,  die 
Blattläuse  stellten  dem  süssen  Honigthau  nach,  so  entbehrt 
dies  sicher  jeder  thatsächlichen  Beobachtung:  niemals 
sitzen  die  Thiere  auf  den  Honigthauflächen,  auch  wäre 
es  ihnen  überhaupt  mechanisch  unmöglich,  mit  den  langen 
dünnen  Saugborsten  den  flächenhaft  ausgebreiteten  Gummi- 
Zucker  aufzunehmen. 

Was  die  Meinung  angeht,  der  Honigthau  quelle  als 
Tropfen  an  der  zai-testen  Stelle  des  Blattes,  der  Blatt- 
spitze, hervor,  so  wird  es  Niemandem  gelingen,  jemals  ein 
Blatt  zu  Gesicht  zu  bekommen,  das  an  seiner  Spitze  einen 
Honigthautropfen  zeigt,  ohne  vollständig  oder  doch  zum 
grössten  Theile  von  dem  Excrete  bedeckt  zu  sein: 
an  der  nach  abwärts  hängenden  Blatfspitze  läuft  lediglich 
der  angehäufte  Honigthau  ab.  Würden  diese  Tropfen 
den  feinen  Si)rUhregen  Itilden,  den  man  bei  günstiger  Be- 
leuchtung häutig  beobachten  kann,  so  würde  er  Jedermann 
ohne  weheres  sichtbar  und  fühlbar  werden  müssen,  denn 
die  Zähigkeit  des  Honigthaus  würde  bis  zum  Herunter- 
fallen des  Tröpfchens  eine  starke  Ansammlung  von  IMasse 
nöthig  machen,  und  dann  würde  mau  auch  die  Tröpfchen 


sehr  mannigfach 


vorgetragenen 


senkrecht  hinabfallen  sehen  und  nicht  in 
wechselnden  Curven. 

Sollte  Jemand  an  der  Richtigkeit  der 
Ansieht  noch  Zweifel  hegen,  so  prüfe  er  bei  geeigneter 
Witterung  selbst.  Häufig  mag  es  scheinen,  als  ob  an 
einem  Baume  trotz  reichlichen  Honigthaues  keine  Blatt- 
läuse sind.  Vielleicht  sitzen  sie  an  einem  benachbarten 
höheren  Baume,  vielleicht  sitzen  sie  sehr  versteckt  an  den 
Spitzen  der  höchsten  Zweige;  —  um  ihre  Anwesenheit 
nachzuweisen,  beklebe  man  die  am  stärksten  lackirten 
Blätter  mit  Papier  und  man  wird  sehr  bald  kleine  Tröpf- 
chen auf  demselben  nachweisen  können.  Vorausgesetzt 
natürlich,  dass  es  frischer  Honigthau  ist,  der  die  Blätter 
bedeckt,  denn  es  ist  ja  auch  möglich,  dass  die  Blattläuse 
den  Baum  aus  irgend  welchen  Gründen  verlassen  haben. 

Es  mögen  sich  auch  Pflanzen  mit  zahlreichen  Blatt- 
läusen finden,  die  keine  Spur  von  Honigthau  auf  ihren 
Blättern  zeigen,  trotzdem  die  betrefl'enden  Pflanzen  eben- 
falls zuckerhaltige  Säfte  haben.  Ein  Umstand,  der  uns 
durchaus  nicht  in  Erstaunen  setzt:  die  Natur  lässt  sich 
eben  nicht  schematisiren.  Es  giebt  sehr  viele  Arten  von 
Aphiden,  von  denen  einige  vielleicht  ganz  anders  organi- 
sirt  sind  —  Untersuchungen  in  dieser  Richtung  stehen 
noch  aus. 

Zum  Schluss  will  ich  noch  bemerken,  dass  man  häufig 
Blattläuse  sieht,  an  deren  beiden  sogenannten  „Honig- 
röhren" je  ein  Honigthautröpfchen  hängt;  es  ist  dies  ab- 
norm; es  gelang  dem  Thiere  nicht,  die  Kügelchen  ordentlich 
fortzuschnellen,  und  diese  klebten  daher  an  den  hervor- 
ragenden „Honigröhren"  fest.  Die  letzteren  haben  gar 
nichts  mit  dem  Honigthau  zu  thun :  sie  lassen  beim  Angriff 
der  Florfliegen  ein  sehr  schnell  erstarrendes  röthliches 
(Carotin)  Wachs  austreten,  mit  dem  sie  den  Feinden  die 
Zangen  zu  verschmieren  suchen.  x. 


Nachtrag  zu  dem  Aufsatz:  Der  Begriff  der  Blütlie. 

(In  No.  47,  Bd.  VIII,  der  „Naturwissenschaftlichen  Wochen- 
schrift."). —  Prof.  K.  Goebel  hat  die  Ausdehnung  des 
Begriffes  der  „Blüthe"  auf  die  sogenannten  Fructificationen 
in  Sprossform  der  Pteridophyten  schon  im  Jahre  1884  in 
seiner  „Vergl.  Entwickelungsgeschichte  der  Pflanzen- 
organe" S.272  (Schenk's  Handb.  d.  Bot.,  III.  Bd.,  1.  Hälfte, 
Breslau)  vorgenommen.  An  dieser  Stelle  finden  wir  die 
Bemerkung:  „Bei  den  heterosporen  Gefässkryptogamen 
greift  die  Sexualdift'erenz  schon  auf  die  Sporen  und  Spo- 
rangien  zurück,  und  wir  können  dementsprechend  auch 
die  Sjjorangienstände  dieser  Pflanzen  als  „Blüthen"  be- 
zeichnen, um  so  mehr,  als  sie  in  der  That  das  Prototyp 
der  Blüthen  der  Samenpflanzen  sind.  Es  sind  auch  hier 
deutlich  umgel)ildete  Laubsprossen,  die  sich  zu  „Blüthen" 
gestalten.  So  sitzen  bei  Isoetes  die  Sporangien  auf  der 
Basis  gewöhnlicher  Laubblätter.  Der  Spross,  der  sie 
trägt,  ist  aber  nicht  ein  Sexualspross,  sondern  wächst 
später  vegetativ  weiter,  ein  Fall,  der  sich  bei  den  weib- 
lichen Blüthen  von  Cycas  wiederholt."  Ja,  schon  in  der 
Aeusserung  von  1882  desselben  Autors  in  seinen  „Grund- 
zügen der  Systematik"  (Leipzig),  S.  339:  „die  Blüthe  im 
weitesten  Sinne  des  Wortes  wird  gebildet  von  den  Ge- 
schlechtsorganen (d.h.  den  Sporophyllen)  imd  dem  sie 
tragenden  Axengebilde"  ist  dasselbe,  nur  kürzer  ausge- 
sprochen.*) Schade  aber,  dass  in  der  Praxis  die  Ueber- 
tragung  auch  von  Goebel  bis  jetzt  nicht  zur  Anwendung 
gekommen  ist:  man  wird  die  Botaniker  an  den  zweck- 
mässigeren  Gebrauch  des  Wortes  Blüthe  gewöhnen  müssen, 
und  ich  selbst  habe  damit  begonnen,  indem  ich  in  meinen 
neueren  paläophytologischen  Abhandlungen  stets  an  Stelle 


*)  Vergl.  aueli  1.  c.  S.  oöO  oben  und  Anmerkinif;;  I. 


Nr.  52. 


Naturwissenschaftliche  Wocheuschiift. 


585 


von  „FriK'titicationcn"  u.  dergl.,  dort,  wo  es  sich  um  mit 
Sporoph}llen  besetzte,  \ün  den  rein  vej;etativen  Spross- 
tbeilen  wohl  abgegliederte  Sprosse  oder  Spross- Enden 
handelt,  den  Terminus  Hlüthe  angewendet  habe,  wie  icli 
das  auch  in  Zukunft  thun  werde. 

Uebrigens  habe  ich  in  meiner  Auseinandersetzung 
(„Naturw.  Wochensehr."  VIII,  8.517  tf.),  zu  der  die  vor- 
liegende Mittlieilung  einen  Naelitrag  bildet,  Herrn  Prof. 
Engler  mehr  deshalb  eitirt,  um  grösseren  Nachdruck  zu 
linden,  als  dass  ich  der  Meinung  gewesen  wäre,  dass  ihm 
die  Priorität  gebiiiire;  ich  freue  mich  sehr,  dass  ich  hier 
Gelegenheit  habe,  auch  die  obigen  Aeusserungcii  eines  so 
gewiegten  Morphologen  wie  Herrn  Prof.  Goebel's  nunmehr 
in  die  Wagschale  zu  werfen.  Es  war  mir,  bevor  ich  den 
Artikel  1.  c.  sehrieb,  dunkel  erinnerlich,  dass  ich  auch  schon 
in  früheren  Schriften  ttltcr  die  Erweiterung  des  Begriffes 
der  ßiütlie  auf  die  Sprosse  der  Pteridophytcn  mit  Ge- 
schlechtsblättern Andeutungen  gelesen  hatte,  aber  da  mich 
das  Gedächtniss  im  Stich  gelassen  hatte,  und  auch  gelegent- 
liche Anfragen  bei  iiiesigen  Botanikern  mir  nur  den  Hin- 
weis seitens  des  Herrn  Prof.  E.  Koehue  einbrachte,  dass 
seiner  Erinnerung  nach,  jedoch  ohne  sich  dafür  verbürgen 
zu  wollen,  die  in  Rede  stehende  Anwendung  des  Wortes 
Blüthe  auch  von  einem  „amerikanischen  Botaniker"  ver- 
fochten werde,  so  Hess  ich's  leider  bei  dem  Citat  nur 
eines  Autors  bewenden. 

Herr  Prof.  Goebel  hat  die  Güte  gehabt,  mich  auf 
W.  C.  Belajeff's  Verr.ft'entliehung  von  1891  (., Zur  Lehre 
von  dem  Pollenschlauche  der  Gymnosi)ermen.''  Berieht  der 
Deutschen  botan.  Gesellschaft,"^  Bd.  IX,  Berlin,  S.  280  ff.) 
besonders  hinzuweisen,  weil  hiernach  die  früher  angenom- 
menen und  von  mir  in  dem  1.  c.  S.  518  gebotenen  Schema 
behaupteten  Homologien: 

Seinginella :  Gymnospennen : 

Prothallium  =  Prothallium 

Spermatozoiden   =  Pollenschlauch 
ins  Schwanken  gerathen  sind. 

Die  Darstellung  der  Vorgänge  im  Pollen- Korn  und 
-Schlauch  der  Siphonogamen  vor  Belajefif  war  z.  B.  nach 
Goebel's  zusammenfassender  Darstellung  von  1884  (1.  c. 
S.  427)  die  folgende:  „Die  üebereinstimmung  der  Pollen- 
körner mit  den  Mikrospuren  zeigt  sich  zunächst  darin, 
dass  eine  Theilung  in  2  Zellen  auftritt,  von  denen  die 
eine,  dem  Antheridium  entsprecliende,  zum  Pollenschlauch 
auswächst,  während  die  andere  sterile  die  Protlialliumzelle 
darstellt,  die  sich  noch  weiter  theilen  kann.'' 

Belajeft"  hat  nun  gezeigt,  dass  die  Verhältnisse  keines- 
wegs so  einfach  sind,  und  E.  Strasburger  hat  dessen  Unter- 
suchungen bestätigt.  Bclajeff  hatdieEntwickelung  von  Gym- 
nospermen-Pollenkörnern, namentlich  diejenigen  der  Eibe 
(Taxus  Ijaccata)  verfolgt  und  ist  zu  dem  bemerkenswertheu 
Resultat  gekommen,  dass  der  Pollenscblauch  keineswegs 
als  die  generative  Zelle  (ähnlich  den  Spermatozoiden)  an- 
gesehen werden  kann;  der  Pollenschlauch  ist  nur  eine 
vegetative  Zelle,  denn  in  denjenigen  Fällen,  in  welchen 
im  Polleukorne  der  Gj'uinospermen,  wie  bei  Taxus,  sich 
eine  kleine  (früher  als  Prothallium  gedeutete)  Zelle  bildet, 
wird  dieselbe  nicht  —  wie  früher  angenommen  —  resorbirt, 
sondern  sie  tlieilt  sich  in  zwei  Zellen,  von  denen  die  eine 
zur  Sjtitze  des  Pollenschlauches  w'andernd  zur  befruchten- 
den, also  generativen  Zelle  wird.  H.  Potonie. 

Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben. 

Ks  wurden  ernannt:  Der  ausserordentliche  Professor  für 
Elektrotechnik  an  der  Technischen  Hochschule  in  Prag  Dr.  Do- 
malik  zum  Ordinarius.  —  Dr.  H.  H.  Tumor,  erster  Assistent 
am  Kgl.  Observatorium  in  Greenwich  zum  Professor  der  Astronomie 
an  der  Universität  Oxford.  —  Die  Bei'grätlie  Schantz  in  Zeitz. — 
Dörell  in  Grund  a.  Harz  -  undViedenz  in  Eberswalde  zu  Ober- 
bergräthen.    —    Dr.  Nicole    zum  Director   des  Bacteriologischen 


Institutes  in  Constantinopel.  —  Mr.  W.F.C.  Gurlev  zum  Director 
der  Geologischen  Landesaufnahme  des  Staates  Illinois.  —  Der 
Geologe  \V.  T.  Mc  Gee  zum  Leiter  des  Bureau  of  Ethnology  in 
Washington,  U.  S.  —  An  der  Universität  von  Pennsylvanien  Pro- 
fessor E.  D.  Cope  zum  Lehrer  für  vergleichende  Anatomie  und 
Zoologie  —  und  Professor  A.  P.  Brown  zum  Lehrer  für  Geologie 
und  Mineralogie. 

Es  sind  gestorben:  Der  Professor  der  Chemie  an  der  Universität 
Giessen  Dr.  Eugen  Le  11  mann.  —  Der  Chemiker  Liardet  in 
Melbourn  in  Folge  Explosion  in  seinem  Laboratorium.  —  Der 
amerikanische  Bergingenieur  A  r  t  h  u  r  F r  e  d  e r  i  c  k  W  e  n  il  t  in  Berlin. 
—  Der  Kgl.  ungarische  Geologe  Dr.  Georg  Fr i mies  zu  Belcnyes 
in  Ungarn.  —  Der  Geologe  H.  W.  Crosskey  zu  Birmingham.  — 
Der  Bergingenieur  Adolf  Stein  zu  Tolucca  in  Mexiko.  —  Der 
Director  des  Agriculture  College  in  Aspatria  Dr.  Wcbb.  —  Der 
Schriftsteller,  besonders  auf  geographischem  Gebiete,  Julius 
Loewenberg  in  Berlin. 

In  Joliannesliurg,  Süd -Afrika,  ist  \T)r  einiger  Zeit  ein  Süd- 
afrikanischer Ingenieur-  und  ArcMtekten  -  Verein  gegründet 
worden.  Die  Vorträge  handeln  hauptsächlich  über  Borgbauweseu 
und  werden  in  den  Verhandlungen  des  Vereins  publicirt.  Prä- 
sident: Bergingenieur  Hennen  Jennings. 

Die  neunte  Versammluug  Russischer  Naturforscher  tagt 
vom   l.i.  bis  2:3.  Januar  1891  in  Moskau. 


L  i  1 1  e  r  a  t  u  r. 

1.  Dr.  Ernst  Krause  (Carus  Sterne),  Tuisko-Land,  der  arischen 
Stämme  und  Götter  Urheimath  Erläuterungen  zum  Sagen- 
sehatze  der  Veden,  Edda,  Ilias  und  Odyssee.  Mit  Tij  Abliildungen 
im  Text  und  einer  Karte.  Verlag  von  Carl  Flemming.  Glogau 
18',)  1. 

2.  Krause,  Die  Troja-Burgen  Nordeuropas,  ihr  Zusammenhang 
mit  der  indogermanischen  Trojasage  von  der  entführten  und 
giifangonen  Sonnenjungfrau  (Syrith,  Brunhild,  Ariadne,  Helena), 
den  Trqjaspielen,  Schwert-  und  Labyrinthtänzen  zur  Feier  ihrer 
Lenzhefreiung.  Nebst  einem  Vorwort  über  den  deutschen  Ge- 
lehrtendünkel.     Mit    2G  Abbildungen    im    Text.      Glogau    1893. 

1.  Unter  dem  Einfluss  der  Bibelsagen,  wonach  Asien  als  die 
Heimath  des  Menschengeschlechtes  betrachtet  wird,  von  wo  aus  die 
übrigen  Theile  der  Erde  bevölkert  worden  sein  sollten,  hat  man 
auch  die  noch  in  mehr  oder  weniger  voller  Reinheit  den  Norden 
und  einen  Theil  Mitteleuropas  bewohnenden  Arier,  die  lang- 
schädelige  Rasse  mit  blondem  Haar  und  blauen  Augen,  von  dort- 
her  in    ihre  jetzigen  Sitze   gelangen  lassen. 

Es  erschien  ganz  natürlich,  dass  die  Erde  in  den  Gegenden, 
wo  sie  heute  noch  dem  Menschen  die  Existenzbedingungen  am 
leichtesten  gewährt,  auch  in  grauer  Vorzeit  zuerst  bewohnt  wurde, 
und  dass  erst  spätere  zwingende  Verhältnisse  die  sich  stark  ver- 
mehrende Bevölkerung  theilweise  dazu  trieben,  andere,  allmählich 
immer  entlegenere,  weniger  günstige  Landstriche  zu  ihrem  Wohnsitze 
zu  erwählen.  Im  Zusammenhange  hiermit  mussten  natürlich  auch 
alle  Helden-  und  Göttersagen  des  Nordens,  welche  Verwandtschaft 
mit  südlichen  zeigten,  auf  diese  als  ihren  Ursprung  zurückzuführen, 
von  diesen  nur  Ausstrahlungen  mit  lokalen,  den  Verhältnissen 
des  Klimas,  des  Landes  und  der  veränderten  Lebensweise  seiner 
Bewohner  entsprechenden  Färbungen  sein,  Nibelungenlied, 
Gudrun  etc.  nur  nordische  Variationen  der  älteren  Ilias  und 
CIdyssee.  Den  unumstösslichen  Beweis  hierfür  glaubte  die  Sprach- 
forschung erbracht  zu  haben,  als  sie  wirkliche  Verwandtschaft  in 
Bau  und  Wortwurzeln  zwischen  der  .altheiligen  Sprache  der  Inder, 
dem  Sanskrit,  und  den  arischen  Sprachen  nach«  ies  —  die  Frucht 
dieser  Entdeckung  war  die  indogermanische  Sprachenfaniilie,  welche 
von  der  lange  gesuchten  Ursprache  (anfangs  sogar  der  Menschheit) 
ausstrahlen  sollte.  Zweifel  blieben  nicht  aus,  und  gewichtige  Be- 
denken stiegen  auf.  Viele  der  der  sogenannten  Ursprache  der 
Menschheit  angeschweissten  jüngeren  Sprachenglieder  erwiesen  sich 
auch  dem  enragirtesten  Anhänger  der  Theorie  als  unvereinbar 
damit,  und  hinsichtlich  der  in  Indien  vermeintlich  entdeckten 
Urheimath  der  dolichocephalen,  blonden,  blauäugigen  Arier  lehrten 
ilie  Kolonisationserfahrungen  der  Engländer,  dass  letztere  An- 
nahme unhaltbar  sei.  Man  verlegte  schliesslich  die  Urheimath 
der  Arier  auf  das  Plateau  von  Pamii\  Obwohl  also  eine  Spaltung 
in  den  Meinungen  seit  lange  bestand,  so  hatte  die  alte  Hypothese 
doch  noch  ihre  eifrigen  Anhänger,  und  namentlich  in  den  Kreisen 
der  Sprachforscher  waren  diese  vertreten. 

Hiergegen  wendet  sich  Dr.  Ernst  Krause,  indem  er  die  Fr.age 
nach  der  Herkunft  der  Arier  vom  naturwissenschaftlichen,  ethno- 
logischen und  prähistorischen  Standpunkte  aus  zu  lösen  sucht. 
Wenn  wir  uns  die  Geliiete  ansehen,  in  welchen  uns  heute  die 
arische  Rasse  mit  ihren  charakteristischen  Eigenschaften  (dolicho- 
cephal,  blondhaarig  und  blauäugig)  geschlossen  am  reinsten  ent- 
gegentritt, so  bleiben  wir  bei  Nord-  und  Mitteleuro])a  stehen. 
Besonders  das  Erstere  —  Skandinavien  und  Jütland  —  dann  aber. 


586 


Naturwissenschaftliche  Wocheuschriit. 


Nv.  52 


allerdings  in  nach  Süden  stetig  abnehmendem  Vei-hitltnisse, 
Mitteleuropa  weisen  in  der  Gegenwart  diejenigen  Bedingungen 
des  Klimas  und  alle  sonstigen  Lebensverhältnisse  auf,  unter 
denen  die  Rasse  bestehen  und  sich  fortpflanzen  kann.  Begegnen 
wir  ihren  Angehörigen  in  ähnlicher  reiner  Erhaltung  in  südlicheren 
Ländern,  in  einem  wärmeren  Klima,  so  geschieht  dies  stets  in  einer 
solchen  Höhe  über  dem  Meere,  dass  der  Unterschied  der  gerin- 
geren geographischen  Breite  durch  den  der  bedeutenderen  Er- 
hebung ausgeglichen  wird.  Hierzu  kommt  natürlich  als  wesent- 
lich hinzn,  dass  sich  diese  zerstreuten  Stanimesglieder  möglichst 
frei  von  'fremden  Elementen  gehalten  haben.  Beispiele  hierfür 
und  zugleich  Wegweiser  für  die  alten  einst  eingeschlagenen 
Strassen  bilden  die  Osseten  im  Kaukasus,  das  Bergvolk  der  Kurden, 
die  Kafirs  oder  Siah  Posch  in  den  hohen  Gebirgen  Afganistans,  die 
Kabylen  im  Atlas  und  die  Sphakioten  auf  den  Gebirgen  Kretas. 
Die  vielgerühmte  Heimat  der  Arier,  Indien,  und  selbst  das  aus- 
hülfsweise  dafür  eingeschobene  Plateau  des  Pamir  lassen  keine 
Spur  arischer  Bevölkerung  erkennen,  trotz  der  im  ersteren  seit 
Tausenden  von  Jahren  gebräuchlichen  Sprache  des  Sanskrit;  ja, 
wie  die  Kolonisationsversuche  der  Engländer  gelehrt  haben,  sind 
sänimtliche  Lebensbedingungen  dortselbst  dem  Fortkommen  der 
arischen  Rasse  entgegen.  Dass  dieselbe  in  jenen  Gegenden  einst 
aufgetreten  ist,  wird  durch  die  Sprachverwandtschaft  des  Sanskrit, 
durch  die  megalithisehen  Denkmule,  durch  Verwandtschaft  der 
Sagen  und  durch  die  in  der  Nähe  tler  früheren  Strassen  noch  be- 
findliehen Stammesrelicte  bewiesen:  aber  die  Rasse  war  dort  nicht 
autochthon,  sondern  sie  war  von  Norden  aus,  aus  dem  nördlichen 
und  mittleren  Europa  eingewandert.  Starke  Vermehrung  in  der 
Heimath  und  kriegerischer  Sinn  trieben  die  kampfesfreudigen 
Schaaren  hinaus,  theils  längs  der  Küsten,  theils  den  grossen 
Strömen  folgend  ins  Land  hinein,  über  die  Gebirge  weiter  bis  an 
die  fernen  Meeresgestade.  Ueberall  traten  sie  als  die  Sieger  und 
Herren  auf,  das  beweisen  noch  alte  Anklänge  der  Sprache,  wie 
Aryas  im  Sanskrit,  worunter  die  Adligen  und  Herren  verstanden 
werden,  und  in  den  Tagen  Homers  werden  dii>  Personen  edler 
Abkunft,  sowie  die  Göttergestalten  der  Pallas  Athene,  Demeter 
und  des  Apoll  stets  als  blond  im  Gegensatz  zu  dem  gemeinen, 
brünetten  Volke  geschildert.  Welche  Wege  die  alten  Arier  ge- 
zogen sind,  das  bezeichnen  die  von  ihnen  hinterlassenen  mega- 
lithisehen Denkmale  (Menhirs,  Dolmen  und  Kromlecs);  aber  in 
fast  allen  südlicher  gelegenen  Gegenden  ist  die  blonde  Rasse 
vollständig  in  die  brünette,  brachycephale  Bewohnerschaft  auf- 
gegangen, da  sie  niclit  die  für  ihre  Existenz  erforderlichen  Be- 
dnigungen  fand;  und  nur  dort,  wo  sie  sich  rechtzeitig  in  das  Ge- 
birge zurückzog  und  sich  von  Vermischung  frei  hielt,  hat  sie  bis 
auf  den  heutigen  Tag  ihre  Nachkommenschaft  erkennbar  erhalten. 

Verfasser  geht  alsdann  im  weiteren  Verlauf  seiner  Unter- 
suchungen auf  die  Beziehungen  zwis-chen  unseren  altnordischen 
Heldensagen  und  denen  der  Griechen  (llias  und  Odyssee)  ein  und 
begründet,  dass  die  ersteren  die  ursprünglichen,  die  letzteren 
dagegen  die  z.  Th.  ganz  entstellten  Umbildungen  jener  sind. 
Die  griechische  Trojasage  und  der  nordische  Eddamythus  haben 
beide  naturgeschiehtliche  Grundlage,  es  ist  die  Darstellung  des 
Kampfes  zwischen  Winter  und  Sommer.  Die  starke  Burg,  welche  in 
unglaublich  kurzer  Zeit  erbaut  wird,  ist  das  Eis,  der  Held,  der  sie 
zerstört,  die  Sonne.  In  den  nordischen  Sagen  ist  dieser  Kern 
noch  leichter  zu  erkennen,  in  den  berühmten  griechischen  da- 
gegen ist  eine  so  weitgehende  Zusammeumischung  verschieden 
zeitlicher,  z.  Th.  ganz  abweichender  Elemente  vor  sich  gegangen, 
dass  dieselben  geradezu  zu  einer  Karrikatur  der  einfach  schönen 
Muttersagen  geworden  sind.  In  gleicher  Weise  behandelt  Verf. 
die  Beziehungen  der  auftretenden  Helden,  Götter  und  der  ihnen 
geweihten  Thiere,  sowie  endlich  auch  die  Odyssee  in  ihrem  Ver- 
hältniss  zum  Norden.  Ausführlicher  auf  den  Inhalt  des  Werkes 
einzugehen,  hiesse  ein  neues  Buch  darüber  schreiben;  wir  müssen 
uns  hier  damit  begnügen,  dem  Leser  die  Leetüre  desselben  auf 
das  wärmste  zu  empfehlen.  Aber  nicht  allein  dem  gebildeten 
Laien  ist  das  Buch  zu  empfehlen,  auch  der  Mann  der  Wissen- 
schaft wird  es  mit  vielem  Interesse  und  nicht  ohne  Nutzen  lesen 
und  daraus  Anregung  zu  weiterem  Nachdenken  und  zu  neuen 
Studien  und  Untersuchungen  schöpfen  nach  einer  Seite  hin,  die 
leider  bisher  nicht  genug  gewürdigt  oder  durch  Vorurtheil  unbe- 
achtet gelassen;  ist  die  Fülle  der  neuen  Gedanken  doch  eine  so 
grosse,  dass  viele  derselben  eben  nur  haben  angedeutet  werden 
können. 

2.  Der  Verfasser  nennt  die  Mythologie  „den  Niederschlag 
der  Naturdeutungsversuche  der  Kiudheitsvölker"  und  glaubt,  sie 
am  kürzesten  und  tretTcudsten  als  „Volksnaturgeschichte"  be- 
zeichnen zu  können.  Von  dieser  Auffassung  ausgehend,  welcher 
auch  Referent  unbedingt  zustimmt,  verfolgt  Ernst  Krause  in 
seinem  jüngsten  Werke  „Die  Trojaburgen  Nordeuropas  etc."  seine 
iu  Tuisko-Land  zum  Theil  nur  in  allgemeinen  Umrissen  wieder- 
gegebenen Anschauungen  über  die  Herkunft  der  Arier  w'citer  und 
erbringt  eine  Menge  neuer,  auf  gründliche,  weitgehende  Forschungen 
und  scharfsinnige,  glückliche  Schlüsse  basirte  Beweise  für  die 
Richtigkeit    seiner  Ansicht.      Jeder,    der    das    vorliegende    Buch 


nach  der  Leetüre  von  Tuisko-Land    gelesen  hat,  wird  zugestehen 
müssen,  dass  sich  ihm   jetzt   das  Gebäude    der  Krause'schen  Her- 
leitung der  Arier  zu    einem    bestimmten,    festen  Ganzen   fügt,   in 
dem  wohl    noch    verschiedene    Theile    des   endgültigen   Ausbaues 
harren,  welches  aber  in  seiner  wirklichen  Gestaltung  bereits  fest 
dasteht.     Dass  der  Troja-Mythus  auf  einer  altgermanischen  Natur- 
sage   beruhe,    war    in    Tuisko-Land    für    jeden,    der     ohne    Vor- 
eingenommenheit den  Ausfülu-ungen  des  Verfassers  folgte,  bereits 
klar;  hier  nun  erhält  er  die  Beweise  dafür.     Die  altnordische  Bau- 
meistersage   der    Edda,    der    Freyja-Mythus,    die    Brunhild-    und 
Syrith-Lieder,    die    Dornröschen-Dichtung,    die    Erzählungen    der 
Perser    und  Inder    von    einem    dreiköpfigen   winterlichen  Dämon, 
der  die  Sonnenjungfrau  in  seine  Gewalt  zu  bringen   trachtet,    die 
älteste  Fassung  der  Trojasage,    die   Laomedousage,   die  Sage  von 
der    Himmelfahrt    der    Sonnenbraut,    deren   verchristlichter  Form 
in    Südslavischen    Ländern  .die    Feier    des    St.    Georgsfestes    am 
23.  April    gilt,    und    endlieh    das    christliche  Osterfest  selbst  sind 
alle  mit  einander  identisch.     Der  Kern  aller  ist  ein  uralter  Natur- 
mythus bezw.    Naturkult,    die    genannten  Sagen  und  Mythen  und 
Gebräuche    sind    die    Darstellungen    desselben,   je   nacli  der  Ent- 
wickelungsstufe    und    den    Lebensverhältnissen     des    betreffenden 
Volkes.    Alles  sind  mehr  oder  weniger  durchsichtige  Darstellungen 
eines  Naturvorganges,  des,  wie  Verfasser  sich  treffend  ausdrückt, 
sich  stetig  wiederholenden  „Jahreszeiten-Dramas",  der  Niederlage 
der  Sonne  während  des  Winters  und  ihres   Sieges    im   Frühlinge. 
Dieser  ganze  Kern  deutet  aber  nur  auf  den  Norden,  dorthin,   wo 
das  Schwinden  und  schliessliche  gänzliche  Wegbleiben  der  Sonne 
während    der    einen  Jahreszeit    am    schärfsten  "sich  in  der  ganzen 
Natur  bemerkbar  machte.     Ihrem  Wiedererscheinen  und   schliess- 
lichen  Siege  galten  die  Feste.     Die  Kindheitsvölker  brachten  für 
diese  Vorgänge  Personen  in  Handlung,  die  Sonne  in  Jungfrauen- 
gestalt    (Braut    Christi),    gefangen    von    Riesen,    Dämonen,    Un- 
geheuern   u    dgl.    (Antichrist)    (je    nach  dem  Volke),   befreit  vom 
Donnergott,    Heroen  u.  s.  w.   (Christus);     Freyjas    Befreiung     aus 
den  Händen  des  Bergriesen  durch  den   Ponnergett  Thor;  die  Be- 
freiung der  im  Thurme  gefangen  gehaltenen   Jungfrau   durch  den 
Knaben    mit    dem    Wunderrosse    (Norden    Russlands);    Brunhilds 
Befreiung  durch  Siegfried  aus  dem  Schlosse;  Brunhilds  Erweckung 
durch  Sigurd  (hieraus  ist  die  Dornröschensage  entstanden)  etc.  etc. 
Der  Namen  des  der  Sonnenjungfrau  nachstellenden  Dämons  ist  bei 
allen  arischen  Völkern  ähnlich:  Maha  Druh  (der    grosse   Druh  in 
den  indischen  Veden);  Druja  oder  Drogha  bei  den  Persern;  Trojan 
oder    Trojanu    bei    den    Slaven.        Er    wird    als     grosser    Falien- 
steller  geschildert,  welcher    die    Sonnenjungfrau    in    der  „Sonnen- 
falle", einem  dem  kretonsischen  ähnlichen  Labyrinthe  fängt.    Der- 
artige Labyrinthe  sind  aus  vielen  Ländern,    namenflicli  aber  den 
nordischen,    wie    England,    Skandinavien,    Russland,  Deutschland, 
Dänemark  etc.  bekannt,  bestehen  aus  labyrinthisch   angeordneten 
Steinsetzungen  (sogenannte    Feldlabyrinthe),    und    führen    überall 
gleiche    Namen:    Trojaburgen,    Trojastädte,    Trojamauern    —  und 
werden    auf    Island    in    den  dortigen    Sagen    als    Thierfallen    ge- 
schildert.    Bei    den    Festen,    welche    der    Befreiung    der  Sonnen- 
jungfrau gewidmet  waren,  waren  verschiedene  Gebräuche    üblich, 
namentlich  Tänze,    welche    mit    den    Labyrinthen    in  Verbindung 
standen    und    auch    gleiche    Namen,    wie  Troja-Tanz,    Traa-Tanz 
(der  Salier  in  Rom),  Troja-Spiel  (Labyrinthreiter),  Labyrinth-Tanz 
(auf  Kreta    und  Dolos    zur    Begrüssung    des    aus    Troja    zurück- 
gekehrten Apolls)    führten.      Hierher    gehört    auch    der    Georgs- 
Reigen  in  südslavischen  Ländern.     Alle  diese  Feste   fallen  in  die 
Zeit    der  Wiederkehr  des    Frühlings.      Wir   haben    hier  natürlich 
nur  in  allerknappster  Form    auf   die  Beweise    des  Verfassers  ein- 
gehen können,  in  welcher  geschickten,  klaren  und  überzeugenden 
Weise    er    dieses    ungeheuere    Material,    von    dem    wir    nur    das 
wichtigste  herausgegriffen  haben,  das  in  Wirklichkeit  noch  durch 
zahlreiche    alte    Lieder    und    Gesänge,    sowie    viele,   viele   Sagen, 
Märchen,    Mythen,    Legenden,    Gebräuche,    kirchliche    und    prä- 
historisclie  Alterthümer  vermehrt  wird,  verarbeitet  und  daraus  den 
Kern  geschält    hat,    davon    vermag    nur  die    Leetüre  des  Werkes 
selbst  einen  Begriff  zu  gewähren.     Es  kann  kaum  ausbleiben,  dass 
der  Verfasser  mit  seinen  Anschauungen  durchdringt,  sind  sie  doch 
die  auf  natürliche    Vorgänge    sieh    stützenden,    daher  einfachsten 
und    der  Wirklichkeit    entsprechende.      Für    die    Bedeutung    des 
ersten  Werkes  des  Verfassers,  „Tuisko-Land",  sprechen  auch  nicht 
zum    wenigsten    die    mehrfachen    heftigen    Angriffe    Seitens     der 
Gegner,  welche  wohl  sofort  herau.sgefühlt  luiben,  dass  dieses   ihren 
veralteten,    auf   blossen    philologischen    Tüfteleien    basirten    An- 
schauungen gefährlich  werden  könnte.    „Die  Trojaburgen"  etc.  sind 
aber  niu'  die  directe  Fortsetzung  und  enthalti'U  <lie   ausführlichen 
Beweisführungen  des  ersten.     In  welcher  Weise  der  Verfasser  an- 
gegritten  worden  ist  und  wie  er  seine  Gegner  abfertigt,  das  zeigt 
die    Vorrede    zu    seinen    Trojaburgen.      Wir    wünschen    ihm    von 
Herzen  Glück  zu  seinem  Werke  und  zweifeln  keinen  Augenblick, 
dass  es  sich  sehr  viele  Freunde  erwerben  wird:    möchte    es  eines 
der   von    den    Gebildeten    unseres  Volkes    am    meisten    gelesenen 
Bücher  werden. 


Nr.  52. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


587 


Dr.  Max  Herz,  Untersuchungen  über  Wärme  und  Fieber.     Mit 

HI   l''ii;iireii.     Wilhelm   Biaunuillor,     Wien    und   I>oiiizig   l.s!l.'!.   — 

l'reis'2,50  M. 
Verf.  hat  in  dem  Werk  eine  ganze  Reihe  interessanter  Untcr- 
snehiingen  nnd  theoretischer  Betrachtungen  niedergelegt,  welche 
er  anstellte,  um  die  eomplicirte  und  durcluius  noch  nicht  ganz 
aufgeklärte  Lehre  von  der  Wärmeregulirung  und  dem  Fieber  zu 
vereinfachen.  Nach  einer  allgemeinen  Einleitung  wii'd  das  Grund- 
gesetz von  der  naturgemässen  Wärmereaction  des  Protoplasmas 
besprochen.  Es  folgen  dann  Gährungsversuche,  und  zwar  wandte 
sich  Verfasser,  ausgehend  von  der  Annahme,  dass  das,  was  als 
gültige  Reaction  für  jedes  Protoplasma  betrachtet  werden  soll,  am 
klarsten  dort  vor  Augen  tritt,  wo  nicht  zu  comi)liciite  Organ- 
systeme  wie  Blutgefässe  und  Nerven  des  thierischen  Organismus 
in  Frage  kommen,  an  die  Pflanze.  Die  Wärmepruduction  der 
gährenden  Thieihefe  wurde,  wie  schon  vielfach  zuvor,  untersucht. 
Besprochen  ist  dann  weiter  die  thierische  Isoliruug,  das  Fieber 
einzelliger  Organismen,  die  Quellen  der  Fiuberwärme,  und  die 
Wärmeabgabe  im  Fieber.  Stabsarzt  Dr.  Matz. 

G.  John  Bomanes,  Die  geistige  Entwickelung  beim  Menschen. 

Ursprung  der  menschlichen  Befähigung.  Aiitorisirte  deutsche 
Ausgabe.  Ernst  Günther's  Verlag.  Leipzig  18".)3.  —  Preis  G  Mk. 
Dass  der  Verf.  die  geistigen  Eigenschaften  (bosser  die  Eigen- 
thümlichkeiten  des  Nervensystems)  des  Menschen  als  allmählicli 
aus  den  thierischen  hervorgegangen  ansielit,  ist  wohl  selbstver 
ständlich,  da  er  .sich  sonst  bei  seiner  Anerkennung  des  Dar- 
vvinisnuis  unlogisch  vei'halten  würde. 

Hinsichtlich  der  Gemüthsbewegungen  findet  R.  keinen  Unter- 
schied der  Art  nach  bei  Thieren  und  Menschen,  abgesehen  von 
denjenigen,  welche  zur  Wahrnelnnung  des  Krliabenen  und  zur 
Religion  gehören,  alle  anderen  Arten  der  Gemüthsbewegungen 
(R.  gliedert  sie  in  über  "20  Arten)  kommen  auch  bei  den  Thieren 
vor,  wenn  auch  manche  nur  wenig  entwickelt.  Auch  der  um- 
gekehrt beim  Thiere  stärker  hervortretende  Instinct  ist  dem  Men- 
schen eigenthüuilicli,  nnd  Aeusserungen  des  Willens  kommen 
ebensowohl  wie  beim  Menschen  beim  Thiere  vor  u.  s  w.  Verfasser 
hat  vor  allem  in  seinem  Buch  die  Aehnlichkeiten  zwischen  den 
geistigen  Thätigkeiten  des  Menschen  und  der  Thiere  nachzuweisen 
und  die  hervortretenden  Unterschiede  als  stufenweise  Ausbildungen 
gleicher  Anlagen  zu  begründen  versucht. 


F.  Sarrazin,  Wandkarte  zur  Darstellung  der  Hagelstatistik 
(1880—1892)  von  Norddeutschland,  östlicher  Theil,  von  der 
russischen  Grenze  bis  zum  Flussgebiet  der  Weser.  Nebst 
erläuterndem  Text.     Berlin    1893.     Dietrich    Keimer.    —    Preis 

7  Mk. 

Der  Herr  Verfasser  dieser  bedeutsamen  Arbeit  ist  auf  dem  Gebiete 
der  Hagelstatistik  und  auf  dem  der  Erforschung  der  Naturgesetze 
des  Hagels  schon  seit  längerer  Zeit  mit  Erfolg  thätig.  Mit  dieser 
Hagelkarte  Norddeutschlands  hat  er  nun  aber  eine  That  geleistet, 
welche  nicht  nur  für  die  zunächst  betheiligten  Kreise,  die  L.and- 
wirthe,  sondern  ganz  vornehudich  auch  für  die  Wissenschaft  von 
hohem  Interesse  ist.  Dieses  Interesse  wird  noch  erweitert  durch 
den  Umstand,  dass  Herr  Sarrazin  bei  Anlage  der  Karte  darauf 
Bedacht  genommen  hat,  dieselbe  auch  zugleich  als  Waldkarte  zu 
zeichnen,  wodurch  sein  Werk  namentlich  auch  für  hydrographi^die 
Arbeiten,  in  denen  die  Wald-  und  Wasserfrage  zu  berücksichtigen 
ist.  sieh  höchst  forderlich  erwiesen  hat. 

In  der  Karte  bezeichnen  einfache  rothe  Punkte  dieji/nigen 
F(ddmarken,  welche  in  dem  Zeitraum  1880—1892  wenigstens  zwei 
bis  dreimal  ersatzfähigen  Hagelschaden  erlitten  haben;  dagegen 
sind  durch  kleine  rothe  Kreise  solche  Bezirke  angezeigt,  welche 
in  dieser  Zeit  wenigstens  viermal  und  bis  zu  achtmal  crsatz- 
fiihig  verhagelt  worden  sind.  Der  Herr  Verfasser  hat  ferner 
durch  seine  Forschungen  die  Existenz  von  Zugstrassen  der  Hagel- 
wetter, sogenannte  Hagelstriche  festgestellt,  welche  er  in  der 
Karte  durch  rothe  Pfeile  gekennzeichnet  hat.  Diese  Hagelstriche 
besitzen  meist  eine  west-östliche  Richtung  (NW.  nach  SO.),  ent- 
sprechend den  Zugstrassen  der  meisten  Gewitter. 

Es  sind  zunächst  vier  Hauptgesetze,  welche  wir  so  aus  der 
Karte  zu  lesen  vermögen:  1.  als  Brutstätten  der  Gewitter  und 
des  Hagels  sind  die  Flussniederungen,  fl.achen  Seen,  versumpften 
Ebenen,   Wiesen    und    Moore    anzusehen,    die    bei   anhaltender  In- 


solation sich  stark  erwärmen;  2.  die  Bodenerhebungen  tragen  zur 
Verschärfung  der  Unwetter  wesentlich  bei,  indem  sie  die  Rcgon- 
bildung  und  die  stärkere  Entwickelung  der  Elektricität  begün- 
stigen; 3.  die  Luvseiten  sowohl  der  Gebirge,  wie  der  isolirten 
Berge  sind  erheblich  mehr  gefährdet,  als  die  Leeseiten ;  und  end- 
lich zeigt  sich  ■!.,  dass  das  Küstengebiet  der  Nord-  und  Ostsee 
in  Folge  der  dort  herrschenden  Land-  und  Seewinde  relativ 
hagelfrei  ist,  sofern  nicht  versumpfte  Niederungen  oder  aber 
Bodenerhebungen  (nothwendige)  Ausnahmen  bedingen  —  Der 
Hagel  ist  also  eine  Erscheinung  von  vorherrschend  örtlicher  Natur. 
Hagel  und  Gewitter  finden  ihren  Ursprung  im  Wasser,  d.  h.  in 
den  über  dem  Wasser  entstehenden  feuchten  Luftströmon  uml 
finden  ihre  Verschärfung  in  den  Bodenerhebungen.  So  erstaunen 
wir  denn  nicht  im  mindesten,  wenn  wir  durch  die  Karte  eine 
ganze  Reihe  von  Hagelherdcn  oder  Hagelnestern  kennen  lernen, 
die  Verf.  durch  grosse  rothe  Kreise  gekennzeichnet  hat.  Diese 
Hagelherde  kennzeichnen  die  Brutstätten,  aus  denen  die  rein  ört- 
lichen (oder  Wärme-)  Gewitter  und  in  deren  Gefolge  die  Hagel- 
wetter entspringen.  Bei  fortschreitenden  Wirbclgowittern  schliessen 
sich  diese  Herde  dann  zusammen  und  bilden  so  die  Zugstrassen. 
—  Die  Auseinandersetzungen  des  Verf.  über  den  Einfluss  der  Be- 
waklung  auf  die  Hagelerschoinungen  sind  in  hohem  Maasse  be- 
merkenswerth. 

Geradezu  unschätzbaren  Werth  für  die  Pra.\is,  für  den  von 
der  Hagelgefahr  direct  bedrohten  Landwirth,  erhält  die  Arbeit 
durch  die  eingehende,  auf  langjährige  Statistiken  gegründete 
Besprechung,  welche  Herr  Sarrazin  den  einzelnen  in  der  Karte 
dargestellten  Gebieten  (Provinzen,  Kreisen)  widmet.  Und  gerade 
aus  diesem  Grunde  ist  der  überdies  vorzüglich  ausgestatteten 
Arbeit  die  weiteste  Verbreitung  zu  wünschen,  denn  es  kann  nur 
zu  Nutz  und  Frommen  der  deutschen  Laudwirthschaft  dienen, 
wenn  dieselbe  sich  mit  den  Sarrazin'schen  Ergebnissen  eingehend 
vertraut  macht.  Gravelius. 

Ein  Füll -Federhalter  amerikanischer  Construction,  „Swan"- 
Füll-Federhalter,  gcdit  uns  zur  Besprechung  zu  von  der  Firma 
Romain  Talbot,  Berlin  C.  Er  ist  sauber  gearbeitet  nud  dürfte 
sich,  da  er  zweckentsprr>chend  ist,  Eingang  verschaffen.  Dem 
Naturforscher,  z.  B.  dem  kartirenden  Geologen,  der  es  vorzieht, 
auch  unterwegs,  im  Freien,  Eintragungen  in  das  Tagebuch  mit 
Tinte  auszuführen,  kann  der  Federhalter  empfohlen  werden.  Auch 
dem  Hefte  corrigirenden  Lehrer  dürfte  aus  der  Benutzung  des- 
selben ein  gewisser  Vortheil  erwachsen.  Wer  nicht  zu  schnell 
schreibt  und  das  ewige  Eintauchen  der  Feder  vermeiden  will,  wird 
ebenfalls  dem  FüU-Federhalter  sein  Interesse  entgegenbringen. 


Frenzel,  Prof.  Dr.  Jobs.,  Mikroüraphio  der  Mitteldarnulrüse  (Leber) 
der  Mollusken.     2.  Thl-     1.  Hälfte.     Halle.     20  M. 

Jaekel,  Privatdoc.  Kust.  Dr.  Otto,  Die  eocänen  Selachier  vom 
Monte  Bolca.     Berlin.     30  M. 

Kaindl,  Doc.  Dr.  Kaim.  Frdr.,  Die  Huzulen.     Wien.     .5  M. 

Xjandolt,  Dir.  Hans,  u.  Rieh.  Börnsteia,  Prof.  DD.,  Physikalisch- 
chemische Tabellen.     2.  Aufl.     Berlin.     2-1  ,"\1 

Müller,  liuise,  Grundzüge  einer  vergleichenden  Anatomie  der 
Blumenblätter.     Halle.  "30  M. 

Naumann,  Prof.  Dir.  Dr.  Alex.,  Techuisch-thermochemische  Be- 
rechnungen zur  Heizung  insbesondere  mit  gasförmigen  Breini- 
stoft'en.     Braunschweig,     ü  M. 

Nestler,  Dr.  A.,  Der  anatomische  Bau  der  Laubblätter  der  Helle- 
borc'en.     Halle.     4  M. 

Roth,  Justus,  Allgemeine  und  chemische  Geologie.  3.  Bd.  2.  Abtli. 
Berlin.     .i5..0ü  M. 

Tumlirz,  Prof.  Dr.  0, ,  Bestimmung  der  Lösungswärme  eines 
.Salzes  mittelst  der  Uebersättigung  und  Theorie  der  Ueber- 
sättigung.     Wien.     0,60  M. 

Weierstrass,  K. ,  Formeln  und  Lehrsätze  zum  Gebrauche  der 
elliptischen  Functionen.     Berlin.     10  M. 


Zur    Nachricht. 


Das  Titelblatt  nebst  Inhalts-Verzeichniss  wird  mit  der  letzton 
Nummer  dieses  B.-mdrs,  mit  Nummer  .')3.  geln-acht  werden. 


Die  Ei'iKMieniiig  dos 


liiei'durch  in 


geneigte 


Abonnements  wird  den 
geltraclit. 


Ei'innernng 


.geehrten 


Abneiiniern  dieser  Woeliensclirift 
Die  Verlagsbuchhandlung. 


(Mit  Aljbild.)    —    P.  Graelmer:  Das  Reifen   der  Früchte  und  Samen  früh- 
ide.    —    Die  Blattläuse    und  der  Honigthau.  —  Nachtrag  zu  dem  Aufsatz: 


Inhalt:    Prof.  Dr.  G.  Haberlandt:   Die  Maugro\e, 

zeitig    von    der  Mutterpflanze    gi'trennfer   l'.lütln'uständ.  .  ^.^    ..^...^.-......-^    «....  ....   ^^„...e,"""".         j,   --    

Der  Begriff  der  Blüthe.  —  Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben.—  LItteratur:  1.  Dr.  Ernst  Krause:  (Carus-Sterne),  Tuisko-Land. 
'i    Kruse:    Troia-Burcen  Nordeuronas     —    Dr.  .Ma.\  Herz:  Untersuchungen  über  Wärme  und  Fieber.  —  G.John  Romanos: 

-•    "'— ■" ■■■> ■'■■" '■■■■  "J- ■■■dstatistik  (1880—1892)  von 

erläutcrnilem  Text.  — 


'^.  Kruse:    Troja-Burgen  Nordeuropas     —    Ur.  i\la.\  tlerz:   Untersuciumgcn  Utjer   Warme  und  l'ieUer. 
Die    geistige  i^ntwickelung  beim  Mei  schon.    —    F.  Sarrazin:    Wandkarte  zur  Darstellung  der  Hageist 
Norddeutschland,    östlicher  Theil,    von    der    russischen  Grenze    bis    zum  Flussgebiet    der  Weser.     Nebst 
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588 


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Verantwortlicher  Redakteur:    Dr.  Henry  Potonie,    Berlin  N.  4.,  In 
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alidenstr.  44,   für  den    Inserateiitheil:  Hugo   iiernstein    in    Berlin, 
lin  SV^^.  12.  —  Druck:  G.  Bernstein,  Berlin  SW    12. 


^v^  Redaktion:  ~f         Dr.  H.  Potonie. 

Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhandlung,  Berlin  SW.  12,  Zimmerstr.  94. 


VIII.  Band.             Sonntag,  den  31.  December  1893. 

Nr.   :^?> 

Abonnement:  Man  abonnirt  bei  allen  Buehbandlungen  und  Post-             -v             Inserate:  Die  viersespaltene  Petitzeile  40  A.   Grössere  Aufträge  cnt- 
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Bringegeld  bei  der  Post  l.^  4  e.\tra     Postzeitungsliste  Nr.  4575.                  Jt                           bei  allen  Annoncenbureaux,  wie  bei  der  Expedition. 

Abdruck  ist  iinr  mit  vollständiger  <^aellenani;abe  gostattot. 

Ueber  die  Gleichzeitigkeit  des  Menschen  mit  der  sogenannten  Mammuthfauna. 


Von  Prof.  Dr.  A.  Nehring. 


Bekamitlicli  hat  der  berühmte  dänische  Zoologe  und 
Altertluunst'orscher  Japetus  Stcenstrup  vor  einigen 
Jahren  eine  zieniiicli  uiufang-reiche  Abhandhing-  veröffent- 
licht*), iu  welcher  er  die  Gleichzeitigkeit  des  Menschen 
mit  dem  Mammntli  und  der  Mammut! ifauna  auf  das  Ent- 
schiedenste bestreitet.  Stcenstrup  knüpft  seine  Betracli- 
tungcn  an  die  sogenannte  JMannnutlijiiger- Station  von 
Prcdmost  in  Mähren  und  sucht  nachzuweisen,  dass  dort 
bei  Predmost  die  .Menschen  nicht  auf  lebende  Mammuthe 
Jagd  gemaclit  liätten,  sondern  nur  auf  eingefroren  ge- 
wesene Mammuth-Cadaver,  welche  aus  einer  früheren 
Epoche  sich  unter  dem  Einflüsse  der  Eiszeit  conservirt 
hätten.  Man  habe  es  hierbei  vor  Allem  auf  das  Elfen- 
bein der  .Stosszähne  abgesehen  gehabt.  Zugleich  be- 
hauptet Steenstrup,  dass  der  Mensch  nirgends  mit  dem 
Mammuth  und  der  gleichzeitigen  Fauna  zusammengelebt 
habe. 

Diese  Ansicht  hat  auf  viele  Leser  einen  grossen  Ein- 
druck gemaclit.  ]\Iaiiche  Forsclier  haben  sie  geradezu 
acceptirt,  zumal  da  Iludolf  Virchow  sicli  auf  der  vor- 
tihrigen  Anthropologen-Versammlung  in  Ulm  zu  Gunsten 
derselben  aussprach.  (Siehe  den  Bericht  über  die  Ver- 
handlungen jener  Versammlung  im  Correspondenzblatte  der 
deutschen  Anthrop.  Ges.  1892,  S.92.)  So  z.  B.  ist  Prof  Aurel 
von  Török  in  Budapest  kurzlieh  bei  folgendem  Aus- 
spruche angelangt:  „dass  wir  schon  jetzt  genotliigt  sind 
zu  erklären:  dass  auf  Grundlage  der  bislierigen  That- 
sacheu  der  Mensch  mit  dem  Mammuth  uiciit  zu 
sammenleben  konnte,  und  dass  das  Alter  der  Men.sch- 
heit  nicht  über  die  sogenannte  Renntliierzeit  hinaus  sicher 
verfolgt  werden  kann".**) 

Im  Gegensatze  hierzu  haben  viele  andere  Forscher 
sich    entschieden    gegen    die    Steenstrup'sche  Mammnth- 

*)  ,Die  Mainiiiutlijiif;rr-Strttioii    bei  Prcdmost",   ans   d.  Diiiii- 
sclien  übers,  in  d.  Mitth.  d.  Aiitlirop.  Gfs.  in  Wien  1890,'  S.  1  -  ai. 
**)  Siehe    „Etbnolog.   Mittheiluugen    aus  Ungarn",    herausge- 
geben von  A.  Herrmann,   1893,  Juniheft. 


tlieorie  ausgesprochen,  und  es  erscheint  bei  dem  Wider- 
streit der  Meinungen  sehr  naheliegend,  dass  diejenigen, 
welche  keine  eigenen  Untersuchungen  über  die  betreffende 
Frage  ausgeführt  halien,  zweifelhaft  werden,  wie  sie  die- 
selbe beantworten  sollen. 

So  hat  E.  Friedel,  der  verdienstvolle  Begründer 
und  Director  des  Märkischen  Provinzial-Museums  hier- 
selbst,  in  der  „Brandenburgia",  Bd.  I,  Berlin  1892, 
S.  178  ff.,  unter  Bezugnahme  auf  J.  Steenstrup' s  und 
Rudolf  Virchow 's  Ansichten  die  Frage  zur  Discussion 
gestellt:  „Lebten  das  Mammuth  und  die  Thiere,  deren 
Gebeine  bei  Artefacten  in  den  verschiedenen  Diluvial- 
Schichtungen  vereint  gefunden  werden,  mit  dem  ]\lensclien 
zusammen"?^' 

Nach  meiner  Ansicht  ist  diese  Frage  für  eine  ganze 
Reihe  von  Fundorten  zu  bejahen!  Dass  es  manche  un- 
zuverlässige Funde  giebt,  bei  denen  es  sich  um  ver- 
schiedenalterige  Objeete  oder  um  ungenaue  Beobachtungen 
handelt,  ist  gewiss;  alier  hierdurch  kann  die  Beweiskraft 
der  zuverlässigen  Funde  nicht  gcstTirt  werden. 

Ich  habe  kürzlich  die  Resultate  meiner  eigenen  be- 
züglichen Ausgrabungen,  welche  von  mir  vorzugsweise  in 
dem  Diluvium  von  Thiede  bei  Braunschweig  aus- 
geführt sind,  in  einer  mit  13  Abbildungen  versehenen 
Abhandlung  zusammengestellt.  Dieselbe  trägt  den  Titel: 
„Ueber  die  Gleichzeitigkeit  des  Menschen  mit 
llyaena  sjielaea"  und  ist  in  dem  23.  Bande  der  .Mitthei- 
lungen  der  Wiener  Autliropolog.  Gesellschaft,  1893,  S.  204  tt'. 
erschienen.  Indem  ich  diejenigen  Leser,  welche  sich  für 
den,  Gegenstand  intercssiren,  auf  jene  Abhandlung  ver- 
weise, erlaube  ich  mir,  hier  einige  Bemerkungen  zu  den 
von  E.  Friedel  a.  a.  O.  aufgestellten  Fragen  und  sonstigen 
Acusserungcn  hinzuzufügen. 

Wenn  Friedel  fragt:  „Wo  haben  denn  die  zahllosen 
Mammuthe  und  Nasluirner  gelebt,  deren  Reste  in  so  un- 
geheuren Mengen  in  unseren  Gegenden  vorkommen?",  so 
antworte    ich:   jene   Mammuthe  und  Nasluirner  hnlieii   in 


590 


Naturwissenschaftliclie  Wochenschrift. 


Nr. 


Deutschland  selbst  gelebt,  und  zwar  in  Süd-  und  Mittel- 
deutschland, sowie  auch  in  dem  sudlichen  Theile  ron 
Norddeutschland.  Uebrigens  war  ihre  Zahl,  wenn  auch 
gross,  doch  nicht  so  „ungeheuer",  wie  man  aus  Friedel's 
Worten  schliessen  könnte. 

Friedel  bezeichnet  die  bei  uns  in  Norddeutschland 
vorkommenden  Knochenreste  jener  Thiere  als  „(Geschiebe" 
und  meint,  dass  man,  wie  für  andere  Geschiebe  so  auch 
für  diese  ein  Vaterland  werde  finden  oder  feststellen 
können*).  Mag  man  den  Ausdruck  „Geschiebe"  für  die 
häufig  stark  abgerollten  Mammuth-  oder  Rhinoceros- 
Knochen  mancher  Kies-  oder  Sandgruben  Norddeutsch- 
lands gelten  lassen;  für  die  von  mir  untersuchten  Fund- 
orte Thiede  bei  Braunschweig  und  Westeregeln  bei  Magde- 
burg kann  ich  jenen  Ausdruck  in  Bezug  auf  die  dort 
vorkommenden  Reste  der  sogenannten  Mammuthfauua 
(Elephas  primigenius,  Rliinoc.  tichorhinus,  Felis  spelaea, 
Hyaena  spelaea  etc.)  durchaus  nicht  als  zutreffend  an- 
erkennen. Mein  sehr  verehrter  Freund  Friedel  möge  es 
mir  nicht  übelnehmen,  dass  ich  hierin  nicht  mit  ihm  über- 
einstimme. 

Wenn  man  in  dem  lössartigen  Diluvium  von  Thiede 
den  Schädel  einer  Hj'aena  spelaea  nebst  einer  grossen 
Zahl  der  zugehörigen  Skelettheile  desselben  Indivi- 
duums in  wunderbar  gutem  Erhaltungszustande  nahe 
bei  einander  gefunden  hat,  so  kann  man  diese  Dbjecte 
(welche  sich  in  meinem  Besitze  befinden)  kaum  als  „Ge- 
schiebe" bezeichnen,  zumal  da  die  umgebende  Löss-Ab- 
lagerung  schwerlich  als  das  Pmduct  eines  Flusses  oder 
etwa  als  eine  Gletscherbildung  aufgefasst  werden  darf. 
Ich  habe  bei  Thiede  und  Westeregeln  zuweilen 
ganze  Wirbelreihen**)  von  Rhinoceros  und  Equus  noch 
im  natürlichen  Zusammenhange  bei  meinen  Ausgrabungen 
vorgefunden;  ferner  einen  unversehrten  Rhinoceros-Schädel 
nebst  zugehörigem  Unterkiefer  etc.  In  allen  diesen  Fällen 
kann  man  von  „Geschieben"  nicht  reden.  Ja,  selltst  auf 
die  dort  vereinzelt  gefundenen  Skelettheile  der  betreffen- 
den Thiere  passt  jener  Ausdruck  nicht,  da  dieselben 
durchweg  einen  vorzüglichen  Erhaltungszustand  und  keine 
Spur  von  Abrollung  zeigen. 

Auch  der  von  Steenstrup  gebrauchte  Ausdruck: 
„niembra  disjeeta"  ist  nach  meiner  Ansicht  für  meine 
oben  bezeichneten  Funde  nicht  passend,  wenigstens  nicht 
in  dem  Sinne,  den  Steenstrup  damit  verbindet.  Jene 
Knochen  etc.  sind  nicht  verschwcramte,  vielfach  um- 
gelagerte Ueberreste  von  Thieren,  welche  weitab  gelebt 
haben,  sondern  sie  stammen  von  solchen  Thieren,  welche 
in  der  Gegend  des  heutigen  Fundortes  gelebt  oder  doch 
mindestens  während  der  guten  Jahreszeit  sieh  aufge- 
halten haben.  Dass  die  betretfenden  Cadaver  eine  Zeit 
lang  offen  dagelegen  haben,  so  dass  sie  zerfallen  und 
manche  ihrer  Theile  von  Raubthieren  verschleppt  werden 
konnten,  ehe  sie  von  einer  schützenden  Masse  lössartiger 
Ablagerungen  umhüllt  wurden,  scheint  mir  die  Regel  ge- 
wesen zu  sein.  Daher  findet  man  zwar  häufig  eine 
grössere  Anzahl  zusanmiengehöriger  Skelettheile,  meist 
nahe  bei  einander,  aber  man  findet  fast  niemals  ein 
ganzes  zusammenhängendes  Skelett;  wenigstens  habe 
ich  selbst  bei  meinen  Ausgrabungen  ein  solches  nicht 
beobachtet,  abgesehen  etwa  von  den  Ueberresten  zweier 
jungen  Füchse,  welche  man  allenfalls  dahin  rechnen  könnte. 
Von  manchen  Forschern  ist  mir  eingewendet  worden, 
dass  man  auf  die  Funde  von  Thiede  und  Westeregeln 
nicht  viel  Werth  legen  könne,   weil  dieselben  in  „Gyps- 


*)  Fi-iedel   deutet   an,   das»   dieses  Vaterland   möglicherweise 
in  Russland  oder  Asien  zu  suchen  sei. 

**)  Nicht  ganze  Wirbelsäulen,  sondern  nur  eine  gewisse 
Anzahl  (z.  B.  6  —  10)  auf  einander  folgender  Wirbel,  also  Wirbel- 
reihe n. 


spalten"  gemacht  seien;  in  diesen  könne  alles  Mögliehe 
„passiren".  Dieser  Einwand  ist  für  die  von  mir  genauer 
untersuchten  Partien  der  Gypsbrüche  von  Thiede  und 
Westeregeln  gänzlich  unzutreffend;  es  handelte  sich  dort, 
wo  ich  meine  Ausgrabungen  gemacht  habe*),  nicht  um 
schmale  Spalten  von  Gypsfelseu,  sondern  um  grosse,  zu- 
sammenhängende Diluvial-Ablageruugen,  welche  in  be- 
deutender vertikaler  und  horizontaler  Entwickelung  zer- 
rissene Felsgruppen  von  Gyps  (resp.  Anhydrit)  undiüllten 
und  völlig  bedeckten.  Von  einer  freistehenden  Felsen- 
masse mit  schmalen  Spalten  war  dort,  wo  ich  gegraljcn 
und  meine  paläolithischen  Funde  gemacht  habe,  gar  keine 
Rede!  In  dem  Osttlieile  des  Thieder  Gypsbruches  war 
es  während  der  Jahre,  in  denen  ich  dort  hauptsächlich 
gesammelt  habe,  bei  dem  Betriebe  der  Steinbruchsarbeit 
üblich,  dass  die  diluvialen  Ablagerungsmasscn  terrassen- 
förmig abgegraben  und  abgekarrt  wurden,  um  an  die 
darunter  liegenden,  oft  säulen-  oder  pfeilerförmig  empor- 
ragenden Gypsfelseu  zu  gelangen.  Hieraus  ist  schon  zu 
ersehen,  dass  dort  die  diluvialen  Ablagerungen  als  zu- 
sammenhängende blassen  vorkamen,  nicht  aber  als  Aus- 
füllungen schmaler  Felsspalten**);  sonst  hätte  man  sie  nicht 
terrassenförmig  abgraben  können.  Ganz  analog  waren 
die  Verhältnisse  in  der  südlichen  Grube  des  Gypsberges 
von  Westeregeln.  Uebrigens  verweise  ich  auf  meine 
früheren  Ausgrabungsberichte  und  auf  die  Skizzen,  welche 
ich  von  beiden  Fundorten  publicirt  habe.  (Archiv  für 
Anfhrop.,  Bd.  X,  S.  367  und  mein  Buch  über  „Tundren 
und  Steppen",  S.  153.)  Aus  diesen  ergiebt  sich  zur  Ge- 
nüge,  dass  es  sich  nicht  um  blosse  Gypsspalten  handelt. 

Nach  meinen  Beobachtungen  zeigten  die  frisch  an- 
geschnittenen Partien  der  beiden  genannten  Fundpunkte 
durchaus  keine  Spuren  von  nachträglichen  Lagerungs- 
störungen, auf  welche  etwa  ein  Nebeneinanderliegen  von 
()l)jeeten  menschlicher  Thätigkeit  mit  Thicrrcsten  der  so- 
genannten Mannnuthzeit  zurückgeführt  werden  könnte. 
Ich  muss  die  paläolithischen  Instrumente,  welche  ich 
namentlich  bei  Thiede  gefunden  habe,  für  gleich- 
alterig  mit  jenen  Thierresten  halten,  im  Gegensatze 
zu  Steenstrup,  der  freilich  meine  Funde  in  der  citirten 
Abhandlung  garnicht  einmal  erwähnt. 

Gegen  ein  nachträgliches  Herbeischwemmen  und  Zu- 
sanmieuschwemmen  von  Thierresten,  welche  schon  einmal 
anderwärts  abgelagert  waren,  spricht  dort  auch  der  Um- 
stand, dass  die  betreffenden  Arten  eine  einheitliche,  zu- 
sammengehörige Fauna  darstellen,  welche  in  der  Gegend 
der  genannten  Fundorte  zeitweise  sehr  wohl  gehaust 
haben  kann.  Ich  habe  bei  meinen  eigenen  Ausgral)ungen 
an  den  oben  bezeichneten  Fundpunkten  bei  Thiede  und 
Westeregeln  niemals  Reste  von  Thieren  gefunden,  welche 
entweder  der  Speeies  nach,  oder  wegen  ihres  Erhaltungs- 
zustandes den  \'erdaeht  erweckt  hätten,  dass  sie  ungleich- 
alterig  mit  den  im  gleichen  Niveau  gefundenen  Objecten 
wären.***) 

Bemerkenswertli  erscheint  es,  dass  unter  den  Tau- 
senden von  Knochen,  welche  bei  Thiede  und  Westeregeln 
ausgegraben  sind,  soweit  meine  eigenen  Beobachtungen 
reichen,   kein  einziger  Rest  vom  Höhlenbären  (Ursus  spe- 


*)  Nämlich  im  östlichen  Theile  des  Thieder  Gypsbruches 
und  in  der  südlichen  Grube  des  Gypsberges  von  Westerogeln. 
**)  Der  Genauigkeit  wegen  bemerke  ich.  dass  solche  sclimale 
Felsspalten  auch  vorkamen;  aber  sie  spielten  eine  nebensächliche 
Rolle  und  standen  mit  den  grösseren  Ablagerungsmassen  im  Zu- 
sammenhange. 

***)  Ueber  einige  besondere  Funde  jüngeren  Datums  an  anderen 
Punkten  des  Gypsberges  von  Westeregeln  habe  ich  speciell  be- 
richtet. —  Ausserdem  sind  natürlich  die  in  Folge  des  Steinbruch- 
betriebes erfolgten  neuerlichen  Rutschungeu  und  Aufschüttungen 
ganz  bei  Seite  zu  lassen.  Ich  habe  hier  nur  die  intakten  Fund- 
schichten im  Auge. 


Nr.  53. 


Naturwissenschaftliche  Wochenschrift. 


591 


iaeus)  vorgekommen  ist.  Dass  der  Höhlenbär  eliemals 
gleichzeitig  mit  Jlanimutli  und  Rhinoccros  ticliorhinus  in 
Deutschland  gelebt  und  namentlicli  im  Harz  zahlreich  ge- 
haust hat,  ist  sicher.  Warum  hat  die  Bode  keine  Hühlen- 
bären-Restc  nach  Westeregeln,  die  Oker  solche  nicht  nach 
Thiede  geschwemmt?  Meine  Antwort  lautet:  „weil  die 
bei  Thiede  und  Westeregeln  in  den  näher  bezeichneten 
Fundschichten  abgelagerten  Thierreste  überhaupt  nicht 
als  „menibra  disjecta"  im  Stcenstrup'schen  Sinne  von 
weither  zusanimengeschwemuit  sind." 

Wenn  Steen.strup  auf  die  mit  Haut  und  Haar  in 
Sibirien  conservirten,  gefrorenen  Cadaver  von  Mammuth 
und  Rhinoccros,  auf  die  gelegentliche  Rlosslegung  der- 
selben an  steilen  Flussufern  und  ihre  gelegentliche  Fort- 
sehwcmmung  an  einen  andern  Ort  hinweist  und  glaubt, 
dass  dergleichen  einst  nach  der  Eiszeit  auch  in  Deutsch- 
land häutig  vorgekommen  sei,  so  möchte  ich  dem  ent- 
gegenhalten, dass  das  Vorkonunen  solcher  durch  Kälte 
conservirter  Cadaver  in  Sibirien  relativ  sehr  selten  ist. 
.ledenfalls  kann  ihre  Zald  gegen  die  der  verwesten,  nur 
durch  Skelettheile,  Zähne  etc.  augedeuteten  sibirischen 
Exemplare  garniclit  in  Betracht  kommen.  Ebenso  kann 
bei  uns  in  Deutsehland,  falls  wir  überhaupt  für  die 
Mammuthzeit  eine  gelegentliche  Conservirung  ganzer 
Mammuth-Cadaver  durch  Bodenkälte  in  unseren  Gegenden 
analog  den  sibirischen  ^'o^konlmnisse^  annehmen  wollen, 
dieses  nur  ein  sehr  seltener  Fall  gewesen  sein,  der  für 
das  normale  Vorkonunen  der  JMammuth-Reste  kaum  in 
Rechnung  gezogen  werden  darf.  Steenstrup  nimmt  aber 
für  unsere  Gegenden  nicht  nur  die  Conservirung  einzelner 
Mannuuthleichen  mit  Haut  und  Haar,  sondern  sogar  die 
Conservirung  ganzer  „  M  a  m  m  u  t h  -  A  a  s  f  e  1  d  e  r  "  an. 


Auch  die  Ablagerung  von  Thiede  rechnet  Steenstrup 
zu  den  ..Mammuth-Leichenfeldern"  und  seheint  die  dort 
von  mir  nachgewiesenen  ])aläolithisehen  Steininstrumente 
ebenso  zu  bcurtheilen,  wie  die  Funde  Maska's  bei  Pred- 
most,  d.  h.  sie  für  viel  jünger  zu  halten.  Ich  kann  ihm 
aber  nicht  beistimmen.  Ich  habe  zwar  Mammuthreste  bei 
meinen  eigenen  Ausgrabungen  am  genannten  Fundorte 
nur  in  geringer  Zahl  gefunden;  dagegen  konnte  ich  dort 
die  Fuudverhältnisse  zahlreicher  Reste  von  Rhinoccros 
tichorhinus  und  Hjäna  spelaea  (welche  zur  Manmiuth- 
fauna  gehören),  sowie  einer  gewissen  Zahl  mensch- 
lieher  Artefaete  mit  voller  Sicherheit  feststellen  und 
darf  mir  deshalb  wohl  ein  Urtheil  über  diese  Sache 
erlauben. 

Uebrigens  mehren  sich  beständig  die  Funde,  welche 
gegen  die  Steenstrup'sehc  Mammuttheorie  sprechen;  ebenso 
steigt  die  Zahl  derjenigen  Forseher,  welche  sieh  gegen 
dieselbe  erklären.  So  z.  B.  haben  Prof  Jlaska  in  Feltsch 
und  Dr.  Kriz  in  Steinitz,  welche  beide  die  berühmte  Fund- 
stätte bei  Predniost  durch  eigene  genaue  Untersuchungen 
kennen,  mir  kürzlieh  noch  geschrieben,  dass  sie  jene 
Theorie  durchaus  nicht  als  richtig  anzuerkennen  ver- 
möchten. In  nächster  Zeit  werden  mehrere  Publieationen 
über  dieses  Thema  erfolgen. 

Wünschenswerth  ist  es  jedenfalls,  dass  man  bei 
allen  Funden,  auf  welche  man  die  Gleichzeitigkeit 
des  Mensehen  mit  der  Mammuthfauna  stützen  will,  mit 
der  nöthigen  Vorsicht  und  Exaetheit  verfährt.  Flüchtige 
Beobachtungen  des  Einen  können  unter  Umständen  die 
genauen  Beobachtungen  eines  Andern  fraglich  erseheinen 
lassen  und  eine  Verdächtigung  mühsam  errungener  Re- 
sultate herbeiführen. 


Leopold  Kronecker.  — Vor  nunmehr  zwei  Jahren  ging 
plötzlich  durch  die  ganze  wissenschaftliehe  Welt  die  er- 
schütternde Kunde  von  dem  am  29.  December  1891  erfolgten 
Dahinscheiden  Leopold  Kronecker's,  eines  der  grt'issten 
deutsehen  Mathematiker  der  letzten  Deecnuien.  Die 
„Naturw.  Wochcnschr."  hat  von  diesem  für  die  Mathematik 
so  unersetzlichen  Verluste  bisher  nur  in  einer  kurzen  An- 
zeige *j  Kunde  gegeben,  und  es  dürfte  daher  nicht  un- 
angemessen erseheinen,  in  der  Sterbewoehe  des  Dahin- 
geschiedenen ausführlicher  seines  Lebensganges  und  seines 
vielseitigen  und  tiefgreifenden  Forschens  zu  gedenken.  Es 
ist  umsomchr  Veranlassung  dazu  vorhanden,  als  Kronecker 
in  diesem  Monate  seinen  siebzigsten  Geburtstag  gefeiert 
haben  würde. 

Am  7.  December  1823  erblickte  Leopold  Kronecker 
zu  Liegnitz  als  Sohn  eines  angeschenen  und  hochgebildeten 
Kaufmannes  das  Lieht  der  Welt.  Nachdem  er  durch  einen 
Hauslehrer  vorbereitet  worden  war  und  die  Vorschule  des 
Conreetors  Werner,  dessen  er  gern  gedachte,  absolvirt 
hatte,  trat  er  in  das  Gymnasium  seiner  Vaterstadt  ein. 
Hier  war  es  besonders  der  später  zu  so  grosser  Bedeutung 
und  Berühmtheit  gelangte  Kunnner,  welcher  den  tiefsten 
Einfluss  auf  seinen  Entwiekelungsgang  ausübte  und  seine 
Voi'liebe  und  grosse  Begabung  für  die  Mathematik  förderte. 
Zwischen  Lehrer  und  Schüler  entspann  sich  hier  bereits 
ein  Frcundschaftsverhältniss,  das  bis  zum  Tode  keine 
Trübung  erfahren  hat,  und  welches  von  nachhaltigster 
Wirkung  auf  Kronecker's  Forschungsgang  gewesen  ist. 
Kronecker  hebt  dies  selbst  in  der  Widmung  seiner  Fest- 
schrift zu  Kummer's  fünfzigjährigem  Doctorjubiläum  mit 
folgenden  Worten  hervor:  „In  Wahrheit  verdanke  ich  Dir 


*)  „Naturw.  Wochenschr."  Bd.  VII,  S.  20.  Uebrigens  ist  an 
dieser  Stelle  irrthümlich  der  30.  December  1891  als  Kronecker's 
Todestag  angegeben. 


mein  mathematiselies  Dasein;  ich  verdanke  Dir  in  der 
Wissenschaft,  der  Du  mich  früh  zugewendet,  wie  in  der 
Freundschaft,  die  Du  mir  früh  entgegengebracht  hast, 
einen  wesentlichen  Theil  des  Glückes  meines  Lebens." 

Im  Frühjahr  1841  ging  Kronecker  nach  Berlin,  um 
hier  unter  Dirichlet,  Jacobi  und  Steiner  zu  studiren,  später 
wandte  er  sieh  nach  Breslau,  wo  er  die  Vorlesungen 
Kummer's,  der  einen  Ruf  an  die  dortige  Universität  er- 
halten hatte,  besuchte.  Er  wm-de  als  Student  mit  Eisen- 
stein befreundet,  und  er  erzählte  später  oft,  wie  sie  sich 
bisweilen  spät  in  der  Nacht  besucht  hätten,  um  einander 
eine  neue  Entdeckung  mitzuthcilcn.  Auch  in  Bonn  studirte 
Kronecker  kurze  Zeit,  und  er  sprach  stets  mit  Freude  von 
diesem  Aufenthalte,  wo  er  in  die  burseheusehaftliche  Be- 
wegung hineingezogen  wurde  und  Freundschaftsbande  mit 
Männern  knüpfte,  die  später  gleichfalls  zu  hoher  Bedeu- 
tung gelangt  sind.  Obwohl  die  Mathematik  das  eigent- 
liche Feld  Krcmecker's  war,  sehloss  er  sich  doch  nicht 
einseitig  gegen  die  übrigen  Wissensgebiete  ab,  und  er  hat 
sich  sowolü  in  den  Naturwissenschaften  als  auch  in  der 
Philosophie  tiefe  Kenntnisse  erworben.  Im  Mendelssohn- 
sehen Hause  zu  Berlin  kam  er  mit  vielen  hervorragenden 
Zeitgenossen  in  Berührung,  unter  denen  besonders  Alexander 
von  Humboldt  zu  erwähnen  ist. 

Kronecker  wurde  im  Jahre  184:')  zu  Berlin  auf  Grund 
einer  Dissertation  über  die  eoniplcxen  Einheiten  proniovirt, 
einer  Abhandlung,  welche  Kronecker  1882  nochmals,  und 
zwar  vervollständigt,  abdrucken  Hess. 

Durch  besondere  Umstände  wurde  Kronecker  nun 
aber  gezwungen,  sein  Interesse  und  seine  Thätigkeit  der 
Landwirthschaft  zu  widmen  und  nach  dem  Tode  seines 
Oheims  Prausnitzer  dessen  Bankgeschäft  zu  ordnen.  Er 
entledigte  sieh  dieser  Aufgaben  mit  solchem  Geschick, 
dass  seiner  Familie  ein  bedeutendes  Vermögen  erbalten 


592 


NaturwissenscliaCtlichc  Woclieiisclirift. 


Nr.  53 


blieb.  Er  verheirathete  sich  dann  1848  mit  seiner  Cousine 
Fanny  Prausnitzer  und  lebte  mit  dieser  ungemein  liebens- 
würdigen, geistig  bedeutenden  Frau  bis  kurz  vor  seinem 
eigenen  Daliinscbciden  in  glückliclistcr  Ehe. 

Diese  Zeit,  in  der  Kronecker  der  Wissenschaft  äusser- 
licb  entzogen  war,  und  welche  von  1845  bis  1855  reichte, 
bildet  für  Kronecker's  Entwickelung  und  für  seine  Erfolge 
sicher  einen  sehr  wichtigen  Lebensabschnitt,  über  den  wir 
wohl  erst  später  genaue  Aufschlüsse  eriialtcn  werden. 
Der  Umstand,  dass  er  gegen  Ende  dieser  Periode  mit 
Arbeiten  von  fundamentalster  Bedeutung  hervortrat,  be- 
weist, dass  er  während  dieser  Zeit  tiefe  Studien  gemacht 
hat;  aber  wir  wissen  auch,  dass  er  in  dieser  Zeit  eine 
sehr  ausgedehnte  wissenscliaftliche  Correspondenz  fülnte, 
und  in  seinem  Nachlasse  finden  sich  Briefe,  namentlich 
an  Kummer,  in  denen  oft  auf  rein  geschäftliclie  Mittliei- 
lungen  und  Familiennaciirichtcn  eingehende  mathematische 
Erörterungen  und  Untersuchungen  folgen.  Eine  Heraus- 
gabe dieses  Briefwechsels  im  Auszuge  dürfte  grosses  In- 
teresse erwecken. 

Der  äussere  Lebensgang  Kronecker's  verlief  nun  unter 
den  wohlhabenden  Verhältnissen,  in  denen  er  lebte,  sehr 
glücklich;  er  siedelte  1855  naeli  Berlin  über  und  führte 
hier  ein  gastliches  Haus,  in  dem  man  die  bedeutendsten 
Männer  der  Gegenwart  antraf,  mit  denen  Kronecker  zum 
Theil,  wie  z.  B.  mit  Momrasen,  eng  befreundet  war.  Die 
in  Kronecker's  Hause  verlebten  Stunden  sind  für  jeden 
werthvoll  und  angenehm  anregend  gewesen.  Aeussere 
Ehren  sind  dem  hervorragenden  Manne  vielfach  zu  Theil 
geworden.  Im  Jahre  1861  wurde  er  von  der  Akademie 
der  Wissenschaften  in  Berlin  zum  Mitglied e  gewählt,  in 
deren  Berichten  und  Abhandlungen  seine  wichtigsten  Ent- 
deckungen veröÖentlicht  sind.  Er  war  aber  nicht  nur  in 
wissenschaftlicher,  sondern  auch  in  geschäftlicher  Be- 
ziehung eines  der  hervorragendsten  Akademiemitglieder, 
wobei  iimi  seine  Gewandtheit  in  pral^tischen  Dingen  wie 
in  der  Form  ganz  besonders  zu  Statten  kam.  Er  hat 
hiervon  nicht  nur  bei  der  Revision  der  Akademiestatuten 
und  vielen  anderen  Gelegenheiten  Zeugniss  abgelegt,  son- 
dern auch  noch  bis  kurz  vor  seinem  Tode  in  Angelegen- 
heit der  Helmholtz-Stiftung,  die  bei  der  Feier  des  siebzig- 
sten Geburtstages  von  Helmholtz'  wesentlich  nach  seinen 
Vorschlägen  begründet  wurde.  Auch  die  Geschäfte  der 
Redaction  des  Journals  für  Mathematik,  welches  er  seit 
Borchardt's  Tode  herausgab,  hat  er  mit  Geschick  er- 
ledigt, wobei  ihm  allerdings  Prof.  Lampe  einen  grossen 
Theil  der  Last  tragen  half.  Körperlich  war  Kronecker 
sehr  rüstig,  wenn  auch  von  sehr  kleiner  Statur.  Noch 
bis  kurz  vor  dem  Tode  seiner  Frau  machte  er  im  Thier- 
garten  häufig  lange  Spaziergänge,  und  Verfasser,  der  bis- 
weilen das  Glück  hatte,  ihn  hierbei  zu  begleiten,  wird 
stets  mit  Bewunderung  an  die  Ausdauer  denken,  mit 
welcher  Kronecker  ohne  geistige  und  körperliche  Er- 
müdung, oft  bis  drei  Stunden  sclmell  gehend,  seine  Ge- 
danken über  die  schwierigsten  und  feinsten  matliematischen 
Fragen  entwickelte.  Es  ist  nur  wenigen  seiner  Faeh- 
geuossen  möglich  gewesen,  ihm  hicrliei  stets  gedanklich 
zu  folgen,  so  sehr  beherrschte  er  den  Stoft".  Häufig  möi;en 
diese  Mittheilungen,  mit  denen  Kroneeker  wahrhaft  Ver- 
schwendung trieb,  wesentlicii  dem  Umstände  entsprossen 
sein,  dass  er  sich  selbst  zur  Klarheit  durchringen  wollte, 
indem  er  anderen  seine  Gedanken  vorfi'ug  und  sie  ihnen 
klar  zu  machen  suchte. 

Obwohl  Kronecker  ursprünglich  keine  Lehrthätigkeit 
hatte,  benutzte  er  doch  das  ihm  als  Akademiemitglied 
zustehende  Recht,  Vorlesungen  an  der  Universität  zu  halten. 
Einen  Ruf  an  die  Göttiuger  Universität  hatte  er  1868  ab- 
gelehnt. Im  Jahre  1883  wurde  ihm  aber  nach  Kummer's 
Rücktritt  eine  ordentliche  Professur  an  der  Berliner  Uni- 


versität übertragen,  und  hier  hat  er  mit  grossem  Eifer 
und  Erfolge  eine  segensreiche  Thätigkeit  entfaltet.  Seinen 
Schülern  (seine  Vorlesungen  waren  oft  von  Professoren 
und  Docenten  aus  weiter  Ferne  besucht)  brachte  er  grosses 
Interesse  und  Wohlwollen  entgegen. 

Seit  dem  Tode  seiner  Frau,  welche  ihm  am  21.  August 
1891  entrissen  wurde,  war  er  sichtlich  körperlich  und 
seelisch  gebrochen,  wenn  er  auch  bis  kurz  vor  seiner  Er- 
krankung (Mitte  December  1891)  weiter  arbeitete.  Am 
29.  December  1891  folgte  er  seiner  Gattin  ins  Grab.  — 
Die  grössten  wissenschaftlichen  Verdienste  hat  sich 
Kronecker  auf  dem  Gebiete  der  Zahlentheorie  und  der 
Algebra  erworben;  er  galt  hier  unbestritten  als  Meister. 
Bereits  seine  ersten  Arbeiten,  von  der  Dissertation  an, 
bewegen  sich  auf  diesem  Felde.  Besonders  glücklieh  war 
er  in  der  Anwendung  der  Theorie  der  elliptischen  Func- 
tionen auf  zahlentheoretische  und  algebraische  Probleme. 
Aber  auch  andere  Gebiete  beherrschte  er  mit  grosser 
Genialität;  so  bildet  z.  B.  seine  Untersuchung  über  das 
Diriehlet'sche  Integral  ein  Meisterstück  ersten  Ranges, 
und  ebenso  sind  seine  Untersuchungen  über  die  Potential- 
theorie, über  die  Clausius'schen  Coordinaten,  u.  v.  a. 
Leistungen,  die  von  der  Originalität  und  Tiefe  des 
grossen  Forschers  eindringlieh  zeugen.  Es  ist  natür- 
lich durchaus  unmöglich,  auch  nur  ein  ungefähres  Bild 
von  dem  Umfange  und  von  der  Bedeutung  der  wissen- 
schaftlichen Lebensarbeit  Kronecker's  an  dieser  Stelle  zu 
entwerfen,  giebt  es  doch  selbst  kaum  einen  Mathematiker, 
der  alle  Theile  der  vielseitigen  Schöpfungen  des  Dahin- 
geschiedenen gleichmässig  beherrscht  und  in  ihrer  Be- 
deutung und  Tragweite  zu  würdigen  versteht. 

Kronecker  war  ein  durchaus  arithmetisches  Genie; 
aber  dennoch  versfand  er  die  Geometrie  unter  Umständen 
meisterhaft  zu  verwenden.  Seine  arithmetische  Anschauung, 
an  der  er  auch  •.vegen  der  bisweilen  vielleicht  übertriebenen 
Anforderungen  an  Strenge  festhielt,  hat  er  oft  in  originellen 
Wendungen  bekundet.  So  hat  er  des  öfteren  gesagt: 
„Die  ganzen  Zahlen  hat  der  liebe  Gott  gemacht,  alles 
andere  ist  Menschenwerk".  Auf  einem  der  oben  erwähnten 
Spaziergänge  sagte  er  zum  Verfasser  dieser  Zeilen:  „Ich 
betrachte  die  Mathematik  nur  als  eine  Abstracfion  der 
arithmetischen  Wirklichkeit".  Besonders  in  den  letzten 
Jahren  seines  Lebens  kehrte  er  diesen  Standpunkt  immer 
stärker  hervor,  sowohl  öffentlich  u.  a.  in  seiner  Arbeit 
über  den  Zahlbegnff,  als  auch  in  seinen  Vorlesungen  und 
im  persönlichen  Verkehr.  Wie  sehr  ihm  diese  Anschauung 
Herzenssache  war,  und  wie  fest  er  auf  ein  Durchdringen 
seiner  Auffassung  des  Zahlbegriffs  vertraute,  hat  Verfasser 
oft  Gelegenheit  gehabt  zu  bemerken.  So  that  er  auch  bei 
einem  Besuche  des  Verfassers  am  17.  Oetober  1890,  als 
sich  das  Gespräch  auf  die  Geometrie  wandte,  mit  Bezug 
auf  seine  arithmetischen  Grundanschauungen  ganz  sieges- 
gewiss  und  triumphirend  den  Ausspru"h:  .,Mir  gehört  die 
Zukunft!     Mir  gehört  die  Zukunft!" 

Kronecker's  Art  zu  arbeiten  war  eine  eminent  pro- 
diictivc;  er  war  nicht  in  dem  gewöhnlichen  Sinne  des 
^Vortes  systematisch,  sein  Streben  war  wesentlich  nnr  auf 
das  Erke'nnen  und  auf  die  Entdeckung  des  Wahren  ge- 
richtet. Seine  Arbeiten  sind  deshalb  vielfach  schwer  ver- 
ständlich. Mit  dem  bewundernswerthesten  Ideenreich- 
thnm  verband  Kronecker  eine  ausserordentlich  grosse 
Arlicitskraft;  ott  sah  mau  in  seinem  schönen  Hause, 
Bellevnesfrasse  13,  noch  um  2  Uhr  des  Nachts  Licht  in 
seinem  Arbeitszimmer.  Dass  er  noch  grosse  Pläne  hatte, 
wissen  alle,  die  mit  ihm  in  der  letzten  Zeit  in  Berührung 
gekommen  sind,  und  im  Hinblick  auf  die  Ausführung 
derselben  wünschte  er  oft,  noch  ein  Jahrzehnt  ordentlich 
arbeiten  zu  können.  Leider  sollte  ihm  das  nicht  be- 
schieden sein. 


Nv.  53. 


Naturwissenschaftliche  Wochensclirift. 


593 


In  nicht  hoch  genug  zu  schätzender  Würdigung  der  hoch- 
bedeutenden Verdienste  des  grossen  Mathematikers  bat  die 
Akademie  der  Wissenscliaften  zu  üeriiii  bahl  nach  seinem 
Daliinsclieiden  den  Besebluss  gefasst,  seine  Abliandiungen 
sowie  seine  von  tiefer  Originalität  zeugentlen  Vorlesungen  in 
angemessener  Form  herauszugeben;  sie  ehrt  sich  sell)st, 
indem  sie  einem  ihrer  hervorragendsten  Mitglieder  in  der 
würdigen  Ausgabe  seiner  Werke  ein  Denkmal  errichtet, 
das  noch  in  später  Zukunft  zeugen  wird  von  dem  be- 
deutungsvollen Forschen  und  Schäften  eines  Mannes,  w'ie 
die  Wissenschaft  deren  nur  wenige  aufzuweisen  hat. 


Fall    von  Leherheniie    (Heriüa    liepatica).    —    In 

No.  44  der  Berliner  klinischen  Wochenschrift  vom  30.  Oc- 
tober  1893  berichtet  Prof.  W.  J.  Kusniin  in  Moskau 
über  einen  sehr  seltenen  Fall  von  Leiierhernie  (Hernia 
hepatica),  welcher  bis  jetzt  fast  einzig  dastehen  dürfte. 
Es  handelte  sich  dabei  um  einen  linksseitigen  Scbnür- 
lappen  der  Leber,  welcher  auftrat  in  Form  einer  einge- 
klemmten Hernia  epigastrica,  indem  der  Oberlappen  sich 
beim  .Vustreten  zwischen  die  Fasern  des  Rectus  abdominis, 
des  geraden  Bauchmuskcls,  klemmte,  das  Rauchfell  bildete 
den  Herniensack.  Der  Fall  betraf  eine  •iSjährige  Küchin, 
welche  dreimal  entbunden  war.  Die  Krankheit  war  ein 
Jahr  zuvor  entstanden,  es  hatte  sich  eine  wallnuss- 
grosse  Anschwellung  zwischen  Nabel  und  Herzgrube  ge- 
bildet, die  anfangs  wenig  schmerzte  und  sich  von  selbst 
wieder  zurückbildete.  Die  Geschwulst  wurde  dann  grösser, 
nahm  die  Dimensionen  der  Fäuste  eines  Erwachsenen  an 
und  war  äusserst  schmerzhaft.  Es  wurde  daher  die 
Operation  gemacht,  wobei  sich  im  Bruchsack,  von  diesem 
einklemmend  umfasst,  ein  Theil  des  linken  Oberlappens 
befand,  ohne  Anzeichen  von  Mortification,  aber  mit  Er- 
scheinungen einer  Stauungs-Hyperämie  und  geringen  Blut- 
ergüssen. Die  Leber  wurde  von  der  Einklemmung  befreit 
und  eingericlitet.  Es  trat  völlige  Heilung  ein.  Die  Ge- 
sehwulst war  nicht  durch  das  Tragen  eines  Corscts  ent- 
standen —  wie  sonst  bei  Schuürlebern  häufig  —  wohl 
aber  hatte  das  feste  Zusammenschnüren  der  Kniebänder 
einen  bedeutenden  Einfluss  mit  ausgeübt.  Dazu  kam 
schwere  Arbeit,  zumal  das  überanstrengende  Aufheben 
von  Lasten,  das  besonders  gleich  nach  dem  Wochenbett 
nicht  ohne  Einfluss  geblieben  war. 


Ein  Beispiel  grosser  Lebenszähigkeit  von  Skorpionen 

erzählt  Joseph  Noe  (C.  r.  Soc.  Biol.  Paris,  T.  5,  1893, 
S.598j.  Er  konnte  in  Streichholzschächtclclien  eingesperrte 
Exemplare  von  Scorpio  occitanus,  ohne  ihnen  Nahrung  zu 
geben,  in  einem  ungeheizten  Zimmer  überwintern,  so  dass  sie 
6  bis  7  Monate  fasteten.  Sc.  eurojjaeus  erlag  dem  Hunger 
viel  früher,  Scolopendra  morsitans  schon  nach  6  Wochen. 

0.  M. 

Zur  vergleichenden  Physiologie  des  Nervensystems 
der  Coleopteren  liefert  A.  Binet  (in  The  Mmiist,  \'ol.  4, 
S.  65)  einen  Beitrag,  der  vielleicht  von  allgemein  biologi- 
scher Bedeutung  ist.  Es  ist  eine  unter  dem  Namen  des 
BeH'schen  (Gesetzes  bekannte  Thatsaehe,  dass  der  periphere 
Theil  des  Wirlielthier-Rückenmarkes  die  sensiblen  Fasern 
aufnimmt,  während  der  centrale  nur  nidtorischc  abgiebt. 
Vor  Binet  hatte  nun  schon  Faivre  in  dieser  Beziehung 
besonders  an  Dyiiscus  e.xperimentirt  und  den  äusseren, 
ventralen  Theil  des  Bauchmarks  sensibel,  den  inneren 
motorisch  functionirend  gefunden.  Seine  üntersuchungs- 
metliode  war  die,  dass  er  verschiedene  Theile  des  Nerveu- 
strangs  zerstörte  und  dann  prüfte,  ob  damit  Sensibilität 
oder  Motilität  verschwunden   wäre.     Konnte   z.  B.   durch 


mechanische  Reizung  eines  Beines  eine  Reflexbewegung 
der  anderen  Beine  ausgelöst  werden,  während  das  uereizte 
Bein  selbst  unbeweglich  blieb,  so  w'ar  dessen  Motilität 
verloren,  die  Sensibilität  erhalten.  Das  Umgekehrte  musste 
der  P^all  sein,  wenn  von  einem  Beine  aus  keine  Reflex- 
bewegungen mehr  in  anderen  Regionen  hervorgerufen 
werden  konnten,  das  Bein  sich  aber  auf  Reizung  anderer 
Theile  hin  bewegte.  Binet  kam  nun  auf  einem  ganz 
anderen  Wege,  durch  vergleichend  anatomische  Unter- 
suchungen zu  eben  demselben  Resultate.  Er  mikroskopirte 
Bau  und  \'crlauf  der  Flügelnerven  von  Blaps  mortisaga, 
Timareha  tenebricosa  und  Carabus  auratns,  denen  die 
Flügel  ganz  fehlen,  und  deren  Flügeldecken  unbeweglich, 
wenn  auch  sensiliel  sind.  Es  zeigte  sich  dabei,  dem 
physiologischen  Befunde  entsprechend,  dass  hier  der  ven- 
trale Zweig  des  Flügelncrven  erhalten  i.st;  die  dorsalen 
Partien  aber  bis  auf  unbedeutende,  andere  Functionen  er- 
füllende, Reste  fehlen.  Seh. 


Ueber  die  Rolle,  die  das  Wasser  bei  der  Bewe- 
gung der  grönländischen  Eismassen  spielt,  tlieilt 
Dr.  Erich  v.  Drygalski,  der  die  im  Sommer  aus- 
geführte Grönland-Exi)edition  der  Gesellschaft  für  Erd- 
kunde zu  Berlin  geleitet  hat  (Verhandl.  der  genannten 
Ges.  Bd.  XX,  S.  452  u.  453)  vorläufig  das  Folgende  mit. 

Die  Inlandeisströme  liegen  im  Meer,  sie  schwimmen 
nicht,  —  denn  nur  in  einem  äussersteu,  beim  Karajak 
gut  erkennbaren  Theil  des  Randes  geht  ihnen  der  Boden 
verloren  — ,  aber  sie  sind  in  hohem  Maass  vom  Wasser 
durchtränkt,  nicht  nur  soweit  der  Fjord  dringt,  sondern 
auch  weiter  oben  im  Land,  wo  sich  zahlreiche  Wasser- 
blasen am  Eisrand  sammeln.  Die  innige  Berührung  mit 
dem  Wasser  muss  die  Bewegung  erleichtern.  Auch  wird 
durch  Wasser  allein  die  Bewegungsmöglichkeit  otfen  ge- 
halten; denn  es  giebt  keine  Bewegung  ohne  die  Schmelz- 
temperatur, und  dass  diese  sich  in  den  unteren  Schichten 
erhält,  dafür  sorgt  die  grosse  Wärmezufuhr  durch  Wasser, 
die  in  der  kurzen  Sommerzeit  auf  Spalten  und  Löchern 
von  der  Oberfläche  zur  Tiefe  erfolgt.  Die  Kälte  des 
Winters  dringt  nur  langsam  in  die  Eismasseu  ein,  die 
Spalten  unterstützen  ihr  Vordringen  unerheblich;  das  haben 
Arbeiten  mit  elektrischen  Kabeln  gezeigt.  Aber  das 
Wasser  findet  gewaltsamen  Zutritt,  und  im  ^'erhältniss  zu 
der  geringen,  in  der  langen  Winterszeit  eindringenden 
Kälte  wird  in  dem  kurzen  Sommer  eine  ungeheure  Wärme- 
menge in  die  Tiefe  geschafft.  So  beruht  die  Bewegung 
des  Eises  mehr  auf  den  unteren  Schichten;  man  wird 
kaum  einen  Vergleich  zwischen  der  Bewegungsart  eines 
Eisstromes  und  eines  Wasserstromes  durchführen  können. 
Auch  bei  der  mikroskopischen  Untersuchung  der  Eis- 
strukturen tritt  eine  Antheilnalime  des  Wassers  hervor. 
Das  Inlandeis  i.st  eine  um  seinen  Schmelzpunkt  sehwan- 
kende Masse,  auf  der  Wechselwirkung  zwischen  der  festen 
und  der  flüssigen  Form  beruht  seine  Bewegung  und  seine 
Arbeit,  das  zeigt  sein  ^^lrkonnnen,  seine  Wärme  und  seine 
Struktur. 

Und  blicken  wir  weiter.  Das  Innere  Grönlands  ist 
Eis,  die  Kustenfelsen  bestehen  zum  überwiegenden  Theil 
aus  Gneiss;  jenes  bildet  die  heutige,  der  Gneiss  die  erste 
Erstarrungskruste  der  Erde,  und  eine  auft'allende  äussere 
Aehnlichkeit  besteht  zwischen  ihnen.  Wenn  der  (Jneiss 
ein  Sehmelzfluss  gewesen,  der  in  ähnlicher  Weise,  wie 
das  Inlandeis  heute,  um  seinen  Schmelzpunkt  geschwankt 
und  sieh  dadurch  bewegt  bat,  dann  wären  manclie 
Einzelheiten  seiner  Struktur  und  Bildung  erklärt.  Heute 
ist  er  erstarrt  und  bildet  die  Form,  in  der  sieh  vor  unsern 
Augen  der  Erstarrungsprozess  des  Wassers  vollzieht. 


594 


Naturwisseiischaftliclie  Woelienschrift. 


Xr.  53 


Jodstickstoif   uud    StickstoifwasserstoiFsäure.    — 

In  nicineui  jüngst  in  dieser  Woeheuselirift  Kr.  43  er- 
schienenen Artikel  „Ueber  Jodoso-  und  Jodoverbiii- 
dungeii"  wurde  erwähnt,  dass  Victor  Meyer  nach  Ent- 
deckung- dieser  eigenartigen  Körper  auch  auf  solche 
zu  fahnden  bescbloss,  die  den  Azovcrbiudnngen  gleichen, 
aber  in  der  Gruppe  N  =  N  ein  oder  beide  Sfickstoffatome 
durch  dreiwerthiges  Jod  ersetzt  enthalten.  Es  lag  nahe, 
unter  den  bereits  liekannten  Verlnndungen  nach  möglicher- 
weise in  dieser  Art  zusamnicngesetzeu  Substanzen  Umschau  zu 
halten,  und,  während  ich  jenen  Artikel  sehrieb,  üel  mein 
Gedanke  auf  den  Jodstickstott'.  Man  hatte  dieser  Ver- 
bindung ursprünglich  nach  Analogie  des  Chlorstickstoifs 
die  Formel  NJ3  zuertheilt;  aber  nähei'e  Untersuchungen 
ergaben,  dass  neben  Stickstoff'  und  Jod  zumeist  noch 
Wasserstoff"  in  den  verschiedenen  Jodstickstoff'en  enthalten 
war.  Bineau  gab  zuerst  die  Formel  XHJo,  welche  dann 
für  die  zumeist  erhaltenen  und  verliältnissniässig  con- 
stantesten  Präparate  von  Gladstonc,  Guyard,  Stahlschmidt, 
Mallet  und  Raschig  bestätigt  wurde.  Nimmt  man  nun, 
wie  es  durch  die  Entdeckung  der  Jodoso-  und  Jodo- 
verbindungen  nahe  gelegt  wird,  an,  dass  dreiwertliiges 
Jod  allgemein  in  analoge  Verbindungen  einzutreten  ver- 
mag wie  Stickstoff",  so  fällt  die  Analogie  zwischen  dem 
so  zusannnengesetzten  Jodstickstoft'  und  der  gleich  ihm 
furchtbar  explosiven,  von  Curtius  entdeckten  Stickstoff- 
wasserstotfsäure,  dem  Azoiniid,  in  die  Augen.  Die  fol- 
genden Formeln  mögen  dies  verdeutlichen: 


NH<    i! 

Azoimid. 


NH^ 


Jodstickstoft'. 

Einer  der  gesuchten  Jod-substituirten  Azokörper  wäre, 
wenn  diese  Constitution  richtig,  also  längst  bekannt. 
Hierzu  musste  aber  eine  weitergehende  Analogie  der  beiden 
Kiirper,  al.s  sie  ihre  allerdings  ausserordentlich  starke 
Explosivität  anzeigt,   aufgefunden  werden. 

Das  Azoimid  ist  bekanntlich  eine  starke  Säure,  die 
mit  den  Halogenwasserstoffsäuren  auf  einer  Stufe  steht. 
Liess  sich  auch  nach  den  Erfahrungen,  die  bei  den 
Jodoso-  und  Jodoverbindungen,  vergliclien  mit  den  ent- 
sprechenden Nitroso-  und  Nitroverbindungen,  gemacht 
wurden,  erwarten,  dass  diese  Säurefunction  bei  Ersatz 
der  beiden  doppelt  gebundenen  Stickstoffatorae  durch  Jod 
\vcsentlich  abgeschwächt  sein  müsste,  so  erschien  es  doch 
wahrscheinlich,  dass  dieselbe  wenigstens  andeutungsweise 
noch  vorhanden  sein  dürfte. 

Charakteristisch  für  das  Azoimid  ist  sein  Silbersalz, 
das  Stickstoft"silber,  und  ich  bescbloss,  einen  V^ersuch  zur 
Darstellung  eines  analogen  Körpers  aus  Jodstickstoff"  zu 
wagen.  Doch  die  heutige  Chemie  ist  schnell  und 
durch  eine  schöne  Untersuchung  von  J.  Szuhay,  welche 
in  dem  soeben  erschienenen  Heft  der  „Berichte"  ver- 
öft'entlicht  ist*),  sehe  ich  mich  der  wenig  angenehmen 
Arlteit  mit  diesen  äusserst  bedenklichen  Körpern  über- 
hoben. 

Szuhay  ist  ohne  jede  Voreingenonmienheit  daran  ge- 
gangen, die  Constitution  des  Jodstickstoff's  aufzuklären.  Nach- 
dem er  die  Formel  NHJo  bestätigt  gefunden,  suchte  er  den 
Wasserstoff'  durch  Metalle  zu  ersetzen.  Während  die  Ein- 
wirkung von  Kaliundiydroxyd  nicht  zum  Ziele  führte,  fand 
zwischen  feuchtem  Silberoxyd  und  Jodstickstoff'  eine  Reac- 
tion  statt  und  so  resultirte  ein  Körper,  ebenso  explosiv  wie  die 
Wasserstoff'verbindung  und  der  Zusammensetzung  NAgJ^ 
entsprechend.  In  dieser  liess  sich  das  Silber  durch  Kalium 
oder  Natrium    bei  Einwirkung  der  betreffenden  Cyanide 


*)  D.  Chem.  Ges.  Ber.  26,1933. 


ersetzen,  doch  sind  die  entstehenden  Verbindungen  so 
leicht  zersetzlieh,  dass  sie  nicht  in  festem  Zustande  iso- 
lirt  werden  konnten.  Auch  eine  Bleiverbindung  scheint 
zu  existiren. 

Ist  somit  die  vermuthete  Analogie  mit  der  Stickstoff- 
wasserstoffsäure, wie  auch  Szuhay  am  Schlüsse  seiner  Ab- 
handlung andeutet,  wahrscheinlich  gemacht,  so  wird  die 
.\nnahme   der  Constitution 

HN<  II 
\J 

mit  zwei  dreiwerthigen  Stickstoffatomen  weiterhin  gestützt 
durch  die  früher  von  Stahlschmidt*)  beobachtete  Ein- 
wirkung von  Jodmcthyl  auf  Jodstickstoft",  wobei  ein 
Körper  der  Zusammensetzung  N(CH3)4J5  entsteht.  Wäre 
der  Jodstickstoff';  wie  man  sonst  allein  annehmen  könnte, 
ein  durcli  zwei  einwerthige  Jodatome  substituirtes  Am- 
moniak, also  H-Nr;  T,  so  könnte  hierbei  nur  die  Ver- 
bindung N(CH3)oJ3 

H3C 

\      J 

N(CH3),J3  =  H3C-N< 

/     J 
J 

entstehen.  Nach  der  dem  Azoimid  entsprechenden  Formel 
aber  kann  man  sich  vorstellen,,  dass  die  Bindungen  zwischen 
den  beiden  Jodatomen  gelöst  und  die  so  freiwerdenden 
zwei  Valenzen  jedes  dieser  Atome  durch  die  Radikale  des 
Jodmethyls  gesättigt  werden.  Der  oben  erwähnte  Körper 
N(CH3)4J5  würde  danach  die  Constitution 


H3C 


H3C-N 


CH, 


/CHo 


'\J 


haben. 

Nach  alledem  darf  wohl  die  Vernuithung,  dass  in 
dem  gewöhnlichen  Jodstickstoft"  eins  dijodsubstituirte  Azo- 
verbindung  vorliege,  mindestens  auf  den  Rang  einer 
Hypothese  Anspruch  erheben.  Dr.  L.  Spiegel. 


Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben. 

Es  wurden  ernannt:  Der  Privatduccnt  für  Franonlieilkunde 
an  der  Universität  Bonn  X)\.  Johannes  Kocks  zum  Professor. — 
Geheimer  Eath  Professor  Dr.  L.  Wittmack  an  Stelle  des  ver- 
storbenen Gehoimraths  R.  Hartmann  zum  ordentliehon  Mitgliede 
der  Gesellschaft  Naturforschender  Freunde  in  Berlin.  —  Der 
Botaniker  Holst  zum  I^oamten  der  deutschen  Kilimandscharo- 
Station. 

Es  sind  gestorben:  Der  Assistent  am  Museum  d'Histoire  Natu- 
relle Paul  Fischer  in  Paris,  einer  der  ersten  C'oncliyliologen 
Frankreichs.  —  Oberbergrath  Gustav  Pfannmiiller  in  Darm- 
stadt. —  Der  eigentliche  Erfinder  der  elektrischen  Glüh-  und 
Bogenhtmpen  Henry  Göbel  in  New-York.  —  Der  auch  litte- 
rarisch thätig  gewesene  Geheime  Sanitätsrath  Dr.  Charles 
August  La  Pierre  in  Tegel  bei  Berlin.  —  In  Wiesbaden  Pro- 
fessor Dr.  Friedrich  Karl  Medicus,  ehemaliger  Director  des 
Landwirthschaftlichen  Institutes  Hof  Geisberg.  —  Der  Grönland- 
forscher Heinrich  Johannes  Rink  in  Christiania.  —  Der  Pro- 
fessor der  Philosophie  Karl  Ludwig  jNIichelet  in  Berlin.  — 
Der  auch  auf  geographischem  Gebiete  (Afrika)  thätig  gewesene 
Professor  Dr.  Karl  G.  Büttner  in  Berlin. 


L  i  1 1  e  r  a  t  u  r. 

Wilhelm  Wandt,  Vorlesungen  über  die  Menschen-  und  Thier- 
Seele.  ■_'.  umgearbeitete  Aufl.  \crlag  von  Leo])old  Voss.  Ham- 
burg und  Leipzig  1892.  —  Preis   10  M. 

Die  erste  Aufl.  erschien  vor  30  Jaliren,  als  die  experimentelle 

Psychologie    noch    Zukunfsprogramm    war.      Wundt    nennt    diese 


*)  Ann.  Phys.  119,421. 


Nr.  5B. 


Niiturwisseiiscliaftliehe  Wocliciisclirift. 


■)9ri 


1.  Aufl.  eine  Jiigondsünde.  Die  Neii-Bearbcitiinj;'  wiir  liestinimt 
(liircli  (He  Erwägungen:  1.,  dass  trotz  der  Mängel  doch  manche 
Austnlu'ungen  der  1  Aufl.  sich  noch  heute  behaupten  können, 
■J.  lastete  alles  das  aus  dem  Inhalt  des  älteren  Werkes,  was  den 
Anschauungen  W's.  nicht  mehr  entsprach  oder  zuwiderlief,  „als 
eine  Art  Schuld"  auf  den  Verf.,  der  er  ledig  zu  werden  wiinscht<'. 
—  Alle  in  das  Gebiet  der  Völkerpsychologie  reiclienden  Aus- 
führungen hat  W.  entfernt,  also  sich  auf  die  lndi\idualps_vchologie 
des  Menschen  und  der  Tbiere  beschränkt.  Das  Wundt's  Vor- 
lesungen in  einer  philosophischen  Bibliothek  nicht  fehlen  dürfen, 
braucht  wohl  nicht  erst  gesagt  zu  werden. 


S.  S.  Buckman,  Vererbungsgesetze  und  ihre  Anwendung  auf 
den  Menschen.  Autorisirte  deutsche  Ausgabe.  Darwinistische 
Schriften.  1.  Folge,  Bd.  18.  Ernst  Günther's  Verlag.  Leipzig 
18i)3.  -  Preis  2  Mk. 
Verf.  drückt  die  Thatsache  der  Vererbimg  mit  den  Worten 
aus:  „Gleiches  bringt  Gleiches  hervor,  so  weit  die  umgebenden 
Zustände  dies  zulassen."  So  durchdacht  wie  dieser  Satz  ist  das 
ganze  Heff,  das  auch  der  kenntnissreiche  Darwiniaiu'r  mit  Vor- 
theil  lesen  wird,  um  so  mehr  als  Verf.  manche  Annahmen,  auch 
Ch.  Darwin's,  geschickt  kritisirt;  aber  auch  jedem,  der  sich  erst 
über  den  interessanten  Gegenstand  orientiren  will,  muss  es  em- 
pfohlen werden,  denn  die  klare  Schreibweise  des  Verf.  macht  es 
leicht,  seinen  Gedankengang  zu  verfolgen.  Zum  Schluss  macht 
B.  auf  die  Unhaltbarkeit  der  Annahme  der  Nicht  -  Erblichkeit 
j.erworbener  Charaktere"  aufmerksam.  Beachten  wir  das  folgende 
aus  den  Thatsaehen  sich  ergebende  Resultat:  ,.Dor  Nachkomme 
neigt  dazu,  die  verschiedenen  aufeinanderfolgenden  Lebensphasen 
des  Erzeugers  in  einem  etwas  früheren  Alter  darzustellen,  voraus- 
gesetzt, dass  die  Umgebung  annähernd  dieselbe  sei"  (S.  11), —  so 
wird  man  leiclit  den  Fehler  in  der  WVismann'schen  Annahme  be- 
merken, den  B.  durch  Beispiele  gut  erläutert. 

Bezüglich  einiger  Punkte  seheint  uns  der  Verf.  zu  hypothetische 
Ansichten  zu  entwickeln,  aber  im  Ganzen  ist  die  von  ihm  ge- 
lieferte Arbeit  —  wie  gesagt  —  durchaus  beachtenswerth. 


Professor  Dr.  Johannes  Ranke,  Der  Mensch.  2.  gänzlich  neu- 
bearbeitete Auflage.  1,  Lief.  Leipzig  und  Wien.  Verlag  des 
Bibliographischen  Instituts,    1893.  —  Preis   1    Mk. 

Wir  pflegen  zwar  aus  nahe  liegenden  Gründen —  nämlich  erstens 
weil  bei  der  Ijebi'rfüUe  des  einlaufenden  Materiales  dann  kein  Ende 
zu  finden  wäre,  und  zweitens,  weil  es  für  den  Leser  eines  Referates 
nur  in  den  seltensten  Fällen  Interesse  hat,  ein  Buch  stückweise 
besprochen  zu  flndeu  —  nicht  einzelne,  wenig  umfangreiche  Lie- 
ferungen zu  erwähnen.  In  dem  vorliegenden  Falle  mag  aber  als 
Entschuldigung  dienen,  dass  es  sich  um  ein  bereits  bekanntes  und 
anerkanntes  Werk  handelt,  bei  welchem  wohl  vorauszusetzen  ist, 
dass  es  weitere  Kreise  interessiren  dürfte,  vorläufig  zu  hören,  dass 
eine  Neu-Auflage  im  Erscheinen  begriffen  ist.  Ein  näheres  Ein- 
gehen auf  das  Werk  ist  freilich  vor  dem  Abschluss  desselben  nicht 
möglich. 

Prof.   Dr.    Julius    Kennel,    Lehrbuch    der    Zoologie.      Mit    310 

Textabb.    (mit    gegen     U  00    Einzelfiguren).      Ferdinand    Enke. 

Stuttgart  18H:',.  —  Preis  18  M. 

Wieder  sind  wir  in  der  Lage,  das  Erscheinen  eines  trefflichen 
Lehrbuches  der  Zoologie  anzuzeigen,  diesmal  aus  der  Feder 
des  ordentl.  Professors  der  Zoologie  und  Directors  des  zoologischen 
Museums  der  Universität  Dorpat.  Der  Hauptnaclidruck  liegt  in 
dem  vorliegenden  Lehrbuch  auf  die  vergleichend -morpbologiscli- 
anatomische  Betrachtung.  Grosse  Sorgfalt  ist  auf  die  Auswahl 
und  Ausführung  der  Abbildungen  gelegt  worden.  Leider  ist 
ja  in  diesem  Punkte  in  Lehrbüchern  so  viel  gesündigt  worden, 
namentlich  durch  Herübernahme  von  alten  und  schlechten,  von 
deren  Verlegern  angebotenen  Cliches.  Die  von  Kennel  gebrachten 
Illustrationen  sind  im  Gegentheil  fast  alle  Originale.  Das  Buch 
ist  nicht  allein  als  Lehrbuch,  sondern  durch  das  sorgfältige  Re- 
gister als  Nachschlagebuch  geeignet:  es  soll  ja  auch  ausgespro- 
chenerniaassen  nicht  allein  dem  Studium  für  den  Anfänger  dienen, 
sondei'n  —  wie  das  Erscheinen  des  Buches  in  <ler  „Bibliothek  des 
Arztes,  eine  Sammlung  medieinischer  Lehrbücher  für  Studirende 
und  Praktiker'  andeutet  —  in  Specialfällen  Rath  geben.  Von 
einer  Darstellung  der  Darwin'schen  Theorie  bat  Verf.  abgesehen; 
die  ganze  Arbeit  gliedert  sieh  in  zwei  Theile:  I.  Allgemeine  Zoo- 
logie (nebst  Protozoa)  und  II.  Specielle  Zoologie  der  Metazoa. 
In  der  speciellen  Gruppirung  der  letzteren  und  der  systematischen 
Stellung  einzelner  Tbiere  wird  der  Fachmann  manche  Besonder- 
heiten finden.  Der  I.  Theil  bespricht  zunächst  den  Begriff  der 
Thierart,  Species,  sodann  die  thierische  Zelle,  dann  die  Protozoa, 
die  auch  gleich  an  dieser  Stelle  aus  pädagogischen  Gesichtspunkten 
von  dem  speciellen  Theil  getrennt  vollständig  abgehanilelt  werden, 
während  von  den  Metazoen  im  allgemeinen  Theil  nur  die  Fur- 
schung    des    Eies    und    die    Keimblätterbildung    Berücksichtigung 


finden.  Die  beiden  letzten  Kajiitel  des  allgemeinen  Theiles  sind 
überschrieben:  „Die  Gewebe"  und  „Die  Organe".  Als  Einleitung 
der  Metazoa  wird  ihre  Ableitung  uiul  ihr  Verwandtschaftsver- 
hältniss.  ihr  Stammbaum,  besprochen. 


K.  Schütte,  Die  Tucheier  Haide  vornehmlich  in  forstlicher 
Beziehung.  (Abhandlungi.'n  zur  Landeskunde  di'r  Provinz  West- 
preussen.  Herausgegeben  von  iler  Provinzial-Conunission  zur  Ver- 
waltung der  Westjn-eus.-iischi'n  Provinzial-Museen.  Heft  V.)  Com- 
missionsverlag   von    Tli.  Brntling.     Danzig    1893. 

Vornehm  lieh  in  forstlicher  Beziehung  hat  der  Verfasser  das  Gebiet 
der  Tucheier  Haide  gesidiildert,  da  aber  der  Wald  das  eigentliche,  ja 
geradezu  ausschliessliche  Lebenselement  jener  eigentbümlichen 
Gegend  ist,  so  darf  man  wohl  erwarten,  dass  die  Arbeit  auch  alle 
anderen  Verhältnisse  berücksichtigt  hat.  Und  in  dieser  Erwartung 
wird  man  nicht  getäuscht,  das  Heft  liefert  im  eigentlichen  Sinne  des 
Wortes  einen  wichtigen  Beitrag  zur  Landes-  und  Volkskunde  von 
Westpreussen.  Sein  Inhalt  entspricht  voll  und  ganz  der  Wirklich- 
keit; der  Verfasser  zeigt  sich  als  einen  genaueren  Kenner  der  \'erliält- 
nisse.  die  er  nicht  blos  als  gegeben  vorführt,  sondern  auch  auf 
ihre  Ursachen  und  Folgen  hin  prüft.  Seit  einem  Menschenalter 
inmitten  des  von  ihm  dargestellten  Gebietes  hervorragend  thätig, 
hat  er  dasselbe  und  seine  Bewohner  sich  allmählich  entwickeln 
und  letztere  auf  eine  menschenwürdige  Stufe  des  Daseins  gelangen 
sehen.  Trotzdem  er  ein  recht  bedeutendes  statistisches  Material 
zu  verarbeiten  hatte,  ist  seiner  Schrift  doch  die  in  solchen  Fällen 
nur  allzu  leicht  sich  einstellende  Trockenheit  gänzlich  fern,  viel- 
mehr weht  dem  Leser  aus  derselben  wirkliches  Leben  entgegen. 
Geradezu  prächtig  ist  z.  B.  die  Person  des  alten  Förster-Originales 
Dobelke  gezeichnet.  Es  ist  ganz  unzweifelhaft,  dass  sich  Seliütte"3 
„Die  Tucheier  Haide"  recht  viele  Freunde  erwerben  und  dazu 
beitragen  wird,  endlich  eine  richtige  JIciuung  über  ein  viele 
Quadratmeilen  umfassendos  Gebiet  unseres  Vaterlandes  zu  ver- 
breiten, worüber  im  Grossen  und  Ganzen  eine  Ansicht  herrscljte 
wie  man  dieselbe  wohl  über  gewisse  nicht  im  besten  Rufe  stehende 
Gegenden  da  hinten  in  der  Türkei   zu  hören  gewohnt  ist.   — 

Es  ist  ein  eigentbümliches  Land,  das  sich  südöstlich  von  der 
pommerschen  Seenplatte  der  Hauptsache  nach  zwischen  den 
Flüssen  Brahe  und  Schwarzwasser  bis  nahe  an  die  Weichsel  und 
Netze  erstreckt.  In  den  Kreisen  Konitz,  Bereut,  Pr.  Stargard, 
Tuchel  und  Schwetz  dehnt  es  sich  über  einen  Flächenraum  von 
.'{5  Qnadratmeilen  aus,  in  durchschnittlich  120  m  Meereshöhe  und 
zeigt  die  typische  Zusammensetzung  des  diluvialen  Bodens,  vor- 
wiegend grosse  Sandstrecken,  aus  denen  stellenweise,  aber  nur 
untergeordnet,  Lehm  hervortritt.  Die  bei  weitem  meiste  Boden- 
fläche ist  mit  Wald  bestanden,  der,  mit  Ausnahme  verhältniss- 
mässig  kleiner  Lücken  und  Streifen,  ein  geschlossenes  Ganzes 
bildet,  das  grösste  zusammenhängende  Waldgebiet  Deutschlands. 
Das  Klima  ist  rauh,  die  Winter  treten  früh  ein,  sind  lang  und 
streng  und  bringen  fast  ausnahmslos  eine  Kälte  von  20°  R.  und 
darunter  mit  sich,  während  einerseits  späte,  andererseits  wieder 
früh  sich  einstellende  Nachtfröste  der  Vegetation  hart  zusetzen 
und  ganz  gewaltige  Temperaturschwankungen  innerhalb  weniger 
Stunden  demjenigen,  welcher  mir  vorübergehend  dort  weilt,  den 
Aufenthalt  noch  melir  verleiden.  Von  den  Beispielen,  welche 
^'erf.  für  die  Spätfröste  giebt.  seien  hier  die  folgenden  angeführt: 
22.  Mai  1863  —  4°  R,  1.  Juni  18G.J  —  i°,  10.  Mai  1878  —  ü°, 
2).  Mai  1880  —  5°,  und  als  Beweise  für  die  bedeutenden  Tempe- 
raturschwankungen:  15.  Februar  1871  Abends  18°  R.  Frost,  am 
folgenden  Morsen  2°  Wärme,  am  19.  Mai  desselben  Jahres  Schnee, 
am  26.  Mai  +'21°  R.  im  Schatten,  am  28.  Mai  -t-  23°,  am  1.  und 
3.  Juni  Nachtfrost.  Dies  ist  die  Tucheier  Haide,  einst  ein  nicht 
ohne  Grund  verrufenes,  von  jedem,  welchen  Amt  und  Beruf  dort- 
hin führte,  gefürchtetes  Land,  dessen  schlechter  Charakter  heute 
jedoch.  Dank  des  weisen,  zielbewussten,  dui-ch  keine  kleinliehe 
Bekrittelung  in  Folge  nicht  sofort  in  die  Erscheinung  tretender 
Erfolge  beeinflussten  Vorgehens  seitens  des  Staates  der  Ge- 
schichte angehört.  In  diesem  weiten  Waldlande,  wo  noch  die 
Eibe  in  grösserer  Anzahl  im  Cisbusch  der  Oberförsterei  Linden- 
busch vorkommt*),  hat  der  Staat  eine  grosse  Culturarbeit  geleistet. 
Unter  der  mit  Unrecht  viel  geschmähten  Ordensherrschaft  wohl 
verwaltet,  war  es  nach  des  Deutsch-Ordens  Niederlage  1166  für 
3  Jahrhunderte  polnischer  Wirthschaft  anhi'iingefallen  und  unter 
dieser  in  jenen  Zustand  der  Verwahrlosung  gerathen,  dass  sein 
schlechter  Ruf  nur  allzu  begründet  war.  Mit  der  Erwerbung  sei- 
tens des  preussisclien  Staates  1772  begann  eine  neue  Zeit:  die 
Forsten  wurden  planmässig  bewirthschuftet,  dem  Holze  Absatz- 
Wege  und  -Stellen  geschaSeu,  die  Raubwirthschaft  der  Bewohner 
der  Haidedörfer  unterdrückt  und  die  Bevölkerung  zu  einem  arbeit- 
samen, arbeitwilligen,  geregelten  Leben  erzogen.  Im  Etatsjahre 
1890/91  wiesen  die  18  Oberförstereien  des  Gebietes  einen  Uober- 
schuss  von  1  192  998  M  auf,  im  Jahre  1880  dagegen  16  726  Thaler. 
Es  würde   zu   weit   führen,    wollten  wir  hier  noch  weiter    auf  die 


Vergl.  auch  .Naturw.  Wocbenschr."  Bd.  A'll,  S.  343. 


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Naturwissenscliat'tlic'lie  Wocliciisolirift. 


Nr.  53 


fleissige  Arbeit  eingehen,  wer  sicli  über  die  Bewohner  u.  s.  w. 
des  Gebietes  unterrichten  will,  findet  das  Wissenswertheste  darin 
vor.  Zum  Schluss  behandelt  der  Verf.  das  nördlich  daranstossende 
Gebiet  der  Kassubei  und  die  Aufgabe,  welche  der  Staat  in  diesem 
durch  die  Mis.swirthschaft  der  Bevölkerung  herabgekommenen, 
entwaldeten  Lande  zu  lösen  hat. 


Wilhelm  von  Bezold.  Bericht  über  die  Thätig-keit  des  König- 
lich Preussischen  Meteorologischen  Instituts  im  Jahre  1892. 
Berlin  1S'J3. 
Das  Heft  bietet  eine  Uebersicht  über  das  für  das  Meteoro- 
logische Institut  so  äusserst  wichtige  Jahr  1.S9'2,  in  welchem  die 
1885  begonnene  Eeorganisation  desselben  im  Grossen  und  Ganzen 
zum  Abschluss  gelangte,  was  durch  die  Vollendung  des  Regen- 
stationsnetzes in  Preussen  und  durch  die  Indienststellung  des 
Meteorologisch-Magnetischen  Observatoriums  auf  dem  Telegraphen- 
berge bei  Potsdam  äusserlich  zum  Ausdruck  kam.  Letztere  ver- 
ursachte eine  bedeutende  Verschiebung  im  Personalbestande  des 
Institutes.  Abschnitt  A  bringt  die  Neu-Vertheilung  des  Personals 
zum  Ausdruck.  In  Abschnitt  B  wild  eine  Uebersicht  über  das 
dem  Institute  unterstellte  Stationsnetz,  seine  Veränderungen, 
Ausrüstungen  und  Thätigkeit  gegeben,  in  C  eine  solche  über  die 
Inspectionsreisen  der  Institntsbeamten  innerhalb  des  Netzes.  Ab- 
schnitt D  enthalt  eine  Uebersicht  über  die  Neuordnung  der 
Publicationen  des  Institutes,  die  Veröffentlichungen  desselben  im 
Jahre  1892  und  diejenigen  der  Beamten.  Abschnitt  E  berichtet 
über  die  Sammlungen,  F  endlieh  behandelt  speciell  das  Meteoro- 
logisch-Magnetische (Jbservatorium  bei  Potsdam,  dessen  Vollendung, 
Ausrüstung  und  Indienststellung,  sowie  endlich  die  dort  während 
des  kurzen  Zeitraumes  geleisteten  magnetischen  Arbeiten,  für 
welche  das  Berichtsjahr  in  Folge  seiner  magnetischen  Maximum- 
Erscheinungen  ein  ganz  aussergewöhnlich  günstiges  war.  Der 
letzte  Abschnitt  G  giebt  endlich  Aufselduss  über  die  Inanspruch- 
nahme des  Institutes  von   aussen  her. 


Dr.  Felix  Koerber   und   Paul  Spies,    Physik    (Dr.  H.  Potonie's 
Naturwissenschaftliche  Repetitorien.    HeftI).    Fischer's  medicin. 
Buchhandlung  (H.  Kornfeld).     Berlin   1893.  —  Preis  4  Mk. 
Von    Dr.   H.    Potonie's    Naturwissenschaftlichen    Repetitorien 
liegt    nunmehr    ausser   der  Chemie  und  Botanik   auch   die  Physik 
vor.     Obwohl  von  zwei  Autoren   bearbeitet,    scheint    die   Einheit- 
lichkeit der  Darstellung  nirgend  empfindlich  gestört  zu  sein.    Aller- 
dings   rührt    das  Werkchen    zum    grössten  Theile   von   dem   erst- 
genannten Verfasser  her,    denn  Herr  Spiess   hat   nur   einen  Tiieil 
der  Mechanik  und  die  Lehre  von  der  Elektricität  bearbeitet. 

V\''as  die  Benutzung  des  vorliegenden  Repetitoriums  anlangt, 
so  dürfte  dasselbe  sehr  wohl  geeignet  sein,  Studirenden  der  Medicin 
nnd  Pharmacie  nach  dem  Besuch  einer  Vorlesung  über  Experi- 
mental-Physik  als  Grundlage  für  Wiederholungen  zu  dienen.  Auch 
Studireiide  der  Naturwissenschaften  werden,  insofern  sie  die  Physik 
als  Nebenfach  betreiben,  ohne  Zweifel  mit  Vortheil  das  Büchel- 
chen benutzen.  Das,  was  in  den  festen  Bestand  der  Experimental- 
physik überjjegangen  ist,  findet  sich  in  gedrängter,  aber  zusammen- 
hängender, klarer  Darstellung  in  dem  letzteren,  so  dass  sich  das 
Werk  fast  mehr  als  ein  kurzes  Lehrbuch  oder  ein  Leitfaden 
charakterisirt.  Denn  ein  Repetitoiium  im  engeren  Sinne,  welches 
nur  das  Skelett  des  betreffenden  Gebietes  enthält  und  von  einer 
zusammenhängenden  Darstellung  Abstand  nimmt  (wie  z.  B.  die 
geschichtlichen  Repetitorien),  muss  sich  jeder  für  seine  Zwecke 
selbst  anlegen;  es  spielen  da  eine  ganze  Reihe  persönlicher  Mo- 
mente mit,  die  in  einer  schematischen  Darstellung  nicht  berück- 
sichtigt werden  können. 

Es  will  uns  deshalb  scheinen,  als  ob  das  vorliegende  Heft 
sogar  weiteren  Ansprüchen  genügen  und  nicht  nur  zu  W^ieder- 
holuugszwecken  benutzt  werden  wird.  Jedenfalls  wünschen  wir 
dem  Werke  recht  grosse  Verbreitung. 

Dass  sich  bei  der  Durchsicht  des  Buches  hin  und  wieder 
Wünsche  aufdrängen,  ist  nicht  zu  verwundern;  gewiss  wird  der 
eine  dieses,  der  andere  noch  jenes  aufgenommen  zu  sehen  wünschen, 
während  anderes  hätte  gekürzt  werden  können.  Wir  wollen  nicht 
alle  unsere  Wünsche  hier  aufführen,  um  nicht  den  Werth  der  vor- 
liegenden Arbeit  herabzusetzen,  wenn  auch  nur  dem  Scheine  nach. 


Aber  wenn  wir  u.  a.  nur  den  Wunsch  aussprechen,  dass  auch  die 
Hertz'schen  Entdeckungen,  die  jeder  akademisch  -  naturwissen- 
schaftlich Gebildete  dem  Wesen  nach  kennen  niuss,  bei  einer 
neuen  Auflage  berücksichtigt  werden,  so  dürfte  dies  kaum  be- 
gründeten Widerspruch  erfahren.  A.  G. 


Geological  Survey  of  Canada.  —  1.  Walter  F.  Ferrier, 
C  a  t  a  1 0  g  u  e  o  f  a  S  t  r  a  t  i  g  r  a  p  h  i  c  a  1  C  o  1 1  e  c  t  i  o  n  o  f  C  a  n  a  d  i  a  n 
Rocks  preparcd  for  the  World's  Exposition,  Chicago 
1893.     Government  Printing  Bureau.     Ottawa  1893. 

Das  Heft,  130  und  XX  Seiten  stark,  bringt  das  Verzeichniss 
der  aus  1500  Nummern  bestehenden  stratigraphischen  Sammlung, 
welche  die  Geologische  Landesaufnahme  von  Canada  auf  der 
Weltausstellung  in  Chicago  ausgestellt  hat.  Auf  Seite  V  bis  XIX 
giebt  der  Verfasser  eine  kurze  Uebersicht  über  die  Formationen, 
welchen  die  Stücke  angehören,  ihre  Verbreitung  und  die  auf  sie 
bezügliche  Litteratur.  Die  Eiutheilung  der  Collection,  sowie  die 
Disposition  der  vorliegenden  Arbeit  entspricht  der  Altersaufeinander- 
folge der  Formationen,  mit  deren  ältester,  der  Laurentiscben,  be- 
gonnen wird.  Innerhall)  der  Formationen  schreitet  die  Reihenfolge 
der  Fundpunkte  von  Ost  nacli  West  fort.  Die  Sammlung  ist  mit 
grossem  Geschicke  ausgewählt  und  zusammengestellt  und  giebt 
ein  lehrreiches,  vollständiges  Bild  von  den  Gesteinen,  welche  an 
der  Zusammensetzung  des  Canadischen  Bodens  theilnehmen. 

2.  G.  Christian  Hoffmann,  Catalogue  of  Section 
One  of  the  Museum  of  the  Geological  Survey,  Embra- 
cing  the  Systematic  Collection  of  Minerals  and  the 
Collections  of  Economic  Minerals,  and  Rocks,  andSpe- 
cimens  Illustrative  of  Structural  Geolog}'.  Printed  by 
S.  E.  Dowson,  Printer  to  the  Queens  Most  Excellent  Majesty. 
Ottawa  1893. 

Das  Heft  enthält  ein  Verzeichniss  der  aus  P549  Nummern 
bestehenden  Abtheilung  I  des  Museums  der  Geologischen  Landes- 
aufnahme von  Canada.  Die  Abtheilung  umfasst  eine  systematische 
Sammlung  von  Mineralien,  eine  Sammlung  nutzbarer  Mineralien 
und  endlich  eine  Sammlung  von  Gesteinen  und  Proben,  welche 
die  Zusammensetzung  des  Canadischen  Bodens  erläutern.  Die 
erste  Sammlung  ist  nach  der  in  der  sechsten  Auflage  (1892)  von 
Dana's  „System  of  Miner.ilogy"  angenommenen  Eintheilung,  die- 
jenige der  technisch  nutzbaren  Mineralien  rein  nach  pi-aktischen 
Gesichtspunkten  geordnet.  In  der  letzteren  wiederum  richtet  sich 
die  Anordnung  innerhalb  der  einzelnen  Mineralspecies  ganz  nach 
deren  praktischer  Bedeutung.  Die  Erze  sind  in  zwei  Suiten  ver- 
treten, deren  eine  nur  Handstücke  von  den  wichtigsten  und  best- 
bekannten Fundpunkten  enthält,  während  die  andere  eine  Zu- 
sammenstellung von  sämmtlichen  Fundorten  derselben  in  der 
ganzen  Dominian  ist.  Ein  vierfacbi.-r  Index,  welcher  Seite  175  bis 
Ö56  umfasst,  erleichtert  das  .\ufHnden  jedes  Stückes  ganz  wesent- 
lich. Im  ersten  Index  sind  die  Schaukästen  verzeichnet,  im  zweiten 
die  Nummern  der  Stücke  der  Reihe  mich,  im  dritten  die  Ursprungs- 
orte in  alphabetischer  Folge  und  im  vierten  alphabetisch  die 
Gesteine  selbst.  —  Der  X  und  256  Seiten  starke  Catalog,  dem 
ein  Plan  der  von  der  Sammlung  im  Museum  der  Geologischen 
Landesaufnahme  eingenommenen  Räumlichkeiten  beigegeben  ist, 
dient  nicht  allein  der  Orientirung  in  der  Sammlung  selbst,  sondern 
gewährt  auch  dem  blossen  Leser  einen  Ueberblick  über  das  Vor- 
kommen der  Mineralien  und  Gesteine  und  ihre  Theilnahme  an  der 
Zusammensetzung  des  canadischen  Bodens. 


Weismann,  Prof.  Aug.,  Die  Allmacht  der  Naturzüchtung.     Jena. 

2  M. 
Wislicenus.  Johs.,  Die  Chemie  und  das  Problem  -von  der  Materie. 

Leipzig.     l,-'0  M. 
Zimmer,    G.   C,    Ueber    das  Wesen    der    Naturgesetze.     Giessen. 

2  M. 


Berichtigung. 


Seite  581,  Spalte  2,  Zeile  17  von  unten  muss  es  in  der  Klammer 
heissen:  vergl.  Gartenflora  1893,  S.  476. 


Inhalt:  Prof.  Dr.  A.  Nehring:  Ueber  die  Gleichzeitigkeit  des  Menschen  mit  der  sogenannten  Mammuthfauna.  —  Leopold 
Kronecker.  —  Fall  von  Leberheruie  (Hcrnia  hepatica).  —  Lebenszähigkeit  von  Skorpionen.  —  Zur  vergleichenden  Physiologie 
des  Nervensystems  der  Coleopteren.  —  Ueber  die  Rolle,  die  das  Wasser  bei  der  Bewegung  der  grönländischen  Eismassen 
spielt.  —  Jodstickstoff  und  StickstottVasserstoft'säure.  —  Aus  dem  wissenschaftlichen  Leben.  —  Litteratur:  Wilhelm  Wundt: 
Vorlesungen  über  die  Menschen-  und  Thier-Seele.  —  S.  S.  Biickman:  Vererbungsgesetze  und  ihre  Anwendung  auf  den 
Menschen.  —  Pro f.  Dr.  J o  h  a n n  e  s  R  a  u k e :  Der  Mensch.  —  P r o  f.  Dr.  J  u  1  i  u  s  K e  n  n e  1 :  Lehrbuch  der  Zoologie.  —  R.  Schütte: 
Die  Tucheier  Haide  vornelunlich  in  forstlicher  Beziehung.  —  Wilhelm  von  Bezold:  Bericht  über  die  Thätigkeit  des  König- 
lich Preussischen  Meteorologischen  Instituts  im  Jahre  1892.  —  Dr.  Felix  Koerber  und  Paul  Spies:  Physik.  —  C4eological 
Surve}-  of  Canada.  —  Liste.  —  Berichtigung. 

Verantwortlicher  Redakteur:    Dr.  Henry  Potonie,    Berlin  N.  4.,  Invalidenstr.  44,   für  den    Inseratentlieil:  Hugo  Bernstein  in  Berlin.  — 
Verlag:  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchliandlung,   Berlin  SW.   12.  —  Druck:  G.  Bernstein,  Berlin  SW    1?. 


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