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Full text of "Neue Jahrbücher für Philologie und Paedagogik"

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- 

Neue 

JÄHRBÜCHER 

für 

Philologie  and  Paedagogik, 

oder 

Kritische  JBibliothefc 

für  das 

Schul-  und  Unterrichts wesen. 


In  Verbindung  mit  einem  Vereine  von  Gelehrten 

herausgegeben 

VOR 

»r.  Gottfried  Seehode, 
M.  JTohann   Christian  Jahn 

und 

Prof.  Keinhold  Hlots. 


ZEHNTER    JAHRGANG. 

Acht    und    zwanzigster    Band.       Erstes   Heft. 


Leipzig, 

Druck  und  Verlag  von  B.  G.  Teubner. 

1840. 


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3 

Bai-  &8 


Kritische  Beurtheilungen. 


1.  Deutsch-  Griechisches  Wörterbuch  zunächst 
zum  Schulgebrauche.  Möglichst  vollständig  nach  den  be- 
sten  Quellen  bearbeitet  und  mit  classischen  Beispielen  attischer 
Redeweise  ausgestattet  von  Dr.  Joh.  Franz.  2  Bde.  gr.  8.  Leipzig, 
in  der  llahn'sehen  Vcrlagshandlung.  1838.  1.  Bd.  von  A  —  K. 
VI II  ii,  1414  Kolumnen  nebst  5  S.  Berichtigungen.  2.  Bd.  L  —  Z. 
1182  llol.  nebst  3  S.  Berichtigungen.  Der  Preis  des  Ganzen  beträgt 
3  Thlr.  18  Gr. 

2.  Handwörterbuch  der  griechischen  Sprache 
von  Karl  Jacobilz  und  Ernst  Ed.  Seiler.  Ersten  Bandes  erste  Abtli. 
A — E.  Leipzig,  Verlag  der  J.  C.  llinrichs'schen  Buchh.  183!). 
X  u.  928  S.  nebst  2  S.  Berichtigungen,  gr.  8.  2£  Thlr. 

•3.  Griechisch-  Deut  sthes  .  Ha  jtd  loörterbuch  von 
Dr.  Carl  Ramshorn.  Stereotyp -Ausgabe.  Leipzig,  Druck  u.  Verlag 
von  Beruh.  Tauchniu  jun.   1838.  691  S.  8.  2  Thlr. 


Lit  Recht  nimmt  der  Verf.  von  Nr.  1.  in  der  Vorrede  an,  dass  ein 
deutsch-griechisches  Wörterbuch,  „welches  den  Anforderungen  der 
Zeit  in  einem  höheren  Grade  zn  entsprechen  sucht",  willkommen 
gein  müsse.  Aber  in  die  gleich  daran  geknüpfte  Klage  darüber,  dass 
es  noch  immer  wenige  Lehrer  gebe,  „welche  der  Jugend  die  Er- 
lernung des  Griechischen  gerade  so  leicht  machen ,  wie  bei  neue- 
ren Sprachen  das  Reisen  in  den  Ländern,  in  denen  diese  leben", 
und  in  die  Hoffnung  auf  bessere  Zeiten  für  die  griechische  Spra- 
che ,  wenn  man  einst  griechische  Schriftsteller  griechisch  erklä- 
ren werde,  „wie  vordem  lateinische  lateinisch"',  kann  Referent 
seines  Theilcs  nicht  einstimmen,  Vielmehr  furchtet  er,  dass,  wenn 
einst  solche  Zeiten  kommen  sollten,  die  Gründlichkeit  der  Erler- 
nung zugleich  mit  der  damit  verbundenen  Qual,  worüber  der 
Verf.  klagt,  verschwinden  wird.  Einst  wurde  wenigstens  grie- 
chisch geschrieben,  und  das  gar  nicht  wenig,  noch  auch  unge- 
schickt, man  dürfte  nur  au  Budaeus,  Rhodomannns,  Crusius  er- 

1* 


4  Griechische  Wörterbuch  er. 

innern,  und  Jas  Lateinische  ist  noch  jetzt  gewissermassen  als  le- 
bende Sprache  der  Gelehrten  anzusehen,  vielmehr  jedoch  war  es 
das ,  um  etwas  zu  sagen ,  vor  300  Jahren ;  sollte  aber  der  Verf. 
wohl  im  Ernst  behaupten ,  dass  darum  jene  Sprachen  früher  bes- 
ser gepflegt  worden  wären  als  jetzt,  oderdass  jetzt  z.  B.  das  Französi- 
sche besser  von  uns  gepflegt  werde,  als  die  alten  Sprachen,  weil 
es  etwa  auch  beim  Unterricht  gesprochen  wird?  Doch  die  Sa- 
che braucht  hier  nicht  weiter  erörtert  zu  werden. 

Ueber  den  Zweck  und  die  Ausarbeitung  seines  Buches  äus- 
sert sich  der  Verf.   unter  Berufung  auf  ein  Paar  Abhandlungen 
über  lateinisch  -  griechische  Lexika  und   das  Rost'sche  deutsch  - 
griechische  Wörterbuch  in  den  Act.  phil.  Monac.  v.  1829  u.  in  der 
Jen.  Lit.  Zeit.  v.  1832,  die  Ref    leider  nicht  vergleichen  konnte, 
im  Wesentlichen  so :     Es  sei  ihm   nicht  darum  zu  thun  gewesen 
,,dem  deutschen  Sprachreichthum  eine  hinreichende  Anzahl  grie- 
chischer Vokabeln  gegenüberzustellen,    sondern   den  mannigfal- 
tigsten Wortausdruck  der  modernen  Welt  durch  die  Allgewandt- 
heit attischer  Redeweise  gleichsam  aufzuwägeu."   Hieraus  möchte 
man  schwerlich  mit  einiger  Bestimmtheit  abzunehmen  vermögen, 
was  der  Verf.   nicht  gewollt  hat  und  was  er  gewollt  hat,  wenn 
nicht  etwa  der  mannigfaltige  Wortausdruck   der  modernen  Welt 
gegenüber  dem    deutschen  Sprachreichthume  zugleich  von  frem- 
den in  unsere  Sprache  aufgenommenen  Ausdrücken  zu  verstehen 
ist,  dergleichen  der  Verf.  allerdings  sehr  viele  mit  aufgenommen 
hat.     Aber  zum  Theil  wenigstens  werden  jene  Worte  weiterhin 
so  erklärt:  der  Verf.  habe,  um  grössere  Deutlichkeit  zu  erlan- 
gen,  oft  zusammenhängendere  klassische  Beispiele   auszuheben 
•gut  gefunden,  jedoch  wenn  längere  Stellen  erforderlich  gewesen 
wären,  habe  er  sich  endlich  begnügt,  das  Citat  zum  Nachschla- 
gen zu  geben,  ein  Verfahren  freilich,  was  den  Schülern,  welche 
selten  die  erforderlichen  Bücher  und  mindestens  eben  so  selten 
die  Lust  und    das  Geschick  haben,  sie  gehörig  zu  gebrauchen, 
wenig  Nutzen  stiften  wird.    Die  Beisetzung  der  Auktoritäten  habe 
er  für  die  prosaische  Sprache  dann  vorgezogen,  wenn  entweder 
der  Ausdruck  nicht  jedem  Zeitalter  zugeschrieben  werden  zu  kön- 
nen geschienen  habe,  oder  bei  Phrasen,  welche  leicht  den  An- 
schein willkürlicher  Bildung  gehabt  haben  würden;  in  der  Poesie 
aber  vorzüglich  da,  „wo  der  tragische  Gebrauch  von  dem  epischen" 
zu  unterscheiden  gewesen  sei.     Beisetzung  von  Auktoritäten  trifft 
man  in  dem  Buche  allerdings  häufig,  allein  so,  dass  hinter  einem 
Worte  oder  einer  Zusammenstellung  von  mehreren  Worten  Xen. 
oder  Plat.   oder  sonst  dergleichen  steht,    womit  denn  allerdings 
sehr  wenig  gefördert   ist.     Schüler  nehmen  auf  dergleichen  An- 
gaben überhaupt  eben  keine  Rücksicht,    und  wer  sich  genauer 
unterrichten  will,  uiuss  zu  allerlei  andern  Hilfsmitteln  seine  Zu- 
flucht nehmen. 

Die  verschiedenen  Constructionen ,    sagt  der  Verf.,    seien 


Franz:  Deutsch    griechisches  Wörterbuch.  5 

überall  sorgfaltig  angegeben ,  was  Ref.  regelmässig  bestätigt  ge- 
funden hat,  doch  ist  -dieserhalb  in  dem  Artikel  weil  Manches  zu 
\ermisseu. 

Die  sinnverwandten  Wörter  seien ,  so  weit  es  namentlich  für 
den  Schalgebrauch  nützlich  erschienen,  nach  ihren  verschiede- 
nen Beziehungen  fest  bestimmt  und  unterschieden  worden.  WTas 
der  Verf.  mit  der  Beschränkung  auf  das,  was  für  den  Schulge- 
brauch nützlich  ist,  sagen  will,  ist  dem  Ref.  nicht  klar,  als  wel- 
cher der  Meinung  ist,  dass  mindestens  die  Ergebnisse  aller  der- 
artigen Forschungen  für  den  Schuigebrauch  überaas  nützlich  sind, 
und  überall  nur  die  Ergebnisse  mitzutheilen  genügt  auch  nicht; 
damit  sich  der  Schüler  auch  selbst  helfen  lerne,  muss  er  in  ein- 
zelnen Fällen,  welche  eine  recht  klare  Entwickelung  zulassen, 
die  ganze  Forschung  bekommen.  Möglich  wäre  nun ,  dass  der 
Verf.  irgend  solche  Beschränkung ,  als  hier  angedeutet  ist ,  im 
Sinne  gehabt  hätte,  doch  konnte  Ref.  darüber  durch  das  Buch 
selbst  zu  keiner  Klarheit  gelangen,  da  dies,  wie  sich  unten  zei- 
gen wird,  überhaupt  in  scharfer  Bestimmung  der  Begriffe  nicht 
besonders  stark  ist. 

Vorzügliche  Sorgfalt,  sagt  der  Verf.,  habe  er  auf  anschau- 
liche Erklärung  der  griechischen  Partikeln  verwendet  und  dabei 
öfter  auf  die  gangbaren  Grammatiken  verwiesen.  Ref.  hat  meh- 
rere derartige  Artikel  verglichen  und  diese  Behauptung  bestätigt 
gefunden ,  nämlich  anschaulich  macht  der  Verf.  die  Bedeutungen 
der  Partikeln ,  indem  er  sehr  viele  ihrer  Verbindungen  mit  der 
deutschen  Uebersetzung  aufführt;  wo  er  aber  dies  mehr  empiri- 
sche Feld  verlässt  und  sich  auf  begriffsmässige  ausdrückliche  Be- 
stimmungen einlässt,  giebt  er  öfter  Stoff  zum  Widerspruch,  wie 
wenn  unter  wenn  gesagt  wird,  tl  mit  dem  Optat  werde  gebraucht, 
wenn  der  angenommene  Fall  als  wahrscheinlich  gedacht  werde. 
So  wird  unter  als  gesagt,  wg  gebe  mehr  (doch  wohl  als  die  vor- 
her besprochenen  Worte  ön,  ijvlxa  und  Int i8rj)  den  Grund  an, 
welcher  in  dem  Zeitereignisse  liege,  und  bald  darauf  wird  aus 
Plato  angeführt  tag  6s  i]X&ov  ov  naQrjv  und  übersetzt:  als  ich 
kam  war  er  nicht  da  ;  übrigens  ist  dieser  Artikel  nach  dem  Stand- 
punkte des  Verf.  gut  gearbeitet,  durch  grosse  Reichhaltigkeit, 
er  enthält  5  Kolumnen ,  wird  vieles  gut  veranschaulicht.  Sonst 
ist  dem  Ref.  aufgefallen,  dass  unter  den  Worten  wo ,  woher, 
wohin  der  enklit.  Gebrauch  von  nov ,  nöftiv,  not  nicht  ange- 
führt ist. 

Die  attische  Redeweise  versichert  der  Verf.  zur  Grundlage 
des  ganzen  Buches  gewählt  und  dichterische  Ausdrücke  beson- 
ders bemerklich  gemacht  zu  haben.  Auch  dies  hat  Ref.  im  All- 
gemeinen bestätigt  gefunden,  wenn  gleich  in  einzelnen  Dingen 
die  Anführung  der  von  den  Grammatikern  ausdrücklich  als  attisch 
bezeichneten  Worte  versäumt  sein  mag.  So  hat  der  Ref.  verge- 
bens   unter    den    passenden    Artikeln  nach  yvco6ipa%eiv   (vergl. 


r>  G  r  i  c  c li  i  s  c li  e  W  ö  r  t  c  r liii  e li  c  r. 

iWoer.  iiikI  Timm.  Mag.)  gesucht.  Ob  dichterische  Ausdrücke 
überhaupt  aufzunehmen  waren  oder  nicht,  darüber  Hesse  sich 
streiten,  indessen  ist  aus  dem  Obigen  einleuchtend,  dass  sie  der 
Verf.  nicht  ausschliessen  konnte,  und  mögen  denn  auch  nicht 
leicht  griechische  Verse  von  Schülern  gefordert  werden,  so  kann 
doch  die  Aufführung  der  dichterischen  Ausdrücke  manchen  an- 
dern nicht  verächtlichen  Vortheil  gewähren;  das  sei  also.  Dass 
aber  tlcr  Verl*,  auch  die  Begriffe,  für  welche  die  ältere  griechi- 
sche Sprache  keine  entsprechenden  Benennungen  darbot,  berück- 
sichtigte, war  jeden  Falls  ein  sehr  bedenkliches  Unternehmen. 
Drei  Wege,  sagt  er,  seien  ihm  für  diesen  Zweck  offen  gewesen, 
1)  Beiziehung  späterer  Scribenten,  2)  Angabe  des  Gebrauchs  der 
Neugriechen,  3)  „freie  Bildung  antiker  Ausdrücke."  (Kann  mau 
denn  jetzt  antike  Ausdrücke  bilden  !?)  Sofern  unter  den  neueren 
Scribenten  solche  verstanden  werden,  wie  Strabo ,  Dio  Kassius, 
Herodian,  die  Kirchenschriftsteller ;  welche  man  hin  und  wieder 
angeführt  findet,  würde  Ref.  gar  keinen  Anstoss  nehmen.  In 
manchem  Falle  kann  auch  der  neugriechische  Ausdruck  viel  In- 
teresse haben,  und  zwar  in  viel  höherem  Grade  als  Mancher 
glauben  mag,  der  diese  Sprache  zu  seinem  eignen  Nachtheile 
keines  Blickes  würdigt.  Die  eigne  Bildung  neuer  Ausdrücke  aber, 
welche  der  Verf.  wenigstens  durch  ein  Sternchen  kenntlich  ge- 
macht hat ,  wie  unter  Schweifen  (als  Subst.  etwa  in  solchem 
Sinne  wie  das  Krümmen)  ro^coötg  oder  unter  Schuhbürste  Ttsgt- 
xoit/tov,  konnte  und  musste  ganz  wegbleiben.  Wo  und  wann  sol- 
che Worte  nöthig  werden ,  werden  sie  schon  entstehen  und  we- 
nigstens für  die  Schüler  wäre  dringend  zu  wünschen,  dass  man 
sich  nicht  vermässe,  etwas  griechisch  sagen  zu  wollen,  was  die 
griechische  Sprache  eben  nicht  sagen  will,  zumal  da  ja  i)er  Um- 
fang dessen,  was  sie  sagen  kann  und  will,  nicht  eben  klein  ist. 

Die  aufgenommenen  Eigennamen  sind  nicht  in  ein  besonde- 
res Verzeichniss  gewiesen,  sondern  au  der  rechten  Stelle  in  dem 
Wörterbuche  selbst  angebracht;  dies  ist  offenbar  zu  billigen. 

Soweit  die  Mittheilungen  aus  der  Vorrede,  und  das,  was 
zunächst  daran  schien  angeknüpft  werden  zu  müssen.  Für  die 
weitere  Untersuchung  dessen  aber,  Mas  der  Verf.  für  dies  Feld 
der  Lexikographie  überhaupt  geleistet  hat,  erachtet  der  Ref.  für 
billig,  zumal  weil  gleich  zu  Anfang  der  Vorrede  von  einem  Buche 
die  Rede  ist,  welches  den  Anforderungen  der  Zeit  in  einem  hö- 
heren Grade  (doch  wohl  als  die  bisherigen  Werke  der  Art)  zu 
entsprechen  sucht,  so  viel  es  thunlich  ist,  auf  das  anerkannt 
beste  deutsch -griechische  Wörterbuch,  das  Rostsche  (5.  Aufl. 
Gott.  .1^37.),  vergleichend  Rücksicht  zu  nehmen. 

Billigerweise  soll  der  Lexikograph  wissen  und  überall  hei 
seinen  Erklärungen  wohl  beachten,  dass  etwas  anderes  der  einem 
Worte  zugehörige  Gedanke  oder  Begriff  sei  und  etwas  anderes 
die  Dinge,   seien  diese  Stoff  oder  Form,  auf  welche  Wort  und 


Franz  :   Deutsch  -  griechisches  Würlerhuch.  7 

Begriff  angewandt  sind,    oder  welche  gerade  in  diesem  Worte 
vorgestellt  werden  ,   und   deren  Zeichen  daher  das  Wort  genannt 
werden  kann.     Mag  man  nun  unter  Bedeutung  des  Wortes  jenen 
einen  Begriff  oder  diese  vielen  Anwendungen  oder  auch  gar  die 
bezeichneten   Dinge  seihst  verstehen,    so  leuchtet  doch  so  viel 
ein,    dass  die  freilich  sehr  gewöhnliche  Vernachlässigung  jener 
Unterscheidung   unsägliche   Irrthümer    und    Verkehrtheiten    zur 
Folge  hat;  diese  genauer  auch  nur  anzudeuten,  wäre  reichlicher 
Stoff  zu  einem  grossen  Buche  und  kann  also  hier  nicht  gesche- 
hen. Aber  das  wenigstens  verdient  als  für  die  Schulen  sehr  wich- 
tig hier  erinnert  zu  werden,  dass,  wenn  man  sich  begnügt  ohne 
weitere  Erörterung    die    Worte   als  gleichbedeutend    zu   setzen, 
welche  einerlei  Anwendung  haben,   der  Schüler  nichts  weiter  als 
zu  dem  ihm  bekannten  todten  Zeichen  der  Sache  ein  zweites  eben 
so  beschaffenes  bekommt,    und   dass  die  Gelegenheit  das   schon 
gehabte  Zeichen  zu  einem  lebendigen  Begriffe  zu  machen  und  in 
dessen  Gegensatz    einen    neuen  lebendigen  Begriff  zuzuführen, 
die  Sache  aber  als  von  zwei  Seiten  bezeichnet  und  von  vielen  an- 
deren noch  bezeichenbar  begreifen  zu  lassen ,    verabsäumt  wird. 
Ferner  aber  ist  zu  sagen,  dass  alle  Schärfe  der  Begriffe,  die  we- 
nigstens für  die  Wissenschaft  der  Kede  werth  ist,  und  welche 
ein  Lexikograph  für  Beide  der  verglichenen  Sprachen,    so  weit 
sie  dermalen   überhaupt  gehabt  werden  kann,  nothwendig  haben 
und  möglichst  überall  geben  muss,  wenn  erder  Wissenschaft  ei- 
nen Dienst  leisten  will,  einzig  auf  dem  angedeuteten  Wege  erzielt 
werden  kann;  durch  diese  Schärfe  würde  dann  auch  alle  die  lei- 
dige   Synonymik  überflüssig  werden.     Oder  welche  Unterschei- 
dung ist  zwischen  zwei  Begriffen  ausser  der  noch  möglich,  welche 
daraus  hervorgeht,    dass  bestimmt  der  eine  dieser,    der  andere 
aber  jener  ist  'i 

Nun  giebt  der  Bef.  gern  zu,  dass,  wenn  in  einem  Wörter- 
buche jedem  Worte  derartige  Erörterungen  beigegeben  werden 
sollten,  dies  eine  unüberwindliche  Weitläufigkeit  erforderte. 
Aber  die  Sache  Hesse  sich  kürzer  machen  durch  eine  Einleitung, 
in  welcher  die  wahre  Bedeutung  jedes  Wurzelwortes  und  jeder 
sogenannten  Ableitungssilbe,  soweit  es  der  Standpunkt  der  wirk- 
lichen Philologie  erlaubt,  erklärt  würde;  dann  könnte  sich  das 
Wörterbuch  selbst  mit  Recht  auf  die  Anwendungen  der  Wörter 
beschränken ,  was  jetzt  mit  allem  Unrecht  geschieht,  wenigstens 
ist  das  Bessere  kaum  da  und  dort  in  dürftigen  Anfängen  zu  be- 
merken; das  Grafische  Buch  mag  darin  bis  jetzt  das  Beste 
leisten. 

Was  hilft  es  nun,  wenn  Hr.  Fr.,  wie  Rost,  Zeigefinger, 
Zweikampf,  Strom  von  Lava  übersetzt  durch  Xiy^avos,  ixovoixa- 
yiu<i  ^va%f  Ai%uv6s  und  Zeigefinger  haben  ausser  der  bezeich- 
neten Sache  gar  nichts  mit  einander  gemein,  von  dem  zweite« 
Beispiele  mag  mau  auch  sagen,  dass  die  Worte  wenigstens  den 


8  Griechische  Wo  r  terhü  ch  er. 

Kampf,  von  dem  dritten,  dass  sie  den  Strom  gemein  haben,  sonst 
sollte  man  glauben,  bedeutete  {iovo(ia'%la  viel  eher  Einkampf  als 
Zweikampf  und  gva^,  wenn  man  nicht  auf  feinere  Unterscheidun- 
gen eingehen  will,  vorläufig  nichts  anderes  als  Strom,  daher 
denn  auch  Aristitles  sagen  konnte:  ot  xov  aiparog  gvccxtg,  siehe 
Thom.  Mag.  s.  v.  Qovg.  Denen,  welche  für  die  Comptoirs  oder 
Toilettes  Dictionnaires  schreiben,  mag  solche  Methode  wohl  an- 
stehen und  überlassen  bleiben;  für  die  aber,  welche  für  die 
Schule  schreiben ,  geziemt  sich  Wissenschaftlichkeit. 

Den  angeregten  Forderungen  nun  hat  der  Verf.  eben  so  we- 
nig genügt  als  Rost,  und  so  eben  so  wenig  als  dieser  in  den  Be- 
griffen scharf  und  genau  sein  wollen.  Folgendes  diene  als  Beleg 
dieser  Behauptung. 

Gleich  auf  der  ersten  Seite  sieht  man  unter  dem  Artikel 
Aas  dies:  „1)  übersetzt  als  todter Körper  x£ff/3o£ia,  t«,  Tirana, 
arog,  tÖ,  Poet.  öaJfia,  xo  Hom.  2)  was  Thieren  zur  Nahrung 
dient  ßoQa,  ßg,  q&  Wie  kann  aber  Aas  gleicbgesetzt  werden 
mit  todter  Körper?  Dann  wenn  das  mit  Recht  geschähe,  wie 
kann  iiTeäfia  oder  Gä^ia  mit  todter  Körper  gleichgesetzt  werden? 
endlich  wenn  dann  auch  das  etwas  dunkle  Wort  x&vkßQua  wirk- 
lich todter  Körper  bedeutet,  warum  führte  der  Verf.  den  Plur. 
auf?  von  dem  man  weiss,  dass  er  so  schlechthin  zur  Bezeich- 
nung des  Marktes  solcher  Dinge  gebraucht  ist,  während  der  Sin- 
gular nicht  allein  aus  den  Worten  des  Pollux  6,  55.  zu  — 
ftvrjösiöia  TiQSCcxal  xereßgia  Ixükovvzu  erschliessen  ist,  sondern 
auch  durch  ausdrückliche  Anführung  aus  Aristophanes  feststeht, 
s.  die  Note  zu  Moer.  Lex.  Att.  Lips.  1831.  p.  259.  Unter  Ab 
liest  man  1)  als  Adverb,  und  zwar  a)  herab,  her,  z.  B.  auf  und 
abgehen,  mgiTiatttv  *);  die  ferneren  Glieder  der  Eiutheilung 
sind:  b)  hinweg,  c)  hinab,  d)  auf  oder  ab  d.  i.  bald  mehr  bald 
weniger;  2)  Praep.  insepar.  Die  hierin  liegenden  Ungenauigkei- 
ten  genauer  zu  entwickeln ,  würde  zu  weitläufig  sein  und  sie  lie- 
gen offen  zu  Tage.  Vielleicht  würde  es  dem  Verf.  nützlich  ge- 
wesen sein,  wenn  er  bedacht  hätte,  dass  ab  auch  als  sogenannte 
praepos.  separabilis  ,  wenn  gleich  in  ziemlich  vereinzelten  Zu- 
sammenstellungen, vorkommt.  Unter  b)  wird  ab  und  zu  durch 
öevqo  kccküös  übersetzt ;  sollte  ein  Schüler,  der  dies  Buch  ge- 
brauchte, die  Worte:  ich  lese  ab  und  zu  den  Xenopho?i ,  in  das 
Griechische  übersetzen ,  so  würde  er  vermuthlich  äevQO  xuxeiöE 


*)  Ref.  erinnert  eich  nicht  griechische  Verha  hei  dein  Verf.  an- 
ders als  im  Infinitiv  angeführt  gesehen  zu  hahen ,  so  oft  sie  allein  ste- 
hen, und  das  ist  sehr  gut,  die  Gleichförmigkeit  der  l.p.  pracs.  ind.  activ. 
der  Verha  kontr.  veranlassen  hei  den  Schülern  arge  Fehler,  Host  hat 
dies  nicht  immer  beobachtet,  6o  unter  ähnlich:  6[ioico ,  cccpofwico, 
fijo.uotw. 


Franz:  Deutsch-  griechisches  Wörterbuch.  9 

anwenden.  Abängstigen  Jemanden  wird  übersetzt  durch  ay%uv 
xivd  (nur  von  Sacken  z.  B.  xovxo  uTioörgscpsi,  xrjv  yheoööecv, 
*H(pQÜxxu  xb  Gzöficc,  ayxHV  övnnuv  noul,  Dem.).  —  ähnl. 
GTQttptiv  xivog  xr\v  ipv%rjv ,  Plat.  —  Auch  xa%i6xdvav  (poet. 
iöxdvai)  xivd  dg  ccTtogiav,  dg  cpoßov.  —  Oefter  in  reeiproker 
Bedeutung  sich  abängst.,  dycovidv,  auch  di.ee  (poßov  ttöelv  (wo- 
für poet.  iiokilv).  —  TiBQicpoßov  tivcti.  —  ctloAdöxtca  Ilippocr. 
—  sx&vijöxeiv  q>6ßco  (besonders  in  der  lebhafteren  Sprache).  — 
Poet.  d^.v66t6%av  (z.  B.  cpQi]v  dyivöGtxai  Aeschyl.).1'  So  sollte 
man  nun  glauben,  einen  grossen  Vorrath  von  Ausdrücken  für  ab- 
angstigen  zu  haben ,  und  beim  Lichte  besehen  passt  auch  nicht 
ein  einziger  vollständig,  ohne  dass  der  Verf.  ein  Wort  darüber 
sagt,  wie  weit  die  einzelnen  Worte  treffend  sind  oder  nicht. 
Wenn  nun,  wie  wahrscheinlich  ist,  die  ganze  griechische  Spra- 
che kein  Wort  hat  für  abängstigen,  warum  soll  das  nicht  gerade 
heraus  gesagt  und  dann  gezeigt  werden,  welche  Ausdrücke  und 
wie  weit  jeder  einzelne  dem  Deutschen  nahe  kommen'?  Man 
scheut  sich  ja  doch  nicht  zu  sagen ,  dass  unzählige  griechische 
Worte  nicht  genau  in  das  Deutsche  zu  übersetzen  sind ,  warum 
scheut  man  sich  das  eben  so  häufige  Gegentheil  ausdrücklich  an- 
zuerkennen'? Unter  Abarbeiten  heisst  es:  1)  durch  Arbeiten 
wegschaffen,  %vvrsw6fitvov  dcpcuQHV  xi.  —  dno^ox^svsiv  (be- 
sonders wenn  die  Arbeit  schwer  ist).  —  Das  Grobe,  die  Un- 
ebenheiten äittQydliGftal  xi.  —  Xtalvuv  xi  Plat.u  Als  der  bei 
weitem  passendste  Ausdruck  musste  unbedenklich  dmoy.  voran 
gestellt  werden.  In  demselben  Artikel  wird  unter  4)  gesagt: 
„durch  Arbeit  abmatten,  bes.  rec,  sich  abarb.,  TtoXXd  novi.lv 
(z.  B.  yv^ivaöxixij  Plat.).  —  dnoxdnvfiv  Tioiovvxd  xi.  —  auch 
izdvcp  s'ixuv  (wie  e'txuv  xdxyj).  —  Mehr  poet.  xazu7tov£t6&ai." 
Man  sieht  leicht,  dass  hier  wieder  die  rechte  Genauigkeit  sehr 
fehlt.  Unter  Abbekommen,  welcher  Artikel  bei  Rost  ganz  fehlt, 
findet  sich  nur  dies:  v.  tr.,  im  Übeln  Sinne,  etwas,  dnoXavuv, 
ti,  wie:  ich  werde  etwas  abbek.  duokavoo^ai,  xi,  Aristoph  " 
Die  einfachste  Anwendung  des  deutschen  Wortes  ist  ganz  über- 
gangen. Unter  Abberufen  steht  nur  {i£xoc7t£ß7ts6&ai  xiva  Dem. 
Bost  hat  ausserdem  mit  Recht  noch  dxoxccXelv.  Unter  Abrufen 
hat  Hr.  Fr.  dnoxaldv  und  (xEzaxakelv,  von  denen  man  wenig- 
stens das  erste  wohl  billigen  möchte,  wenn  nur  der  Unterschied 
von  xaldv  und  rufen  irgendwo  angedeutet  wäre  (unter  Rufen  ist 
das  auch  nicht  geschehen) ,  nun  trifft  man  aber  auch  noch  dvxi- 
naoakuv  ;  spräche  dies  Wort  nicht  allein  schon  deutlich  genug, 
so  wäre  wenigstens  die  Berufung  auf  Xen.  Cyrop.  2,  2,  24  genü- 
gend ,  um  darzuthun,  dass  es  einen  ganz  andern  Sinn  hat  als  ihm 
der  Verf.  unterlegt.  Abbild  wird  übersetzt:  „sixco?',  övog,  rj 
(jedes  sichtbare  Bild,  bes.  eines  Menschen).  —  tWalov ,  xo 
(das  Bild  von  einem  Ganzen,  bes.  vermittelst  der  Seele,  der 
Phantasie;  bei  Spät,  auch  von  körperlichen  Darstellungen),  Plat. 


10  Griechische   Wörterbücher. 

a.roTvrccjfitt  und  extvitapa,  to  (im  Gegensalz  von  einem  Urbild). 

—  nAßöua,  to  (in  Thon,  Gyps,  Wachs).  —  auch  rujrog,  6,  Plat. 

—  {iturjiia,  to  (letzteres  jedoch  mehr  poet.),  dnst'xaöpn  ,  to 
(als  Zeichnung),  Plat."  Hier  ist  beinahe  nichts  ohne  Anstoss, 
wenn  man  die  Sache  genau  nimmt,  doch  es  würde  zu  weit  fuh- 
ren, wenn  man  alles  erörtern  wollte.  Unter  Avhnlich  wird  ouoiög 
rivi  aufgeführt  und  dabei  erstens  bemerkt,  dass  opolog  „über- 
haupt die  älteste,  auch  dorische  Form  war.1,1,  Soll  man  nun  mit 
Rücksicht  auf  die  Grundsätze  der  Vorrede  annehmen,  dass  b\uoiog 
die  rechte  attische  Form  gewesen?  oder  wie  ist  dies  sonst  zu  ver- 
stehen ?  Die  Wahrheit  wird  wohl  sein,  dass  dem  jüngeren  Atti- 
cismus  ouotoc,  dem  älteren  aber  ö/xolog  angehört,  cf.  Etym.  M. 
s.  v.  ytkoloq  Bekk.  Anecd.  p.  678.  Arcad.  p.  45.  Theod.  Gaz.  3  p. 
389  seq.  ed.  Bas.  1545.  8.  (in  dieser  Ausgabe  wie  in  der  bei  Egid. 
Gourmont  in  Paris  1516  gedruckten  steht  t«  ujio  tcöv  dg  og  na- 

päycoycc  ug  oiog  7tSQi67icö^£va  für  TtQ07i£Qi(3Ttc6^va\  Gregor. 
Cor.  p.  23  flg.  und  die  Note  von  Koen.  p.  26.  ed.  Seh.  Ferner 
bemerkt  der  Verf.  über  ouotog,  es  drücke  die  Gleichlieit  innerer 
und  äusserer  Eigenschaften,  überhaupt  einen  hohen  Grad  von 
Uebereinstimmung  in  Wesen  und  Form  aus,  sage  weniger  als 
'iGog  und  stehe  deshalb,  mit  diesem  verbunden,  jedesmal  nach. 
Dies  könnte  etwa  aus  Steilen,  wie  Demosth.  Mid.  p.  551.  ov  [is- 
Tiött  räv  Xöav  ovde  zcov  o^iolcov  (ähnlich  ist  auch  Xen.  Mem. 
3,  10,  10.)  geschlossen  werden,  aber  wie  passen  dazu  solche  Ver- 
bindungen wie  Xen.  Griech.  Gesch.  7,  1,  45.  tv  rolg  %6oig  xa\ 
öuot'oig?  Ist  wirklich  toog  mehr  als  oftotog,  was  doch  wohl  sa- 
gen will,  %6.  enthält  alle  dasselbe  als  6[i.  und  noch  einiges  ausser- 
dem, so  sollte  man  hier  die  umgekehrte  Ordnung  erwarten.  Io- 
annes  Tzctz.  bemerkt  zu  lies.  eoy.  x.  tj^l.  325.  p.  82.  ed.  Heins, 
hei  den  Alten  seien  tö.  und  6fi.  gleich  gewesen  (bei  den  Lexikogr. 
wird  oft  t'ö.  durch  6a.  erklärt),  durch  die  Philosophen  aber,  na- 
mentlich durch  Pythagoras,  Archytas  und  Aristoteles  sei  i'ö.  auf 
das  ito6Öv  und  ö<u.  auf  das  noiöv  beschränkt  worden.  Die  häufi- 
gen Verbindungen  Idol  zov  dgt&iiöv ,  to  nXijdog  scheinen  dies 
zu  bestätigen  und  sind  eigentlich  dawider,  denn  wenn  in  t'ö.  das 
noööv  ausdrücklich  bezeichnet  wäre,  wozu  dienten  die  Zusätze 
wie  7thf]dog,  aoitruöv?  Durch  die  Ableitung  der  Worte  stellt 
sich  ein  ganz  anderes  Verhältnis«  dar,  nämlich  <\u.  geht  auf  die 
räumliche  Uebereinstimmung ,  itf.  auf  den  Eindruck,  welchen  das 
Gesicht  erfährt.  Weiterhin  wird  von  uxcog  gesagt,  es  gelte  „von 
der  Aehnlichkcit  in  einigen  Stücken ,  aber  blos  vom  Aeusseren, 
das  man  vergleichen  kann."  Im  Folgenden  aber  sagt  der  Verf., 
ähnlich  sein  dem  Geiste  nach  bedeute  „o^otoüö&at  rivi  (wie 
öegJ,  Plat),  auch  ioixivca  rivi  (z.  B.  cog  soixag  öeöio'rt  tovg 
noXkovg.  PIat.)u  Trotz  der  Berufung  auf  Plato  hat  doch  öfioi- 
oüGfrca   die   angegebene  Bedeutung   schlechterdings  nicht,    und 


Franz:   Deutsch-  griechisches  Wörterbuch.  11 

was  hier  über  loixtvai  gesagt  ist,  steht  mit  dem  Obigen  aber  tl- 
Hcig  im  Widerspruche.  Freilich  ohne  geäusserte  Vcrgleichbar- 
keit  kann  von  a'xafg  und  allen  zunächst  ähnlichen  Begriffen  keine 
Kede  sein.  Ebenfalls  für  ähnlich  wird  auch  dy.ökovxfog  angeführt 
und  zwar  mit  diesem  Zusätze:  „(in  Folgeningen,  wie  dxökovQa 
reo  eavvov  ßio)  Tsxurjgta  3rorp£^u^£iog ,  Aeschin)."  Ohne  dns 
Beispiel  möchte  schwerlich  verstanden  werden,  was  der  Verf. 
will,  nämlich  von  einem  Schüler,  deutlicher  ist  Host ,  der  frei- 
lich kein  Beispiel  für  ukol.  anführt,  sondern  dabei  bemerkt:  von 
Folgen ,  die  sich  aus  etwas  ergehen.  Dagegen  ist  hei  ddtkyog 
als  Uebersetzung  für  ähnlich,  zweckmässig,  bemerkt:  von  dersel- 
ben Art;  bei  Bost  ist  dies  mit  ofioiog  (eine  andere  Betonung 
kommt  da  nicht  vor)  und  jrapouo/og  ganz  gleichgestellt,  wo  denn 
ausserdem  in  Bücksicht  des  nagö^oioq  gegen  Poll.  9,130.  gefehlt 
ist,  welchen  Fehler  unser  Verf.  vermieden  hat,  dagegen  hat  er 
7tg6gofioiog  und  nagofiotog  gleichgestellt,  was  nun  wieder  Pollux 
deutlich  genug  nicht  gethan  iiat.  Unter  Mineinlkun  sagt  unser 
Verf.  nach  Anführung  von  ttoihv  fl'öo),  in  etwas  anderes  evridi- 
rnt,  sußäkkeiv,  x\  iig  xi.  „von  Flüssigkeiten  TTQogyiyvviwi,  iiti- 
(iiyyvvat,  tl  rm."  Damit  bekommt  ein  Schüler  offenbar  die  An- 
weisung, Worte,  wie:  den  Wein  in  den  Becher,  Krug,  Keller 
i Im:  11 ,  durch  itQogfiiyv.  oder  i%i\iiyv.  zu  übersetzen.  Der  nach 
dem  Standpunkte  des  Verf.  sonst  gut  bearbeitete  Artikel  ///  fällt 
auf  durch  die  Haupteintheilung  der  Bedeutungen,  sie  ist  diese: 
1)  die  Buhe  sm  Orte  angehend,  2)  die  Richtung,  Bewegung  an- 
gehend ,  3)  Zeitbestimmungen  betreffend.  Unter  Woher  werden 
die  Worte:  als  er  gefragt  wurde  woher  er  sei'?,  übersetzt  durch 
tgarcöfibvog  ro  nodaTiög  Hrj ;  Will  man  sich  auch  das  deutsche 
Präteritum  neben  dem  griech.  Präsens  gefallen  lassen,  so  ist  doch 
ganz  unerklärlich,  wie  der  Artikel  to  so  ganz  unberücksichtigt 
bleiben  konnte,  nämlich  Ref.  nimmt  an,  dass  hier  eine  bestimmte 
Stelle  eines  Griechen  behandelt  sei,  bei  Rost  ist  übrigens  ganz 
dasselbe  zu  lesen,  li'oltiiiwärts ,  was  bei  Rost  fehlt,  ist  nur  er- 
klärt durch  „7rot  (enclit.)"  Schwerlich  würde  der  Verf.  glauben, 
zur  Uebersetzung  von:  wohiuwärts  ist  er  gereist'?  noi  gebrauchen 
zu  können. 

Diese  Beispiele,  deren  ähnliche  wohl  ziemlich  jede  Seite  zu 
geben  vermag,  seien  hinlänglich  zur  Bestätigung  des  oben  Ge- 
sagten; zugleich  mögen  sie  wenigstens  andeuten,  wie  noch  man- 
chem Artikel  manche  Uebersetzung  zuzufügen  wäre.  Ist  nun  aber 
«Sie  Frage  nach  der  äusseren  Vollständigkeit,  so  ist  gar  keinem 
Zweifel  unterworfen,  dass  das  Bostsche  Buch  durch  das  unseres 
Verf:  hei  weitem  iibertroffen  wird.  Bei  ungefähr  gleicher  Ein- 
richtung des  Druckes  und  des  Formates  beider  Bücher  enthält 
das  Rost'sche  sammt  dem  Verzeichnis»  der  nom.  propr.  942  Sei- 
ten, das  unseres  Verf.  aber  2596  Kolumnen  =  1298  S.  Dieser 
bedeutende  Unterschied   entsteht  theils  daraus,  dass  unser  Verl', 


12  Griechische  Wörter büc her. 

viele  Artikel  hat,  die  bei  R.  ganz  fehlen,  einiges  der  Art  ist  oben 
gelegentlich  erwähnt,  hier  finde  noch  das  Ergcbniss  einer  Verglei- 
chung  des  Buchstaben  Ein  beiden  Büchern  Platz,  in  diesem  hat 
Rost  25  Artikel,  welche  Hrn.  F.  mangeln,  dagegen  hat  dieser  171 
Artikel,  welche  jenem  mangeln,  Ref.  hat  übrigens  nicht  etwa  ver- 
säumt, auf  Rost's  Verzeichniss  der  Eigennamen  Rücksicht  au  neh- 
men, doch  wäre  möglich,  dass  er  sich  um  eine  Kleinigkeit  ver- 
zählt hätte.  Unter  den  171  Artikeln  kommt  einer  vor,  welcher 
nur  eine  mit  einem  Stern  bezeichnete  Uebersetzung  hat ,  nämlich 
Jusmin,  übersetzt  durch  Id&fgij;  Ref.  weiss  von  diesem  Worte 
nichts  zu  sagen,  als  was  bei  Schneider  und  in  dem  Lex.  VII  vir.  zu 
lesen  ist,  beide  stellen  es  gleich  mit  luöpelaiov  (wodurch  unser 
Verf.  Jasminöl  übersetzt)  und  meinen,  dass  darunter  ein  wohlrie- 
chendes Oel  einer  Pflanze  verstanden  werde;  Schneider  sagt,  viel- 
leicht sei  es  Jasminöl,  die  VII  viri  sind  anderer  Meinung;  jeden- 
falls hätte  man  dem  Verf.  die  Auslassung  beider  Artikel  nicht  übel 
genommen.  Der  zweite  Grund  liegt  in  der  viel  grösseren  Ausführ- 
lichkeit sehr  vieler  Artikel  in  dem  Buche  des  Hrn.  F.  Hierfür  Bei- 
spiele anzuführen,  ist  ganz  überflüssig,  denn  solche  findeii  sich 
überall,  ausdrücklich  aber  muss  Ref.  darauf  aufmerksam  machen, 
dass  er  bei  Hrn.  F.  unter  sehr  vielen  Adjectiven  die  gehörige  Be- 
rücksichtigung der  zugehörigen  Adverbien  angetroffen  und  bei 
Rost  ganz  gewöhnlich  nicht  angetroffen  hat ,  z.  B.  die  Worte  kalt, 
karg,  kaltblütig,  knechtisch,  kühn,  göttlich,  gottesfürchtig,  gütig, 
gleichförmig,  gleichgültig,  gleichmüthig,  gutwillig. 

Das  Aeusserc  des  Buches  ist  nicht  glänzend ,  aber  hinlänglich 
gut.  Dass  so  viele  Verbesserungen  und  Zusätze  nöthig  waren  ,  ist 
zu  bedauern. 

2)  Das  zweite  der  ober,  angeführten  Wörterbuch  er  in  diesen 
Blättern  anzuzeigen,  nahm  sich  Ref.  gleich  bei  dem  Erscheinen 
des  ersten  Heftes  vor ,  der  3Iangel  einer  Vorrede  aber  und  das 
langsame  Fortschreiten  des  Buches  musste  die  Arbeit  natürlich 
aufschieben,  jetzt  aber  liegt  ein  nicht  geringer  Theil  des  ganzen 
Werkes  vor,  so  dass  es  wohl  an  der  Zeit  ist,  den  Lesern  dieser 
Blätter  ausführlichere  Kunde  davon  zu  geben. 

Nach  der  Vorrede  und  der  auf  den  Umschlägen  der  einzelnen 
Lieferungen  abgedruckten  und  von  der  Verlagshandlung  unter- 
zeichneten Nachricht  beabsichtigte  der  nunmehr  verstorbene  Rek- 
tor Dr. Pinzger ein  griechisches  Wörterbuch  auszuarbeiten ,  welches 
bei  möglichster  Kürze  und  Vollständigkeit  vorzüglich  die  Bedürf- 
nisse der  Schüler  berücksichtigte  und  nicht  zu  theuer  wäre ;  von 
den  Schriftstellern  sollte  nur  ein  bestimmter  Kreis  benutzt  werden, 
die  Kirchenschriftsteller,  die  Byzantiner  ,  sowie  die  nur  als  Glos- 
seme bei  den  Lexikographen  vorkommenden  Worte  sollten  gänzlich 
ausgeschlossen  sein.  Als  derselbe  aber  damit  bis  gegen  das  Ende 
des  A  gekommen  war,  wurde  er  an  der  Fortsetzung  gehindert, 
welche  dann  die  Herren  Jacobilz  und  Seilet  übernahmen,  deren 


Jacobitz  und  Seiler:  Handwörterbuch  der  griech.  Sprache.         13 

Arbeit  damit  begann.,  dass  Pinzger's  bis  zum  Worte  ätiivqg  fer- 
tiges Manuseript  hauptsächlich  in  den  Präpositionen  und  Partikeln 
mit  steter  Berücksichtigung  des  ursprünglichen  Planes  gebessert 
wurde.  Aber  eben  dieser  ursprüngliche  Plan  erwies  sich  notwen- 
digerweise als  von  ziemlich  bedingtem  Werthe ,  daher  denn  vom 
B  an  sowohl  der  Kreis  der  aufzunehmenden  Worte  sehr  erweitert 
als  auch  jedem  aufgenommenen  Worte,  sowie  jeder  Bedeutung 
eine  oder  einige  Belegstellen  beigesetzt  wurden  ;  die  sogenannten 
Eigennamen  aber,  welche  P.  ganz  auszuschliessen  beabsichtigte, 
konnten  nun  nicht  füglich  eingeschaltet  werden  und  wurden  auf  ei- 
nen Anhang  verwiesen.  Wörter,  welche  sich  überhaupt  nicht 
nachweisen  liessen  (die  Nachricht  auf. den  Umschlägen  setzt  noch 
zu:  oder  welche  sich  blos  in  den  Schriftstellern  der  spätesten  Zeit 
finden)  ,  wurden  möglichst  ganz  übergangen.  Solche  unbeglaubte 
Wörter  und  Wortbedeutungen  aber,  welche  ganz  auszulassen  nicht 
räthlich  schien,  sind  durch  dies  Zeichen:  |  (welches  sich  auch 
im  A  öfter  findet)  kenntlich  gemacht  worden.  Viele  in  den  gang- 
baren Wörterbüchern  fehlende,  aber  hinlänglich  beglaubte  Wörter 
sind  aufgenommen  ,  das  Syntaktische  unter  häufigen  Verweisungen 
auf  Grammatiken  angegeben,  von  den  Formen  aber  hat  nur  soviel 
Platz  gefunden,  als  unter  der  Voraussetzung  verständiger  Benuz- 
zung  einer  Grammatik  unerlässlich  schien  ;  endlich  sollte  die  Quan- 
tität der  Sylbcn  nicht  unberücksichtigt  bleiben.  Uebrigens  soll 
das  Buch  nicht  mehr  wie  bisher  in  Lieferungen  erscheinen ,  und 
zunächst  soll  der  zweite  Theil  des  ersten  Bandes  zusammen  am 
Ende  dieses  oder  am  Anfange  des  nächsten  Jahres  erscheinen. 
Dass  der  Name  des  Mannes,  der  zu  dem  Werke  den  Anlass  gab  und 
damit  den  Anfang  machte,  jetzt  nicht  mehr  wie  bei  den  einzelnen 
Lieferungen  auf  dem  Titel  erscheint,  entschuldigen  die  Verf.  da- 
mit, dass  sie  dessen  Manuscr.  umgearbeitet  haben  und  der  grös- 
sere Theil  des  jetzt  vorliegenden  Buches  ihre  Arbeit  sei.  In  diesem 
Punkte  würde  Ref.  von  der  Ansicht  der  ihm  sehr  achtbaren  Verf. 
abweichen ;  es  handelt  sich  ja  um  einen  Verstorbenen. 

Soweit  nun  die  Vorrede  und  die  Nachricht  der  Verlagshand- 
lung, deren  Angaben  sich  jedem  Unbefangenen  bei  näberer  Prü- 
fung als  im  Allgemeinen  richtig  und  einstimmig  mit  dem  Buche 
selbst  zeigen  werden;  wie  denn  überhaupt  Kef. gleich  hier  beken- 
nen muss,  dass  er  dies  Lexikon  für  überaus  brauchbar  und  empfeh- 
lensw  erlh  hält ,  desto  mehr  aber  ist  zu  bedauern ,  dass,  es  bisher 
wenigstens  so  langsam  erschienen  ist.  Aber  seine  Theiluabme  an 
dem  Werke  und  seine  Achtung  gegen  die  Verf.  meint  lief,  nicht 
besser  an  den  Tag  legen  zu  können,  als  dadurch,  dass  er  im  In- 
teresse der  Sache  auf  alle  Schwächen  des  Buches,  welche  er  ent- 
deckt hat,  aufmerksam  macht,  damit  sie  wo  möglich  für  die 
Folge  beseitigt  werden.  Dass  aber  ein  Buch  der  Art  immer  noch 
viele  Mängel  hat,  wird  wenigstens,  wer  sich  je  in  solcher  Arbeit 
versucht  oder  auch  nur  die  Leistungen  Anderer  mit  Sorgfalt  gc- 


14  Griechische   Wo  r  te  th  ü  cli  er. 

prüft  hat,  keineswegs  bewundern,  seihst  die  Benutzung  der 
neuen  Ausgabe  des  thesaurus  von  II.  Steph.  (welche  im  Folgen- 
den immer  nur  durch  thes.  bezeichnet  ist),  die  jedoch  tleu  Vefff. 
nicht  überall  verstattet  war,  konnte  dagegen  nicht  sicher  stellen. 

Um  den  Lesern  zuerst  eine  Probe  von  der  äusseren  Vollstän- 
digkeit des  Buches  zu  geben,  lässt  Ref.  hier  eine  Liebersicht  der 
Lemmaten  folgen,  welche  in  du  bei  Passow  in  der  4.  Aufl.  des 
Wörterbuchs  vorkommen  und  bei  unsern  Verff.  fehlen,  oder  um- 
gekehrt, oder  welche  in  anderer  Form  hier  als  dort  aufgenommen 
sind,  zugleich  wird  er  kurz  andeuten,  wie  das  betreffende  Wort 
im  thes.  behandelt  ist,  oder  ob  es  fehlt;  voran  wird  erstelle.», 
was  aus  dem  Passow'schen  Buche  (hier  P.),  dann  was  aus  thes., 
endlich  was  aus  dem  vorliegenden  (hier  J.)  anzuführen  ist,  wenn 
denn  auch  die  Reihe  öfter  mit  fehlt  zu  eröffnen  ist;  s.  a.  bedeu- 
tet ohne  Auctorität,  andere  Zeichen  werden  leicht  verständ- 
lieh sein. 

P.  öayxära  Gramm.;  thes.  8ay/.äva  Gramm.;  J.  fehlt.  — 
P.  däyfia  s.  a. ;  thes.  Ödy^ia  INieand. ;  J.  dayfia  JNicand.  —  P. 
ÖaÖoa  s.  a.;  thes.  öaÖöco  angegeben,  dass  das  Akt.  unbegründet 
ist;  J.  fehlt. —  P.  ÖaiöaksvztjQ  s.  a. ;  thes.  fehlt;  J.  fehlt.  - 
P.  dcuduXsvxijg  s.  a. ;  thes.  fehlt;  J.  fehlt.  —  P.  dcadzXocpa- 
vog  s.  a. ;  thes.  ebenso;  J.  fehlt.  —  P.  dui&uog  s.  a  ;  thes. 
ÖKid'uog  Inscript. ;  J.  fehlt.  —  P.  dai^iovt,axög  s.  a.;  thes.  ebens. 
mit  der  Bemerk.:  vox  nihili;  J.  fehlt.  —  P.  daL^iovicit,co  s.  a.; 
thes.  fehlt;  J.  fehlt.  —  P.  öaivva  Caliim.;  thes.  u.  J.  fehlt.  — 
P.  daifiovicXtjnzog  s.  a.;    thes.  8ai^ioviölr}Tizog  Justin. ;    J.  fehlt. 

—  P. '  öcuiiovoßXaßrjg  s.  a. ;  thes.  u.  J.  fehlt. —  P  fehlt;  thes. 
li.  J.  öa'iöcpQCOV  nach  Conj.  bei  Aesch.  Sept.  —  P.  dalöc^tog  —  ov 
s.  a  ;  thes.  öaiöt^ov  Lexikogr. ;  J.  fehlt.  —  P.  fehlt;  thes.  und 
J.  Aa'iQiog  Plut.  —  P.  fehlt;  thes.  öaixakäco,  das  Akt.  s.  a. ;  J. 
öauakdouca  Lycurg.   —   P.  ÖaizaltvzQia  s.  a.;  thes.  u.  J.  fehlt. 

—  P.  daizakccö  s.a.;  thes.  mit  der  Bern,  forma  nulla  est;  J. 
fehlt.  —  P.  dcuTQSLCi  s.a.;  thes.  örurgsta  Gramm.;  J.  fehlt.  — 
P.  fehlt;  thes.  u.  J.  dairvpovsvg  Noim.  —  P.  fehlt;  thes.  u.  J. 
dtxtag  Plut.  —  P.  däxvä^u)  eine  passive  Form  aus  Aesch.  Pers. 
angeführt;  thes.  ebenso;  J.  nur  dccitva£o(im  mit  derselben  Stelle. 

—  P.  öaxQvyzlaq  s.a.;  thes.  ÖanQvyklcog  s.  a.  (Scapul.  „<5a- 
xgvyeXag  fletü  misto  ridens.  Stat  u  was  mit  dem  Stat.  gemeint 
ist,  weis«  Ref.  nicht  zu  entscheiden);  J.  fehlt. —  P.  daxQW- 
%6g  s.  a.;  thes.  öaxQWzqv  Jos.  aut.  aber  die  Richtigkeit  ange- 
zweifelt; J.  fehlt.  —  *  P.  öuxQVOJioiög  s.  a. ;  ebenso  thes.  und  J. 
hier  aber  mit  f.  —  P.  ÖaKQvdözaxzog  s.  a.  ;  thes.  u.  J.  fehlt.  — 
P.  daxzvUztjg  s.  a.;  (lies.  u.  J.  fehlt.  —  P.  SaxzvXicöztjg  s.  a. ; 
ebenso  thes.;  J.  fehlt.  —  P.  8axzvlo8uxzd  s.  a. ;  thes.  mit 
„Gramm.";  J.  fehlt.  —  P.  öcntTvkoösUzqs  s*  a-5  thes.  mit  der 
Bemerk,  dass  es  kein  Wort  ist;  J.  fehlt.  —  P.  dccxzvkodei&a 
s.  a.;  thes.  mit  „Cvrill.  Comineiit.";  J.  fehlt.  —     P.  öaxtvXov 


Jacobitz  und  Seiler:   Handwörterbuch  der  griecli.  Sprache.       15 

j\onn.  ohne  genauere  Angabe ;  thes.  ddxrvlov  mit  der  Bemerk, 
dass  der  Sing,  nicht  vorkomme;  J.  fehlt,  aber  unter  ödxtv?.og  ist 
die  Pluralform  Ödxxvka  angemerkt.  —  P.  öaltgög  s.  a.  „Zw."; 
thes.  u.  J.  mit  Emped.  b.  Plut.  —  P.  ödXig  ==:  xäfag  8.  a.  „Zw."; 
thes.  Ödfog  Hesych.;  J.  fehlt.  —  P.  öcefiecteidiov  s.  a.;  thes.  mit 
„Gramm.";  J.  fehlt.  —  P.  öa^tcckonoöia  s.  a.;  thes.  u.  J.  Öa- 
ItallOTiödiov  Alex.  Trall.  —  P.  dauaötrjQ  s.  a.,  ebenso  öcc/jcc- 
triQ  und  daudrag',  fehlen  bei  thes.  u.  J.  —  P,  „dajuoeo  11.  6, 
368",  wo  dafxöcoöLV  steht;  thes.  fehlt;  J.  öcc[i6cqöiv,  diese  Form 
wird  wohl  allein  nachweisbar  sein.  —  P.  öavsiaxog  s.  a.  „Zw."; 
thes.  Öccveiaxcg  Theophil.,  dccvtiaxcög  Synt.  fab. ;  J.  öavsiaxög 
„sp.  W.",  davstaxäjg  Aesop.  —  P.  da'jrrj/c,  diese  Form  s.  a., 
aber  zu  dcntxai  Lycöphr.  angef. ;  thes.  ddnxrjg  Ilesych.  und  be- 
sonders deentog,  tj,  6v.  plur.  fem.  belebt  durch  Lycophr.  u.  Eust.; 
J.  daitxal  mit  Angabe  der  Stelle  des  Lycoph.  —  P.  „ödnzgia 
fem.  zu  ÖDC7it?]gu',  thes.  „dßjrrptos,  o,  ^ ,  Lacerator,  Edax.  Ex 
Gregor.  Naz.  vol.  2.  p.  121.  "Akloig  d'  av  ^liXiav  xaxsduööecro 
Ödnzgux  vovßog.  ibid.  p.  172.  TJzög%ov  ylvxigolo  cpaytlv  öa- 
TCTQilav  eöad/jv,  vitiose,  ut  videtur,  pro  öaTizEtgav" ',  J.  „öa- 
itzgiog  ,  ov ,  verzehrend,  fressend,  vovöog  Anth."  lief,  hat 
nicht  Gelegenheit ,  die  in  thes.  angeführten  Stellen  des  Genaue- 
ren zu  untersuchen,  dass  aber  hier  irgend  Unrichtigkeiten  obwal- 
ten, ist  ziemlich  augenfällig.  —  P.  Öaßvnvxrodgi^  s.  a.;  thes. 
u.  J.  fehlt.  —  P.  Öaövöxiog  Gramm,  ebens.  thes.;  J.  fehlt. — 
P.  dccövxovog  s.  a.;  thes.  öaövzovog  Gramm.;  J.  fehlt.  — -  P. 
6a6vTQi%og  s.  a. ;  thes.  daövxg.  Achin.  Onirocr. ;  J.  fehlt.  —  P. 
danjg  s.  a. ;  thes.  u.  J.  fehlt.  —  P.  ddzi/Gig  §.  ä  ;  thes.  öetzt]- 
6ig  Gramm.;  J.  fehlt.  —  P.  u.  thes.  Öatpvixog  s.  a.  (Schneider 
führt  unrichtig  Poll.  4,  53.  anj;  J.  fehlt.  Endlich  sind  bei  J.  die 
Formen  öatpvoyogza  und  öucpvotpogog  unrichtige  genannt,  was 
bei  P.  nicht  und  bei  thes.  nur  in  Absicht  der  ersten  unter  da<pv)t- 
(pogito  geschehen  ist. 

Diese  Zusammenstellung  zeigt  allerdings,  nie  die  Verf.  kei- 
neswegs blindlings  hingenommen  haben,  was  ^on  Andern  gebo- 
ten wurde;  aber  so  dankenswerth  das  Bestreben  war,  unbegrün- 
dete Worte  oder  Formen  entweder  zu  tilgen  oder  neben  den  übri- 
gen heglaubten  auszuzeichnen,  so  zeigt  sich  doch  auch  schon  in 
den  angeführten  Beispielen,  nuinal  wenn  man  damit  die  Artikel 
vergleicht,  welche  P.  und  J.  gemeinschaftlich  haben,  einige  Un- 
sicherheit in  Absicht  der  Aufnahme  solcher  Worte,  die  entweder 
nur  durch  Nachrichten  der  Grammatiker  aufbewahrt  sind  oder 
der  späteren  Zeit  angehören.  So  hat  ÖaiuoTccüöyg  zur  Beglau- 
bigung nur:  ,..sy;.  //'."•,  für  Öoriitovoyögijxog  ist  nur  Eust.,  für 
daxTvA.oö6zu7]  nur  Poll.  angeführt.  Kurz  da  hier  Worte  aufge- 
nommen sind,  wie  ÖdfiaGig,  dccnvfjztg,  ddö^a,  öccövnvyog,  dvG- 
loyilv ,  dvGKudgavzog,  ösiköxryg,  detnaxcddrjg,  welche  theils  von 
Grammatikern  angeführt   werden,  theils  der  eignen  Sprache  die- 


16  G  ric  ch  !s  che  W  ort  erb  ü  eher. 

scr  Schriftsteller  angehören,  so  sieht  man  nicht,  warum  z.  B. 
öiötQahov  (bei  Schol.  II.  #851),  ÖEwsgoxlitog ,  öbvtsqo^v- 
yos  (bei  Theod.  Gaza  z.  B.  p.  274.  ed.  Basil.  1545.  8.  beide  im 
thes.  ohne  bestimmte  Nachweisung),  dsönoötrig  (b.  Apoll,  in  Bek. 
An.  p.  500,  20.  545,  10.  fehlt  im  thes.)  nicht  aufgenommen  sind, 
und  solche  Wörter  würde  Ref.  leicht  aus  d  allein  noch  einige  Du- 
tzend hier  aufführen,  wenn  anzunehmen  wäre,  dass  die  Verf. 
selbst  glaubten,  mit  der  rechten  Consequenz  verfahren  zu  sein, 
oder  wenn  es  überhaupt  schwer  wäre,  dergleichen  zu  sammeln. 
Von  etwas  anderer  Art  ist,  dass  eben  so  gut  als  öcüöcpQav  ver- 
dient hätte  öisgäro  oder  das  zugehörige  Präsens  aufgenommen 
zu  werden,  wiewohl  dies  auch  im  thes.  fehlt,  vergl.  darüber  Os. 
ad  I'hilem.  p.  261  sqq. 

Von  dQa%ni]'CoQ  b.  Nicand.  wird  gesagt,  dass  dies  ionisch  sei 
für  dQtx^naiog;  wie  oft  das  auch  schon  gesagt  ist,  so  wäre  es 
doch  eine  wenig  analoge  Bildung  und  viel  natürlicher  würde  man 
das  Wort  auf  Öoa%u£tog  zurückbringen,  was  denn  in  der  That 
auch  in  Bekk.  An.  p.  90,  21.  angeführt  wird  und  wenigstens  der 
Erwähnung  werth  gewesen  wäre,  wenn  auch  W.  Uindorf  im  thes. 
diese  Form  für  verdorben  aus  dgccxpiulog  ansieht,  ohne  freilich 
Gründe  seiner  Meinung  beizubringen.  Unter  düätl-  wird  nur  be- 
merkt, es  sei  eine  falsche  Form  für  ä'ööt^,  aber  wenigstens  hätte 
gesagt  werden  sollen  ,  dass  dies  bei  Poll.  4  168.  vorkommt,  wo 
nämlich  die  Herausgeber  darthun ,  dass  die  Verurtheilung  der 
Form  nicht  so  gar  leicht  ist.  Unter  dvösgcog  ist  der  nach  dem 
Grammat.  bei  Bekk.  An.  p.  1197.  m.  attische  Genitiv  övösgco  nicht 
erwähnt.  Unter  öiAqpai;  hätten  die  streitenden  Ansichten  der  Al- 
ten über  das  Geschlecht  des  Wortes  (s.  Bekk.  An.  p.  88.  ext.  Et. 
M.  u.  Et.  Gud.  s.  v.)  wohl  erwähnt  werden  sollen ,  auch  vermisst 
Ref.  in  Betracht  dieses  und  der  nächst  zugehörigen  Worte  Ötk- 
<pog,  da  nach  Et.  Gud.  p.  138.  dek(pol  die  jiovijqoC  genannt 
sein  sollen.  Wie  gering  diese  Notiz  auch  sein  mag,  verdiente  sie 
doch  zumal  bei  einem  so  dunkeln  Stamme  beachtet  zu  werden, 
wenn  sie  auch  im  thes.  eben  so  wenig  Platz  gefunden  hat  als  bei 
unsern  Verfassern. 

Nach  dem  Obigen  sind  die  sogenannten  Nom.  propr.  nicht 
aufgenommen ,  wohl  aber  trifft  man  hie  und  da  solche  Worte  an, 
welche  von  Nom.  propr.  abgeleitet  und  mehr  appellativer  Art  sind. 
Dass  hier  nicht  leicht  Konsequenz  zu  erlangen  war,  ist  leicht  ab- 
zusehen, und  sie  ist  denn  auch  in  der  That  nicht  erlangt,  da- 
gsioyev^g  ist  aufgenommen,  dazi(5n6g,  davatdcci,  davÄidg  feh- 
len. Gutheissen  kann  Ref.  auch  nicht ,  dass  nun  AI  =  zid  auf- 
genommen ist,  aber  sollte  es  aufgenommen  werden,  so  verdiente 
auch  erwähnt  zu  werden,  dass  nach  Chocrob.  b.  Bekk.  Anecd. 
Ind.  s.  v.  diese  Form  auch  Akkusat.  sein  soll. 

Dass  für  jedes  Wort  und  für  jede  Anwendung  eines  Wortes 
ein   Gewährsmann  angefühlt  ist,  verdient  die  grösstc  Anerken- 


Jacobitz  und  Seiler:   Handwörterbuch  der  griech.  Sprache.         17 

innig,  und  wie  sorgfältig  die  Verf.  darin  gewesen  sind,  ist  daraus 
abzunehmen,  dass  dem  Ref.  trotz  mannigfachem  Gebrauche  des 
Buches  abgesehen  von  besonders  aufgeführten  einzelnen  Formen 
eines  Wortes ,  bei  denen  auf  dies  Wort  verwiesen  wird  ,  nur  ein 
Wort  ohne  Auktor.  und  ohne  f  aufgefallen  ist,  nämlich  das  Ad- 
verb, daöscog,  thes.  führt  dafür  ausser  verschiedenen  Grammatik. 
Dion  Haue,  de  comp.  p.  84.  an.  Von  dem  A  ist  in  diesem  Be- 
trachte ganz  abzusehen,  da  kommen  viele  Worte  vor,  Avelche  we- 
der f  noch  eine  Auktorität  haben.  Aber  leider  bestehen  die  An- 
führungen der  Gewährsleute  gar  zu  häufig  nur  in  einem  Xen. 
oder  Dem.  oder  Plato  u.  s.  w. ,  was  auch  nicht  selten  da  der  Fall 
ist,  wo  eine  ausführlichere  Stelle  mit  dem  in  Rede  stehenden 
Worte  angeführt  ist.  Es  ist  überflüssig  zu  erörtern,  welche  Un- 
bequemlichkeit dies  für  den  Gebrauch  hat.  Sonst  hat  der  Ref.  in 
Betracht  der  Auktoritäten  noch  folgenden  eigenthümlichen  Fall 
hier  zu  erwähnen.  Unter  Öalrtg  wird  die  Uebersetzung  „Fackel" 
mit  |  bezeichnet,  darauf  die  Uebersetzung:  „Bolle  am  Knob- 
lauch" durch  Gal.  belegt.  Ref.  weiss  nun  über  dies  Wort  nur  so 
viel  als  in  thes.  gelehrt  wird,  und  da  findet  sich  Folgendes:  Fax 
magna  et  ardens :  xara^o?;örtxc5g  autem  pro  allii  capite  ponitur, 
diä  to  ex  nolkoov  uyXiftiov  avyxEipEvijV  TtaQa7cXrj<3iag  <5wÖ£- 
dsö&cci  xalg  la^naöi.  [Haec  Galen.  Lex.  Hipp.  p.  454.] ;  damit 
aber  ist  gerade  der  Gebrauch  von  deciug  als  lapnccg  wenigstens 
angedeutet. 

Die  Quantität  der  Sylben  ist  allerdings  berücksichtigt,  dass 
dies  aber  nicht  mit  genügender  Konsequenz  geschehen  ist,  mö- 
gen folgende  wenige  Beispiele  hinlänglich  beweisen.  In  dadivog, 
öexüxig  ist  das  i ,  in  diUvvui  und  deixvvco  das  v  nicht  bezeich- 
net. So  haben  folgende  Worte  die  hier  gegebenen  Bezeichnun- 
gen bekommen:  ÖExdxkJvog ,  dExccxoTvXog ,  dsxaxvfiLa,  dsxdfo- 
tqov,  ÖEKU7talai,  öthfeov,  öfiÄA/thov,  delcpaxLVTj,  öslcpaniov 
und  der  Art  Vieles.  Bei  dat^co  wird  über  das  cc  nichts  gesagt, 
dagegen  aber  bemerkt,  dass  das  i  lang  sei  und  dies  findet  sich 
auch  bei  P. ,  Gründe  dieser  Behauptung  aber  werden  in  keinem 
von  beiden  Büchern  gegeben,  auch  nicht  einmal  angedeutet;  dies 
wäre  jedoch  darum  sehr  nöthig  gewesen,  weil  die  dem  Ref.  einst- 
weilen sehr  zweifelhafte  Länge  dieses  v  wider  alle  Regel  wäre, 
man  vergf.  darüber  ausser  den  von  Spitzner  in  der  Prosodie  §  51. 
zu  Anfang  angeführten  Stellen  noch  Ilerod.  b.  Herrn,  de  emend. 
rat.  §  44.  ebendas.  fragm.  lexici  §  71.  (wo  statt  ßadl^ca  zu  lesen 
ist  ßaöi£co)  und  Schol.  II.  a,  317.  Von  dem  a  des  Wortes  dat£a> 
sagt  Spitzner  in  dem  Anhange  zur  Prosodie,  es  sei  gewöhnlieh 
kurz,  nur  II.  17,497.  sei  es  lang. 

Gleich  hier  mag  auch  von  Druckfehlern  und  andern  kleinen 
Unrichtigkeiten  die  Rede  sein ,  dergleichen  Ref.  hie  und  da,  aber 
verhältnissmässig  nicht  oft  angetroffen  hat.  "AyQ^vov  ist  fälsch- 
lich,  so  wie  eben  geschehen ,  betont,  das  Wort  ist  ein  Oxytonon, 

N.  Jahrb.  f.  Phil.u.  J>äd.  o<l.  Krii.Iiibl.  ßd.  XXVIII.  Ilfi  \.  2 


18  Griechische  Wörterbücher. 

so  ist  es  zu  sehen  b.  Poll.  Hesych.  u.  Et.  M.  und  dies  fordert  die 
Analogie  der  Worte  axalrjvög ,  cc{ievr]v6g,  tpakkrjvog  (s.  Edra. 
Barker  Epist.  Crit.  an  Arcad.  Lips.  1820.  S.  259.),  adrjvog  ein 
dem  Ref.  sehr  unverständliches  Wort  bei  Schol.  II.  ß,  87. ;  &vrj- 
vög  b.  Et.  M.  s.  v.  mag  wohl  verdorben  und  nach  Et.  Gud.  s.  v. 
dgrjvog  zu  korrigiren  sein,  jedoch  zu  entscheiden  wagt  Ref.  so 
wenig  über  dies  Wort  als  über  fisycdrjvög  bei  Or.  Theb.  an  Et. 
Gud.  p.  619,  39.;  auf  die  sogenannten  Gentilien  und  auf  Nom.  pr. 
in  qvog  beruft  sich  Ref.  vorsätzlich  nicht;  übrigens  vergl.  über 
diese  Analogie  des  Ref.  Anzeige  von  Papes  etymol.  Wörterb.  in 
diesen  Heften  im  Jahrgange  1837 ,  in  welcher  Anzeige  die  Verf. 
noch  manches  ihnen  Interessante  finden  dürften.  Buttmann  s  An- 
gaben über  die  Worte  in  rjvog  Grammat.  Tbl.  2.  p.  329.  sind  zum 
Theil  nicht  richtig.  In  dem  Lex.  VII  vir.,  b.  Scap.,  Schneid, 
Pass.,  Schmidt  und  Ramshorn  steht  auch  unrichtig  aygrjvov.  Der 
Dat.  im  Plur.  v.  dvrjg  ist  als  besonderer  Artikel  unrichtig  zum 
Proparoxytonon  gemacht.  Statt  „da  —  untrennbare  Vorsylbe" 
musste  es  heissen:  da  —  u.  s.  w.  In  de  kommt  vor:  „Seine  ad- 
versative Bedeutung  behält  die  Partikel.11'  In  dsfiag  ist  die  Pa- 
renthese: „nur  im  nom.,  häufiger  und  bei  Homer  nur  im  accus." 
ganz  unverständlich.  Statt  ösvögsodgenrog  ist  unrichtig  devdgso- 
Q-QBJtog  gedruckt.  Oefter  z.  B.  S.  598,  1.  700,  1.  trifft  man  die 
Abkürzung  Jerndm.^  welcher  eine  unrichtige  Formation  zum 
Grunde  liegt.  S.  829.  ist  arsQycpi  ein  Druckfehler,  wofür  in  ezs- 
gog  richtig  etBQrjcpi  steht;  ebenfalls  in  f'rfoog  ist  die  Rede  von 
dem  Gebrauche  dieses  Wortes  „in  Doppelsätzen,  6  ersgog  —  6 
i'ttQog,  der  Eine  —  der  Andre",  aber  der  Ausdruck  Doppelsätze 
ist  da  unstatthaft.  Andere  Fehler,  welche  sich  Ref.  angemerkt 
hatte,  findet  er  unter  den  Berichtigungen  verbessert  und  erwähnt 
sie  also  nicht. 

Indem  nun  Ref.  im  Begriffe  ist,  die  Erklärungen  der  aufge- 
nommenen Worte  einer  genaueren  Prüfung  zu  unterwerfen,  sieht 
er  sich  gleich  zuerst  leider  genöthigt  zu  bemerken,  dass  dieje- 
nige Unterscheidung  zwischen  dem  jedem  Worte  zugehörigen 
Begriffe  und  den  Dingen,  worauf  Wort  und  Begriff  angewandt 
sind,  die  er  schon  oft  öffentlich  zur  Sprache  gebracht  hat  und 
von  welcher  in  der  Anzeige  des  Buches  von  Franz  die  Rede  war, 
auch  von  Hrn.  J.  u.  S. ,  um  nicht  zu  sagen  gar  nicht,  doch  viel 
zu  wenig  berücksichtigt  ist.  Dass  dies  in  Betracht  genauer  Fest- 
stellung der  Begriffe  die  nachtheiligsten  Folgen  haben  musste,  ist 
nothwendig  und  im  Folgenden  werden  genug  Beispiele  der  Art 
vorkommen.  Dass  aber  die  Verf.  nicht  zu  solcher  Einsicht  und 
deren  Anwendung  gekommen  sind,  wundert  den  Ref.  desto  mehr, 
weil  sie  in  der  Vorr.  S.  VH.  bemerken:  „überhaupt  ist  nichts 
leichter  als  in  einem  Wörterbuche  eine  fehlende  Bedeutung  oder 
Konstruction  nachzuweisen,  was  jeder  Schulknabe,  wenn  er  nur 


Jacoliitz  und  Seiler:  Handwörterbuch  der  griech.  Sprache.       19 

irgend  einigen  Verstand  hat,  zu  thun  im  Stande  ist.u  Ref.  stimmt 
dieser  Ansicht  gern  bei,  aber  wie  nun,  wenn  ein  Wörterbuch  in 
Absicht  der  Erklärungen  der  Worte  nichts  weiter  leistet  als  eine 
Aufzählung  der  vielen  Bedeutungen ,  welche  eben ,  weil  sie  viele 
sind,  nicht  die  Bedeutung  und  so  natürlich  auch  nicht  die  einzig 
und  allein  wahre  Bedeutung  sind?     Aber  der  Hauptsache  nach 
leisten  die  Verf.  dies  zwar,  so  viel  man  von  einem  Buche  des 
Umfangs  erwarten  kann,  recht  sehr  put,  jedoch  weiter  etwas  in 
der  Regel  auch  nicht.     Ref.  meint  das  nämlich  so:    es  zeigt  sich 
etwa,  dass  das  Wort  ßagvg  jetzt  durch  schwer,  jetzt  durch  hef- 
tig,   dann  durch  tief,  dann  durch  schädlich,  übersetzt  werden 
kann ,  so  dass  welche  Sache  im  Griech.  durch  das  Beiwort  ßagvg 
bezeichnet  wird ,   unter  gleichen  Umständen  nach  deutschem  Ge- 
brauche schwer,  heftig  u.  s.  w.  heissen   würde.     Dies  ist   nun 
Grund  und  Veranlassung  zu  lehren,  ßagvg  bedeute  schwer,  hef- 
tig,  tief,   sehädlich  und  was  sonst  noch,    ob  aber  ßagvg    und 
schädlich  oder  tief  wirklich  einerlei  Gedanken  enthalten,  oder  ob 
do£a  und  Meinung,  Vorstellung,  dgaxav  und  Schlange,  däxrv- 
Xog  und  Finger,  yvvrj  und  Frau,  danach  wird  nicht  weiter  ge- 
fragt, und  wer  nicht  schon  weiss,  wie  solche  Begriffe  zu  einan- 
der stehen ,  erfährt  wenigstens  aus  dem  Wörterbuche  nichts  dar- 
über; und  doch  derartige  Schärfe  der  Begriffe  sollte  das  Lexikon 
vor  allen  Dingen  zu  geben  bestrebt  sein.     Logisch  geordnet  heis- 
sen dann  die  vielen  Bedeutungen ,  wenn  stetig  entweder  je  die 
weiteren  Begriffe   den  engeren  oder  diese  jenen  vorangehen  und 
was  unter  einander  ähnlich  ist,    möglichst  nicht  getrennt  wird, 
dabei  kommt  denn  bewusst  oder  unbewusst  die  Theorie  des  Ari- 
stoteles (in  der  Poet.)  von  den  Metaphern  zur  Anwendung;  ab- 
gesehen aber  davon ,  dass  diese  so  schon  um  recht  wenig  zu  sa- 
gen, ganz  äusserlich  und   darum  ungenügend  ist,  wird  nun  noch 
der  Fehler  begangen,    dass  die  Verhältnisse  der  zu  ordnenden 
Begriffe  nicht  nach  der  fremden  Sprache,  welche  erklärt  werden 
soll,    sondern   von  jedem  nach  seiner  Muttersprache  gemessen 
werden.     Nach   solcher  Weise  nun,  die   sich  zuletzt  auf  die  mit 
oder  ohne  Bewusstscin    gemachte  Annahme  gründet,     dass  die 
Worte  Zeichen  der   Dinge  ausser  uns  seien ,  meint  Ref. ,  haben 
auch  Hr.  J.  und   S.   gearbeitet.     Es  würde  viel  zu  weit  fuhren, 
wenn  Rec.  die  Fehlerhaftigkeit  dieses  Verfahrens  weiter  heraus- 
stellen wollte,  aber   wie  dadurch  überhaupt  der  Ungcnauigkeit 
Thür  und  Thor  geöffnet  wird,  so  entspringen  daraus  namentlich 
solche  Gleichstellungen,  deren  man  hier  und  freilich  auch  sonst 
genug  antrifft ,  wie:  ÖatdaXog  =  daidäXsog;  daiduki'mg  =  dai- 
ÖäkBog ;    daidakhva  =  daidäMm ;    öaidaXöco  =  uaiua/U« ;   so 
wird  von  ÖaL^ovida  gesagt,  es  sei  =  daiixoväa  und  von  Öaipo- 
vi^ouai,  es  sei  =  dat^oviäa.     Ganz  seltsam  nimmt  es  sich  aus-, 
dass  von  öadovgyea  gesagt  wird,  es  sei  =  doedoxonea,  da  doch 
das  gleich  folgende  daöovgyog  erklärt  wird  durch  „Kien  berei- 

9  * 


20  Griechische  Wörterbücher. 

tend,  Fackelmacher",    wogegen  dccdoxoTisa  erklärt  wird  durch 
„Kien  herausschneiden".     Dass  in  den  verschiedenen  Zusammen- 
setzungen mit  dag  dies  bald  durch  Fackel,  bald  durch  Kien  er- 
klärt wird ,    wiewohl   es  dadurch   überhaupt  nicht  erklärt  wird, 
gehört  eben  dahin.     Wie  kann  man  auch  bei  einiger  Genauigkeit 
sagen,   dass  öadovxeco   bedeute  „Fackeln  halten  und  damit  vor- 
leuchten, Pass.  mit  Fackeln  erleuchtet  werden.    2)  feiern  rec  fxv- 
ör^pta",  oder  von  dadovxla  „das  Vortragen  von  Fackeln,  Vor- 
leuchten, Erleuchten"  1     ausserdem  wird  hier  behauptet,  dass 
dadovxla  von  öadovxeco  komme,     also    soll   ÖEViEgoyayLiu  von 
ÖBVTsgoyaßSCO  kommen  und  beide  diese  werden  unrichtig  erklärt, 
jenes  durch:    die  zweite  Heirath,  dies  durch:  zum  zweiten  Mal 
heirathen;  in  Absicht  der  Ableitung  ist  nachher  richtig  ÖEvtEgo- 
Xoyla  von  devzigoloyog  abgeleitet,  unrichtig  aber  wird  öevteqo- 
Xöyog  erstens  mit  devrsQayavißTyg  gleichgestellt  und  dann  er- 
klärt durch  der  zweite  Schauspieler ,  es   kann  nichts  anderes  be- 
deuten,  als:  einer  der  irgend  als  zweiter  spricht,  ob  insofern 
als  vor  ihm  ein  andrer  spricht  oder  als  er  selbst  schon  gesprochen 
hat,  oder  als  er  irgend  zweites  spricht,  darüber  besagt  das  Wort 
nichts,  nun  kann  es  aber  sehr  wohl  auf  einen  zweiten  Schauspie- 
ler angewandt  sein ,  nur   das  ist  darum  noch  lange  nicht  die  Be- 
deutung des  Wortes.     Unrichtig  ist  dann  auch,  dass  dsvtSQoko- 
yia  die  Rolle  des  zweiten  Schauspielers  sei,  es  ist  vielmehr  die 
eigenthümliche   Beschaffenheit    des    dsvrsgokoyog    als    solches. 
Wiederum  unrichtig  wird  öevte goloyka  so  erklärt :    „Der  zweite 
Sprecher  sein  ,  die  zweite  Rolle  spielen  f ,  2)  wiederholen  LXX". 
Wie  vorher  dEVTEgayavtGvECO  erklärt  ist  durch  „ein  ÖEvtEgayco- 
viörrjg  sein",  so  war  hier  zu  sagen,  dEvtsgoloyEG)  bedeutet  ein 
öev tsgoAöyog   sein.     Uebrigens  mag  auch  dies  hier  bemerkt  sein, 
dass  in  thes.   und  in  andern  Wörterbüchern  für  die  hier  zweite 
Bedeutung  von  ÖEvtEgokoyEG)  eine  Stelle  aus  den  Makkabäern  an- 
geführt wird;  Ref.  hat  nun  allerdings  weder  selbst  Kenntniss  von 
der  Sprache  der  LXX  noch  Hülfsmittel  zum  Nachschlagen,  soll- 
ten aber  die  Verf.  die  Stelle  aus  den   Makkab.  im  Sinne  gehabt 
haben,  so  wäre  doch  zu  beachten,  dass  die  LXX  und  die  Makkab. 
sehr  verschieden  sind.     Nachdem  eben  öeöjioövv^  durch  unum- 
schränkte Herrschaft  erklärt  ist,  wird  ÖEöTiöövvog,  mit  welchem 
vorher  schon  ötöitööiog   gleichgestellt  ist ,    erklärt  durch   dem 
Hausherrn  gehörig,  königlich,  2)  Subst   o  dEöitöövvog  der  Sohn 

des  Herrn b)  tj  ÖEöJtoövvrj  die  Tochter  vom  Hause  Plut. 

Lyc.  28.  3,  der  Herr  selbst."  Von  ÖE&TEgög  wird  gesagt,  es  sei 
poet.  verlängert  für  öf^iog,  das  ist  so,  wie  wenn  man  sagte,  alter 
wäre  eine  sonst  gleichbedeutende  Verlängerung  für  alius;  von  öe- 
h,tog  selbst  werden  nun  diese  Bedeutungen  angegeben  ,  1)  rechts, 
2)  glückverkündend,  3)  geschickt,  gewandt;  endlich  am  Schlüsse 
des  Artikels  wird  gesagt ,  es  komme  von  der  Stammform  <JEK£l 
und  sei  sonach  mit  öexouccl  und  duxvvfu  verwandt.     Damit  hätte 


Jacobitz  und  Seiler:  Handwörterbuch  der  griech.  Sprache.      21 

der  Anfang  gemacht  und  darauf  gegründet  werden  sollen,  dass 
das  Wort  jemand  bezeichnet,  wiefern  ihm  die  in  JEKSl  gedachte 
Handlung  zukommt,  diese  ist  die  Einheit  des  Hinnehmens  und 
des  Darbietens,  dass  das  Wort  aber  auf  solche  Dinge  angewandt 
sei,  die  man  deutsch  rechts,  glückverkündend,  geschickt  nennt. 
Ref.  achtet  es  weder  für  nöthig,  das  Fehlerhafte,  was  in 
den  angeführten  Erklärungen  liegt,  weiter  zu  entwickeln,  denn 
es  liegt  bei  unbefangener  Betrachtung  klar  zu  Tage,  noch  auch 
mehr  solche  Beispiele  anzuführen,  denn  wie  in  der  Regel  in  je- 
dem Lexikon,  so  sind  sie  auch  in  diesem  überall  reichlich  anzu- 
treffen. Aber  fraglich  ist  wohl,  woher  man  die  von  den  Anwen- 
dungen des  Wortes  zu  sondernde  Bedeutung  desselben  nehmen 
soll'?  Vollständig  und  bis  in  das  Letzte  kann  das  Ref.  hier  nicht 
erörtern,  aber  so  viel  lässt  sich  wenigstens  antworten,  dass  Alles 
die  Etymologie  leisten  muss,  aber  nimmermehr  so,  dass  unter 
Etymologie  mit  vielfach  beliebter  Verwechselung  von  Mittel  und 
Zweck  Wortzersplitterung  oder  Wortableitung  verstanden  wird, 
und  dies  letzte  findet  man  auch  in  diesem  Lexikon,  da  doch  an- 
fangs wenigstens  einigermaassen  richtiger  gesagt  war,  srvfioko- 
yitt  sei  „die  Nachweisung  des  Ursprunges  und  der  Erklärung  ei- 
nes Wortes  in  Uebereinstimmung  mit  der  dadurch  bezeichneten 
Sache";  richtig  ist  diese  Erklärung  noch  lange  nicht,  aber  es 
ist  doch  wenigstens  dabei  an  den  Begriff  des  Wahren  gedacht  und 
passend  Cicero's  Uebersetzung  durch  veriloquium  angegeben. 
Kurz  hv^oköyog  ist,  wer  das  Wahre,  das  Seiende  spricht,  und 
wer  das  thut,  dem  kommt  insoweit  sxvfioloyia  zu.  Dass  dem 
so  ist,  kann  nicht  wohl  in  Zweifel  genommen  werden,  und  es 
wäre  der  Mühe  werth  gewesen,  genauer  anzugeben,  was  die  Al- 
ten von  dem  Worte  lehren  und  wie  sie  es  gebrauchen,  hier  je- 
doch ist  nur  Cic.  top.  8.  angeführt,  ferner  aber  vergleiche  man 
von  den  Römern  Cic.  Acad.  1,  8.  Quintil.  inst.  or.  1,  6,  28  sq.  und 
hauptsächlich  Varr.  de  1. 1.  5,  1.  in.  p.  12  sq.  Sp.,  dann  von  den 
Griechen  Dion.  Thr.  Gramm.  §  1.  dazu  die  Schol.  in  Bekk.  An.  p. 
740.  und  wieder  hierzu  die  Noten  p.  1163.  Etym.  M.  p.  388.  in. 
817.  in.  Anastas.  Mon.  tisqI  Ivv^ioloylas  an  dem  Et.  M.  p.  827.  in. 
Sylb.  Et.  Gud.  p.  216.  in.  Or.  Theb.  jzbql  IrvßoKoyLäv  p.  173.; 
auch  ist  der  Gebrauch  des  Wortes  bei  Schol.  II.  f,  63.  zu  beach- 
ten. Kurz  man  soll  also  das  Wahre  über  jedes  Wort  sagen,  dies 
mag  nun  allerdings  häufig  erkannt  werden,  indem  man  den  Ur- 
sprung oder  die  Theile  des  Wortes  nachweist,  was  schon  im  ge- 
nauesten Alterthume  empfunden  ist,  wie  man  aus  dem  1.  B.  Mo- 
ses an  vielen  Stellen  sehen  kann ,  so  auch  Hesiod.  theog.  z.  B. 
144  flg.  207  flg.  270  flg.  281  flg.,  auch  bei  Homer  kommt  der- 
gleichen vor ,  wenigstens  hat  der  Schol.  so  verstanden  II.  ca,  730., 
vergl.  auch  t,  91.;  darum  aber  ist  noch  lange  nicht  zu  sagen,  dass 
Etymologie  Wortableitung  sei.  Ein  zweites  eben  so  bedeuten- 
des Mittel,  das  Wahre  über  die  Worte  zu  sagen ,  besteht  natür- 


22  Griechische   Wörterbücher. 

lieh  darin,  dass  man  dieselben  in  ihrem  Gebrauche  möglichst 
überall  zwar,  aber  vornehmlich  doch  bei  den  Schriftstellern  beob- 
achtet, welche  sich  der  Genauigkeit  befleissigen  können  und 
wollen.  Nun  ist  zwar  Ref.  weit  entfernt,  die  andern  griechischen 
Schriftsteller  zu  missachten  oder  ihre  eigenthümlichen  Vorzüge 
zu  verkennen  oder  ihre  Vernachlässigung  zu  wünschen ,  aber  au- 
genfällig ist,  dass  in  diesem  Betrachte  die  Philosophen  einen 
sehr  grossen  Werth  haben ,  und  gerade  diese  Klasse  von  Schrift- 
stellern ist  wie  freilich  zu  mehrst  oder  auch  überall,  so  auch  in 
diesem  Lexikon  sehr  vernachlässigt  worden.  Um  gleich  hier  ei- 
nige Belege  dieser  Behauptung  zu  geben,  so  ist  unter  ccqstiJ  auch 
nicht  einmal  der  abgekürzte  Name  eines  Philosophen  zu  lesen, 
und  von  Theophrast's  Abhandlungen  über  die  Charaktere  sind 
hier  nur  angeführt  die  über  ecQSöxsia,  ßdtkvgia,  Öv6%kQUU  und 
ilgojvsla  (in  diesem  letzten  Artikel  findet  sich  keine  bestimmte 
Anführung  eines  Rhetor) ;  nicht  angeführt  sind  die  Abhandlun- 
gen über  dÖoktöyJa  (auch  Plutarch  ist  hier  nicht  angeführt), 
dygoixia,  äxaiyi«,  ärjÖicc,  dnovoia,  ßiö^ooxEpdi'a,  dvaiöy[VVTia, 
dvelsvdsQitti  dlat,ovt(,a,  av&ccdsia,  dvai6\t)i<5La,  dynöTLCc,  öbiöi- 
Öai^iovia  (Plutarch  wird  hier  nur  mit  „Plut.u  erwähnt) ,  dtikia. 
Hier  trifft  es  sich  nun  gerade,  dass  bei  weitem  die  mehrsten  die- 
ser Abhandlungen  in  dem  A  hätten  erwähnt  werden  müssen,  und 
was  in  dem  Buchstaben  geschehen  und  nicht  geschehen  ist,  ha- 
ben die  Herren  J.  u.  S.  nicht  eben  zu  verantworten ,  aber  bleibt 
man  bei  dem  zuletzt  erwähnten  Worte  und  den  nächst  zugehöri- 
gen stehen,  so  findet  man  unter  öuXia  selbst  nur  dies:  „Die 
Furchtsamkeit,  Feigheit  Thuc.  Ar.  u.  A.";  unter  Öukog  sind  aus- 
ser mehreren  Dichtern  ganz  allgemein  Thuc.  und  Hdt.  angeführt, 
doch  wird  hier  noch  zur  Bestimmung  des  Begriffes  durch  Anfüh- 
rung entgegengesetzter  Begriffe  etwas  gethan  (dergleichen  findet 
sich  auch  anderweitig,  z.  B.  unter  öi;,ao'ötos,  Öe^tör^g  und  öfter, 
aber  nicht  oft  genug),  nämlich  aus  Homer  wird  als  oppos.  «Aja- 
(iog  angeführt  und  söftkog  aus  Hes.  fr  (das  110.  bei  Göttl.  ist  ge- 
meint, derselbe  Gegensatz  findet  sich  in  den  %gv6.  bti.  21.  und 
bei  Theogn.  441.,  dieser  wird  nur  ganz  im  Allgem.  angeführt,  er 
gebraucht  aber  das  Wort  ötiXog  oft  und  hat  als  Gegensatz  auch 
ayaxtög  463  flg.  dpelrav  393.),  des  Aristot.  aber,  der  in  den 
Etil.  Nie.  2,  7,  3.  (vergl.  auch  de  virtut.  et  vit.)  eine  genaue  Er- 
klärungund  einen  ganz  andern  Gegensatz  giebt,  geschieht  keine  Er- 
wähnung ;  unter  dukaiveo  werden  allerdings  zwei  Stellen  desselben 
citirt,  näml.  Eth.  Nie.  2, 6.  ( 19.)  u.  5, 1 3.  (oder  5,9,17.),  aber  man  wird 
sich  leicht  überzeugen,  dass  sie  zur  Feststellung  des  Begriffes 
wenig  und  nichts  mehr  als  jede  andere  Stelle  leisten.  Unter  öl- 
xaiog  wird  Plato  allerdings  einige  Male  genannt,  auch  eine  Stelle 
genau  citirt,  aber  nicht  um  den  Begriff  festzustellen,  sondern 
um  gewisse  Konstructionen  des  Wortes  zu  belegen ,  des  Aristote- 
les wird  gar  nicht  gedacht,  ebenso  wenig  wird  über  den  Begriff 


Jacobitz  und  Seiler:  Handwörterbuch  der  griech.  Sprache.       23 

dticcuoövvj]  anderes  gegeben,  als:  „die  Gerechtigkeit,  Gesetz- 
mässigkeit, Rechtlichkeit  in  Gesinnung  und  That,  Theogn.  Plat. 
Isoer.  u.  A.  2)  die  Gleichheit,  Gleichförmigkeit  Gal.u  Um  nichts 
besser  steht  es  in  den  Artikeln  doxüv,  öo|«,  do|cr£(ö,  iTciöxctödui, 
tjiiöTijui].  Dass  unter  dem  ersten  gesagt  wird ,  öoxh  cpaiveö&at, 
werde  pleonastisch  zusammengestellt,  verbaut  die  wichtige  Un- 
terscheidung dieser  zwei  Begriffe,  unrichtig  wird  da  auch  ge- 
sagt, in  der  Gerichtssprache  bedeute  das  Wort  überwiesen  oder 
überführt  erscheinen,  wie  bei  Dem.  äv  ö'  dkä  xal  Öoxjj  rovgyov 
tlgyccödat  (unrichtig  für  dgytiödai),  wobei  es  denn  unnütz  oder 
schädlich  war,  sich  auf  Tayl.  zu  Dem.  p.  629,  17.  zu  berufen, 
denn  der  hat  die  Sache  augenscheinlich  nicht  verstanden.  Unter 
dol~cc  kommt  eine  Spur  von  näherem  Eingehen  auf  den  Begriff 
vor,  aber  mehr  wird  es  auch  nicht,  die  Worte  sind:  „Die  Vor- 
stellung, Meinung,  im  Gegensatz  des  Wirklichen  und  Wahren, 
daher  bei  Plato  und  den  Akademikern  sehr  oft  der  ejti6t7](i7]  oder 
der  aXrjfteicc  (1.  afafösta)  entgegengesetzt."  Unter  slöog  wird 
allerdings  des  Gebrauches,  welchen  die  Philosophen  von  dem 
Worte  machen,  Erwähnung  gethan,  mit  Angabe  der  Gegensätze 
vir]  und  yivog,  aber  die  Citate  sind  nur  „Arist."  und  „Plat." 
Vielleicht  ist  mancher  der  Ansicht,  dass  die  genauere  Angabe  der 
Begriffe  und  namentlich  die  Mittheilungen  dessen,  was  darüber 
Männer,  wie  Plato  und  Aristoteles,  gesagt  haben,  von  einem 
Lexikographen  nicht  zu  fordern  -sei,  aber  Ref.  würde  es  unpas- 
send finden,  darauf  mehr  zu  sagen,  als  dass  er  anders  urtheile; 
sagte  man  aber,  dass  die  nöthige  Raumersparniss  solche  Erörte- 
rungen verbiete ,  so  bescheidet  sich  Ref.  im  Uebrigen  gern,  for- 
dert aber  wenigstens  genaue  Citate. 

Nächst  den  Philosophen  verdienten  dann  theils  gelegentliche 
Erklärungen  einzelner  Worte ,  die  bei  allerlei  Schriftstellern  ge- 
funden werden,  eine  Berücksichtigung,  wie  Strab.  8,  6.  t.  2.  p. 
187.  Tauchn.  über  apokopirte  Wörter,  Demosth.  Aristocr.  p.630. 
über  dnoiväv  und  cmoivu  (unter  dem  ersten  findet  man  bei  un- 
sern  Verf.  darüber  dies:  „Dem.'  ),  theils  die  Angaben  der  R be- 
tören und  Grammatiker.  Aber  so  sehr  auch  das  Buch  von  Ernesti 
für  die  Benutzung  der  ersteren  ein  gutes  Hülfsmittel  war,  kann 
man  sich  doch  leicht  überzeugen  ,  dass  in  dem  Betrachte  hier 
sehr  wenig  geschehen  ist;  man  vergl.  z.  B.  die  Worte  diäXvöig, 
diccnoQTjGis ,  8ia6vQ(i6g ,  svQvfitjfia',  unter  inaymyri  ^  der  Ge- 
brauch  der  Rhetoren  wohl  angegeben,  aber  ohne  genauere  Nach- 
weisung. Die  Grammatiker  aber  sind,  genau  genommen,  auch 
wenigstens  lange  nicht  genug  benutzt.  Die  Präpositionen  sind 
zwar  mit  vielem  Fleisse  bearbeitet,  aber  dennoch  wird  des  Theo- 
dorus  Gaza,  der  im  4.  Buche  v.  S.  649.  an  manches  ganz  Brauch- 
bare über  die  Worte  beibringt,  mit  keiner  Silbe  gedacht.  Ucber 
dtd  wäre  Plat.  Theaet.  §  102.  (diese  Stelle  ist  auch  im  thes.  an- 
geführt, sonst  aber  giebt  es  da  auch  in  der  oben  in  Rede  stehen- 


24  Griechische  Wörterbücher. 

den  Art  viel  zu  vermissen)  durchaus  anzuführen  gewesen:  es  wird 
da  zwischen  ogäv  und  dxovsiv  xivl  und  dtcc  nvog  unterschieden, 
und  weiter  hätte  durch  Vergleich  von  Phaed.  §  114.,  wo  dtä  mit 
dem  Accus,  zusammengestellt  wird  mit  dem  Dativ,  auch  über  die 
Construct.  des  Wortes  genauere  Auskunft  gewonnen  und  gegeben 
werden  können.  Eben  so  wenig  aber  als  diese  platonischen  Stel- 
len findet  man  den  Apollon.  angeführt,  welcher  in  Bekk.  An.  p. 595, 
9.  612,  29.  Beachtungswerthes  über  die  Präpos.  lehrt.  Was  über 
den  Sinn  von  diä  in  Kompositionen  gesagt  ist ,  genügt  auch  we- 
nig, die  Einheit  mangelt  und  auch  für  diese  Seite  des  Wortes 
war  Apoll.  1.  1.  p.  508.  ext.  von  Wichtigkeit.  "Evexa  wird  hier 
ohne  Umstände  eine  Präposition  genannt,  während  es  den  alten 
Grammat.  ein  6vvdi6^iog  war,  Theod.  Gaz.  p.  694.  Bekk.  An.  p. 
927,  3  flg. ,  aber  so  wenig  wird  darauf  Rücksicht  genommen  als 
auf  das,  was  über  dies  Wort  Apoll.  jtfQi  öuvdsöfx.-  p.  502  —  6.  u. 
jcsqI  £7tLQQf][i.  p.  604,  23.  lehrt  (in  der  letzten  Stelle  wird  sehr 
Interessantes  über  das  Verhältniss  zwischen  evexcc  und  evsxsv 
verhandelt) ;  eben  so  wenig  auch  ist  zur  Unterscheidung  von 
%vsku  und  diu  mit  dem  Accus,  benutzt  oder  angeführt,  was  dar- 
über bei  Plat.  Lys.  §  34  sq.  und  bei  Aristot.  Anal.  post.  2,  11.  p. 
255  sq.  Sylb.  zu  finden  ist. 

Behufs  weiterer  Begründung  seiner  bisherigen  Urtheile  wird 
Ref.  hier  noch  einige  Artikel  näher  beleuchten.  Unter  de  wird 
bemerkt,  dass  dies  Wort  zur  Bezeichnung  des  Nachsatzes  diene 
nach  ora  und  dergl.  nach  Relativen ,  Participien ,  ebenso  in  Ver- 
gleichungen  Soph.  El.  28.  Ferner  stehe  es  besonders  bei  den 
Attikern  nach  längeren  Zwischensätzen,  um  die  Rede  wieder  auf- 
zunehmen, wie  das  lat.  igitur,  unser  also.  Jeder  weiss,  dass 
dergleichen  schon  häufig  gesagt  und  geschrieben  ist  und  dass  man 
Schülern  gegenüber,  so  lange  diese  noch  wenig  geübt  sind ,  die 
fremde  Sprache  selbst  zu  fassen  und  sie  vielmehr  nur  als  eine  Ko- 
pie der  Muttersprache,  oder  auch  umgekehrt,  diese  als  die  Ko- 
pie oder  das  Abbild  jener  zu  denken  vermögen,  nicht  selten  zu 
so  schlechten  und  gänzlich  unwahren  Erklärungen  seine  Zuflucht 
nehmen  rnuss;  dennoch  sind  und  bleiben  sie  eben  schlecht  und 
ganz  unwahr  und  verdienten  wohl  aus  Büchern  wegzubleiben  ,  die 
einen  Anspruch  auf  Wissenschaftlichkeit  machen.  Niemals  leistet 
ös  etwas  anderes ,  als  dass  es  eine  Trennung  angiebt ,  hier  frei- 
lich wird  vielmehr  gesagt,  dass  es  an  unzähligen  Stellen  ,,blos 
zur  Verbindung"  diene,  das  aber  geschieht  nie,  eben  so  wenig, 
als  dass  das  Wort  je  die  Bedeutung  denn  hat,  worüber  man  hier 
seltsam  genug  folgendes  liest:  „Hiermit  (damit  dass  ds  die  Ver- 
bindung angebe  und  durch  und,  nun,  ferner  zu  übersetzen  sei) 
hängt  die  Bedeutung  denn  zusammen ,  wo  man  yäg  erwarten 
sollte,  mit  dem  es  aber  nie  gleichbedeutend  ist;  s.  Herrn,  z.  Vig. 
p.  843.a  Statt  der  Berufung  auf  Herrn,  hätte  seine  Lehre  gege- 
ben werden  sollen.     Nun  mag  immerhin  de  öfter  durch  und  oder 


Jacolritz  und  Seiler:  Handwörterbuch  der  griech.  Sprache.       25 

denn  übersetzt  werden,    oder  genauer,  da  und  oder  denn  ge- 
braucht werden,  wo  die  Griechen  de  haben,  übersetzt  nämlich 
wird  de  durch  die  Worte  ausdrücklich  nicht ,  so  folgt  doch  daraus 
nichts  weiter,  als  dass   zwei  Sätze  nach  deutscher  Weise  in  ein 
anderes  Verhältuiss  gestellt  werden,    als  sie  im  Griech.  haben, 
namentlich  dass  im  Deutschen  zuweilen  eine  Specialität  ausgesagt 
wird,  wo  man  im  Griech.  sich  mit  der  Allgemeinheit  begnügt; 
dies  aber  ist  weder  etwas  Neues,  noch  etwas  Seltenes,  für  den 
wenigstens,  welcher  sich  von  schülerhafter  Engherzigkeit  befreit 
hat.     Zusammenstellungen ,    wie  ettxe  pev  djio  ßco(.iov  6  Eärv- 
oog  elhxov  de  oi  vTt^gerai  Xen.  Hell.  2, 3, 55.  sind  nicht  erwähnt. 
Unter  den  Verbindungen,  welche  de  mit  andern  Partikeln  ein- 
geht, hätte  über  de  ye  mit  Rücksicht  auf  Apollon.  jrspl  övrd.  p. 
518.  in.,  welche  Stelle  in  thes.  doch  angeführt  ist,  besser  gespro- 
chen werden  können  und  müssen,  mitgetheilt  wird   darüber  dies: 
„de  ye,   auch  getrennt  de  —  ye,    aber  wenigstens,    aber  doch, 
Aesch.  Soph."  und  besser  als  die  Dichterstellen  in  thes.  hätte  als 
Beleg  gedient  Plat.  Eutlvyphr.  p.  7.  E.-    Von  dem,  was  die  Alten 
über  de  lehren,    ist  nichts  mitgetheilt  oder  citirt.     Das  älteste 
und  ganz  ausdrückliche  Zeugnis«  für  die  Uesponsion  von  y.ev  und 
öiwird  wohl  das  des  Aristot.  (Rhet.3,5.  zu  Auf.)  sein,  wenigstens 
spricht  sich  Plato  im  Protagoras  §  83.  u.  84.  nicht  so  unmittelbar 
darüber  aus.     Das  Bedeutendste  der  Lehre  des  Apoll,  über  de, 
worauf  er  sich  in  der  zuletzt  angeführten  Stelle  beruft,  hat  wahr- 
scheinlich in  dem  Buche    jiiqX  övvd.    in  der  Lücke  gestanden, 
welche  jetzt  p.  481,  1.  hinter  ygä[X[ia  ist.     Sonst  verdiente  noch 
Beachtung  ebend.  p.  506,   19  flg.     Dann  Dionys.  Thr.  §  25.  mit 
den  Scholiasten  p.  956  —  958.  Theod.  Gaza  p.  665.     Zu  beach- 
ten war  auch,  dass  das  Wort  enklitisch  sein  konnte.  Dies  scheint 
zwar  mit  der  Natur  desselben  ganz  und  gar  im  Widerspruche  zu 
stehen,  jedoch  ist  zunächst  nicht  zu  übersehen,  dass  de  nie  im 
Anfange  stehen  kann  ,  dann  aber  lehrt  ein  Grammatiker  b.  Bekk. 
An.  p.   1156.  ganz  ausdrücklich,   dass  de  der  Enklise  fähig  sei, 
und  Apollonius  selbst  ist  auch  dieser  Meinung  (ob  auch  derSchol. 
des  Dion.  Thr.  p.  834,  14.  vergl.  mit  p.  830,  22.  der  Ansicht  ist, 
lässt  sich  wohl  nicht  mit  Sicherheit  entscheiden),  denn  er  lehrt, 
Tiegl  ejziQQ.  p.  616.  flg.  über  ähccde,  o'ixade,  ayQude  nebst  ol- 
xovde,  ovlv^inövde,  diese  seien  zusammengesetzt  aus  dem  Accu- 
sativ  und  dem  övvdeö (io  g   de    und   bedeuten  xijv  elg  xonov 
6xeöt,v,  an  diese  schliesse  sich  auch  tode  an;   verschieden  aber 
von  dieser  Klasse  seien  Worte  wie  xoöogde  roiögde  nebst  ev&äde, 
sie  bezeichnen  nichts  weiter  als  die  zugehörigen  einfachen,  na- 
mentlich geben  sie  nicht  ein    örtliches  Verhältnis«  durch  das  ds 
an,  da  besonders  evftevde  ganz  ungeschickt  sei,  xiqv  elg  xöitov 
(j%e6iv  anzugeben.    Die  Endung  £s  in  apa£e  u.  ähnl.  ist  er  geneigt 
für  einerlei  zu  halten  mit  de ,  da  auch  sonst  £  und  d  vertauscht 


26  Griechische  Wörterbücher. 

werden;  das  vor  dieser  Endung  vorangehende  ä  ist  nach  dems. 
p.  608.  in.  kurz,  ausser  in  %u(iü£s  (in  dem  vorliegenden  Buche  ist 
in  sqcc& ,  von  welchem  Apoll,  ausdrücklich  sagt,  dass  es  ein  kur- 
zes d  habe,  die  Quantität  dieses  ä  gar  nicht  angegeben).  Hier- 
mit ist  zusammenzustellen  Et.  M.  p.  806.  s.  v.  %aput,B.  341.  s.  v. 
ev&äöe  (wo  der  gar  nicht  verwerfliche  Gedanke  geäussert  wird, 
sv&a  sei  entstanden  sx  ^isvad'sösas  zov  sv&sv ,  worüber  weiter 
zu  vergleichen  Apoll,  negl  skiqq.  p.  563,  30.  604,  16.  606,  22. 
607,  17 ;  unsre  Verf.  erwähnen  hiervon  nichts  weder  unter  sv&a, 
noch  unter  sv&sv)  und  p.  716.  s.  v.  xo  wird  gesagt,  dass  in  röd' 
ixccva  bei  Hom.  (II.  £  309.  a  172.)  dies  ös  gleichbedeutend  sei 
mit  sig.  Andere  Stellen  des  Et.  M.  und  Gud.  sind  minder  wich- 
tig. Stellt  man  nun  das  Obige  mit  Sorgfalt  zusammen,  so  wird 
es  kein  besonderes  Wagniss  mehr  sein  zu  behaupten  1)  in  allen 
jenen  Fällen  handelt  es  sich  um  ein  und  dasselbe  de,  2)  dies  Ös 
bedeutet  immer  und  überall  eine  Trennung  oder  Sonderung,  und 
dass  in  oixövös  das  Haus  als  Ziel  einer  Bewegung  gedacht  wird, 
ist  nicht  durch  die  Sylbe  ös  veranlasst,  eben  so  wenig  als  dieselbe 
Sylbe  in  zo6o£Ös  dergleichen  zu  bewirken  vermag,  sondern  durch 
den  Accus.  Unsre  Verf.  geben  nun  ganz  wie  thes.  weder  solche 
Untersuchung  noch  entweder  die  Ergebnisse  derselben  oder  den 
Stoff"  dafür,  sondern  führen  ös  als  eine  enklit.  Part,  besonders 
auf,  welche  1)  die  Richtung  oder  Bewegung  wohin  ausdrückt, 
„  also  eine  nachgestellte  praepos.  ist "  (es  ist  nicht  schön  derglei- 
chen Dinge  zu  schreiben  und  der  unerfahrenen  Jugend  als  Wahr- 
heit und  Weisheit  zu  geben);  2)  an  pron.  dem.,  odf,  rotösös 
u.  s.  w.  vorkommt  und  diese  dadurch  verstärkt. 

Die  Verf.  würden  sich  vielleicht  damit  entschuldigen,  dass  sie 
sagten :  solche  Untersuchungen  als  die  eben  angedeutete  bewe- 
gen sich  immer  mehr  oder  weniger  auf  dem  Felde  der  Vermu- 
thung  und  darum  müssen  sie  vom  Lexikon  ausgeschlossen  bleiben. 
Ref.  hätte  dies  zu  entgegnen:  ob  das,  was  die  Lexika  zu  geben 
pflegen,  einam  bessern  Felde  angehört,  bleibe  vorläufig  unerör- 
tert,  übrigens  mögen  die  fraglichen  Untersuchungen  immer  noch 
wegbleiben,  der  Stoff  dazu  aber  ist  durchaus  von  einem  guten 
Lexikon  zu  erwarten.  Es  wäre  nicht  uninteressant  zu  ermitteln, 
wie  sich  nun  de  zu  tat.  de  verhält,  dann  inwieweit  aber  (von  ab) 
den  Gedanken  von  Ös  enthält,  endlich  was  sich  theils  gegensätz- 
lich aus  dem  Vorigen,  theils  auf  anderen  Wegen  über  [tev  ergiebt, 
doch  das  würde  nun  wohl  für  jetzt  zu  weit  führen. 

Aehnliche  Ausstellungen  als  an  dem  Artikel  ös  sind  an  dem 
Artikel  ösl  zu  machen.  In  den  ausführlichen  Untersuchungen  des 
Apollon.  über  ösl  und  XQf]  de  adv.  p.  538 — 543.  und  zum  zwei- 
ten Male  de  Synt.  3,  15.  und  16.  kommen  so  bedeutende  Sachen 
vor,  dass  sie  wenigstens  augezeigt  zu  werden  verdient  hätten, 
aber  das  ist  nicht  geschehen  und  von  Plat.  Protag.  §  IL,  wo  eine 


Jacobitz  und  Seiler:   Handwörterbuch  der  griech.  Sprache.      27 

gute  Gelegenheit  gegeben  wird  den  Sinn  des  Wortes  genauer  ken- 
nen zu  lernen,  ist  auch  keine  Rede.     Es  heisst  dort  etwa  so:  ti 

iTaXQiJlilV    GS    SÖSl    —    Ttokkä     CCV    7lSQl£6Xtll>G)    tXt      E71LXQS71XSOV 

iYts  ov ,  und  bald  darauf  ist  mit  dem  uxs  sjilxqsjixbov  äusserlich 
gleichgestellt  ute  %qyj  litixQtTiEiv  —  elxs  firj.  Aus  dem  Zu- 
sammenhange der  Stelle  ergieht  sich  sogleich ,  dass  in  dem  e%l- 
xqetixeov  und  in  xqt}  ejilxq.  ein  mehr  zwingendes  gesagt  ist  als  in 
Ötl  S7ILXQ.,  und  in  Rücksicht  des  ettixqeuceov  wird  wohl  ausser 
Zweifel  sein,  dass  es  den  unmittelbar  in  der  Sache  selbst  liegen- 
den Zwang  angiebt  und,  soweit  das  bei  verschiedenen  Sprachen 
überhaupt  möglich  ist,  mit  ist  zu  thun,  oder  muss  gethan  trer- 
den  etwa  übereinkommt;  dem  gegenüber  stellt  sich  Öel  vielmehr 
als  ein  von  einem  Andern  ausgehender  und  soweit  äusserlicher 
Zwang  dar.  Wollte  man  aber  sagen,  dass  weil  %gij  etvixq.  nachher 
die  Stelle  von  etuxqetcxsov  einnimmt,  beide  Ausdrücke  als  gleich 
zu  setzen  seien ,  zumal  weil  auch  im  Krito  p.  47.  B.  ähnliches  vor- 
kommt, so  wäre  das  eben  so  unrichtig,  als  wenn  man  aus  Krito 
p.  46.  E  seq.  schliessen  wollte,  dass  öel  und  iQiq  die  im  Protag. 
so  sehr  getrennt  sind,  gleich  seien.  Ueberhaupt  wäre  es  sehr 
verkehrt,  wenn  man  Piatos  häufiges  Wechseln  mit  gewissen  Wor- 
ten für  äusserlich  dieselbe  Sache  so  missbrauchen  wollte  ,  dass 
man  daraus  auf  Einerleiheit  der  Bedeutung  jener  Worte  schlösse; 
von  Piatos  Standpunkte  aus  ist  vielmehr  zu  sagen,  dass  dieser 
Wechsel  denselben  Gedanken  in  verschiedenen  Formen  zeigen 
soll ;  und  wenn  nun  die  Athener  von  ihren  Gerichtssachen  eben 
sowohl  sagen  o,  xi  öel  nafttiv  rj  cuioxlöeti  Xen.  Mera.  2,  9,  5.  als 
o,  Tt  %Qiq  Tta&tiv  ij  anoxiöcu  Demosth.  Mid.  p.  523.,  so  liegt  darin 
nur  eineAufforderung  mehr,  den  Unterschied  der  Gedanken  zum 
Bewusstsein  zu  bringen,  und  dieser  ist  gar  nicht  verächtlich,  denn 
mag  nun  in  %Qt]  das  Bedürfen  oder  das  Schulden  oder  das  Nutzen 
haben  die  Hauptsache  sein,  so  wird  es  wohl  jeden  Falles  einen 
in  dem  Subjekte  gelegenen  Zwang  enthalten.  Ueber  die  Kon- 
struktionen von  du  ist  hier  theils  übersichtlicher  theils  vollstän- 
diger gehandelt  als  bei  Pass.  und  ,  trotz  allen  Beispielen  ,  als  in 
thes.  Die  Verbindung  aber  des  Inf.  und  Dat.  mit  diesem  Worte, 
welche  Pass  auf  Xen.  und  Plut.  beschränkt  und  welche  in  thes., 
wenn  nicht  Ref.  der  geringen  Ordnung  wegen  etwas  übersehen 
hat ,  gar  nicht  erwähnt  wird ,  wofür  aber  hier  ausser  einem  Xeno- 
phonteischen  auch  ein  Euripideisches  Beispiel  freilich  ohne  ge- 
naue Angabe  angeführt  ist,  kommtauch  bei  Demosth.  p.  10.  ext. 
vor,  die  .Worte  sind  'Okvvüiovq  kxTtokepQÖöcu  öel  Oikimta- 
Sollte  aber  du  einen  besondern  Artikel  haben ,  so  wäre  es  wohl 
angebracht  gewesen,  darin  über  die  Konstruktion  des  Partici- 
piums  und  über  die  Form  öblv  in  solchen  Fällen  wie  oUyov  dsiv 
idüxQVGa  zu  sprechen ,  jetzt  ist  das  in  besonderen  Artikeln  ge- 
schehen. 

In  öelö co  ist  nicht  angeführt,  dass  dies  Wort  sammt  seinen 


28  Griechische  Wörter  buche  r. 

Ableitungen  irgend  die  Spur  eines  Digamma  aufweiset,  was  seit 
lange  ohne  Widerspruch,  so  viel  dem  Ref.  bekannt  geworden, 
angenommen  und  darum  wichtig  ist,  damit  einstweilen  wenigstens 
dsida  und  dla ,  bei  dem  solche  Erscheinungen  wohl  noch  nicht 
wahrgenommen  sein  mögen ,  wie  nahe  sie  sich  auch  zu  stehen 
scheinen ,  auseinander  gehalten  werden.  Ob  nun  öeiöco  irgend 
mit  ovo  zu  thun  hat,  dla  aber  mit  öicc,  oder  ob  auch  diu  selbst 
schon  zu  dvo  gehört,  wie  Pott  meint,  darüber  kann  wenigstens 
Ref.  nichts  entscheiden.  In  dudeo  wird  nach  thes.  auf  den  Grund 
von  Thuc.  4,  117.  Plut.  Nie.  22.  24.  behauptet,  der  Unterschied, 
welchen  die  Grammatiker  für  deog  und  cpößog  angeben ,  gelte  für 
dieVerba  nicht.  Weiter  erfährt  man  darüber  nichts.  Unter  deog  wird 
dieser  Unterschied  mit  den  Worten  des  Araraon.  angegeben  und 
bemerkt,  er  finde  sich  häufig  nicht  bestätigt,  zugleich  wird  verwie- 
sen auf  Stallb.  Plat.  Prot.  p.  154.  und  Schaef.  ad  Dem.  p.  579,  6. 
(beide  sprechen  sowohl  von  den  Verben  als  von  den  Substanti- 
ven). Ref.  muss  hier  zunächst  tadeln,  dass  nur  nicht  gesagt- ist, 
in  welchem  Verhältnisse  die  Worte  stehen,  denn  so  lange  nur  der 
Unterschied  welchen  Amnion  aufstellt  geläugnet  wird ,  ist  noch 
weder  die  Einerleiheit  noch  ein  andrer  Unterschied  behauptet. 
Bei  Stallbaum  steht  die  Sache  eben  so,  Schäfer  aber  sagt,  Öedoixcc 
und  q)oßov{ica  seien  Synonymen,  damit  ist  aber  nichts  gesagt, 
wenigstens  nichts  von  Werth ,  denn  ist  gemeint,  dass  de doixa  und 
<poß.  Begriffe  aussagen,  die  einander  nahe  liegen,  so  ist  das  eine 
Lehre,  die  für  jeden  ordentlichen  Tertianer  zu  spät  kommt,  was 
aber  sonst  damit  gemeint  sein  kann  sieht  man  nicht,  überhaupt 
aber  wird  hier  wie  oft  das  Wort  synonym  wohl  sehr  gemissbraucht 
sein.  Indessen  mag  kein  Zweifel  sein,  dass  Stallb. ,  Schäfer  und 
unsre  Verf.,  welche  auch  (in  dexsö&ui)  sagen ,  bei  Demosth.  p. 
384.  seien  Xafitiv  und  öz%t;G&ui  ohne  weiteren  Unterschied  ver- 
bunden, und  in  etSQog  lehren  dass  dies  in  gewissen  Fällen  — ~  «A/log 
sei,  eigentlich  der  Meinung  seien,  beide  Begriffe  seien  wenig- 
stens zuweilen  gar  nicht  verschieden,  wofür  mit  grösserem  Scheine 
der  Wahrheit  als  alle  die  angegebenen  Stellen  Aristot.  Rhet. 
2,5.  hätte    angeführt  werden  können,    wo   z.   B.  zu  lesen  ist: 

llttl    ÖE    TIBqI     CpÖßoV    (pUVZQOV    TL    BÖtC,     XCU  JTEpt  TCOV  (jpoßf OGJ1', 

xal  dg  sxaötoc  8xovz£S  öf.diaöi  x.  x.  A.  Dem  Aristot.  kommt 
es  recht  auf  Schärfe  der  Begriffe  an,  aber  auch  so  scheint 
er  das  Eine  für  das  Andere  zu  geben.  Bei  alle  dem  ist  es 
eben  so  ungereimt,  die  Einerleiheit  •  zweier  solcher  Begriffe 
anzunehmen,  als  wenn  man  zwei  beliebige  Quadrate  wegen 
der  Übereinstimmung  ihrer  Form  oder  ein  Quadrat  und  ein 
Dreieck  welche  gleichen  räumlichen  Inhalt  hätten  für  gleich  aus- 
geben wollte.  Bei  Homer  gehen  beide  Begriffe  so  weit  auseinan- 
der, dass  an  eine  Verwechselung  gar  nicht  zu  denken  ist,  will  man 
dies  nicht  den  Schol.  zur  II.  ß,  767.  £,  223.fr,  107.  und  dem  Suid. 
s.  v.  cpößog  glauben,  so  wird  man  es  doch  dem  Aristarch  in  dem 


JacoLitz  und  Seiler:  Handwörterbuch  der  griccli.  Sprache.       29 

Lexik,  des  Apollon.  s.  v.  tpoßog  und  namentlich  dem  Plato  im 
Lach.  §  18.  p.  191.  nicht  abstreiten  können,  welcher  q>sߣ6&ca 
(dies  ist  doch  wohl  im  Wesentlichen  Einerlei  mit  beben)  und  opö- 
ßog ,  das  sich  zu  jenem  wie  koyog  zu  Asysiv,  növog  zu  nivBöd'cti 
verhält,  von  der  Flucht  versteht,  auch  ist  nicht  zu  übersehen, 
dass  wo  bei  Hom.  Aü\iog  und  $6ßog  erwähnt  werden  das  eben 
in  dieser  Ordnung  geschieht,  so  auch  bei  Hes.  dön.  195.  aber  um- 
gekehrt ib.  463.  Gelegentlich  sei  noch  bemerkt,  dass  Plato  in  der 
IL  •&,  108.  nicht  {irjöTtüos  sondern  ^iijötcogcc  gelesen  hat,  denn  auf 
II.  f,  272.  sind  seine  Worte  doch  wohl  nicht  anzuwenden,  übri- 
gers  ist  nach  dem  Schol.  zu  schliessen  auch  hier  eine  ähnliche 
Variante  gewesen,  nämlich  ^ötcoqi.  Mit  dem  Unterschiede 
welcher  sich  bei  Homer  zwischen  Ösog  und  opo'ßog  findet,  wäre 
die  Unterscheidung  des  Amnionitis  ganz  gut  in  Einklang  zu  brin- 
gen; wie  Prodikus  beide  unterschieden  hat  ist  leider  aus  Plat. 
Protag.  §  119.  p.  358.  D  nicht  zu  ersehen,  Plato  aber  erklärt  im 
Lach.  §  29.  p.  198.  ösog  als  ngogöoKia  iiskKovrog  kccxov.  Nun 
wird  zwar  de  legg.  1,  13.  p.  644.  nachdem  iXnig  erklärt  ist  ge- 
sagt ,  tpoßog  sei  iXnig  ngo  XvTtqg  und  als  Gegensatz  ganz  ähn- 
lich der  Stelle  im  Lach.  Qccggog  genannt  und  erklärt,  aber  auch 
so  ist  Ref.  weit  entfernt  zu  glauben,  dass  Plato  keinen  Unterschied 
zwischen  ösog  und  (poßog  gedacht  habe,  ohne  darum  seine  Zu- 
flucht zu  der  Bemerkung  zu  nehmen,  dass  gerade  die  Bücher  von 
den  Gesetzen  in  mancher  Rücksicht  den  andern  Platonischen 
Schriften  nachstehen. 

Die  Erklärungen  von  5e wog  werden  mit  der  Bemerkung  eröff- 
net, das  Wort  bedeute  „  Alles  was  das  gew  öhnliche  Maass  über- 
schreitet," in  welcher  Rücksicht  es  gerade  dies  bedeuten  soll  ist 
nicht  angegeben ,  so  sollte  man  meinen  eben  in  Rücksicht  des 
Maassüberschreitens ,  doch  dem  ist  gar  nicht  so ,  und  während 
jene  Bemerkung  vielleicht  die  Erklärungen  hätte  beschliessen 
dürfen,  durfte  sie  dieselben  schlechterdings  nicht  anfangen ;  in 
thes.  findet  man  gar  zwei  Artikel  de ivög,  von  denen  der  eine  mit 
den  Erklärungen  terribilis,  horribilis,  formidabilis ,  der  andere 
mit  der  Erklärung  acri  ingenio  praeditus  eröffnet  wird.  Eben  so 
wahr  als  einfach  sagt  Plato  im  Lach.  §  29  7/yov^iiQa  ö'  faltig  öct- 
va  —  tiveu  a  v.a\  ösog  jr«pi%£t,  und  von  da  aus  ist  das  Wort  in 
allen  Anwendungen  zu  verstehen.  In  dieser  Rücksicht  sind  bei 
unsern  Verf.n  richtiger  die  Worte  dsivöa ,  deivaöig ,  dsivozrjg 
erklärt ,  doch  damit  dass  das  letzte  dieser  Worte  übersetzt  wird 
durch  „das  Furchtbare,  Erschreckliche,  Ungeheure11,  kann  Ref. 
wieder  nicht  einverstanden  sein ,  öuvöv  ist  so  zu  übersetzen, 
aber  nicht  dtivörrjg. 

Damit  hat  denn  nun  Ref.  von  allen  Schwächen,  die  er  wie  in 
der  Regel  an  allen  Wörterbüchern  so  auch  an  diesem  entdeckt 
hat,  wenigstens  eine  Probe  gegeben  und  sie  sind  ihm  gerade  an 
diesem  Buche  desto  verdriesslicher  gewesen,    weil  die  Verf.  so 


30  Griechische  Wörterbücher. 

viele  Beweise  des  besten  Willens  und  des  redlichsten  Fleisses  ge- 
ben. Desshalb  kann  er  nun  auch  nicht  unterlassen  hier  noch  be- 
stimmte Vorschläge  zu  machen,  durch  deren  Befolgung,  wie  er 
glaubt,  jene  Fehler  theils  in  der  Folge  vermieden  theils  wieder 
gut  gemacht  werden ,  überhaupt  aber  das  Buch  diejenige  Stelle 
einnehmen  kann ,  die  ihm  die  Verf.  endlich  zugedacht  zu  haben 
scheinen;  Ref.  glaubt  nämlich,  dasssie  für  die  jetzige  Zeit  das 
leisten  wollen  was  einst  für  seine  Zeit  Schneider  durch  sein  Buch 
zu  leisten  gedachte.     Die  Vorschläge  sind  nun  folgende: 

1)  Ueberhaupt  jedes  griechische  Wort  müsste  aufgenommen 
werden,  wenn  man  sie  nur  irgendwo  schon  beisammen  hätte,  weil 
das  aber  nicht  der  Fall  ist,  so  werde  wenigstens  jedes  Wort  des 
thes.  aufgenommen ,  auch  in  dem  Falle,  dass  es  noch  nicht  aus 
einem  Griechen  nachgewiesen,  sondern  etwa  nur  durch  ältere 
Tradition  der  neueren  Wörterbücher  eine  Art  von  Berechtigung 
erlangt  hätte,  solche  Worte  aber  werden  nach  wie  vor  sammt  den 
noch  nicht  erwiesenen  Anwendungen  durch  das  schon  gebrauchte 
Zeichen  kenntlich  gemacht.  Wo  die  neue  Ausgabe  des  thes.  v. 
H.  St.  nicht  benutzt  werden  kann ,  da  werde  wenigstens  die  vor- 
letzte benutzt.  Die  Verf.  würden  sich  dadurch  gewiss  von  vielen 
Männern  denen  es  wie  dem  Ref.  nicht  möglich  ist  den  thes.  anzu- 
schaffen ,  den  grössten  Dank  erwerben.  Die  Besorgniss  dass  bei 
diesem  Verfahren  eine  grosse  Ungleichmässigkeit  in  das  Buch 
kommen  würde,  achtet  Ref.  gegen  den  Vortheil  desselben  sehr 
gering,  zumal  schon  jetzt  Ungleichmässigkeit  genug  in  dem  Buche 
ist ,  nämlich  durch  die  erwähnte  Inconscquenz  der  Aufnahme  der 
Worte  und  dadurch  dass  das  A  überhaupt  nach  andern  Regeln  ge- 
arbeitet ist;  aber  auch  darin  ist  eine  Ungleichmässigkeit,  dass  in 
den  späteren  Bogen  des  vorliegenden  Theiles  viel  häufiger  die 
Stellen  der  Schriftsteller  genau  citirt  sind  als  in  den  früheren, 
wenigstens  scheint  es  dem  Ref.  so.  Die  bis  jetzt  bereits  über- 
gangenen Worte  wären  in  einem  besondern  Nachtrage  zu  liefern. 

2)  Jedes  Wort  werde  wie  bisher  irgend  aus  einem  Griechen 
ausdrücklich  belegt  wo  das  möglich  ist ,  aber  alle  die  kahlen  Xen. 
Plat.  Plut.  Soph.,  und  wie  sie  weiter  heissen,  werden  möglichst 
verbannt.  Ref.  würde  es  für  viel  zweckmässiger  halten  nur  ge- 
nau anzugeben ,  wo  das  fragliche  Wort  in  der  und  der  Anwen- 
dung vorkommt,  als  die  Worte  des  Schriftstellers  abdrucken  zu 
lassen  und  zu  verschweigen  in  welchem  Buch,  Kap.  u.  s.  w.  sie 
stehen. 

3)  Stellen  in  denen  sich  Griechen  über  das  Verständniss  von 
Worten  und  Wortverbindungen  ausdrücklich  ausgesprochen  haben, 
oder  in  welchen  sie  wenigstens  über  etwas  der  Art  besonders  deut- 
lich werden ,  müssten  ganz  vornehmlich  und  sorgfältig  angeführt 
werden ;  also  Philosophen,  Rhetoren  und  Grammatiker  verdienen 
die  grösste  Rücksicht,  während  jetzt,  um  Bestimmtes  anzuführen, 
von  allen  Artikeln,    welche  Ammonius  unter  d  behandelt  und 


Jacohitz  und  Seiler:  Handwörterbuch  der  griech.  Sprache.      31 

welche  eben  diesem  Buchstaben  angehören,  Ref.  nur  die  erwähnte 
Erklärung  von  Öiog  angeführt  gefunden  hat. 

4)  Damit  die  oben  erwähnten  schwankenden  Erklärungen  und 
Begriffsbestimmungen  sammt  den  unrichtigen  Gleichstellungen 
möglichst  unschädlich  gemacht  und  für  die  Folge  viele  weitläuf- 
ige Erörterungen  erspart  werden,  wäre  sehr  wünschenswert!!, 
dass  in  besonderen  Anhängen  erstens  die  griechischen  Wort- 
stämme und  dann  zweitens  die  Ableitungssylben  ordentlich  ver- 
zeichnet und  nach  ihren  Bedeutungen ,  nicht  den  Anwendungen, 
möglichst  genau  erklärt  würden. 

5)  Wegen  der  Inconsequenz  in  den  Angaben  der  Quantität 
der  Sylben  sollte  in  einem  Anhange  eine  Uebersicht  der  proso- 
dischen  Regeln  gegeben  werden,  wodurch  in  unzähligen  Fällen 
die  Bezeichnung  der  Sylben  überflüssig  werden  würde. 

6)  Auch  über  den  schon  versprochenen  Anhang  der  Nom. 
propr.  muss  Ref.  noch  ein  Wort  zusetzen.  Natürlich  wäre  das 
Beste,  wenn  alle  in  griech.  Schriftstellern  vorkommenden  sogen. 
Nom.  pr.  aufgenommen  werden  könnten ,  doch  das  ist  so  gut  als 
unmöglich,  und  unter  den  Umständen  ist  Ref.  der  Meinung,  dass 
es  ganz  zweckmässig  wäre,  vorläufig  nur  acht  griechische  Namen 
zuzulassen.  Dabei  wäre  es  überflüssig  zu  sagen,  welcher  Mann 
oder  welche  Frau  oder  Stadt  oder  Fluss  diesen  Namen  gehabt 
hat,  es  genügte  anzudeuten  dass  dies  ein  Mannes- jenes  ein  Frauen- 
dasein Landes- jenes  ein  Fluss-Name  wäre,  wenn  nämlich  bei 
jedem  Namen  eine  schickliche  Stelle  genau  citirt  wäre.  Uebrigens 
wird  in  diesem  Betrachte  die  bisherige  Aufnahme  einiger  und 
doch  nicht  aller  von  N.  pr.  abgeleiteter  mehr  appellativer  Worte 
eine  besondere  Vorsicht  nöthig  machen. 

Endlich  hatte  der  Ref.  die  Absicht,  um  doch  Etwas  wenig- 
stens zur  Fortsetzung  des  ihm  lieb  gewordenen  Buches  beizu- 
steuern, aus  einem  grösseren  aristotelischen  Werke  ein  Verzeich- 
niss  der  Worte  zu  liefern,  welche  in  demselben  entweder  aus- 
drücklich erklärt  werden,  oder  in  ihrem  Zusammenhange  beson- 
ders deutlich  sind,  oder  endlich  deren  bestimmte  Nachweisung 
nach  seinem  Dafürhalten  schwieriger  sein  könnte;  indessen  hat 
die  gegenwärtige  Anzeige  bereits  wohl  einen  zu  grossen  Umfang 
erlangt,  und  so  genüge  als  eine  Probe  die  Aufzeichnung  von  Wör- 
tern der  angegebenen  Art  aus  dem  ersten  Buche  der  tonixä,  die 
Zahlen  bezeichnen  die  Seiten  und  Zeilen  der  Ausg.  v.  Svlb.  Nur 
dem  K  und  den  folgenden  Buchstaben  angehörige  Wörter  sind 
aufgenommen  weil  die  übrigen  wohl  alle  zu  spät  kommen 
möchten. 

Ksifitvog  270, 17.  jcatf]yoQiat  278,  7.  xaXug  dessen  Gegen- 
sätze 284,  6.  xarriyoQÜö&ui  negi  uvog,  xara  tivog  286,  18.  20. 
AafxßdvBiv  271,  16.  UvKog  284,  10.  26.  286,  6.  Xoinög  im  Ge- 
gensatze v.  ddrtQOQ  285,  12.  MkXctg  284,  10.  27.  (loräg  290, 
4.    NTjvs^iia  288,  14.    "Ogog  273,  7.  23.     oqIöccöZccl  273,  25. 


32  Griechische  Wörterbücher. 

oQixov  274,  3.  276,  5.     oöpätäui  282,  18.     dgvg  dessen  Begriff 

286,  8.  Gegensätze  283,  27.  6{ioivvKuog  284,  7.  und  öfter  auf 
den  folg.  Seiten  cf.  xccTtjy.  zu  Anf.  ovcg  286,  12.  6^oi6r>;s  u. 
opoiog  288,  9. 18.  IIsQi,yQdq)£iv  vjfiixvxXia  271,  19.  jrpdßA^- 
jio:  273,  2.  14.  280,  27.  öiaksxtLxöv  280,  1.  ijdixo'v,  cpvGixov, 
Xoyixov  283,  1.  jtpo'tao'tg  273,  1.  14.  dialexzixij  279,  2.  q&ixij, 
yvöixr],  Xoyixr]  283,  1.  überhaupt  die  Begriffe  ngößkrj^ia  und 
ngöraöig  p.  273  —  83.  xQotetvtiv  278,  28.  279,  8. 14.  282,  11. 
ÄpoßaAAav  279,  1.  %täQig  285,  17  cf.  303,  16.  u,  jrspi,  ig^irjv. 
c.  2  u.  3.  nA,eovcc%äg  285.  no6ct%äg  283,  18.  jroAAa^cög  288, 
2.  ÄorpaAoj/iöO'jj'vort  u.  naQuXoyiöa6%ai  288,  25,  26.  tcqoSio- 
Liokoystö&ca  289,  22.  2;taAoy<G>og  270,  16.  21.  27.  övfißcd- 
vuv  270,  18.  övußeßrjxog  275,  5.  övyxQiöig  275,  15.  6ota- 
gjo'g  284,  27.  natu  ötsQtjöiv  285,  11.  cf.  xaxr\y.  p.  48,  20  wo 
auch  über  vadog  u.  tvcpkög-  örjuavzixcög  285,  24.     övvcövv^iov 

287,  3.  13.  cf.  xaxr\y.  zu  Anf.  övußkrjxov  xaxd  rö  (iähkov  287, 
10.  öny^  290,  4.  Tautov  276,  16.  Täöh  üvai  275,  28. 
276,21.22.  tüytavo's,  — äg  285,  20.  <£caroju£vos  "•  q>cdve- 
6%ai  270,  28.  271,  8.  xara-  (pikoöotplav  ira  Gegensatze  von  <5ia- 
Xtxxixäg  283,  9.  «piAav  284,  23.  qpcao'g  284,  27.  cpvlaxxi- 
xög  285,  24.     XgcSficc  287,  22. 

3)  Das  dritte  der  obigen  Wörterbücher  enthält  weder  eine 
Vorrede  noch  sonst  eine  ausdrückliche  Angabe  des  Planes  oder 
Zweckes,  welchen  der  Verf.  vor  Augen  hatte.  Bedenkt  man  aber 
dass  hier  in  einem  massigen  Oktavbande  ein  Wörterbuch  der  ge- 
sammten  griechischen  Sprache  geboten  wird  ,  so  findet  man  leicht, 
dass  weder  die  möglichst  grösste  Vollständigkeit  entweder  in  Auf- 
nahme oder  Erklärung  der  Worte,  noch  Mittheilung  von  For- 
schungen oder  auch  nur  Belägen  beabsichtigt  sein  konnte,  dass 
mithin  das  Buch  nicht  für  gelehrte  Studien,  auch  nicht  für  solche 
bestimmt  ist,  welche  die  Sprache  erst  lernen  wollen,  sondern  dass 
es  zu  Nutz  und  Frommen  derer  geschrieben  ist,  welche  eben  so 
viel  von  der  Sprache  verstehen  und  verstehen  wollen,  dass  sie 
etwa  einen  Schriftsteller  lesen  können  wenn  sie  die  einzelnen 
Worte  zu  verdeutschen  wissen,  oder  solche,  welche  um  besonde- 
rer Umstände  willen  gelehrtere  Untersuchungen  gerade  nicht  an- 
stellen können  oder  mögen  und  sich  doch  hie  und  da  einer  Ver- 
deutschung bedürftig  erachten  beim  Lesen  eines  Schriftstellers. 
Ein  solches  Buch  braucht  auf  die  ganz  entlegenen  Schriften  und 
Worte  keine  Rücksicht  zu  nehmen,  muss  aber  die  bei  den  gang- 
baren Schriftstellern  vorkommenden  Worte,  mit  Ausnahme  sol- 
cher Zusammensetzungen,  die  aus  ihren  leicht  erkennbaren  Thei- 
len  hinlänglich  verständlich  sind,  mit  geschickter  Auswahl  der 
treffendsten  Erklärungen  geben.  Dass  das  vorliegende  Buch  dies 
im  Allgemeinen  leistet,  ist  nicht  zu  verkennen,  dass  aber  bei  ge- 
nauerer Prüfung  sich  Manches  als  minder  genügend  zeigt,  kann 
nicht  wohl  befremden ;  doch  davon  soll  nachher  die  Rede  sein. 


Ramshorn  :  Griechisch-deutsches  Handwörterbuch.  33 

Die  einzelnen  Seiten  des  Buches  halten  je  drei  Spalten. 
Nicht  mit  jedem  neuen  Artikel  wird  abgesetzt,  sondern  ihrer  viele, 
die  etwa  gleichen  Anfang  haben ,  werden  in  einen  Absatz  zusam- 
mengefasst,  besonders  wenn  sie  einem  Stamme  angehören,  die 
gleichen  Anfangsbuchstaben  sind  dann  nur  bei  dem  ersten  Worte 
des  Absatzes  vollständig  gegeben  und  werden  bei  den  folgenden 
durch  einen  Strich  vertreten.  Aehnliches  ist  in  der  ersten  Auf- 
lage des  Schneiderschen  Lexikons  und  in  dem  kleinen  griechisch- 
deutschen Handwörterbuche  von  Schmidt,  Leipz.  bei  Karl  Tauch- 
nitz,  1829.  12.,  zu  sehen.  Um  die  stammverwandten  Wörter  mög- 
lichst nicht  zu  trennen,  hat  der  Verf.  die  rein  alphabetische  Ordnung 
mitunter  verlassen,  der  kundigere  Leser  aber  kann  dadurch,  so 
lange  Consequenz  waltet,  nicht  irre  geleitet  werden,  wenn  auch 
z.  B.  xogtöxn,  xoglöxiov  nur  unter  xögy]  zu  finden  sind.  Die 
sogenannten  aneipites  sind  häufig,  aber  nicht  mit  durchgreifender 
Consequenz  ,  mit  den  üblichen  Zeichen  der  Länge  oder  Kürze 
versehen,  so  findet  man  :  ev&dlccfiog,  — %äka66og  ,  — fräAsm, 
— ftaXico,  — fraAifs,  —Q'cckTiijg,  — ftccvccöla,  — d-avaveco,  — %a- 
varog,  — &<xq6sicc,  — ftagöäco ,  — detgörfg.  Uebrigens  bilden 
diese  zusammen  einen  Absatz. 

Als  Probe  der  äusseren  Vollständigkeit  diene  die  Angabe, 
dass  zwischen  xondgiov  und  xo66i£o(icu  folgende  von  den  Worten 
nicht  vorkommen ,  welche  Passow  hat:  xongemog.  xong&vg.  xo- 
gccxevofiai.  xogüxxa.  xvgccvva.  xogdvßaklcodtg.  xogta  ion. 
fut.  xogt]  Sättigung,  xog&vlog.  xogivhöfti.  xogiöxa.  xogvömog. 
xogötlov.  xögöeov.  xogöiov  --xoggij,  xogörj.  xogvttlkog.  xo- 
gvcpog.  xoga.  xogavsxdßrj.  Kogcovog.  xöönq&sv.  xoö^Ofiavijg. 
xoGyboQavöulov.  xo6[iä.  xnööaßog.  Dagegen  sind  in  dem  vor- 
liegenden Buche  folgende  Worte,  welche  bei  Passow  fehlen:  Kö- 
givva.  Kogävr)  Stadt  in  Messenien.  Kogavalog  Einwohner  von 
Kogcovtia  in  Böotien.  Man  sieht  also  dass  die  Nom.  propr.  nicht 
schlechthin  ausgeschlossen  sind.  Wie  wichtig  oder  unwichtig  die 
Worte  sind,  welche  demnach  entweder  Hr.  R.  oder  Pass.  nicht  aufge- 
nommen hat,  mag  hier  ununtersucht  bleiben ;  aber  das  zuletzt  aufge- 
führte nomen  gentile  ist  nicht  frei  von  Anstoss.  Bei  Thuc.  kommt 
allerdings  Kogavcdoi  von  den  Einwohnern  der  böot.  Stadt  vor 
(z.  B.  4,  93.),  dagegen  hat  Pausan.  diese  Form  von  den  Einwohn, 
der  messen.  St.  Kogcövrj  (4,34,5.)  u.  Strab.  1,2.  p.  265.  Tauchn. 
sagt  die  Einwohner  der  böotischen  Stadt  Messen  Kogavstoi,  die 
der  messen.  Kogavslg ;  leider  kann  Ref.  die  Varianten  der  ange- 
führten Stellen  nicht  vergleichen.  Statt  xogivviovgyrjg  was  bei 
Schneid,  u.  Pass.  gefunden  wird  und  sich  auf  Athen,  p.  199.  E. 
205.  C.  stützt,  in  beiden  Stellen  steht  xogiv&iovgyüg,  findet  sich 
bei  unserm  Verf.  xogiv&tovgyög,  welche  Form  dem  Ref.  ganz  un- 
bekannt ist.  Die  drei  Artikel  xogda  bei  Passow  sind  in  einen  zu- 
sammengezogen durch  die  Bedeutungen:  das  Kehren ,  Rein- 
machen, die  Sättigung,  die  Jungfrauschaft;   ähnlich  Passows 

iV.  Jahrb.  f.  Phil.  u.  Paed.  od.  Krit.  Bibl.  lid.  XXVIII.  Hft.  i.        "3 


34  Griechische  Wörterbücher. 

zwei  Artikel  xogiov.     In  solchem  Buche  mag  man  das  nicht  ver- 
werfen ,  aber  dazu   passt  nicht  eben  dass  Passows  drei  Artikel 
Hugog  hier  in  zweien  behandelt  sind  ,  der   erste  mit  den   Erklä- 
rungen: Sättigung,   Ueberßuss,  Ekel,   Uebermuth ,  der  zweite 
mit  diesen  Erklärungen:   Sprössling  ,  Knabe,  Besen,  Maas  von 
41  Medimnen.     Die  Worte  xopi>,v/i^frpa,  xogv^ißrjkög ,   xogvu.- 
ßiccg  sind   untereinander    gleicbgesetzt  und   durch   „  Epheu   mit 
Fruchtbüscheln u  erklärt,  dies  ist  freilich  nach  Passows  Vorgange 
geschehen,  aber  dennoch  ganz  zu  verwerfen;  so  ist  auch  die  Er- 
klärung von  xoQV[iß>j(püQog  .,Fruchtbüschel  tragend'*  sehr  dürf- 
tig ,  nicht  darum  weil  Passow  auch  Traubenbüschel  und  Blüthen- 
i rauben  tragend  hat ,  sondern  weil  das  überhaupt  schiefe  Erklä- 
rungen sind.     Indessen  in  dieser  und  älinlicher  Art  unrichtige  Er- 
klärungen wie  tv^Xia.   glückliche  Nacheiferung ;  tvrjutgea)  an 
einem  Tage  glücklich  sein,  siegen,  Beifall  verdienen,  in  Gunst 
stehen;  glücklich  sein;  tvrjvs{uu  guter  ff  ind  ;  svözonccjfta  gu- 
ter Magen;      Tauglichkeit  für    den  Magen;    jtavxoA.iula  Muth 
alles  zu  unternehmen;  7iatgaya%ia  Grossthaten  der  l  01  fahren, 
findet  man  sehr  häufig  und  unbedenklich  sind  sie  in  einem   Buche 
wie  das  vorliegende  eher  zu  ertragen  als  in  den  grösseren;  ja  Ref. 
glaubt,  wenn  er  in  den  grösseren  Büchern  in  solchen  Fällen  gute 
Erklärungen  zu  finden  gewohnt  wäre,  so  würde  er  an  diesem  die 
schiefen  nicht  tadeln,  und  jetzt  mag  seine  Missbilligung  am  mehr- 
sten  aus  dem  Verdrusse  darüber  entspringen ,    dass   in  den   zahl- 
reichen Fällen   äbnlicher  Art,  wie  es  scheint,  nur  wenn  der  Zu- 
fall es  so  mit  sich   bringt,   Besseres   getroffen  wird.     Die  Form 
jtdrs,  xoü,  xa ,    xeog   kommen  so  zusammen  unmittelbar  hinter 
xoöog    vor  mit    der  Erklärung:   aeol.  und  ion.  für  71060g   nöte 
etc.  Weiterhin  haben  die  übrigen  alle  keinen  besondern  Artikel  be- 
kommen, aber  das  dritte  wird  noch  besonders  aufgeführt  und  dann 
richtiger  xp  geschrieben,  die  Erklärung  dabei  ist:  „ion.  für  jta." 
Unter  xögöiov  findet   man   dies:   „koqOlov    auch  xogöeov  und 
—  öcöoi',  to' ,   d.    Wurzel   der   Wasserpflanze  Lotos.  "     Dies  ist 
auf  guten  Glauben  aus  Schneider  aufgenommen ,  der  sammt  Pas- 
sow noch  xogöiniov  als   gleichbedeutend  aufführt.      Schneider 
führt  als  Gewährsmann  für  xögöiov  wie  schon  früher  geschehen 
den  Theophr.  an,  diesen  kann  Ref.  nicht  vergleichen ,  aber  nach 
dem  Lex.  VII  vir.  zu  schliessen  ist  dort  gesagt,  dass  so  die  Wurzel 
des  Lotos  genannt  sei.     Kogöiov  steht  bei  Diod.  1,  10.,  und  beide 
diese  Formen  bringen  einander  so  nahe,   dass  man  schon  glauben 
mag,  sie  seien  im  Wesentlichen  einerlei,  jedoch  nachweisen  wird 
sich   dies  wenigstens  aus  Diod.  wohl  nicht  lassen;  mit  der  Form 
xogötlov  aber  steht  es  sehr  schlimm.     Schneider  beruft  sich  da- 
für auf  Hesych.,  bei  dem  steht  aber  nicht  xogöuov,  sondern  xsg- 
öaiov.   Freilich  hat  dies  nach  den  Noten  die  Ausg.  von  Alb.  Wes- 
seling  zu  Diod.  in  xogöcclov ,   Salmasius  aber  in  xogöüov  ändern 
wollen,    gehört  denn  aber  darum  solche  Form  auch  schon  in  ein 


Ramehorn:   Griechisch-deutsches  Handwörterbuch.  35 

Lexikon?  Passow  hat  sie  klüglich  ausgelassen.  Doch  zu  rechter 
Beurtheilung  der  Sache  sehe  man  die.  Worte  des  Hesych.  selbst 
an,  sie  lauten  so:  KogöCrctov,  gi^a  ng,  rj  vö^iLö^a  nag' 
Alyvmioig  to  xsgöaiov  ktyöpevor.  Gesetzt  nun  die  obigen  Aen- 
derungen  wären  unerläßlich  ,  was  sie  nicht  sind,  was  sagte  dann 
Hes.  über  das  fragliche  Wort  aus*?  etwa  dass  es  überhaupt  gleich- 
bedeutend sei  mit  xogöijtiov  ?  nach  des  Ref.  Dafürhalten  auch  im 
mindesten  nicht,  sondern  dass  unter  xogölntov  eine  Wurzel  oder 
eine  Münze  verstanden  werde  und  zwar  die  Münze,  welche  stfp- 
Gaiov  genannt  wird.  Nach  dieser  einfachen  Weise  ist  Hes.  auch 
verstanden  in  dem  Lex.  VII  vir.  und  von  Matth.  Host,  in  der  histor. 
rei  numm.  vet.  in  der  Rechenbergschen  Samml.  S.  243,  und  bei 
Alberti  wird  mit  Recht  auf  den  Artikel  xigon  und  unter  diesem 
auf  xtdgavrrjg  verwiesen,  wo  freilich  nicht  allzuviel  Klarheit  wal- 
tet, nach  der  ed.  Hagen,  sind  die  Worte:  xsdgccvrig  (sie)  to 
%äv  i]  liiTTa  ovo  tö  %sgaaia.  Ref  ist  der  Meinung,  dass  hier 
von  derselben  Münze  in  dem  verdorbenen  ^tgOain  die  Rede  ist 
und  dass  in  rä  eine  Ziffer  steckt;  doch  das  sind  Vermuthungen. 
Wollte  man  aber  wirklich  gewaltsamer  Weise  xogöimov  in  sofern 
darunter  eine  Wurzel  verstanden  wird  mit  xsgömov  gleichsetzen, 
so  folgt  auch  so  noch  nicht,  dass  von  Lotos  die  Rede  ist,  wenig- 
stens sagt  Hesych.  davon  nichts  und  xogöirtiov  mit  xogöiov  ohne 
Weiteres  als  gleichbedeutend  zu  setzen  ist  gar  kein  Grund  vor- 
handen ;  freilich  Bod.  a  Stapel  zu  Theophr.  hat  bei  Hesych.  xop- 
6i7tiov  in  xugöiov  oder  xogönov  ändern  wollen.  Unsern  Verf. 
hätte  das  jeden  Falles  bedenklich  machen  sollen,  dass  Passow  die 
Urform  xogöilov  nicht  aufführt. 

Als  Probe  der  Erklärung  eines  vieldeutigen  Wortes  stehe 
hier  folgender  Artikel:  „Af^oj,  f.  Ut-a,  sammeln,  legen;  zu 
Bette  bringen.  Med.  sich  legen,  liegen;  bes.  Med.  auflesen;  zu- 
sammen-, herzählen,  herrechnen;  auslesen,  wählen;  gew.  sa- 
gen, sprechen,  erklären,  meinen,  urtheilen;  erzählen,  andeu- 
ten, nennen,  wohin  zählen  ,  oder  rechnen. " 

Druckfehler  hat  Ref.  nicht  gerade  viele  aber  zum  Theil  un- 
angenehme gefunden;  statt  xö&ngvog  ist  xoöogvog  gedruckt; 
tvdvvdr'jg,  —  th/'s,  —drjQt'a,  —dygiog,  — ftixog ,  -- ftog  haben 
sämmtlich  hinter  dem  v  ein  d  statt  x  ;  6xsgq>og  hat  keinen  Accent 
bekommen;  tvijcptvyjg  wird  erklärt  durch  sehr  weich ,  statt:  sehr 
reich.  „Ev&vva ,  oder  —  wq"  ist  theits  verdruckt,  nämlich 
— vvrj  für  — vvr),  theils  aber  wohl  vorsätzlich  so  eingerichtet. 
Dem  Ref.  ist  es  nicht  zweifelhaft  dass  tv&vva  zu  schreiben  gewe- 
sen wäre,  vgl.  Hesych.  Mocr.  Bachm.  Anecd.  1.  p.  240.  und  auch 
Phot.  s.  v.  Das  Wörterbuch  von  Jac.  u.  Seil,  hat  tv&w'a  und  be- 
ruft sich  auf  Schaef.  appar.  ad  Dem.  1.  p.22i).,  der  diesen  Accent 
auf  IJckk.  An.  1.  p.  187.  gründet;  dem  Ref.  ist  dies  wenigstens  dar- 
um bedenklich,  weil  Bekkcr  in  dem  Index  dieses  Glossem  in  der 
Form  sv&vvai  aufführt. 

3* 


36  Griechisch  e  L  i  t  e  ratur. 

Der  Druck  des  Buches  ist  natürlich  klein,  aber  doch  noch 
hinlänglich  lesbar. 

Stettin.  Schmidt 


Delectus  poesis  Graecorum  elegiacae,  iambicae, 
melicae.  Edidit  F.  G.  Schneidewln.  Sectio  I.  Poetae 
elegiaci.  Gottingae  1838.  Sectio  II.  Poetae  iambici 
et  melic i.     ibid.  1839.  XII  u.  472  S.  8. 

Der  Herausgeber  äussert  in  der  Vorrede,  dass  die  Arbeiten 
seiner  Vorgänger  entweder  veraltet  und  unzugänglich  geworden 
sind,  wie  die  Sammlungen  eines  M.  Neander  ,  H.  Stephanus,  F. 
Ursinus,  R.  Brunck,  oder  den  Bedürfnissen  des  gegenwärtigen 
Standpunktes  der  Philologie  nicht  entsprochen  haben ,  wie  Gais- 
fords  und  Giles'  poetae  minores,  Mehlhorns  lyrische  Anthologie. 
Nee  id  mirum.  Quippe  multorum  industriam  opus  erat  consumi 
in  colligendis  et  curatissime  pertraetandis  singulis  singulorum  poe- 
tarum  i'ragminibus,  anteqnam  ex  omni  silva  selecta  et  modica  su- 
pellectile  exornata  in  libcllnm  continuo  filo  deduetum  derivari 
possent  ab  uno.  Illud  nunc  factum  haud  exiguo  antiquarum  lite- 
rarum  emolumento  constat.  Neque  tarnen  illis  doctorum  studiis 
provisum  est ,  ut  reliquiarum  illarum  lectio  increbesceret  erudito- 
rumque  hominum  et  qui  hoc  agerent  claustris  perfractis  in  Acade- 
miarum  et  Gymnasiorum  auditorüs  frequentaretur.  Hieraus  geht 
hervor,  dass  die  vorliegende  Sammlung  hauptsächlich  für  akademi- 
sche Vorlesungen,  zugleich  aber  auch  für  obere  Classen  deutscher 
Gymnasien  bestimmt  ist.  Den  ersteren  Zweck  hat  Hr.  Schneide- 
win  unseres  Erachtens  mehr  als  irgend  einer  seiner  Vorgänger  er- 
reicht; der  andere  Zweck  dagegen  scheint  uns  verfehlt,  weil  zu 
viele  Bruchstücke  aufgenommen  sind,  welche  entweder  nur  vom 
literarhistorischen  Gesichtspunkte  aus  betrachtet  einen  entschie- 
denen Werth  haben  oder  in  der  Erklärung  und  in  ihrem  inneren 
Zusammenhange  zu  viele  Schwierigkeiten  darbieten ,  als  dass  man 
auf  allgemeinen  wissenschaftlichen  Bildungsanstalten,  derglei- 
chen unsre  Gymnasien  sind  (die  ja  keineswegs  Philologen  ex  pro- 
fesso  heranbilden,  sondern  lediglich  zu  den  gelehrten  Berufsstu- 
dien vorbereiten  sollen),  die  zu  wichtigeren  Unterrichtsgegenstän- 
den  bestimmte  Zeit  mit  zerrissenen  Fragmenten  hinbringen  sollte. 
Um  so  ausgemachter  ist  andererseits  der  Werth  gegenwärtiger 
Zusammenstellung  für  angehende  Philologen,  welche  die  Ge- 
schichte der  Griechischen  Poesie  nicht  blos  nach  fremden  Rela- 
tionen ,  sondern  so  viel  als  möglich  aus  den  Quellen  selbst  kennen 
lernen  wollen.  Zu  gleicher  Zeit  ist  sowol  für  die  praktische  Hand- 
habung kritischer  und  exegetischer  Disputatorien  in  philologischen 
Seminarien  als  auch  zu  schriftlichen  Ausarbeitungen  und  Mono- 
graphieen  ein  treffliches  Material  geliefert.      Zu  diesem  Behufe 


Schneidewin  :  Delecius  poesig  Graecorum.  37 

ist  es  auch  durchaus  zu  billigen,  dass  den  einzelnen  Dichtern  die 
betreffenden  Stellen  aus  Suidas  oder  andern  Grammatikern  vorge- 
setzt sind,  in  welcher  Hinsicht  hier  und  da  wohl  noch  etwas 
mehr  hätte  geschehen  können ,  wie  es  denn  auch  namentlich  bei 
Theognis,  Xenophanes,  Kritias,  Aeschrion  u.  a.  geschehen  ist. 

Unter  den  Elegikern  ist ,  wie  billig  Kallinos  an  die  Spitze 
gestellt  und  zwar  mit  dem  Zusätze  Olymp.  XVIII.  dem  jedoch  ein 
bescheidenes  Fragezeichen  beigefügt  wird.  Es  ist  hier  nicht  der 
Ort  die  verschiedenen  Ansichten  über  das  Zeitalter  des  ältesten 
Elegikers  der  Reihe  nach  durchzugehen ;  aber  der  Umstand,  dass 
selbst  A.  Boeckh,  um  anderer  nicht  weiter  zu  gedenken,  den 
Kallinos  früher  setzte,  hätte  den  Herausgeber  bewegen  sollen 
wenigstens  anzudeuten,  dass  der  Dichter  schon  um  den  Anfang 
der  Olympiaden  gelebt  haben  könne.  Zu  Vs.  16  sqq.  giebt  Hr. 
Sehn,  folgende  Anmerkung:  „  Poeta  sie  ratiocinatur,  ut  mortem 
quidem  nullo  pacto  vitari  posse  dicat,  pericula  posse  :  nam  ver- 
ba  Qävaxov  ye  (pvyslv  et  jroAAaxt  drpoxrjxu  cpvycov  sibi  respon- 
dent  — :  aut  igilur  mortem  oppeti ,  aitt  effugi.  Qui  autem 
salvi  atque  integri  in  patriam  recertantur ,  diversa  frui  condi- 
cione :  eum  non  carum  esse  suis  (si  qui  turpiter  se  periculis  sub- 
duxerit ;  sed  qui  fortiter  depugnaverit)  eum  vero  aut  lugeri ,  si 
quid  ipsi  aeeiderit,  aut  summo  affici  a  civibus  suis  honore. 
Quae  si  vere  disputata  sunt,  quaedam  exciderint  necesse  est:  non 
habet  enim  quo  referatur  6  pev  illud  vers.  15.  et  xov  de  vers. 
17. u  Demnach  wird  nach  Vers  16  eine  Lücke  angenommen, 
aber  in  den  Addendis  bemerkt:  ,,  Rectius  post  v.  17.  lacunam 
statues."  Keins  von  beiden  ist  nöthig,  wenn  man  den  Sinn  der 
Stelle  richtig  erklärt:  „doch  ein  solcher  (nämlich  wer  um  dem 
Tode  zu  entrinnen  ausreisst,  dann  aber  zu  Hause  stirbt)  steht  bei 
seinen  Mitbürgern  nicht  in  freundlichem  Andenken ;  jenen  aber 
(der  das  Gegentheil  des  ersteren  bezeichnet,  also  der  Tapfere, 
wie  er  von  Vers  5  an  geschildert  ist)  beklagen  alle,  wenn  er  im 
Kriege  fällt."  Dass  das  ganze  Gedicht  einen  gewissen  lyrischen 
Schwung  hat  kann  nicht  in  Abrede  gestellt  werden ;  darum  ist  es 
auch  der  lebendigeren  Darstellungsweise  zuzuschreiben,  wenn  die 
Beziehungen  des  6  plv  und  xov  de  nicht  so  grammatisch  genau 
ausgedrückt  sind,  wie  man  es  bei  einem  prosaischen  Schriftsteller 
oder  auch  einem  mehr  gnomischen  Dichter  zu  erwarten  gewohnt 
ist.  Ueber  den  Namen  unseres  Dichters  können  wir  jetzt  noch 
eine  Stelle  in  Cramers  Anecdotis  Graecis  I.  p.  228,  18.  anziehen: 
Ka  XI voq  (unstreitig  Schreibfehler  für  Kakkivog):  eöxiv  ds 
ovoua  'ErpeöLov  rtvög  ekeyeioygücpov  tu  yag  8tcc  tov  ivog 
diu  tov  i  naxgov  ygäcpetai,  7tki}V  xov  KaQXLVog.  cf.  p.  67, 
19.  170,  24.  188,  15.  Göttling  vom  Accent  der  griechischen 
Sprache  S.  200  f. 

Es  folgt  Tyrtäos  der  Aphidnäer ,  wie  er  hier  ebenfalls  ge- 
nannt wird,  ohne  dass  jedoch  der  Leser  erfährt  warum?  Denn  in 


38  Griechische  Literatur. 

der  angeführten  Relation  des  Suidas  wird  er  als  Adxeov  i}  MiXij- 
ötog  bezeichnet.     Nach  meinem   Vorgänge  sind   die  Fragmente 
aus  der  Eunomia  zuerst  aufgeführt.     Fragm.  1.  Vs.  2  wird  xrjvde 
jtoXlv  erklärt  terram  Laconicam.     Zunächst  aber  hat  der  Dich- 
ter an  die  Hauptstadt  des  lakonischen  Gebietes  gedacht,  welche 
eben  als  caput  gentis  das  ganze  Land  mit  einschliesst.    Fragm.  2. 
V.  3  u.  4  sind  eingeklammert,  weil  sie  Hr.  Sehn,  für  untergescho- 
ben hält :  „  Prioris  cnim  distichi  vis  mirifice  frangi  videtur  ignavis 
illis  versibus  assutis.     Et  cur  tandem   Apollo  cumulatis  appella- 
tionibns  vocatur    dyvgöxo£,og ,    uvat,    ixdegyog,    Xgvesoxößrjg'i 
cur,  quaeso,    additur  niovog  l£  dÖvxov^l    Recte  qnidem  Theo- 
gnis  222.  [immo  808.]  niovog  t£  ddvtov.     Quae  inania  sunt  orna- 
menta."'     Ich  kann   dieser  Ansicht  nicht   beistimmen.     Das  Ge- 
dicht ist  seinem  Inhalte  nach  politisch -didaktisch  und  verräth  in 
seiner  Form  eine  gewisse  epische  Breite,  womit  sich  jene  Häu- 
fung  althergebrachter  Epitheta    gar   wohl  verträgt ;  der  Grund, 
weshalb  7iiovoq  g|  ddvrov  zugefügt  ist,  lässt  sich  leicht  errathen: 
Apollon  spricht  durch  den  Mund  seiner  Priesterin,  welche  in  der 
angeführten  Stelle  des  Theognis  selbst  genannt  ist.      Noch  weni- 
ger können  wir  den  gegen  V.  9  — 12  ausgesprochenen  Verdacht 
billigen,  wofür  auch  keinerlei  Grund  beigebracht  ist.     Zu  V.  10 
findet  sich  die  Anmerkung:  „Diodorus  {irjdsxi  STtißovXsvEiv  rfjds 
noXti.      Placuit  hominibus  doctis  hariolari  xijda  nöXti  GxoXiov, 
ßXaßigöv,    öepccXsgöv,    xf]Ö£    jiokrjt  viov."       Die   erstgenannte 
Conjectur   stammt  von  mir ,  und   ich  glaube  bewiesen  zu  haben, 
dass  sie  etwas  mehr  als  eine  hariolatio  ist.     Eine  sehr  passende 
Parallelstelle  liefert  Aristophanes  Thesmoph.  335.  iX  xig  tmßov- 
jLsvec    ti   reo    öqfjicp    xaxov    reo    xeov  yvvaixeöv ,  mit  offenbarer 
Parodie  des  Tjrtaeos.     Demnach   hat  man   die  Wahl  zwischen 
[irjde  xl  ßovXzvav  und  /jujd'  £7i<ßovXsviiv.     V.  12  ist  djiscpr^vs 
statt   dvseprjvs   ein   blosser  Druckfehler  in  meiner  Ausgabe.  — 
Fragm.  5,  3  stimmen  wir  Hrn.  Sehn,  bei ,   dass   er  die  handschr. 
Lesart  rj^töu  Tidvxt'  oööcov  in  j^iutfu  itdvtf  öööov  verbessert  hat 
statt  der  Vul#.  ndv.  —  In  dem  ersten  Fragmente  der  'TxodrjxuL 
behält  Hr.    Sehn.  V.  1  die  gewöhnliche  Lesart  inl  itgoeid%oiC}(, 
bei.     Man  wird  aber  nicht  umhin  können  mit  J.  V.  Francke  und 
I.  Bekker  evi  herzustellen,  cf.  V.  21.  30.      Sehr  scharfsinnig  be- 
merkt aber  Hr.  Sehn.,  dass   die  Partikel  yäg  im  ersten  Vers  sich 
auf  V.   13.  14.  beziehe:    &vr]6xco^iev  x.  x.  X.     „Longius  disiun- 
ctum  est  ab  illis,  quoniam  poetae  menti  miserriraa   exsulurn  for- 
tuna  obversabatur,  quam  adumbraret  vividissime.     Versus  3  —  13 
quasi  parenthesis  loco  habendi.      Hinc  explicatur  quod  iL   ö'  ov 
neog  sqq.  dixit  poeta  versu  11. u     So  nämlich  wird  die  handschr. 
Lesart  tiO"'  ovxcog  emendirt,  welcher  wir  die  Hermannsche  Emen- 
dation  unbedenklich  vorziehen:    ei  d'   ovxcog  ovx'  dvdgog  dXco- 
ßivov  —  uidcög,  lg  x    oitiöeo  xsX.     Ausserdem  ist  V.   10  die 
Lesart  aller  Handschriften  dxi^iia  an   die  Stelle  von  dti^iirj  zu 


Schneidewhi:   Delectus  poesis  Graecorum.  39 

setzen.  V.  25  ist  ohne  genügenden  Grund  tplXrjglv %£Qölv  geschrie- 
ben statt  der  vulg.  yiXäig  lv\  £.  —  Fragm.  8,  13  ist  statt  Gkovöi 
unstreitig  zu  schreiben  6aov6i,  gleichwie  bei  Theognis  868.  6aoi 
statt  der  Vulg.  ödoi  bereits  richtig  accentuirt  ist. 

Auffallend  ist  es  ,  dass  Hr.  Sehn,  das  elegische  Tetrastichon 
des  Jsios  von  Samos  übergangen  hat,  da  er  doch  eine  Lücke  in 
der  ältesten  Entwickelung  dieses  Zweiges  der  hellenischen  Poesie 
ausfüllt.  Vergl.  meine  Quaestiones  elegicae  Spec.  I.  p.  3.  sq.  u.  p.  9. 

Wir  iomraen  drittens  zum  Mimnermos  von  Kolophon. 
Fragm.  1,  4  ist  meines  Erachtens  dermaassen  corrupt,  dass  alle 
bisherigen  Verbesserungsversuche  als  misslungen  zu  betrachten 
sind  :  selbst  der  neueste  äv%£  dt\ ,  worauf  ich  selbst  einmal  vor 
Jahren  gefallen  war,  will  mir  bei  einem  Dichter  wie  Mimnermos 
nicht  recht  zusagen,  so  dass  ,  wenn  auch  sehr  problematisch,  des 
Hugo  Grotius  Conjectur  äv&ea  xrig  rjßqq  immer  noch  am  meisten 
für  sich  hat.  —  Fragm.  2,  1  hat  Hr.  Sehn,  aus  Cod.  A.  TtoXva- 
Qtog  statt  der  Vulg.  nokvävdi^iog  aufgenommen,  was  wir  billi- 
gen möchten ;  wogegen  wir  V.  2  die  Aenderung  der  handschrift- 
lichen Lesart  avyrj  in  arlyrjg  für  überflüssig  erklären  müssen.  V. 
10  behält  Hr.  Sehn,  das  steife  avtlxa  Öf}  rs&vdvcti  bei,  welches 
hier  um  so  unerträglicher  ist,  als  unmittelbar  V.  9  em)v  drj  vor- 
angellt. Ich  muss  meiner  vor  14  Jahren  gemachten  Conjectur 
avxixa  xs9vd^iBvac  auch  heute  noch  treu  bleiben.  Eben  so  wenig 
kann  ich  V.  11  ällo%sv  oixog  xgv%ovxui  aufgeben,  und  zwar 
um  des  Gegensatzes  zu  iv  &V{ic5  willen.  Hr.  Sehn,  schreibt  mit 
cod.  A.  cckkotE  oixog ,  wobei  der  Hiatus  freilich  nicht  auffallen 
darf.  Fragm.  8  ist  in  der  Note  als  Lemma  in  Stobaei  florileg. 
XI,  1.  angeführt  Mi{ivtg[xov  Navvovg,  da  doch  alle  Handsch. 
JVhvdvÖgov  bieten,  wofür  erst  Passow  Mi^vsgfiov  herstellte.  — 
Die  Beibehaltung  der  offenbar  corrupten  handschr.  Lesart  Fragm. 
9,  5.  'Aött'jivTog  statt  'AXtjhvxog  beruht  auf  keinem  vernünfti- 
gen Grunde,  so  wenig  als  Hr.  Sehn.  V.  6  die  handschr.  Schrei- 
bung tYdofitv  statt  der  Conjectur  ctAoutv  billigen  würde.  Fragm. 
12,  6.  finden  wir  die  Verbesserung  tv&  oy  dvd  ng.  nach  Cod.  A. 
tv&  6Y  dvd  TtQ.  beifallswerth ;  dagegen  scheint  die  Veränderung 
von  öevrfö'  in  ötvaiü'  minder  nothwendig,  wenn  man  eine  ähn- 
liche Stelle  in  der  Odyssee  VII,  201  sq.  damit  vergleicht: 

au\  ydg  xo  itd/gog  ye  fteol  cpuivovzai  evagytlg 
7]ulv,  bvt   tgÖauEv  dyaxksudg  ixaTÖ^ßoig. 

Fragm.  13.  6.  hält  Hr.  Sehn,  die  von  Eustathius  überlieferte  Les- 
art ytvXr)  für  einen  merus  lapsus.  Wenn  man  aber  bedenkt,  dass 
Athenaeos  XI.  p.  470.  A  von  verschiedenen  Becherarten  spricht, 
und  ausser  andern  Dichtern  auch  den  Mimnermos  als  Gewährs- 
mann für  das  äot^oiov  des  Helios  anführt,  so  ist  die  Lesart 
xvkr)  oder  xvkXr}  (i.  q.  xvkit, ,  itoxrjgiov)  schlechterdings  erfor- 
derlich, in  welcher  Beziehung  ich  mich  zu  der  Zeit,  als  ich  jene 


40  Griechische    Literatur. 

Lesart  zuerst  aufgenommen,  der  vollen  Beistimmung  eines  der 
grössten  Kritiker,  W.  v.  Humboldts,  zu  erfreuen  hatte.  Auch 
fliesst  dann  die  Rede  weit  harmonischer  dahin : 

tov  [isv  yag  diu  xvpcc  epigst  TtoXv^garog  svvtj, 

xvXXt]  'HcpaiöTov  %£Qölv  sh]kansvtj 
XQvöov  tinrjEvros ,  t5jto';mpog,  x.  t.  X. 

indem  sich  die  xvXXr]  —  iXrjXccnsvrj  als  Apposition  von  no- 
XvrjQavog  Evvij  herausstellt.  Das  Epitheton  vnojttSQog  ist  wohl 
auf  die  automatischen  Ruder  zu  beziehen,  und  könnte  heutzu- 
tage sehr  zweckmässig  auf  die  Beschaffenheit  der  Dampfschiffe 
angewandt  werden.  Ungenügend  ist  ferner  die  Erklärung  von 
V.  11.  ibi  conscendit  alterum  currum  suum ,  relicta  illa  ivvrj, 
cf.  v.  9.  Denn  jener  svvt]  gegenüber  kann  der  gewöhnliche  Son- 
nenwagen nicht  ein  anderer  genannt  werden.  Richtiger  schon 
Welcker:  iteram  conscendit ,  nämlich  im  Gegensatz  zu  dem  ge- 
stern bestiegenen  Wagen.  Keine  von  beiden  Erklärungen  ist  ein- 
fach genug.  Der  Dichter  sagt  gleich  zu  Anfange  des  Bruchstük- 
kes,  Helios  nebst  seinen  Rossen  habe  nimmer  Ruhe;  sobald  er  den 
einen  Tag  auf  seiner  Bahn  am  Himmelsgewölbe  zurückgelegt  hat, 
fährt  er  Nachts  in  einem  autoraathischen  Kahn  auf  dem  Okeanos 
von  Westen  gen  Osten  zurück,  wo  bis  zum  Aufgang  der  Eos  Wa- 
gen und  Rosse  seiner  harren  ,  und  nun  heisst  es  zuletzt :  IVO1' 
knsßr]  ersgav  6%zav  'Tittgiovog  vio'g.  Hier  könnte  man  aller- 
dings die  Frage  aufwerfen,  wie  sind  Wagen  und  Rosse  nach  dem 
Osten  zurückgekommen*?  Diese  Frage  ist  aber  zu  prosaisch ,  als 
dass  man  ihr  in  allem  Ernste  Raum  geben  möchte.  Der  Dichter 
lässt  den  Helios  seine  Bahn  vollenden  und  dann  auf  den  Okeanos 
zurückschiffen;  alles  Nebenwerk  schwindet  vor  der  Haupterschei- 
nung, und  seine  lebendige  Phantasie  zaubert  dem  Gott  für  den 
andern  Tag  auch  einen  andern  Wagen,  den  er  besteigt ,  sobald 
Eos  am  Himmel  sich  gezeigt  hat.  Insofern  ist  der  oben  aufge- 
führte Vers  ganz  einfach  so  zu  übersetzen:  „Hier  besteigt  ein 
anderes  Gespann  der  Sohn  Hyperions."  Der  Ausdruck  „ein 
anderes  Gespann"  involvirt  zugleich  die  Vorstellung  eines  an- 
deren Tages  im  Gegensatz  zu  dem  zunächst  vorangegangenen 
Tage.  > 

Die  vierte  Stelle  hat  Solon  eingenommen ,  dessen  politische 
und  ethische  Poesie  sich  in  elegischer  Form  bewegt.  Zuvörderst 
sind  die  Bruchstücke  der  berühmten  Elegie  Zlala^iig  vorgeführt 
nebst  der  Erklärung  aus  Plutarch.  Solon  c.  8.  (nicht  c.  1.  wie  hier 
falsch  gedruckt  ist).  V.  3.  ist  nach  dem  cod.  Monac.  des  Diog. 
Laert.  I,  47.  Uixivy  xyjg  statt  der  Vulg.  Hlxlv  ixrjg  zu  schreiben, 
wie  unlängst  Ross  in  einem  Proömium  der  Universität  zu  Athen 
1837  aus  Inschriften  bewiesen  hat.  Bei  dieser  Gelegenheit  kann 
ich  nicht  umhin  eine  literarische  Curiosität  mitzutheilen,  die  ich 
der  Güte  des  Hrn.  Directors  Voemel  zu  Frankfurt  a.  M.  ver- 


Schneidewin  :  Delecta9  poesis  Graecorum.  41 

danke.     Das  zweite  hier  aufgeführte  Bruchstück,    welches  De- 
mosthenes  de  falsa  legat.  p.  421.  erhalten  hat,  gilt  überall  als  ein 
Ueberbleibsel   der   Elegie    Jitgi  rrjg  zcov  'A&rjVcd&v  noXiztiag. 
Hr.   Voemel   besitzt  eine   Aldina  mit  beigeschiebenen  Varianten, 
welche  nur  aus  einem  Codex  herrühren  können ;  da  ist  nun  auch 
das  letzte  Distichon  aus  der  Elegie  Salamis  vorgesetzt,  und  zwar 
in  folgender  Gestalt : 
i 
"Iöfisv  '   slg  öalccfiivu  [iu%r]66n£Voi  nsgl  vrjöo  v 
ifiSQtfjg  %uktn6v  ai6%og  dnoöd^tvoi. 

Dabei  könnte  einem  leicht  der  Gedanke  einfallen,  ob  das  ganze 
von  Demosthenes  aufbewahrte  Stück  gleichfalls  zu  der  Elegie 
Salamis  gehören  möchte;  wozu  auch  stimmt,  dass  Ulpian  zu  De- 
mosthenes eben  jenes  Distichon  anführt.  Doch  scheint  diese  so 
oberflächlich  hingeworfene  Vermuthung  noch  einer  genaueren 
Begründung  zu  bedürfen.  —  Hinter  V.  10  hat  Hr.  Sehn,  zwar 
den  Hexameter  ^o»;fiata  ö'  [[itiQOVöiv  .s%blv,  ddtxag  ös  ite- 
nÜG%ai  mit  vollem  Rechte  ausgestossen,  dagegen  den  gleichfalls 
interpolirten  Pentameter  (cf.  Fragm.  11,  12.)  nkovzevöiv  ö'  döt- 
xoig  hgy^iaöL  7iet,Q6fi£vot  im  Texte  stehen  lassen  ,  dessen  Man- 
gel Iv  to5  Ttakaiä  ßißUip  bei  Voemel  meine  vor  15  Jahren  aus- 
gesprochene Behauptung  bestätigt.  —  V.  16  finde  ich  keinen  ge- 
nügenden Grund  die  handschr.  Lesart  dnotiöa  ^.ivr}  mit  Mark- 
land in  djtoTi6o[t£vi]  zu  verändern.  Die  Glosse  in  der  Aldina 
Voemelii  Tifiagrjöafiävy]  bestätigt  gleichfalls  den  Aoristus.  —  V. 
29  lässt  sich  wohl  am  leichtesten  nach  Massgabe  des  cod.  |Bod- 
leianus  also  restituiren,  iiyk  zig  i]  (pivycav  x.  z.  A.  wie  es  durch 
die  Aid.  Voem.  nunmehr  definitiv  bestätigt  wird ,  welche  aus- 
drücklich hinter  zig  das  erforderliche  y  einschaltet.  —  Fr.  7. 
können  wir  die  Verurtheilung  des  von  Plutarch  ausdrücklich  dem 
Solon  und  zwar  in  dem  vorliegenden  Zusammenhange  zugeschrie- 
benen Distichons  nicht  billigen,  indem  alles  subjeetive  Gefühl 
nur  trügerisch  ist,  objeetive  Argumente  dawider  aber  gänzlich 
fehlen.  V.  5  müssen  auch  wir  uns  jetzt  für  Th.  Bergks  Con- 
jeetur  l^dQctvT  bekennen ,  verharren  aber  V.  6  bei  dkX  rjörj  %Qt) 
tcbqX  rtdvza  vouv ,  dazumal  jiboi  vor  ndvza  sehr  leicht  aus- 
fallen konnte.  Zwei  ähnliche  Stellen  bietet  Solon  11,  69.  &sög 
Ttsgl  ndvzcc  didooöt  <5vvzvyir\y  dy<x%y\v.  23,  11.  zfj  d'  sxzy  tc£q\ 
ndvzu  xcczccQzvEzca  vöog  dvdgog.  —  Fragm.  10,  2  wird  fehler- 
haft im  Texte  constituirt :  zr]v  noXtv  vaioig  aal  yivog  v^hzegov  ' 
obgleich  ich  die  allein  richtige  Lesart  längst  aus  der  Vita  des  Ara- 
tus  aufgenommen  habe:  zi'jvds  itoÄW,  welche  auch  durch  zwei 
Handschriften  des  Plutarchos  in  der  Ausgabe  von  Sintenis  zr\v  de 
vollkommen  bestätigt  wird.  —  Fragm.  11,  32  wird  sich  Hr.  Sehn, 
wohl  noch  dazu  verstehen  die  unverbesserliche  Lesart  tf  nciiösg 
tovzcov  yyenovav  otclGo  mit  ij  yivog  l^oniöa  zu  vertauschen, 


42  Griechische  Literatur. 

indem  es  mir  zu  deutlich  in  die  Augen  springt,  wie  rjyeuovav  als 
Glossem  von  xovxav  unter  der  Hand  eines  gedankenlosen  Ab- 
schreibers die  wahre  Lesart  verdrängt  hat.  Unnöthig  erscheint 
uns  ferner  V.  35  die  Trennung  von  avxig  in  av  xig.  —  V.  42 
verändert  Hr.  Sehn,  nicht  blos  ndvxcov  in  jtavzag,  sondern 
wünscht  auch  statt  doxel  entweder  nodsl  oder  vosi.  Dagegen 
entscheidet  erstlich  die  handschr.  Lesart  Tcliiöxa  für  nävxcov, 
zweitens  gewährt  öoxsi  einen  sehr  guten  Sinn  :  „Der  Arme  bil- 
det sich  ein  er  könnte  einmal  der  allerreichste  werden. "  —  V. 
51  wird  ohne  Noth  an  Movöscov  näga  dägee  ÖLdn%!&t{,g  Anstoss 
genommen  und  für  näga  vorgeschlagen  aga ,  welches  hier  ein 
sehr  mattes  Flickwort  sein  würde.  Es  ist  vielmehr  ein  Zeugma 
zustatuiren,  so  dass  man  also  zu  erklären  hat:  „Ein  anderer, 
der  von  den  Musen  seine  Gaben  empfangen  hat  und  so  unterrich- 
tet worden  ist ,  erwirbt  sich  dadurch  Vermögen,  dass  er  das 
rechte  Maass  der  Weisheit  versteht,"  d.  h.  dass  er  die  Schranken 
der  menschlichen  Weisheit  nicht  überschreitet.  —  V.  66  können 
wir  das  angewandte  kritische  Verfahren  nicht  billigen,  indem 
zwar  nach  Stobaeos  ?}  jUtA/Ut  6p;6iiv  (wofür  Theognis  nol  ö£>J- 
6uv  /jeAAsihat),  aber  nach  Theognis  ng^y^iaxog  statt  der  älte- 
ren Lesart  xgrjfiarog  (bei  Stob.)  in  den  Text  gesetzt  wird.  Ent- 
weder musste  hier  die  eine  oder  die  andere  Auctorität  ungetheilt 
befolgt  werden,  da  alles  subjeetiv  eklektische  Verfahren  in  der 
philologischen  Kritik  vom  Uebel  ist.  Die  Richtigkeit  von  iQrjuu- 
rog  aber  bestätigt  auch  Herodot.  1,32.  öxonhtv  Öe  XQ*1  Ttavrog 
XQTjuaTog  xt)v  Ttl&vxrjv  xrj  änoßtjöExcu'  noXkoidL  yag  drj  vno- 
Ös^ag  oXßov  6  Qtog  ngoggi^ovc  dvtxgtxpEv.  Dass  dem  Herodot 
in  dieser  Rede  des  Solon  unser  Distichon  vor  Augen  schwebte,  ist 
wohl  keinem  Zweifel  unterworfen.  Desto  lebhafter  stimmen  wir 
bei,  dass  V.  67  mit  Stob,  ev  e'qöeiv  statt  der  Theognideischen 
Form  ivdoxifitiv  beibehalten  worden  ist,  aber  auch  eben  so  V. 
69  didadi  statt  xL&rjöi  geschrieben  werden  muss,  was  Hr.  Sehn, 
erst  in  den  Add.  nachholt.  —  Fragm.  20,  2  ist  Hr.  Sehn,  auf  der 
von  Florens  Christianus  zuerst  betretenen  Bahn,  welcher  die  cor- 
rupte  Schreibart  der  Handschr.  gev  (oder  ö'  su)  xoiov  ETiicpga- 
ödjirjv  in  gev  kcöiov  btpgaGa^rjv  verbesserte,  einen  Schritt  weiter 
vorwärts  gerückt,  indem  er  schreibt  gev  Xäov  EnEcpgaGÜuiqv. 
Mit  eben  so  grosser  Wahrscheinlichkeit  ist  V.  3  Bergks  geist- 
reiche Emendation  AiyvaGrädr]  aus  dyvidg  xadl  in  den  Text 
aufgenommen.  —  Fragm.  24,  4  ist  aus  cod.  A.  aldtvfica  statt 
aldovfiai  zu  schreiben,  26.  5.  yjdsXs  statt  yjüeXov.  28,  4.  ist  in 
den  Anmerkungen  falsch  berichtet,  dass  die  meisten  Handschr. 
des  Plutarchos  Tiavta^rj  haben,  welches  vielmehr  erst  Stephanus 
statt  der  handschr.  Lesart  jroAAap;  eingeführt  hat.  V.  12  hat 
Hr.  Sehn,  das  absurde  ijörj  beibehalten ,  die  Conjectur  tföe  aber 
dem  neuesten  Herausgeber   des  Aristides   dolo   malo  beigelegt, 


Schneidewin :  Delectus  poesia  Graecorum.  43 

dessen  eigne  Aussage  ich  gehörigen  Orts  nachzulesen  bitte.  — 
Fragm.  30.  ist  das  allein  zulässige  uqxcov  ccxovs  hergestellt. 

Das  grösste  elegische  Bruchstück  des  Phokylides  ,  freilich 
nur  zwei  Disticha,  hat  Hr.  Sehn,  zufällig  übergangen,  aber  in  den 
Addendis  ad  pag. 38.  nachgetragen.  Ausserdem  sind  die  erhaltenen 
hexametrischen  Stücke  desselben  Dichters  in  die  Sammlung  auf- 
genommen. 

Nach  einer  kurzen  Einleitung  über  die  Lebensverhältnisse 
des  Xenwphajies  folgen  die  elegischen  Ueberbleibsel  des  Dich- 
ters selbst.  Fragm.  1,  1.  behält  auch  Hr.  Sehn,  die  handschr. 
Schreibart  ^änsdov  statt  ödnBÖov  bei  und  erklärt  mit  Hesychius 
y.iya  tdaqpög,  desgleichen  V.  2  Dindorfs  Verbesserung  dutpixi- 
%il ,  woraus  hervorgeht ,  dass  er  seine  eigne  frühere  Verteidi- 
gung des  Participiums  dfirpitiQ-sig  wieder  aufgegeben  hat.  V.  5 
ist  wohl  so  lange  als  unheilbar  verdorben  anzusehen,  als  nicht 
bessere  Quellen  eröffnet  werden.  Hr.  Sehn,  entscheidet  zuletzt 
für  meine  Erklärung  von  tiqqöoÖöuv  (i.  e:  defecturuni)  und  con- 
stituirt  den  Vers  im  übrigen  also  : 

oivog  b'  löxlv  Eroifiog,  og  ovnoxe  (prjöl  ngodcööeiv. 

Das  Streichen  des  akXog  hat  zuerst  Hermann  erkannt  und  sonach 
den  ganzen  Vers  ergänzt : 

oivog  ö'  töxlv  sroifiog,  ug  ovjta  Ttvxfphvi  ytixcav. 

Die  erste  Hälfte  des  Verses  ist  wohl  von  Hermann  in  integrum  re- 
stituirt ,  in  der  zweiten  dagegen  ist  er  von  den  überlieferten 
Schriftzügen  zu  weit  abgewichen,  weshalb  ich  bei  meiner  frühe- 
ren Textesconstituirung  und  Erklärung  verharren  will:  ug  ovnca 
q>7]öl  TtQOÖcööBLV.  V.  6.  kann  ich  mich  noch  nicht  von  der  Noth- 
tpendigkeit  einer  Aenderung  der  handschr.  Lesart  6o86ptvog  in 
d£,6(itvog  überzeugen.  Dagegen  hat  uns  Hr.  Sehn,  vollkommen 
überzeugt,  dass  V.  11  Karstens  Conjectur  dv  xo  pteov  (handschr. 
avxo  fieöov)  jeder  andern  vorzuziehen  ist:  „Ncc  repugnat 
ndvxr):  dv  xo  [itöov  ad  ßa^iov  in  medio  positum  pertinet. "  — 
V.  20  emendirt  Hr.  Sehn,  zum  Theil  mit  mir  übereinstimmend, 
zum  Theil  auf  Hermanns  Fussstapfcn  weiter  schreitend  :  äg  (oig 
ist  Schreibfehler)  ol  (xvtjuoövvrj  xal  Tiövog  d^itp  doExijg,  i.  e. 
se  meminisse  virtutis  eamque  assequi  studere.  Eben  so  billi- 
genswerth  ist  V.  22  ovde  ye  Ktvxuvoav ,  nkdöyiaxa  xcöv  nooxi- 
owv,  ßgmenta  vetustatis.  Dagegen  möchten  wir  es  V.  23  eher 
mit  Hermanns  cpktdoväv  als  mit  Osanns  6<ptduväg  halten,  sowie 
wir  im  letzten  Verse  auf  die  handschr.  Lesart  dya%itv  zurückzu- 
gehen uns  bewogen  fühlen ;  denn  nichts  ist  natürlicher,  als  dass 
t%uv  in  gleicher  Kategorie  mit  den  vorhergehenden  Infinitiven 
gefasst,  nicht  aber  von  dyct%6v  ahhängig  gemacht  werde:  ftiäv 
7iQon^ir}v  E%stv  dyaftrjv  ist  eben  so  viel  als  wenn  der  Dichter 
gesagt  hätte  deäv  tv   jtpo^daöfrai.  —  Fragm.  2.  V.  10  ist 


44  Griechische  Literatur. 

nach  Xnnoiöiv  statt  des  Komma  ein  Kolon  zu  setzen  und  mit 
xavtd  xs  ndvxa  (wie  nach  cod.  A.  xavvcc  x  zntavta  zu  schrei- 
ben) ein  neuer  Satz  anzuheben:  „Alles  dies  empfängt  wohl  einer 
der  sich  mit  mir  nicht  vergleichen  kann. u  Hr.  Sehn,  hat  den 
von  mir  in  einem  Programm  1837  constituirten  Text  beibehalten. 
—  Fragm.  3,  1.  hat  auch  Hr.  Sehn,  die  von  mir  zuerst  bekannt 
gemachte  Conjectur  J.  G.  Schneiders  aßQoövvag  (wofür  die 
Hdss.  dcpgoövvag)  aufgenommen  und  nach  .Hermanns  Vorgang 
wohl  begründet :  „  dq>QOGvvag  propter  v.  dvacptksag  ferri  ne- 
quit.u  V.  5  verharre  ich  bei  meiner  früheren  Ansicht,  wornach 
zu  lesen:  av^ccktoi,,  %ccixyGLV  dyakkofisvoi  sv7iQBnh<56iv ,  was 
durch  eine  von  Hrn.  Sehn,  in  den  Addendis  beigebrachte  Stelle 
des  Aristeas  bei  Tzetzes  Chil.  VIF,  687.  'Iöötjdol  %airrj6iv  dyak- 
kofisvoi  xavarjöiv  wunderbar  unterstützt  wird.  Die  Synizesis 
zwischen  den  beiden  Worten  dyakkö/xsvot  £V7CQ£Tchööiv  darf 
hier  eben  so  wenig  auffallen,  als  etwa  in  der  Odyss.  I,  226. 
tlkanivri  rfh  ydpog.  Ilias  XVII,  89.  dößeöxa-  ovo'  —  XVIII, 
458.  viel  Sficp  dxvfioQcp  x.  x.  k.  —  Fragm.  5,  4.  hat  Hr.  Sehn, 
seine  frühere  ,  von  mir  für  unnöthig  erklärte  Conjectur  doidonö- 
kav  —  'Ekkadixäv  wieder  fallen  lassen. 

Obgleich  Theognis  in  neuester  Zeit  von  mehreren  Seiten  her 
behandelt,  herausgegeben  und  übersetzt  worden  ist,  so  bleibt 
doch  noch  immer  sehr  viel  zu  thun  übrig ,  namentlich  die  Anord- 
nung des  Erhaltenen  betreffend,  wie  denn  auch  unser  Herausge- 
her auf  10  Seiten  über  den  Zustand  der  uns  überkommenen  Samm- 
lung gesprochen  hat.  Die  vorausgehende  Stelle  des  Suidas 
scheint  einer  radicalen  Cur  zu  bedürfen  ,  der  wir  uns  nicht  ge- 
wachsen halten.  So  viel  jedoch  möchte  als  ausgemacht  gelten 
können,  dass  Theognis  ausser  seinen  Elegieen  auch  fortlaufende 
Hexameter  (em*] ,  weshalb  vielleicht  zu  lesen  xd  ndvxa  sjcrj,  im 
Gegensatz  zu  rvco^iokoyia  öY  eksyalav)  gedichtet  habe;  und 
wir  freuen  uns,  dass  Hr.  Sehn,  in  Uebereinstimmung  mit  unserer 
Ansicht  Jul.  Caesars  Erklärung  der  Platonischen  Stelle  im  Meno 
p.  95.  D.  ebenfalls  zurückgewiesen  hat.  Hr.  Sehn,  nimmt  nicht  ein 
grösseres  zusammenhängendes  elegisches  Gedicht  des  Theognis 
an,  sondern  einzelne  Stücke,  desgleichen  sich  V.  1135  —  1150 
erhalten  hat.  Darauf  wird  VVelckers  grosses  Verdienst  hervorge- 
hoben, aber  auch  ein  und  das  andere  in  Zweifel  gestellt.  Tref- 
fend ist  folgende  Bemerkung  über  die  Namen  Kvgvog  und  ITokv- 
aatdijs  S.  50.  ,,  TlokvnatÖTjg  est  patronymicum  Cyrni ,  a  patris 
nomine  IIokvTiuig,  h.  e.  IJokvTcäaov ,  forma  Doriensibus  sueta. 
Iam  non  opus  est  ut  violenter  divcllantur  quae  eodem  sententiarum 
H limine  a  Cyrni  compellatione  ad  Polypäidam  deflectunt,  verbi 
gratia  vv.  53  —  60.  Et  unius  certe  codicis  H.  librarius  verum  vi- 
detur  significasse,  qui  hunc  Theognidcis  praefixerit  titulum: 
©eoyvcdog  Mtyccgsag  yvafiokoyloc  Jtoög  Kvqvov  riokvjicddrjv 
xov   £q6{isvov.     Vix  denique  Suidas ,   qui  unam  rvapokoylav 


Sclineidewin :  Delectus  poesis  Graecorum.  45 

recenset,  reticuisset,  si  duae  diversae  gnomologiae,  ad  Cyrnum 
altera,  altera  ad  Polypa'idam  exstitissent."  Weniger  Gewicht  möchte 
ich  auf  die  im  Cod.  Mutinensis  befindliche  Trennung  der  wahr- 
scheinlich nicht  sämmtlich  von  Theognis  selbst  herrührenden 
Tcccidtxd  legen.  Auch  müssen  wir  Welckern  darin  der  Haupt- 
sache nach  beistimmen,  dass  die  auf  uns  gekommene  Sammlung 
erst  in  späterer  Zeit  aus  anderen  Schriftstellern  zusammengetra- 
gen und  im  Ganzen  ziemlich  planlos  geordnet  worden  sei.  Aus 
diesem  durchaus  willkürlichen  und  unkritischen  Verfahren  erklärt 
sich  dann  auch,  wie  es  gekommen,  dass  mehr  als  ein  Stück  von 
andern  Dichtern,  als  von  Tyrtaeos,  Mimnerraos,  Solon,  Euenos 
u.  s.  w.  mit  untergelaufen  ist:  und  wie  manches  Distichon  mag 
noch  darunter  stecken  ,  welches  anderen  Dichtern  zu  vindiciren 
sein  dürfte4?  Hier  ist  noch  eine  scharfe  Sichtung  von  nötheh.  Je- 
denfalls hat  Welcker  schon  Ausserordentliches  geleistet,  und  auf 
seine  Schultern  wird  sich  jeder  stellen  müssen ,  der  diesen  Zweig 
der  Wissenschaft  weiter  fördern  will.  Darum  können  wir  uns 
nicht  genug  wundern,  dass  Hr.  Sehn,  wieder  seine  Zuflucht  zu  der 
alten  Ordnung  genommen  hat,  welche  auf  die  Dauer  eben  so  we- 
nig Stich  halten  wird  ,  als  etwa  der  wahnsinnige  Versuch  in 
unsern  Tagen  die  Hierarchie  und  die  Aristokratie  des  Mittelalters 
wieder  ins  Leben  einzuführen.  Ehren  wir  das  Ueberlieferte ,  so- 
weit es  dem  gegenwärtigen  Standpunkte  der  Cultur  und  Wissen- 
schaft nicht  geradezu  zuwiderläuft,  und  bauen  so  auf  sicherem 
Grund  und  Boden  weiter  fort,  entschlagen  uns  aber  auch  allem 
Aberglauben  und  unwürdiger  Geistessklaverei!  —  Wollte  ich  in 
gleicher  Weise,  wie  die  bisherigen  Elegiker,  auch  den  Theognis 
durchgehen ,  so  würden  die  Schranken  einer  Recension  weit  über- 
schritten werden  müssen.  Darum  will  ich  nur  bei  einer  einzigen 
Stelle  verweilen  ,  welche  aus  einem  von  mir  zuerst  Quaestt.  eleg. 
Spec.  I.  p.  29.  dem  Euenos  zugeeigneten  Distichon  einiges  Licht 
erhält:  ich  meine  VV.  897  —  900.  Hr.  Sehn,  hat  S.  56  die  her- 
vorragende Eigenschaft  des  Codex  Mutinensis  (A.)  richtig  er- 
kannt, ist  aber  an  unserer  Stelle  seinem  eignen  Urtheil  theilvveise 
untreu  geworden ;  denn  er  behält  ganz  im  Widerspruche  mit  cod. 
A.  Bruncks  seltsame  Umstellung  des  Verses  897  f.  bei,  da  doch 
die  Züge  der  Handschrift  Kvqv  ü  nävx  ävÖQtööi  xaru^v^tolg 
yaXhiialvuv  yivotöxuv  ag  vovv  olov  sxaötog  i%u  x.  x.  A.  auf 
etwas  ganz  anderes  führen  sollten.  Mit  Rücksicht  auf  das  in  ge- 
genwärtiger Sammlung  S.  135  fehlende  Distichon  des  Euenos: 

rHyov^.ai  öoepiag  üvccv  fisgog  ovx  iXd%i6tov 
o'odwg  yiyvcoGxuv  olog  exaözog  ävrJQ. 

verfiel  ich  vor  einiger  Zeit  auf  die  Vermuthung: 

Kvqv  ,  tl  nävr    dvögsööi  xcczu&vqTolg  %akijraiv{g, 
yiyvaööxcov  0Q%äg  oiov  exccötog  %« 


46  G r i e c I»*I sehe  Literatur. 

avxog  ivl  Crrj&sööi  xal  egypeezu  xav  xs  dixcciav 
täv  x    ccölxav,  fjtsya  xsv  7trj(icc  ßgoxoiöiv  ijtijv. 

d.  h.  Wenn  Da  genau  erforschen  wolltest,  welche  Gesinnung  den 
Handlungen  der  Menschen  jedesmal  zum  Grunde  liegt,  so  würde 
es  schlimm  stehen.  Ein  solcher  Gedanke  ist  im  Munde  eines 
Stockaristokraten  nicht  so  absurd  als  er  im  ersten  Augenblick  aus- 
sieht; denn  jener  erkennt  ausser  sich  und  seinesgleichen  nichts 
Edles  und  Würdiges  in  der  menschlichen  Natur  an,  und  ist  nur  zu 
geneigt  jeder  Handlung  der  bürgerlichen  Canaille  eine  eigennützige 
Gesinnung  unterzulegen.  Darnm  hält  es  unser  aristokratischer 
Dichter  für  das  gerathenste,  jeden  Menschen  blos  nach  seinen 
Handlungen  zu  beurtheilen  und  darnach  zu  belohnen  oder  zu  be- 
strafen ,  also  streng  juristisch ,  so  dass  man  sich  um  die  eigent- 
liche Gesinnung  gar  nicht  weiter  zu  bekümmern  hat.  Gleich- 
wohl bin  ich  gern  bereit  zu  Ehren  des  der  Natur  noch  näher 
stehenden  Alterthums  den  dorisch -aristokratischen  Theognis  von 
den  Schlacken  des  modernen  Egoismus ,  wie  ihn  der  französische 
Hof  vor  1789  vorzugsweise  gehegt  haben  mag,  wieder  zu  rei- 
nigen und  daher  den  zweiten  Vers  lieber  mit  0.  Schneider  so  zu 
construiren : 

jjjj  yiyvaöxav  vovv  olov  sxaöxog  %%£i>> 

womit  man  vergleichen  kann  V.  312 

yiyvtoöncov  ogyiqv  iqvxiv    exaörog  l'^st. 

Demnach  wäre  der  Sinn  folgender:  „Kyrnos,  wenn  du  allemal 
den  Menschen  zürnen  wolltest,  ohne  ihre  innere  Gesinnung  und 
die  Werke  der  Gerechten  und  Ungerechten  zu  kennen,  dann 
würde  wohl  grosses  Leid  auf  den  Sterblichen  lasten.  t  — 

Auf  Theognis  folgt  Ion  von  Chios,  dessen  nicht  blos  elegi- 
sche sondern  auch  melische  Bruchstücke  aufgenommen  sind.  Im 
ersten  Stücke  hätte  Hr.  Seh.  auch  die  Worte  des  Athenaeos  reu 
ö'  jjjwcripoj  %ogä  als  die  zweite  Hälfte  eines  Pentameters  so  con- 
struiren sollen : 

'     ~~Z  _'__  ~~  _j_    qpSXSQG)  ÖS  XnQV' 

da  er  ja  auch  nach  Casaubonus  Vorgang  die  ebenfalls  prosaisch 
überlieferten  Worte  oivog  (pikag  av  ftvgöoqjögotg,  (teyce  Jtgs- 
ößevwv  zJiovvöog,  in  einen  Hevameter  umgesetzt  hat.  V.  6  bil- 
ligt Hr.  Sehn.  Lobecks  Conjectur  BTiogB^azo^  wofür  die  Handss. 
InxfäaTO  oder  In^axo  ,  dem  immer  noch  k^rjxparo  am  nächsten 
kommt;  worüber  jedoch  G  Hermann  bemerkt :  ,,  Beete  diceretur 
rjtyaxo  aiüsgog ,  sed  e^ipaxo  ul&sgog  esset  sese  suspe?idit  ex 
aethere ,  qnae  nimis  mira  atque  incredibilis  imago  est. u  Hier 
müssen  wir  widersprechen ,  indem  das  fragliche  Bild  um  so  weni- 
ger unglaublich  erscheint,  als  es  in  der  Natur  selber  begründet 
ist;  denn  die  Ranken  einer  über  die  Spitze  des  mit  ihr  vermähl- 


Sclineidewin  :  Delectus  poesis  Graecornm.  47 

ten  Baumes  herausschiessenden  Rebe  scheinen  wirklich  in  der 
Luft  zu  schweben ,  also  suspendunt  sese  es  aethere.  —  Fragm. 
2,  1.  stimmt  Hr.  Sehn,  unserer  Erklärung  bei,  wornach  rjuhtgog 
ßaöiktvg  für  zJiovvöog  zu  nehmen  sei;  allein  Hermann  hat  doch 
Recht ,  dass  man  den  König  der  Lakedämonier  zu  verstehen  habe, 
quod  in  primis  Prodis  mentio  (V.  6.),  a  quo  Proclidae  descende- 
bant,  confirmat.  Dass  sich  0.  Müller  für  dieselbe  Erklärung  ent- 
scheide bemerkt  Hr.  Sehn,  nachträglich  in  den  Addendis  p.  468. 
Dass  V.  8  die  Worte  sxav  ö'  ap££  q)iloq)go6vvt]g  auf  jeden  der 
anwesenden  Gäste  zu  beziehen  sind  hat  ebenfalls  Hermann  richtig 
erkannt.  — 

Es  folgen  Melanthios  (von  dem  nur  Ein  Distichon  erhalten 
ist)  und  Dionysios  der  Eherne.  Fragm.  1,  3  verwirft  Hr.  Sehn, 
ebenfalls  Osanns  Conjectur  ngorigco  statt  srocorw  mit  dem  Be- 
merken: lagizav  %(xgiT&g  cum  acumine  vocantur  quae  Gratiae 
gralificalae  sunt.  —  Fragm.  2,  1.  ist  statt  dyytllag  die  Form 
dyyellrjQ  wieder  herzustellen,  wie  auch  schon  O.  Schneider  be- 
merkt hat.  —  Fragm.  3.  ist,  wie  billig,  ganz  nach  Hermanns 
Anleitung  restituirt.  —  Fragm.  4,  4.  ist  mit  Casaubonus  und  Wel- 
cker  Rhein.  Mus.  IV  S.  444  f.  (Daiuxag  zu  schreiben:  „Die  Phä- 
aken  bezeichnet  hier  unwidersprechlich  das  anonhimiiv;  die 
Heimath  ,  in  welche  die  Sänger  den  Freund  aus  der  Ferne  mit 
dem  Ruderschlage  der  Zunge  geleiten  wollen,  ist  das  Lob,  ihre 
Redefertigkeit  ruft  sie  auf  die  Ruderbänke.  Da  wir  den  Dichter 
in  Thurii  wissen,  so  sind  die  alten  fernen  Freunde,  die  einer 
nach  dem  andern  in  den  Hafen  des  Lobes  geführt  werden  sollen, 
wohl  als  die  Athenischen  Bekannten  zu  denken.  Es  ist  nicht  die 
Aufforderung  zum  Gesänge  eines  Loblieds,  sondern  der  Mund- 
schenk {rcalg)  soll  bei  der  neuen  Mischung  dem  Machbar  und 
rechtsum  der  ganzen  Gesellschaft  Hymnen ,  Lobreden  auf  die 
Freunde  einschenken.  Das  v^ivovg  olvo%oeiv  ist  ähnlich  der 
ngonti'oKuevt]  nolrjöig:  wie  aber  mit  diesem  eingeschenkten 
Weine  das  Rudern  zusammenstimme ,  mag  der  Redner  verantwor- 
ten. —  Die  zurückgeleitenden  Phäaken  haben  schon  als  solche 
eine  grosse  Fertigkeit  in  ihrer  Kunst,  und  wenn  diese  in  der  Rede 
besteht,  so  wird  die  Vergleichung  mit  einem  attischen  Redner 
[Phaeas  nach  Osanns  Ansicht],  der  nicht  einmal  für  einen  der 
berühmtesten  gelten  kann ,  ihnen  keinen  besondern  Glanz  geben. 
Auch  ist  die  Fertigkeit  des  Gerichtsredners  nicht  das  Ideal  der 
Elegie,  die  besondere  Bewunderung  des  Phaeax  gerade  von 
Dionysos,  der  selbst  Redner  und  an  Jahren  älter  war,  nicht 
wahrscheinlich.  In  der  Zusammenstellung  mit  den,  wenn  auch 
nicht  genannten,  doch  bestimmt  angedeuteten  Phäaken  könnte 
der  Redner  Phäax  nur  in  scherzhafter  Absicht  erwähnt  sein,  und 
hie.-  ist  an  solchen  Scherz  zu  denken  kein  Grund  vorhanden."  — 
Dass  Fragm.  5.  die  verdorbenen  WTorte  nagt  rovÖs  x.  r.  h  dem 
Dionysos  zugehören  sollten,    davon   kann  ich  mich   audh  jetzt 


48  Grie  chi  sc  he  Literatur. 

noch  nicht  überzeugen.    Richtiger  bezieht  man  sie  mit  Coray  anf 
das  folgende. 

Welchem  Buenos  die  elegischen  Fragmente  beizulegen 
sind,  ist  eine  schwer  zu  entscheidende  Frage,  die  wohl  immer- 
dar problematisch  bleiben  wird.  Fragm.  1,  2.  erklärt  sich  Hr. 
Sehn,  ebenfalls  (gegen  W.  Wagner)  für  die  Lesart  des  Stobaeos 
Iv  £&£t,  V.  3  für  tovtovg,  geräth  aber  (wie  auch  ich)  mit  sich 
selbst  gewissermaassen  in  Widerspruch,  wenn  er  V.  4  mit  Athe- 
naeos  doxovvt  sota  schreibt ,  wahrend  Stobaeos  iöriv  überlie- 
fert, welches,  an  und  für  sich  schon  nicht  minder  angemessen 
als  söza ,  seiner  grösseren  Autorität  wegen  vorgezogen  werden 
muss.  ■ —  Fragm.  4,  2.  ist  mit  Stob,  fiaviag  zu  schreiben.  — 
Fragm.  8.  ist  der  Pentameter,  welcher  bei  Theognis  472  (nicht 
474)  im  Zusammenhange  erscheint,  so  dass  ich,  wie  früher  in 
dem  Programm  de  symposiaca  Graecorum  elegia,  so  auch  jetzt 
noch  von  der  Notwendigkeit  überzeugt  bin  ,  aus  der  farrago 
Theognidea  sei  herauszunehmen  was  dem  Euenos  gehört.  So 
auch  Th.  Bergk  in  Zimmermanns  Zeitschrift  für  die  Alterthums- 
wissenschaft  1837  S.  454  und  F.  W.  Wagner  de  Euenis  poetis 
elegiacis  eorumque  carminibus  elegiacis  p.  22.  sqq.  —  Das  oben 
schon  aufgeführte  Distichon  ist  aus  dem  Appendix  zu  Stobaei 
florileg.  Vol.  IV.  p.  10.  ed.  Gaisford.  nachzutragen,  wo  nämlich 
die  handschr.  Lesart  Zrjvov  in  Evrjvov  zu  bessern  ist. 

Die  Ueberschrift  TIoXiTilav  tppsTQOi  für  die  politischen Ele- 
gieen  des  Tyrannen  Kritias  hat  Hr.  Sehn,  nach  meinem  Vor- 
gange beibehalten,  anderen  Echtheit,  so  viel  ich  weiss,  bisher 
nur  G.  Pinzger  gezweifelt  hat,  aber  aus  ganz  faden  Motiven. 
Fragm.  1.  hätte  zwischen  V.  3  u.  4  die  augenscheinlich  vorhan- 
dene Lücke  angedeutet  werden  sollen.  V.  9  ist  die  am  meisten 
diplomatisch  begründete,  wohl  erklärbare  Lesart  yQecp.paz'  äXi- 
£/Aoj>a  in  integrum  zu  restituieren.  —  Fragm.  2,  2.  ist  die  Inter- 
pretation von  zr\v  avzrjv  xvfoKcc  beifallswerth:  illud  ipsurn  po- 
culum ,  quod  unieuique  apposilum  ab  o  ivo%6 co  repleri  sole- 
bat epotum.  —  Fragm.  26.  V.  4  lässt  Hr.  Sehn,  die  handsch. 
Lesart  tpaviv  unverändert  im  Texte  stehen,  ohne,  wie  sonst  sein 
Obeloszeichen  beizufügen ,  als  ob  dieselbe  irgendwie  erklärt  wer- 
könnte,  was  es  vor  allen  hätte  thun  sollen.  Ich  weiss  auch  jetzt  nichts 
Besseres  an  die  Stelle  zu  setzen  als  fpgovi.lv,  in  welcher  Beziehung 
ein  altes  Gesetz  der  Kreter  in  Piatos  Min.  e.  320.  der  Entwicke- 
lung  des  Sinnes  förderlich  ist:  (iq  övpjiivuv  dXXr,l.oig  ilg  [ti&tjv. 
—  r)v  avrr]  r}  evvovöicc ,  agniQ  tya  Xiya ,  diu  köyav  iTti 
naidiia  ilg  ccQizrjv.  — 

Hinter  Sokrates  folgt  gleich  Philetas.  Die  elegischen  Ue- 
berreste  des  Euripides  ,  Antimachos ,  Aristoteles ,  Krates ,  Theo- 
kritos  ,  Kallimachos  und  des  so  genannten  Aesopos  sind  ganz  un- 
berücksichtigt geblieben ,  was  dem  von  dem  Herausgeber  beab- 
sichtigten Zweck  schwerlich  entspricht.     Die  Conjectur  Philet.  2, 


Schneulewin  :  Dcleclus  poc»is  Graceoruin.  49 

1.  vvv  <5'  äkyt]  nitida  ist  eben  so  wenig  zu  hilligen  als  Fr.  Jacobs 
vvv  o'  akyo§  n.  Das  von  niöüio  abhängige  Object  nmss  im  vor- 
hergehenden,  fiir  uns  untergegangenen  Verse  gesteckt  haben. 
Fragm.  ">.  ziehe  ich  meine  Conjeclur  ccqeij}  lS,vi  auch  jetzt  noch 
Hrn.  Schneidewins  ccQiirjv  lEvv  vor,  und  zwar  hauptsächlich  wegen 
der  Aehnlichkeit  mit  der  Homerischen  Stelle  öd.  V,  231.  XI, 
Ö44.  7iiQi  ös  t,cövqv  ßäXet'  itvl.     Dagegen  billigen  w'w  Fragm.  9, 

2.  opag  statt  6u,(5g.  Eben  so  freut  es  uns,  dass  Hr.  Sehn,  des 
Phüetas  'Emiygäu^iara  für  fast  gleichbedeutend  mit  den  IJai- 
yvioig  hält,  ut  carminum  elegiacorum  frustula  videantur  esse.  Nam 
jion  possunt  insculpta  fuisse  liaec  carmina.  —  Fragin.  12,  1  miss- 
billigt Hr.  Sehn,  meine  Conjectur  xzoiovunt ,  wofür  er  das  un- 
sinnige tw  ov^oi  in  den  Text  setzt ;  aber  schon  0.  Schneider  hat 
ihm  sein  desfallsiges  Unrecht  vorgehalten.  Ob  mit  demselben  Ys. 
3  zu  lesen. sei  ovo'  dm)  [.loiQa  xccxcov  (xsksrav  (psgsT  ,  d.h. 
nicht  einmal  ein  Theil  der  bösen  Sorgen  verlässt  mich ,  sondern 
immer  halten  sie  an,  ütvöv  tv  yovvaGi  xiirui.  V.  4  kann  ich 
mich  iinmer  noch  nicht  von  der  Notwendigkeit  des  d*  nach  rof- 
6iv  überzeugen.  Der  Nachdruck,  womit  dieses  6iv  in  der  Cäsur 
des  Pentameters  ausgesprochen  werden  muss,  leiht  dieser  an  und 
für  sich  kurzen  Sylbe  gerade  liier  mehr  als  in  jeder  andern  Arsis 
die  Kraft  einer  Länge. 

sunsöa  xcel  xoTölv  [j    akka  itgogav^äviTai. 
womach  auch  Tyrtaeos  8,  6.  zu  schützen  ist: 

jujpag  vn    ccvyoclöiv   \[  ijfAioto  tpikas> 
Desgleichen  Hermesianax  2,  54. 

olvqQTqv  öovqiv  \\  xsxXiiisvqv  nargiöa. 

Fragm.  10.  hat  Hr.  Sehn,  eingeklammert,  weil  er  mit  Fiorillo 
glaubt,  Philetam  alius  potius  poetae  versiculo  rem  confirmasse 
quam  suo.  Sollte  er  aber  dann  nicht  den  Namen  dieses  andern 
Dichters  beigesetzt  haben?  Jedenfalls  würde  der  in  solchen  Din- 
gen sonst  sorgfältige  Athenaeos  ergänzend  nachgeholfen  haben. 
Das  grössere  elegische  Stück  des  Hermesianax  bietet  so 
viele  Schwierigkeiten  dar,  dass  es  der  Kritik  noch  lange  eine 
schwer  aufzuknackende  Nuss  bleiben  wird.  Wichtig  ist  eine  Be- 
merkung von  A.  Emperius  in  Zimmermanns  Zeitschrift  für  die  Al- 
terthumswiss.  1838 S.  819.  „Primum  hoc  moneuduui  est,  Her- 
mesianactis  carmen  aequabilem  stropharum  descriptionem  ha- 
bere. Constaut  autein  illae  strophac  e  tribus,  duobus  vel  qua- 
tuor  distichis,  et  certa  vicissitudine  inter  sc  respondent. t:  Et- 
was Aehnliches  findet  sich  im  Gesänge  des  Thyrsis  in  Theo- 
krits  erstem  Idyll  V.  (34  —  141.,  der  mit  einer  sechszeiligcu 
Strophe  anhebt,  dann  drei  dreizeilige,  fünf  fünfzeilige,  wie- 
der drei  dreizeilige,  fünf  fünfzeilige  Strophen  folgen  lässt,  und 
dann  zuletzt  mit  einer  scchszeiligen  schliesst.  Yergl.  G.  Hcr- 
N.  Jahrb.  f.  thil.  u.  Paed,  od.  hrit.  BiOl.  üd.  XWlIl.  Hfl.  I,       4 


50  G  r  i  e  c  h  i  8  c  h  c  L  i  t  e  r  a  t  u  r. 

mann  in  Zimmermanns  cit.  Zeitschr.  1838.  S.  227.  Bei  Herme- 
siauav  lässt  sich  vornherein  das  antistrnphischc  Yerhältniss  nicht 
•renau  hestimmen,  weil  das  Gedicht  ccxecpakog  ist.  Setzen  wir 
aber  vorerst  die  drei  ersten  Disticha  bei  Seite ,  so  stellt  sich 
unter  den  epischen  nnd  elegischen  Dichtern  zunächst  folgendes 
Yerhältniss  heraus:  den  vier  Distichen  des  Orpheus  (V.  7 — 14) 
entsprechen  eben  so  viele  des  Homeros  (V.  27  —  34),  dazwischen 
die*  Disticha  des  Musaeos  (V.  15  —  20)  und  Hesiodos  (V.  21  — 
20);  dann  folgen  mit  je  drei  Distichen  Miranermos  (V.  35  —  40) 
und  Autimachos  (V.  41  —  40),  von  denen  es  zweifelhaft  ist  ob 
sie  die  vorhergehende  Gruppe  besch Hessen  oder  eine  neue  be- 
ginnen sollen.  Letzteres  ist  wahrscheinlich.  Weiter  entsprechen 
sich  nun  Alkaeos  (V.  47  —  50)  und  Philetas  (V.  75  —  78)  mit  je 
zwei  Distichen,  Anakrcon  (V.  51  —  56)  und  Philoxenos  (V.  69  — 
74)  mit  je  drei  Distichen,  in  der  Mitte  stehen  Sophokles  und 
Euripides:  da  dem  letztern  4  Disticha  (V.  61  —  68)  zugetheilt 
sind,  so  ist  es  sehr  wahrscheinlich,  dass  eben  so  viele  dem  So- 
phokles zugedacht  waren ,  also  die  V.  60  befindliche  Lücke  aus 
zwei  Distichen  und  einem  halben  Pentameter  bestanden  haben 
muss.  Die  dritte  Gruppe  füllen  die  Philosophen  aus,  und  zwar 
so,  dass  der  allgemeinen  Betrachtung  (V.  79  —  84)  die  drei  dem 
Sokrates  zugetheiltcn  Disticha  (V.  89  —  94)  entsprechen,  endlich 
Pythagoras  (V.  85  —  88)  und  Aristippos  (V.  95  —  98)  mit  je 
zwei  Distichen  einander  gegenüber  gestellt  werden.  Hiernach 
wäre  die  Stropheneintheilung  festzusetzen. 

V.  3  stimmen  wir  Hr.  Sehn,  darin  bei,  dass  er  die  handschr. 
Lesart  aiteiüsa  nicht  durch  Hermanns  Conjectur  aatvdsa  ver- 
drängt hat ;  das  Epitheton,  w  elches  hier  der  Unterwelt  beigelegt 
wird,  kommt  eigentlich  dem  Hades  selbst  zu,  dagegen  entspricht 
V.  4  Hermanns  &6xvi}v  den  Schriftzügen  der  Codd.  dxotjV  weit 
mehr  als  Lenneps  xoivqv ,  welches  Hr.  Sehn,  aufgenommen  hat; 
warum  aber  jene  Form  vix  excusabilis  sein  soll,  dafür  ist  uns  Hr. 
Sehn,  den  Grund  anzugeben  schuldig  geblieben.  Das  Adjectivum 
ist  hier  nach  einer  ganz  gewöhnlichen  Aüraction  auf  I'cxutov  be- 
zogen, während  es  genau  genommen  als  Adverbium  mit  t'Xxsrca 
zu  verbinden  ist:  „Charon  zieht  unaufhörlich  die  Seelen  der 
Verschiedenen  in  seinen  Kahn. "  Unter  den  aufgezählten  Con- 
jeeturen  fehlt  Meinekes  xvavtjv  ad  Theocrit.  17,  48»  —  V.  10 
scheint  auch  uns  Emperius'  Conjectur  tlöe  statt  t]öl  höchst  glück- 
lich gewählt:  Cocytam  vidit  ad  cantum  suum  subridentem  (hm- 
fiSLÖtjöavtcc)  ,  quem  nefas  ridere.  cf.  Hymn.  in  Cer.  358.  —  V. 
25  sq.  schlägt  Hr.  Sehn,  vor:  näöag  6s  yoäv  uvsyQccipctTO  ßi- 
ßkovg  v/xrav.  Aber  was  soll  nun  ccvtQxo^isvog?  Will  man  nicht, 
wie  ich  früher  vorgeschlagen ,  caiccgxönsvog  lesen ,  so  ist  Empe- 
rius' Conjectur  evctQx6[i£vog  am  gelungensten,  so  dass  nun  das 
Ganze  folgende  Gestalt  erhält: 


Schncidewin  :  Delectus  pocsig  Graecoruni.  51 

itätiag  de  Xoyav  dvsygdi'ato  ßifiXovg, 
vpvav  ex  7tgviiTjg  natdog  ivagxö^itvog. 

Der  Grund,  weshalb  Huschke  V.  35  noXXov  dvarXdg  in  irokköv 
dvaxXdg  verändern  wollte,  ist  durchaus  nichtig:  man  vergleiche 
nur  Odyss  III,  121.  ndXa  noXXov  h>ixa  öiog'Odvöötvg.  Dage- 
gen führt  der  Artikel  im  ersten  Glied  xöv  tjdvv  —  i)%ov  von 
selbst  auf  Emperius'  Schreibweise  nv&vpcc  rö  ittvia^hgov  statt 
itvivy?  dno  tiivt.  Dass  V.  37  noXiog  auf  die  Holzfarbe  des 
Xaxög ,  nicht  aber  auf  das  Greisenalter  des  Mimnermos  zu  bezie- 
hen sei ,  darin  stimmt  auch  Hr.  Sehn,  uns  bei.  V.  30  emendirt 
Hermann  am  sichersten : 

öt'iyßr}  d'  EgpoßLOV  tov  dti  ßagvv  ijdi  <&£QExXr}V 
t^froöv  (iiGtjöag  oV  dvtnt^iv  sntj. 

i.  e.  Poenituit  eum  carminum  qualia  effuderat,  (juum  semper 
sibi  pravein  ' Hermobium  inimicumque  Pher erlern  odio  perseque- 
7  et  tu:  Wenn  hierzu  Hr.  Sehn,  anmerkt:  „At  de  iambicis  carmi- 
nibus  IMimnermi  non  constat:"  so  verwechselt  er  Welckers 
(Hhein.  IMuseum  1835  S.  143)  Ansicht  mit  der  Hermannschen, 
welche  von  Jamben  des  Mimnermos  kein  Wort  vorbringt.  Sollte 
denn  der  Dichter  seine  feindliche  Gesinnung  gegen  Hermobios 
undPherekles  nicht  auch  in  Distichen  haben  aussprechen  können? 
Zumal  wenn  sie  mit  Liebesverhältnissen  zusammenhing.  V.  47 
ist  IMitschcrlichs  Conjectur  dvidsi^nzo  durchaus  überflüssig,  da 
die  handschr.  Lesart  dvtöi^axo  einen  sehr  guten  Sinn  giebt.  — 
Zu  V.  55  ist  zu  bemerken,  dass  Paldamus  seine  Conjectur  ivv^i- 
vov  statt  tvoivov  in  Zimmermanns  Zeits  f.  d.  Alterthumsw.  1838. 
S.  1218  selbst  zurückgenommen  hat :  „  quum  vini  amor  tangendus 
esset,  id  repetitione  adiectivi  efficit  poeta  Alexandrinus,  qui  quo 
magis  ipse  quique  Alexandrini  vocantur  arte,  non  nativa  simpli- 
citatc  excellebat,  eo  magis  hacc  naturae  adminicula  adamabat. " 
Mvq'lov  lässt  sich  wohl  am  einfachsten  mit  Wenscli  in  MvGiov 
verbessern.  —  V.  59  lassen  sich  die  verdorbenen  Schriftzüge 
dytLQut&eictQSidog  am  sichersten  in  dvtyugt  &tagi8og  auflösen; 
die  hierauf  folgende  Lücke  aber  scheint ,  wie  wir  oben  wahr- 
scheinlich gemacht  haben,  grösser  zu  sein,  als  man  bisher  ver- 
muthet  hat;  an  eine  Ausfüllung  derselben  ist  daher  nicht  mehr 
zu  denken.  —  Sehr  geistreich  ist  Y.  62  Emperius'  Verbesse- 
rungsversuch : 

aal  Xctöftav  plöog  xtco(ibvov  Ix  Qvv6%av, 

so  dass  Euripides  sich  durch  seine  unaufhörlichen  Lästerungen 
den  Ilass  der  Frauen  zugezogen  habe.  Bedenklicher  schon  ist  V. 
09  dvSga  de  töv  Kv%igrfttv  dvidgitpav  noz  'A^r]vuL ,  so  dass 
von  Fhiloxenos  ausgesagt  würde  ,  er  sei  auf  Kythera  geboren ,  in 

4  * 


52  Griechische   Literatur. 

Athen  aber  aufgewachsen.  Auch  V.  74  dürfte  durch  den  zu  küh- 
nen Versach:  avkoig  nrjhjftfig  t.)]X£t  äjro7tgö  yooig  noch  lange 
nicht  geheilt  sein.  Treffend  hinwieder  wird  V.  90  also  restituirt: 
«Yfifdg,  tov  2Jixc<vrjs  slatöog  >jpaöaro,  nam  ITyccaris  oriunda 
Luis.  V.  98  jedoch  kann  ich  von  meinem  früheren  Vorschlage 
ovo'  aitkyjav  i%  EcpvQijg  tßia  nicht  eher  ablassen,  als  bis  neue 
Hilfsquellen  neues  Licht  verbreiten;  denn  hier  scheint  Emperius' 
Conjcctur  uvtpcov  i%tcp6ß}]<3t  ßt')],  nicht  auszureichen. 

Alexander  Pleur.  Fragm.  2,  .'$.  verharre  ich  bei  meiner  frü- 
heren Conjcctur  xarijveGccv  statt  des  unsinnigen  top  yvi6uv,  dem 
wenigstens  keine  Stelle  mehr  im  Text  gebührt.  Ueber  öiylov 
ist  nunmehr  auch  Boeckh  zu  vergleichen  in  den  metrologischen 
Untersuchungen  S.  49.  —  Fragm.  3,  8.  müssen  wir  auf  Hrn. 
Schneidewins  Seite  treten  und  (pkoiav  wieder  aufnehmen:  „re- 
ferenda  verba  ad  ipsum  parodum  Homericis  verbis  magnificis  ve- 
nustc  et  vafre  ad  res  vilissimas  abusum.u  Man  berücksichtige 
übrigens  auch  L.  Preller  ad  Polemonis  fragmenta  p.  82  sqq. 

Die  zweite  Hälfte  des  Buches  enthält  die  Bruchstücke  der 
iambischen  und  melischen  Dichter,  auch  am  Schlüsse  eine  Aus- 
wahl von  Skolien  und  Volksliedern.  Inzwischen  sind  auch  gehö- 
rigen Orts  die  elegischen  Uebcrreste  des  Archilochos,  Anakreon 
und  Simonides  eingefügt.  Doch  wollen  wir  hier  abbrechen  und 
mit  dem  Mantel  der  christlichen  Liebe  bedecken  was  in  der  An- 
merkung zu  Simonides  08,  4.  eben  nicht  Erbauliches  für  mich  zu 
lesen  ist,  wenn  es  mir  gleich  zu  voller  Befriedigung  gereicht, 
dass  gerade  in  dem  fraglichen  Punkte  G.  Hermann  mir,  nicht 
aber  Hrn.  Schneidewin  beistimmt.  Scheiden  wir  daher  in  Frieden! 

Fulda.  Dr.   N.  Buch. 


Antiphontis  orationes  XV.  Recognovit,  annotationem  cri- 
ticain  et  cnninientai-ios  adiccit  Eduardus  Maetsncr.  Berolini  ,  Pos- 
iianiac,    Bulgostiae,    formis  et  sumptiltus  E.   S.  Mittlen.     1838.     8. 

Die  Veranlassung  zur  vorliegenden  Ausgabe  scheint  zunächst 
der  Umstand  gegeben  zu  haben,  dass  sich  Herr  Mätzuer  im  Be- 
sitz der  Collatiou  einer  noch  nicht  benutzten  vortrefflichen  Oxfor- 
der Handschrift  befand,  durch  welche  er  sich  in  den  Stand  ge- 
setzt sah,  eine  neuere  und  sicherere  Textgestaltung  vorzunehmen, 
als  dies  bisher  möglich  war.  Diese  Handschrift  (mit  N  von  Hrn. 
M.  bezeichnet; ,  welche  nach  Hrn.  Cramers  Urtheil  aus  dem  14. 
Jahrhundert  stammt  und  demnach  leicht  die  älteste  der  vorhande- 
nen Handschriften  unseres  Redners  sein  dürfte,  möchte  für  Anti- 
phon keinen  geringeren  Werth  haben ,  als  £  für  Demosthenes, 
und  welleicht  eine  noch  sorgfältigere  Berücksichtigung  verdienen, 
als  ihr,  wie  wir  sehen  werden,  von  Hrn.  M.  zu  Theil  geworden 
ist.     Denn  nicht   nur,  dass  sie  fast  überall ,  wo  die  bisher  als  die 


Anti;)huutis  orationcs  cd.  .Mucfzner.  53 

besten  anerkannten  Handschriften  (AB  bei  Bckker)  von  den  an- 
dern schlechtem  (LZ  und  M)  abweichen,  mit  jenen  überein- 
stimmt; sie  giebt  auch  häufig  allein  das  Richtige,  bestätigt  an 
vielen  Stellen  Lesarten,  die  als  nothwendig  erkannt  ohne  hand- 
schriftliche Auctoritä't  in  den  Text  gesetzt  worden  waren,  füllt 
mitunter  Lücken  aus,  erkannte  wie  unerkannte,  und  weicht  na- 
mentlich oft  in  der  Wortstellung  von  allen  übrigen  Handschriften 
ab,  aber  in  einer  Weise,  dass  sie,  wie  Hr.  M.  p  XV.  sagt,  aul 
Vitium  apertum  t.ollut  mit  sententiam  adiuvet  out  ce/te  ejj'iciat 
ut  numeiosius  cailat  oratio.  Mit  diesem  Urtheilc  stimmen  die 
neuesten  Herausgeber  der  attischen  Redner  *) ,  die  Herren  liai- 
tcr  und  Sauppe,  welche  die  vorliegende  Specialausgabe  leider! 
nicht  mehr  benutzen  konnten,  nicht  ganz  übereiu:  atque  est  ille 
Über,  sagen  sie  praef.  p.  II  ,  bonae  quidem  notae,  sed  ut  ad  ean~ 
dem  familiam  pe/tineai ?,  ad  quam  Codices  itostii  omites  (dies 
kann  zugegeben  werden,  ohne  dem  Werthe  dieser  Handschrift, 
welche  die  erste  und  vorzüglichste  in  dieser  Familie  ist,  zu  nahe 
zu  treten,  wiewohl  es  unsres  Bcdünkens  daraus,  dass  sie  mit- 
unter oder  auch  häufig  dieselben  Verderbnisse  wie  die  übrigen 
Codices  zeigt,  noch  nicht  mit  INothwendigkeit  folgt),  et  mulla 
faciunt  suspicionem^  a  sciiba  docto  illo  et  ingeuiosu  int  ei  dum 
idem  factum  esse,  quod  in  Lysiae  codice  lum  enliano  saepis- 
sime  factum  esse  infia  ridebimus,  und  zum  Deleg  dieses  Urtheils 
werden  zwei  Stellen  angeführt,  die  gerade  das  Gegenthcil  bewei- 
sen, I,  19.  TJutrsgag  (so  N  für  tßijg)  und  IV,  a,  2.  dt,ito#ivzog 
für  cii-iu&elg.  Beim  au  jener  Stelle  (ovnco  yäy  gj£a  vnö  xt,g  Litj- 
T.QVLag  xijg  ijumoorg  i^aTraxcoukvif)  würde  es  keinem  noch  so  ge- 
lehrten Abschreiber  in  den  Sinn  gekommen  sein,  ijtnxtgug  zu 
setzen,  wenn  er  ipijg  vorfand,  da  er  aus  dem  Vorhergehenden 
wissen  musste,  dass  es  die  Stiefmutter  des  einen  Anklägers,  die 
rechte  Mutter  seiner  Brüder  war;  aber  wohl  konnte  ihn  grade 
dieser  Grund  bestimmen,  das  vorgefundene  i^iaxtgag  in  i^t'jg  zu 
verändern,  zumal  da  gleich  darauf  tw  de  tkxtql  reo  rjp,txegoj 
folgt,  weshalb  sich  an  dieser  Stelle  gerade  die  Güte  dieser  Hand- 
schrift zeigt.     An   der  andern  Stelle  hebt  diese  Handschrift  durch 

*)  Unterzeichneter  erlaubt  sich  bei  dieser  Gelegenheit,  die-  bei- 
den Herren  Herausgeber  auf  eine  luconscijuenz  aufmerksam  zu  machen, 
welche  der  Verdien?tlichkeit  ihres  Unternehmens  Abbruch  thut.  Sic 
erklären  in  der  Ycrrcdc:  itaqve  intelligent  um  est,  quod  opud  nos  le»u- 
tur  aut  esse  in  coilicibus  out  quo  nuetore  le«ulur  in  tuliwtutioiiibns  cxplicaii. 
Dieser  lobcnswerlbe  Grundsatz  ist  aber  leider!  nicht  durchgeführt. 
Itcc.  bat  allein  in  der  5.  Hede  Antiphons  fünf  Stellen  gezählt,  wo 
eine  Conjeetur  im  Texte,  steht,  ohne  ducs  der  Leser  davon  avcitirt 
wird:  §  29.  xi  al^cc.  -48.  rw  tf.ivQtQov»  DO.  öimeatvs.  1)1.  ini  tat, 
üb*,  iäv  xi% 


54  G  r  i  c  c  li  i  s  c  h  e  L  i  t  e  r  a  t  u  r. 

eine  überraschend  einfache  Verbesserung  ein  bisher  ungeheiltes 
Verderbniss  auf.  Die  Vulgata  hat :  o6zig  ovv  zovzav  vno  xov 
Qiov  ä!~i<D&t'ig  tov  ßlov  Tjuäv  dvö^iag  ztvä  dzonzilvfv.  Reiske 
schlug  dnoGxiQH  für  änoxTtlvsi  vor,  Herr  Baiter  will  zov  ßlov 
getilgt  wissen;  beide  bedachten  nicht,  dass  dann  rjpt(ovy  welches 
Wortstellung  und  Sinn  mit  ztvä  zu  verbinden  verbietet,  unerklärlich 
bleibt.  Unsre  Handschrift  giebt  nur  äl-iG)dsvzoc,  eine  Verbesserung, 
bei  der  man  sicli  wundert,  dass  mau  nicht  selbst  darauf  verfallen  ist, 
und  wodurch  die  Stelle  sicher  und  vollständig  geheilt  wird.  Wer 
will  nun  hierin  die  Emendation  eines  gelehrte«  Abschreibers  se- 
ilen, namentlich  wenn  er  bedenkt,  wie  leicht  die  Corruption  aus 
paläographischen  Gründen  war,  und  wie  leicht  ein  Abschreiber 
sich  verleiten  lassen  konnte,  das  Particip  auf  das  eben  vorherge- 
gangene ööztg  zu  beziehen.  Wir  glauben  daher,  dass  die  Hand- 
schrift auch  hier,  wie  au  so  vielen  Stellen,  die  echte  Lesart  giebt 
und  loben  es,  dass  Hr.  Hl.  keinen  Anstand  genommen  hat,  <xt,ia- 
Kiivxog  in  den  Text  zu  setzen,  nur  mnsste  er  sich  freilich  vor  der 
durchaus  fehlerhaften  Intcrpunction  hüten  *)  und,  wenn  er  ein- 
mal die  Genitivi  absoluti  in  Commas  cinschliessen  wollte ,  das 
zweite  Comma  nach  rjuäv,  nicht  nach  ßlov  setzen.  Indem  wir 
also  noch  keinen  Grund  sehen,  unsere  Ueberzeugung  von  der 
Vortrefl'lichkeit  dieser  Handschrift  zu  modih'ziren  und  tue  verspro- 
chene gegentheilige  Beweisführung  der  Herren  Baiter  und  Sauppe, 
die  wir  hoffentlich  in  einem  der  nächsten  Bände  ihrer  Oratores 
attici  erhalten  werden,  abwarten  müssen,  wollen  wir  zur  Bestä- 
tigung unsrer  Ansicht,  sowie  zugleich  zur  genauem  Würdigung 
des  kritischen  Verfahrens,  welches  Hr.  IM.  eingeschlagen  hat,  die 
erste  Bede  Antiphons  in  kritischer  Hinsicht  genau  durchnehmen. 
Wir  bemerken  vorher  noch,  dass  Hr.  M.  auch  die  Varianten  der 
übrigen  von  Bekker  und  Dobsou  verglichenen  Handschriften,  der 
Ausgaben  und  der  Citate  bei  Grammatikern,  Lexikographen  etc., 
sowie  alle  ihm  bekannt  gewordenen  Verbesserungsversuchc,  unter 
diesen  freilich  auch  manche,  welche  billiger  Weise  der  Verges- 
senheit hätten  übergeben  werden  müssen,  unter  dem  Text  zusam- 
mengestellt, und  dadurch  einen  möglichst  vollständigen  apparatus 
criticus  geliefert  hat.  Der  Commentar,  in  welchem  auch  das  kri- 
tische Verfahren  seine  Rechtfertigung  findet,  steht,  wie  in  der 
Ausgabe  des  Lycurg ,  hinter  dem  Text. 

Um  nun  auf  cod.  N  zurückzukommen,  so  ist  dieser,  abgese- 
hen von  den  paar  Stellen ,  wo  er  einen  Fehler  mit  AB  theilt  (au- 
1%  für  ctvxrjg  §  15,  0.  avzüv  12,  8.  18,  4.  gehört  nicht  dahin), 
nur  an  folgenden  Stelleu  offenbar  durch  Schreibfehler  oder  sonst 


')  und  auch  vor  der  Bemerkung:  verbum  anoKTBt'vsi  ad  aecusa- 
torcs  polissimum  respiiit ,  qui  in  causa  sunt  ut  rei  capitis  poenam  ha- 
bcant,  weil  man  sonst  glauben  inusa,  dass  er  die  leichte  Stelle  misa- 
vcr«tnnde'n  halte. 


Antiiiliuiuis  orationcs  cd.  Muctziier.  55 

wie  mehr  oder  weniger  entstellt:  argum.  5.  xolv  a  koytjöoftivtjg  dl 
tavxtjg  xijv  nakkaxiqv  (f.  xy  nakkaxij).  Ibid.  xal  pydli'.xaiöitt 
xö  [irjdh  or.  §  3.  dntikynfii'vG)  f.  aTcoktkiinfiirtp.  4.  r]v  nol  für 
ij  not.  0.  jrgov9v{it}&t]v  für  Jigovdvntföq.  7.  näg  ovv  — 
ildsvat  ausgelassen.  8.  dvxopaifxo  x  6  g  (für — xeog).  16.  i&s- 
ktjöoi  für  iiteA^öSi.  17.  l%vxo  für  m#uro.  —  ryg  Kk.  für  TJ?g 
ÄA.  23.  qdixy]xe  für  qdtxyxsvi  eyto  für  tycu  ö'.  24.  ijdixyös 
zweimal  für  rjdtxrjxe,  xavxt]  für  xavxy,  25,  3.  xalroi  für  xal 
(durch  das  vorhergegangene  xaizoi  veranlasst).  25,  0.  ?jd)j  y  ovv 
f.  rjÖt]  ovv  eya.  26.  ag  y  f.  og  y.  —  xikivovöa  für  xfAtuöftöa. 
27.  ot>Y  rjgaag  (für  ouir'  ^')  29.  yivciöx o v öi  f.  yivw'öxcoöf.  — 
/XKOtvoö vxav  für  pagxv'govxai.  30.  «V  onokovviai  für  ö^oA- 
Awrat.  31.  öc  Sujyytui  (dtdirjyqxai,?  vgl.  Bnttm.  §  80.  Aiun.  6. 
**)  für  diijyyxca.  Zwei  Stellen,  wo  A7  allein  nicht  elidirt  (dg 
txovoiag  §  5.  und  t«  tTtoioviro  §  18.),  kommen  hier  nicht  in  Be- 
tracht. Dagegen  gieht  diese  Handschrift  an  folgenden  Stellen  (wir 
zählen  vor  der  Hand  blos  diejenigen  auf,  an  welchen  Hr.  3J.  der- 
selben gefolgt  ist)  allein  das  Richtige  oder  wenigstens  das  Bessere : 
gen.  Antiph.  p.  1,  11.  aöxs  Neörcog  iTitxcdiito  (für  ixakslro). 
argum.  sv  nofiaxt,,  was  die  Lesart  des  A  pr  Iv  ncöpaxt,  welche 
Hr.  M.  für  die  vulg.  iv  axjicofiaxi,  aufgenommen  hat,  bestätigt. 
Bei  Antiphon  selbst  hätte  iv  nöfiari  geschrieben  werden  können. 
S.  Schneider  zu  Piatos  Rep.  3,  40ti.  A.  —  or.  §  4.  jrpog  tiWg 
ovv  El&y  xig  ßoydovg,  wie  Bekkcr  in  der  Berliner  Ausgabe, 
aus  seiner  JNote  (hkftoi  libri  omnes.)  zu  schlicssen,  setzen  wollte; 
für  ik&oi ,  was  auch  die  Herren  B.  S.  beibehalten  haben,  müsste 
es  wenigstens  äv  sk&oi  (so  wollte  Dobree)  heissen.  —  §  7.  ftry 
yag  opükoyovvTttv ,  wie  Bekkcr  ebenfalls  nach  Conjcctur  ge- 
schrieben hatte,  für  ftlv  yag  öp.,  wie  die  übrigen  Handschriften 
geben,  oder  «>)  6(i.  yag,  wie  die  Vulgata  hat.  —  Ibid.  jj#i- 
kijös  noirjöaööca  tkty%ov  für  rjxttkr^tv  tk.  ir.  —  8.  ort  ov% 
oiöv  x'  i)v  avxi]v  (für  avxy)  tuoüijvca.  —  9.  xavzqv  xb  (wie 
auch  A  gehabt  zu  haben  scheint)  für  xavxtjv  (Bekk.)  oder  xal 
xavrtjv  (vulg.)  —  10.  infgazcöfii,,  wie  bereits  Reiske  geschrie- 
ben hatte,  für  inegcoxcö  fit].  —  Ibid.  avro  /uot  tolto,  wie 
Reiske  \ermuthet  und  Bekker  geschlichen  hatte,  für  avzö  /uot 
XOUtQVh  —  11.  änriyytky)}] ,  wie  Reiske  vermuthet,  für  ijtijy- 
yikdrj.  —  Ibid.  ßaöaviöat,  avx  f.uoü  für  üvi  ifiov  ßaöavt- 
ö«t,  an  welcher  Stelle  Hr.  M.  such  die  Iiiterpunctiou  verändert 
und  die  Worte  lyco  yag  tifit  —  avx  fuot)  in  Parenthese  ge- 
setzt hat.  Damit  stimmt  aber  seine  eigne  Erklärung  S.  130.  nicht 
überein.  Denn  wenn  zu  vvv  dt  Etwas  wie  ov%  ovrog  tyu  hinzu- 
gedacht und  nicht  vielmehr  ijuot  biyaov  damit  verbunden  werden 
sollte,  so  durfte  nach  ßaöavioat,  avx'  c.uoü  kein  Parenlhescnzei- 
chen,  sondern  es  musste  eine  grössere  Iiiterpunctiou,  ein  Colon 
stehen;  denkt  man  sich  aber  ovy  ovtag  £$«t  hinzu ,  so  ist  auch 
das  rarenthesenzeichen  vor  tyu>  so  unnöthig,  wie  es  bei  cdla.  yag, 


56  Griechische  Literatur. 

das  denselben  Ursprung  hat,  gradezu  falsch  sein  würde.  —  Ibid. 
rwxd  tccvtcc  für  tccvtcc  avxtx.  —  §  16.  i^iBkkev.  xäkktöxov 
für  h'uskkf.    xükkiGxov.  —     Ibid.  iöoxu  tivcu  für  üvai  lööxu. 

—  18.  Trag  dvdgl  sxcclgco  ccvxov  (ccvxov  fehlt  in  den  übrigen 
Handschriften  und  Ausgaben).  —  20.  ovdsv  ccixicc,  wie  man  nach 
Conjectur  von  Stephauus  geschrieben  hatte,  für  ovo'  ivavxia 
(ovo  iv  cdxicc\.).  —  21.  vficäv  detjäopca  für  derjöoficci  vtiäv. 
■ —  Ibid.  iyd  ph>  ys  für  syco  just/rot,  wie  die  übrigen  Hand- 
schriften, oder  lya  ft£t>,  wie  die  Ausgaben  haben.  —  22.  d&s- 
fiircc  xa\  dvoöicc  f.  d9s[tiTa.  - —  Ib.  avxovg  sxgfjv  *•  *%QVV  «v'rovg. 

—  26.  nngd  xs  dvSgl  (pikco  ccvtov  f.  nagd  xs  dvögl  ccvxov  tpika. 
Hr.  M.  hat  natürlich  ccvtov  drucken  lassen.  —  27.  ül6fV#9t$&a 
ovxs  Öf/öaö'  dirojkeGtv  für  raö^vi  #aöa  r*itt6).z6iv.  Hr.  M.  hat 
darnach  mit  Recht  cclöx-  ovöe  dsiGaöa  ditfoktötv  geschrieben. 
Zu  den  Stellen,  welche  im  Commentar  zur  Hechtfertigung  dieser 
Verbindung  angeführt  werden,  kann  man  noch  Aeschines  1,  180. 
ovg  Ixüvol  xcci  ccl6%vvovxai  xal  ösdlccöt,  hinzufügen.  —  29. 
ngiv  y  TJdq  ev  ccvxä  wöt  ia  xccxä  für  ng\v  iv  ccvxti)  aiöt  xiö 
xccxa  y  ijÖtf.  Eine  so  ansehnliche  Zahl  von  Stellen,  an  denen 
diese  Handschrift  entweder  das  allein  Richtige  allein  bietet,  oder 
doch  Lesarten  giebt ,  die  sich  gleich  beim  ersten  Anblick  als  vor- 
züglich empfehlen,  muss  ein  gutes  Zutrauen  zu  der  Handschrift 
erwecken,  und  wir  glauben,  dass  dieselbe  es  verdiene,  noch  an 
folgenden  Stellen  berücksichtigt  zu  werden,  gen.  Antiph.  p.  1,  8. 
ort  tiijde  y}V  itä  tig  to  xs  (i.  e.  xöxs)  fjnjxs  koycav  nyxe  xs- 
%väv  gqxogixcyv  övyygcccpsvg  —  or.  §  3.  xai  fii]  ccna%,  dkkä 
nokkdxig  ijörj  kqcpdeiöav  für  dkkd  xai.  —  §  6  xal  ov  tovrd 
y  sgü,  <yg  ev  oiösv  ort  y  ovx  ditsxxeivev  (für  ort  ovx 
dusxxstvsv).  Hier  stimmt  A  mit  N  überein,  und  der  Sinn  em- 
pfiehlt diese  Lesart  (rag  xo  ye  (ttf  dnoxxslvat  xqv  firjxega,  xov- 
xo  tv  oiÖti>).  An  ort  ys  zweifelt  jetzt  (vgl.  Schneider  zu  Xe- 
noph.  Hellen.  I,  7,  6.)  iNiemand  mehr,  eben  so  wenig  daran,  dass 
die  Partikel  ys ,  wie  bei  cilg  ys ,  s'iys  und  Aehnlichem,  nicht  die 
C'onjunction,  sondern  den  ganzen  Satz  alficirt.  Vgl.  Schneider  zu 
Plato's  Kep.  IV,  p.  435.  E.  VIII,  p.  543.  B.  -  §  10,  1.  did  ovv 
xavxoc  eya  ßdöavov  rot  ccvztjv  (d.  i.  ßdäccvov  xoitxvxijv)  jJO'e- 
krjött  7toirtöaö&at,  nsgl  avxoäv.  Die  ganze  Stelle  gewinnt  durch 
diese  Lesart:  ein  solches  Verhör,  nämlich  bei  dem,  weil 
es  sich  blos  auf  die  eben  angegebenen  den  Sklaven  bekannten 
Thatsacheu  beschränken  sollte,  die  darauf  bezüglichen  Fragen 
schriftlich  aufgesetzt  waren:  ade  ßaGavlöui  y&skijöcc ,  ygätyccg 
xxk.  Vgl.  zu  V,  36.  Kühner  Gr.  Gr.  §  663.  XI.  Die  ganze  schwie- 
rige Stelle  aber  verlangt  nach  meiner  Meinung  eine  andere  kriti- 
sche Behandlung,  als  ihr  Hr.  M.  hat  angedeihen  lassen  *).  Gleich 

')   Diese  Rccension  war   zum  grössten  Tbeil  bereits  geschrieben, 
ehe  jeh   den   ersten  Band  von   Baitcr  und  Saunpc's   oratt.  att.  erhielt. 


Antiphontts  erationcs  cd.  Mactzncr.  57 

die  ersten  Worte:  tovto  psv  yag  ffttÄqo'ctuw  xa  xovxcav  dv- 
dgänoda  ßct6ccvi<Sai  §  9.  können  nicht  richtig  sein.  Dass  an 
roiJro  piv  ohne  ein  xovxo  ös  kein  Anstoss  zu  nehmen  sei,  be- 
merkt zwar  Hr.  31.  richtig,  nach  dessen  Meinung  ßa<5avt6räg  ö  8 
avxovg  xovxovg  sxsKzvov  yivtödat  das  entsprechende  Glied  ist. 
Den  Plural  rjdslijöapsv  erklärt  Hr.  M.  durch  ego  et  flwwi,  und 
fügt  die  sonderbare  Bemerkung  hinzu  :  plurale  verbum  etsi  alie- 
mttn  est  ab  huius  causxie  more ,  sine  idonea  causa  in  Bakii  in- 
currit  reprehensionem  ;  denn  wenn  jenes  ist,  so  hatte  Bake  wahr- 
lich genügenden  Grund  am  Plural  Anstoss  zu  nehmen.  Und  der 
Plural  ist  wirklich  alienus  ab  hac  caussa.  Unser  Ankläger  bedient 
sich  sonst  immer  des  Singulars,  er  hat  keinen  gerichtlichen  Bei- 
stand (vgl.  §  4.),  trotz  der  unerwiesenen  Behauptung  des  Herrn 
Mätzner:  etenim  et  accus atori  et  reo  praesto  sunt  cognali 
atque  amici,  quos  oratione  simul  comprehendere  söhnt  S.  128. 
extr.,  und  wenn  der  Ankläger  hier  den  Plural  brauchte,  so  mussle 
er  auch  gleich  darauf  bei  der  Wiederholung  dieser  Worte  iföiXij- 
öccpev,  nicht  ydskrjöcc  sagen.  Antiphon  schrieb  wahrscheinlich: 
tovto  piv  yag  rj&elijöa  psv  xä  xovrav  ttröganoöa  ßa6avi- 
tfai,  —  ßaönviörag  Ös  vmovg  tovrovg  i*iktvov  ylyvtti&ett, 
was  durch  §  11.  bestätigt  wird:  lya  ycig  dpi  tovto  piv  6  &s- 
Xcov  avto'g  ßccöaviöxrjg  ysvsGxfcn^  tovto  öi  Tourofg  avxovg 
xeltveov  ßuo'aviQ'ai  avx  spov.  Für  tovto  piv  müssen  wir  nun 
ein  anderes  entsprechendes  Glied  suchen,  und  wir  glauben  es  in 
dem  Gedanken,  den  Antiphon  zu  Anfang  des  §  11.  in  anderer 
Form  ausdrückt  und  jetzt  ausdrücken  inusste,  gefunden  zu  ha- 
ben: „denn  in  dieser  (der  einen)  Hinsicht  (roüro  piv  mit 
Beziehung  auf  das  Vorhergehende  vg  ovx  -^dikrjös  öarpiög  nv- 
ftko&at  spov  %s\ovxog  xrj  öixaioxaxi)  ßttGavqt  j^jyGXJfttti 
jisqi  xovxov  xov  Tcgccypaxog ,  also  damit  die  Wahrheit  offenbar 
werde)  wollte  ich  die  Sklaven  peinlich  befragen 
oder  sie  von  meinen  Brüdern  befragen  lassen;  eine 
andere  Hinsicht  war,  dass  ich  eine  etwaige  Wei- 
gerung von  Seiten  meiner  Brüder  als  Beweis  für 
die  Richtigkeit  meiner  Behauptung  brauchen 
konnte.  Im  Folgenden  stimmen  wir  Hrn.  M.  bei,  wenn  er  den 
Optativ  ärayxü^oi  für  das  handschriftliche  avayxät,u  verthei- 
digt,  weil  uns  nicht  sowohl  der  Iudicativ  iu  der  Apodosis 
nach  dem  Optativ  mit  sl  (Kühner  Gr.  Gr  §  819.  b),  als  vielmehr 
der  Uehergang  in  die  oratio  reeta  selbst  hier  anstössig  ist ;  der 
Satz  erhält  nämlich  dadurch  (auch  durch  das  Futurum  clvuyxäöti, 

Mein  zufälliges  Zusammentreffen  mit  Hrn.  Sauppe  in  der  Emcndation 
dieser  Stelle  mag  vielleicht  Etwas  zur  Empfehlung  derselben  beitra- 
gen. Deshalb  Hess  ich  diesen  Theil  meiner  Reccnsion  unverändert, 
wie  ich  ihn  vor  Erscheinen  der  neuen  Ausgabe  der  Redner  abgefasst 
hatte,  abdrucken.  Fr. 


58  G  r»  ecliis  che  Li  tc  rata  r. 

weich«  Hr.  M.  in  diesem  Fall  für  nothwendig  hielt,  das  Anschn 
einer  allgemeinen  Sentenz,  wie  in  den  folgenden  Worten  avxtjydg 
—  7ioiq<5ai,  während  doch  nur  von  einer  früher  gehabten  nicht 
erreichten  Absicht  die  Hede  sein  kann.  Der  Optativ  wird  noch 
durch  iva  bedingt.  rH  öixt]  steht  aber  in  keiner  Handschrift  und 
war  deshalb  mit  Recht  von  ßekker  eingeklammert  worden.  Herr 
Bf.  hat  die  Klammern  hinweggethau,  und  erklärt  -q  öixq  durch 
lustilia:  die  Göttin  der  Gerechtigkeit  sei  bei  dem  peinlichen 
Verhöre  zugegen  und  zwinge  die  Befragten  zürn  Gestäudniss  der 
Wahrheit.  Uns  scheint  dies  der  antiken  Vorstell ungsweise  sehr 
fern  zu  liegen.  Die  Folter  ist  es,  welche  das  Gestäudniss  der 
Wahrheit  erpresst,  nicht  die  Göttin  der  Gerechtigkeit.  Da  nun, 
wie  Hr.  M.  selbst  zugiebt,  rj  ßecöai'og  aus  dein  Vorhergehenden 
supplirt  werden  kann  (die  Herren  B.  S.  haben  [q  ßäöavog]  statt 
[q  öixrj]  in  den  Text  gesetzt),  so  ist  wohl  nicht  zu  zweifeln,  dass 
7}  dlxq,  was  in  keiner  Handschrift  steht,  als  Glossem  zu  streichen 
war.  Die  Worte:  ivcc  pq  dvayxutppavoi  a  ayco  anagcozüpi  kä- 
yoiav  erklärt  Hr.  M.  grammatisch  wohl  richtig:  ne  vi  coaeli  ad 
ea  omnia  responderent  quae  ego  interrogalurus  essein ,  nur  be- 
greift mau  nicht,  was  das  Citat:  Aristot.  Itket.  III,  14.  p.  1415. 
ßelik.  ol  dovkot,  ov  zu  agazwpava  käyovöiv  txkku  zu  xvxkco 
xul  ngooipiä^ovzat,  soll.  Denn  wie  der  Gegensatz  dkk'  a^qgxat 
xzk.  zeigt,  so  ist  der  Sinn  unserer  Stelle:  damit  ich  nicht  wie  und 
was  ich  wollte  fragen  und  mir  durch  Hilfe  der  Tortur  die  ge- 
wünschte Antwort  verschalfen  könnte.  Die  Worte:  ij  kiyoiav 
pr)  opokoyovpavu  hat  aber  Hr.  Klotz  ganz  richtig  erklärt:  et  ea 
nou  dicant  quae  ego  sr.ripsera/n,  und  Hr.  AI.  hätte  diese  Erklä- 
rung ja  nicht  antasten  sollen;  es  ist  hier  eben  so  wenig  de  servis 
inier  se  dissentientibus  die  ltede ,  als  §  7.  pr)  yocg  opokoyovv- 
xav  xäv  avdgccTtööav  xzk. 

Um  aber  wieder  auf  cod.  N  zurückzukommen,  so  war  aus 
ihm  §  12.  al  yug  xovxav  dtkövzav  (für  aüakövzwv)  ötdövcu  alg 
ßüöccvov  ayco  pq  eda%dpqv  zu  schreiben,  vgl.  §  20.  adv  vpalg 
ts  xal  ol  &aoi  ^äkcoßiv;  denn  die  Kegel,  dass  tiakco  nach  einem 
Vocal,  afttkoi  nach  einem  Consonanteu  zu  schreiben  sei  (zu  Ly- 
kurg S.  213.),  hat  Hr.  M.  wohl  aufgegeben.  Für  tya  pq  bieten 
die  anderen  Handschriften  eya>  ös  pq.  Ebenso  giebt  N  in  der  er- 
sten Tetralogie  ß,  4.  al  yag  xovrav  avuixlcav  doxovvxcov  aivav 
av  apol  xddiKqucc  (puveixai,  zovzav  vnöitzcov  vvzav  ayoj  ccv 
alxoxog  xaftugog  öoxoiqv  alvai,  während  die  anderen  Hand- 
schriften aya  d'  äv  bieten.  An  beiden  Stellen  hat  der  vorsichtige 
Bekker  de  weggelassen  (ebenso  die  Herren  B.  S.)  ,  denn  dieser 
Gebrauch  der  Partikel  öä  ist  durch  die  ähnlichen  aber  nicht  glei- 
chen Beispiele,  welche  augeführt  werden  (siehe  M.  S.  136.,  wo 
drei  Stelleu  gegeben  werden,  von  denen  zwei:  Lys.  in  Alcib.  I, 
§21.  und  Plutarch.  Themist.  21.  gar  nicht  passen) ,  keineswegs 
ausser  allen  Zweifel  gesetzt.     Hier  musste  wenigstens  Hrn.  Mätz- 


AnüphontU  orationes  ed.  Mactzner.  59 

ner  das  Ansehen  der  besten  Handschrift  gegen  die  Liebe  zum 
Seltsamen  schützen.  —     §  13.  dkk'  ov%  v^slg,  a  uvdgtg'   für 
aAA'  ov%  vfxiig  ys,  ci  ävögsg,  wie  auch  §  23.  toutou  avfxa  für 
tovxov  ys  äv&xcc.  —     Von   §  19.    rj^Etigag  für  ifirjg   ist  oben 
gesprochen  worden.  —     §  22.  giebt  JV:  i]6rj  ovv  iv  vuiv  löte 
xov  og&iog  ötccyvcovcti ,    o  xu\  itoiiqöats  für  tjörj  ovv  iv  vpiv 
xovxö  iötiv  ogdcog  diayvävai,  o  xal  Inoirjöaxt.     Hiernach  ist 
rjörj  ovv  iv  vplv  iözi  xovt    6g%ag  öiayvävcu*  o  xal  noirjöaxe 
zu  schreiben.     Der  Imperativ  jroi^tfars,  den  Bekkcr  und  Dobree 
vermutheten  [er  ist  von  den  neuesten  Herausgebern  im  Text  auf- 
genommen], ist  unbeweisbar;  was  Hr.  M.  dagegen  bemerkt,  ist 
nicht  stichhaltig.     Denn  dass   dadurch  der  vorhergegangene  Ge- 
danke wiederholt  werde ,  ist,   wie  Jedermann  sieht,  unwahr.  Die 
Erklärung  aber,  die  Hr.  31.  vom  Iudicativ  giebt:  aoristum  polius 
de  re  udkibitum  esse  censeo,  quae  quamquam  nondum  peifecta 
est,  tarnen  non  posse  non  evenire  cieditur:  Ha  vt  aninii  fidu- 
ciam  hac  voce  declarasse  statuam  oratorem ,  möchte  er  selbst 
schwerlich  vertheidigen  wollen,  noch  möchte  Hr.  Kühner,  dessen 
Grammatik  II.  p.  78.  (§  443,  2  )  angezogen  wird,  dieselbe  in  Schutz 
zu  nehmen  geneigt  sein.     Natürlich  ist  unter  den  ungleichartigen 
Beispielen,  die  sich  an  der  angezogenen  Stelle  zusammengestellt 
linden,  auch  nicht  eins,  welches   mit  unserer  Stelle  nur  einige 
Aehnlichkeit  hätte.  —     §  23.  giebt  AT:  vn\g  nyrgog  xrjg  avtov 
£,a6t]g  —  vneg    nargög  ftou   xz%vtüxog   für  vnig  xrjg  prjtgcg 
tijg  avtov  [avtov  M.  u.  B.  S.]  £cJö>;s  —  vntg  tov  jraroo'g  pov 
xt%viäxog.     Der  Sinn  gewinnt  offenbar  durch  jene  Lesart,  sobald 
man  nur  einen  Schritt  weiter  geht  und  für  ^ou,  wofür  Z  xov  hat, 
xovfiov  schreibt.     Endlich  Mar  auch  §  2f>.  xov  eavtije  ävöga  für 
xov  avtrjg  ccvdgcc  aus  N  aufzunehmen.     j\ur  ein  Mal  hat  Hr.  M. 
Unrecht  gethan  dieser  Handschrift  zu  folgen,  nämlich  §  12.  omog 
avxäv  p.rj  xataxpr](pics6xf£  für  ojeag  avtav  ju;  xuturl>r]<pi(}r]G!di. 
Die  kleine  Zahl  der  Beispiele,  welche  man  von  dieser  Form  aus 
attischen  Schriftstellern  anführt,  muss  schon  misstrauisch  gegen 
dieselbe  machen,  noch  mehr  aber  der  Umstand,  dass  dieselben 
nicht  einmal  überall  sicher  sind.     Hr.  31.  ma<r  nur  die  kritische 
Sicherheit  der  von  Lobeck  zu  Phrynichus  S.  74(5.  gegebenen  Bei- 
spiele genauer  untersuchen  und  das  beherzigen,  was  ein  compe- 
tenter  Richter,  Hr.  Krüger,  in  diesen  Jahrbb.  XXII,  1.  über  diese 
Formen  bemerkt  hat.     Noch  mehr  ist  es  zu  tadeln,  dass  Hr.  31. 
VI,  10.  ort  ovx  äv  xaxcul>r]<pl6eG~&s  ot>t'  äv  a7io^t](pi6f6&s  ge- 
schrieben und  dadurch  unsrer  Ueberzcugung  nach  drei  Fehler  in 
die  Stelle  hineingebracht  hat:  1)  die  ungebräuchliche  Futurform, 
gegen  welche  hier  schon  das  Schwanken  der  beiden  besten  Hand- 
schriften, welche   an  der  zweiten  Stelle  den  Conjunctiv  des  Ao- 
rists (u7toipt]cpl6rjO&i)    geben,   argwöhnisch  machen  musste;  2) 
die  Construction  der  Partikel    äv  mit  dem  Iudicativ  des  Futurs, 
welche  keineswegs   durch  die  Berufung  auf  Host,  Härtung  und 


60  '       GriccliisclicLitoratur. 

Kühner,  am  allerwenigsten  durch  die  auf  Matthiä's  Gramm.  §590, 
d.  gerechtfertigt  wird;  hat  dieselbe  überhaupt  in  der  attischen 
Prosa  Statt  gefunden,  so  ist  es  nur  unter  der  Bedingung  gesche- 
hen ,  auf  die  G.  Hermann  aufmerksam  gemacht  hat  und  die  an 
unserer  Stelie  nicht  vorhanden  ist;  3)  die  Verbindung  von  ovx  — 
oute,  welche  sich  zwar  auch  noch  bei  Bekker  findet,  aber  nicht- ■ 
desto  weniger  fehlerhaft  bleibt.  In  der  neuesten  Ausgabe  ist  un- 
bestreitbar richtig  ovz  —  ovz'  geschrieben.  Hr.  M.  hat  r,  d,  8, 
kein  Bedenken  getragen,  mit  Reiske,  Bekker  und  Dobson /tt^re 
Öixalag  {lyze  äöixag  für  das  handschriftliche  p,q  öixaiag  firjzs 
ctdiy.ag  zu  schreiben ;  warum  'l  propter  locos  Antiphontis  gemi- 
nos,  nämlich  B,  ß,9.  y,  7.  JT,  ß,  3.  Das  ist  nicht  der  wahre 
Grund;  denn  wenn  (ii)  eben  so  richtig  war,  wie  p.r}ze,  so  konnte 
Antiphon  mit  beiden  abwechseln.  Meid!  Hr.  M.  hat  selbst  ge- 
fühlt, dass  in  so  starken  Gegensätzen,  wie  dixcticog  und  udlxug, 
xazcal'rjcpi&G&ca  und  äxotyqcpl&öd'cii  bilden,  blos  ovzs  —  ovzs 
Platz  haben  kann.  Ucberhaupt  ist  ov  —  ovzs  unsrer  Meinung 
nach  nicht  ohne  Weiteres  zuzulassen.  Recensent  hat  die  Bedin- 
gungen und  die  Grenzen  dieses  rein  poetischen  Sprachge- 
hrauchs in  seiner  Abhandlung  de  usu  particularum  ovds  et  ovzs 
(Uintelii  1833)  S.  26.  sqq.  aufzufinden  und  zu  bestimmen  gesucht. 
Wäre  es  mit  ov  —  ovzs  nicht  anders,  als  mit  dem  deutschen  nicht 
—  «ocA,  womit  es  Hr.  M.  zu  Lykurg  S.  90.  vergleicht,  ohne  zu 
bedenken,  dass  auch  ovde  noch  heisst  und  dass  ov  —  ovds  viel- 
mehr uuserm  nicht  —  noch  entspricht,  oder  verhielte  es  sicli 
mit  ou  —  ovzs  nicht  anders,  als  mit  der  Anknüpfung  eines  Glie- 
des au  das  andere  durch  te,  was  Ihn.  Stallbaum's  Meinung  zu 
sein  scheint*):  so  würden  wir  diesem  Sprachgebrauch  nicht  so 
äusserst  selten  begegnen,  Rec.  hat  noch  keinen  Grund  gefunden, 
die  von  ihm  in  dem  angeführten  Schriftchen  aufgestellte  Regel  zu 
verwerfen,  und  wenn  er  z.  B.  an  Pindar's  növav  ö'  ovzig  aito- 
xXaQog  iöziv  ovz  eöezat  d.  i.  ovz'  sözlv  ovz  h'özat,  keinen 
Anstoss  nimmt ,  so  nimmt  er  desto  grosseren  an  Thucydides'  xctl 

*)  Zu  Plato's  Cliannides  p.  171,  r.  S.  153.  Ich  sage  scheint, 
denn  Hr.  Staltbaum  redet  von  doppeltem  ze,  was  sich  doch  unmög- 
lich mit  ou — oi">r£  vergleichen  lässt.  Derselbe  meint:  membra  per 
ov  —  ovzs  consociata  habent  rationem  aequalilatis ,  ut  eodem  modo  pos- 
sint  inservire  comparationi ,  91/0  geminatum  ze  frequentari  solet ;  aber  da- 
mit schlägt  er  sich  selbst;  denn  an  der  Stelle,  der  zu  Liebe  diese  Er- 
klärung aufgestellt  wird,  muss  eben  das  zweite  Glied,  hei  welchem 
ovre  steht,  als  inacquale  hervorgehoben  werden:  ovde  ys  (Hr.  St. 
schreibt:  ov  de  yt) ,  ällos  ovöelg ,  mg  fWf,  nX^v  Icctqos,  ovci  St]  6 
cmrpQcov  tazoos  yag  dv  tirj  noog  xrj  oaxpQoovvr) ,  d.  i.  aber  auch 
kein  Anderer,  ausser  dem  Arzte,  ja  auch  der  Beson- 
nene nicht,  um  den  es  sich  hier  handelt.  Recensent  hat  nie  ge- 
zweifelt,  dass  l'lato  ovde  dij  6  ccocpoonv  geschrieben  hat. 


Antiphontis  orationes  ed.  Maetzner.  61 

TÖ  [ilv  el-cs&sv  cc7CTonsv<p  6o{tct  ovx  ayav  &sg^6v  tjv  ovxe 
ykagov ,  «AA'  vnsQvfrgoVi  nsXixvov,  tpkvxxaivatg  pixgaig  xal 
eXxböiv  £tr]V&}]x6g  (II,  49.),  1)  weil  Thucydides  kein  Dichter 
ist,  und  2)  weil  auch  bei  einem  Dichter  die  Stelle  nur  dann  rich- 
tig sein  würde,  wenn  er  die  beiden  Hauptmerkmale  des  Fiebers 
(Hitze  und  Blässe)  hätte  namhaft  machen  wollen  (=  xal  tö  filv 
öcoua  ovx  ayav  ovxs  fisguov  ijv  ovxe  #AwpoV) ;  dass  dies  aber 
nicht  der  Fall  ist,  zeigt  das  Folgende,  welches  auf  das  Qbqiiov 
keine  Rücksicht  nimmt.  Thucydides  schrieb  ovdh  ^Aoodv.  Eben 
so  ist  auch  bei  Antiphon  V,  93.  dvögl  —  ftrjdlv  ccvzcö  ^vveiÖöxi 
dvöötov  slgyaöfisva  firjd'  (für  nyx')  ag  xovg  dtovg  ^6ißi]- 
xori-zu  schreiben,  und  wir  wundern  uns,  dass  die  neuesten  Her- 
ausgeber Anstand  genommen  haben ,  diesen  Schreibfehler  zu  cor- 
rigiren ,  da  sie  doch  weder  im  Lycurg  §  9.  und  Lysias  16,  3.  noch 
über  Herod.  8,  86.  gleiche  Bedenklicbkeit  gehegt  haben.  Eben 
dieselben  haben  den  Fehler  in  dem  Gesetz  bei  Andocides  de  my- 
ster.  87.  tlnjqjiö^ia  ös  fitjöiv  ßovkrjg  {irjxE  dr]fiov  mit  Hinweisung 
auf  Demosth.  contra  Aristocr.  §  87.  durch  Einschicbung  von  [itjxs 
vor  ßov?>rjg  getilgt ,  und  werden  ohne  Zweifel  (s.  Baiter  zu  Isoer. 
Panegyr.  §  102,  3.)  auch  Demosth.  in  Neaeram  §  42.  und  die 
übrigen  von  Hrn.  Mätzner  angeführten  Stellen  bei  den  liednern, 
die  zum  Theil  schon  von  Bekker,  zum  Theil  von  Unterzeichne- 
tem (S.  28.  der  angeführten  Abhandlung)  emendirt  worden  sind, 
nicht  wieder  corrumpiren.  So  wenig  wir  aber  Hrn.  AI.  in  Betreff 
der  Verbindung  ov  —  ovt£  beitreten  können,  eben  so  wenig  ver- 
mögen wir,  um  dies  hier  gleich  abzuthun,  einige  andere  Ansich- 
ten desselben  über  den  Gebrauch  der  negativen  Partikeln  zu  billi- 
gen. Derselbe  hat  z.  B. ,  Reiske's  Vorgang  folgend,  £,  y,  10.  also 
emendirt:  dg  öi  ovdi  xijg  aficcgzlag  ovöe  (für  xovöe)  reo 
dxovöicog  anoxxüvai,  f|  av  avxoi  Xkyovöiv^  dnokvExui,  dkku 
xoivu.  uficpoTtgu  xavxa  dfxrpoiv  ctvxoiv  löxt ,  drtlco6co.  Nun 
ist  zwar  mit  dieser  Emendation  gar  Nichts  gewonnen,  wie  Hr.  M. 
selbst  gesehen  haben  würde,  wenn  er  nicht,  wie  häufig,  verab- 
säumt hätte,  eine  Erklärung  der  emendirten  Stelle  zu  geben  ;  der 
Sinn  dieser  Worte  nämlich  kann  kein  anderer  sein,  als  folgender: 
dass  er  aber  auch  nicht  von  der  Schuld,  selbst 
nicht  durch  das  Geständniss  (oder  das  Factum)  eines 
unfreiwilligen  Mordes  —  freigesprochen  wird,  u. 
s.  w.  Hier  steht  nun  aber  zuerst  1%  av  avxol  kiyovGtv,  was  mit 
dnokvExat,  zu  verbinden  ist,  mit  x<5  dx.  ccJioxxHvai  in  Wider- 
spruch, denn  der  Gegner  hatte  eben  in  seiner  Verteidigung  be- 
hauptet (§  9.),  dass  nicht  einmal  von  einem  unfreiwilligen  Morde 
die  Rede  sein  könne,  und  reo  dx.  dnoxx.  würde  nur  dann  richtig 
sein ,  wenn  der  Gegner  den  unfreiwilligen  Mord  zugegeben,  jede 
Schuld  aber  geleugnet  hätte.  Zweitens  aber  weiss  man  bei  dieser 
Emendation  nicht,  was  man  mit  dficpoxtgcc  xavxa  anfangen  soll. 
Und  doch  erklärt  Hr.  M.  diese  Wrorte  (itaque  convenientius  erit 


62  Griechische  Literatur. 

ea  tnteiligere  quae  modo  dieta  sunt,  nimiiuni  cum  malae  frau- 
dis  absentia  eulpum  ad  utrumque  pertinere ,  xr)v  cfytapti'av  xal 
xo  axovölaq  dnoxtüvai)  in  einer  Weise,  dass  man  -sich  wun- 
dern inuss,  wie  es  ihm  möglich  war,  die  richtige  Lesart,  welche 
cod.  AT  gieht  (rov  ccxovötag  änoxxüvai) ,  nicht  anzuerkennen. 
Herr  Sauppe  fand  sie  durch  Conjectur.  Nun  heisst  freilich  ovds 
—  ovds  nichts  weiter  als:  ne  —  quidem  - —  nee;  bei  jener  Lesart 
aber  hiess  ovds  beide  Male  ne  —  quidem,  und  für  diesen  Gebrauch 
hat  Hr.  M.  einige  recht  passende  Beispiele  beigebracht,  ohne  sich 
jedoch  über  die  Bedeutung  der  Partikel  zu  erklären.  Wie  er 
aber  nun  fortfahren  konnte :  in  quibus  enuncialis  altera  negatio 
ad  universam  sententiam,  altera  ad  singulas  sententiae  notiones 
referri  (lebet,  was  in  den  angeführten  Beispielen  rein  unmöglich 
ist,  und  wie  er  sich  dabei  auf  Bremi  zum  Aeschines  III,  78.  (s.  zul, 
65.)  und  Schümann  zu  Isäus  S.  469.  sq.  berufen  konnte  (Fritzsche 
Quaestt.  Lucc.  p.  153.,  üobree  Ädv.  I,  2.  p.  544.  Stallb.  ad  Plat. 
Cratyl.  p.  398.  E.  können  wir  leider  nicht  nachsehen),  das  begrei- 
fen wir  nicht.  Denn  die  beiden  Gelehrten  vertheidigen  mit  Hilfe 
corrupter  Stellen  eine  fehlerhafte  Wiederholung  der  Negation, 
worüber  Unterzeichneter  in  den  Actis  soc.  gr.  T.  II.  fasc.  I.  p.  44. 
sqq.  gesprochen  hat.  Wer  da  bedenkt,  wie  häufig  die  Abschrei- 
ber durch  Einschiebung  und  durch  Weglassung  der  Negativen  ge- 
sündigt haben,  wird  kein  Bedenken  tragen,  solche  Fehler  auch 
ohne  Hülfe  der  Codices  wegzuräumen.  In  Lucians  Piscator  c.  18. 
p.  589.  und  Philopseud.  c.  40.  las  man  ohne  Anstoss  zu  nehmen : 
ovdsv  ov  y,rj  c.  coniunet. ,  bis  Hrn.  Jacobitz'  besonnene  und  sorg- 
fältige Kritik  diese  Stellen  durch  Tilgung  des  ov,  an  der  ersten 
freilich  nicht  ohne  gewichtige  handschriftliche  Auctorität,  heilte. 
Vgl.  zu  Dial.  Marin.  VI,  3.  Um  so  weniger  wird  man  sich  besin- 
nen, denselben  Fehler  im  Demosth.  Phil.  L  §  44.  p.  53,  4.  ovds- 
itox  ovdsv  iipXv  ov  py)  ykvYyiai  xcöv  dsövxav,  ebenfalls  nicht 
ohne  handschriftliche  Auctorität,  zu  entfernen;  und  wie  Hr.  M. 
im  Antiphon  A,  ß,  9.  mit  Dobrce  gegen  alle  Handschriften  c$g  Ös 
xovds  töv  xivövvov  ovx  dö(palsörsQOv  xov  dno  xr)q  yQa<p>}$ 
ijyovptjv  ilvai  akkä  itokkcatkccuiov  geschrieben  hat ,  weil  das 
handschriftliche  a;  ds  ovös  tov  »Iva.  ovx  äöqp.  xrA.  einen 
groben  Fehler  enthält,  so  musste  er  auch  B,  d,  7.  einen  nicht 
minder  groben  Fehler  entfernen:  ö  d'  Idav  xovg  dxovtl^ovxas 
tvnstäg  äv  scpvXcc^aro  (.irjdsvcc  iiy  ßctkeiv,  wo  auch  Hr.  Baiter 
sah,  dass  ftj)  zu  streichen  ist.  So  ist  bei  Demosth.  Olynth.  I.  p. 
16,  12.  §  24.  slt  ovx  cd6%vve6&E,  ü  [irjd'  ü  jra#oiT  äv,  ti 
övvaix  sxslvog,  xavra  noir\<5ai  xctigöv  E%ovxsg  ov  xoX^6sxs; 
die  Partikel  ov  durch  keine  noch  so  künstliche  Interpretation  oder 
gar  durch  corrupte  Lesarten,  wie  Eurip.  Hippol.  1007.  (1011.  M.) 
xsl  fi»J  xo  xzL,  zu  retten.  So  ist  ov  vor xovxov  bei  Lysias  13, 
52.  und  sonst  oft  genug  von  Abschreibern ,  die  den  Zusammen- 
hang vergessen  hatten ,  eingeschoben  worden.  —    An  einer  an- 


Anti|>hoiu!s  oratiuncs  ed.  Muet/ner.  63 

deren  Stelle  können  wir  die  Erklärung,  welche  Hr.  M.  von  prj 
giebt,  nicht  gut  heissen:  V,  6.r>.  tpol  fitv  ydg  rä  «»}  ilgynG^e- 
va  toöovrov  tÖ  paxgoxaxov  (diese  Conicctnr  Beiskes  bestätigt 
JV)  tfjg  aiioxgiösajg  iöriv ,  ort  ova.  t'i'gyzöpat.  Exspectes, 
sagt  Hr.  M.  £anz  richtig,  tg5  ovx  tlgyuöpti »fi» ,  quum  de  uno 
eoque  cerio  homiue ,  qui  non  commisit  facialis,  agut  orator. 
Aber  wie  hilft  er  sich?  Verum  non  abhorret  a  Graecorum  usu 
prj  parlicula  cum  parlicipio  copulata,  tibi  causa  affertur.  Da- 
mit ist  aber  Nichts  gewonnen;  noch  weniger  durch  die  beiden 
Beispiele,  Antiph.  A,  ß,  4.  äd?uu  piv  ovv  itct.6%G>  pij  ctnoXo- 
yÜ6ftoti  fiävov  ßia^öfisvog ,  wo  das  Participium  durch  wenn, 
nicht  durch  weil,  zu  erklären  ist,  und  Xen.  Cyrop.  VI,  3,  15.  ot 
ö'  aAAoi,  coönfQ  elxög,  prjötv  etdorBg,  tx7tS7tkrjyphoi  i)6av 
tä  itgaypaTi,  wo  prjdhv  siöotig  unter  dem  Einfluss  von  togjisg 
slxög  stellt,  wenn  nicht  geradezu  Sgneg  ilxog  prjdlv  tldorag 
zu  schreiben  ist;  am  wenigsten  durch  Berufung  auf  Gayler's  Par- 
ticularum  graeci  sermonis  negativarum  accurata  disputatio, 
ein  Buch,  welches  gar  nicht  hätte  geschrieben  werden  sollen. 
Wie  erklären  wir  aber  unser  tc5  pi)  ügyad^iivco  ?  Man  fühlt 
leicht,  dass  tw  ovx  tlgyaßuivcp  hier  viel  matter  und  nach- 
drucksloser sein  würde.  Nichts  desto  weniger  kann  sich  Ilec.  noch 
nicht  überzeugen,  dass  prj  mit  Nachdruck  zur  AfFirmirung  eines 
negativen  Gedankens  gesetzt  worden  sei,  sondern  findet  hier,  wie 
in  den  relativen  Caussalsätzen ,  auf  welche  sich  Hr.  31.  gleichfalls 
bezieht  (vgl.  meine  eomm.  de  part.  negg.  I.  p.  13.),  mehr  oder 
weniger  die  Form  der  oratio  obliqua.  Man  lese  die  Stelle  im  Zu- 
sammenhang, um  sich  zu  überzeugen,  dass  folgende  Uebersetzung 
der  in  Frage  stehenden  Worte:  mihi  eiiim  qui  nonfecerim 
satis  est  respondisse  cett.  genügenden  Aufschluss  über  die  Parti- 
kel giebt.  Dass  diese  Erklärung  nicht  überall  und  nur  mit  grosser 
Vorsicht  anzuwenden  sei,  versteht  sich  von  selbst;  z.  B.  V,  21. 
xal  Trgcozov  [thv  avtd  ravta  ffHoku/t*  ort  prj  ngovola  päXXov 
iyivtro  rj  rvyj)  würde  sie  in  keiner  Weise  anwendbar  sein,  und 
Hr.  M.  that  Becht,  ov  für  prj  zu  schreiben;  eben  so  musste  er 
aber  auch  V,  28.  rvv  Ö'  iv  piv  a  inivs  ttXoiio  xal  e£j  ov  iijf- 
ßctivtv,  iv  xovxco  (paö\v  tvgtiv  öripila,  iv  a  ccvtol  pi)  opo- 
Xoyovötv  djtodavuv  top  ävÖgct  an  der  Partikel  prj  mehr  An- 
stoss  nehmen.  Er  bemerkt  zwar:  particulam  (irj  cum  infinitivo 
iungas  oportet;  aber  was  heisst  das'l  soll  Antiphon  prj  vor  opo- 
Aoyovöi  gesetzt,  aber  auf  dno%avtlv  bezogen  haben'?  allein  opo- 
?>oyovöi  hat  hier  zu  viel,  pr]  zu  wenig  Naclidruck,  um  eine  solche 
traiectio  vorzunehmen  ;  oder  soll  Antiphon«*;  opoXoyovöiv  uno%a~ 
luv  gesetzt  haben,  wie  etwa  anderswo  ov  ngoöinoulxo  slöivai 
für  jrpotffijroictTO  pr)  tlöivcu!  Dann  musste  er  ov%  opoXoyoi' 
Civ  ctnoüuvvv  sagen.  W;ir  glauben,  prj  ist  durch  die  Schuld  der 
Abschreiber  verstellt  und  muss  vor  dnoQavslv  gesetzt  werden. 
Docli  wir  wollen  Anderes  der  Art  übergehen,  um  endlich  nach 


64  G  ri  cell  is  cho   L  i  t  erat  ii  r. 

dieser  langen  Digression  wieder   auf  die  Hauptsache   zurückzu- 
kommen. 

Aus  dem,  was  wir  oben  bemerkt  Imbun,  stellt  sich  bereits 
zur  Genüge  heraus,  dass  es  vorzüglich  die  Oxforder  Handschrift 
ist,  auf  welche  eine  Itecension  des  Antiphon  basirt  werden  inuss, 
und  ebenso  bewährt  sich  dieselbe  in  den  folgenden  Ueden.  So 
zililen  wir  z.  B.  allein  in  der  Rede  de  caede  Herodis  51  zum 
Theil  vortreffliche  Varianten,  welche  von  Hrn.  M.  aufgenommen 
worden  sind ,  wie  §  19.  ovtaöl  [tsv  ö/j  nokkoig  skuööa&t lg  (wie 
auch  die  neuesten  Herausgeber  zum  Theil  nach  Dobree's  Conie- 
ctur  nokkd  ekccödadslg  für  die  Lesart  der  übrigen  Handschriften 
nokkolg  skog  6ads\g  geschrieben  haben).  §  29.  sya  (isv  cpgov- 
öog  für  sya  <pp-  ph>*  §  39.  xccl  ort  rjörj  zsrtvsäza  avzbv 
vx  suov  dvv  uvskav  xccl  sv&slg  Big  zo  nkolov  xazanov- 
zaGsis  (die  übrigen  Handschriften  haben  die  Worte  övvavskav 
xccl  gar  nicht;  in  jV  steht  (jvvskav  xccl ,  derselbe  Schreibfehler, 
der  §  42.  wiederkehrt).  §  42.  snstzu  ds  6  szsgog  äv&gajtog  6 
sv  zä  ccvza  nkoia  itkiav  (das  zweite  6  hat  keine  andere  Hand- 
schrift). Ibid.  xccl  rolg  vözsgov  köyoig  —  6vvscpsgszo  cSg  dktj- 
%söiv  tlgtiaivotg  (für  outft,  vgl.  §  41.).  Ibid.  6  de  to  nagdnav 
ovo'  sxßqvui  fi  ecprj  tx  zov  nkolov  (für  6  öl  zö  3t.  sq>r]  ovx 
sxßip'ccl  fi£  ix  zov  nkoiov).  §  55.  6  ngozsgog  ßcc6uvi6%sig. 
61.  dkk'  ovo'  rjk&sv  stcl  zovzov.  69.  sv  zy  öcpccyjj  —  ot 
svdov  ovzsq.  72.  psya  rot  u.  a  m.  An  vielen  Stellen  bestä- 
tigt diese  Handschrift  die  Conjecturen  früherer  Herausgeber,  wie 
A,  a,  3.  ag  «V  dvvvSixs&a.  ß,  10.  xcczakcc{ißdv  oizs.  y,  5.  zbv 
fitv  xivdvvov  zbv  ccvzov.  ib.  nag  ydg  avzäv.  d,  9.  ns&iözct- 
yLsvcov  ydg.  r,  d,  1.  dxivdvvoz  sga»  V,  16.  ikav  ö'  ccv.  33. 
%gr}6zijg  skniöog.  32.  sya  [tsv  (vgl.  A,  <$,  9.  y,  3.  54.  wo  plu 
in  allen  andern  Codd.  fehlt).  Leider  bleibt  immer  noch  eine  hin- 
längliche Anzahl  verderbter  Stellen  übrig,  welche  auch  durch  un- 
sre  Handschrift  keine  Heilung  finden  und  dieselbe  vom  Scharfsinn 
der  Herausgeber  oder  vom  Zufall  zu  erwarten  haben.  Die  Cou- 
jectural- Kritik  ist  aber  die  schwäcbste  Seite  des  Hrn.  M.,  und  an 
richtigem  Tact  und  glücklicher  Divination  lassen  ihn  die  beiden 
neuesten  Herausgeber  weit  hiutcr  sieh.  Um  nur  bei  der  ersten 
Rede  stehen  zu  bleiben,  wie  nahe  lag  die  Emendation,  wodurch 
Hr.  Sauppe  §  23.  geheilt  hat:  ötiqötzca  ö'  vfiäv  ovzog  (xsv 
vntg  xfjg  {irjzgog  zi]g  ccvzov  goVijs,  zr^g  sxslvov  dLaxQ^öafti- 
vqg,  dßovkag  ze  xal  d&säg,  önag  öixtjv  [irj  da,  äv  vpäg 
nsi&r}.  Vorher  verband  man  dßovkag  xs  xal  d&säg  mit  dia- 
ygtjöapcsvrjg  und  musste  natürlich  an  dßovkag  grossen  Anstoss 
nehmen,  den  auch  Hr.  M.  durch  die  unwahre  Bemerkung,  dass 
dßovkag  so  viel  wie  dvößovkag  (bei  Antiphon)  sei,  nicht  heben 
konnte;  Hr.  S.  hob  ihn  durch  richtigere  Interpunction  und  be- 
wirkte dadurch  zugleich,  dass  die  Wortstellung  angemessener 
und  zweckmässiger  ward.     Eben  so  nahe  lag  die  Verbesserung 


Antii'hontls  oraliunes  ed.  Macizncr.  65 

OrelH's  ixtvsv  für  z%vov  1,  17.  oder  die  Sauppcs:  (pvöixy  de 
dEtvorrjTi  für  cpvörxy  öavöxrjxi  im  genus  Antiph.,  oder  §  20. 
toj  yug  drj[ioxolv(p  XQOxi6&i}v ai  nugtöoQr)  (für  xqo%iö%  siöu 
it'ttQtdo&i],  vgl.  r,  a,  7.}  denn  die  Vermuthung  des  Herausge- 
bers: nngudo&iiGu  ItQoxiGSr},  entfernt  sich  zu  weit  von  der 
handschriftlichen  Lesart.  Viel  mehr  Anerkennung  verdient  die 
Kritik  des  Hrn.  M.  an  Stellen  s  wo  bereits  Verbesserungsversuche 
von  andern  Gelehrten  gemacht  worden  waren  oder  wo  es  galt  die 
handschriftliche  Lesart  gegen  Acnderungen  zu  schützen.  So  hat 
er,  um  bei  der  ersten  Rede  stehen  zu  bleiben,  §3.  die  Worte: 
uitol  x>)g  xara^iyqpt'öfwg,  nach  Lehners  Vorgang  eingeklammert, 
gewiss  mit  Recht,  nur  hätte  er  den  Ursprung  dieses  Glossems  an- 
geben sollen.  Ai%ü%ixz  nämlich  ist  der  Imperativ  und  bezieht 
sich  auf  den  vorliegenden  Ilechtsfall;  hierdurch  ist  die  Randbe- 
merkung: dass  es  sich  hier  um  V  crurtheil  ung  handele,  oder 
dass  dixü&LV  hier  für  xaxui>r](ptrCle6&ui,  gebraucht  sei,  entstanden. 
§14.  hat  er  nv&o^Brr}  nach  Dobree's  Vorschlag  eingeklammert, 
worin  ihm  auch  Hr.  Baiter  beistimmt.  Es  ist  blosse  Glosse  von 
dem  folgenden  ulc^o^isvrj.  §  15.  hat  er  die  Lesart  aller  Hand- 
schriften ii  ovv  edekti,  nachdem  sie  in  Klotz'  Quaestt.  critt.  p.99. 
vertheidigt  worden  war,  in  ihr  Recht  eingesetzt,  eben  so  die 
neuesten  Herausgeber.  §  26.  hat  er  nach  ij  phr  yug  ixov6[cog 
xwi  ßovktvöaöu  xov  Qüvuxov  das  Verbuni  unsxxstvsv  mit  Ver- 
weisung auf  §  5.  eingeschoben.  Dass  dies  oder  ein  ähnliches  Ver- 
horn fehlt,  sah  bereits  Reiske,  und  wir  wissen  auch  in  der  That 
nicht,  wie  die  neuesten  Herausgeber,  welche,  nach  ihrem  Still- 
schweigen zn  schliessen,  keine  Lücke  anerkennen,  die  Stelle 
rechtfertigen  wollen.  Wodurch  ist  aber  das  Ausfallen  des  Ver- 
bum  veranlasst?  wir  glauben  dadurch,  dass  Einer  ßovkEvöuöcc 
erklären  zu  müssen  glaubte  und  xov  ftüvuxov  hinzuschrieb ;  strei- 
chen wir  xov  üdvaxoVi  so  gewinnen  dadurch  auch  die  beiden 
Gegensätze  an  Glcichmässigkeit.  §  20.  hat  Hr.  M.,  wie  auch  die 
neuesten  Herausgeber  gethan  haben,  öcpiöiv  uvxolg  hergestellt. 
Bckker  hatte  uvxolg  ohne  hinlänglichen  Grund  eingeklammert 
(vgl.  V,  4).  §  19.  aber  hätte  Hr.  M.  unbedenklich  die  Conjectur 
von  Bekker  und  Dobree  ag  für  l'öcag  aufnehmen  sollen,  nicht  weil 
löag  an  und  für  sich  unrichtig  wäre,  denn  dies  könnte  allerdings 
in  dem  von  Hrn.  31.  angegebenen  Sinne  stehen,  sondern  weil  qpt- 
Xi]6ofisvtj  ohne  cog  nicht  bestehen  kann.  Aus  &IAONE£lISl£ 
konnte  aber  leicht  cpiXövzco  Yötog  entstehen.  Eben  so  durfte  sich 
Hr.  M.  nicht  besinnen,  nach  Dobree's  Vorschlag  §  25.  xal  yug 
dv  &wai6xiQOV  xui  oöicoxiQOV  —  ytvoixo  vplv  zu  schreiben, 
wie  auch  die  neuesten  Herausgeber  geschrieben  haben ;  die  Par- 
tikel uv  fehlt  in  den  Handschriften  und  Ausgaben,  aber  der  allge- 
meine und  wohlbegründete  Sprachgebrauch  muss  hier  mehr  gel- 
ten ,  als  das  Ansehn  der  Handschriften,  zumal  da  diese  bekannt- 
lich eben  nicht  selten  durch  Auslassung  der  Partikel  uv  gesündigt 
A\  Jahrb.  f.  Phil.  u.  Pud.  od.  Krit.  üibl.  Bd.  XXVIII.  Hfi  .1.  5 


OG  Griechische  Literatur. 

haben,  wie  denn  z.  B.  A,  y,  2.  alle  Handschriften  ausser  JV  xa\ 
ov%  ovzog  zt)v  alziav  £i%sv  haben  und  erst  diese  das  zwar  nicht 
nöthige  aber  ganz  gute  xai  ov%  ovzog  äv  zqv  alziav  si%sv  dar- 
bietet, oder  .T,  ö\  11.  wo  Hr.  M.  hus  N  ovtco  yäo  äv  dixaiozaza 
xai  oöiüJtara  itgä^aiz  äv  geschrieben  hat.  Vgl.  die  Codd.  zu  A, 
fi,  7.  .T,  d\  1  f>.  Es  ist  gewiss  richtig ,  dass  der  Optativ  ohne  av 
in  unabhängiger  Rede  die  von  keiner  Bedingung  abhängig  gemachte 
Meinung  oder  Annahme  bezeichnet,  aber  eines  Theils  ist  dieser 
Sprachgebrauch  für  die  Prosa  noch  keineswegs  gehörig  begründet 
und  festgestellt ,  andern  Theils  ist  es  an  unsrer  Stelle  gar  nicht 
möglich,  den  Satz  ohne  Beziehung  auf  seine  Bedingung  zu  den- 
ken; daher  die  Partikel,  wenn  sie  auch  z.  B.  bei  Isaeus  de  Astyph. 
hered.  §5.  ort  fiiv  ovx  sdatys  Kkiav  'Aözvyikov ,  ovo"  avzog 
e^agvog  ytvoito  oder  bei  Plat.  Lys.  p  214.  D.  (s.  daselbst  Stall- 
baum) und  in  ähnlichen  Fällen  fehlen  k ön ntc ,  hier  unumgäng- 
lich uöthig  ist.  Was  die  andern  von  Hrn.  M.  beigebrachten  Stel- 
len betrifft ,  so  ist  Antiph.  Ay  ß,  4.  ei  yäo  zovzav  dvairiav  öo- 
xovvtcov  tlvai  sv  caol  zocdUtjua  cpaveliai,  zovrcov  vitöntav 
ovztov  iyda  äv  eixözcog  xadagog  doxolrjv  eivat  zweifelhaft, 
ob  nicht  av  in  ABL  steht,  wie  man  nach  Bekkers  Note  annehmen 
niiiss  und  auch  von  den  neuesten  Herausgebern  angenommen  wird ; 
nach  der  Note  des  Hrn.  M.  siebt  äv  in  keiner  Handschrift,  Viel- 
leicht ist  gerade  das  z/,  welches  ABLM  nach  eyco  haben, 
nichts  weiter  als  das  A  der  Partikel  av.  Wie  dem  auch  sei,  hier, 
wo  der  Satz  blos  unter  der  angegebenen  Bedingung  gültig  ist,  und 
wo  sich  der  Redner  im  eigenen  Interesse  auf  die  eben  ausgespro- 
chene Bedingung  beziehen  muss,  kann  av  nicht  fehlen.  Mit 
Hecht  haben  es  die  neuesten  Herausgeber  auch  .T,  d,  3.  einge- 
setzt ;  ävööia  yäg  äv  o  ys  diojxö^ievog  rtä&oi .  ei  —  q>ovevg 
iövai ,  wo  zugleich  zu  loben  ist,  dass  sie  aus  A  o  ye  (o  ze  iV, 
or£  ß,  öÖt  vulg. ,  woraus  Hr.  M.  6  gemacht  hat)  geschrieben  ha- 
ben; eben  so  auch  nach  Dobrec^  Vorschlag  5,  ß,  6.,  einer  cor- 
l-upten  Stelle,  welche  Hr.  Sauppe  viel  glücklicher  emendirt: 
äxovöiov  Öh  zov  <pövov  eh,  äficpoiv  v^ilv  o^iokoyovftevov  ye- 
viöüai,  ex  zrjg  ä{iaoziag,  ojioxioov  avzav  eözlv,  exi  ye  (für 
bzi  di)  öaysöTtQOv  äv  6  (povevg  ekeyx&eirj ,  als  Hr.  M. ,  der 
eine  Lücke  annimmt:  cpavsoov  ^tv  zo  egyov  ex  zijg  äjiagziag 
ojtozsgov  avzäv  sGzlv ,  ezi  de  6aq>.  %z\.  wobei  die  Worte  ezi 
di  6a<p.  6  <jp.  ekey%%th]  gar  nicht  mehr  erklärt  werden  können, 
in  den  allen  Ausgaben  steht  nach  eöziv  ein  Fragezeichen;  findet 
sich  dies  auch  in  den  Handschriften ,  so  möchte  diese  fehlerhafte 
Interpunction  Veranlassung  zur  Corruptel  gewesen  sein  und  Do- 
bree,  der  de  nach  izi  getilgt  wissen  wollte,  das  Richtige  gesehen 
haben.  Endlich  ist  bei  Lysias  de  bonis  Aristoph.  §  35.  ouoAopy- 
öeiav  äv  nach  Emperius  Vorschlag  von  den  neuesten  Herausge- 
bern geschrieben,  eben  so  bei  Isaeus  de  Hagnii  hered.  §  38.  näv- 
zcov  äv  6^oXoyi]0ai[ii  von  Schömann ,  der  auch  de  Nicost.  hered. 


Antiplionüä  orationes  ed.  Mactzner.  67 

§  19.  und  de  Apollodori  hered.  §  30.  (vergl.  zu  de  Pyrrlri  hered. 
§  54.  p.  254.,  wo  aber  die  Handschriften  den  Indicativ  f^ikey^st 
hallen)  emendirt  hat;  in  den  sogen.  Proömien  des  Demostlienes 
34,  28.  p.  620.  B.  und  bei  Dinarch  gegen  Demostlienes  §  91.  (wo 
vielleicht  örtoxreov  rolg  üvußuivovöiv  zu  schreiben)  hat  bereits 
Bekker  den  Fehler  bemerkt,  blos  in  Isoer.  de  permut.  §  79.  ist  er 
übersehen  worden.  Bei  Antiphon  selbst  ist  äv  durch  die  Schuld 
der  Abschreiber  ausgefallen  A,  or,  4.  ov  yäg  av  äcjol  xäv  vvxräv 
—  IkoidoQovvxo ,  wo  erst  die  neuesten  Herausgeber  den  Fehler 
bemerkt  haben,  wo  aber  äv  so  nothwendig  ist,  dass  auch  Hr.  M. 
es  eingesetzt  haben  würde,  wenn  er  die  Stelle  genauer  angesehen 
hätte;  ferner  B.  d',  4. ,  wo  es  ov  ydg  äv  dtgsfii^wv  cmi%avhv 
Iltissen  muss;  ferner  an  folgenden  Stellen,  wo  theils  schon  Do- 
bree,  theils  erst  die  neuesten  Herausgeber  den  Fehler  bemerkt 
haben:  V,  38.  coli.  VI,  27.,  V,  45.  u.  64.  (VI,  19.  dagegen  möchte 
Hr.  Sauppe  ohne  dringende  Mothwendigkeit  äv  eingeschoben  ha- 
ben). 11  eo.  weiss  zwar  recht  gut,  dass  es  ausser  diesen  Beispie- 
len noch  manche  Stellen  giebt,  wo  die  Handschriften  die  Partikel 
uv  haben  sollten,  aber  nicht  haben;  die  Zahl  derselben  ist  zu 
klein,  als  dass  sie  uns  an  einem  wohlbegründeten  Sprachgebrauch 
irre  machen  sollten. 

Soviel  über  die  kritische  Behandlung  der  ersten  Rede.  Das 
Verfahren  des  Hrn.  M.  bleibt  sich  in  den  übrigen  Reden  gleich : 
überall,  wo  es  ihm  thnnlich  schien,  nimmt  er  die  Lesarten  der 
Oxforder  Handschrift  auf;  schwierige  und  angefochtene  Stellen 
sucht  er  durch  Erklärung  zu  schützen ,  was  ihm  häufig  gelungen 
ist ;  bei  corrupten  versucht  er  Conjecturen ,  die  ihm  seltner  ge- 
lungen sind.  Für  Beides  werden  wir  unten  Belege  geben.  Seine 
Erklärung  ist,  wo  sie  nicht  in  lexikalischen  oder  grammatischen 
Bemerkungen  besteht  oder  auf  die  politischen  Institutionen  ge- 
richtet ist,  meistentheiis  von  der  Kritik  abhängig,  d.  h.  er  erklärt 
gewöhnlich  blos  solche  schwierige  Stellen,  welche  von  der  Kritik 
augetastet  worden  waren;  sonst  iässt  er  sich  auf  Darlegung  des 
Zusammenhangs,  sowie  auf  eine  genauere  Erörterung  des  Sinnes 
selbst  an  schwierigeren  Stellen  seltener  ein,  so  dass  die  Aus- 
gabe trotz  der  commentarii  doch  hauptsächlich  nur  eine  kriti- 
sche ist.  Als  einen  Fortschritt,  den  Hr.  M.  in  der  Erklärung 
gethan  hat,  müssen  wir  rühmen,  dass  er  sich  bei  weitem  mehr, 
als  dies  in  seiner  Ausgabe  des  Lykurg  der  Fall  ist,  vor  trivialen 
Bemerkungen  gehütet  hat.  In  der  Vorrede  erklärt  sich  Hr.  M. 
über  die  Echtheit  der  unter  Antiphons  Namen  vorhandenen  Reden 
p.  111  —  IX.,  und  findet  den  Beweis  dafür  theils  in  den  Anführun- 
gen der  Alten,  theils  in  der  Uebereinstimmung  des  Urthcils  der 
alten  Kritiker  über  den  Geist  der  antiphontischen  Beredtsamkeit 
mit  den  vorhandenen  Reden ,  theils  endlich  in  der  von  den  Alten 
bereits  bemerkten  Aehnlichkeit  mit  dem  Stil  des  Thucydidcs,  die, 
beiläufig  gesagt,  nicht  eben  sehr  hervorstechend  ist.     Nur  eine 

5* 


GH  Griechische  Lilcrolur. 

Rede  wird  nirgends  citirt,  die  gegen  die  Stiefmutter  wegen  Ver- 
giftung. Hr.  M.  verrmilhet  (S.  12.5  sq.) ,  dass  diese  Rede ,  wie 
die  darauf  folgenden  Tetralogieeu,  blos  für  die  Schule  geschrie- 
ben worden  sei.  Das  ist  leicht  möglich;  indessen  zweifeln  wir, 
ob  die  Gründe,  welche  Hr.  M.  fi'ir  diese  Ansicht  beibringt,  triftig 
genug  sind,  um  nicht  die  gegenteilige  Ansicht  für  eben  so  wahr- 
scheinlich zu  halten.  Denn  dass  die  Vergiftung  ein  gewöhnliches 
Schulthema  war,  beweist  nur,  dass  dieses  Verbrechen  häufig  ge- 
nug vor  Gericht  behandelt  wurde;  dass  diese  Rede  vor  den  Te- 
tralogieeu steht.,  kann  nur  dann  welleicht  Etwas  beweisen,  wenn 
gewiss  ist,  dass  diese  Anordnung  nach  einem  bestimmten  Plane, 
nämlich  nach  dem  von  Hrn.  Bf.  untergestellten  ,  getroffen  worden 
ist.  Kher  könnte  der  Name  des  Ehepaares,  Philonaus  und  Kly- 
tiiinncstra  ,  dafür  sprechen,  dass  der  ganze  Fall  zu  den  erdichte- 
ten gehöre;  aber  im  Piiäus  mochten  solche  vom  Schiffe  und  von 
der  Seefahrt  entlehnte  Namen  häufig  genug  sein,  als  dass  man 
sich  wundern  dürfte,  wenn  ein  Schiffer  den  Namen  Philonaus 
haue;  was  aber  unser  Philonaus  war,  wissen  wir  nicht,  da  weder 
§  14.  noch  §  Ifi.  eine  Vermuthung  über  seinen  Stand  oder  sein 
Gewerbe  zulassen.  Sodann  ist  zwischen  der  alten  Klytämnestra 
und  unserer  ein  so  bedeutender  Unterschied,  dass  wir  glauben,  An- 
tiphon hätte  für  unsere  Giftmischerin  einen  passenderen  Namen 
selbst  i:i  der  mythischen  Geschichte  finden  können.  Ausserdem 
linden  sich  nicht  blos  in  der  mythischen  Geschichte  Beispiele  da- 
von ,  dass  der  Name  den  Charakter  seines  Trägers  ausdrückt  oder 
seineu  Stand  oder  seine  Handlungsweisen  bezeichnet,  sei  dies 
nun  einem  launigen  Spiele  des  Zufalls,  sei  es  der  unbestreitbaren 
Eimvirkung  des  Namens  selbst  zuzuschreiben.  Eine  merkwürdige 
Stelle  ist  in  dieser  Hinsicht  Acschin.  II,  71.,  wo  erzählt  wird, 
dass  Chares  eine  namhafte  Summe  Geldes  auf  die  Unterfeldherrn 
jJqictQrjg ,  ^Jijiitvgog  und  IlokucpovTrjg  verwendet  habe.  Aeschi- 
nes  ist  au  der  Stelle  zu  ernst,  als  dass  er  diese  Männer  durch 
lingirte  Namen  als  Eisenfresser  bezeichnet  haben  sollte,  und 
Keiskes  Vermuthung,  dass  sich  diese  Männer  selbst  jene  Namen 
gegeben  hätten,  um  den  Soldaten  mehr  zu  imponiren,  hat  wenig 
"Wahrscheinlichkeit.  Der  letzte  Grund  endlich,  den  Hr.  M.  an- 
führt, dass  nämlich  der  Areopag  schwerlich  mit  to  dixu&VTSS 
(§  7.)  angeredet  worden  sei,  ist  der  allerschwächste ;  wenn  die- 
ser Fall  vor  den  Areopag  gehörte  und  der  Areopag  nicht  mit  d 
dixd£ovT?g  angeredet  werden  durfte,  so  musste  sich  Antiphon 
dieser  Anrede  auch  bei  einer  Declamation  enthalten.  Aber  wenn 
der  Areopag  durch  co  avögsg  ötxaötal  angeredet  werden  durfte, 
was  Hr.  M.  zugiebt,  warum  nicht  auch  durch  a  div.ät.ovTtg'i 
Und  dann  bemerkt  Hr.  Bf.  S.  282.  selbst,  dass  dieser  Fall  eigent- 
lich nicht  vor  den  Areopag,  sondern  vor  die  Epheten  gehörte.  — 
Der  Commcntar  zu  dieser  Hede  nimmt  beinahe  20  Seiten  ein  und 
giebt  wenig  Gelegenheit  zum  Widerspruch.    Einiges  will  Rec.  be- 


Antiphontis  orationcs  ed.  Mactzncr.  69 

rühren.  Unbedeutend  ist  der  Irrthum,  in  dem  sich  Hr.  M.  be- 
findet, wenn  er  §  1.  tovro  fitv  tl  iiii6xrj4'ut toq  rot»  jraroe*} 
tTttl-Etötiv  roig  avrov  cportvöi  pq  tTTttftfjiL  den  Plural  durch 
die  Gewohnheit  der  Redner,  den  Angeklagten  mit  seinen  Beistän- 
den (also  hier  die  Stiefmutter  mit  ihrem  Sohne,  denn  andere  i»ci- 
stände  halte  sie  nicht)  als  Eins  zu  nehmen  erklärt.  Das  geht  hier 
nicht,  wenn  es  auch  sonst  richtig  ist,  Vgl.  B,  ß  8  und  0.  Denn 
der  Vater  des  Klägers,  als  er  diesem  auftrug  Kaclie  an  seinen 
Mördern  zu  nehmen,  meint  jeden  etwaigen  Mitschuldigen  der 
Giftmischerin,  nicht  grade  seine  Söhne;  diese  waren  auch  in  der 
That  unschuldig,  und  werden  vom  Kläger  selbst  nur  insofern  als 
sie  die  Mörderin  vor  Gericht  in  Schutz  nehmen,  (porstg  §  2.  u.  4. 
genannt.  —  §  6.  iv  vig  f^iv  ydg  avra  f|oiM>j«  t)v  fötippg  a- 
dtvai  naoä  xijg  ßaöüvov ,  ovx  ^QsXtjötv  iv  ö'  olg  oi'x  itv 
jrudidfrea,  xovt  avio  7TQov&vu)'t^rj.  xrurot  civto  xovxo  i^Q)]» 
o  xal  iya>  7rQOV"AaXovut]v,  TrQo&vinjdijvai,  önoag  xo  7roa%dh> 
ij  dK^tg,  hjt£t,tl\tih\  Hier  erklärt  Hr.  M.  iv  olg  ganz  gut: 
ita  polius  haec  explicanda  sunt ,  ut  iv  olg  pro  ne/ttro  genere  ac- 
cipianms,  quae  fonnvla  ad  temporis  alqve  ojtportumlalis  notio- 
nem  referemla  est,  und  erklärt  dann  die  Stelle  nicht  übel  durch 
quum  enim  quaestionem  habend  servos  livebat  interrogarc, 
veritatem  adversarius  noluit  explorare ;  q  nun  da  vero  res  nun 
poterat  explorari,  hoc  ipsum  cupiebal  u.  s.  w. ,  obgleich  die 
Stelle  erst  von  den  neuesten  Herausgebern  richtig  aufgefasst  wor- 
den ist,  welche  vor  und  nach  naoä  xijg  ßaaäiov  interpungiren, 
so  dass  diese  Worte  die  Erklärung  zu  iv  vig  enthalten,  iv  olg 
aber  viejme.hr  auf  das  Mittel,  als  auf  Zeit  und  Gelegenheit  sieh 
bezieht;  aber  die  Hauptschwierigkeit,  welche  in  den  Worten  xa'- 
xoi —  inei.t?.\ttlv  liegt,  weiss  Hr.  M.  ebenfalls  nicht  zu  beseiti- 
gen. Die  Vermuthung,  dass  der  Sinn  sein  könnte :  qvalisciiiique 
fit  r\  aXiföeiu  xeov  ugaxdivxav,  er  kann  es  aber  nicht  sein,  da 
dann  av  nicht  fehlen  durfte  (die  Stellen  bei  Güller  ztt  Thucyd  4, 
17.  sind  ganz  anderer  Art),  diese  Vermuthung  führt  zu  Nichts, 
am  allerwenigsten  zur  Erklärung  von  int^tlfttiv,  worüber  Hr.  AI. 
gänzlich  schweigt.  Da  Hr.  M.  das  Comma  vor  ini^tX^slv  gebis- 
sen hat,  so  muss  er  den  Satz  önag  xo  ngaxdiv  >}  cllrftig  von  die- 
sem Verbum,  und  nicht  von  TtQO&vpyürjvat  abhängig  gedacht 
haben;  dann  ist  Tigo&vurj&ijvui  mit  avro  xovro  zu  verbinden, 
und  es  musste  demnach  entweder  nach  TtgovnaXovurjv  kein 
Comma  gesetzt  oder  auch  (wie  in  der  neuesten  Ausgabe)  nach 
i%Qrjv  interpungirt  werden  Aber  zum  ijnhXQtiv  (zur  geriebi li- 
ehen Verfolgung  derMördei  in)  wollteder  Mager  seinen  Stiefbruder 
nicht  auffordern,  sondern  blos  zum  peinlichen  Verhör  der  Skla- 
ven;  der  ganze  Zusammenhang  lehrt,  dass  blos  davon  die  Hede 
sein  kann.  >A  ir  lassen  also  die  Comma  m>v  iryoQvütt{h]vat  umi 
streichen  das  *or  ijitz,i?>Vtiv.  Die  Worte  oxcog  xo  ngäy^ia  y 
dfofttg  intEeltiüv  können  keinen  andern»  Siuu  haben  ,  als  den: 


70  Griechische  Literatur. 

ilass  die  Thatsacfie  für  die  gerichtliche  Verfolgung  wahr  i.  e.  aus- 
ser Zweifei  gestellt  sei,  oder  nach  §  7.  oaag  tov  itgüyßcctos 
rtjv  akföetav  laßapsv  tov  tnti-&k&elv  svtxa.  Vgl.  13.  täv 
STQax&titav  trtv  öacpt'p'ttav  iiv%i<5%ai,  und  F,  y,  1.  —  Wenn 
Ilr.  M.  §  12.  öblvov  d'  tfioiyt  öoxü  Uvea,  ti  —  ovx  ij^ladccv 
bemerkt,  die  INegation  afficire  nicht  den  ganzen  Satz,  sondern 
hlos  das  Verb  um  (non  universam  afficit  sentenliam ,  sed  ad  eam 
pertinet  vocem ,  quacum  iungilur) ,  so  hat  er  entweder  nicht  be- 
dacht, dass  die  Negation ,  wenn  sie  zum  Verbum  gehört,  eben 
den  ganzen  Satz  afficirt,  oder  hat  sich  undeutlich  ausgedrückt 
und  sagen  wollen,  dass  ovx  rjl-t'aGav  einen  Begriff  (sie  wei- 
gerten sich)  bilden.  Mit  dieser  Erklärung  des  ov  nach  tl  kann 
man  jedoch  nicht  vorsichtig  peinig  sein  ,  da  die  Grenzen  dieses 
Sprachgebrauchs  noch  nicht  abgesteckt  worden  sind.  Vgl.  meine 
('omni.  I.  de  partt.  negg.  §  7.  1.  An  unsrer  Stelle  erklärt  sich  ov 
leicht,  da  ti  hier  blos  ein  gelinderer  Ausdruck  für  ort  ist.  — 
§.  13.  ijöeöav  yccQ  otjctio»»  tfqptöi  ro  xaxöv  dvacpccvr]66ptvov 
erklärt  Hr.  M.:  persp'wuum  füre ,  ad  ipsos  potissimum  pertinere 
crimen.  Wie  das'?  Die  Brüder  sind  frei  vom  Verdacht  der  Mit- 
schuld. Sie  verweigerten  das  Sklavenverhör,  weil  sie  voraussa- 
hen, dass  ihre  nächste  Verwandte  (ihre  Mutter)  dadurch  com- 
promittirt  werden  würde.  Doch  genug  davon.  Solche  und  andere 
Ausstellungen  lassen  sich  noch  genug  machen,  ohne  dass  dadurch 
das  Verdienst  des  Hrn.  M.,  manche  schwierige  Stelle  zuerst  rich- 
tig erklärt  zu  haben,  geschmälert  würde.  Wir  kehren  deswegen 
zur  Kritik  zurück. 

Im  Argum.  von  A,  a:  dg^optvog  di  räv  dyävav  zrocon; 
t^pjföaro  dvaigtöu  aluäv  Öl  av  ditiöu^tv  xtX.  will  Hr.  M. 
S.  l.r>l.  für  öl  av  entweder  aus  ZM.  ölo  oder  öi  tjg  geschrieben 
haben  (in  der  anuot.  crit.  zu  der  Stelle  steht  davon  Nichts) ;  we- 
nigstens nuisste  nach  ccluäv  iiiterpungirt  werden.  Ob  man  bei 
diesem  Scribentcn  Öl  äv  auf  den  Satz  a^o^öaro  dvaigititi  bezie- 
licn  dürfe  (vgl.  M.  zu  A,  ß,  8.),  kann  wohl  gezweifelt  werden; 
wenn  aber  auch  nicht,  so  ist  doch  dt  cov  nicht  zu  ändern;  es  ist 
eine  [Nachlässigkeit  im  Ausdruck,  und  nachlässig  bleibt  der  Aus- 
druck ,  auch  wenn  man  öl  qg  oder  Öio  schreibt.  —  §  7.  haben 
die  Codd.  xa&t'öT^ötv,  N:  xa&iötrjdBV.  Dies  führt  eher  zu 
x«T£6r>;G£i',  welchem  auch  txijgtv  (Hr.  M.  schreibt,  wie  Bekker 
und  die  neuesten  Herausgeber,  tTtygtv)  besser  entspricht,  als  zu 
xadtöt»?,  «ie  seit  Ueiske  geschrieben  wird.  —  §  9.  giebt  JV 
mit  veränderter  Wortstellung  tourov  pövov  teptj  yvävai  räv 
Ttagövtcov  avtovg,  und  so  steht  in  unsrer  Ausgabe,  nur  dass  av- 
rovg  in  avtovg  verändert  ist.  Ob  diese  letztere  Veränderung  nö- 
thig  war,  oder  ob  wir  uns  nicht  vielmehr  durch  das  Lateinische 
verwöhnt  haben,  in  solchen  Sätzen  das  Reflexivum  zu  verlangen, 
darüber  lässt  sich  streiten ;  an  anderen  Stellen  aber  ist  gewiss  av- 
xov  mit  Unrecht  in  at$rot>  verwandelt  worden,    wie  2$,  d,  8.  ro 


Antiphontiä  oralionc»  cd.  Mactzncr.  71 

(tiv  ovv  fttigaxiov  ccvcc(iagztjzov  ov  ovx  av  dixatag  vnig  toi? 
apaQTovTos  noXcc^otto'  ixnvov  yag  avza  «öti  tag  avrou 
a^iugzlag  tpsQfiv  d.  i.  die  eigene  Schuld,  oder  F,  y,  6.  vitig 
rijg  ccvzov  äötßtiag  oder  F,  d,  8.  xf]  uvzov  aTV^'a,  4&t  Y>  9.  "• 
a.  m. ,  wo  der  Gegensatz  das  stärkere  uvzov  verlangt.  An  dem 
numerus  pluralis  kann  man  hier  allerdings  keinen  Anstoss  nehmen, 
nur  durfte  Hr.  M.  sich  dabei  nicht  auf  Stellen  beziehen ,  wie  //, 
y,  2.  tlzs  yag  jtgotiiovzag  xivctg  löovreg  (ngoidovrig ,  was  Hr. 
M.  aus  AT  aufgenommen  hat,  scheint  ein  durch  ngoöiovxag  ver- 
anlasster Schreibfehler  zu  sein)  ot  ättoxttivavztg  avxovg  unofo- 
itovTfg  a%ovxo  (pivyovxeg  ngözigov  ij  antövöav*  ot  tvzvxöv- 
xzg  äv  avxa^  et  xal  top  öiönoxrjv  xtdriärcc  tvgoi\  röv  ys 
dtgdjtovta  —  tvgovxt g  xxX» ,  wo  sich  avzä  auf  den  Herrn  be- 
ziehen soll,  was  wegen  der  gleich  folgenden  Worte  gar  nicht 
möglich  ist  (Stellen,  dergleichen  Herbst  zu  Xen.  Symp,  8,  34.  an- 
führt, sind  anderer  Art),  Antiphon  hätte  dann  ti  xai  xovzov 
xtftvtcöxa  svgov  schreiben  müssen.  Die  neuesten  Herausgeber 
haben  mit  Hecht  Reiske's  Conj.  avxoig  aufgenommen.  Hr.  M. 
sieht  auch  ß,  ß,  4.  einen  Uebergang  von  einem  Numerus  zum  an- 
dern, wo  Nichts  als  ein  Schreibfehler  zu  sehen  war:  ovÖt'n; 
rjplv  Ao'yog  v7isXelmxo  pij  (povEvg  livtu  .  wo  der  Nominativ 
sing,  sich  durch  keine  Construction  nach  dem  Sinn,  am  wenigsten 
durch  die  bei  öoxf  i  gewöhnliche  ,  entschuldigen  lässt.  Die  Stelle, 
die  Hr.  M.  beispielshalber  anführt,  ist  von  ihm  ganz  falsch  ver- 
standen worden:  Plat.  Civ.  X.  p.  598,  D.  l^nari^t)^  ajöxe  edo- 
Z&v  avzä  Jtoi66o(pog  ilvai,  dia  xo  avzcg  p|  oro'ör'  uvai  — 
i^txaöat.  Hier  ist  zu  eöo&v  Subject  der  yöqg,  von  dem  der  An- 
dere sich  hat  täuschen  lassen,  d<a  to  xxK.  bezieht  sich  auf  tl-rr 
itaxiftri,  so  dass  Plato  die  gewöhnlichen  Regeln  der  Grammatik 
gar  nicht  besser  beobachten  konnte.  Bei  Antiphon  aber  ist  <po- 
vsvöw,  wie  Bekker  coniieirt,  zuschreiben,  und  in  der  neuesten 
Ausgabe  auch  geschrieben  worden.  —  §  10.  hat  Hr.  M.  die  Form 
yiyvovttti  für  ylvuvzat,  aus  einer  unbedeutenden  Handschrift  (M) 
aufgenommen,  ebenso  V,  94.  Wir  glauben,  Hr.  M.  hätte  sich 
für  eine  von  den  beiden  Formen  bestimmt  entscheiden  und  die- 
selbe consequent  überall  herstellen  müssen;  denn  es  ist  nicht 
denkbar,  dass  die  beiden  Formen  schon  zu  Antiphons  Zeit  von 
den  Attikern  gebraucht  worden  seien.  Die  Handschriften  ent- 
scheiden auch  bei  Antiphon  für  die  ältere  Form  mit  yv.  So  steht 
yiyveo&ai  in  den  Ausgaben ,  ohne  dass  Varianten  angemerkt  wä- 
ren, B,  ß,  6.  r,  a,  4.  V,  22.  72.  73.  84.  8.*).  88.  VI,  1.  11.,  und 
Hr.  M.  hat  diese  Form  aus  den  besten  Handschriften  V,  26. 35. 82. 
VI,  1.  (ausNA)  und  A,  ß,  11.  T,  ö\  3.  V,  24.  (aus  N.)  hergestellt, 
so  dass  die  andere  Form  yivtödai,  etwa  zehnmal,  vielleicht  in 
Folge  nichf  genauer  Vergleichung  der  Haiidschrifteu,  übi  ig  ge- 
blieben ist:  B,  y,  6.  (zweimal).  Ö,  4.  /',  ß,  7.  ö.  2.  V,  11.  21.  47. 
VI,  6.  24.  Denn  ob  es  A,  ß}  1.  imyivoptia  (MAB;  und  nicht  fiel- 


72  Griechische  Literatur. 

mehr  t Tuytvoutva  heissen  muss,  ist  sehr  zweifelhaft.  So  schwankt 
es  auch  zwischen  yiyvaGxuv,  welches  ohne  Variante  Vf,  6.  und 
86.  steht  und  von  Hm.  M.  A,  y,  10.  und  VI,  3.  aus  N",  Y,  88.  aus 
A  aufgenommen  worden  ist,  und  yi  vdaxsiv^   welches  sich  A,  ß, 
7.  J5.  S,  1.  r,  y   1.  ö,  9.  V,  3i  (zweimal)  findet.  —    A,  ß,  2.  hat 
Hr.  31.  die  vulg.  av^ganog  und  eben  so  V,  66.  dv^g  in  Schutz 
genommen,  und  bezieht  sich  deshalb  auf  Krüger  zu  Dionys.  Hi- 
stor.  S.  110.  und  Brcmi  zu  Aeschines  3,  125.;  die  neuesten  Her- 
ausgeber haben  mit  Recht  dv&gayxog,  ccvtjg  geschrieben.     Denn 
so  lange  nicht  aus   guten  Prosaikern  eine  hinlängliche  Anzahl  si- 
cherer Stellen  beigebracht  wird,  wo  der  Artikel  in  den  Casibus 
obliquis  fehlt,  so  lange  wird  man  auch  berechtigt  sein,  in  ccv- 
ftoarrog,   «r'i)o,  wenn  es  von  einem  bestimmten  Individuum  ge- 
hraucht ist,  einen  Schreibfehler  zu  sehen      Die  \  ergleichung  mit 
dem  Deutschen:  Kläger,  Beklagter,  Endesun terschrie- 
b  en  er,  Bürgermeister    und  Itath,    dient  zu  Nichts,    da 
dies  theils  Bezeichnungen  \on  Personen  in  ganz  speciellen  Ver- 
hältnissen sind    und   wie  Eigennamen   betrachtet  werden,    theils 
auch  durch  die  übrigen  Casus  hindurch  ohne  Artikel  gebraucht 
werden,  was  im  Griechischen  nicht  der  Fall  ist.     Antiphon  setzt 
in  den  Casibus  obliquis  stets  den  Artikel  hinzu:  toü  dvägög  A,  d, 
10.  T,  ö.  10.  Vgl.  A,  y,  8.  j3,  10.  T,  a,  6.  y,  1.  V,  26.  38.  röv  ixv- 
Qoanov  V,  39.  u.  s.  f.;  ja  er  sagt  auch  regelmassig  6  dvrjg ,  wie 
A,  o,  8.  ß,  S,  8.  I\  ß,  3.  y,  2.  d,  1.  8.  V,  25.26.31.35.40.  u.s.w. 
Warum  sollte  er  an  zwei  Stellen  von  seiner  Gewohnheit  abgewi- 
chen sein'?     (Den  groben  Fehler  xa\  djtt&avs  [iiv  dvqg  ovtoöl 
V,  44.,  den  die  neuesten  Herausgeber  übersehen  haben,  hat  Hr. 
M. ,  Dank  sei  seiner  Oxforder  Handschrift,  weggeschafft.)    So  ist 
es  auch  im  Aeschines.     Dieser  braucht  von  einer  bestimmten  Per- 
son 6  avftgmtog  1,  61.  62.  3,  157.  212. ;  daher  werden  wir  den 
Artikel  auch  3,  99.  125.  159.  herzustellen  u.  uvftgcoiiog  zuschrei- 
ben haben;    kann  doch  Niemand  2,  106.  ävQgcoTtog  ovtog  den 
Schreibfehler  in  Abrede  stellen;  warum  sollen  wir  ihn  nicht  auch 
an  jenen    drei    Stellen  anerkennen'?     Freilich  führt  Bremi  1.  c. 
(oder  zu  2,  c.  4.  S.  142.)  aus  Aeschines  auch  Stellen  an,  wo  der 
Artikel  in  den  Casibus  obliquis  fehlt.     Indess  dies  beruht  auf  ei- 
nem Irrthum.     An  allen  diesen  Stellen  ist  das  Wort  allgemein  za 
fassen:    ö"xsi/>uö&£   öq   ngdy^axog  peydkov  xkon-rjv  xal  deivrjv 
ccvaiGxvviiav  dv% gaitov  (eines  Menschen)  2,  57.    svtsv&sv 

pgo- 
ngög 

ö>}  toöavttjv  roXfiav  xal  Tsgarsiav  uv&grixov  laktitov  aal 
öiapvrjiiovEvöcu  xtL  2,  IL,  und  eben  so;  nag  ovv  ccv  tig  ni- 
QMpocveöTtgov  BTtidti&itv  av%  ganov  nagdvo^a,  ysygacpörcc; 
3,  31.,  wie  in  Verbindung  mit  einem  Adjectivum:  (idktöta  filv 
p)  ngoödiisöde  xuKovgyov  äv&geoxov,  ol6kuevov  xtk.  3,  202., 


Antipliontis  orationea  ed.  Mactzner.  73 

während  Aeschines,  wo  er  bestimmt  redet,  auch  in  diesem  Falle 
den  Artikel  hinzufügt.  Vgl.  2,  124.  3,  79.  101.  cett.  Aehnliche 
Untersuchungen  bei  andern  Schriftstellern  möchten  zu  gleichem 
Bcsultate  führen.  —  §  8.  schreibt  Hr.  M.  mit  Beziehung  auf  P, 
(5,  6.  xccvx'  ävTiXoyi6ä(S$Gi  für  ravrov  ävxikvyi6u6da.  Man 
könnte  auch  xovxov  dvxikoyioäöQco  schreiben;  doch  jene  Ver- 
besserung ist  vorzuziehen.  Dass  und  warum  die  vulg.  corrupt  ist, 
kann  kaum  bezweifelt  werden,  obgleich  Hr.  M.  darüber  schweigt. 
Die  einzig  mögliche  Erklärung  derselben  ist  die  von  Gessner:  si-r 
militer  etiam  ex  adver sa  parte  rationes  subducat,  aber  gerade 
die  Hauptsache  und  worauf  der  ganze  Nachdruck  liegt,  das  etiam 
ex  adrersa  parte  ist  im  Griechischen  durch  dvxi  in  der  Znsam- 
mensetzung KVTiloyiöäödG)  viel  zu  schwach  ausgedrückt.  — 
§  9.  schreibt  Hr.  M.  jiioiytvöptvog  öe  xaxaXr4(pdt\g  (yila.  vero 
salva  damnatus)  für  itioiyivoiu vog  de  xai  Aqcp&HQ.  Uns  scheint 
diese  Verbesserung  wenig  beifallswerth.  Denn  diese  Worte  würde 
kein  Athener  anders  haben  verstehen  können,  als:  si  superfuisse 
deprehendar.  Sodann  ist  die  Wiederholung  des  Begriffs  verur- 
theilt  nach  ockovg  zum  mindesten  eben  so  lästig  als  die  Wieder- 
holung des  Wortes  jcßra/t^qpOelg,  welche  unmittelbar  darauf  Statt 
linden  würde.  Die  neuesten  Herausgeber  haben  Taylor's  Conj. 
Jtt()iytv6tutvog  de  xa\  Aetqpfreig  aufgenommen,  wobei  uns  nur  das 
Simplex  lsicp&e\g  missfällt;  denn  den  Begriff  von  jrepi  darf  man 
nicht,  wie  dies  sonst  wohl  geschieht,  aus  ntQiycVPp.trog  auch  zu 
XncpQs\g  ziehen,  da  7ngiysv6fitvog  hier  dem  toü  OoJtuaxog  ovx 
i6HQOV{ii]V ,  ÄEi<p9t\g  aber  dem  t/;c  iröXtcog  ovx  iöxegov^rjv 
entsprechen  muss,  7ifQiXti<p&sig  aber  Nichts  weiter  als  ntQiytvo- 
ftevog  wäre.  Die  beste  Handschrift  giebt  im  Vorhergehenden : 
xov  de  öä^taxog  xai  x>jg  vtöktag  ovx  dntöxtQovpriv ,  was  Bec. 
unbedenklich  aufgenommen  haben  würde.  Denn  der  Gegensatz 
(lav  de  vvv  xaxakr,<p\tug  anodciva)  zeigt,  dass  dem  Bedner 
hier  die  Bettung  des  Lebens  die  Hauptsache  sein  muss,  und  die  ge- 
wöbnlichc  Wortstellung  scheint  von  einer  Verbesserung  herzurüh- 
ren. —  §  12.  schreibt  Hr.  M.  aus  NAB  mit  Dobs.  ip\  de  ex  x  e  xäv 
iTQ()£iQya6[i£rG)v  yvaöiöQe  xxX.  für  ip.\  de  ix  xcJv  itg.  xxX. 
und  meint,  dass  der  Bedner  den  entsprechenden  Satz:  xu\  ix 
xfjg  vvv  uitoXoyiag  a.valxiov  ovxa  yvtÖGt6%i  oder  etwas  Aehn- 
liches  vergessen  habe  hinzuzufügen.  Einen  solchen  Gedanken 
konnte  aber  der  Bedner  nach  dem  Vorhergegangenen  nicht  mehr 
füglich  folgen  lassen ,  sondern  man  muss  nach  dieser  allgemeinen 
Exposition  seines  Charakters  und  seiner  Handlungsweise  vielmehr 
einen  Folgesatz  erwarten:  so  dass  Ihr  mich  dieses  Ver- 
brechens nicht  für  schuldig  halten  dürft.  Dies  sagt 
er  aber  mit  den  Woiten  roiovtou  de  ovxog  -<—  xaxayvüxh.  An- 
tiphon schrieb:  sx  yt.  xäv  jiq.,  wie  auch  vielleicht  F,  ß,  Ö.:  ceno- 
Xv6{.itvog  de  vitö  ye  xov  äglarxos  xtX.  wenn  nicht  daselbst  viel- 
mehr die  Worte  vjioxsxov  ^ououniitBciVke  und  den  neuesten  Her« 


74  Griechisch«   Literatur. 

ausgeben!  einzuschieben  sind,  oder  wie  V,  10.  <paöl  de  av  zo  ys 
daoxTtivav,  und  a.  a.  O.  Auf  jeden  Fall  aber  ist  es  misslich, 
dem  Schriftsteller  in  einem  zweifelhaften  Falle  ein  Anakoluth 
aufzubürden ,  da  zu  befürchten  steht,  dass  man  denselben  incor- 
recter  macht,  als  er  ist  oder  sein  wollte.  —  §  12.  nokkoig  öe 
egavl^ovza ,  wie  auch  die  neuesten  Herausgeber  nacli  der  Ver- 
muthung  des  Heraldus  für  nokkovg  öe  igavi^ovza.  Wahrschein- 
licher ist  die  scharfsinnige  Vermuthuug  Scheibe's :  xokkovg  Öh 
tgdvovg  hgavl'Cpvzcc.  —  §  13.  hat  Hr.  M.  zovg  zovza  pev  ßoq- 
&ovvzag ,  nag'  Eftov  Si  acpsktiödai  £rjzovvzccg  £<p  olg  xcczq- 
yogslzk  (iov  aus  ABL31  (für  xuzyyogtizal  (tov)  geschrieben 
und  beruft  sich  dabei  auf  den  allerdings  nicht  ungewöhnlichen 
Uebergaug  von  der  dritten  Person  zur  zweiten.  Ein  solcher  Ue- 
bergang  würde  aber  hier  nicht  nur  äusserst  hart ,  sondern  auch 
durch  Nichts  motivirt  sein;  ohne  Grund  finden  aber  solche Ueber- 
gänge  nie  Statt.  Das  Beispiel,  welches  Hr.  M.  aus  [Demosthe- 
nes]  Epist.  IL  p.  1469.  anfuhrt,  passt  nicht,  wie  sich  Hr.  M. 
schon  durch  die  Interpunction  bei  Bekker,  noch  mehr  durch  die 
Berücksichtigung  des  Zusammenhanges  überzeugen  konnte.  Au 
unserer  Stelle  ist  xazyyogelzal  fiov  festzuhalten ;  wie  die  andere 
Lesart  entstanden  ist,  zeigt  cod.  N:  xuzqyogtizcd  zk  fiov.  — 
A,  y  3.  verwirft  Hr.  M.  mit  Recht  Bekker's  zrjg  ngofi jjth'ag,  was  auch 
die  neuesten  Herausgeber  aufgenommen  haben,  und  schreibt  mit 
Rciskc  ov%  Ixuvtj  ijv  navGai  zrjg  ngodvfiiag.  Die  Erklärung 
der  Stelle  sollte  schärfer  sein.  —  A,  y,  6.  hat  Hr.  M.  nach  Reis- 
ke's  Vorschlag:  öidd^ca  zo  (iiv  ydg  dkävtu  xzk.  geschrieben, 
und  eben  so  hat  er  B,  y,  10.  .T,  ß,  7.  r,  d,  6.  nach  öidd£<a  oder 
öijkcSöa  die  Partikel  ydg  eingeschoben  und  V,  79.  yegav  [isv  ydg 
coiijicirt.  Einen  Grund  für  diese  Willkürlichkeit  giebt  er  uns 
nicht ,  und  doch  können  wir  nicht  zweifeln ,  dass  Hr.  31.  so  gut 
wie  jeder  Andere  weiss,  dass  in  solchen  Sätzen  ydg  eben  so  wohl 
gesetzt  werden  kann,  wie  es  z.  B.  B,  S,  6.  steht,  als  wegbleiben, 
wie  A,  y,  17.  rpi'a  ydg  dyuftd  ngd^tzs'  skdööovg  fiiv  zovg 
xzk. ,  wo  auch  Hr.  31.  nicht  gewagt  hat  es  einzuschieben.  — 
Ibid.  vertheidigt  Hr.  31.  die  vulg.  ov  ydg  äv  eatl&ezo  ccvzä. 
roganti  enim  ut  causa  desisteret  tnorem  non  gessisset  ille  sc. 
mortuus.  Aber  bei  der  Feindschaft  zwischen  den  beiden  31äu- 
nern  lässt  sich  die  Möglichkeit  einer  solchen  Bitte  gar  nicht  den- 
ken. Antiphon  hat,  wie  Dobree  sah,  ov  ydg  dv  ixixtizo  ccvzä 
geschrieben.  Einen  Cirkelbeweis  giebt  das  nicht,  wie  Hr.  M. 
meint ;  denn  der  Ankläger  will  gar  nicht  beweisen ,  dass  der  An- 
geklagte den  3Iord  verübt  habe,  das  ist  ihm,  wie  er  ausdrücklich 
erklärt,  ausgemacht  (siehe  §  1.),  sondern  blos  dass  seine  Vertei- 
digung nichts  tauge.  Dies  zeigt  sich  auch  in  dem  folgenden  §  7., 
wo  Hr.  M .  wohl  gethan  hat ,  die  Lesart  der  Handschriften  beizu- 
behalten. Denn  ausser  dem  zweifelhaften  daoözgsipat ,  wofür 
die  neuesten  Herausgeber  mit  Reiske  und  Dobree  ditozgityui  ge- 


Antiphoniis  orationes  ed.  Maetzner.  75 

schrieben  haben ,  ist  blos  rjytTzo  corrupt ;  Hr.  M.  und  Hr.  Sauppe 
haben  dafür  mehr  wohl  in  Berücksichtigung  des  Zusammenhangs 
als  der  Schriftzüge  lns%txo  vermuthet.     Die  Worte  sind :  d&div 
Ö£    öid   xd   (pavsgdv  tlvat  xrjv  vnotylav  avxa  p.'q  xaxrtdoxil- 
6&cu   v(p    vpäv,    ovx   ogdoög   di-ioi.    ov    ydg  xovxov  tv  xolg 
piyiöxoig    xivdvvoig    ovxa    ixccvi]    rtv  r\    vnotylu.    cMtoöroit/xu 
T»/g  STttdiösag.    ovöetg   ydg  iinßovktv6sv  avxa'   nag  ydg  dv 
tig  xcov  ijööov  xtvövvtvövxav   xr]v  vitotylav  ftdkkov  xov  xiv- 
övvov    tpoßovpnvog   %66ov   ij   ovtog  tjytixo  avxco.     Auch  hier 
wird  die  Schuld  des  Angeklagten  als  ausgemacht  untergestellt: 
..wenn  er  verlangt  deswegen  für  nicht  schuldig  gehalten  zu  wer- 
den,  weil  der  Verdacht  voraussichtlich  gegen  ihn  sich  richten 
musste  (vgl.  A,  ß,  10.) ,  so  ist  das  ein  billiges  Verlangen.     Denn 
der  Verdacht  (d.  h.  die  Rücksicht  auf  diesen  Verdacht)  war  nicht 
im  Stande,   ihn  von  der  That  abzuhalten.     Denn   kein  Anderer 
trachtete  Jenem  nach  dem  Leben ,  da  jeder  Andere  weniger  von 
demselben  zu  befürchten  hatte  u.  s.  f.     Warum  die  neuesten  Her- 
ausgeber li  ydg  für  ov  ydg  mit  Rci.»ke,  und  dann  ovöttg  ctg    für 
ovösig  ydg  geschrieben  haben,  können  wir  nicht  recht  einsehen, 
und  namentlich  scheint  uns  ag'  ganz  unpassend.     Denn  nach  die- 
ser Kumulation    muss   die  Stelle   folgenden  Sinn  haben:  „denn 
wenn  diesen  der  Verdacht  vom  Mord  hätte  abhalten  können,  so 
würde  Jenem  (überhaupt)  Niemand  nach  dem  Leben  getrachtet 
haben."     Hierzu  passt  ovötlg  dv  (oder  wie  Reiske  wollte,  ovdVig 
y  aV),  nicht  aber  oröfig  dg\  und  ausserdem  missfällt  bei  dieser 
Kumulation,  dass  nun  die  Hauptsache,  nämlich  der  Beweis,  warum 
der  Angeklagte  ovx  ogftäg  d^tol  durch  einen  Nebensatz  gegeben 
wird.  Denn  warum  ist  das  Verlangen  unrecht'?    weil  ihn  der  Ver- 
dacht nicht  vom  Mord  abgehalten  hat,  nicht  weil  kein  Anderer 
Jenem  nach  dem   Leben  getrachtet  hat  (oder  haben  würde).  — 
§  1 1.  schützt  Hr.  M.  das  Praesens  dnokvtöftt  gegen  Stephanus* 
dnokv&rj6t69s   (ditokv6t6%t  giebt  die  neueste  Ausgabe)  durch 
passende   Beispiele;    er   hätte  noch  hinzufügen  sollen,    dass  die 
Verbindung  des  Praesens  mit  Futuris  hier  um  so  passender  ist, 
als  diese  eine  spätere  oder  mittelbare  Folge  der  Vernrtheiluiig, 
jenes  aber  die  unmittelbar  und  auf  der  Stelle  eintretende  bezeich- 
net.    A,  ö,  10.  nimmt  Hr.  M.  an  den  Worten  zd  di  ilxöxa  dkka 
ngog  tuov  nakkov  dnodiöuxxat  ovxa  keinen  Anstoss,  obgleich 
ihn  seine  Erklärung:    argumenta   autem   a  probabililate  petita 
longe  alia  esse  s.  aliom  vrm  habere  {alium  hominis  interfectorem 
esse)  atque  (das  steht  nicht  da)   a  meis  potius  pariibus  sture 
crtcj,  darauf  hinführen  musste,  die  Stelle  für  verderbt  zu  halten. 
Die  Conjectur  des  Hrn.  Sauppc:    xd  ds    sixöxa  —    dkka  jigog 
ifiov  fiäkkov  dnodiötixxat  ovxa  ist  äusserst  glücklich.  —     Die 
zwe:te  Tetralogie  hat  grössere  Schwierigkeiten  als  die  erste.   Den 
Fehler  B,  ß,  1.  rovg  xt  yövxtovg  xok^iäv  xd  xe  dkka  nagd  q>v- 
ötv  kiyuv  xa\  Ögäv  ßidtpvxui  habeu  die  Herren  Scheibe  (acta 


76  Griechische  Literatur. 

soc.  gr.  p.  87.)  und  Sauppe  glücklich  geheilt,  indem  sie  xui  jtugd 
i.irugd schreiben.  Hr.  M.  sucht  die  Lesart  der  Handschriften  durch 
folgende  Erklärung  zu  schützen:  pudentesque  homi/tes  cogunt  au- 
dacler  agere  et  re Liqua  omnia^  quae  ab  ipsorum  in- 
genio  alienissima  sunt,  et  dicere  et facere.  Dann  miisste 
aber  wenigstens  xui  xu  uX\u  xu  nugd  tpvöiv  bvxu  gelesen 
werden;  und  xolpüv  müsste  einen  engern  BegrifF  hüben ,  als  es 
hat.  —  Ueber  die  Schwierigkeit,  die  sich  §  2.  findet,  schweigen 
die  neuesten  Herausgeber,  zJiopui  vpäv  ^  idv  äxgtßEGTEgov  rj 
äg  ßvvrjftsg  vuiv  doijo  aliteiv,  uij  diu  xdg  Tcgoetgijusvug  xv- 
%ug  unoÖE^upsvovg  pov  rrjv  uJtoXoyluv ,  öö^y  xui  prj  ttkrj&tlci 
xijv  xgiGiv  itoir]<5u6$aL'  tj  psv  yug  do^u  xäv  nguyfikviav 
■xgbg  xäv  Xsysiv  dvvauevcov  tGxiv,  rj  ds  dXföuct  ngog  xäv 
dlx'nu  xui  oGia  nguGGÖvxtov.  Leider  ist  die  Stelle,  woraus  die 
unsrige  erklärt  oder  emendirt  werden  könnte  (y,  3.  ovrog  fiiv 
ovx  oGtag  dslxai  vuäv  Gv%väg  xt)v  unoXoyiuv  dito&kyfitöui 
avtov'),  was  auch  Hr.  M.  S.  177.  dagegen  sage,  selbst  corrupt. 
Hr.  M.  vermuthet,  dass  die  Partikel  piq  vor  dnoÖE^uucVovg  aus- 
gefallen sei.  Qua  reeepta  omnia  optime  procedunt.  Das  glauben 
wir  nicht,  zumal  wenn  die  Worte  do^y  xui  pt)  dfafötiu  bedeuten 
sollen  opinione  magis  quam  veritatis  rationibus  dueli,  eine  Er- 
klärung, gegen  welche,  wie  Jedermann  sehen  muss,  die  gleich 
folgenden  Worte  ij  plv  ydg  doija  xxX.  auf  das  Entschiedenste 
protestiren.  Sollte  man  der  Stelle  vielleicht  durch  eine  Verände- 
rung der  Interpunctiou,  indem  mau  das  Comma  vor  Ö6t,tj  streicht 
und  nach  cckt]9slu  setzt,  zu  Hilfe  kommen  können'?  —  B,  ß,  6. 
ol  xe  ydg  uuugxdvovxig  äv  äv  ETCivorjGoaGi  xt  hat  Hr.  31.  mit 
Recht  xt  in  Klammern  geschlossen ;  denn  es  lässt  sich  das 
Pronomen  eben  so  wenig  erklären,  als  in  der  ähnlichen  Stelle 
bei  Aeschiues  II,  107.  ovdeig  ps  xäv  bnkav  av&xa  xäv  (ÖiAi'ä- 
nov  xgivti,  dXX'  äv  uv  una  x  i  prj  öiov  ij  jigd^a  xt  xcov 
prj  xgoGxszuypEvav ,  worüber  Unterzeichneter  in  den  Actt.  soc. 
gr.  II,  1.  p.  34.  gesprochen  hat;  aber  bei  der  Verteidigung  der 
Worte  ot  ds  exovGiov  xi  dgävxsg  ij  nuGyovxEg ,  oi)roi  xäv 
Ttufttpiütcov  ul'xlol  yiyvovtug  ^c^n.  Reiske"s  Vorschlag  (ovxoi 
xäv  EKOVöicxtv  7tgüi;£G)v  xui  TtuSrjudzcov  atuot  y  )  irrt  Hr.  M., 
wenn  er  meint,  dass  alzioi  vorzüglich  zu  betonen  sei:  Uli  facto- 
res  tantummodo  delicti  neque  in  culpa  sunt^  hi  auctQres 
farinnris  atque  in  culpa;  denn  die  ngdxxoghg  xäv  dxovoicov 
sind  keineswegs  frei  von  Schuld,  und  eben  deshalb  will  der  Red- 
ner beweisen,  dass  seinen  Sohn  der  Vorwurf  einer  unfreiwilligen 
Tödtung  nicht  treffe.  Vgl.  §  9.  Der  Grund ,  weshalb  Antiphon 
nicht  in  der  von  Reiske  verlangten  Weise  fortfuhr,  war  ganz  ein- 
fach der,  weil  der  Sohn  des  Klägers  sich  ein  nd&rjpa  zugezo- 
gen hatte,  weil  also  das  (exovöicov)  Jigu^ECOv  uixiot  ylyvovxut 
auf  ihn  keine  Anwendung  erlitt.  —  23,  y,  2.  verschmäht  Hr.  M. 
die  von  Ilekker  und  den  neuesten  Herausgebern  aufgenommene 


Antiphon!!*  orationes  eil.  Macizner.  i  < 

Conjeclur  Reiske's:  ov<5e  yag  av  Iva  Xoyor  dvzl  dvolv  Xe- 
|ag  rd  rjutöv  rrtg  xaxyyoQtttg  ipavzov  äv  ct7tt6TfQtj6a  und 
schreibt  mit  den  Handschriften  NA:  dvztöovg  ij  Ati;«e,  nur  dass 
er  die  Worte  ij  Xitag  als  Glosse  einklammert.  Seine  eigene  Ue- 
bcrsctzung  aber  zeigt,  dass  dvzl  övolv  nöthig  ist:  neque  enim 
—  dt/os  01  aiiones  accusati  una  hoc  oratinncvla  compensans  di~ 
vidia  acrusationis  parte  ine  ipse  prhassem.  —  §3.  nimmt  Hr. 
M.  mit  Reiske  nach  h'oycc  yuvtgd  eine  Lücke  an,  Hr.  Sauppe 
glaubt,  dass  dcpctviöai  nach  neiödivztg  ausgefallen  sei;  uns 
scheint  tgya  tpavfQu  Nichts  weiter  als  eine  Glosse  zu  zijv  aAij- 
Qsictv  rar  Jtoa%devz(OV.  —  Die  Vermuthung,  dass  Antiph.  §  4. 
i)  ö'  ddoX(OT({jov  ij  övvazcSzSQOV  (für  xa\  döwazüzigov)  kt%&i}- 
Gtzca  geschrieben  habe,  hat  auch  Hr.  Scheibe  aufgestellt,  und 
sie  ist  jedenfalls  der  Reiske'schen  0  i  xcti  dö.)  vorzuziehen.  Es 
ist  ein  allgemeiner  Satz,  in  welchem  das  Futurum,  wie  bekannt, 
durch  die  Beziehung  auf  eine  Bedingung  die  Bedeutung  eines  Ao- 
rists (pflegen)  erhält.  Vgl.  Hermann  zu  Soph.  Antig.  V.  350.; 
dass  Hr.  M.  dem  Futurum  die  Bedeutung,  rem  vel  personam, 
de  quo  a«i/ur,  propensam  vel  idoneam  esse,  ad  id  efficiendum 
perpetieniitimce,  qitod  verbum  exprimit,  möchte  sich  nicht  recht- 
fertigen lassen.  —  §  6.  erklärt  Hr.  M.  die  Worte  og  (nämlich 
der  nutöuzQtßijg)  vjitöi%izo  zolg  dxovzl£,ovöi  zec  dxövzia  dvai- 
Qtiödui  durch  qui  curam  solebat  suseipere  colligendorum  te- 
lorvm.  Damit  wäre  allenfalls  das  Imperfectum  erklärt,  wenn 
auch  nicht  richtig,  denn  es  bezeichnet  hier  das,  was  damals  (als 
der  Knabe  gerufen  wurde)  geschah ,  im  andern  Falle  m'üsste  es 
vTiobiyizccv  solet  heissen;  aber  die  Redensart  viisdex&zo  — ■ 
dvctiQtiQftui  wäre  noch  zu  erklären  und  zu  erweisen.  Rec.  hält 
uvciiQiiGxtai  (vielleicht  ursprünglich  aWtpmai,  wie  vor  Bekker 
gelesen  wurde)  für  eine  Glosse.  Eben  daselbst  vermuthet  Hr.  M., 
dass  Antiphon  nicht  ovöiv  ilg  ovöiv'  dpccgzav ,  sondern  slg  ov- 
öiva  ovöiv  dp.  geschrieben  habe.  Warum?  doch  nicht,  weil  es 
so  §  9  und  ß,  7.  heisst?  Die  Handschriften  (ovöiv  ovo'  slg  %v  d. 
NABLZ)  zeigen  vielmehr,  dass  Antiphon  ovötv  ovo'  slg  tv  dp,. 
geschrieben  hat,  nämlich:  auch  nicht  gegen  sich.  Den 
Sinn  der  schwierigen  Stelle  §  11.  ovtf  ot  davazüöccvztg  rtpäg 
pi]  tloyöpivoi  zäv  nooörjxövzav  *)  tvötßoivz'  äv  vno  zäv 
dnoXvödvxav  zovg  dvoöiovg  giebt  Hr.  M.  im  Ganzen  richtig 
an:  neque  ii  qui  nos  interfeceiunt  (i.  e.  adiersarii  Jilius,  qui 
meum  inier fecit  pue/um)  si  von  arceantur ,  unde  arceri  eos 
par  est ,  iure  a  iadieibus  impios  absolventibus  reverentia  digni 
Imbeanlur ,  nur  dass  der  Ausdruck  reverentia  digni  verfehlt  ist. 
Denn  die  Vergleichung  mit  ß,  11.  (dkl'  dnoXvovztg  tvöißtlzt), 

')  Im  cotl.  A  siml  vor  nQoeqxovzcov  zwei  Buchstaben  ausgelassen. 
Schrieb  Antiphon  zwv  ov  Ttqocrty.6vzcöv'i  Die  Negation  ist  oft  in  den 
besten  Handschriften  übersehen  worden ,  wie  z.  B.  §  i).  in  N. 


78  Griech liehe  Literatur. 

worauf  sich  der  Redner  an  unsrer  Stelle  bezieht,  lasst  nicht  zwei- 
feln ,  dass  von  einer  impietas  in  deos  die  Rede  ist.  Das  Wort  sv- 
Otßslv  selbst  wird  au  unsrer  Stelle  theils  durch  jene  Vergleichung 
theils  durch  den  folgenden  Paragraph  (trjg  ovv  v^szsgag  svös- 
ßsiag  si'skcc  jctA.),  sowie  selbst  durch  den  Schreibfehler  svöe- 
ßeLcc  für  svkäßsia  in  AN  gegen  jede  Acnderung  (wie  etwa  sv  6s- 
ßoivz  av,  was  Hr.  M.  durch  seine  Uebersetzung  ausdrückt)  ge- 
schützt. Kann  man  aber  die  Construction :  oiid'  ol  %avataQav- 
tsg  rjuäg  ft$  slgyöfjitvoi  —  svötßolvt  ccv,  in  dem  Sinne,  den 
diese  Worte  hier  haben  müssen  (der  Schuldige  wird,  wenn  er 
nicht  gestraft  wird,  auf  eine  die  Götter  beleidigende  Weise  be- 
handelt), für:  ovzs  zäv  ftavazaöccvzcov  rjpäg  (tq  slgyo^isviov 
—  svösßolt  av  vno  täv  xzk.  rechtfertigend  Hierin  liegt  die 
einzige  Schwierigkeit  dieser  Stelle,  der  die  auch  sonst  unpassende 
Conjectur  des  Herausgebers  og&cog  oder  ÖtKutojg  svösßolvt  av 
nicht  zu  Hülfe  kommt.  Warum  der  Aorist  vno  täiv  änolvöccvtav 
nicht  zu  dulden  und  was  dafür  zu  setzen  sei  (doch  nicht  vno  täv 
änokvöovtav! ) ,  hat  uns  Hr.  M.  nicht  gesagt.  Vgl.  V,  96.  — 
r,  a,  -.  nimmt  Hr.  M.  iu  den  Worten  o  ts  yag  %sog  xtL  eine 
Versetzung  der  Partikel  ts  au  und  lässt  diesen  Satz  den  Worten 
tgorpeag  ts  nagiöaxs  entsprechen.  Aber  wohin  musstc  dann 
Antiphon  das  erste  ts  stellen,  wenn  dies  an  seinem  Platze  stehen 
sollte'?  Offenbar  so:  6  yag  &sög  ßovkö^isvog  noirjöai  to  dv- 
ftgänivov  <pJAov,  hq>vös  ts  tovg  ngdtovg  ysvopsvovg  rj^iäv 
(oder  rovg  ts  ng.  y.  rjuäv  scpvös)  tgoq>sag  ts  nagsSaxs  xzk. 
Welch  einen  unpassenden  Gedanken  dies  giebt,  ist  leicht  zu  se- 
ilen. Ueberhaupt  aber  muss  man  immer  gegen  solche  Versetzun- 
gen misstrauisch  sein.  Au  unsrer  Stelle  hat  Hr.  Sauppe  die  Be- 
ziehung der  Partikel  ts  nachgewiesen.  Denn  die  Partikel  yag  zu 
Anfang  des  dritten  §  ist  ohne  Frage  zu  streichen ,  und  wir  erhal- 
ten nun  drei  Argumente,  warum  es  öofrcJg  vsvöfiiötcu  rag  yovi- 
xdg  dixag  nsgl  nkdözov  noisiö&ui  Öiaxsiv  ts  xal  fiagzvgsiv 
xatd  tö  bixaiov ,  nämlich  o  ts  yag  &tog  §  2.,  o  ts  dnoftaväv 
§  3.  und  reisig  ts  §  4  Unter  xglvovzsg  §  3.  sind  nicht  die  An- 
kläger zu  verstehen ,  sondern  die  Richter.  —  .T,  ß ,  §  7.  zrjg 
vusttgag  svösßsiag  avzol  <p  ov  slg  slöi.  Hr.  M.  findet  hierin 
blos  ein  audacius  dictum;  wir  meinen  aber,  jeder  Andere  wird 
die  Stelle  so  lange  für  corrupt  halten,  bis  ein  solcher  Trope  aus 
einem  klassischen  Prosaiker  nachgewiesen  sein  wird  ,  zumal  da 
das  kurz  vorhergehende  cpovslg  und  dnoxzelvai  das  Verderbniss 
veranlassen  konnte,  aus  a,  4.  extr.  aber  ersichtlich  ist,  dass  Anti- 
phon aitioL  geschrieben  haben  muss.  —  J1,  <5,  5.  tov  ös  %dva- 
tov  näg  äv  sntßovksvösv ,  ov  ys  dxovaiag  sndtal-sv;  der 
Accus,  lässt  sich  nothdürftig  vertheidigen ,  und  wäre  immer  noch 
besser,  als  die  Conjecturen  des  Hrn.  Scheibe:  co  ys  —  snäta- 
%tv  oder  ov  ys  —  'snga&v.  Rec.  hatte  in  seinem  Exemplar  der 
Bekk.  Ausgabe  längst  og  ys  corrigirt,  ehe  er  sah,  dass  die  neue- 


Antipliontie  erationeg  ed.  Maetzner.  79 

sten  Herausgeber  dasselbe  verimithet  haben.  Vgl.  V,  41.  -~  §  6. 
vertheidigt  Hr.  M.  die  vulgata :  tag  de  ovde  xgelööav  av  äXXu 
noXv  vTioÖteöztQog  ojv  enct6%ev  ^pvvexo ,  didd£a.  s/fferunttir 
haec  a  patrono,  qnia  actor  dixerat  y.  §  3.  o  de  advväxcag  xöv 
xgeiöö  ova  üpvvöpevog  (hierauf  bezieht  sich  vielmehr  der  An- 
fang des  §  7.) ;  atque  revera  non  xgeiööav  fnerat  sed  vnode- 
söTtQog  fei  qui  tantummodo  idegerat,  ut  inimici  impetum  pro- 
pulsaret  atque  se  pugnando  defeuderet.  Das  ist  eine  Spitzfindig- 
keit, welche  durch  die  folgenden  AVorte  6  de  —  eXaööovag 
jj  xax  ä£lav  xov  äglavxa  ypvvexo  widerlegt  wird.  Dass  Anti- 
phon xgetööövag  geschrieben  hat,  und  dann  auch  vitodeeözegag, 
zeigt  die  Lesart  der  beiden  besten  Handschriften  (NA);  xgeiööov 
cäV.  —  §  8.  war  mit  Reiske  ex  xav  ccvxov  egycov  xyv  xvxvv 
7CQo6ayopevog  zu  schreiben;  die  vulg.  jroo«yd/i£Vog,  welche 
Hr.  M.  pelliciens  atque  incitans  erklärt,  ist  selbst,  wenn  sie  dies 
bedeutet,  absurd. 

In  V,  11.  hat  Hr.  M.  die  fehlerhafte  vulg.  eläXtiav  uvxw 
(für  ig.  ccvxä)  verbessert.  §  12.  behält  er  Xeyav  bei,  welches 
keine  handschriftliche  Auctorität  für  sich  hat.  Die  Handschriften 
geben  eX  ye.  Uec.  vermuthete  ol'fi,  worauf  auch  Hr.  Sauppe,  wel- 
cher aber  ye  beibehält  (oXei  ye)  verfallen  ist.  §  13.  hat  Hr.  M. 
nach  Bernhardts  Vorschlag  (Synt.  S.  276.)  nach  epol  interpun- 
girt  und  ocpXe Iv  statt  otpXeiv  geschrieben ,  sonst  keine  Verände- 
rung vorgenommen.  Die  Stelle  lautet:  xaixoi,  epol,  ei  ptjdev 
Öäytge  ötegeö&cci  tijöde  xrjg  nöXeag,  Xöov  r^v  poi  xdi  «poö- 
xXrjdevxt  pij  eX&elv ,  aXX'  egrjprjv  6q>Xelv  xi]V  dixrjv ,  xovxo 
ö'  KnoXoytjöapeva  xrjv  ngoxegccv  e^elvai  ££sX9elv.  Der  Infini- 
tiv e!-eivaiy  für  den  Bekker  mit  Reiske  U-ijv  aufgenommen  hat, 
lässt  sich  zwar  durch  eine  Nachlässigkeit  des  Redners  entschuldi- 
gen und  deshalb  haben  wahrscheinlich  auch  die  neuesten  Heraus- 
geber nicht  gewagt  zu  ändern,  aber  da  die  beste  Handschrift 
t^eiv  hat,  und  dies  zeigt,  wie  die  vulg.  entstanden  ist,  so  wird 
wohl  e$r}v  herzustellen  sein.  Ausserdem  möchte  xtjv  dixrjv,  wel- 
che Worte  im  cod.  N  fehlen ,  als  Glosse  zu  streichen  sein.  Hr.  M. 
erklärt  Xöov  r\v  poi  für  Xöag  {pari  modo,  pariter)  s£ijv  poi.  So 
würde  dies  aber  kein  Grieche  haben  verstehen  können,  Antiphon 
hätte  vielmehr  t£  Xöov  y\v  poi  schreiben  müssen ;  Xöov  i)v  poi 
heisst  hier  i.  q.  ovdlv  Öiiqitge  poi,  und  die  Partikel  xcu  vor  jtgoö- 
xkrj&evxi  entspricht  nicht  dem  folgenden  toüto  dk,  sondern  be- 
zieht sich  auf  das  Vorhergegangene  aönegel  äxovxa  xxX.  i.  e. 
ixaiv,  ov  TtgoöxXiföeig,  rjX&ov  tlg  xi)v  yrjv  tavxrjv.  Dem 
toüto  de  entspricht  vielmehr  ein  vor  iXdelv  hinzuzudenkendes 
xovxo  pev.  —  Im  folgenden  Satz  vertheidigt  Hr.  M.  das  hand- 
schriftliche ps  pövov  gegen  Bekkers  epe  povov  mit  Recht.  Die 
neuesten  Herausgeber  haben  hier  an  pe  povov  Anstoss  genommen, 
Lys.  8,  19.  aber  nicht.  —  Die  Worte  diu  ti]v  xov  öäpuxog 
naxonafteiuv  §  18.  vertheidigte  Hr.  M.   sehr  furchtsam  gegen 


80  G  r  i  c  c  h  i  s  c  li  c  L  i  t  c  r  a  t  u  r. 

Dobree,  der  sie  ausgestossen  haben  wollte:  sed  ita  possint  ac- 
cipi,  ut  et  äedecus  vincti  et  potentiam  adversariorum  arguant. 
Aber  wie  ist  dies  möglich'?  Unter  tJ  tov  öapazog  xuxondftsiu 
ist  die  in  Folge  der  Einkerkerung  geschwächte  Gesundheit  des 
Angeklagten,  die  einen  baldigen  Tod  desselben  voraussehen  lässt, 
zu  verstehen,  und  dieser  Zusatz  war  liier  durchaus  nötliig,  wenn 
man  begreifen  sollte,  wie  der  Kläger  durch  jene  ungesetzliche 
Einkerkerung  hoffen  durfte,  die  Freunde  (d.  i.  die  Bekannten) 
des  Angeklagten  von  einer  Unterstützung  desselben  vor  Gericht 
abzuhalten.  Kurz  vorher  (§  17.)  vertheidigt  Hr.  JH.  die  vulgata: 
aözs  xcxl  oviog  (sc  6  vöpog)  xoivog  xoig  dkkotg  naöiv  av  aioi 
pöva  iniktns  prj  aepsksiodru  xovds  xov  vopov.  Der  Genitiv 
bei  aepsks  lö&ai  ist  aber  noch  zu  erweisen ,  eben  so  der  bei  wqpE- 
/Uü»,  den  Hr.  M.  weder  durch  die  Dichterstelle  Soph.  Oed.  Col. 
436.  ovösig  sgatog  xovd'  icpaivsz'  depskav  (siehe  daselbst  Her- 
mann), noch  durch  die  fremdartige  Stelle  in  Xen.  Agesil.  XI,  8. : 
%Qr]pa6i  ys  prjv  ov  pövov  dtxalag,  dkkd  xal  iksv&sgia'g  sxgfjtOi 
tcj  ßiv  ÖLxalco  dgx&lv  rjyovpsvog  ro  iäv  tdkkötgia,  tä  Ös  iksv- 
&eqUo  xal  xav  savzov  (aus  dem  Seinigen)  ngo6aq)skrjtiov  si- 
vcti,  erweisen  kann.  Antiphon  schrieb  wahrscheinlich  kx  zovbs 
tov  vopov.  —  §  29.  hat  Hr  IM.  die  Lesart  der  Handschriften 
to  cclficc  (tt  alpa  'vulg.)  in  ihr  Recht  eingesetzt.  —  §  44.  hat 
Hr.  M.  eine  grosse  Veränderung  vorgenommen ,  welche  beim  er- 
sten Anblick  gefällt,  bei  näherer  Betrachtung  aber  sich  als  ganz 
unhaltbar  zeigt.  Die  Stelle  lautet:  xal  dni&avs  psv  6  dvt)g  ov- 
toöi  iyyvg  xrjg  &akdööijg  xal  xäv  nkoiav^  dg  6  xovtav  koyog 
görlv,  vito  Ös  svög  dvdgög  dno&vrJGxav  ovzs  dvixgaysv  out 
cd'öthfötv  ovöspiav  snoitjösv  ovzs  zoig  iv  zij  ytj  ovzs  zolg  iv  tu 
nXoicp ;  xcci  prjv  nokkä  nkiov  ys  dyvoEiv  eözl  vvxzag  ij  psV 
rjpsgctv,  ix  dxzfjg  ij  xazd  nökiv  xal  prjv  sri  iygrjyogozav  epet- 
6iv  ixßrjvat  xbv  ävdga  ex  xov  nkoiov.  (§  45.)  snsiza  iv  xrj  yy 
psv  dno&avovzog ,  ivzi&spivov  da  slg  zo  nkoiov,  ovzs  iv  xy 
<yrj  örjpslov  ovds  alpa  icpdvrj  ovze  iv  xä  itkoico ,  vvxtcog  plv 
dvaigE&Evzog ,  vvxzag  <5'  ivt&spivov  slg  xo  nkoiov.  r\  doxsl  av 
xig  vplv  ävftganog  Övvaö&ca  —  dvaönoyyiöai,  d  ovds  ps& 
i)psgixv  [dv]  xig  olög  x  iysvsxo  —  dcpaviöui;  Hier  hat  Hr.  M. 
den  Satz  xal  prjv  nokka  nkiov  —  xazä  nökiv  nach  den  Worten 
vvxzag  ö'  ivziftspivov  slg  xo  nkoiov  §  45.  eingeschoben.  Was 
heisst  aber  vor  allen  Dingen  nokkä  nkiov  ys  dyvoslv  közb'i  Hr. 
M.  antwortet:  malto  facüius  (eigentlich  wohl  multo  plus)  eria- 
tur  sive  impmdentia  peccatur.  Geben  wir  dies  zu:  welches  ist 
nun  der  Zusammenhang'?  ,,Sodann,  sagt  der  Redner,  obgleich 
er  auf  dem  Lande  ermordet  und  in  das  Schiff  gelegt  worden  sein 
soll,  fand  sich  doch  weder  auf  dem  Lande  noch  auf  dem  Schiffe 
eine  Blutspur,:  trotz  dem,  dass  er  bei  Nacht  ermordet,  bei  Nacht 
in  das  Fahrzeug  gelegt  worden  sein  soll.  Und  doch  kann 
man  sich  bei  Nacht  leichter  versehen  (irren)    als 


Antipliontiä  orationes  cd.  Mactzner.  81 

bei  Tage.  Wer  kann  sich  versehen?  Offenbar  der  Mörder; 
aber  womit'?  tödtet  er  etwa  bei  Tage  so  vorsichtig,  dass  kein 
Blutstropfen  auf  die  Erde  sprützt?  Doch  nein.  Der  Redner  setzt 
voraus,  dass  bei  jedem  Mord  Blut  fliesse.  Denn  er  fährt  fort: 
„Oder  glaub t  Ihr,  dass  ein  Mensch  in  solcher  Lage 
bewerkstelligen  könne,  was  einem  ruhigen  Men- 
schen selbst  bei  Tage  unmöglich  sein  würde,  die 
Blutspuren  vertilgen'?  Der  Zusammenhang  wird  aufgeho- 
ben durch  die  Umstellung,  welche  Hr.  M.  vorgenommen  hat.  Dass 
dieselbe  aber  auch  sonst  gar  nicht  möglich  ist,  zeigen  die  Worte 
in  äxxiig  ij  xaxä  nöfav,  welche  hier  entscheidend  sind.  Hr.  M. 
hat  nicht  gesagt,  warum  in  litore  facilius  imprudentia  peccatur 
quam  in  urbe,  und  möchte  es  nicht  leicht  sagen  können.  Die 
Worte  tri  ccxxijg  r\  xuxa  Tiohv  enthalten  aber  eine  so  deutliche 
Beziehung  auf  die  Worte  xccl  dni&avs  plv  —  lyyvg  xijg  %ccXdx- 
xtjg,  dass  man  nicht  zweifeln  darf,  dass  der  Satz  xccl  ^i)jv  noXXcö 
ocxX.  in  der  vulg.  an  seiner  Stelle  steht,  und  der  Sinn,  den  er  ent- 
halten muss,  ist  im  Allgemeinen  richtig  von  Dobree  angegeben: 
per  silentia  noctis  in  deserto  litore  vel  minimus  exauditur  stre- 
pitus,  wenn  wir  auch  nicht  verbürgen  wollen,  dass  die  griechi- 
schen Worte  diesen  Sinn  haben  und  nicht  vielmehr  verderbt  sind. 
Bei  diesem  Sinne  aber  ist  der  Zusammenhang  der  Sätze  ohne  Ta- 
del. —  §  53.  hat  die  neueste  Ausgabe  mit  Recht  nach  Reiske's 
Conjectur  &6xs  xovxo  (aIv  öcupeörsQov  avxog  (für  avxolg)  S(isX- 
kiv  Iqüv  6  UQyctöfiEVog,  denn  der  Gegensatz  zu  ygap,[iaxlöiov 
verlangt  avxog,  und  bei  dem  Plural  an  Mitwisser  des  Lycinus  zu 
denken  ist  bedenklich.  Gleich  darauf  aber  musste  auch 
xovxo  Ös  ovöev  tdsi  xqvxxeiv  avxd  (wie  in  NABZM  statt  av- 
xöv  steht)  geschrieben  werden ;  der  Fehler  ist  durch  dass  miss- 
verstandene ovÖhv  veranlasst  worden.  —  §  54  war  aus  N  xov 
fi?)  Öicc[iV7]uovtvsiv  (für  xcö  py)  d.)  zu  schreiben.  —  §  66.  hat 
Hr.  M.  die  Partikel  (ir)  in  den  Worten  ovx  luv  fir]  k^svgco^  wel- 
che auch  die  neuesten  Herausgeber  ausgestossen  haben,  spitzfin- 
dig vertheidigt:  quo  facto  non  rei  gestae  inscitia,  sed  ipsa  inno- 
centia  me  reddet  incolumem ,  indem  er  meint,  der  Redner  wolle 
mit  diesen  Worten  Denen  begegnen,  quibus  derisui  fore  suspica- 
tur  hoc  ipsiim  argumentum  et  inscitia  rei  duetum.  Aber  eine 
solche  Absicht  lässt  sich  in  den  Worten  des  Redners  nicht  erken- 
nen, sondern  muss  erst  von  aussen  hineingetragen  werden ;  und 
es  liegt  auch  gar  keine  Veranlassung  dazu  vor,  da  der  Redner 
nirgends  verlangt  frei  gesprochen  zu  werden,  Aveil  er  nicht  wisse 
wie  der  Mann  umgekommen,  wohl  aber,  dass  man  ihm  nicht  die 
Angabe  der  Mörder  zur  B  edingu  ng  der  Freisprechung  mache, 
ein  Verlangen,  worüber  auch  seine  Gegner  nicht  spotten  konn- 
ten. Die  Worte  rj  uitokaXev  sind  von  Hrn.  M.  ohne  hinlänglichen 
Grund  eingeklammert  worden.  —  §  77.  ovx  töxiv  ö  xt  (oder  wie 
Hr.  M.  durchweg  hat  drucken  lassen,  oxl)  vöxtqov  avxä  y^iÜQ- 

N.  Jahrb.  f.  Phil.  u.  Paed. od.  Krit.  UM.  Bd.  XXVIII.  Oft.  I.  6 


82  Griechische  Literatur. 

T7]tat  reo  l[i(ß  Jtatgl  hat  Hr.  M.  nach  Dohree's  Vorschlag  die 
Worte  reo  —  xaxgl  eingeklammert,  wahrend  die  neuesten  Her- 
ausgeher nach  i}nctQit]Tai  ein  Comma  gesetzt  haben ;  dasselbe  ist 
in  beiden  Ausgaben  §  21.  (slg  6  uSTExßdvxcc  qraölv  diioxtavuv 
avzöv  xöv'HgaS'nv)  geschehen.  Vergleicht  man  hiermit  Stellen, 
wie  1,  G.  (nach  der  richtigen  Intcrpunction  der  neuesten  Heraus- 
geber), so  wird  man  geneigter  sein,  jene  Apposition  als  eine 
Glosse  anzuerkennen.  —  §  85.  vfists  de  —  7tgoxaxctyvc6ö'E6&e 
pov  Iv  rcöds  xcß  köyco  xöv  (porov.  Hr.  31.  vermutbet  %gövcp  oder 
dyävi  für  koycp ;  jenes  ist  unpassend  und  bei  diesem  fragt  es  sich, 
wie  es  durch  köyco  habe  verdrängt  werden  können.  'Ev  xäde  xcß 
kdycp  (bei  —  nach  dieser  Rede,  ohne  eine  zweite  Rede  in 
dem  noch  bevorstehenden  dycov,  gleichsam  dem  zweiten  Act  des 
gerichtlichen  Verfahrens  gegen  den  Angeklagten,  abzuwarten) 
lässt  sich  vergleichen  mit  AescJi.  3,  198.  oörig  Ös  iv  reo  ngcoxco 
köyco  t))v  il'rjqiov  aixil.  Den  Fehler,  der  im  folgenden  §  ist,  hat 
Hr.  M.  nicht  erkannt:  rfeiovv  fjtev  ydg  eycoys  negl  rcov  xoiov- 
xav,  (6  dvdgsg,  tivcti  xr)v  dixrjv  xaxd  xovg  vöuovg ,  xccxä 
p,h>xoi  xö  öixaiov  cog  7ikti6xdxig  skey%t6&ai.  Dies  erklärt  er: 
vellem  enim  istiusmodi  causas  ad  leguni  scriptarum  nor- 
7/iam  diseeptari  atque  diiudicari ,  «V«  tarnen  ut  simul  summae 
iustitiae  sutisßerel,  iudieibus  quam  creberrime  in  rerum  ge- 
starum  Verität  ein  inquirentibus.  Hier  hat  Hr.  M.  zuerst  Etwas 
in  die  Worte  des  Redners  gelegt,  was  nicht  darin  liegt,  den  Ge- 
gensatz zwischen  den  geschriebenen  Gesetzen  und  der  Idee  des 
Rechtes;  sodann  tritt  bei  dieser  Erklärung  die  Hauptsache,  näm- 
lich das  cog  nkeiöxdxtg  lktyx£6&ai,  zu  sehr  in  den  Hintergrund, 
und  die  Rede  wird  unverständlich,  indem  zu  lkky%£6$ai  jeden 
Falls  xd  xoiavxa  supplirt  werden  muss,  jeder  Leser  und  Zuhörer 
abei'  das  zunächst  vorhergehende  xr]v  öixrjv  suppliren  wird.  Hr. 
Sauppe  vermuthet  xuxd  [isvxoi  xovxovg  xd  öixaiov  cog  nk.  sk.y 
und  Rec.  weiss  keine  bessere  Emendation.  Nun  erhält  p,sv  nach 
fäiovv  sein  entsprechendes  /ttivrot,  die  Hauptsache  tritt  gehörig 
hervor  und  zugleich  ist  zu  dem  folgenden  xoöovxco  ydg  dfistvov 
elv  eyiyvcoöxtxo  ein  passendes  Subject  (rö  öixaiov)  gefunden. 
In  den  folgenden  Worten  cpövov  ydg  öixyj  xcel  pi)  dg&cög  yva- 
ödüöcc  löxvgöxzgov  xov  öixaiov  xccl  xov  dkrj&ovg  iöxiv  (§  87.) 
ist  xca ,  welches  erst  von  Bekker  aus  seinen  Handschriften  aufge- 
nommen worden  ist,  aus  dem  zu  yvcoöxftlöa  hinzugeschriebenen 
xaxd  entstanden  (vgl.  6,  3.)  und  sollte  gestrichen  werden.  Denn 
xa\  (vel,  etiamsi)  involvirt  den  Gedanken,  dass  die  cpövov  öixrj 
6g%cb~g  yvcoG%üöa  ebenfalls  stärker  ist  als  Recht  und  Wahrheit!! 
—  §  91.  war  die  Lesart  der  alten  Ausgaben  ekaxxdv  eövi  für 
Ikaxxov  böxl  herzustellen.  Der  Sinn  ist:  es  hat  weniger  zu 
bedeuten,  in  solchem  Falle  zu  irren.  Hr.  M.  erklärt 
minus  polest  e/rari,  ohne  aber  zu  zeigen ,  dass  dieser  Gedanke 
(thöriv  Ikaxxov  e^auagxtlv)   dem  Zusammenhange  entspreche 


Bibliographischer  Bericht.  83 

oder  auch  nur  an  und  für  sich  wahr  sei.  In  dem  folgenden  Satz 
ist  es  ihm  nicht  gelungen,  den  Artikel  toi£  zu  vertheidigen :  rjdq 
de  riöiv  v/tieSv  xui  titttfiiÄijÖsv  dnoXcoXsxoöi.  xairoi  ovtko 
vfilv  Toig  £%ctnctTr]\}ei6i  (.ut £(.<.£ Arjötv .  tt  xccl  tcovv  toi  (so 
die  säramtlichen  Codd.  für  ndvv  rt,  s.  Herbst  zu  Xenoph.  Svra- 
pos.  7,  4.)  j^pi?  rovg  yi  e^anatavro-g  dnoXaXtvcu  (so  aus  N  für 
ditoXcaXsxivai ,  wofür  Hr.  Sauppe  äjtoXsXvxivai  vermuthete). 
Hr.  M.  erklärt  nun:  vobis,  deeeptos  dico,  und  vergleicht  damit 
Lycurg.  §  95.  vpw  ccnuöi  toig  vKorsgotg.  Dies  Letztere  ist  nun 
ganz  in  der  Ordnung ,  denn  der  Redner  wendet  sich  an  die  Jün- 
gere und  redet  sie  an ;  aber  soll  er  unter  vy.lv  rolg  i^anar^QilGi 
eben  so  einen  Theil  der  Richter,  die  Getäuschten,  anreden? 
wo  sassen  diese  und  woran  erkannte  er  sie?  Antiphon  kann,  wie 
Dobree  bemerkt ,  vftcov  tolg  l|.  oder  vyuv  lij.  geschrieben  ha- 
ben ,  wahrscheinlicher  ist  aber  das  Zweite. 

Papier  und  Lettern  sind  sehr  gut,  der  Druck  könnte  cor- 
recter  sein.  Im  Text  sind  neben  vielen  unbedeutenden  Fehlern 
auch  ziemlich  starke,  wie  p.  34.  (§  10.)  f£  d xv%ovvz(ov  für  1% 
svTvxovvrtov,  p.  44.  (§  5.)  niötörzQov  für  m6zÖT£Qog>  p.  58. 
Z.  1.  ovds  6r]fielov  für  ovo«  ö".  ovdhv.  Animos  scelestititn  S.  166. 
ist  wohl  ein  Schreibfehler. 

Fulda.  Fr  a  n  1t  e. 


Bibliographischer    Bericht. 


Fr  anzösische  Liter  atur. 

Mit  der  Bestimmung,  Anfänger  in  die  Kenntniss  der  französischen 
Sprache,  namentlich  in  die  Kunst,  ans  dem  Französischen  ins  Deut- 
gehe zu  übersetzen  ,  einzuführen ,  sind  mehrere  neue  Werkchen  er- 
schienen. Dahin  gehört :  Französisches  Lesebuch  mit  Noten  und  Wör- 
terbuch, von  J.  F.  Schaffer.  Dritte  Auflage.  Hannover  (Hahn)  1835. 
IV  u  326  S.  8.  (16  Gr.).  Auf  kurze  Erzählungen  und  Fabeln  folgen 
grössere  erzählende  und  beschreibende  Stücke.  Die  Auswahl  ist  nicht 
überall  gelungen,  indem  der  Hgbr.  nicht  durchgängig  daran  gedacht 
zu  haben  scheint,  dass  er  für  die  Jugend  sammle.  Ein  durch  Reich- 
haltigkeit und  grosse  Billigkeit  de6  Preises  eich  vortheilhaft  auszeich- 
nendes Buch  ist  die  Vorschule  des  französischen  Unterrichts  für  die  Ele- 
mentarclassen  der  Realschulen  und  ähnliche  Unterrichtsanstaltcn.  Von  Dr. 
JV.  J.  G.  Curtmann ,  grossh.  hess.  Director  der  Realschule  und  der 
Volksschulen  zu  OiTenbach,  im  Verein  mit  J.  Lendroy,  Prof.  d.  franz. 
Sprache  an  denselben  Schulen.  Offenbach  ( Wächtershäuser  )  1839. 
XXIV  u.  238  S.  8.  (8  Gr.).  Sie  wird  in  den  auf  dem  Titel  genannten 
Anstalten  ohne  Zweifel  mit  grossem  Nutzen  gebraucht  werden  können, 

6* 


84  Bi  bliog raph isolier  Bericht. 

da  der,  als  Lehrer  und  Erzieher  sehr  achtbare,  Verf.  überall  mit  Er- 
folg ilarauf  bedacht  war,  seine  Arbeit  der  Fassungskraft  7-  bis  Ojähii- 
ger  Kinder  gehörig  anzupassen.  Die  Lebre  von  der  Aussprache  ist 
gründlich  und  im  Allgemeinen  nach  -richtigen  Grundsätzen  behandelt, 
auch  durch  eine,  bei  der  Üekonomie  des  Druckes  ausserordentliche 
Menge  von  Beispielen  erläutert,  die  zugleich  dazu  dienen  können, 
selbst  dem  Gedächtnisse  der  ersten  Anfänger  eine  grosse  Fülle  von 
Wörtern  einzuprägen.  Hr.  C.  hat  nämlich  schon  vom  sechsten  §  au 
ausser  beispielsweise  beigebrachten  einzelnen  Wörtern  auch  ganze  Sälzo 
als  Leseübungen  hinzugefügt  und  diese  sowohl,  als  jene  mit  einer 
wörllicben  Verdeutschung  begleitet,  die  aber,  je  weiter  das  Buch  vor- 
rückt, mit  Absicht  immer  unvollständiger  wird  und  endlich  ganz  aus- 
bleibt, indem  von  der  10.  Stufe  an  die  Wörter  am  Fusse  jeder  Seite, 
von  der  12.  Stufe  an  »n  einem  Wörterverzeichnisse  mitgethcilt  werden. 
Während  die  Uebungen  in  der  richtigen  Aussprache  ,  dem  Lesen  und 
Uebersetzen  immer  fortgesetzt  werden,  wird  unter  der  Hand  ein  An- 
fang mit  der  Formenlehre  gemacht.  Schon  auf  der  2.  Stufe  wird  der 
Artikel,  auf  der  5.  die  Fersonenwörter  und  Eigennamen,  auf  der  G. 
die  zueignenden  Fürwörter,  und  ein  Anfang  der  Hülfszeitwürter ,  auf 
der  7.  die  bestimmenden  Fürwörter  u.  s.  f.  eingeübt,  bis  die  letzte  (1(>  ) 
Stufe  mit  den  unregclmässigcn  Zeitwörtern  scbliesst,  so  dass  der 
Schüler  nach  Beendigung  dieses  Buches  sich  nicht  allein  im  Besitze 
vieler  Wörter  und  Phrasen,  sondern  auch  der  nötbigen  Paradigmen 
und  Kegeln  sieht,  die  er  freilich  nicht  im  Zusammenhange,  aber  doch 
nach  und  nach  gründlich  einzuüben  Gelegenheit  hat.  Ein  verständiger 
Lehrer  wird  die  vielen  sich  darbietenden  Gelegenheiten  nicht  unbenutzt 
lassen,  um  mit  seinen  Schülern  kleine  Unterhaltungen  in  französischer 
Sprache  über  die  vorkommenden  Gegenstände  anzuknüpfen  ,  und  wird 
auf  diese  Art  das  Buch  auch  zur  Vorbereitung  auf  das  Sprechen  des 
Französischen  benutzen  können.  Leber  die  Benutzung  des  Wcrk- 
chens,  über  den  Unterricht  in  der  französischen  Sprache  und  andere 
Schulgegenstände  spricht  der  Verf.  selbst  in  der  lesenswerthen  Vorrede 
ausführlich.  Zwar  minder  reichhaltig,  aber  doch,  nach  seiner  in 
dieser  neuen  Auflage  bewirkten  gründlichen  Verbesserung  ebenfalls 
brauchbar  ist:  Cours  complet  de  lecture  francaise ,  arrange  pour  servir 
de  syllabaire ,  avec  les  premiers  elemens  de  grammaire  et  des  morceaux 
de  lecture.  Par  G.  Sticffelius ,  ancien  pasteur  francais.  Deuxiemo 
edition  revue  et  corrigee.  Berlin  (Schultze)  1838.  XII  u.  200  S.  8. 
(Auch  unter  dem  Titel:  Lehrbuch  der  französischen  Aussprache  in  ihrem 
ganzen  Umfange ,  eingerichtet  zum  Lesenlernen ,  nebst  den  Elementen 
der  Grammatik  vnd  französischen  Uebersetzungsstückcn.  Ein  Schulbuch 
für  Anfänger  jedes  Alters.)  Der  Verf.  hat,  abweichend  von  der  Ein- 
richtung des  vorhergehenden  Buches,  schon  für  die  ersten  Anfänger 
die  (sehr  ausführliche)  Lehre  von  der  Aussprache,  die  Leseübungen 
und  das  Grammatikalische  von  einander  getrennt ,  was  allerdings  auch 
sehr  Vieles  für  sich  hat  und  wobei  es  dem  Lehrer  überlassen  bleibt, 
denjenigen  Abschnitten  dieses  oder  jenes  Theiles,  welche  er  den  Schü- 


Bibliographischer  Bericht  85 

lern  früher  oder  später,  als  sie  in  dem  Lehrhuche  vorkommen,  vor- 
legen möchte,  eine  andere-  Stelle  anzuweisen.  Als  vierte,  gänzlich 
umgearbeitete  Auflage  der  Schrift:  „Die  vier  ersten  Bücher  von  Fene- 
lon's  aventures  de  Tclemaque"  erschien  das  Lehrbuch  der  französischen 
Sprache  nach  Hamilton  sehen  Grundsätzen,  enthaltend  sechs  Erzählungen 
aus  Bcrquiiis  Vami  des  cnfans  und  die  drei  ersten  Bücher  von  Fenclon's 
aventures  de  Telemaque ,  von  P.  J.  Weckers ,  wirkl.  Lehrer  an  der 
Realschule  zu  Mainz.  Mainz  (v.  Zähem)  1830.  XII  u.  238  S.  8.  Der  Verf.  ist 
ein  Anhänger  der  Hamilton'schen  Methode,  von  welcher  ich  in  Brzos- 
laTs  Gentralbibliothek  für  Pädagogik  (October  1838  S.  1  fgg)  einen 
kurzen  Abriss  geliefert  habe.  Da  ich  wiederholt  die  Ansicht  geäussert 
habe,  dass  eine  blinde  Befolgung  der  Hamilton'schen  Grundsätze  nicht 
zu  empfehlen  sei,  und  dass  die  von  ihren  Anhängern  erzielten  Resul- 
tate meistens  auf  ganz  anderen  Dingen,  als  auf  der  Vorzüglichkeit  der 
Methode  beruhen ,  z.  B.  auf  der  geringen  Zahl  an  Jahren ,  Fähigkei- 
ten und  Vorkenntnissen  gleicher  Schüler,  auf  der  grossen,  einem  Un- 
terrichtsgegenstande  gewidmeten  Stundenmenge  u.  s.  f.  5  so  lässt  sich 
erwarten  ,  dass  ich  mich  nicht  für  ein  Lehrbuch  aussprechen  werde, 
welches  ohne  alle  Modiflcationen  blos  dem  von  mir  angefochtenen  Prin- 
cip  huldigt.  Hr.  W.  hat  jedoch  schon  in  seiner,  von  mir  NJbh.  Bd. 
XXVI  Heft  2  S.  187  fg.  mit  verdientem  Lobe  als  besonders  für  Real- 
schulen (welchen  sie  inzwischen  auch  im  Grossherzogthum  Hessen  vom 
Obcrscbulrathe  in  Darmstndt  durch  Rescript  vom  21.  Aug.  1839  zur 
Einführung  empfohlen  worden  ist)  brauchbar  angezeigten  französischen 
Grammatik  ,  auf  welche  auch  in  diesem  Lehrbuche  durch  Hinweisung 
auf  ihre  §§  Rücksicht  genommen  wird,  dargethan,  dass  er  jenem  Sy- 
stem nicht  blindlings  folge,  sondern  gern  diejenigen  Einschränkungen 
und  Abänderungen  eintreten  lasse ,  welche  von  den  Umständen  gefor- 
dert werden.  Die  mit  der  gegenwärtigen  vierten  Auflage  des  1832  zum 
ersten  Male  erschienenen  Buches  vorgenommenen  Veränderungen  lie- 
fern dafür  den  deutlichsten  Beweis.  Früher  enthielt  nämlich  das 
Werkchen  nur  die  4  ersten  Bücher  von  Fenelon's  aventures  de  Tele- 
maque  mit  Interlinearübersetzung  und  sonstigen  Zugaben.  Für  die 
ersten  Anfänger  muss  ich  nun  freilich  die  Zweckmäßigkeit  des  Tcle- 
maque bezweifeln ,  während  Hamilton,  der  für  t\en  Elementarunter- 
richt das  selbst  den  Gelehrten  Schwierigkeiten  darbietende  Evangelium 
Joliannis  empfiehlt,  ihn  wahrscheinlich  noch  für  zu  leicht  erklärt  haben 
würde.  Hr.  W.  hat  jedoch  mit  richtigem  Tacte  in  dieser  neuen  Auf- 
lage statt  4  Bücher  nur  3  aus  Telemaque  genommen  und  für  die  An- 
fänger aus  Berquin's  I  ami  des  enfans  (vgl.  meine  Beurtbeilung  dieses 
Werks  Jen.  A.  L.  Z.  182(i  Ebl.  Nr.  45  S.  358)  S.  75  — 128  C  schöno 
Erzählungen  (les  quatre  saisons,  lo  contretenis  utile,  le  tems  perdu  et 
regagne ,  l'emploi  du  tems,  le  meutern-  corrige  par  lui-meme,  les 
iiiacous  sur  l'echelle)  ausgewählt ,  die  für  das  kindliche  Alter  passend 
sind.  Auch  die  übrigen  Zugaben  zeugen  von  einem  sehr  lobenswer- 
then  Bestreben,  das  Buch  sowohl,  als  den  Unterricht  in  der  franzö- 
sischen Sprache  zu  vervollkommnen.  Die  S.  1 — 20  vorangeschickten  Rc- 


36  Bibliographischer  Bericht 

geln  der  Aussprache ,    denen  die  S.  15  fgg.  vorkommende,  tabellari- 
sche   Darstellung   der   einfachen    und    Doppellaute    eigentümlich   ist, 
haben   an  Faßlichkeit   und  Uebersichtlichkeit  sehr  gewonnen   und  die 
ihnen  beigegebenen  Leseübungen  (S.  21 —  75)  sind   sehr   zweckmässig. 
Das    Mcmoriren    der   darin    befindlichen    Wörter,    welchen  immer  die 
deutsche  Bedeutung  hinzugefügt  ist ,  wird  bei  deu  Schülern  den  Grund 
zu  einem  tüchtigen  Wörtervorrathe  legen ,  ohne  den  sie  nie  zum   Spre- 
chen gelangen  werden.      Hr.  W.  hat  aber  in  allen   seinen   Lehrbüchern 
immer  dieses  Ziel  —  das  Sprechen  —  im  Auge  und  giebt  auch   in   sei- 
ner lesenswerthen  Vorrede  zu  dieser  Arbeit   eachgemässe  Rathschläge, 
wie  der  Lehrer  bei  ihrem  Gebrauche  nach  und  nach  die  Zöglinge    zum 
Sprechen  des  Französischen  heranziehen  könne.  Als  ein  gutes  Hulfsmittel 
werden  dabei  die  jedem  Abschnitte  —  ebenfalls  als  eine  neue   Zugabe 
der   4.    Auflage  —   beigefügten    Aufgaben   zum    Uebersetzen    aus  dem 
Deutschen  in's  Französische  dienen,   welche  mit  Sorgfalt  aus   Wörtern, 
die  bereits  in  den    französischen  Abschnitten  da  waren,   gebildet  sind 
und  für  den  Schüler  eine  leichte  Arbeit  sein  werden,  wenn  er  das  Vor- 
hergehende, wie  es  sich  gehört,  vollkommen  in  sein  Gedächtni68   auf- 
genommen hat.      Wie  wenig  übrigens  Hr.  W.  den  grammatischen  Un- 
terricht durch  dieses  Buch  verdrängen  will ,  geht  schon  aus   dem   Um- 
stände   hervor,  dass   er   in    den    Anmerkungen   sehr  häufig   auf   seine 
Grammatik    verweist,  aber   noch   deutlicher   wird    es  durch  die  S.  269 
n.  s.  w.  zur  Nachahmung  beigefügten   Beispiele  zur  Analyse  gramma- 
ticale.      Am   Schlüsse  sind  die  6   Berquin'schen  Erzählungen  und  die  3 
ersten  Bücher  des  Telemaque  nochmals  ohne  die   deutsche  Interlinear- 
übersetzung auf  6b*  S.  abgedruckt,  und  es  ist  mir  aus  dem  besonderen 
Titel   dieser    Abtheilung   (Extraiis  de    Vami  des  enfans  de  Berquin  :  lea 
quatre  saisons  ;    le  contretemps  utile ;  les  macons  nur  Vechelle  ;  le  menteur 
corrigv  par  lui-meme ;   l  emploi    du    temps ,   le  temps  perdu  et   regagne", 
et  les   trois   premiers   livres   des    aventures  de    Tvlcmaque ,   par  Ftnelon) 
wahrscheinlich  ,  dass  sie  auch  besonders  verkauft  wird.     In  der   Schul- 
ze'schen    Buchh.   zu   Oldenburg    erschien    1838:     Zweites  französisches 
Lese  -  und    Uebungsbuch   für  Kinder  mit  unterlegtem    Texte  des  zweiten 
Bändchens  von   Gaidtier's  lecturca  graduees ,   nebst  einer  auf  (sie)  franzö- 
sisch abgefassten  Formenlehre  der  französischen  Sprache  als  Anhang,  von 
C.  VI  u.  232  S.  8.     Das  Buch  zerfällt  in  zwei  Theilet    1)   ein  franzö- 
sisches Lese-  und  Ucbcrsetzungsbuch  S.  1 — 126;  2)  eine  Grammatik 
S.    129  —  232.       Das   Lesebuch   ist  ganz    eigenthümlich   eingerichtet. 
Der  Hgbr.  theilt  nämlich  aus  der  auf  dem  Titel  genannten  Quelle  kleine 
französische    Erzählungen ,   und  zwar  die  leichtesten  Sätze  deutsch  (zur 
Uebersetzung  in's  Französische),   die  schwereren  französisch  (zur  Ueber- 
setzung   in's   Deutsche),    die  schwierigsten  französisch    nebst    zur  Seite 
stehender  Verdeutschung  mit.      Dadurch  bekömmt  freilich  das  Buch  ein 
ziemlich  buntes  und  auf  den  ersten  Anblick  verworrenes  Ansehn ,  allein 
die  Einrichtung  wird  sich  nach  meiner  Ansicht  als  recht  zweckmässig 
bewähren  und   die  Abwechslung  wird   die  Kinder  anziehen.      Den  blos 
französisch,  oder  blos  deutsch  initgethcilten  Abschnitten  sind  übrigens 


B  i  b  1  i  o  g  r  u  p  li  i  e  c  h  c  r  B  e  t  i  c  h  t.    '  87 

die  wichtigsten  Wörter  mit  ihren  Bedeutungen  in  beiden  Sprachen  bei- 
gegeben.     Die    dem   Lesebuch    al»   Anhang  hinzugefügte  Grammatik  in 
französischer  Sprache  (ebenfalls  für  Kinder  und    deshalb  in  sehr  leite- 
ten Sätzchen)  geschrieben,   enthält  jedoch  nur  die  Formenlehre,  aber 
mit  brauchbaren  Paradigmen,   und  i>t  deshalb  zur   Wiederholung  sehr 
geeignet.      Hr.  Prof.  Courtin  hat  im  folgenden  Hu  che:    77c  et  aventures 
de   Robinson-Crusoe ,  par    Daniel  de  Foe.      Traduction    de  Petrus  Bord. 
Enrichi  de  la   vie  de    Daniel  de    Foe  par  Pkilarete  Chasles,   et  de  notes 
allemandes  ,  grammaticales    et   explicatives,    Servitutes    ä  lu  jeuncsse  pour 
la  traduction  de  cet  ouvrage.      Orne  du  porlrait    de   Vautcur.      Stuttgart 
(Scheible)  1836.  I.  Theil:  331  S.  II.  Theil:  618  S.  8.  den  von  ßorel  aus 
dem  Englischen  des  durch  seine  sonderbaren  Schicksale   bekannten   Da- 
niel   de    Foe   (geb.   1661)    übersetzten    Hohinson    neu  auflegen  lassen. 
Rec.  hätte  zwar  wegen  des  grossen  Umfangs  dieses  Werkes  lieber  einen, 
minder    Interessantes    übergehenden    Auszug   daraus    erscheinen    sehn, 
allein   das   Buch  empfiehlt   sieh   doch  durch  schönen  und  meistens  cor- 
recten  Druck  und  durch  die  Anmerkungen  des  Ilghre. ,  die  in    ein   drit- 
tes Bändchen  verwiesen  werden  können,  da  sie  neben   beiden  Theilen 
gebraucht  werden  müssen.      Hr.   C.   giebt  in  denselben  Erläuterungen 
der   schwierigeren   Wörter   und  Redensarten  und  passcn4e   Sacherk lä- 
rmigen.   Die  beigegebenc  Lebensbeschreibung  des  Verf.s  Daniel  de  Foe 
von    Philarcte   Chasles    passt   nicht  ganz  zu  dem  Uebrigen ,  indem  ihre 
Darstellung   für   die  Kinderwelt  viel  zu  hochtrabend  i?t  und  gegen  den 
durch     seine    Einfalt     ansprechenden    Robinson    unangenehm   absticht. 
Für  Aufänger  und    für   Geübtere  ist  bestimmt:   Clioix  de  Icctures  fran- 
c-uises.      Cours  pi  emier ,  destine  aux  classes   inferieures  des  Colleges,  aus 
Instituts  et  aux  lecons  jirivdes ,    par   //.   A.   Manilius ,   Dr.    et   mnitre   au 
College   de   Ste.   Croix   ä  Drcsde.   X   n.   196  S.     Cours  II.,  destine  aux 
classes  supericurcs  des  Colleges ,    aux  Instituts    et  aux  lecons  privecs  par 
II.  A.  AI.    188   S.   8.    (Auch   unter  dem   Titel:    Auswahl  französischer 
Lesestückc.   I.  Cursus  für  untere  Gymnasialclassen ,    Institute  und  Privat- 
unterricht ;   IL  Cursus  für  höhere  Gymnasialclassen ,  Institute  und  Privat- 
unterricht.     Dresden  (Arnoldisehe  Buchh.  1838).     Dem  Ilghr.  genügten 
die  vorhandenen  Lesebücher  für  den  Schul-  und  Privatgebranch  nicht; 
namentlich   vermisste  er   in  ihrer  Mehrzahl   ein   gehöriges  Fortschrei- 
ten vom  Leichten  zum  Schwereren.      Um  daher  sich   und   Anderen   ein 
zweckmässiges    IlüllViuiüel  zu  verschaffen ,    hat  er  vorliegendes  Lese- 
buch mit  Sorgfalt  und  Geschick  gesammelt.      Der  erste  Cursus    enthält 
a)  kurze  Lebensbeschreibungen  von  Voltaire,  Friedrich  II. ,   Rousseau, 
Montesquieu,   Helvclius,  Bossuet,  Fenelon,  Massillon  ;   6)  Briefe  von 
Voltaire,   Friedrich  II. ,    Ilelvctius,   Pascal,     Fr,    v.    Scvigne;    c)    ge- 
schichtliche Bruchstücke   von  St.-Evremnnt ,   Mignet,   Scgur;   d)  Rci- 
sebeschreibungen   von   Fr.   v.    Stael ,   Volney,    Barthclcniy  u.  A.      Der 
zweite   Cursus    umfasst    o)  die    Philosophie,   in   Bruchstücken  aus  den 
Werken    vonFcnclon,    Helvclius,    Nicole,    Voltaire,    Mcrcicr ,    J.  J. 
Roufifieau,    Thomas,     Malebranche,      Rnynal,     Chateaubriand,     Bcr- 
uurdiu  de  St -Pierre;  c)  die  Beredsamkeit  (d'Agesscau ,  Bo6suct,  Flc- 


88  Bibliographischer  Bericht. 

chier,     ßuffon ,     Bonrdaloue,     Massillon,     Büilly,    Thicrs,    Deseze, 
Bonnparte,     d'Alembert);     c)  die    Dichtkunst    (lyrische    Poesie:   J.  B. 
Rousseau,    Lamartine,    B^ranger,     Victor  Hugo,    Haudard  ,     Casimir 
Delavigne ;  didactische  Poesie:  V.Hugo,   Voltaire,   Lamartine,    Oela- 
vigne,   Dclillc;   epische  Dichtkunst :  ßarthclcmy   und   Mery ,  Voltaire; 
dramatische  Dichtkunst:    Jean   Rousseau,    Corneille);   «*)  Vermischtes 
von  Voltaire,    Rochefoucauld,    Degerando   u.   s.   f.       Durch  eine  sehr 
anständige  äussere  Ausstattung  spricht  an  :   Lcs  aventures  de  Tclemaquc, 
flls   d'Ulysse.      Par    Francois   de    Sulignac  de  la   Motte  Fenelon ,    arche- 
vcque  de   Cambrai.      V  apres    la  dernicre  edition  polyglotte  in  4to  publice 
ü    Paris  chez   le   libraire    L.   Jiaudry   en   1837.       Avec  la  traduetion  alle- 
mande    en    regard ,    revue    et    corrigee    avec    soin.       Volume    I,    Wien 
(Schmidl's    Wwe    u.    Ign.    Klang)   1840.   384    S.    8.    (1  Thlr.    Iß  Gr .). 
Dieser  erste   Band  ,    welcher   den  französischen  Text  nebst  gegenüber- 
stehender deutscher  Uebersetzung   enthält,   umfasst  Buch  1  —  12.      In 
der  fünften  Auflage  erschien  bereits  1831  (Aachen,  b.  Cremer):    Fran- 
zösisches Lesebuch    in   drei  Cursus ,  mit   Anmerkungen  und  einem  Wörter- 
verzeichnisse.     Herausgegeben    von   Dr.  F.    Ahn ,    Vorsteher  einer   Er- 
ziehungsanstalt in    Aachen.    VIII    u.   295   S.  8.      Der  erste  Cursus  be- 
ginnt mit  einzelnen  ,   nach   den    Hauptabschnitten   der  Sprachlehre    ge- 
ordneten Sätzen,   an  welche  sich  eine  Auswahl  leichter  Anekdoten   und 
naturhistorischer   Stücke    (nach    Buffon)    anschliesscn.       Im    2.    Cursus 
finden  sich  einige  leichte  Fabeln  von   Fenelon    und    d'Antclmy,  Erzäh- 
lungen    von    Lesage,    Berquin,    Voltaire,    Bouilly,    St.  -  Pierre    und 
Briefe  von  Racine ,   Courier,   Voltaire,   Montesquieu,   Crebillon,    Rol- 
lin,   Friedrich  II. ,    Fr.   v.   Sevigne\       Der  dritte  Cursus,   welcher  den 
grössten    Theil    des    Buches   (S.   103 — 240)   einnimmt,    bringt  Muster 
des  erzählenden  Stils  von  Mercier,  Mnrmontel,   Voltaire,    Raoul-Ko- 
chettc  ,  Bignon  ,  Denon  ,   Guizot,  Thierry  ,    Daru  ,    Michaud  ,    Mignet, 
Si'gur,    Beschreibungen  von  Sayve,  Bory  de  St. -Vincent,    Volney,   Bar- 
thelemy,     Ampere,     Fenelon   und    Rousseau,    Charakterschilderungen 
von   La   Bruyere ,    Voltaire,    Friedrich  II,,    Muster  des  Lehrstils    von 
Fontenelle,     Rollin,    Condlllac,    La   Harpe ,    Bonnet,    Rivarol,   Mar- 
inontel  ,    Alibert,    des   Rednerstils   von   Bossuet,    Flechier ,  Massillon, 
Maury  ,  Thomas,  Fontanes,   Mezeray,    Buffon ,    Lsiccpcdc,    Ancillon, 
Bailly,    Poesieen  von   Lafontaine,    Florian,    Amault,     Dubös,  Mille- 
voye ,    Lcgouv6,    Lebrun,    Beranger,    Lamartine,     V.   Hugo,    Delavi- 
gne,     St.  -  Lambert,    J,  B.  Rousseau,  Soulie,   Tastu ,   Voltaire.      Die 
Anmerkungen  bestehen  theils  in  grammatischer   Hinweisung,    theils  in 
Ucbcrsctzungcn     cigenthümlicher    Ausdrücke    und    Redensarten.       Das 
Wörtcrverzeichnlss  ist  vollständig,   die  Auswahl  der  Stücke  gut.      Nur 
in  höheren  Classen  lässt  sich   gebrauchen:     Vart  poetique  de  Boileau- 
Dcspreaux.      Avec  des  e"clarcissements  lltteraircs  par  Fred.    Guill.    Gcnthe. 
Eisleben  (Reichardt)  1839.  54  S.  8.      In  diesem  Büchlein  findet  sich  ein 
durch  Hrn.  G.  (bekannt  durch  sein  beifällig  aufgenommenes   Handbuch 
der   Geschichte    der   abendländischen  Literatur  und  Sprachen  ,    Magde- 
burg 1834)  besorgter  Abdruck  de*  auf  den  Titel  genannten  Bolleau1- 


Bibliographischer  Bericht.  89 

6chen  Lehrgedichtes,  welches  aus  vier  Gesängen  besteht,  deren   erster 
allgemeine   Regeln   über  iTen    Stil   im   Allgemeinen  und    den   dichteri- 
schen  insbesondere,     nebst   einer  kurzen   Geschichte  der  französischen 
Dichtkunst  von    Villon    bis   Malherbe   giebt,   der  zweite  das  Idyll ,   die 
Elegie,    die    Ode,    das    Sonnet,    das    Epigramm,  das   Rondeau ,  die 
Ballade,   das  Madrigal,   die  Satire  und  das  Vaudeville,     der  dritte  die 
Tragödie,   Komödie  und  das  Heldengedicht  behandelt,    der  vierte  auf 
die  allgemeinen  Vorschriften  zurückkömmt ,    Rathschläge  zur   Bildung 
der  Dichter  u.  s.  w.  giebt  und  mit  dem  Preise  des    Königs  schliesst,  zu 
dessen  Lob  er  alle  Dichter  auffordert.      Hr.  G.    bat  dem    Gedichte  er- 
klärende Anmerkungen  in  französischer  Sprache  beigefügt ,    welche  er- 
wünschte Nachweisungen    über  die   darin  erwähnten   Personen  u.  s.  f. 
geben,  welche  sich  aber  auch  auf  den  Sinn   der  schwierigeren   Stellen 
beziehen  sollten.      Auch  würde  wegen  der  zahlreichen    und   manichfal- 
tigen   Schwierigkeiten   dieses    Schriftchens   die   Zugabe    eines    eigenen 
Wörterverzeichnisses  nicht    ohne  Nutzen   geblieben  sein.       Die  Druck- 
fehler sind  durchaus  nicht  alle  auf  der  Rückseite  des   Titels    angezeigt, 
vielmehr    sind     noch    recht    sinnstörende    unerwähnt   geblieben.       Die 
Lehre  von  der  Aussprache   des   Französischen    ist    in    der   neusten    Zeit 
ganz  besonders  cuHivirt  Morden.      Man  besitzt,   obgleich  in    den    Lese- 
büchern und  Grammatiken  gewöhnlich  auch   dieser  wichtige   Abschnitt 
mit  grosser  Aufmerksamkeit  behandelt  wird,  ausser  den  beiden,   schon 
1825   erschienenen  Werkchen:    Anweisung  zum  französischen   Lesen  in 
zweckmässig  geordneten  Beispielen,    von   J.  IL   liiecken.      Zweite  Auf- 
lage.     Leipzig  b.  Barth,  IV  u.  42  S.  8.  (3  Gr.)  und:   Die  richtige  fran- 
zösische Aussprache  nach  Girault-Duvivier's   grammaire  des  grammaircs, 
von  Dr.  Fr.  W.  Genlhe.     Eisleben  und  Leipzig,   b.  G.  Reichard t,  IV  u. 
48  S.  8.  (5  Gr.)  ein  noch  umfassenderes    Werk   von   Heyne:    Univcrsal- 
grammatik  der  französischen    Sprache.      Für  Schulen  tmdeum  Selbstun- 
terrichte.     Unter    Mitwirkung  des  Herrn    Lafitte  herausgegeben.      Erster 
Band.      Orthoepie.      Leipzig  (Polet)  1839.  X  u.  128  S.  8.       (Auch  unter 
dem  Titel:    T'ollstündiges  Lehrbuch  der  reinen  französischen   Aussprache. 
Für  Schulen  und  zum  Selbstunterrichte.      Ein  Supplement  zu  jeder  franzö- 
sischen Grammatik.),    sowie   einen   Auszug   aus  demselben:    Wie  kann 
der  Schüler  in  kürzester  Zeit  fast  alle  französischen  Wörter   richtig   lesen 
lernen?  Ein  Leitfaden  zum  Unterrichte  in    der  französischen  Aussprache. 
Auszug   aus  dem   vollständigen  Lehrbuche  der   reinen  französischen  Aus- 
sprache.     Leipzig   (Polet)    1839.    48   S.    8.    (Auch    unter   dem    Titel: 
Französische  Grammatik  für  Anfänger.       Unter    Mitwirkung    des  Herrn 
Lafäle  u.  s.  w.).     Lieber  das  Rieckcn'sche  Buch  habe  ich  zu    bemerken, 
das«    die  von   dem   Verf.   zu  Begründung  seiner  Regeln  gewählten  Bei- 
spiele  nicht  immer  für   die  Jugend  passend,   auch  nicht  immer  richtig 
sind;    Genlhe's  Büchlein    bringt  meistens  das  Bekannte,  doch  hätte  der 
^  erf.   wohl   neben  Girault-Duvivier  auch   noch    andere  Autoritäten  zu 
Rathc  ziehen  sollen;   der  llcynesche  Auszug  sowohl,  als    das  grös-scro 
Werk    werden  Allen  willkommen   sein,     die   in  ihrer    Grammatik   dio 
Lehre  von  der  Aussprache  nicht  mit  der  nüthigen  Ausführlichkeit  vor- 


90  Bibliographischer  Bericht. 

getragen  finden.  Beide  Bücher  hüben  den  Vorzug,  das»  bei  den  mei- 
sten französischen  Lauten  auf  einen  verwandten  in  irgend  eineiu  nam- 
haft gemachten  deutschen  Worte  hingewiesen  und  dadurch  die  richtige 
Aussprache  sehr  erleichtert  wird.  Hin  und  wieder  sind  freilich  die 
von  Hrn.  H.  gegebenen  Definitionen  und  Distinctionen  von  der  Art, 
dass  sie  dein  deutschen  Organ  nicht  zusagen  werden.  So  lehrt  er  z.  B. : 
„Im  Französischen  ist  der  deutsche  Laut  ö  nicht  vorhanden."  Ich 
war  begierig;  wie  er  eu  und  oeu  würde  ausgesprochen  haben  wollen, 
denn  er  bemerkt  später,  in  Uebcreinstimmung  mit  der  angeführten 
Aciisserung:  „  Der  franzosische  Laut  eu  ist  im  Deutschen  nicht  vorhan- 
den. Ich  war  daher  erstaunt ,  später  die  Erklärung  zu  finden:  „Eu 
und  Oeu  lauten  fast  wie  ö. "  Also  die  Franzosen  haben  den  Laut  ö 
nicht  und  doch  werden  eu  und  oeu  fast  (!)  wie  ö  ausgesprochen.  Eine 
andere  Erklärung:  „Das  französische  eu  wird  mit  etwas  weniger  ge- 
rundeten Lippen  ausgesprochen,  als  das  deutsche  ö,"  ist  nicht  besser. 
Ein  neuer  Beweis,  dass  zur  Erlangung  einer  richtigen  Aussprache 
mündlicher  Unterricht  uder  Unigang  mit  Kennern  unentbehrlich  sei. 
Zuweilen  ist  der  Verf.  zu  weit  gegangen  und  hat  sich  in  Spitzfindig- 
keiten verloren,  die  durchaus  keinen  praktischen  VVerth  halten,  z.  B. 
bei  der  Aussprache  des  O  ,  dem  er  auch  einen  dem  A  sich  annähernden 
Laut  vindiciren  will.  Die  Leseübungen  sind  gut;  der  die  Orthogra- 
phie betreffende  Abschnitt  gehört  nicht  hierher.  Auch  einige  Gram- 
matiken habe  ich  noch  anzuzeigen,  f'ollsländiges  Lehrbuch  der  fran- 
zösischen Sprache  für  Studienanslalten  und  zum  Privatgebrauche,  von 
Friedrich  Bettinger,  Lehrer  der  zweiten  Classe  an  der  lat.  Schule  zu 
Spcier.  Zweite ,  mit  einem  IuhaltsTegister  nach  Capiteln  und  Para- 
graphen vermehrte  Ausgabe.  Heidelberg  (Osswald)  1834.  X  u.  490  S. 
8.  (1  Thlr.).  Die  Bett'mger'sche  Sprachlehre  wurde  schon  1832  durch 
mehrere  bairische  Kreisregierungen  den  Sludienrectoren  zur  Einfüh- 
rung in  den  ihrer  Aufsicht  untergeordneten  Anstalten  empfohlen  und 
verdient  auch  in  dieser  neuen,  von  der  früheren  wahrscheinlicher 
Weise  gar  nicht  verschiedenen  Auflage,  deren  Anzeige  sich  etwas  ver- 
spätet hat,  aber  doch  der  Vollständigkeit  wegen  nicht  ganz  unterblei- 
ben darf,  eine  immer  weitere  Ausbreitung  zu  finden.  Das  Werk  zer- 
fällt in  2  Theile.  Der  erste  Theil  enthält  3  Capitcl :  a)  von  der  Aus- 
sprache; 6)  von  der  Rechtschreibung;  c)  von  der  Prosodie.  Der 
zweite  Theil  umfasst  in  12  Capiteln  (1,  von  dem  Gescblechtsworte  und 
der  Declination;  2)  von  dem  Haupt worte  :  3)  von  dem  Beiworte;  4) 
von  den  Zahlwörtern;  5)  von  den  Fürwörteru;  6)  von  dem  Zeitworte; 
7)  von  dem  Nebenworte;  8)  von  dem  Vorworte;  9)  von  dem  Binde- 
worte; 10)  von  den  Empfindungswörtern;  11)  von  der  Wortfolge; 
12)  von  den  notwendigen  Wiederholungen)  Formenlehre  und  Syntax. 
Mit  der  Verschmelzung  dieser  beiden  Haupttheile  kann  ich  mich  zwar 
nicht  einverstanden  erklären,  da  nur  ihre  strenge  und  nicht  blos  ,  wie 
liier,  durch  einen  verschiedenartigen  Druck  bewerkstelligte  Scheidung 
Klarheit  und  Ordnung  in  das  Studium  der  Grammatik  bringt;  allein 
ich  muos  im  Ucbrigen  dem  Buche  das  Zeugniss   grosser  Vollständigkeit 


Bibliographischer  Bericht.  91 

crtheilen ,  vermöge  deren  es  ßich  nicht  allein  zum  Gehrauche  für  An- 
fänger, sondern  auch  für  Geübtere  und  selbst  für  Lehrer  eignet,  zu- 
mal es  durch  ein  sehr  reichhaltiges  Register  das  Nachschlagen  der  ver- 
schiedenen Gegenstände  erleichtert.  Was  sich  nicht  für  Anfänger, 
sondern  lediglich  für  Geübtere  passt ,  ist  durch  die  Vorsetzung  zweier 
Sternchen  kenntlich  gemacht,  auch  im  Inhaltsverzeichnisse  bereits, 
wenigstens  im  Allgemeinen ,  angedeutet.  In  der  Lehre  von  der  Aus- 
sprache stimme  ich  nicht  mit  dem  Verf.  überein  ,  wenn  er  die  deutsche 
Lautbezeichnung  voransetzt  und  die  französische  darauf  folgen  lässt, 
weil  durch  dies  Verfahren  dem  Anfänger  die  Sache  nicht  so  klar  wird, 
als  hei  dem  umgekehrten.  Zu  bessern  wird  überhaupt  der  Verf.  hei 
allem  Streben  nach  Vollkommenheit  immer  noch  finden.  So  liest  man 
S.  191  Kr.  11:  „Auf  alle  Titulaturen,  als  Monsieur,  Madame,  Mon- 
seigneur,  Mademoiselle  ,  besonders  nach  Votre  Majeste,  Votre  Ex- 
cellencc,  Votre  Altesse  etc.  folgt  in  Anreden  das  Zeitwort  und  das  zu- 
eignende Fürwort  in  der  dritten  Person."  Kachher  folgt  einschrän- 
kend: „Es  versteht  sich  von  seilet  {woher?),  dass  man  bei  den  vier 
ersten  auch  vous  gehrauchen  kann."  Weit  richtiger  sagt  Hauschild  in 
s.  Dktionnaire  Grammatical  S.  184  :  „Der  eigentliche  Gebrauch  dieser 
Titel  (Monsieur,  Madame,  Monseignenr,  Mademoiselle)  ist,  wie  die 
Zusammensetzung  lehrt,  in  der  Anrede,  so  dass  die  zweite  Person 
folgt;  doch  gebraucht  man  auch  oft,  mit  einer  gewissen  Zurückhal- 
tung, indem  man  die  Person  nicht  geradezu  mit  der  zweiten  Person 
anzureden  wagt,  das  verhe  in  der  dritten  Person."  Widersprechend 
scheinen  die  Angaben  S.  69  und  80  in  Bezug  auf  die  Stellung  des 
Artikels  hei  Monsieur.  S.  80  wird  nämlich  gesagt:  „Wenn  nähere 
Bestimmungen  darauf  folgen  ,  so  haben  die  Wörter  dieu  und  Monsieur 
den  Artikel,  z.  B.  le  Monsieur, ■  dont  vous  parle/.1'  S.  69  dagegen 
wird  gelehrt,  wenn  auf  Monsieur  ein  Titel  folge,  so  stehe  der  Artikel 
vor  diesem  und  nicht  vor  Mr.  Ist  ein  Titel  keine  nähere  Bestimmung? 
Bei  aecoucher  (S.  275)  fehlt  die  Bedeutung  entbinden,  z.  B.  ce  Chi- 
rurgien a  aecouche  nia  tante.  Von  deraouvoir  hätte  auch  (S.  298)  das 
pari,  passe  deiiiu  angeführt  werden  müssen;  esperer  (S.  394)  ist  sehr 
mangelhaft  erklärt  u.  dgl.  m.  Gute  Uebnngsbeispicle  und  ein  etymo- 
logisches Wortregister  (S.  451  —  476)  erhöhen  den  Wcrth  des  Buches. 
Ein  neues  Werk  ist:  Theoretisch- praktiscJte  französische  Grammatik  in 
einer  neuen  und  fasslichcren  Darstellung  der  auf  ihre  richtigen  und  ein- 
fachsten Grundsülze  zurückgeführten  Hegeln.  Von  Johann  Georg  Lang, 
Lehrer  der  französischen  Sprache.  Leipzig  (ßrockhnus)  183?>.  VIII  u. 
746  S.  8.  Hr.  L.  ,  seit  mehr,  als  30  Jahren  Lehrer  der  französischen 
Sprache  und  durch  seinen  Beruf  mit  den  vorhandenen  französischen 
Sprachlehren  hinreichend  bekannt,  hat  durch  dieses  Buch  die  von  ihm 
ßchon  lange  gehegte  Absicht,  aus  den  früheren  Arbeiten  ähnlicher  Art 
das  Beste  und  Brauchbarste  zu  einer  neuen,  für  den  Schul-  sowohl, 
als  Privatgcbrauch  passenden  französischen  Grammatik  zu  verarbeiten, 
verwirklicht.  Leider  hat  es  auch  ihm  nicht  gefallen  ,  die  Formen- 
lehre von  der  Syntax  zu  trennen  und  dadurch  sein   Buch  von    dem   im- 


92  Bibliographischer  Bericil  t. 

wissenschaftlichen  Anstriche  einer  unzweckmässigen  Vcrmengung  von 
Gegenständen  zu  befreien.  Man  glaube  aucb  nur  nicht,  dass  dieser 
Scheidung;  welche  die  Theorie  verlangt,  in  der  Ausführung  grosse 
Hindernisse  im  Wege  ständen ,  oder  dass  sie  die  Erlernung  des  Fran- 
zösischen verzögere,  oder  endlich  bei  manchem  Lehrer  der  Einführung 
eines  solchen  Buches  im  Wege  stehn  werde  ,  im  Gegenthoile  wird 
durch  diese  Trennung  der  Formenlehre  von  der  Syntax  ,  welche  den 
mit  der  Sprüche  vollkommen  Vertrauten  —  und  Andere  sollten  sich 
nicht  an  Ausarbeitung  einer  Sprachlehre  wagen  —  nicht  schwer  fallen 
kann  ,  nicht  allein  das  Studium  des  Französischen  erleichtert ,  indem 
der  Lernende  die  Gesetze  der  Wort-  und  Satzverbindung  nicht  eher 
gehörig  Fassen,  geschweige  ausüben  wird,  als  er  der  Wortformen 
Meister  ist,  sondern  auch  der  Gebrauch  in  Elementarclassen ,  in  wel- 
chen es  blos  auf  die  Einübung  der  Formenlehre  abgesehen  sein  kann 
und  für  welche  bei  der  jetzt  noch  häufigen  Vermischung  beider  Theile 
der  Grammatik  der  Lehrer  immer  das  für  seine  Schüler  gerade  Brauch- 
bare auszuwählen  sich  genöthigt ,  aber  oft  eine  ganz  passende  Wahl 
zu  treffen  ausser  Stand  sieht,  weil  das  Nachfolgende  durchgängig  mit 
Rücksicht  auf  das  Vorhergehende  bearbeitet  und  selten  ein  Alischnitt 
zur  Auslassung  geeignet  ist.  Wollte  aber  ein  Lehrer  ganz  dem  Gange 
folgen,  den  Hr.  L.  in  der  von  mir  angefochtenen  Weise  eingeschlagen 
hat,  so  würde  er  z.  15.,  nachdem  er  sich  durch  den  ganzen,  über  die 
Geschlechts-,  Haupt-,  Bei-,  Zahl-  und  Fürwörter  auf  mehr  als  200 
Seiten  mitgetheiltcn  ilcichthum  durchgearbeitet ,  endlich  (S.  277)  zu 
der  Conjugation  des  Hülfszeitwortcs  avoir  gelangen.  Die  Unzweck- 
mässigkeit  dieses  Verfahrens  noch  besser  zu  beweisen  ,  reicht  ein  ein- 
ziges Beispiel  hin.  In  der  Lehre  von  den  Zeitwörtern  wird  nach  den 
gewöhnlichen  Vorbegriffen  S.  271  u.  s.  w.  von  dem  Gebrauche  der 
verschiedenen  Zeiten  gehandelt,  ehe  der  Schüler  diese  kennen  gelernt 
hat.  Er  soll  sich  also  hier  mit  dem  Gebrauche  von  Dingen  bekannt 
machen  ,  die  ihm  noch  ganz  fremd  sind.  Ebenso  werden  vor  der  Mit- 
theilung  der  Conjugationen  einige  Grundregeln  über  die  Verbindung 
der  (dem  Schüler  noch  unbekannten)  Zeitwörter  mit  anderen  Wörtern 
(S.  276)  vorgetragen.  Durch  eine  consequent  durchgeführte  Trennung 
der  Formenlehre  und  Syntax  würden  solche  Missstände  vermieden  wer- 
den, und  ich  wünschte,  dass  sich  der  Verf.  bei  einer  etwaigen  zweiten 
Auflage  seines  Buches  dazu  verstehen  möchte,  da  dasselbe  in  anderer 
Beziehung,  namentlich  was  die  Vollständigkeit  der  reichhaltignn  Pa- 
radigmen und  die  Uebungsstücke  betrifft,  denen  Hr.  L.  nur  zu  viele 
französische  Wörter  unterlegt  und  die  fast  zu  vollständig  sind  ,  da  z.  B. 
S.  57  zu  Einübung  einer  vorhergehenden  Regel  sogar  die  „Maitressen" 
Ludwig's  XIV.  und  XV.  citirt  werden,  sehr  brauchbar  erscheint.  Dass 
die  Declination  der  Hauptwörter  nicht  allein  nach  der  ,  dem  Latein 
entsprechenden,  sondern  auch  nach  der  neueren  Form  dargostellt  wor- 
den, findet  Rec.  eben  so  zweckmässig,  als  die  S.  524  fgg.  angehende 
Sammlung  von  Germanismen  und  Gallicismen  (zum  Theil  in  Gesprächs- 
form),    von    Anekdoten,     Briefen,     Wörtern,    leichten    Gesprächen. 


Bibl  to  graphischer  B  e  r  i  cht.  03 

Warum  hei  der  Leine  von  »1er  Einrichtung  der  Briefe  auch  die  deutsche 
Titulatur  beigefügt  worden,  sehe  ich  nicht  ein.  Zu  Linz  hei  Friedr. 
Eurich  u.  Sohn  erschien  (183!)):  Theoretisch -praktische  französische 
Sprachlehre  für  den  öffentlichen,  Privat-  und  Selbstunterricht.  Nach 
einem  ganz  neuen  Systeme  bearbeitet  von  Alois  Auer ,  Prof.  il.  il.il.  Spr. 
u.  Litt,  am  k.  k.  Lyceo,  italienischem  Lehrer  a.  d.  stand.  Sprachschule 
und  k.  k.  Stiidt-  und  Landrechts -Dolmetsch  zu  Linz.  XVI  u.  4%  S. 
8.  Die  Herausgabe  dieser  Grammatik  gründet  sieh,  nach  der  Aeus- 
serung  des  Verf.s  im  Vorworte,  auf  die  Darstellung  des  hier  neu  auf- 
gestellten Systems  ,  ,, dessen  Entdeckung  er  einem  mehrjährigen  Stre- 
ben nach  Erleichterung  des  Sprachstudiums  zuschreiben  dürfte  (sie) 
und  welches  er  im  öffentlichen  und  Privatunterrichte  sowohl  bei  jün- 
geren, als  erwachsenen  Schülern  als  besonders  fasslich  erprobte." 
Ein  neues  (auch  auf  dem  Titel  angekündigtes)  System  hat  jedoch  Rec. 
bei  dem  besten  Willen  nirgends  gefunden,  denn  was  Hr.  A.  so  nennt, 
besteht  in  Aeusserlichkeiten ,  die  zwar  das  Erlernen  des  Französischen 
erleichtern  mögen  ,  jene  Renennung  aber  nicht  verdienen.  Die  haupt- 
sächlichsten Punkte,  worin  diese  Sprachlehre  von  anderen  abweicht, 
sind:  1)  die  Vermeidung  aller  Citatc,  wodurch  das  störende  und  zeit- 
raubende Nachsuchen  der  verschiedenen  Paragraphen  zur  Ergänzung 
der  Regeln  beseitigt  wird;  2)  der,  jedoch  nicht  immer  gelungene  Ver- 
such, jeden  Gegenstand  auf  einer  eigenen  Rlattseite  vollständig 
darzustellen  und  auf  der  linken  Blattseite,  ganz  übereinstimmend 
mit  der  auf  der  rechten  fortschreitenden  Theorie,  die  dazu  gehö- 
rigen praktischen  Lebungen  zu  geben,  damit  der  Lernende  sich 
auf  diese  Weise  die  Regeln  gründlichst  aneigne;  3J  die  (jedoch  auch 
schon  von  manchen  andern  Grammatikern  befolgte)  Eintheilung  des 
Duriles  in  einen  Vorunterricht  für  Anfänger  und  in  einen  Cursus  für 
Geübtere.  Kann  ich  nun  auch  diese,  von  eigentümlichen  typogra- 
phischen Schwierigkeiten  begleitete  Einrichtung  nicht  als  ein  neues 
System  begrüssen  ,  so  verdient  doch  der  Gedanke,  auf  so  einleuch- 
tende und  innige  Weise  die  Theorie  mit  der  Praxis  in  Verbindung  zu 
setzen,  Anerkennung.  Die  Trennung  des  ersten  und  zweiten  Cursus 
ist  dem  Verf.  nicht  überall  so  gelungen,  dass  nicht  dem  Anfänger  man- 
ches entzogen  wäre,  was  ihm  zu  wissen  nöthig  ist.  Dies  zeigt  sich 
schon  bei  der  Lehre  von  der  Aussprache,  die  Rec,  da  sie  allem  wei- 
teren Unterrichte  vorangehn  rauss,  nicht  in  die  beiden  Cursus  ver- 
theilt,  sondern  ganz  dem  ersten  einverleibt  haben  würde.  Beide 
Cursus  sind  übrigens  in  der  gewöhnlichen  Weise,  und,  was  ich  nicht 
gutheissen  kann  ,  ohne  entschiedene  Trennung  der  Formenlehre  und 
Syntax,  nach  den  Redethcilen  geordnet.  Die  aufgestellten  Regeln 
bind  meistens  vollständig,  richtig  und  fasslich;  hin  und  wieder  findet 
sich  jedoch  auch  eine  verfehlte  Behauptung,  wie  S.  17:  „Alles,  was 
männlich  ist  oder  dafür  gehalten  wird ,  gehört  zum  männlichen  Ge- 
schlcchtc,  z.  B.  le  roi ,  der  König,  le  livre,  das  Buch."  Also  le 
livre,  das  Buch,  ist  männlich,  oder  wird  doch  dafür  gehalten!  Den 
Schülern  des  Hrn.  A.  wird  dies  ganz  neu  sein.  Nicht  minder  verfehlt 
ist  auch,  was  man  von   der  Declination  der  Hauptwörter  liest.     Der 


04  Bibliographischer  Bericht. 

Verf.    spricht   nämlich  zuerst   von    der  deutschen  Declination  und  sagt  : 
„Es  gieht  also  in  der  deutschen    Sprache    vier    Endungen    oder    Reug- 
fftlle,    welche  zur  Rezeichnung  der  verschiedenen  Verhältnisse  dienen." 
Rann  fährt  er  fort:    „In  der  französischen  Sprache    giebt    es    ebenfalls 
vier,     nämlich    Xnminatif,    Genitif,    Datif ,    Accusatif.        Die  französi- 
schen   Hauptwörter   bleiben    aber    durch    alle  Reugfällc  gleich  (Beugfälle 
und  gleich !)  und  man   bedient  sich   zur    Bildung  der  UeugfäUe   blos  der 
Vorwörter  de  und  ä,  welche  f forteilen  man  vor  den  Artikel  setzt  u.  s.  w." 
Zu  kurz  abgefertigt  ist  z.  B.  auch  die  Lehre  von  der   Construrtionsord- 
nung ,  der    directen    sowohl ,    als    der   figürlichen.,       Beim    Gebrauche 
wird  Hr.  A.  selbst  noch  manches  zu  ändern  oder  zu    verbessern    finden, 
was  ich  um  so  mehr  wünsche,  als  ich  dem  Buch  das  Zeugniss   grosser 
Reichhaltigkeit  nicht   versagen    kann.      Denn    ausser   sehr  vielen  deut- 
schen und  französischen  Uebungsaufgabcn  finden  sich  darin   Fragen  zur 
mündlichen    und   schriftlichen   Beantwortung,    eine  Sammlung  der  un- 
entbehrlichsten Wörter,    kaufmännischer   Ausdrücke,    eine   französisch 
geschriebene   Anleitung  zur   Abfassung  von   Briefen,    eine   Sammlung 
von  Briefen ,    Wechseln,   Quittungen,   Denksprüchen,    Anekdoten,   na- 
turhistorischen  Schilderungen ,    Fabeln,     und   am    Schlosse    noch    eine 
Abhandlung  de  la  prosodie  et  de  la  versification  ou  de  l'art   d'ecrire   cn 
vers  (S.  468  —  491),    die   ich  mit  Vergnügen  durchlesen  habe.      Hier- 
her gehört  auch :    Das  Notwendigste  aus  der  Formenlehre   der  französi- 
schen Sprache.      Nach  dem    Dictionnaire   grammatical  (Leipzig    bei  Hin- 
Tichs)  bearbeitet.     Leipzig   (in  Comm.  bei  Fr.  Fleischer)  1838.  32  S.  8. 
Ein  kleines,  aber  nicht  unnützes  Schriftchen,    in  welchem  jedoch   das 
Capitel  von   der  Aussprache  ,    wenn   es  der   Verf.    einmal    aufnehmen 
wollte,  nicht  so  karg  hätte  ausgestattet  werden  dürfen.      Das  Dict.  gr., 
welches   als   Führer   auf  dem    Titel  genannt   ist,  bot  gerade  in  dieser 
Beziehung  tüchtige  Vorarbeiten    dar.      Besser  ist  die  Declination  ,  die 
Geschlechtsverwandlung,  das  Zahlwort,   die  regelmässige  und  unregel- 
mässige   Conjugation   bearbeitet,    deren    Darstellung  sich  jedoch,   mit 
Ausnahme  einiger  Grundlehren   über  die   Flexion,    fast    ganz  auf   die 
Mittheilung  zweckmässiger  Paradigmen  beschränkt.       Der   Verf.  hätte 
diese  Paradigmen  nicht  blos  auf  die  Bejahungsformen  ausdehnen  ,  son- 
dern auch  ,  um  diese  Bogen  noch  nützlicher  zu    machen  ,  in    der   ver- 
neinenden, fragenden  und  in  der  verneinend-fragenden  Form  abdrucken 
lassen  sollen.      In   der   Darstellung  der  Conjugation  folgt  er,  wie  sich 
erwarten  Hess,    der  Annahme  des    Dict.   gramm. ,    welches  die  bisher 
gewöhnliche  Anordnung   der   4    Conjugationen    nach   ihrer   Infinitiven- 
dung: 1)  er;  2)  ir;  3)  oir;   4)  re  dahin  umgeändert  hat,  dass  die  erste 
Conjugation    bleibt,  die   übrigen    aber   ihre    Stellen    wechseln,    indem 
der  Inf.  re  die  zweite,  der  Inf.  ir  die  dritte,  der  Inf.  oir  die  vierte  ein- 
nimmt,  welche  Neuerung  auf  der   grösseren    oder   geringeren    Regel- 
mässigkeit der  zu  einer  Conjugation  gehörigen  verbes  (s.    Dict.  gramm. 
S.   74)    beruht.      Zur   Uebung   in    der  Umgangssprache  dienen  die  Ge- 
spräche  für  das  gesellschaftliche   Leben,    zur   Erlernung  der  Umgangs- 
aprache im   Deutschen  und  Franzosischen,    von  Frans  Beauval.     Fünfte 


Bibliographischer  Bericht.  95 

Auflage,  durchgesehen  und  sorgfältig  verhessert  vom  Professor  Laforgue. 
Dresden  und  Leipzig  (Arnoldische  Bnchh  ),  Paris  und  Strasburg 
(Treuttel  und  Würz)  1887.  (Auch  tu  d.  T. :  Dialognes  pour  la  vie  so- 
ciale y  propres  ä  se  form  er  au  ton  de  la  covversation  en  francais  et  en 
allemand,  par  Francois  Beauval  etc.).  Erstes  Rändchen  (Morgenge- 
spräche) 216"  S. ,  zweites  Bändchen  (Taggespräche)  192  S. ,  drittes 
Bändchen  (Abendgespräche)  198  S.  16.  (1  Thlr.  12  Gr.).  Was  mit  der 
Angabe:  Morgengespräche ,  Tag-  und  Abendgespräche  eigentlich  ge- 
sagt werden  soll,  hat  sich  Her.  nicht  enträthseln  können,  denn  gleich 
im  1.  Bändchen  (Morgengespräche)  findet  sich  auf  S.  1  die  Redensnri: 
Bon  soir  ,  inon  neveu ;  bon  soir,  mon  fils,  mon  eher  fils  ;  bon  soir, 
mit  roere  etc.,  und  auch  abgesehen  von  solchen  geradezu  widerspre- 
chenden Phrasen  enthalten  die  3  Bändchen  fast  lauter  Dinge,  über  die 
man  sich  eben  so  gut  des  Morgens ,  als  des  Mittags  und  Abends  unter- 
halten kann.  Dahin  gehören  im  1.  Bändchen  Besuch  in  einem  Garten 
und  Anfrage  wegen  Verpachtung  eines  kleinen  Landgutes;  Unterredung 
mit  einem  Buchbinder;  Unterredung  mit  einem  Hntmacher,  Tischler, 
Kräuterhändler,  Zahnarzte,  einer  bejahrten  Frau,  einem  Schuh- 
macher, Tapezierer,  Pferdehändler;  im  zweiten  Bändchen  das  Ge- 
spräch in  einem  Kaffeehaus,  Kaufmannsladen ,  mit  einer  Wäscherin, 
einem  Schneider,  über  das  Tanzen,  mit  einer  Modehändlerin ,  über 
Polen,  über  Ileiratbs-  und  Familienangelegenheiten,  mit  dem  Arzte, 
bei  Besichtigung  eines  Hauses;  im  dritten  Rändchen  die  Gespräche 
zwischen  Gebildeten,  bei  Ueberreichung  von  Schriften  und  Empfeh- 
lungsbriefen, über  den  Besuch  eines  Gesellschaftstheaters  und  eines 
BaJIs  u.  8.  f.  Im  Ganzen  kann  ich  die  Unterhaltungen  wegen  ihrer 
Sprache  (der  französische  Text  scheint  gelungener,  als  der  deutsche) 
und  ihres  Inhaltes  empfehlen,  nur  bei  einigen  hat  der  Verf.  einen 
nrgen  Fehlgriff  gethan.  Unter  anderen  rechne  ich  hierher  den  „Be- 
Buch einer  bejahrten  Frau,  welche  um  Schutz  bittet,"  Thl.I.  S.138  fgg. 
Das  Gespräch  findet  zwischen  einem  hohen  Staatsbeamten  und  einer 
armen  Witwe  statt  und  kann  niemand  Anderem  in  den  Mund  gelegt 
werden.  Beide  kommen  aber  wohl  nie  in  den  Fall,  »ich  der  Dialo- 
gues des  Hrn.  B.  zu  bedienen,  die  vielmehr  für  die  Jugend  und  für 
Anfänger  im  Französischen  bestimmt  sind.  Noch  weit  unpassender  ist 
im  2.  Bändchen  S.  109  fgg.  das  Gespräch  über  Polen  und  die  dort  an- 
sässigen Juden,  wo  es  u.  a.  S.  112  heisst:  „Das  ist  wahr ,  aber  die 
Städte  Posen,  Wilna  und  Warschau  ausgenommen  wüsste  ich  fast 
keinen  Ort  in  Polen,  wo  man  rechtliche  Bürger  fände,"  und  S.  114: 
„Die  Juden  sind  aber  auch  wohl  in  Polen,  wie  überall  ,  der  immer- 
währende Gegenstand  einer  allgemeiner  Verachtung?  Ganz  gewiss. 
Die  Schurkereien  sind  ihnen ,  so  zu  sagen ,  angeboren  und  die  Unred- 
lichkeit ist  eine  Folge  ihrer  Erziehung. "  Hr.  L. ,  der  sich  der  vor- 
liegenden 5.  Auflage  angenommen,  wird  aus  diesen  Proben  entnehmen 
können  ,  dass  ihm  für  eine  etwaige  6.  Auflage  noch  manches  zu  ver- 
bessern und  zu  säubern  obliegt.  Zur  Vorbereitung  auf  die  Conversa- 
tionssprachc  dient:   Der  kleine  Franzos ,   oder  Sammlung  der  zum   Spre- 


96  Bibliographischer  Bericht, 

eben    nülhigsten    JFörter   und    Redensarten,     nebst    leichten   Gesprächen. 
Französisch    und   deutsch.       Herausgegeben   von    August    Ife.       Fünfte 
Auflage.      Berlin  (Araelang)  1835.  IV  u.  166  S.  (6  Gr.)      Das  Buch  ent- 
hält eine  Sammlung  von    Hauptwörtern,   welche    nach    der    Verwandt- 
schaft ihrer   Bedeutung  zusammengeordnet  sind,    alphabetisch  zusam- 
mengestellte Beiwörter ,   Zahlwörter,    Adverbien,   Präpositionen,   Con- 
junetionen,  Interjectionen,   häufig  vorkommende  Redensarten,   Sprich- 
wörter,   Gallicismen,   leichte  Gespräche.      Zum  Memoriren  ist  nament- 
lich   die   Sammlung    von    Substantiven    geeignet.    .  Koch   habe  ich  aus 
1835  eine  Anleitung  zum  Uebersetzen  aus  dem  Deutschen   in's   Franzö- 
sische  nachzuholen  :    Anleitung  zum    Uebersetzen  aus  dem  Deutschen  in  s 
Französische   von   G.    H.    Stehr.      Zweite   Auflage  von  A.    P.  de  Brey. 
Hamburg  (Bcrendsohn)  1835.  IV  u.  315  S.  8.  (16    Gr.).      Es   stehn    in 
diesem  Buche   1)  Uebungen,    d.   h.   kurze  Sätze  über   die  Regeln  der 
Grammatik;    2)    Gespräche,    oder   vielmehr    vermischte,  die    Gegen- 
stände   des   gemeinen    Lebens   berücksichtigende   Sätze;    3)  Gedanken 
und  Grundsätze ;    4)  Anekdoten,    geschichtliche    Züge   und    Erzählun- 
gen;   5)   ein    Schauspiel,    die   entgegengesetzte   Erziehung;    6)    eine 
Sammlung  von  Germanismen  und  Gallicismen  ;  7)  ein  Wörterbuch  zum 
Gebrauche  bei     den    von    1  —  5    angeführten    Abschnitten.      Kann    ich 
auch  die  Wahl  des   aufgenommenen    Lustspiels   nicht    billigen,    so   ist 
doch  die  Anlage  des  Buchs  im   Uebrigcn   empfehlenswerth   und   beson- 
ders hat  mich  die  zweite  Rubrik,  welche  Nutzen  für's  Leben  hat,  an- 
gesprochen ,   so   dass    ich   sie   noch   mehr  ausgedehnt  wünschte.      Von 
dem    Werke:    Praktische   Uebungen  zur   leichten  und  schnellen  Erlernung 
der  französischen  Sprache,  systematisch  geordnet  in  drei   Curse,  für    La- 
tein-, höhere  Bürger-  und  Töchterschulen ,   sowie    auch  für    den   Privat- 
unterricht  von   C.    F.   Vaillez,   Lehrer  der  französischen  Sprache  am  k. 
Gymnasium,   an    der  Latein- u.   d.    k.   Landwirtschaft-  und  Gewerb- 
schule  1.   Ciasse  in   Hof  (Hof  u.  Wunsiedel  b.  Gottfr.  Ad.  Grau  1839) 
ist  der  erste   Cursus  (X   u.   114   S.   in  8)  erschienen.      Er  zerfällt  in  5 
Abschnitte:   1)  die  Lehre  von  der  richtigen  Aussprache   des  Französi- 
schen; 2)  13  Lesestücke;  3)  eine,   für  das  Auswendiglernen  bestimmte 
Wörtersammlung  in   90   kleinen  Abtheilungen;   4)  eine  Sammlung  von 
90  deutschen  und  französischen  Uebsrsetzungsaufgaben,  in  welchen  die 
ira  3.  Abschnitte  enthaltenen  Wörter  zur  Anwendung  kommen;    5)  die 
in  den  13  Lesestücken  des  zweiten   Abschnittes  vorkommenden   Wörter. 
Die  Uebungsstücke  sind   zweckmässig   und    der  vom  Verf.  ira  Vorworte 
geschilderte   Lehrgang  scheint  es  ebenfalls  zu  sein.       Von  der  Schul- 
grammatik der  französischen  Sprache.      Von    C.   E.    Frege,   ord.  Lehrer 
a.  d.    Stadtschule  zu   Wismar.  Leipzig  (in  Coram.  bei  Hochhausen  und 
Fournes)  1838.  ist    der  2.   und   3.  Theil  (Syntax  und  Orthoepie,   nebst 
einem  Uebungsbuche  zum   Uebersetzen  aus   dem  Deutschen  in's  Fran- 
zösische) ausgegeben  worden.      Diese  Sprachlehre  gründet  6ich  auf  das 
in   der   deutschen   Grammatik  mit   Glück    angewandte  Becker'sche  Sy- 
stem,  dem  sich  auch  die  kleine,   von  mir  NJbb.  Bd.  XXVI   Heft  2   an- 
gezeigte Barsche  Grammatik  anschloss.      Man  bat  bekanntlich  diese« 


Bibliographischer  Bericht.  97 

System  nicht  allein  auf  die  französische,  sondern  auch  auf  die  latei- 
nische (Weissenborn ,  Feldbausch,  Beltz  und  Eichhoff)  und  auf  die 
griechische  Grammatik  (Kühner)  anzuwenden  gesucht ,  allein  bis  jetzt 
scheint  entweder  der  rechte  Weg  zur  Realisirung  der  Idee  noch  nicht 
gefunden,  oder  sie  lässt  sich  mit  Erfolg  nur  in  der  Muttersprache  ver- 
wirklichen. Hr.  F. ,  der  sich  mit  vielem  Eifer  der  Sache  angenom- 
men und  sich  durch  manche  Modifikationen  des  von  ihm  befolgten 
Systems  auch  als  selbstständigcn  Forscher  bewiesen  ,  hat  seine  Syntax 
in  4  Hauptstücke  getheilt,  nämlich:  1)  vom  Satze  und  den  Satzver- 
hältnissen (prädicatives,  attributives,  objeetives  Satzverhältniss)  ;  2) 
formelle  Bestimmungen  der  Wörter  und  des  Satzes  (Genus,  Zeitfor- 
men, Modusformen  des  Verbs,  Formen  des  Infinitivs  und  der  Parti- 
cipien,  Fragesätze);  3)  vom  zusammengesetzten  Satze  (Adjectiv-, 
Substantiv-,  Adverbialsätze);  4)  Wortfolge  und  Betonung  des  prädi- 
cativen,  attributiven  und  objeetiven  Satzverhältnisses.  Die  Orthoepie 
zerfällt  in  2  Capitel:  1)  Vocale  (einfache  Vocallaute  und  Diphthonge), 
2)  Consonanten  (liquide,  Stimmlaute  und  Spiranten,  verdoppelte  Con- 
sonanten,  Ueberlauten  der  Em! consonanten).  Angehängt  ist  ein  Ue- 
bungsbuch  im  Uebersetzen  aus  dem  Deutschen  in's  Französische.  Die 
Regeln  sind  mit  sehr  zweckmässigen ,  aus  guten  und  namhaft  gemach- 
ten Quellen  (besonders  aus  dem  Dict.  de  l'Ac.  und  der  Grammaire  na- 
tionale ,  s.  NJbb.  Bd.  XXII  Heft  3  S.  335)  geschöpften  Beispielen  ver- 
sehen. Auch  die  Uebungsaufgaben  verdienen  Beifall.  Von  der  NJbb. 
Bd.  XXII  Heft  3  S.  324  erwähnten  Nouvelle  bibliotheque  de  classiques 
francais  ou  collection  de  meillcurs  ouvrages  de  la  litterature  francaisc, 
Paris,  b.  Lecointe  u.  Pougin ,  quai  des  Augustins  Nr.  49,  habe  ich  in- 
zwischen Einsicht  genommen  von  Elisabeth  ou  les  exile's  de  Siberie. 
precedee  d'une  notice  historique  sur  l'auteur  et  suivie  du  poetne  de  la 
prise  de  Jericho,  1832  lfi4  S.  12,  welche  Schrift  der  Frau  Cottin 
mit  dem  treffenden  Motto  bezeichnet  ist:  „La  mere  en  prescrira  la 
lecture  ä  sa  fille  ;"  ferner  von:  Paul  et  f'irginie,  suivi  de  la  chau- 
miere  indienne  par  J.  II.  Bernardin  de  Saint-Pierre,  1837.  215  S.  12.; 
Les  lncas ,  ou  la  destruetion  de  l'empire  du  Pe'rou  ,  par  Marmontel ,  de 
l'Acadcmie  francaise.  1836.  Tome  1 :  209  S. ,  Tome  2 :  200  S.  12 ; 
Le  bachelier  de  Salamanque,  ob  memoires  et  aventures  de  Don  Cherubtn 
de  la  Honda.  Par  Le  Sage.  1835.  Tome  1:  245  S.  Tome  2:  245 
S.  12;  endlich:  Corinne,  ou  VItalie.  Par  Madame  la  baronne  de  Stael. 
Nouvelle  cd ition  revue  et  corrigee.  1837.  Tome  1 :  216  S.  Tome  2: 
218  S.  Tome  3:  218  S.  Tome  4:  220  S.  12.  Alle  diese  Bändchen 
zeichnen  6ich  durch  schönen  und  correcten  Druck  äusserst  vortheilhaft 
aus.  Kürzlich  erschien  auch  die  siebente  Auflage  eines  nützlichen 
ßuehes:  Neues  französisches  Lesebuch  für  den  ersten  Schul-  und  Privat- 
unierricht.  Herausgegeben  von  praktischen  Schulmännern.  Frank- 
furt a.  M.  (Jäger'sche  Buchh.)  1839.  277  S.  8.  (12  Gr.).  Das  Werk- 
chen, welches  zugleich  der  erste  Theil  eines  „französischen  Elemen- 
tarbuches"  ist,  und  theils  Uebungen  in  der  richtigen  Aussprache, 
theils  Paradigmen  (besonders  der  Zeitwörter) ,  theils  (und  zwar  baupt- 
A.  Jahrb.  f.  Phil.  u.  Paed.  od.  Krit.  Bibl.  Bd.  XXVHI.  Hft.  l.         7 


98  Schul-  und  Un  ivcrsltä  tsnaclirich  tcn, 

sächlich)  französische  Lese-  und  Uebersetzungsstücke  nebst  dazu  {ge- 
hörigen Wörterverzeichnissen  enthält,  i.-st  in  dieser  neuen  Aussähe 
durch  einige  Fabeln  in  Prosa,  17  Fabeln  von  Florian  und  kleinen  Auf- 
gaben über  die  Hülfszcitwörter  und  die  erste  Conjugation  vermehrt 
worden.      Gewiss  wird  es  auch  so  vielen  Nutzen  stiften. 

E.  Seh  au  mann. 


Schul  -  und   Universitätsnachrichten ,    Beförderungen  und 
Ehrenbezeigungen. 

A?hjaberg.  Als  Einladungsschriftcn  zu  den  öffentlichen  Rcdeacten 
zu  Ostern  1838  und  1839  hat  der  Rector  Prof.  Karl  Heinr.  Frotscher  die 
dritte  und  vierte  Nachricht  von  dem  Gymnasium  und  Progymnasium  [26 
n.  12  S.  8.]  herausgegeben,  woraus  sich  ergiebt,  dass  die  Anstalt  in 
ihren  0  Classcn  zu  Anfang  des  Schuljahrs  1837/38  von  95  und  am  Ende 
von  103,  im  Schuljahr  1838/39  zu  Anfange  von  94,  am  Ende  von  90 
Schülern  besucht  war,  und  im  ersten  Jahre  16  Abiturienten  (9  mit  dem 
zweiten  und  7  mit  dem  dritten  Zenguiss  der  Reife)  ,  im  zweiten  12  Abi- 
turienten (7  mit  dem  ersten,  3  mit  dem  zweiten  und  2  mit  dem  dritten 
Zcugniss  der  Reife)  zur  Universität  entliess.  Im  LehrercoIIcgium  ist 
nach  der  zu  Michaelis  1838  erfolgten  Beförderung  des  Dr.  Friedr.  Kra- 
ner an  die  Fürstenschule  in  Meisskv  die  siebente  Lehrerstelle  unbesetzt 
geblieben  und  den  zurückbleibenden  Lehrern  eine  grössere  wöchent- 
liche Lehrstundenzahl,  nämlich  dem  Rector  Dr.  Frotscher  17,  dem 
Prorector  M.  Heinichen  und  dem  Conrector  Lindemann  je  22,  dem  Suh- 
rector  Manitius ,  dem  Mathematicus  Schubert,  dem  6.  Collegen  M. 
Leopold  und  dem  Collaborator  Biel  je  24  zugetheilt  worden.  Dem 
Collaborator  Biel  ist  zugleich  das  Ordinariat  der  6.  Classe  übertra- 
gen, und  ihm  erst  seit  dieser  Zeit  der  regelmässige  Zutritt  zu  den 
Conferenzen  der  ordentlichen  Lehrer  mit  einer  beratbenden  Stimme  ge- 
stattet *).      Dagegen  ist  für  den  gymnastischen  Unterricht  ein   besonde- 


*)  Es  ist  bemerkenswerth ,  dass  es  immer  noch  so  viele  Schulen  giebt, 
wo  die  jüngeren  und  ausserordentlichen  Lehrer  von  den  Lehrerconferenzen 
ausgeschlossen  bleiben  ,  obgleich  schon  längst  erkannt  ist ,  dass  das  Ansehen 
und  der  Einfluss  der  unteren  Lehrer  eben  dadurch  ,  dass  sie  zu  diesen  Bera- 
tungen zugezogen  werden  und  an  allen  Verhandlungen  über  das  Wohl  und 
Wehe  der  Schüler  theilnehmen  ,  erst  recht  bpgründet  wird  ;  dass  der  junge 
Lehrer  in  denselben  den  ganzen  Umfang  seiner  Amtstätigkeit,  die  hohe 
Würde  seines  Berufs  und  seine  Stellung  zum  Ganzen,  so  wie  die  rechte  Ach- 
tung vor  der  reiferen  Erfahrung  älterer  Amtsgenossen  kennen  lernt ;  dass  er 
hier  die  so  nöthige  Auskunft  über  den  fortwährenden  Gesammtzustandder 
Schule  erhält  und  darnach  Umfang  und  Abstufung  seiner  Thätigkeit  ermisst; 
dass  er  hier  seine  Erfahrungen  mit  andern  austauscht  und  seine  Wünsche  und 
Klagen  zur  allgemeinen  Beachtung  bringt ,  und  dass  er  eben  dadurch  erst  den 
rechten  Eifer  für  sein  Amt  empfängt,  weil  er  sieht,  wie  vielerlei  im  Schul- 
leben zu  thun  ist  und  wie  er  der  regen  Thätigkeit  und  Einsicht  Anderer  nach- 
zueifern hat ,  und  weil  er  selbst  als  wesentliches  Glied  des  Ganzen  auftritt, 
und  nicht  in  derjenigen  Isolirung  dasteht ,  welche  so  leicht  eine  Hauptursache 


Beförderungen  und  Ehrenbezeigungen.  99 

rer  Lehrer  angestellt  und  für  denselben  von  dem  kün.  Ministerium  des 
Cultus  eine  jährliche  Summe  von  100  Rthlrn.  ausgesetzt  worden.  Die 
Gymnasialbibliothek  hat  einen  sehr  ansehnlichen  Zuwachs  dadurch  er- 
halten, dassder  Vorstand  der  Schulcommission,  Superintendent  und  Pastor 
primär.  Dr  tbeol.  et  phil.  Schumann  aus  eigenen  Mitteln  die  aus  mehr  als 
1200  Dänden  bestehende  Bibliothek  des  verstorbenen  Rectors  Benedict 
ankaufte  und  der  Schule  schenkte.  Das  Verdienst  dieser  Schenkung 
ist  um  so  grösser,  da  die  Bcncdict'sche  Bibliothek  im  Fache  der  Phi- 
lologie ,  Pädagogik  und  Geschichte  wohl  ausgestattet,  und  die  Schul- 
bibliothek sehr  unbedeutend  ist.  Ueber  den  Lehrplan  der  Schule  und 
namentlich  über  die  im  Laufe  des  Schuljahres  abgehandelten  Lehr- 
pensa  sind  nur  im  Jahresbericht  von  1838  Mitteilungen  gemacht,  aber 
sie  haben  einen  besondern  Werth  durch  die  Nachweisung  des  speciellen 
Verfahrens ,  welches  die  Lehrer  bei  den  einzelnen  Lehrgegenständen 
eingeschlagen  haben.  Da  das  Gymnasium  auch  mehrere  solche  Schü- 
ler hat,  welche  sich  blos  zu  Volksschullehrern  bilden  wollen;  6o  haben 
zwei  Lehrer  zu  einigen  freiwilligen  Lehrstunden  in  Katechetik ,  Bibel- 
erklärung und  Elementarpädagogik  für  dieselben  sich  verstanden.  Das 
wissenschaftliche  Jahrcsprogramra  zur  Hofmanni&chen  Gedächtnissfeicr 
vom  Jahr  1838  enthält:  Observutiones  criticae  in  quosdam  locos  Bruii  Ci- 
ceroniani,  Partie.  HL,  qua  .  .  .  in  vi  tat  Car.  Henr.  Frotschcr.  [1838. 
20  S.  8.]  Es  sind  kritische  Erörterungen  von  15  Stellen  aus  §  137  — 
210.,  worin  die  wesentlicheren  Varianten  derselben  geprüft  und  die 
wahren  Lesarten  aufgesucht  werden.  Sie  verdienen  weitere  Beachtung, 
nicht  nur  weil  der  Verf.  mehrere  Textesänderungen  der  Herausgeber 
glücklich  und  treffend  abweist,  sondern  auch  weil  die  vorherrschend 
grammatische  und  sprachliche  Erörterungsweise  durch  grosse  Klarheit 
und  Bestimmtheit  sich  empfiehlt.  [J.] 

Baden.  Der  grossherzogliche  Oberstudienrath  hat  durch  ein  beson- 
deres Generale  verordnet,  dass  an  allen  ihm  untergebenen  Lehranstalten 
die  Lehrer  in  Fällen  der  Verhinderung  eine  förmliche  schriftliche 
Anzeige  an  die  Direction  machen  und  den  Grund  genau  angeben  sollen, 
Mcshalb  sie  eine  oder  mehrere  Lehrstunden  aussetzen  müssen ,  und  dass 
dann  die  Direction  für  das  ganze  Jahr  alle  Versäumnisse  der  Lehrer  in  ein 
eigens  zu  haltendes  Register  eintragen  und  dasselbe  sammt  den  Origi- 
nnleingaben  der  Lehrer  am  Ende  des  Schuljahres  dem  Prüfungsconi- 
missair  vorlegen  soll.  Durch  ein  anderes  Generale  ist  vorgeschrieben 
worden,  dass  bei  allen  Lyceen,  Gymnasien  und  Pädagogien  in  jeder 
Classe  oder  Classenabtheilung  ein  Buch  gehalten  werde,  in  welches 
entweder  die  Lehrer  oder  einer  der  Schüler  nach  jeder  Unterrichts- 
stunde genau  eintragen  soll ,  welches  Pensum  für  die  nächste  Stunde 
des  betreffenden  nämlichen  Unterrichts  aufgegeben  ist.  Der  Zweck 
dieser  Einrichtung  ist,  die  Schüler  vor  Ueberladung  zu  sichern. 


wird,  weshalb  so  viele  Lehrer  um  das  Ganze  der  Schule  sich  wenig  kümmern, 
sondern  mit  dem  blossen  Stundehalten  ihre  ganze  Amtsthätigkeit  erfüllt  zu 
haben  meinen. 

7* 


100  Schul-   und  U ni  v crsitä  tsn ach  ri  chtcn  , 

Bai'zev.  In  dem  zu  Ostern  1838  erschienenen  Jahresprogramm 
des  «lasigen  Gymnasiums  [ßutlissin  gedr.  bei  Monse.  23  S.  u.  10  S. 
Schuliiachrichten.  4.]  hat  der  Subrector  Friedr.  Ferd.  Müller  eine  Brc- 
vis  disputatio  de  memoriae  exercitatione  in  gymnasiis  non  negligenda 
herausgegeben  ,  und  darin  eben  so  die  Notwendigkeit  und  Nützlich- 
keit, wie  den  rechten  Weg  der  Bildung  des  Gedächtnisses  in  Gymna- 
sien klar  und  entsprechend  nachgewiesen.  Im  Programm  des  Jahres 
1839  [20  S.  und  11  S.  Schulnachricbten  4.J  steht  eine  Abhandlung  f'om 
Gebrauche  und  Unterschiede  der  lateinischen  Partikeln  Nisi  und  Si  non, 
von  dem  vierten  Collcgen  und  Musikdirector  Gottlob  Friedr.  Lüsclikc, 
worin  der  Gebrauch  dieser  Partikeln  allseitig  besprochen ,  unter  ge- 
wissen Hauptrubriken  zusammengeordnet  und  mit  zahlreichen  Beispie- 
len belegt,  freilich  aber  nur  der  äussere  und  empirische  Gebrauch  auf- 
gefasst,  und  auf  die  tiefere  Erörterung  des  innern  Wesens  derselben, 
6o  wie  ihres  Grundutiterschiedes  [s.  NJbb.  XXVI,  352.]  nicht  einge- 
gangen ist.  Jedoch  hat  der  Verf.  den  Gebrauch  nach  den  verschiedenen 
Satzformen  und  nach  den  verschiedenen  deutschen  Bedeutungen  der  Wör- 
ter, so  wie  nach  den  einzelnen  Sprachformeln  zertheilt,  und  dadurch  aller- 
dings eine  klare  Uebersichtdes  Ganzen  erstrebt,  so  wie  im  Allgemeinen  ein 
richtigeres  Resultat  gewonnen  als  man  in  vielen  gangbaren  Grammatiken 
findet.  Auf  die  neuern  Untersuchungen  anderer  Gelehrten  über  diese  Parti- 
keln ist  keine  Rücksicht  genommen.  Der  Rector  HI.  Karl  Gottfr.  Siebelishat 
in  dem  Jahresbericht  von  1838  beiläufig  auch  einige  allgemeine  Bemer- 
kungen über  die  Behandlung  des  Religionsunterrichts  in  den  Gymna- 
sien mitgetheilt  und  darin  namentlich  gegen  die  mystisch-pietistische 
Richtung  der  Zeit  und  gegen  Schmieders  Lehrbuch  der  christlichen 
Keligionslehre  für  Schüler  der  ersten  Classe  auf  Gelehrtenschulen  sich 
erklärt.  Nachträglich  liefert  er  dazu  im  Jahresbericht  von  1839  Aus- 
züge aus  zwei  mystisch  -  pietistischen  Briefen  ,  welche  er  schon  früher 
von  einem  gewesenen  Schüler  des  Gymnasiums  und  von  einer  Hand- 
werksfrau erhalten  hatte.  Sie  geben  einen  neuen  Beleg,  dass  dieses 
pictistische  Unwesen  überall  spukt ,  und  sind  ein  schreiendes  Zeugniss, 
bis  zu  welchem  Unsinn  der  menschliche  Verstand  auf  diesem  Wege 
6ich  verirren  kann.  Hr.  S.  will  übrigens  in  den  Gymnasien  das  bibli- 
sche Christenthum  gelehrt  wissen ,  wie  es  die  gewissenhafte  Prüfung 
und  Forschung  unserer  Zeit  dargestellt  hat,  und  verlangt  noch  beson- 
ders, dass  die  Einwirkung  der  Religion  auf  das  Leben  gefördert,  und 
möglichst  früh  darauf  hingewiesen  werde,  wie  der  Geist  des 
Christcnthuros  ganz  besonders  das  Thun  empfiehlt  und  fordert.  Darum 
sollen  die  Glaubenslehren  immer  mit  den  Pilichten,  welche  fürs  Leben 
daraus  iliessen  ,  in  Verbindung  gesetzt  und  der  Schüler  fortwährend  er- 
innert werden  ,  die  Lehre  der  Schrift  auf  sich  selbst  und  seine  Lebens- 
verhältnisse anzuwenden,  weil  es  verderblich  für  Geist  und  Herz  sei, 
im  Religionsunterrichte  nicht  auf  sittlich  gute  Werke,  sondern  nur  auf 
den  Glauben  zu  dringen  ,  jeder  menschlichen  Tugend  allen  Werth  ab- 
zusprechen und  nur  an  die  Gnade  Gottes  zu  verweisen.  — ■  Das  Gym- 
nasium  war  in   seinen  6  Classen  am  Schluss  des  Schuljahrs  1838  von 


Beförderungen  und  Ehrenbezeigungen.  101 

133 ,  am  Schluss  des  folgenden  von  127  Schülern  besucht  und  hatte  im 
ersten  Jahre  12 ,  im  zweiten  6  Schüler  (8  mit  dein  ersten ,  !>  mit  dem 
zweiten  und  1  mit  dem  dritten  Zeugniss  der  Keife)  zur  Universität  ent- 
lassen. |  J.] 

Bielefeld.  In  dem  Bericht  über  das  dasige  Gymnasium  von  Ostern 
1838  bis  Ostern  1839  [32  (14)  S.  4.]  steht  eine  Disputatio  de  L.  Annaei 
Senecae  Consolatione  ad  Marciam  auetore  Dr.  Fridcrico  IJeidbreede, 
d.  i.  eine  sehr  sorgfältige  und  genaue  Untersuchung  über  die  Abfas- 
sung dieser  Schrift  des  Seneca.  Allerdings  vermag  der  Verf.  aus  Man- 
gel an  sichern  historischen  Zeugnissen  diese  Abfassuugszeit  nicht  genau 
zu  bestimmen,  allein  er  gränzt  doch  mit  grosser  Sorgfalt  den  Zeitraum 
ab,  innerhalb  dessen  sie  geschrieben  sein  muss,  und  berichtigt  meh- 
rere Irrlhümer,  welche  darüber  bisher  geherrscht  haben,  so  wie  er 
auch  über  die  Lebensverhältnisse  des  A.  Cremutius  Cordus,  und  seiner 
Tochter  Marcia  schätzbare  Mittheilungen  gemacht  hat.  Die  letztere 
ist  vor  dem  Jahre  800  n.  lt.  £.  gestorben,  und  vorher  also,  aber 
nicht  vor  dem  Regierungsantritt  des  Claudius  scheint  die  Consolatio 
gesehrieben  zu  sein.  In  dem  Gymnasium,  welches  im  genannten 
Schuljahr  von  172  Schülern  besucht  war  und  14  Primaner  als  reif,  2 
als  unreif  zur  Universität  entlicss  ,  sind  parallel  mit  der  dritten 
und  zweiten  Gyninasialclasse  2  Rcalclassen  eingerichtet  worden, 
in  welchen  die  höhere  Ausbildung  nicht  studirender  und  besonders  für 
den  Handel  sich  bestimmender  Jünglinge  erstrebt  werden  soll.  Die- 
selben genicssen  demnach  bis  Quarta  gleichen  Unterricht  mit  den 
Gymnasiasten,  und  sondern  sich  erst  von  Tertia  so  in  die  Kealclassen 
ab,  dass  sie  den  Unterricht  in  Religion  ,  Deutsch,  Französisch,  Ge- 
schichte, Geographie,  Mathematik,  Katurgeschichte  und  in  einigen 
lateinischen  Stunden  mit  Tertia  und  Secunda  gemeinsam  haben,  aber 
von  allen  griechischen  und  von  den  schwereren  und  grammatischen  lat. 
Lehrstunden  dispeusirt  sind ,  und  dafür  im  kaufmännischen  Schreiben 
und  Rechnen ,  im  Franzosischen  und  Englischen  noch  besonderen  Un- 
terricht erhalten.  Das  seit  dem  Sommer  1838  umgestaltete  Lehrer- 
kollegium der  Schule  besteht  aus  dem  Director  Prof.  Dr.  C.  Schmidt, 
dem  Professor  Iliuzpeicr,  den  Oberlehrern  Bertelsmann  und  Jüngst, 
dem  Dr.  Heidbrcede ,  dem  Cantor  Ohle,  dem  Lehrer  Schubart  ,  dem 
Prorector  Schaaf  (nur  noch  mit  dein  hebräischen  Unterrichte  beauf- 
tragt), dem  Dr.  Schütz  und  dem  kutholischeu  Pfarrer  Jlrachtmeister 
(der  den  Religionsunterricht  der  katholischen  Schüler  besorgt).  Für 
die  Realclasscn  ist  überdem  der  Lehrer  der  dasigeu  Gewerbschule  fj'ilh. 
Alannstädt  mit  12  wöchentlichen  Lchistunden  angestellt,  und  den  ma- 
thematischen Unterricht  hatte  der  Schulamtseandidat  Dr.  Michaelis  be- 
sorgt, der  aber  zu  Ostern  1839  die  Anstalt  wieder  verlassen  hat.        [J.) 

Dresden.  In  dem  Programm  des  dasigen  Yitzthumischcn  Gc- 
schleclitsgyiiina6iuma  und  der  Ulochmannischen  Erziehungsanstalt  vom 
Jahr  Ü838  hat  der  Lehrer  hart  Aug.  Müller  eine  sehr  wichtige  ge- 
schichtliche Abhandlung:  Das  Söldnerwesen  in  den  ersten  Zeiten  des 
drcissigjührigen  Krieges  nuch  handschriftlichen    Quellen   des   kon.   süchs. 


102  Schul- und  Universitätsnachrichten, 

Haupt- Staats- Archive*  [62  S.  gr.  8.],  herausgegeben,  und  darin  den 
Zustand  und  die  Beschaffenheit  der  Söldnerheere  in  jener  Zeit,  d.h. 
ihre  Bestandtheile,  Anwerbung,  Musterung,  Eintheilung  in  Compa- 
gnien  ,  Fähnlein,  Regimenter  und  Armaden ,  Officiere,  Verpflegung, 
Besoldung,  die  Quellen  des  Soldes,  Soldnoth,  Süldnerleben  und 
Kriegszucht,  und  ihre  Entlassung  nach  Beendigung  des  Krieges  aus- 
führlieh beschrieben.  Da  der  Verf.  Gelegenheit  hatte,  das  für  die 
Geschichte  des  dreissigj ährigen  Krieges  überaus  reiche  sächsische 
Staatsarchiv  zu  benutzen  und  er  dessen  Quellen  mit  ausgezeichneter 
Sorgfalt  und  Genauigkeit  ausgebeutet  hat;  so  giebt  dies  seiner  Arbeit 
den  hohen  materiellen  Werth,  dass  die  gewonnenen  Resultate  insge- 
sunimt  auf  neue  und  unbenutzte  historische  Grundlagen  gebaut  und 
durch  die  zuverlässigsten  Dncumente  belegt  sind.  Aber  er  hat  auch 
das  gefundene  Material  so  geschickt  zusammenzuordnen  und  so  ein- 
sichtsvoll zu  combiniren  gewusst,  dass  auch  hinsichtlich  der  Erörte- 
rungsfurm  die  Schrift  eine  vorzügliche  genannt  werden  muss.  Sie 
steht  übrigens  in  genauer  Verbindung  mit  der  von  demselben  Verf. 
herausgegebenen  Schrift :  Kurfürst  Johann  Georg  der  Erste,  seine  Fa- 
milie und  sein  Hof  y  nach  handschriftlichen  Quellen  des  kün.  sächs. 
Haupt  -  Staats  -  Archivs  dargestellt  [Dresden,  Gerb.  Fleischer.  1838.  8. 
1  R Lhlr.  12  Gr.]  ,  und  beide  sind  auch  äusserlich  durch  den  Gesammt- 
titel:  Forschungen  auf  dem  Gebiete  der  neuern  Geschichte ,  mit  einander 
vereinigt.  Ihre  speciellere  Würdigung  gehört  nicht  in  den  Be- 
reich unserer  Zeitschrift;  wohl  aber  wollen  wir  dieselbon  allen  Freun- 
den der  vaterländischen  Geschichte  zur  weitern  Beachtung  ganz  beson- 
ders empfohlen  haben.  Der  dem  Programme  angehängte  Jahresbe- 
sieht  [88  S.  gr.  8.]  enthält  ausser,  den  gewöhnlichen  Mittheilungen 
über  Verfassung  und  Zustand  der  Schulanstalt  noch  auf  54  S.  die  sehr 
ausführlichen  Gesetze,  Haus  -  und  Tagesordnung  für  die  Zöglinge  des 
J'itzthum-Blochmannischen  Gymnasial-Erziehungshauses.  Das  Programm 
vom  Jahre  1839  enthält  vor  den  Nachrichten  über  die  Anstalt  während 
des  fünfzehnten  Jahres  ihres  Bestehens :  Observationes  Livianae.  Scri- 
psit  Herrn.  JFimmer ,  Dr.  philos.  Socictatis  Graecae  Sodalis  [VIII  u.  100 
(33)  S.  gr.  8.]  Es  sind  kritische  Bemerkungen  zu  27  Stellen  aus  dem 
ersten  und  zweiten  Buch  des  Livius,  in  denen  der  Verf.  die  Lesarten  der 
bessern  Handschr.  gegen  die  von  den  Herausgebern  gemachten  Aende- 
rungen  mit  vieler  Umsicht  und  tüchtiger  Sprachkenntniss  vertheidigt, 
und  in  den  meisten  Fällen  das  Richtige  getroffen  zu  haben  scheint. 
So  nimmt  er  I.  1.  1.  die  Dativen  Aeneae  Antenorique  gegen  die  ge- 
wöhnliche Lesart  Aenea  Anlenoreque  in  Schutz  und  will  sie  als  Dativus 
commodi  mit  abstinuisse ,  welches  auch  bei  Tcrent.  Heaut.  II.  3.  132. 
ohne  Ablativ  der  Person  stehe,  verbunden  wissen,  beweist  aber  die 
sprachliche  Richtigkeit  nicht  zulänglich;  weshalb  es  immer  sicherer 
bleibt,  den  von  den  bessern  Handschriften  geschützten  Dativ  mit  Stroth 
für  eine  Anakoluthie  zu  erklären.  In  den  Worten  §  2.  in  quem  primo 
egressi  sunt  locum  ist  primo  richtig  vertheidigt  und  durch  initio,  anfänglich 
erklärt,  und  in  §  5.  geschrieben:  Troja  et  huic  loco  nomen  est,  weil  der 


D  cf  oi der  iingeu   und  Ehrenbezeigungen.  103 

Dativ  Trojae  hier  für  das  zu  Anfange  des  Satzes  gestellte  Wort  zu  schwach 
sei,  dagegen  der  Nomin,  nach  HofTinanns  Bemerkung  in  unsern  Jbb.  1828, 
"VII.  S.  13.  eine  grössere  Bedeutsamkeit  des  Wortes  angebe.  Vielmehr  wird 
dcrlNomin.  Troja  darum  vorzuziehen  sein,  weil  die  für  den  Dativ  nöthige 
Attraction  nicht  anders  stattfinden  zu  können  scheint,  als  dass  der  eigentli- 
che Dativ  des  Satzes  vor  dem  attrahirten  steht.  So  riebtig  also  tut  loco 
Trojae  nomen  est  sein  würde,  so  eebr  scheint  Trojae  et  huic  loco  nomen 
est  gegen  den  Sprachgebrauch  der  Römer  zu  sein.  Ueberhaupt  be- 
steht die  Bedeutsamkeit  des  Nominativs  in  diesen  Formeln  est  mihi 
nomen  etc.  wohl  nur  darin,  dass  in  dem  Worte  oder  Satze  etwas  ent- 
halten sei,  wodurch  eben  die  Nominativform  des  Wortes  zu  etwas 
Wesentlichem  wird  und  eben  als  solche  Wichtigkeit  erhalt.  In  gegen- 
wärtiger Stelle  besteht  nun  diese  Bedeutsamkeit  des  Nominativs, 
welche  durch  die  Voraustcllung  des  Wortes  sieh  kund  giebt ,  darin, 
dass  die  Worte  mit  den  vorangehenden  Troja  vocatur  Conformität  er- 
halten sollen.  Cap.  3-  §  9.  wird  die  Wortstellung  qui  nunc  est  pars 
Romanae  urbis ,  welche  dem  bedeutungslosen  est  einen  zu  gewichtigen 
Platz  anweist,  verworfen  und  entweder  mit  Cod.  Harlej  gut  nunc  pars 
R.  urbis  est  oder  noch  besser  mit  Cod.  Voss,  qui  nunc  pars  est  Rom. 
urbis  zu  lesen  vorgeschlagen;  Cap.  4.  0.  die  handscbriftl.  Lesart  uaori 
educandos  datos  hergestellt;  Cap.  5.  -.  das  Handschriftliche  qui... 
tenucrit  loco  gebilligt,  nur  aber  grammatisch  nicht  genügend  ge- 
rechtfertigt; Cap.  9.  5.  ac  plerisque  roga7itibus  dimissi  gut  verlbeidigt 
und  erklärt;  Cap.  13.  4.  der  Plural  movent  res  ebenso  wie  II.  44.  extr. 
hae  spes  E.  armaverant  mit  Verweisung  auf  Drakenb.  zu  IV.  36.  2.  vor- 
gezogen ;  Cap.  14.  5.  die  Copula  et  vor  den  Worten  consilio  eliani  unius 
hominis  etc.  mit  Verweisung  auf  Ruhnken  z.  Vcllej.  I.  17. ,  llands  Tur- 
6cllin.  II.  p.  521.  u.  A.  (wegen  et  —  etiam)  wieder  hergestellt.  Es  er- 
giebt  sich  aus  diesen  Stellen,  denen  auch  die  Behandlungsweise  der 
übrigen  gleich  ist ,  dass  der  Verf.  überall  darauf  bedacht  geM  esen  ist, 
den  Text  des  Livius  auf  die  diplomatische  Grundlage  der  guten  Hand- 
schriften zurückzuführen  ,  wobei  er  den  Codex  Harlejanus  für  den  be- 
sten erklärt,  nächstdem  den  ersten  Leidner  und  den  Florentiner  folgen 
lässt,  und  endlich  auch  den  ersten  Vossischen  und  zweiten  Leidner 
noch  für  beachtenswerth  hält.  Bemcrkcnswerth  aber  werden  seine  Er- 
örterungen noch  deshalb,  weil  er  es  auch  versteht,  die  aus  jenen 
Handschriften  vorgezogenen  Lesarten  gut  zu  rechtfertigen  und  ihre  An- 
gemessenheit darzuthun.  —  Die  Lehranstalt  war  am  Schluss  des  Schul- 
jahres (im  September)  1838  von  111,  am  Schluss  des  Schuljahres  1839 
von  120  Schulern  besucht,  von  denen  14  dem  \  itzthumischen  Ge- 
schlcchtsgymnasium  und  100  der  Bloehmannschcn  Erziehungsanstalt 
angehörten  und  welche  von  14  ordentlichen  und  10  ausserordentlichen 
Lehrern  unterrichtet  wurden.  Zur  Universität  wurden  im  ersten  Schul- 
jahr 1 ,  im  zweiten  4  Schüler  [0  mit  dem  ersten  und  5  mit  dem  zwei- 
ten Z-ugniss  der  Reife]  entlassen ,  und  2  sollten  noch  zu  Michaelis 
dieses  Jahres  die  Abiturientenprüfung  besteben.  Die  Zöglinge  sind  in 
4  Gymnasial-,  3  Real-   und  zwei  Progyniiiasialclasscn  vvrtheilt,  und 


104  Schul-   und  Uni  vor  a!  tiits  nach  rieh  ten  , 

die  Realschüler  im  Unterrichte  durchaus  von  den  Gymnasialschülern 
getrennt ,  obschon  sie  im  Progymnasiuni  mit  ihnen  vereinigt  sind  und 
auch  fortwährend  Unterricht  in  der  lateinischen  Sprache  erhalten.  Die 
Anstalt  hat  übrigens  die  Erfahrung  gemacht,  dass  die  Realbildung  der- 
jenigen Zöglinge  besser  gedeiht,  welche  nicht  sofort  aus  den  Progym- 
nasialclassen  in  die  Realclassen  übertreten,  sondern  erst  noch  den  Cur- 
siis  der  vierten  und  selbst  der  dritten  Gymnasinlclasse  durchmachen. 
Die  ganze  Einrichtung  und  Verfassung  der  Anstalt  hat  der  Director  Dr. 
JHochmann  in  den  Jahresberichten  sehr  ausführlieh  beschrieben  und  sich 
namentlich  auch  über  Zweck ,  Ziel  und  Einrichtung  des  Unterrichts  in 
den  drei  Abstufungen  derselben  so  verständig  und  treffend  ausgespro- 
chen ,  dass  wir  diese  Bemerkungen  noch  ganz  besonders  zur  Beachtung 
empfehlen.  Obgleich  nämlich  die  mitgetheilten  Ansichten  nur  solche 
sind  ,  welche  die  Pädagogik  als  die  richtigsten  und  angemessensten  er- 
kannt hat,  und  sie  darum  für  den  einsichtsvollen  Gymnasiallehrer  nicht 
gerade  etwas  Neues  bringen;  so  geben  sie  doch  für  die  Anstalt  selbst 
das  Zeugniss,  dass  sie  sich  ihrer  Bestimmung  klar  bewusst  ist,  und 
sind  durch  ihre  einfache  und  verständliche  Darstellungsweise  ein  recht 
zweckmässiges  Mittel  ,  das  grosse  Publicum  über  die  rechte  Stellung 
der  Gymnasien  und  höheren  Realschulen  aufzuklären  und  den  irrigen 
Meinungen  entgegenzutreten,  welche  man  so  oft  von  diesen  Schulen 
hegt.  - —  Von  der  königl.  Bibliothek  ist  der  bisherige  erste  Secrctair 
Dr.  K.  Konstant.  Kraukling  zum  Director  des  historischen  Museums  be- 
fördert, und  dagegen  der  bisherige  zweite  Inspcctor  des  Naturalienca- 
binets  Dr.  Friedr.  Ludw.  Aug.  Thienemann  als  zweiter  Bibliothekar  an 
derselben  angestellt  worden.  [J.] 

Erfurt.      Das  Programm   des   dasigen    kön.  Gymnasiums  vom  J. 

1838  [24  S.  4.]  enthält  ausser  den  von  dem  Director  Dr.  Fr.  Strass 
mitgetheilten  Schulnachrichten  auf  8  Seiten  eine  Dissertatio  critica  de 
loco  Aristotelico  in  tpv6LKJ\q  'AaQoäoeag  libro  III.  cap.  1.  auetore  TA.  C. 
Schmidt,  worin  unter  Anderem  auch  die  Unzweckmässigkeit  und  Un- 
möglichkeit, philosophische  Schriften  der  Griechen  ins  Lateinische  zu 
übersetzen  ,  dargethan  werden  soll. 

Gleiwitz.     Das  an  dem  dasigen  Gymnasium  zu  der   im  August 

1839  gehaltenen  Prüfung  und  Schulfeierlichkeit  erschienene  Jahrespro- 
gramra  enthält  als  wissenschaftliche  Abhandlung  die  zweite  Forlsez- 
zung  der  in  dem  Programm  des  Jahres  1829  begonnenen  Tabellarischen 
lieber  sieht  der  deutschen  Literaturgeschichte  zusammengestellt  nach  J  Or- 
dens,  Fr.  Schlegel,  Wachler,  Kunisch,  Heinsius,  Herzog,  Pischon, 
W.  Menzel,  Wolff  u.  m.  A.  von  dem  Oberlehrer  M.  Böbel.  Als  Leit- 
faden beim  Unterrichte.  [51  (31)  S.  4.]  Es  sind  chronologische  Tabel- 
len der  in  sieben  Zeiträume  zertheilten  deutschen  schönen  Literaturge- 
schichte ,  von  denen  die  gegenwärtige  zweite  Fortsetzung  die  Zeit  von 
Hiiller  bis  Lessing  oder  die  zweite  Abtheilung  des  sechsten  und  die 
erste  des  siebenten  Zeitraums  umfasst.  Jedem  einzelnen  Zeitraum  ist 
eine  kurze  allgemeine  Uebersicht  vorausgeschickt,  die  Schriftsteller 
sind  unzweckmässig  in  Dichter  und  Prosaiker  auf  getrennte  Tabellen 


Beförderungen  und  Ehrenbezeigungen.  105 

vertheilt,  und  ausser  Namen ,  Geburt6- und  Sterbejahr,  bürgerlichem 
Charakter  und  Schriften  der  Verfasser  sind  in  besondern  Bemerkungen 
noch  allerlei  andere  biographische,  literarhistorische  und  kritisch  - 
ästhetische  Notizen  mitgethcilt.  Die  letzteren  haben  aber  freilich  mehr 
den  Anstrich  des  Zufällig-Zusammengclescnen  ,  nls  den  einer  bestimm- 
ten Absicht  und  Consequenz  in  der  Auswahl.  Die  Schriften  der  Prosaiker 
sind  alle  unter  eine  einzige  Rubrik  zusammengestellt,  die  der  Dichter 
aber  in  lyrische,  epische  ,  didaktische,  dramatische  und  ergänzende  (?) 
Dichtungen  und  in  Prosa -Schriften  vertheilt.  Die  Bibliographie  ist 
ausgelassen  und  die  kritisch-ästhetischen  Urtheile  zerschweben  meist  in 
zu- allgemeingehaltene  Betrachtungen  und  Reflexionen,  und  gleichen 
darin  den  Urtheiten  in  Gudens  chronologischen  Tabellen  zur  Geschichte 
der  deutschen  Sprache  und  Nationalliteratur.  —  Das  Gymnasium  war 
am  Schluss  des  Schuljahrs  1839  von  309,  im  Winter  1838  von  340,  im 
Sommer  1839  von  322  Schülern  besucht ,  welche  von  10  Lehrern ,  dem 
Director  Prof.  Dr.  Kabath ,  den  Oberlehrern  Heimbrod  ,  M.  Böbel  und 
Liedlki,  den  Lehrern  JFolff,  Rotter ,  Hott,  Schlnlee  (zugleich  kathol. 
Religionsichrer) ,  dem  evangelischen  Rcligionslehrer  Superintendent 
Jacob  und  dein  Collaborator  Spiller  unterrichtet  wurden.  Für  die 
evangelischen  Schüler  (im  genannten  Schuljahre  zusammen  66)  wird, 
weil  ihnen  wegen  Beschränktheit  des  Raumes  in  der  evangelischen 
Kirche  zugleich  mit  der  Gemeinde  kein  zweckmässiger  Platz  angewie- 
sen werden  kann  ,  von  dem  Superintendent  Jacob  mit  Bewilligung  der 
hohen  Behörde  aller  vier  Wochen  nach  Beendigung  des  gewöhnlichen 
Gottesdienstes  ein  besonderer  Gottesdienst,  den  Bedürfnissen  der  Ju- 
gend angemessen,  gehalten.  [J.J 

Grimma.  Das  zur  Jahresfeier  des  Stiftungsfestes  der  dasigen  Lan- 
desschule ausgegebene  Programm  enthält  folgende  Abhandlung:  M. 
Frid.  Gotthilf  Fritschii ,  Prof.  IV. ,  Commentationis  de  origine  atque  in~ 
dole  progymnasmatum  rhetoricorum  Partie.  I.  [Grimma  1839.  36  S.  und 
XVIII  S.  Jahresbericht,  gr.  4.],  d.  i.  eine  eben  so  gelehrte,  wie  gründ- 
liche literarhistorische  Untersuchung  über  die  Progymnasmata  des 
Hermogenes,  Aphthonius  und  Aclius  Theon.  Der  Verf.  weiset  darin, 
nach  kurzer  Zusammenstellung  der  Data,  welche  von  dem  Leben  die- 
ser drei  Rhetoren  bekannt  sind,  die  einflussreiche  Stellung  nach,  wel- 
che jene  Progymnasmata,  trotz  der  Geringfügigkeit  ihres  Inhalts ,  als 
Compcndien  für  den  rhetorischen  Unterricht  der  Jugend  bis  auf  dio 
neuere  Zeit  herab  eingenommen  haben,  verbreitet  sich  dann  über  die 
Namen  Progymnasmata  und  Gymnasmata,  womit  sie  benannt  worden, 
und  erörtert  sehr  sorgfältig  den  Inhalt  und  Umfang,  sowie  die  Anord- 
nung und  Behandluugsweise  des  in  ihnen  enthaltenen  Stoffes  sowie  des 
durch  sie  begründeten  rhetorischen  Systems,  Daran  schlicsst  sich  zu- 
letzt eine  Untersuchung  über  die  Quellen  dieser  Progymnasmata  ,  wel- 
che zugleich  Veranlassung  giebt,  über  die  Abfassungszeit  der  Progym- 
nasmata des  Theon  und  Hermogcncs  und  ihr  Verhält niss  zu  einander 
weitere  Erörterungen  anzustellen.  Beiläufige  Andeutungen  weisen  auch 
darauf  hin ,  welchen  Werth  und  Nutzen  das  Studium  der  römischen 
Rhetorik  zur  Kaiserzeit  für  uns  haben  könne;  indes»  hat  sich  der  Verf. 


106  Schul-    und  Universitätsnachrichten, 

für  eine  zweite  Abhandlung  noch  die  Schlusserörtcrung  aufbewahrt,  ut 
clementoruni  rhetoricorum  doctrina  veteribus  usurpata,  ad  quam  cum 
uiaxiine  virorura  ductoruin  curia  aditus  patefactus  est,  exacto  judicio 
exploretur  atque  nostri  et  antiqui  temporis  coroparatione  iustituta  de- 
monstretur,  quid  inde  in  disciplinam  puerilem  rcvocandum ,  aut  quid 
mutandura  aut  prorsus  abrogandura  sit.  Zur  Beantwortung  dieser 
Frage  verhält  sich  nun  die  gegenwärtige  Abhandlung  als  allgemeine 
Einleitung,  und  giebt  eine  generelle  Charakteristik  der  genannten  Pro- 
gyninasniata,  welche  bei  Allen,  die  sich  mit  dem  Studium  derselben 
beschäftigen ,  ein  mehrseitiges  Interesse  erregen  wird ,  und  besonders 
durch  die  Selbstständigkeit  und  Genauigkeit  der  Forschung  sich  em- 
pfiehlt. —  Die  Schule  war  im  Sommer  1839  von  113  Schülern  besucht, 
und  hatte  zu  Michaelis  1838  und  Ostern  1839  zusammen  16  Schüler,  5 
mit  dem  ersten,  8  mit  dem  zweiten  und  3  mit  dem  dritten  Zeugniss  der 
lleifc,  zur  Universität  entlassen.  In  dem  Jahresbericht  sind  besonders 
die  S.  IV — IX  gegebenen  Mitteilungen  über  die  Lehrverfassung  der 
Landesschule  beachtenswert!!,  weil  sie  die  Resultate  einer  Confercnz 
enthalten,  welche  das  königl.  Cultus- Ministerium  im  Mai  1838  mit 
den  Rectoren  der  beiden  Landcsschulen  zu  dem  Zwecke  gehalten  hat, 
um  die  auf  den  Fürstenschulen  heimische  Studienordnung  mit  den  ver- 
änderten Zeitumständen  und  den  Anforderungen  der  Gegenwart  in  mög- 
lichsten Einklang  zu  bringen.  Es  ist  bei  dieser  Coni'erenz  festgesetzt 
worden,  dass  für  den  Unterricht  (ungerechnet  den  Unterricht  im  He- 
bräischen und  in  technischen  Gegenständen)  in  den  beiden  oberen  Clas- 
sen  wöchentlich  27  —  29  Lehrstunden,  in  den  beiden  unteren  Classen 
30  Lehrstunden  gehalten  werden,  von  denen  dem  lateinischen  Unter- 
richte in  Prima  und  Secunda  8  —  9,  in  Tertia  und  Quarta  10,  dem 
Griechischen  G,  den  übrigen  Gegenständen  14,  und  zwar  je  2  der  deut- 
schen Sprache,  der  französischen  Sprache,  der  Religion  und  der  Ge- 
schichte, 3  —  4  der  Mathematik,  2  der  Physik  in  Prima  und  Secunda, 
2  der  Geographie  in  Tertia  und  Quarta,  und  2  der  philosophischen 
Propädeutik  in  Prima  zufallen.  Von  den  lateinischen  Stunden  sollen 
je  3  der  Erklärung  eines  Prosaikers,  3  der  Erklärung  eines  Dichters, 
und  dem  stilistischen  und  grammatischen  Unterrichte  in  den  oberen  Clas- 
sen 2 — -3  (mit  Einsehluss  der  Disputirübungen)  ,  in  den  untern  4  zuge- 
wiesen werden;  im  Griechischen  aber  in  3  (in  Tertia  und  Quarta  in  2) 
wöchentlichen  Stunden  ein  Prosaiker,  in  2  Stunden  ein  Dichter  erklärt, 
und  1  —  2  Stunden  auf  Grammatik  und  schriftliche  Uebungen  verwen- 
det werden.  Die  zu  erklärenden  Schriftsteller  sind  für  Prima  Cicoros 
rhetorische  und  philosophische  Schriften  nach  passender  Auswahl,  des- 
sen gerichtliche  Reden  und  schwerere  Briefe,  auserlesene  Stellen  des 
Tacitus,  das  10.  Buch  des  QuintHian,  Horaz  ,  auserlesene  Satiren  des 
Juvenal,  Virgils  Georgica  und  ausgewählte  Stücke  des  Flautus,  leich- 
tere Dialogen  des  Plato,  auserlesene  Reden  des  Deinosthenes,  ausgewählte 
Stellen  des  Thucydides,  Sophooles  und  Euripidcs;  für  Secunda  Ciceros 
politische  Redon  und  Epistolae  ad  diversos  ,  Sallustius  ,  Livius  ,  Sueto- 
tiios,  auserwählte  Briefe  des  Plinius,  Virgils  Eclogen  und  Aeneis, 
Ovidii  Libri  Fastorum ,   ausgewählte  Stücke   aus  Tercnz   und  Elegiccn 


Beförderungen  und  Ehrenbezeigungen.  107 

nus  Tibull  und  Proporz,  Herodot,  einzelne  Lebensbeschreibungen  aus 
Pliiturcb,  Xenophons  Symposium,  Homers  Ilias  ,  Theokrit  mit  Aus- 
wahl; für  Tertia  Ciceros  Lälius,  dito,  leichtere  Briefe  und  Reden, 
Julius  Cäsar,  Ovids  Metamorphosen .  eine  passende  poetische  Antholo- 
gie, Xenophons  Anabasis  und  Cyropädie,  ausgewählte  Dialogen  des 
Lucian,  Homers  Odyssee,  eine  griech.  Anthologie;  für  Quarta  Corne- 
lius Nepos,  Justinus,  Phädrus,  Ovids  Tristien  oder  Briefe  aus  Pontus, 
eine  latein.  histor.  Chrestomathie  und  poet.  Anthologie,  eine  griechische 
Chrestomathie  und  Anthologie,  die  Götter-  und  Todtengespräche  des 
Lucian,  Schriftsteller,  welche  nicht  öffentlich  erklärt  werden ,  sollen 
unter  Leitung  der  betreffenden  Classenlehrer  ebenso,  wie  gute  Handbücher 
der  Antiquitäten,  Mythologie,  Literatur  etc.  privatim  gelesen  werden.  Der 
Unterricht  in  der  lateinischen  Sprache  soll,  soweit  nur  immer  thunlich, 
von  dem  eigentlichen  Classenlehrer  (Ordinarius)  und  dem  in  solcher 
Beziehung  als  Nebenlehrer  zu  betrachtenden  Ordinarius  der  nächstfol- 
genden Classe  ertheilt  werden.  Damit  die  Zöglinge  tiefer  in  den  Geist 
eines  Werkes  eingeführt  werden  und  eine  klare  Anschauung  von  dessen 
Gesamratinhalte  erhalten,  so  soll  gestattet  sein,  dass  die  Lehrer  wäh- 
rend eines  Semesters  nur  drei  Autoren  (zwei  lateinische  und  einen 
griechischen)  öffentlich  erklären  und  den  vierten  unter  gehöriger  Auf- 
sicht des  Classenlehrers  privatim  lesen  lassen  ,  oder  dass  sie  den 
Dichter  und  Prosaiker  nicht  neben  einander,  sondern  hinter  einander 
lesen.  Der  Unterricht  in  der  deutschen  Sprache  soll  in  den  untern 
Classen  theils  der  Grammatik  theils  dem  Durchgehen  der  schriftlichen 
Arbeiten  gewidmet,  in  den  obern  Classen  mit  den  nöthigen  praktischen 
Uebungen  der  Vortrag  der  Rhetorik  und  einer  kurzgefassten  deutschen 
Literaturgeschichte  verbunden  sein.  Französisch  wird  nur  in  drei 
Classen  gelehrt,  aber  die  dritte  Classe  ist  in  zwei  gesonderte  Abthei- 
lungen zertrennt,  und  es  nehmen  an  diesem  Unterricht  auch  diejenigen 
Quartaner  Theil ,  welche  schon  einige  Kenntnisse  in  dieser  Sprache 
mit  auf  die  Schule  gebracht  haben.  Für  den  Religionsunterricht  findet 
ein  besonderes  Lesen  des  N.  T.  in  der  Ursprache  nicht  statt,  wohl  aber 
werden  beim  Vortrage  die  wesentlichen  Dicta  probantia  im  Grund  texte 
nachgeschlagen  und  daraus  erklärt.  Die  früher  eingeführte  Bestim- 
mung der  sogenannten  Studirtage,  nach  welcher  auf  je  zwei  Wochen 
Lectionen,  die  durch  kein  Fest  unterbrochen  worden  waren,  den 
Schülern  ein  ganzer  Tag  zu  Privatstudien  bewilligt  wurde ,  ist  dahin 
abgeändert,  dass  den  Schülern  in  den  beiden  obern  Classen  lediglich 
zum  Selbststudium  in  den  altclassischen  Sprachen  allmonatlich  zwei 
Tage  hintereinander ,  den  Schülern  der  untern  Classen  aber  nur  ein 
Tag  von  den  öffentlichen  Lectionen  frei  überlassen  werden  soll.  [J.] 
Heiligekstadt.  In  dem  Programm  des  dasigen  Gymnasiums  vom 
J.  1838  hat  der  Director  Martin  Rinke  vor  den  Schulnachrichtcn  auf  10 
Seiten  eine  Abhandlung  unter  dem  Titel:  Die  Zeitwörter  der  lateinischen 
dritten  Conjugation  in  ihren  Verfcctformcn,  d.h.  eine  nach  den  Perfect- 
formen  versuchte  Classification  derselben,  sammt  einem  S.  11  —  26 
folgenden  alphabetischen  Verzeichnis  säinmtlicher  Vcrba  der  dritten 
Conjugation  herausgegeben. 


108  Schul- und  Universitätsnachrichten} 

fuiEUZNAcn.  Die  zu  den  öffentlichen  Prüfungen  und  Redeübun- 
gen der  Zöglinge  des  Gymnasiums  im  September  dieses  Jahres  ausge- 
gebene Einladungsschrift  [Kreuznach  gedr.  b.  Kehr.  183!).  29(15)  S.  4.J 
enthält  vor  den  Schulnachrichten  Mcletematum  Arisloteliorum  speeimen 
primum  scripsit  Dr.  Henr.  Knebel,  superior.  ordinum  in  gymn.  praece- 
ptor,  welches  wieder  den  Specialtitel  führt:  De  liitteri,  V.  C,  censura 
Poeticae  Aristotelicae  brevis  disputatio.  So  hoch  nämlich  auch  der 
Verf.  Ritters  Verdienste  um  die  Texteskritik  der  Poetik  des  Aristoteles 
anschlägt,  so  meint  er  doch  in  mehreren  Dingen  von  demselben  ab- 
weichen zu  müssen ,  und  bestreitet  in  der  gegenwärtigen  Abhandlung 
geschickt  und  treffend  die  Ansicht,  dass  diese  Schrift  des  Aristoteles 
eben  so  voller  Lücken  wie  voller  Interpolationen  sei,  indem  er  nach- 
weist, dass  äussere  Gründe  dagegenstreiten ,  und  die  von  Ritter  dafür 
aufgestellten  Beispiele  nichts  beweisen.  Darum  hält  er  vielmehr  an 
der  alten  Ansicht  fest,  dass  wir  in  dieser  Poetik  das  erste  von  den  bei- 
den Aristotelischen  Büchern  de  arte  poctica  entweder  ganz  oder  doch 
zum  grüssten  Theil  in  ziemlich  unverletzter  Gestalt  übrig  haben.  Die 
Erörterung  ist  für  die  richtige  Beurthcilung  des  Buches  wesentlich, 
und  verdient  weitere  Beachtung.  Das  Gymnasiuni  war  im  Summer 
1839  von  142  Schülern  (96  Evangelischen  ,  33  Katholischen  und  13 
Israeliten) ,  im  Winter  vorher  von  122  Schülern  besucht  und  hat  7 
Schüler  zur  Universität  entlassen.  Ueber  die  Veränderungen  im  Leh- 
rcrpersonal  ist  bereits  in  den  NJbb.  XXIV,  433.  berichtet.  Zur  Beförde- 
rung der  wissenschaftlichen  Thätigkeit  der  Schüler  sind  für  die  drei  untern 
Classen  täglich  zwei  Arbeitsstunden  unter  Leitung  der  Schulamtscaudidn- 
ten  Rhein  und  Budde  für  diejenigen  Schüler  eingerichtet,  welche  von  den 
Eltern  zu  Hause  nicht  hinlänglich  beaufsichtigt  werden  können.     [.!.] 

LihiECK.  Die  daselbst  bestehende  und  durch  ihre  ausgedehnte 
Wirksamkeit  hochverdiente  Gesellschaft  zur  Beförderung  gemeinnützi- 
ger Thätigkeit  feierte  am  27.  Januar  1839  das  Jubelfest  ihres  50jähri- 
gen  Bestehens ,  und  eine  bei  dieser  Gelegenheit  herausgegebene  Ge- 
schichte  der  Lübeckischen  Gesellschaft  zur  Beförderung  gemeinnütziger 
Thätigkeit  während  der  ersten  fünfzig  Jahre  ihres  Bestehens  von  dem 
Prediger  Dr.  Ludw.  Heller  in  Travemünde  [Lübeck,  von  Rohdensche 
Buchh.  1839.  VI  u.  208  S.  gr.  8.  16  Gr.]  giebt  über  die  allseitige  Thä- 
tigkeit dieses  Vereins  für  Beförderung  von  Bürgerwohl  und  Volksbil- 
dung reiche  Auskunft,  und  ist  auch  für  die  Schulgeschichte  von  Wich- 
tigkeit, weil  von  dem  Vereine  nach  und  nach  eine  Schwimmschule 
(1798),  eine  Hebammenbildungsanstalt  (1805),  eine  Bibliothek  und 
Kunst-  und  Naturaliensammlung,  ein  Schullehrerseminar  (1807),  eine 
Sonntagsschule  (1795),  eine  Industrieschule  für  dürftige  Mädchen 
(1797),  eine  Kleinkindcrschule  (1834),  eine  Taubstummenschule 
(1828),  eine  Navigationsschule  (1808),  eine  freie  Zeichenschule  für 
angehende  Handwerker  (1794),  eine  Gewerbschule  (1828)  u.  s.  w.  an- 
gelegt worden  ist.  Das  Gymnasium  hat  der  Gesellschaft  zu  dieser 
Jubelfeier  eine  besondere  Gratulationsschrift  gewidmet,  welche  Grund- 
linien zur  Geschichte  Lübecks  von  1143  — 1226  von  dem  Dr.  Ernst 
Dvecke  [Lübeck,  v.  Rohdcn.  1839.  VIII  u   48  S.  gr.  4.  8  Gr.]  enthält. 


Beförderungen  und  Ehrenbezeigungen. 


109 


Mi\iif,\.  An  dem  dasigen  Gymnasium  ist  die  seit  dem  Jahre 
1837  beabsichtigte  Errichtung  von  Realclassen  seit  dem  Juli  1638 
wirklich  und  in  der  Weise  ausgeführt  worden,  dass  mit  Secunda  und 
Tertia  zwei  besondere  Realclassen  parallel  laufen,  deren  Schüler  in 
jeder  Classe  nur  in  9  wöchentlichen  Stunden  mit  der  entsprechenden 
Gymnasialclasse  zusammen  Unterricht  erhalten,  übrigens  besonders  un- 
terrichtet werden.  Der  Lehrplan  der  ganzen  Anstalt  ist  folgender: 
RC'l.  RCI.  Gesammt. 

I.    II.  I.     II.  111.  IIIa.IIIb.IV.  V.  VI. 
Lateinisch        8,    8,  — ,    3,    3,    5,    5,    8,    8,    7  wöchentl. Lehrstund. 
Griechisch        5,     5,  — ,  — ,  — ,    5,     5,  — ,  — ,  — 

Deutsch  3,       3,       ~3^  — ,  — ,    4,    4,    6 

Religion 

Französisch 

Englisch 

Hebräisch 

Philosoph. 

Propädeut. 

Geschichte  u. 
Geographie 

Mathematik 
Rechnen 


Naturkunde 


Dazu  kommen  noch  für  Schüler  verschiedener  Classen  7  Schreib-,  8 
Zeichen  -  und  4  Gesangstunden ,  und  2  Stunden  Englisch  für  einige 
Schüler  aus  I.  und  II. ,  welche  kein  Hebräisch  lernen.  Auch  gymna- 
stische Hebungen  sind  eingeführt,  und  werden  wöchentlich  zweimal  je 
2  Stunden  gehalten.  Bei  den  Realschülern  ward  übrigens  wünschens- 
werth  gefunden,  dass  sie  spätestens  mit  dem  10.  Jahre  in  die  Anstalt 
kommen ,  um  mit  dem  13.  Jahre  für  Untertertia  als  die  untere 
Realclasse  reif  zu  sein ,  und  dass  sie  vor  dem  16.  oder  17.  Jahre  die 
Schule  nicht  verlassen,  weil  früher  eine  gnügende  Vorbereitung  zu 
irgend  einem  Berufe ,  der  mehr  als  elementare  Bildung  fordert,  nicht 
erreicht  werden  könne.  Ob  übrigens  für  die  Gymnasiasten  der  Unter- 
richt im  Lateinischen  nicht  etwas  sehr  knapp  abgemessen  sei,  das  wird 
die  Zeit  lehren.  Die  Schülerzahl  betrug  zu  Anfange  des  vergangenen 
Schuljahres  146,  am  Ende  164,  von  denen  4  der  ersten  und  19  der 
zweiten  Rcalclasse  angehörten.  Zur  Universität  wurden  5  mit 
dem  Zeugniss  der  Reife  entlassen.  Für  den  Unterricht  sind  10  Lehrer 
angestellt,  nämlich   der   Director   Dr.  Siegm.    Imanuel,  der  Professor 


ILO  Schul-  und  Universitätsnachrichten, 

Fr.  Willi.  Burchard,  die  Oberlehrer  Dr.  Wilh.  Aug.  Wirlh  [nament- 
lich für  die  Realclassen  seit  1837  statt  des  nach  Hannover  berufenen 
Lehrers  Lcdebur  angestellt],  Dr.  E.  Chr.  Kapp,  und  Pet.  Casp.  Stein- 
haus, die  Lehrer  Fr.  JVilh.  Erdsiek,  Karl  Fr.  Collmann  [vornehmlich 
als  Lehrer  der  Mathematik  für  die  Realclassen  seit  dem  Juli  1838  an- 
gestellt], Zillmer ,  Jul.  Ueinr.  Ludw.  Buch  >  und  Karl  Alex.  Kämper. 
Das  am  Schluss  des  Schuljahres  von  Ostern  1838  bis  dahin  1830  er- 
schienene Programm  [1839.]  enthält  ausser  13  S.  Schulnachrichten  noch 
8.  3  —  32  eine  Abhandlung  Ueber  die  Berechnung  achromatischer  Dop- 
pelobjcctive  von  dem  Oberlehrer  Steinhaus.  [J.] 

Nassau.  Mit  dein  Wintersemester  1839  sind  höchsten  Ortes  mehr- 
fache Veränderungen  in  dem  Personal  der  Gelehrtenschulen  des  Landes 
verfügt  worden,  wodurch  sich  dasselbe  auf  folgende  Weise  gestaltet 
hat:  1)  Gymnasium  zu  Weilburg.  Director  und  Ober-Schulrath  bei 
der  Landes-Regierung  ,  Theol.  Dr.  Friedemann;  ordentliche  Proff. 
Krcizner ,  Schmitthenner ,  Menke,  Krebs  jun.  ;  ausserord.  Prof.  Bar- 
bieux;  Collab.  Kirschbaum.  2)  Pädagogium  zu  Wiesbaden  :  licet,  u. 
Prof.  Lex,  Prorect.  Rotlwitt,  Conrcctt.  Bellinger  und  Hänle  jun.;  Col- 
laborator  D.  Rössel.  3)  Pädagog.  zu  Hadamar:  Rect.  u.  Prof.  Muth, 
Prorect.  Dr.  Cuntz,  Conrectt.  Schmidtborn  u.  Roth,  Collab.  Metzger. 
4)  Pädagog.  zu  Dillexburg:  Rect.  u.  Prof.  Dresler,  Prorect.  Braun, 
Conr.  Schenk ,  Collab.  Spiess.  Der  Prorect.  Fischer  daselbst  wurde  in 
Ruhestand  versetzt.  —  Von  dem  Gymnasium  erschien  mit  Beginn  des 
Wintersemesters :  Andenken  an  den  Höchstsel.  Herrn  Herrn  Wilhelm, 
souv.  Herzog  zu  Nassau,  gefeiert  am  30.  Aug.  1839,  in  dem  Herzogl. 
Tiandes-Gymnasium  zu  JFeilburg.  [gedruckt  bei  Lanz.  11  S.  gr.  4.]  Der 
Inhalt  besteht  aus  selbstverfertigten  deutschen,  lateinischen,  franzö- 
sisches und  griechischen  Gedichten  der  Gymnasiasten ,  mit  deutschen 
metrischen  Uebersetzungen,  nebst  der  deutschen  Gedächtnissrede  des 
Director§ ,  welche  alle  bei  der  abendlichen  Trauerfeierlichkeit  unter 
abwechselnden  Gesängen  vorgetragen  wurden.  Von  Lehrern  ist 
noch  beigegeben  ein  deutsches  Gedicht  des  Collab.  Spiess  und  ein 
französisches  des  Prof.  Barbieux.  —  Im  verflossenen  Sommer  wurde 
höchsten  Ortes  auch  ein  Probejahr  für  dio  Candidaten  des  höheren 
Schulamtes  verfügt,  welches  sie,  nach  bestandenem  Staatsexamen,  am 
Gymnasium  zubringen  sollen,  um  dort,  zunächst  unter  der  Leitung 
des  Directors,  6ich  theoretisch  und  praktisch  für  das  Amt  weiter  aus- 
zubilden. [E.~\ 

Plauen.  Das  dasige  Gymnasium  war  in  seinen  sechs  Classen  zu 
Ostern  1838  von  68  und  zu  Ostern  1839  von  75  Schülern  besucht,  und 
haue  im  Jahr  1838  zusammen  15,  zu  Ostern  des  zweiten  Jahres  6 
Schüler  zur  Universität  entlassen.  Im  Juli  1838  gab  der  Seminardi- 
rector  Wild,  welcher  den  Religionsunterricht  in  den  vier  obern  Classen 
ertheilte ,  nach  dem  Willen  der  Seminarbehörde  diesen  Lehrgegenstand 
auf  und  trat  ganz  von  dem  Gymnasium  zurück.  Im  August  1838 
wurde  der  dritte  Lehrer  Conrector  Lindemann  in  gleicher  Eigenschaft 
an   das   Gymnasium   in   Zwickau   versetzt,    und   weil   seine  Stelle  aus 


Beförderungen  und  Ehrenbezeigungen.  111 

finanziellen  Gründen  unbesetzt  bleiben  soll,  so  sind  die  seebs  Classen, 
in  denen  im  Sommer  1839  zusammen  82  Schüler  sassen  ,  auf  5  reilu- 
cirt  worden  ,  so  wie  das  Lehrercollcgiiim  gegenwärtig  nur  noch  aus 
dem  Rector  Dölling ,  dein  Prorector  Pfretzschner ,  den  Collegen 
Schädel,  l)r.  Meutzner,  Dr.  Thieme  (Matheniatikus)  und  Vogel  und  3 
Iliilfslehrern  besteht.  Das  zu  Ostern  1839  erschienene  Jahresprogramm 
ist  überschrieben :  Zur  Vermählung  des  Stella  mit  der  Violantilla. 
Zweite  Sylve  des  P.  Papinius  Stalius  übersetzt  von  Joh.  Gottlob  Dölling, 
Rector.  [Reichenbach  gedr.  bei  Schumann.  24  (18)  S.  8.]  und  enthält 
eine  sehr  gelungene  metrische  Uebersetzung  der  genannten  Silve. 

[J.] 
Wertheim.  Das  im  Jahr  1837  erschienene  Programm  des  dasigen 
Lyceums :  In  welcher  Ausdehnung  sollen  die  ISaturwissenschaften  Gegen- 
stand des  Gymnasialunterrichts  sein?  Beantwortet  von  Dr.  ISeuber.  [3(>  S. 
8.],  enthält,  nach  dem  in  der  Zeitschrift  für  die  Alterthumswissenschaft 
1839  Nr.  96  gegebenen  Berichte,  sehr  glückliche  und  durchdachte 
Ideen  über  diesen  Unterrichtsgegenstand,  welche  aber  ebendaselbst 
nicht  weiter  angeführt  sind. 

Zittau.  Das  Gymnasium  war  zu  Anfang  des  Schuljahrs  von 
Ostern  1837 — 38  von  83,  vor  Ostern-1839  von  6fi  Schülern  in  seinen 
(i  Classen  besucht,  und  hatte  im  ersten  Schuljahre  9,  im  zweiten  7 
Schüler  (4  mit  dem  ersten,  6  mit  dem  zweiten  und  6  mit  dem  dritten 
Zcogniss  der  Reife)  zur  Universität  entlassen.  Im  Schuljahr  1837 
wurde  unter  mehreren  Abiturienten  nur  einem  das  Zeugniss  der  Reife 
crtheilt,  und  das  kön.  Ministerium  des  Cultus  bezeigte  unter  dem  1. 
März  1837  der  Prüfungs-Commission  seine  besondere  Zufriedenheit 
wegen  des  Ernstes  und  der  Strenge,  mit  welchem  sie  diejenigen  Schü- 
ler, denen  das  Zeugniss  versagt  werden  musste,  beurtheilt  und  somit 
ein  Verfahren  beobachtet  hatte,  welches  bei  unausgesetzter  Befolgung 
zum  Wohle  der  Schüler  und  zum  Ruhme  der  Anstalt  gereichen  werde. 
Auch  war  die  Folge  davon,  dass  die  Abiturientenprüfnng  des  Jahres 
1838  ein  sehr  günstiges  Resultat  gewährte,  indem  von  9  Abiturienten 
4  mit  dem  ersten  und  4  mit  dem  zweiten  Zeugniss  der  Reife  entlassen 
werden  konnten.  Das  Lehrercollegium  des  Gymnasiums  besteht  aus 
dem  Director  Friedr.  Lindemann  ,  dem  Conrector  M.  Ferd.  Heinr.  Lach- 
mann, dem  Subrector  Dr.  theol.  L.  J.  Rückert ,  den  Collegen  Lange 
und  Heinr.  Mor.  Rückert,  dem  Cantor,  dem  Adjunct.  Willkomm  und 
dem  Zeichenlehrer  Müller.  In  dem  Jahresprogramm  des  Gymnasiums 
zu  Ostern  1839  steht  von  dem  Director  Lindemann  als  wissenschaftliche 
Abhandlung  eine  Dissertatio  de  interitu  opernm  artis  statuariae  apud 
Veteres.  Accedit  Archaeographiae  Europaeae  brevis  delineatio  lapide 
erpressa.  Zittau  gedruckt  bei  Seyfert.  54  (42)  S.  gr.  4.  In  der  ver- 
dienstlichen und  gelehrten  Abhandlung  weist  der  Verf.  erst  übersicht- 
lich nach,  welchen  grossen  Reichthum  an  plastischen  Bildwerken  die 
alten  giiechischen ,  kleinnsiatischcn  und  ägyptischen  Städte  besessen 
haben  ,  und  lässt  darauf  eine  geschichtliche  Uchersicht  der  Unglücks- 
fälle und  Zerstörungen  folgen,  welche  durch  Erdbeben  oder  feindlich« 


112  Schul-  u.Universitätsnachrr.,  Befördere  u.  Ehrenbezeigungen. 

Eroberungen  eben  so  den  Städten  wie  den  Kunstwerben  Verderben 
brachten.  Diese  geschichtlichen  Nachrichten  bind  bis  durchs  Mittel- 
alter hindurchgeführt ,  überall  mit  den  nüthigen  Zeugnissen  belegt, 
und  endlich  mit  kurzer  Erwähnung  der  Napoleontischen  und  Elgin- 
srhen  Statuenräubereien  beschlossen.  Die  beigegebene  archäogiaphische 
Karte  ist  eine  Schülerzeichnung  einer  Karte  von  Europa  mit  Angabe 
einer  Anzahl  von  Städten,  in  denen  sich  noch  Alterthümer  finden  oder 
Kunstmuseen  vorhanden  sind.  Sie  ist  zu  unvollständig,  als  dass  sie 
Werth  haben  könnte.  In  den  angehängten  Schulnachrichten  sind  unter 
Anderem  auch  die  ziemlich  zahlreichen  Stipendienstiftungen  und  ande- 
ren Beneficien  aufgezählt ,  welche  das  Gymnasium  in  Zittau  für  seine 
Schüler  besitzt.  Sie  sind  noch  im  Jahr  1838  durch  ein  Legat  von 
2000  Rthlrn.  vermehrt  worden ,  dessen  Zinsenverwendung  dein  Er- 
messen der  Schulcoramission  überlassen  ist.  Im  Jahresprogramm  von 
1838  hat  der  Director  Lindemann  eine  Dissertatio  de  Constantina  oppido 
Africae,  cui  accedunt  imagincs  duae  lapidis  ope  exscriptae  [33  (29)  S. 
gr.  4.]  herausgegeben,  d.  h.  eine  historische,  geographische  und  topo- 
graphische Beschreibung  dieser  Stadt  geliefert,  so  weit  sie  aus  den 
Nachrichten  der  Alten,  der  arabischen  Geographen  und  einiger  neuern 
Reisenden,  bis  auf  Marmol  und  Hozet  herab,  gegeben  werden  konnte. 
Auch  diese  Abhandlung  zeichnet  sich  durch  reiche  und  geschickte  Zu- 
sammenstellung des  Materials  aus  und  ist  durch  zwei  Abbildungen  der 
bei  Constantia  befind  liehen  römischen  Brücke  und  des  Triumphbogens 
verziert.  In  dem  Programm  des  Jahres  1837  hatte  Hr.  Lindemann 
Emcndationes  ad  Sophoclis  Antigonam  ejusdcmquc  fabulae  interpretatio 
teulonica  [45  S.  gr.  8.] ,  und  ausserdem  als  Einladungsschriften  zu 
mehreren  Gedächtnissfeiern  ,  welche  im  Gymnasium  durch  besondere 
Redeacte  begangen  werden ,  nachfolgende  Abhandlungen  herausgege- 
ben: Testimonia  historicorum  Romanorum  de  morte  M.  Tullii  Ciceronis  ex 
M.  Annaei  Senecae  Cord.  Suasoria  VI.  [1837.  12  S.  4.]  ;  Cai  Vellci 
Patcrculi  testimonium  de  morte  M.  Tullii  Ciceronis  Hb.  II.  66.  [1837. 
6.  S.  4 .];  Paucu  de  usu  aquae  frigidae  in  re  medica  apud  Veteres,  ad 
explicandum  locum  Horatii  epist.  I.  15,  2.  sqq.  [1838.  8  S.  4.]  ,  eine  Zu- 
sammenstellung der  Stellen  ,  besonders  des  Galen  und  Celsus ,  wo  der 
Gebrauch  von  kaltem  Wasser  bei  Krankheiten  empfohlen  oder  ange- 
wendet worden  ist.  Der  Conrector  Lachmann  hat  bei  gleichen  Gelegen- 
heiten als  Einladungsschriften  geschrieben :  De  jihilosophia  proprie  et 
y.uz  t^oxfjv  sie  dicenda  paucis  disseritur  [18i»6.  12  S.  gr.  8.],  und  Von 
dem  Eigentümlichen  der  Schulzucht ,  oder  Disciplin  auf  Gelehr tensckulen 
oder  Gymnasien,  zwei  Programme.  [1838.  12  u.  8  S.  8];  und  von  dem 
Subrector  Rückert  sind  erschienen:  Loci  Joh.  V,  21  —  29.  enarratio 
[1837.  12  S.  gr.  8.],  und  Ueber  den  Gebrauch  und  Nichtgebrauch  der 
Partikel  faev  in  den  paulinischen  Rricfen  [1839.  16  S.  8.],  worin  die 
früher  aufgestellte  Behauptung,  dass  Paulus  im  Gebrauch  der  Partikel 
filv  im  Verhältniss  zu  den  nationalgriech.  Schriftstellern  zu  sparsam  sei, 
ausführlich  und  einsichtsvoll  gerechtfertigt  ist.  [J>] 


uu£    oa)    q^    o>^    o^o    o^    c^    oj^    oC^    cmo    o^J    qjo    q>o    q^    cug    o^    o>o    q^    o-O    ^iJ 
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1 

JAHRBÜCHER 

1 

für 

Philologie  und  Paetlagogtk, 

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oder 

W: 

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Kritische  Bibliothek 

s 

i 

für  das 

Ifc 

i 

Schul-  und  Unterrichts wesen. 

In  Verbindung  mit  einem  Vereine  von  Gelehrten 

herausgegeben 
von 

c 

Dr.  Gottfried  Seebode, 

är 

c° 

ML  Johann  Christian  Jahn 

W 

und 

Prof.  Reinhold  IZlot*. 

1 

ZEHNTER    JAHRGANG. 

I 

Achtundzwanzigster  Band.     Erstes  Heft. 

i 

i 

(Ausgegeben  den  25.  Januar  1840.) 

1 

jjgjtä  9(k?  SfKl  9l^  5l(k£  SA?  SAP  SA?  <^°  <äi(hf'  jao  cäg  ^i^  uo  e^o  cao  r*o  uo  ou  t|o   cj 
O     ^o    ^e    ol'o    o"o    ^to    ^a    ^io    ^»    ^b    cvo    ona    o'n   ^o    cvfe  ^Wd    ^Wo  ^P*>  ?Wr>  ^>ö  ^P*> 

vir-    Aufgeschnittene  und  beachmuzte  Exemplare  werden  nicht  zurückgenommen. 


Inhalt 

von  des  achtundzwanzigsten  Bandes  erstem  Hefte. 


|VomProfes-l 

sor  Schmidt > 

in  Stettin.  } 


Franz:  Deutsch -griechisches   Wörterbuch.       .         . 
Jacobitz  und  Seiler:  Handwörterbuch  der  griechischen 

Sprache.         . 

Ramshorn :  Griechisch-deutsches  Handwörterbuch.     . 

Schneidewin :   Delectus  poesis  Graeorum  elegiacae  etc.  —    Vom  Di- 

rector  Dr.  Bach  in  Fulda 

Antiphontis  orationes  XV.  Recognovit  Maetzner. —  Vom  Oberlehrer 

Dr.  Franke  in  Fulda 

Bibliographischer   Bericht,   vom   Oberlehrer   und   Bibliothekar   Dr 

Schaumann  in  Büdingen. 
Schul-  und  Universitätsnachrichten,  Beförderungen  und  Ehrenbezei 

gungen 

Schaffer:  Französ.  Lesebuch.     . 

Curtmann  u.  Lendroy:  Vorschule  des  franz.  Unterrichts 

Stieffelius :  Cours  complet  de  lecture  francaise. 

Weckers:  Lehrbuch  der  franz.  Sprache.     .     . 

Zweites  franz.  Lese-  u.  Uebungsbuch  für  Kinder  von  C, 

Courtin :  Vie  et  aventures  de  Robinson  Crusoe  par  Daniel 

de  Foe 

Manitius:  Choix  de  lectures  francaises.     Cours  I.  et.  II, 
Les  aventures  de  Telemaque  par  F^nölon,  avec  la  tradu 

ction  allemande  en   regard 

Ahn:  Französ.  Lesebuch.     .     . 

L'art  poetique  par  Boileau-Despreaux,  avec  des  6claircis 

sements  par  Genthe 

Riecken:   Anweisung   zum  französ.  Lesen.) 

Genthe:  Die  richtige  französ.  Aussprache.' 

Heyne :  Universalgrammatik  der  franz.  Sprache.» 

Heyne:   Französ.   Grammatik   für  Anfänger,     f 

Bettinger:  Vollständ.  Lehrbuch  der  franz.  Sprache. 

Lange:  Theoretisch-prakt.  franz.  Grammatik. 

Auer:   Theoretisch-prakt.   franz.   Sprachlehre. 

Das  Nothwendigste  aus  der  Formenlehre  der  franz.  Sprache 

Beauval:    Gespräche  für   das  gesellige  Leben. 

7/e :  Der  kleine  Französ.    . 


S. 


Stehr:   Anleitung   zum  Uebersetzen   aus   d.  Deutsch,  ins 

Franz.    2.  Aufl.    von  de  Brey S.  96 

Vaillez :  Praktische  Lieblingen  zur  leichten  und  schnellen 

Erlernung  der  franz,  Sprache -  96 

Frege :  Schulgrammatik  der  franz.  Sprache.    .        .         .  -       96  —  97 
Nouvelle  bibliotheque  de  classiques  frangais.    Paris,  Le- 

cointe  et  Pougin .  -  97 

Neues  franz.    Lesebuch  herausgegeben  von  prakt.  Schul- 
männern. .  • 97 —   98 

Frotscher:   Dritte  und   vierte    Nachricht   vom  Gvmn.  in 

Annaberg .        .        .  -      98 —  99 

Frotscher:  Observatt.  crit.  in    quosdam  locos  Bruti  Cicer.  -  99 
Müller;  Brevis  disputatio    de  memoriae  exercitatione  etc.  -               100 
Löschke:  Vom  Gebrauche  u.  Unterschiede  der  lat.  Par- 
tikeln Nisi  und  Si  non. -               100 

Heidbreede:  Disputatio  de  Senecae  Consolat.  ad  Marciam.  -  101 

Müller :  Das  Söldnerwesen  in  den  ersten  Zeiten  des  dreis- 

sigjährigen  Krieges.  .......     101  — 102 

IVimmer:   Observationes   Livianae -    102 — 103 

Schmidt:  Dissertatio  crit.  de  Aristot.  nsgi  tpv6.  aHQOcio. 

III.  1 -  lOi 

Babel :  Tabellar.  Uebersicht  der deutsch.Literaturgeschichte.  -     104  —  J  05 
Fritschii    Commentatio   de   orig.    et    indole   Progymnas- 

matum  rhetoricorum. 105  — 106 

Hinke :  Die  Zeitwörter  der  latein.  dritten  Conjugation  in 

ihren  Perfectformen -  107 

Knebel:  Meletematum  Aristot.  spec.  I -  108 

Heller:    Geschichte    der  Lübeckischen    Gesellschaft    zur 

Beförderung  gemeinnütziger  Thätigkeit.     .        .        .  -  108 

Deecke:   Grundlinien  zur   Geschichte  Lübecks.        .        .  -  108 

Steinhaus:  Ueber  die   Berechnung  achromat.  Doppelob- 

jeetive       .        .        .        ,        .        ....        .  -  HO 

Andenken  an  den  Höchstseel.  H.  H.  Wilhelm  Herzog  zu 

Nassau "    .        .  -  110 

Dölling:  Zweite   Sylve  des  Statius  übersetzt.         .        .  -  Hl 

Lindemann:  De  interitu  operum  artis  stat.  apud  veteres.  -    111  — 112 

Lindemann :   Dissertatio    de  Constantina  oppido  Africae.  -  112 

Lindemann  ;  Emendationes  ad  Sophoclis  Antigonam.         .  -  112 

Zittauer  Schulprogramme -  112 


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fc?    1<b?    ^ik?    9k^ 


o^Pb  tfVS  0W0  <3V5  0V6  äV6  0V6  0V6  ö^ 


Leipzig. 

Druck   und  Verlag   von   B.    G.   Teubner. 


1S40. 


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JÄHRBÜCHER 

für 

Philologie  und  Pacdagogik , 

oder 

Kritische  MiMiothele 

für  das 

Scliul-  und  Unterrichts wesen. 


In  Verbindung  mit  einem  Vereine  von  Gelehrten 

herausgegeben 

von 

»r.  Gottfried  Seehode, 

ME.  Johann  Christian  Jahn 

und 

Prof.  Meinhoia  Mlotx. 


ZEHNTER    JAHRGANG. 

Acht   und   zwanzigster    Band.      Zweites  Heft 


Leipzig, 

Druck  und  Verlag  von  B.  G.  Teubner* 


1840. 


Kritische  Beurtheilungen. 


1.  Lateinische  S chttl gr ammatik   für   die  unteren  Klassen 

von  J.  R.  Köne ,  Dr.  der  Phil,  und  Lehrer  am  Gymn.  zu  Münster. 
Münster  1834.  8. 

2.  Lateinische  Sc  hui  gr  ammatik.    Von  L.  Bis  hoff,  Prof. 

und  Gyronasialdirector.  Wesel,  Becker'sche  Buchhandlung-,  1838, 
VIII  u.  368  S.  gr.  8. 

3.  Lateinische  S  chulgr  ammatik    für  die   untern  Gymna- 

sialklassen. Nebst  Uebungsbeispielen  zum  Uehersetzen  ins  Latei- 
nische und  einem  Lesebuche.  Von  F.  W.  Burchard,  Professor  am 
Gymnasium  zu  Minden.  4.  Aufl.  Berlin,  Schultze.  1838.  VIII  und 
415  S.  gr.  8. 

4.  Vorschule  zu  dem  lateinischen  Sprachunter- 
richt für  die  ersten  Anfänger  v.  etc.  Bagge.  Dritte  verb.  Aufl, 
von  Dr.  Ed.  Geist ,  Gymnasiallehrer  zu  Darmstadt.  Coburg,  Mensel 
und  Sohn.  1837.  XVI  u.  136  S.  gr.  8. 

5.  Theoretisch  ~  praktische  Vorschule  zu  einer 
wissenschaftlichen  Auffassung  der  lateini- 
schen Sprache.  Ein  Elementarbuch  nach  strenger  Stufen- 
folge von  Chr.  Fr.  M.  Ludwig.  2.  Cursus.  Leipzig  und  Kassel, 
Fischer.  183T.  8. 

6.  Praktische  Anleitung  zum  Uehersetzen  aus 
dem  D  eutschen  ins  Lateinische  mit  besonderer 
Rücksicht  auf  die  Zunapt'sche  Grammatik  für  die  mittleren  Klassen 
höherer  Lehranstalten  bearbeitet  von  Dr.  E.  F.  August,  Prof.  und 
Dhcctor  etc.  4.  Aufl.  Berlin.  1836.  8. 

Uurch  die  den  Gymnasien  gemachten  Vorwürfe,  dass  sie  Geist 
und  Körper  verkrüppelten,  muss  der  Blick  eines  jeden  Lehrers, 
der  sich  durch  solche  Aufregungen  zum  Nachdenken  anregen 
lässt,  auch  besonders  auf  die  Schulbücher  und  deren  Zweckmäs- 
sigkeit hingelenkt  werden.    So  sind  Schulgrammatiken  unsers  Er- 

8* 


X IG  Lateinische  Sprachlehre. 

achtens  der  Schule  schädlich  oder  doch  minder  nützlich ,  wenn  sie 
a)  grammatisch  Unrichtiges  oder  dem  Sinne  nach  Leeres  und  Un- 
verständliches mittheilen;  wenn  sie  b)  für  die  beabsichtigte  Stufe 
au  viel  oder  zu  wenig  lehren  ,  und  wenn  c)  die  Methode  der  Mit- 
theilung oder  Einübung  verfehlt  ist.  Man  sieht,  dass  die  ersten 
beiden  Punkte  den  Stoff,  der  dritte  die  Form  betrifft,  und  nach 
diesen  drei  Rücksichten  wollen  wir  denn  über  die  oben  aufgeführ- 
ten Bücher  unser  Urtheil  unparteiisch  abgeben,  wobei  wir  im 
voraus  erklären,  dass  uns  kein  Fleckchen  in  einem  Schulbuche 
unbedeutend  scheint  und  zwar  um  desto  weniger,  wenn  es  für  die 
unteren  Stufen  ist.  Wenn  wir  aber  bei  lateinischen  Schulbüchern 
von  Unrichtigem  sprechen ,  so  haben  wir  offenbar  unklassische 
Latinität  im  Auge,  über  deren  Begriff  wir  auf  Krebs'  Antibarh. 
S.  9.  verweisen.  Und  hier  freuen  wir  uns,  der  unter  1.  aufge- 
führten Grammatik,  die  nach  unserer  Meinung  längst  sorgfälti- 
gere Anerkennung  verdient  hätte,  wenig  Vorwürfe  machen  zu 
können.  Der  Hr.  Verfasser  bekennt  in  der  Vorrede,  dass  man 
den  poetischen  Sprachgebrauch  mit  dem  prosaischen  nicht  ver- 
mengen dürfe,  und  dass  bei  Beispielen  aus  späteren  unklassi- 
schen Schriftstellern  eine  scharfe  Sichtung  des  Unklassischen 
vom  Klassischen  müsse  vorgenommen  werden ,  dass  endlich  die 
Beispiele  nicht  solche  Fälle  enthalten  dürften,  welche  erst 
durch  spätere  Hegeln  erläutert  wären,  und  dass  sie  einen  gan- 
zen Gedanken,  der  Gehalt  für  Verstand  oder  Heiz  habe,  ent- 
halten müssten.  Wir  lassen  nun  unsere  Bedenken  und  unsern 
diesfallsigen  Tadel  folgen.  Der  Verf.  dringt  darauf,  dass  man 
bei  der  Aussprache  die  Länge  und  Kürze  der  Silben  bemerklich 
mache  (S.  6.);  was  bei  uns  besonders  Noth  thut,  da  wir  häufig 
homines,  pöpulos  sagen.  Die  Alten  thaten  es  nicht,  wie  zum 
Ueberflusse  aus  Sueton.  Ner.  33.  hervorgeht,  wo  mörari  und  ?no- 
rari  scharf  unterschieden  werden.  Dennoch  bezeichnet  derselbe 
den  Accent  immer  mit  ,  z.  B.  S.  5.  rüs,  iüs,  ebenso  wie  et,  tot, 
was  wenigstens  zu  Missverständnissen  Anlass  giebt;  man  braucht 
ja  nun  einmal  das  Zeichen ".  §  21.  werden  als  Wörter  mit  der 
Dativendung  abus  angegeben :  domina,  füia,  socia,  dea,  famula^ 
serva,  liberta,  anima,  equa,  asina,  mida,  natu ;  der  Hr.  Verf. 
wird  sie  wahrscheinlich  jetzt  selbst  streichen  bis  auf  dea  u.  filia; 
eben  so  thäte  man  wohl  besser,  von  den  Wörtern  auf  ubus 
(4.  Decl.)  fiens  wenigstens  auszuscheiden.  Unter  die  subst.  gen. 
comm.  sind  §  35.  die  uns  noch  zweifelhaften  prineeps  und  exul 
gerechnet,  auch  S.  38.  praeses,  wogegen  testis,  augur,  incola, 
parens,  munieeps,  par,  iuvenis,  martyr,  infans,  obses,  praesul 
fehlen.  Dass  exul  in  Appos.  zu  fem.  steht,  wie  Senec.  Med.  486. ; 
Claud.  r.  Pros.  2,  258.;  Tac.  ann.  14,  63.,  beweist  nicht  genug; 
ähnlich  ist's  wohl  mit  prineeps,  wie  auch  für  auspex  die  Stelle 
bei  Claud.  in  Ruf.  1,  83.:  hac  auspice  (vergl.  Sen.  Med.  68.: 
auspice  dextra;  Tr.  861.:  auspice  Helena)  Nichts  beweist.  Wir 


Latein.  Schulgranmiatiken  von  Köae  und  Bi&choff.  117 

wollen  übrigens  auch  den  hier  ausgelassenen  Wörtern  eben  so 
wenig,  als  allen  aufgenommenen  das  Wort  reden,  wir  möchten 
Vielmehr  fragen,  was  es  für  den  klassischen  Sprachgebrauch  ent- 
scheide, wenn  späte  Schriftsteller,  gar  Dichter  einmal  ein  sol- 
cbes  Wort  als  fem.  gebraucht  haben,  und  weshalb  wir  unsere 
Schüler  schon  auf  den  unteren  Klassen  oder  auch  überhaupt 
solches  lernen  lassen.  Rec.  ist  vielmehr  der  entschiedenen  Mei- 
nung, dass  aus  unseren  lateinischen  Grammatiken  besonders  für 
die  unteren  Klassen  noch  Manches  heraus  imiss,  was  bis  jetzt 
als  verjährte  lieber  lief  er  ung  immer  von  neuem  aufgenommen 
wird.  —  JJicis  causa  S.  34.  wird  wohl  nach  Klotz  (Jahrbücher 
Bd.  23.  Hit.  2.  S.  210.)  =  Öixqg  %d(jiv  heisseu :  „für  den  Fall, 
dass  man  sich  einem  richterlichen  Ausspruche  zu  unterwerfen  hat, 
d.  i.  für  den  äusserstenFall";  §48.  Anm.2.  über  dives  wird  dilior, 
ditissimus  zu  streichen  sein,  da  ja  ditior  von  dis  kömmt  und  die 
längeren  Formen  nach  Zumpt  bei  Cicero  gebräuchlicher  sind; 
auch  wird  wohl  der  Genitiv  von  cornu  —  cornus  heissen  müssen, 
obwohl  Plin.  h.  n.  11,  103.  genu  utriusque  steht.  Auch  piissimus 
S.  47.,  oetodeeim  S.  54.,  sextuplex,  sextuplus  und  vielleicht 
noch  andere  Zahlwörter  dieser  Art  wünschten  wir  gestrichen  und 
posierus ,  inferus,  superus  S.  47.  wenigstens  eingeklammert  als 
im  nom.  gen.  masc.  wohl  nicht  bei  Klassikern  vorkommend.  Für 
deeimus  tertius  .  .  .  septimus,  dec.  oetavus,  d.  nonus  wird 
tertius....  deeimus,  duodevicesimus,  undev.  zu  schreiben  sein, 
und  Zumpt  sagt  ungenau  S.  115.,  dass  deeimus  tertius  und  tertius 
et  deeimus  gestattet  seien,  wenn  er  nicht  mehr  Auktorität  für 
diese  Formen  weiss,  als  wir,  d.  i.  Sext.  Aur.  Victor  de  Caes.  12. 
'mause  sexto  ac  deeimo),  der  auch  ib.  10.  anno  imperii  oetavo 
deeimoque  hat;  Gell.  18,  2.  und  ähnliche  Gewährsmänner.  Wör- 
ter wie  fusticulus  S.  22.,  ditesco  S.  96.,  dilueulat  S.  93.  fehlten 
besser  ganz,  da  sie  zu  geringe  Auktorität  zu  haben  scheinen,  ob- 
gleich man  allerdings  im  Gebrauch  späterer,  aber  analog  gebilde- 
ter Wörter  zu  bedenklich  sein  kann.  §  61.  Anm.  hiesse  es  rich- 
tiger, nach  s»,  nisi,  ne,  num  und  nach  dem  relat.  Pronomen, 
wie  auch  nach  quum  und  ubi  setze  man  gewöhnlich  quis  etc.,  nicht 
uliquis,  oder  besser,  qnis  etc.  sei  das  unbestimmte  tonlose,  ali- 
quis  das  bestimmtere  betonte  Pronomen,  und  jenes  stehe  deshalb 
besonders  nach  si  etc.  Vgl.  Grysar's  Theorie  des  lat.  Stils  S.  90., 
Zumpt  §  708.  Im  Deutschen  will  man  uns  dieses  toelcher,  was 
nehmen,  und  unsere  Sprachlehrer  befehlen,  welcher  etc.  solle 
in  diesem  Sinne  nur  in  der  Volkssprache,  nicht  in  der  Schrift 
spräche  gebraucht  werden ;  Durchard  S.  177. ;  ähnlich  Becker  in 
seiner  deutschen  Sprachl.  §  155.  Anm.  1.  über  wer  und  was,  wo 
er  aus  Schiller  anführt:  „Da  schien  sie  mir  was  Höh 'res  zu  be- 
dcllten(•'•;  aber  es  giebt  ja  auch  in  der  Schriftsprache,  nie  Becker 
richtig  anzudeuten  scheint,  eine  sogenannte  Volkssprache.  Aehn- 
lich  steht  im  Gocthe'schen  Faust  (Okt.  1828.)  S.  29.:  tvas  recht's, 


118  Lateinische  Sprachlehre. 

S.  30:  ivas  lehren,  S.  37:  ivaszu  sagen,  S.  39:  die  ivas  davon 
erkannt  (haben),  S.  66:  Schon  warnt  mich  ivas  u.  s.  wr.  und  das 
zum  Tlieile,  wo  Faust  recht  gelehrt  spricht;  Claudius  gebraucht 
was  in  diesem  Sinne  oft,  auch  Wieland  und  Jean  Paul  wohl,  der 
Schoppe  Tit.  B.  4.  S.  437.  sagen  lässt:  Ist  so/ist  was  an  ihnen, 
und  von  A.  W.  Schlegel  führt  Götzinger  (deutsche  Sprachlehre 
§  176.)  an:  Ich  glaube  so  sehr  als  irgend  wer  ein  Feind  des 
Mqnierirten  zu  sein,  sowie  er  §  172.  Beispiele  für  das  unbest. 
welcher  aus  Lessing,  Lichtenberg,  Engel,  Müllner  etc.  anführt. 
Mögen  also  die  Grammatiker  verbieten;  wollen  uns  ja  tvelche  gar 
Manches  aufbürden  und  verbieten;  ich  denke,  wir  gebrauchen 
die  genannten  Wörter  besonders  in  der  leichtern  Schreibweise, 
zumal  da  wir  ausser  dem  lateinischen  guis,  quid  auch  die  Analo- 
gie des  griechischen  rig,  jroöog  etc. ,  des  deutschen  ivo,  ivie  etc. 
(vrgl.  der  =  welcher ,  nt  =;  *W?'**)  für  uns  haben.  Yergl.  auch 
Grimm  (D.  Gr.  3.  S.  87.)  und  besonders  Wiilliier  (Cas.  und  Modi 
S.  126.).  Wem  gefällt  nicht  das  herrliche  Lied  von  Claudius: 
Kommt  Rinder ,  wischt  die  Augen  aus,  Es  giebt  hier  was  zu 
sehen!  ...  —  Drum  muss  wer  sein,  der  an  der  Hand  u.  s.  w. 
S.  60.  liest  man ,  der  Coni.  fut.  ex.  gleiche  dem  Coni.  plusq.,  und 
der  Hr.  Verf.  hat  überall  dem  fut.  ex.  in  den  Paradigmen  diesen 
coni.  zugetheilt.  Wir  können  das  nicht  billigen,  denn  der  coni. 
perf.  kann  eben  so  gut  die  Stelle  des  coni.  fut.  ex.  vertreten,  wie 
dieses  dann  vom  Veibum  des  regierenden  Satzes  abhängt.  Caes. 
b.  G.  1,  17.  heisst  es:  Si  tarn  prineipatum  Galliae  (Aedui)  obti- 
■nere  non  possint,  Gallorum,  quam  Roma?iorum  imperia  per- 
ferre  satius  esse  neque  dubitare^  quin,  si  Ilelvetios  super  ave- 
rint Romani,  una  cum  reliqua  Gallia  ^"-äuis  libertatem  sint 
erepturi,  —  wo  doch  super  averint  augenscheinlich  der  coni.  fut. 
ex.  ist,  aber  die  Rede  von  Liscus  proponit  abhängt.  —  S.  91. 
ist  fatus ,  gesagt ,  S.  95.  scitur  (Cic.  de  or.  2,  7.)  und  speratur 
als  unpers.  (Caes.  b.  c.  3,  6.);  S.  104.  wohl  furui  und  nachZumpt 
selbst  furo  als  erste  Person,  S.  113.  vasi,  vasum  zu  ändern  oder 
zu  streichen ,  wie  auch  wohl  S.  108.  parsi,  vaicitum  und  S.  105. 
glupsi,  —  wie  S.  127.  circu.m  von  der  Beziehung  auf  Zeit  auszu- 
schliessen  ist;  auch  sollte  S.  100.  bibo,  bibi  wegen  des  einzuklam- 
mernden bibitum  nicht  fehlen,  weil  die  vom  Sup.  abgeleiteten 
Formen  in  der  etwa  gültigen  Latinität  wohl  nicht  vorkommen,  was 
auch  für  Zumpts  Gr.  Kap.  48.  zu  merken  ist.  S.  190.  ist  der  Acc. 
der  Sache  bei  moneo,  admoneo,  commoneo  auf  neutr.  pron.  und 
adi.  zu  beschränken,  bei  denen  nicht  allein  die  latein. ,  sondern 
auch  unsere  Sprache  mehr  erlaubt ,  z.  B.  Jean  Paul  (Titan  B.  3. 
S.  223.  Berlin  1800.  Matzdorft  *):  Das  mussle  er  sich  immer 
erinnern;  S.  287.:  Das  frage  Ilabetten  über  ihn;  Lenau  (nächt- 
liche Wanderung) :  Ihr  bleiches  Antlitz  bittet  mich,  Was  mich 

*)  Titan  i*t  auch  im  Folgenden  überall  gemeint. 


Latein.  Scliulgranimatikcn  von  Köne  und  Bisdboff.  119 

ihr  süsser  Mund  so  zärtlich  bat  und  feierlich  In  ihrer  Sterbe- 
stund'.  —  S.  215.  (auch  bei  Zumpt  §  497.)  ist  ante  hos  tres 
menses,  welches  für  abhinc  tribus  mensibus  stehen  könnte,  als 
dichterisch  zu  bezeichnen  oder  besser  ganz  zu  streichen.  S.  178. 
ist  von  Apposition  die  Rede,  aber  wir  können  wahrlich  in  einigen 
der  dort  gegebenen  Beispiele  keine  finden,  wie  in  iustitia  est 
ilomina  et  regina  omnium  virtutum ;  pietas  est  fundamentum 
omniuin  virtutum;  oratio  est  moderatrix  humanae  societatis. 
Interdico  ist  S'.  200.  nicht  genau  bestimmt,  da  nicht  int.  aliquem 
aliqua  re>  sondern  alicui  al.  re  gesagt  wird,  und  S.  191.  heisst 
es  zu  beschränkend,  das  durch  Zahlen  bezeichnete  Maass  des 
VVerthes  stehe  im  Abi.,  da  der  Verf.  selbst  S.  213.  Ablative  dieser 
Art  ohne  Zahlzusatz  giebt.  In  dem  Satze:  Laiini  coronam  au- 
ream  Iovi  donum  mitlunt  S.  201.  ist  nach  unserer  Ansicht  keine 
Apposition,  und  das  Supinum  auf  u  hat  keine  passive  Bedeu- 
tung (S.  207.).  S.  unsere  Rec.  von  Zumpts  Gramm,  in  Bd.  24. 
H.  2.  dieser  Jahrbücher.  —  Dass  refertus  mit  dem  Genitiv  der 
Person  und  dem  Ablativ  der  Sache  verbunden  werde  (S.  186.), 
lässt  wenigstens  Ausnahmen  zu,  wie  denn  z.  B.  Cic.  Phil.  2,  27.: 
domus  erat  aleatoribus  referta;  or.  41.:  invidos ,  quibus  re- 
ferta  sunt  omnia;  pro  r.  Deiot.  12.:  armatis  militibus  referium 
forum  steht,  obgleich  Cic.  de  or.  2,  87.;  Font.  1,  1.;  Plane.  41, 
08.;  Att.  8,  1.;  1.  Man.  11.  sich  bei  Personennamen  der  Genitiv 
findet.  Auch  die  Regel  S.  213.,  dass  die  Ortsbenennungen  bei 
allen  Verben,  welche  ein  Sein  oder  Geschehen  an  diesem  Orte 
bezeiebnen,  ohne  die  Präposition  in  ständen,  wenn  der  Ortsname 
ein  Adi.  bei  sich  habe,  ist  nicht  vorsichtig  genug  ausgedrückt, 
obwohl  eine  Anmerkung  sagt,  dass  in  oft  zur  genaueren  Bezeich- 
nung hinzugefügt  werde.  Wir  möchten  nämlich  glauben,  dass 
eben  diese  genauere  Bezeicbnung  mit  in  häufiger  sei,  und 
Zumpt  §  482.  bezeichnet  gerade  die  Auslassung  der  Präposition 
in  als  Eigenthümlichkeit  der  Dichter  und  Prosaiker  des  silbernen 
Zeitalters.  Vacare  findet  man  noch  so  häufig  in  den  Grammat. 
in  der  Bedeutung  obliegend  einer  Sache,  die  dann  im  Dat.  stände, 
auch  hier  S.  224.  und  bei  Zumpt  §406.  Grysar  und  Krebs  warnen 
davor  mit  Berufung  auf  Ilottinger  zu  Cic.  div.  1,  6.  In  der  Tbat 
beweiset  diese  Stelle  die  Bedeutung  nicht  (vgl.  Cic.  de  or.  3,  11.), 
und  unsere  Grammatiker  sollten  daher  bemerken,  dass  vap.  in 
solchem  Sinne  unklassisch  ist  —  bei  (juint.,  Suet.,  Sencea  u.  A. 
—  oder  es  vielmehr  auslassen,  denn  in  dem  Sinne  freie  Zeit  hü- 
ben für  Etwas  braucht  es  nicht  erwähnt  zu  werden.  S.  27").  wird 
bei  dein  recht  klar  und  vollständig  behandelten  pron.  refl.  gesagt} 
in  iNebensälzen ,  die  ein  Objekt  enthalten  (soll  heissen :  die  Ob- 
jekt sind),  beziehe  sich  ein  Rellex.  auf  das  Subj.  des  Hauptsatzes 
(regierenden  Satzes),  liier  ist  an  Fragesätze  gedacht,  wie,  das 
Beispiel  bezeugt:  slriovistus  legalos  inlerrogarit ,  quid  ad  se 
venire/U;    aber  in  der  Satzverbindung:    Was  ich  ihnen  zugefügt 


120  Lateinische  Sprachlehre. 

habe,  haben  ßie  mir  verziehen,  ist  der  erste  Satz  Objekt,  und 
doch  dürfte  kein  Refl.  stehen.  Auskunft  über  Beispiele,  wie  Ar- 
gi/io  in  stispicionem  venu,  aliquid  in  epistola  de  se  esse  scri- 
ptum ,  fehlt.  Von  geringerer  Bedeutung  ist,  dass  §42.  die  Ue- 
berschrift  nicht  passt ;  dass  S.  50.  neben  1000  auch  millia  steht 
und  §  97,  2.  angemerkt  sein  sollte ,  neutr.  pron.  würden  nur  im 
INom.  und  Acc.  mit  einem  Genitiv  verbunden;  dass  S.  238.  quo 
durch  „damit  dadurch,  damit  desto"  und  entsprechend  quo  minus 
zu  übersetzen  wäre,  trotz  dem,  dass  quo  =  damit  ganz  getreu 
verdollmetscht  ist;  dass  man  S.  23.  Anm.  verbessern  müsse,  die 
Wörter  auf  is  und  es  hätten  iura ,  wenn  sie  im  Genitiv  mit  dem 
Nomin.  gleichvielsilbig  sind ,  wo  Anm.  1.  c  trotz  Aeneis,  Chalcis 
für  die  untern  Classen  genug  ist.  So  erkennt  man  auch  Druck- 
fehler leicht,  z.  B.  proclivae  S.  195.,  fateter  S.  203.,  das.  ae- 
quipare  für  aequiparare  ;  Socrates  statt  Sophocles  a  filiis  in  iu- 
dicium  vocatus  est  und  amititur  S.  216.  für  amitt.;  aequatate 
für  aequitate  S.  217.;  S.  105.  L.  6.  Activa  f.  T/ansitiva  ;  S.  219. 
Cratam  für  Cretam;  S.  255.  miritae  für  meritae ;  S.  289.  volue- 
rit  für  valuerit;  S.  294.  mehrere  andere  für  mehreren  andern; 

5.  296.  senato  für  sanato,  diffuit  für  diffluit.  Die  zur  Uebung 
in  genügender  Anzahl  gegebenen  Beispiele  sind  sorgfältig  gewählt 
und  vereinigen  bis  auf  einige  Fälle  klassische  Latinität  mit  gedie- 
genem Inhalte.  Die  Schriftsteller,  aus  denen  sie  genommen  wur- 
den, sind  mit  Recht  nicht  angeführt,  wie  das  denn  auch  in  kei- 
nem der  hier  zu  beurtheilenden  Bücher  fast  geschehen  ist.  S.  218. 
steht  der  Satz;  August us  Nolae  vitam  finivit ,  wo  wir  das  v.  f. 
für  unklar  halten  statt  e  oder  de  vita  decedere ,  v.  ponere,  amit- 
tere.  S.  257.  ist  über  das  Particip  des  Fut.  auch  das  Beispiel  aus 
Plin.  h.  n.  10,  31.  (ed  ster.  Tauchn.)  gewählt:  Ciconiae  abiturae 
congregantur  in  certo  loco.     Aber  im  Aktiv  sagt  selbst  Plin.  h.  n. 

6,  30. :  Macedones  Mesopotamiam  in  urbes  congregavere  und 
Cicero  schreibt  de  or.  1,  8,  33.:  dispersos  homines  unum  in  lo- 
cum  congregare ;  Phil.  14,  6.:  cives  unum  se  in  locum  ad  cu- 
riam  congregabant.  So  möchte  auch  oben  wohl  classisch  c.  in 
certum  locum  zu  schreiben  sein.  Im  Deutschen  gebrauchen  wir 
den  Dativ  mit  in\  an;  sagen:  bei  der  Curie  (ad  c),  hier  (huc), 
irgendwo  sich  versammeln  oder  Andere  versammeln  ,  z.  B.  Schil- 
ler (Abfall  d.  v.  Nicderl.  Ausg.  im  1  B.  1834):  Philipp  führte  die 
neue  Regentin  nach  Gent,  wo  die  Generalstaaten  waren  versam- 
melt worden,  S.  809.  2.  Spalte;  die  Verbundenen  versammeln 
sich  im  Kuilemburgischen  Hause,  das.  839,  14.;  Herzog  Bernhard 
hatte  die  Trümmer  der  geschlagenen  Armee  in  der  Wettcrau  ver- 
sammelt, S.  1015,  2.;  da  versammelten  sich  die  Hohenpriester 
und  Schriftgelehrten  in  dem  Palaste  des  hohen  Priesters ,  Luth. 
Bibelübers.  Matth.  26,  3.  (Vulg. :  congregati  sunt  in  airiinn; 
congregavenint  ad   eum   Universum   cohorlem ,    27,  27.) ;    Es 


Latein.  Schulgrammatiken  von  Köne  und  Bischoff.  121 

\üird'  umsonst  gewesen  sein  diese  Menschen  zu  bitten,  sich  in  ei- 
ner Kirche  zu  versammeln,  Stollberg's  Leben  des  h.  Vincentius 
von  Paula  (Wien  1819)  S.  141.  —  Doch  sagt  Luden  (Gesch.  des 
teut.  Volks)  B.  5.  S.  357. :  Karl  versammelte  einen  Reichstag  nach 
Ingelheim;  Luther:  Sie  führten  ihn  zu  dem  Hohenpriester  Caiph., 
dahin  die  Schriftgelehrten  und  Aeltesten  sich  versammelt  hatten, 
(das.  26,  57.  Vulg.  tibi  (statt  quo)  convenerant)\  sie  versammel- 
ten sich  gen  Jerusalem  (Apg.  4,  5.),  zum  Könige  (1.  Kön.  8,  2.), 
Schiller  S.  1010,  2.:  die  Trümmer  der  Armee  versammeln  sich 
wieder  unter  seine  Fahnen  und  häufig  steht:  Kohlen  auf  sein 
Haupt  sammeln,  Luther  (Rom,  12,  20.,  Vulg.  carbones  congeres 
super  caput  eins),  Kind's  Gedicht,  der  Friedenstifter,  Lessing's 
Nathan  d.  W.  4,  6.  Vrgl.  Kram.  3,  51. :  Dein  Alter  wird  sein  wie 
eine  volle  Garbe,  die  man  mit  Freuden  in  die  Scheune  sammelt. 
—  Man  sieht  übrigens,  wie  leicht  bei  dieser  verschiedenen  Kon- 
strnktionsweise  der  Anfänger  in  seiner  Uebersetzung  fehlen  kann, 
und  dass  es  rathsara  ist,  in  der  lateinischen  Grammatik  darauf 
aufmerksam  zu  machen.  Können  wir  dieses  gleich  der  Grammat. 
unsers  Hrn.  Verf.  nach  ihrem  Standpunkte  nicht  zumuthen,  so 
dürfte  doch  vielleicht  in  der  Zumpt'schen  ein  Fingerzeig  nicht 
fehlen,  und  wir  haben  bereits  a.  a.  O.  Jahrb.  S.  206.  darauf  auf- 
merksam gemacht.  Als  Nachtrag  hierzu  erlauben  wir  uns,  da 
wir  noch  in  keiner  Grammatik  ausser  einigen  trefflichen  von  uns 
wohl  meist  angeführten  Erinnerungen  in  Krebs  Antibarb.  eine  Zu- 
sammenstellung solcher  Verba  gefunden  haben,  die  nachfolgenden 
Bemerkungen.  Wir  finden  dazu  desto  mehr  Veranlassung,  da  wir 
in  unserer  folgenden  Beurtheilung  noch  ein  oder  das  andere  Mal 
darauf  verweisen  müssen  und  gar  im  Lex.  von  Forcellini  bei  con- 
venticulum  steht:  locus,  tibi  homitws  conveniunt.  Die  deut- 
schen Beispiele  haben  wir  absichtlich  ausführlich  hinzugefügt, 
nicht  allein,  um  den  abweichenden  Sprachgebrauch  nachzuweisen, 
weil  die  Anführung  in  latein.  Gr.  unnöthig  ist,  wenn  der  deutsche 
Sprachgebrauch  mit  dem  lateinischen  übereinstimmt,  sondern 
auch,  um  unsere  deutschen  Grammatiker  zu  veranlassen,  solche 
Konstructionen  zu  erwähnen.  Ist  doch,  wie  man  leicht  aus  Er- 
fahrung sich  überzeugen  kann,  Mancher  ungewiss,  ob  er  richtig 
sage:  Sie  trugen  das  Gepäck  an  einem  Orte  zusammen,  oder,  an 
einen  Ort  u.  s.  w.  Dass  Kegeln,  man  müsse  auf  die  P'rage  wohin 
den  Acc.  setzen  und  auf  die  Frage  wo  den  Dativ,  hier  nicht  aus- 
helfen, ist  leicht  einzusehen,  da  es  sich  eben  darum  handelt,  ob 
man  wo  oder  wohin  fragen  müsse.  Uebrigeus  begreift  man  leicht, 
dass  philosoph.  genommen  bei  versammeln,  zusammenkommen,  — 
häufen,  —  briugen,  —  führen  etc.,  einkehren  etc.  sowohl  der  Dat.  als 
der  Acc.  möglich  ist,  da  ich  hier  sowohl  den  Fortschritt  der  Hand- 
lung, als  die  Vollendung  derselben  ins  Auge  fassen  kann.  Es 
fragt  sich  also  nur,  wie  eben  wir  Deutschen,  d.  h.  unsere  stimm- 


122  Lateinische  S  p  r  ach  lehre. 

gebenden  Scliriftsteller  anschauen  *).  Es  scliliessen  sich  aber  an 
congregare  an:  constipare ,  coacervare ,  conglobare,  conden- 
sare,  cumulare ,  colligere,  compellerc,  coniieere  und  das  schon 
von  Krebs  erläuterte  cogere.     Vergl.  Ne  conslipari  quidem  tan- 

*)  Ueberhaupt  sollte  man  bei  manchen  sprachlichen  Fragen  mehr 
geschichtlich  zu  Werke  gehen,  wenn  einmal  ausgemacht  ist,  dass  die 
Anschauung  von  vorn  herein  verschieden  sein  könne.  So  sagt  Burchard 
(Deutsche  Sp.  S.  188.) ,  da,  wo  persönlichen  Ohjckten  eines  aktiven 
Verbs  ein  Gegenstand  (der  auch  Theil  des  Objekts  sein  könne),  auf 
welchen  die  Thätigkeit  des  Verbs  gerichtet  sei,  durch  eine  Präpos.  hin- 
zugefügt werde,  schiene  ihm  nur  der  Dativ  der  Person  richtig  zu  sein, 
weil  die  Person  als  Objekt  in  diesen  Ausdrücken  in  den  Hintergrund 
trete  und  eben  die  Richtung  der  Thätigkeit  der  HauptbegriiT  sei.  Da 
aber  auch  hier  beiden  Konstructioneu  eine  richtige  Anschauung  zu 
Grunde  liegt ,  so  können  wir  immerhin  beide  gebrauchen.  Wir  rech- 
nen übrigens  den  Acc.  in  solchen  Fallen  mehr  der  Phantasie,  den  Da- 
tiv mehr  dem  Verstände  zu  ;  beide  kommen  aber  bei  Sprachbildung  in 
Betracht,  bei  dem  einen  Volke  mehr  diese,  bei  dem  andern  mehr  jene 
Geisteskraft.  Wir  sagen  nun  :  „Die  Republik  ist  in's  Herz  gestossen", 
Schiller  159,1.;  „was  zerrst  du  mich  am  Mantel?"  1C-1,2. ;  „sie  schlu- 
gen ihn  in's  Angesicht",  Luther  Matth.  26,  67.;  Luk.  12,  64.;  derselbe 
soll  dir  den  Kopf  zertreten,  und  du  wirst  ihn  in  die  Ferse  stechen'', 
l.Mos.  3,15.;  „lass  mich  dir  in  die  Augen  sehen",  Goethe,  Eg.  S.  237. ; 
Sionerius:  „An  sin  kelen  und  an  sin  muht  Kust  ez  in  zu  aller  stunt'* 
(Budde's  Chrest.)  ;  „den  traf  der  Tod  in's  Herz"  Lhld.  (Schlacht  bei 
Reutlingen);  „doch  Roland  in  das  Knie  Hin  stach  (Roland  Schildträger); 
„unsere  Schriftsteller  am  Aermel  zupfen",  Claudius  (Vorr.3.  B.  6.  Tbl.). 
Freilich  werden  manche  Redensarten  so  stehend,  dass  man  ohne  Belei- 
digung des  Sprachgefühls  keinen  andern  Kasus  setzen  darf.  So  werden 
wir  wohl  immer  sagen:  ,,lch  sehe  dir  auf  die  Finger",  nie  „dich",  was 
sich  freilich  aus  dem  Sinne  leicht  rechtfertigt.  — >  Solche  stellend  ge- 
wordenen Anschauungen  muss  dann  die  Gramm,  aufzeichnen.  Auch  in 
andern  Fällen,  z.  B.  bei  den  Verben  „vorübergehen,  vorbeigehen''  muss 
die  Frage  auf  ähnlichem  Wege  entschieden  werden.  Dass  wir  da  Priip. 
%,  \i.  an,  bei,  vor,  mit  dem  Dativ  brauchen  können ,  unterliegt  keinem 
Zweifel.  Dass  wir  uns  aber  auch  das  zusammengesetzte  Verbuni  als 
ein  Trans,  denken  können,  ist  eben  so  entschieden.  So  sagt  denn  KIop- 
stock  in  seiner  Messiade  4,  1054.  :  „Er  ging  viel  hohe  Paläste  prächti- 
ger Sünder  vorbei";  7,  775.:  „Der  Cherub,  welcher  in  Gosem  vordem 
die  Hütten  schonend  vorbei  ging";  Stollberg  a.  a.  O.  S.  131.  :  „Ich  bin 
viele  Woblthaten  vorbeigegangen;  S.  132.:  „Der  (?)  Bündel,  dem  sie 
vorbeigegangen  waren";  Platen:  „Ach,  wer  hätte  nicht  zuweilen  jenes 
Vorgebirg  umschifft;  ja  vor  Allen  fährt  die  Liebe  diesen  Klippenweg 
vorbei"  (Rom.  Oed.);  „als  mich  in  später  Dämmerung  einst  der  Weg 
an  diesem  Baum  vorüberführtc",  Schiller  (J.  v.  O.  S.  460,  1.);  „er  eilte 
den  Berg  herab",  J.  P.  (Tit.  4,  S.  371.). 


Latein.  SchulgrammatSkcn  von  Köne  und  Bisclioff.  123 

tum  mtmerum  hominum  posse  in  agrum  Campanum  intellige- 

tis  (zusammengedrängt  werden  auf  dem )   Cic.  agr.  2,  29.; 

anders  gedacht  ist's  bei  Caes.  b.  G.  5,  43.:  Milites  se  sub  ipso 
rallo  constipaverant  recessumque  pn'mis  ullimi  non  dabant.  — 
Oves  se  congregant  ac  condensant  in  unum  locum, 
Yarr.  r.  r,  2,  3.  ■ —  Fusi  hostes  in  ultimum  castrorum  partem 
conglobantur ,  Liv.  10,  5.;  dagegen  Tac.  ann.  14,  32.:  templum, 
in  quo  se  miles  conglobaverat,  biduo  obsessum  expugnatumque. 
Ciimnlatis  in  aqnas  sarcinis,  Liv.  22,  2.  —  „im  Wasser  aufge- 
häuft" und  vergl.  Curt.  4,  16.  —  Q.  Cic  de  pet.  cons.  14 :  colli- 
gere  in  unum  loctim.  —  Magnus  quidam  vir  et  sapiens  dis- 
persos  homines  in  agris  et  in  tectis  silvestribus  abditos  ratione 
qua  dam  compulit  unum  in  locnm  et  congregavjt.  Cic.  inv. 
1,  2.;  vgl.  Suet.  Vit.  15.  —  Videtis  cives  Romanos  gregatim 
coniectos  in  lautumias ,  Cic.  Verr.  5,  57. ;  midieres  in  cum  lo- 
cum  coniecisse  (da  zusammengestellt),  quo  (wo)  propler  pa In- 
des exercitui  aditus  non  esset  (Zugang  hätte),  Caes.  b.  G.  2, 16. 

—  Coacervare  aber  muss  auf  die  Frage  wo  verbunden  werden, 
obgleich  es  Caes.  de  b.  Afr.  91.  heisst:  Omnibus  rebus  eo  coa- 
cervatis,  denn  Cic.  Verr.  5,  57.  sagt:  Videtis  indig?u'ssimo  in 
loco  coacervatam  multitudinem  veslrorum  civium;  Cic.  Rose. 
Am.  46.:  quantum  coacervari  una  in  domo  potuit.  Vgl.  coar- 
etare  u.  coaretalio  (de  b.  Alex.  74).  Ueber  cogere  s.  Cic.  ad  fam. 
15,  4,  2.  und  Krebs.  Dasselbe  gilt  übrigens  über  conciere,  z.  B. 
vbscuram  atque  humilem  conciendo  ad  se  multitudinem ,  Liv. 
1,  8.  „bei  sich".  —  Bei  convolvere  z.  B.  I  .in.  h.  n.  8,  56.:  He- 
rinacei  convolvuniur  in  formam  pilae,  sagen  wir  sicher:  „wälzen, 
sich  zusammen  in  die  Gestalt";  aber  auch  wohl  „in  der  Gestalt". 

—  Zu  der  fakt.  Bedeutung  gehören  auch  Fügungen  wie:  ,. Fasset 
ihr  nicht,  dass  diese  schöne  Seele  eben  jetzt  ihre  reichen  Flam- 
men zertheilt  für  alle  Schwesterherzen,  bis  die  Liebe  sie  zusam- 
mendrängt in  eine  Sonne4?"  J.  P,  2,99.  Wir  verbinden  auch  mit 
zusammenkommen  den  Ort  auf  die  Frage  wo?  „Hier  (huc)  kom- 
men wir  alle  zusammen,  um  Gnade  von  dem  zu  erflehen,  der 
unsere  Herzen  erforscht1'  (Schleiermachers  Pred.  über  Ps.  26,8.); 
v.  Kleist  (der  gelähmte  Kranich):  „Als  am  Gestad'  ein  Heer  von 
Kranichen  zusammenham" ;  Luther  (Joh.  18,  20.):  „Ich  habe  alle- 
zeit gelehret  in  der  Schule  und  in  dem  Tempel,  da  alle  Juden 
zusammenkommen"  (Vulg.  quo  cönveniunt) ;  „sie  kamen  zusam- 
men in  das  Thal  Siddim",  Luth.  1  Mos.  1,  43.;  „habe  ich  nicht 
heute  um  eine  Zusammenkunft  hier  auf  Dosalo  gebeten'?"  Less. 
Em.  G.  4,  3.  Den  latein.  Sprachgebrauch  giebt  Krebs  schon  an, 
Cic.  Att.  1,  16,  22  ;  Caes.  b  G.  1,  30.  anführend.  Vergl.  noch 
Liv.  24,  22.;  Brut,  in  Cic.  fam.  11,  1. :  Quem  in  locum  convenira 
possimus ,  quo  me  velilis  venire  rescribite;  Pomp,  in  Cic.  Att. 
8,  6.;  Caes.  b.  G.  4, 19.;  6,  13.  (huc  omnes  undique  6anveniunt)$ 
1,  6.  (ad  ripam  lihodani  c);    conventus  ad  Laidem  celebres 


124  Lateinische  Sprachlehre. 

crant  —  „bei  clerLais",  Gell.  1,8.  u.  s.w.  Andersist'smitCic.  fam. 
3,8,6.  Wenn  aberZumpt  §  563.  unentschieden  lässt,  ob  die  Lesart 
Cic.  fam.  9, 14. :  sunt  enim  perm.  opt.  viri,  qui  in  haecloca  veniant, 
oder  Att.  14, 17. :  qui  in  his  locis  convenianl^  vorzuziehen  sei,  so  ent- 
scheiden wir  uns  wenigstens  in  Betreff  der  Worte  inh.  /.für  die  erste 
Lesart,  weil  das  letzte  gegen  den  entschiedenen  Sprachgebrauch 
wäre.  So  sind  Stellen  wieep.  ad  Brut.  6. :  In  Macedouia  congredie- 
mur,  vielleicht  gerade  zur  Verdächtigung  geeignet.  —  Coire,  com- 
meare  (Cic.  pro  lege  Man.  18.)  haben  wir  schon  früher  erwähnt 
in  den  Jahrb.;  über  coetus  s.  Krebs,  der  Tac.  ann.  4,  41.  coelus 
in  domum  anführt.  Auch  über  devertere  stellt  Krebs  den  latein. 
Sprachgebrauch  fest.  Belege  geben  die  Lexika:  dev.in  villam, 
ad  caupojiem ,  ad  Albanum  (Landgut) ,  eo ,  quo  u.  s.  w.  Zur 
Feststellung  des  deutschen  Sprachgebrauchs  Folgendes:  „Zu  Hir- 
schau  bei  dem  Abte,  da  kehrt  der  ilitter  ein,  und  trinkt  bei 
Orgelschalle  den  kühlen  Klosterwein",  Uhland  (der  Ueberfall  im 
Wildbad);  „Der  Storch,  die  Schwalbe  und  die  Blindschleiche 
dürfen  frei  bei  euch  einkehren,  —  warum  verfolgt  ihr  denn  die 
Natter,  den  Hühnergeier  und  den  Marder?"  Krummacher  1,23.; 
„röthlich  kommt  der  Morgenschein,  und  es  kehrt  der  Abend- 
schimmer traulich  bei  dem  Bilde  ej//",  Lenau  (die  Wurmlinger 
Kapelle);  „Zeuch  (Venus)  mit  deinen  Schwänen,  zeuch  bei  mir 
nicht  sieghaft  ei«",  Uz  (der  Tabaksraucher);  dagegen:  ,,Den  wei- 
sen Mann  liebten  alle  Menschen  und  baten  ihn  einzukehren  in 
ihre  Wohnungen",  Krummacher  1,  3. ;  „kehrt  ein  zum  Hause  eu- 
res Knechtes",  Luth.  1  Moses  19,  2.;  „sie  kehrten  ein  zum  Kim- 
ham  zur  Herberge,  der  bei  Bethlehem  wohnte",  Luth.  Jer.  41, 17; 
„dicht  am  Strande,  schmuck  und  wirthlich,  winkt  der  Gasthof 
mit  dem  Schilde  dreier  Lilien,  einzukehren  zu  dem  schönen  En- 
gelsbilde", Lenau  (der  selige  Abend)  ;  „als  diese  Nonnen  in  ihr 
Haus  einzogen,  ging  die  Königin  mit  lodernder  Fackel  in  der 
Hand  in  deren  Kirche",  Stollberg  (V.  v.  P.  S.  130.);  „Karl  wird 
königlich  einziehen  zu  Paris",  Schiller  S.  471,  2.  —  J.  v.  Orl.).  — 
Uebcr  die.Konstr.  von  landen  kann  kein  Zweifel  sein,  z.  B.  „Fast 
landen  wir  im  Hafen,  da  brach  ein  Wetter  los",  Kind  (die  Wahr- 
sagung); „nahe  jener  busenreichen  Küste,  an  welcher  geizig- 
verschmitzte Europäer  landen",  Herder  (Ideen  etc.  über  Indostan); 
„denn  wo  ich  auch  gelegt  mein  Fahrzeug  an,  wie  rings  ich  auch, 
was  Glück  man  nennt,  geschaut:  ich  kam  zurück  ein  müder,  alter 
Mann",  Freiligrath  (Vorgefühl  S.  184.).  —  Ueber  appeüere  u. 
applicare  s.  Krebs:  nautae,  venti  appellunt  ?iavem,  naiis  ap- 
•pr-Mitur,  milites  navigiis  appelluntur  in  Ajricam  (eo,  quo,  huc, 
ad);  unklassisch:  ad  insulam  appulerunt,  navis  appidit ,  nave 
appulit;  Gurt.  4,  2. :  Tyrii  navigia  litori  appellunt.  Auch  unser 
Zusammenziehen  weicht  bisweilen  in  der  Konstr.  von  coutrahere 
ab,  z.  B.  „Alsobald  wurden  drei  Heere  zusammengezogen  an  den 
drei  Grenzen  des  Ilcrzogthums  Baiern",  Luden  Bd.  4.  S.  351. ; 


Latein.  Schulgrammatifcen  von  Kone  und  Blsclioff.  125 

„Alba  würde  Truppen  in  den  Niederlanden  leicht  zusammenzie- 
hen können",  Schiller  S.  873,  1.  ,  wo  wohl  sicher  nicht  bloss  von 
niederländischen  Truppen  die  Rede  ist.  Dagegen:  Luceriam 
omnes  copiae  contrahuntur ,  Cic.  Att.  8,  1.;  exercitum  inunum 
locum,  Caes.  b.  G.  1,  34.;  illnc  suas  copias  contrahere,  Nep. 
Eum.  9.  Aehnlich  wird's  wohl  mit  convocare  und  zusammenru- 
fen sein,  z.  B.  ,,Cie  Klagestimme  seiner  (des  Klosters)  Glocken 
ruft  vielleicht  zum  letztenmal  euch  hier  zusammen",  Sigism.  von 
Norden  (Cölestina  1838,  Aschaffenburg) ;  latein.  nur  huc,  illuc, 
eo,  in  urbem  convocare,  s.  Lexica.  Comportare,  conferre ,  con- 
vehere  und  conducere  werden ,  wie  das  schon  von  Krebs  ange- 
führte congerere,  ebenfalls  mit  einem  Ortsnamen  auf  die  Anschau- 
ung wohin  verbunden,  z.  B.  Caes.  b.  c.  1,  71.:  collatis  in  unum 
locum  signis.  \ Tgl.  Caes.  b.  G.  1,  24. ;  frumentum  ex  agris  in 
loca  tuta  comportatur  —  „an  sicheren  Plätzen",  Cic.  Att.  5,  18.; 
frumentum  .  .  in  urbem  convexerant ,  Caes.  b.  c.  1,  34. ;  Midae 
dormienli  formicae  in  os  tritici  grana  congesserunt ,  Cic.  div. 
1,  36.;  vrgl.  2,  31.;  eo  (dort)  copias  omnes  auxiliaque  condu- 
xit,  Caes.  b.  c.  3,  13.;  virgines  unum  in  locum  conduxerunt,  Cic. 
im.  2,  1.  Freilich  in  dem  Com.  de  b.  Afr.  91. :  In  oppido  Zamae 
Ugnis  congeslis.  Bei  componere  steht  der  Abi.  z.B.  locus,  in 
quo  ea  erant  coinposita ,  Cic.  Deiot.  6.  —  „wo  das  zusammenge- 
legt —  gestellt  Mar''  etc.  Im  Deutschen  jedoch  auch  Acc.  z.  B. : 
„Sie  hatte  die  Ikarusflügel  ihres  Anzuges  in  die  Kästen  zusam- 
mengelegt^i  J.  P.  a.  a.  0.  2,  137.;  ,, Erich  hatte  alle  Geschenke 
und  Gaben  seiner  Eltern  zusammengelegt  in  ein  Körbchen" 
Krumm.  3,  21.  Aehnl.  Schiller  a.  a.  0.  S.  8ö5.  Anm.:  „Sie  schös- 
sen den  hundertsten  Pfennig  ihrer  Güter  in  eine  Kommunkasse 
zusammen".  —  Auch  zusammenfliessen,  —  strömen,  —  laufen, 
—  giessen  gehören  hieher.  „Der  Zusammenfluss  so  vieler  und 
so  ungleicher  Nationen  in  den  holländischen  und  brabantischen 
Stapelstädten  musste  ihr  erstes  Wachsthum  dem  Auge  der  Regie- 
rung entziehen",  sagt  Schiller  a.  a.  0.  S.  798,  1.  und  S.  889,  2.: 
„Die  Erzeugnisse  von  ganz  Flandern  flössen  in  der  Stadt  Gent 
zusam?ne?i'-i ;  aber  auch:  ,,In  diese  Vertiefung  seines  Herzens 
flössen  alle  benachbarten  Quellen  des  Leidens  zusammen",  J.  P. 
a.  a.  0.3,  217.;  und:  „Alle  Radien  des  Lebens  laufen  in  den 
kleinen  Punkt  eines  Augenblicks  zusammen",  J.  P.  3,  279.;  was 
man  aber  factitativisch  auffassen  möchte:  „so,  dass  sie  . , .  sind"; 
M^rl. :  Schmelze  die  Silben  zusammen  in  einen  plötzlichen  Schall4', 
Schiller  166,2.;  „es  rächten  die  Sternbilder  des  Lebens  in  hellere 
Formen  zusammen'-'-,  das.  2,  55.  —  Lateinisch:  Magnus  ad,  Cae- 
sarem  quolidie  numerus  perfugorum  confluebal ,  Caes.  b.  G.  7, 
44. ;  ad  kos  coneurrit  6,  13. ;  5,  56.  —  „strömt  bei  ....  zusam- 
men-'; confluxerunl  et  Athenas  et  in  hanc  urbem  multi  ingui- 
nale loquentes  ex  diver sis  locis,  Cic.  Brut.  74.  Vrgl.  Plin.  h.  n. 
6,  4. :    vasti  amnes  in  Fhasin  confluunt.  —    Fit  coneursus  in 


126  Lateinische  Sprachlehre. 

praetorium,  Caes.  b.  c.  1,  76.  „im  Pr." ;  adme,  Cic.  Phil.  14,0. 
Vgl*  »och  Cic.  Rab.  7.  Dass  Sätze,  wie:  „Ich  habe  den  Eingang 
bei  einer  gewissen  Diana",  Seh.  103,  2.;  wenn  die  Feldobersten 
bei  ihm  eintraten",  Spindler  (K.  v.  Zion  B.  3.  S.  13.),  im  Lat. 
eine  andere  Anschauung  erheischen,  versteht  sich  von  selbst. 
Dagegen:  „bei  dem  Eintritte  in  sein  Häuschen",  J.  P.  3,  43. 
Auch  bei  aus-  und  einsteigen  und  aufnehmen  weicht  wohl  die 
Verbindung  ab.  Liv.  29,  11.  sagt:  Legati  Asiampetentes  proti- 
nus  Delphos  quum  escendisseut ,  or acutum  adierunt —  „zu  Del- 
phi ausgestiegen,  gelandet".  —  Cic.  Arch.  3.  heisst  es:  Lucidli 
Archiam  domum  saam  reeeperunt ,  und  Plank  bei  Ciaud.  B.  8. 
S.  202.:  „Es  war  weder  Säure  einer  strengen  Gemüthsart,  noch 
jugendliche  Schwärmerei  einer  erhitzten  Phantasie,  welche  Lu- 
tbern  zu  dem  Entschluss  bewogen  hatte,  sich  in  dem  Augustiner- 
kloster zu  Erfurt  aufnehmen  zu  lassen";  und  Lenau  (der  Mas- 
kenball): „Seid  willkommen  mir,  Matrosen,  nehmt  mich  auf  in 
eurem  Schiffe"  ;  aber  Rotteck  (Gesch.  Eroberung  von  Konstanti- 
nopel) :  „Ganze  Schaaren  knieten  auf  dem  Strande  und  beschwo- 
ren die  wegrudernden  Schiffe,  sie  in  ihre  Barken  aufzunehmen." 
Eben  so  werden  wir  sagen  können:  „Einen  bei  sich  aufnehmen1-', 
und  auch  wohl:  „Etwas  in  einer  Zeitschrift  aufnehmen",  woge- 
gen das  latein.  tecto  ,  sede,  civitate  rec.  ganz  anders  gedacht 
ist.  „Er  stieg  vergöttert  auf  dem  Triumph-  und  Donnerwagen 
neben  seiner  Liane  e«/2",  sagt  J.  P.  1,  231.,  aber  auch:  „In  jeder 
Nutzanwendung  formte  und  besäete  er  ein  Arkadien  voll  mensch- 
licher Engel,  die  in  drei  Minuten  in  das  so  nahe  schwimmende 
Elysium  aussteigen  konnten  auf  einem  dazu  hineingeworfenen 
Charons- Ponton",  das.  ?jG.  — 

Wir  kommen  jetzt  zu  den  Verben:  Verbergen ,  verstecken, 
verhüllen,  einhüllen,  verschliessen,  einschliessen ,  sich  verlie- 
ren u.  a. ,  wo  es  sich  zuerst  um  den  deutschen  Sprachgebrauch 
handelt,  den  man  an  den  folgenden  Beispielen  abmessen  wolle: 
„Sie  verbarg  das  Angesicht  an  seiner  Brust",  J.  P.  3,81.;  „Der 
Tag  erwuchs  immer  mehr  zu  einem  daphnischen  und  delphischen 
Ilain ,  in  dessen  flüsterndes  und  dampfendes  Dickicht  er  sich  tie- 
fer verlor",  ders.  1,45.;  „in  einem  Frühlingswölkchen  schien 
sich  der  schneeweisse  Engel  seines  Traumes  tief  einzuhüllen"' , 
dersi  1,  02. ;  „Rabette  hatte  ein  vorbeiziehendes  Orchester  aus 
Bergknappen  in's  Kabinett  der  Tafelstube  versteckt",  ders  1, 155. ; 
„sie  verbirgt  sich  in's  finstere  Nonnen -Chor  der  Todten",  ders. 
3,  328.;  „sie  sollen  sich  hinter  die  Tapeten  verstecken",  Schill. 
174,  2.;  „der  erste  Fürst  führte  den  Purpur  ein,  die  Flecken 
seiner  That  in  dieser  Blutfarbe  zu  verstecken",  ders.  Versch.  d. 
Fiesko  5,  10.  S.  184,  1. ;  „sie  birgt  die  glühende  Wange  im  glü- 
henden Sand",  Freiligr.  (der  Mohrenfürst);  „das  Kind  hüllt  sich 
in  seine  Kissen  ein",  ders.  (Fragment) ;  „Drauf  verhüllten  sie  ihn 
in  einem  Mantel  von  Purpur",  Klopst.  (Mess.  7,  815.);  „sie  zeigte, 


Latein.  Sehulgiaromatikcn  von  Küne  und  Ii  Ueno  ff,  127 

wenn  es  zwölfe  schlug,'  jetzt  alle  Nächte  sich,  verhüllet  in  ein 
Leichentuch  und  wimmert'  und  entwich",  Hölty  (Adelstan  u.  R.); 
„er  barg  das  Gesicht  in  die  Blumen  des  Kranzes",  ders.  (d.  arme 
Willi.);  „falsches  Glück,  das  unter  finstere  Sträuche?/  sich  ver- 
birgt", Uz  (an  das  Glück);  „Obadja  versteckte  100  Propheten 
in  der  Höhle",  Luth.  (1  Kön.  18,  4.);  „wie  Egmont  uns  Abends 
in  den  Mantel  eingehüllt  hei  der  Lampe  überraschte" ,  Goethe 
(8.  Bd.  S.  193.);  „scheu  in  des  Gebirges  Klüften  barg  der  Tro- 
glodyte  sich",  Schiller  (Eleus.  Fest  S.  56.).  Im  Latein,  wird 
manche  der  im  Deutschen  gegebenen  Wendungen  durch  den  Abi. 
instr.  und  Aehnlches  zu  übersetzen  sein;  übrigens  haben  wir 
nbdere  in  locuin;  se  in  literis  und  Uteras,  schon  früher  ange- 
führt (Jahi-b.  a.  a.  0.  S.  206.).  Es  kann  auch  das  Part,  mit  dem 
Accus,  verbunden  werden,  was  Krebs  S.  71.  nicht  zu  glauben 
scheint,  z.  B.  Caes.  b.  G.  5,  3.:  in  silvam  Arduennam  abditis. 
Dasselbe  gilt  von  condo  und  recondo.  Aber  auch  hier  irrt  Krebs, 
wenn  er  glaubt,  conditus  könne  nicht  auf  die  Frage  icohin  ver- 
bunden werden,  wenigstens  Liv.  26,  16.  in  carcerem  conditi  und 
Orelli  hat  Cic.  de  div.  2,  41.  eo  cojiditas  sortes  drucken  lassen. 
Abstrudo  lässt  Abi.  und  Acc.  mit  in  zu  (Cic.  Att.  12,  15. ,  acad. 
2,  10.) ;  abscondo  wird  wohl  klassisch  nicht  mit  einem  Ortsnamen 
verbunden  erscheinen  (Flor.  4,  2.:  Sextiim  fortuna  in  Celtibe- 
rfdtn  abscondit);  oeculere  steht  mit  dem  Abi.  instr.  (oeculi  pa- 
rietum  nmbris  Cic.  Tusc.  2,  15.)  und  über  occullare  s.  Cic.  Sext. 
22.  und  Herzog  zu  Caes.  b.  G.  7,  85.  Includere  wird  mit  dem 
Acc.  und  Abi.  verbunden ,  z.  B.  in  Ms  inclusi  cotnpagibus  corpo- 
ris, Cic.  Cato  mai.  21.;  vrgl.  de  für.  12.;  Att.  1,  1,  8.;  or.  38.; 
Cic.  Tusc.  1, 15. :  Phidias  sui  simüe?n  speciem  inclusit  in  clypeo 
Minervae ,  vgl.  Verr.  4,  24.  u.  s.  w.  In  custodias  includere,  Cic. 
Verr.  5, 55.  und  mehr  im  bildlichen  Sinne:  Physica  ratio  . .  .  in- 
clusa  est  in  imvias  fabulas ,  Cic.  de  n.  d.  2,  24. ,  bei  concludo  (in 
cellam,  Ter.  Ad.  4,  2, 13.;  aliquo,  Ter.  Eun.  4,  3,  25.)  genügt  für 
die  Verbindung  mit  dem  Abi.  Cic.  univ.  3.  wohl  nicht ,  weil  dort 
die  Variante  inclusit  ist. 

Im  Deutschen  vrgl.:  „Eingeschlossen  in  ihr  Land,  wie  in 
ihre  Religion  und  Verfassung,  liebten  die  Aegyptier  das  Fremde 
nicht",  Herder  (Ideen  etc.  über  Aegypten);  „wenn  er  Emilien 
gar  in  ein  Kloster  verschliesst'?"  Lessing  E.  G.  5, 1.;  „verschliesst 
euch  ins  Haus",  Goethe  (Jery  und  B.  11.  Bd.  S.  24.);  „ich  muss 
meine  heftige  Leidenschaft  in  mich  verschliessen",  das.  (Lila  B.  11. 
S.  46.);  „der  ewig  ist,  der  weiss  es,  dass  er  in  engen  Bezirk  euch 
einschloss",  Klopst.  (an  Gott);  „beide  Armeen  schliessen  sich  in 
ein  festes  Lager  ein",  Schiller  S.  1020, 1. ;  lauter  Verbindungen 
mit  dem  Acc,  obwohl  wir  nicht  zweifeln,  dass  man  sage:  „Er 
schloss  das  Wild  durch  eine  Hecke  in  dem  Walde  ein",  wie  denn 
Less.  (Thl.  6.  S.  178.  Ausg.  1825)  sagt:  „Ich  habe  diese  beson- 
dere Erlaubniss  in  der  allgemeinen  mit  eingeschlossen  zu  sein  ge- 


128  Lateinische  Sprachlehre. 

glaubt".  —  Advenire,  adventare,  advenlns  ist  schon  von  Zumpt 
aufgenommen ,  und  im  Deutschen  schon  ist  der  Sprachgebrauch 
auch  ziemlich  fest  (ankommen,  anlangen,  eintreffen);  vrgl.  J.  P. 
3,  231  u.  392.;  Schiller  S.  163, 1  ,  obwohl  eben  J.  P.  1,  166.  sagt: 
„Er  kam  vor  Itabettens  Kabinct  an";  Luther  (Apg.  27,  3.):  „Zu 
S.  ank."  —  „Dass  ein  Ankömmling  im  Lande  eine  ganze 
Nation  aufkläre"  etc. ,  sagt  Herder.  Findet  sich  vielleicht  advena 
in  urbem?  Cic.  de  or.  1,  58.  passt  nicht.  Auch  bei  schreiben, 
malen  und  ähnl.  weichen  wir  ab.  J.  P.  sagt  1,  70. :  „So  malte  der 
Maler  Kaikar  schöne  Strümpfe,  aber  unmittelbar  an  seine  Beine''1; 
Less.  E.  G.  1,3.:  „Ein  Bild,  das  mit  andern  Farben  auf  eine« 
andern  Grund  gemalt  ist";  —  „auf  jedes  Blatt,  in  jede  Schatten- 
quelle malt  sich  dein  Bild",  Matthison  (Erinnerungen);  „Jesus 
bückte  sich  nieder  und  schrieb  mit  dem  Finger  auf  die  Erde", 
Luther  (Job.  8,  8.).  Für  pingere  und  scribere  können  wir  augen- 
blicklich nur  Plin.  h.  n.  35,40.  extr. :  -pingere  in  tabula;  Tibull. 
1,  10,32.:  In  mensa  pingere  castra  mero;  Liv.  8,  30:  Nomen 
ibi  scribere ;  Cic.  de  or.  2,  86.:  Scriptum  in  carmine:  Ter.  And. 
1,  5, 48. :  scripta  in  animo  sunt ,  anführen.  ■ —  Imprimere  finden 
wir  schon  von  Krebs  behandelt,  —  in  aliuua  re.  Belege  geben 
die  Lexx. ,  z.  B.  Cic.  de  div.  1, 13. ;  de  n.  d.  1, 16. ;  acad.  pr.  2, 
26. ;  ib.  2,  18.  (schwankend  zwischen  in  animis  und  in  animos) ; 
Phil.  13,  15. :  vestigium  tibi  imprimas.  —  Exponer e  in  locum 
und  in  loco  sagt  man.  Vrgl.  Caes.  b.  c.  1,31.;  Liv.  24,  40. ;  Liv. 
1,4.;  Nep.  Them.  8.;  doch  vielleicht  steht  der  Abi.  nur  bei  den 
bessern  pros.  Schriftstellern ,  wo  noch  ein  Acc.  mit  in  zur  nähe- 
ren Bezeichnung  kann  hinzugefügt  werden,  z.B.  nicht  in  terra. 
Im  Deutschen  werden  wir  mit  Voss  sagen:  „Unbeschädigt,  Mann 
und  Profetin ,  setzt  er  in  wüstem  Moraste  sie  aus  (Virg.  Aen.  6, 
415.)  und  bläuliche/n  Teichschilf",  wie  überhaupt  „am  Lande, 
auf  der  Insel  einen  aussetzen".  Doch  auch :  „Ausgesetzt  ward 
ich  ins  fremde  Leben",  Schiller  S.  510,  2.  (Braut  v.  M.)  Repo- 
nere  hat  wieder  Krebs  *) :  grues  in  tergo  praetervolantium  colla 

*\  Krebs  sagt  bei  ponere,  es  würde  fast  nur  verbunden  in  aliqua 
re ,  wobei  er  an  Cic.  Att.  5,  3. :  Apnd  Lentulum  ponam  te  in  gratiam, 
wie  an  Liv.  38,  35. :  in  aedem  Hcrculis  signutn  dei  ipsius  ....  et  seiuges 
positi,  und  die  zweifelbafte  Stelle  Cic.  Att.  6, 1.  denken  mochte,  aber  er 
hätte  auch  bei  collocare  dem  Acc.  mit  in  nicht  alle  Klassicitüt  abspre- 
chen sollen.  Zwar  steht  Caes.  b.  G.  2,30.:  turrim  in  muros  collocare 
p— :  jtQog  xö  rtlxos,  aber  1, 18.  ist  auch:  sororem  nuptum  in  alias  civila- 
tes  collocare;  Cic.  div.  1,  46.:  filium  in  matrimonium  collocare;  auch 
stände  vielleicht  bei  locare  für  „wird  klassisch  nur"  besser  „fast  nur" 
mit  dem  Abi.  verbunden.  S.  Lexx.  Statuo  und  constituo  möchten  noch 
weniger  Auktorität  für  die  Konst.  mit  dem  Acc.  haben.  Ueberhaunt 
ist  d^r  Ausdruck  von  Krebs  oft  zu  scharf.  Dass  er  animum  suum  indu- 
cere  unlat.  nennt,  hat  Klotz  Jahrb.  Bd.  23.  H.  2.  S.  205.  schon  gerügt, 


Latein.  Schulgranmiatikcn  von  Köne  und  Bischoff.  129 

et  capita  reponunt ' ;  spetn  in  virtute\  in  caritate  . . ,  ßde  rep.; 
in  deos  oder  in  deorum  numero  (Cic.  de  or.  1, 13. )•  —  Depo- 
nere  aliq.  in  gremüs  mimarum  (Cic.  Phil.  13,  11.)  sagt  mau; 
ferner  uxores  snaque  omnia  in  süvas  Caes.  b.  G.  4, 19. ;  apud  eos, 
7,  63.  und  Cic.  off.  3,  25. ;  vrgl.  noch  Cic.  Caec.  35.  Die  Konstr. 
von  considere  ist  bekannt.  —  Mergere  in  mari  steht  bei  Cic. 
de  n.  d.  2,  49. ;  in  aqnam  ist  das.  2 ,  3.  zweifelhaft.  Dagegen 
wird  immer  gere  in  eigentl.  und  figürL  Bedeutung  mit  dem  Accus, 
gebraucht.  Vrgl.  Cic.  uiriv.  13.  Cluent.  13.  Demergere  steht 
mit  dem  Acc.  und  Abi.  bei  in.  Vrgl.  Cic.  Cat.  m.  21.;  fin.  3,  14. 
AVir  lassen  nun  einige  deutsche  Beispiele  nachfolgen :  „Die  Vögel 
tauchten  sich  tief  in  die  Blumen  unteru,  J.  P.  2,  21.;  „der  Jüng- 
ling sank  in  helldunkle  Träume  unter1-'',  das.  22.;  „in  den  boden- 
losen Todesfluss  untersinken1',  das.  94. ;  „als  die  drei  frohen  sich 

was  auch  Zumpt  §  76,  8.  und  Grysar  Theör.  des  lat.  St.  S.  63.  merken 
inögen.  In  der  That  steht  das  Pron.  auch  nicht  so  ungemein  selten, 
wo  es  sich  auf  das  Suhject  desselben  Satzes  zurückbezieht,  ohne  merk- 
lichen Gegensatz,  z.  B.  Cic.  Cluent  25.:  Si  cum  animis  veslris  .  .  re- 
cordari  ,  .  .  volucrilis;  Ter.  Hec.  4,  4,  07.  und  And.  5,  3,  12.:  animum 
indtixli  tuum;  Heaut.  5,  4,  5.:  iie  istuc  in  animum  inducas  tuum ;  Ad. 
4,  3,0'.:  in  animum  induxi  meum;  Hec.  4,  4,  61.:  huc  animum  adducas 
tuum;  Sali.  Jug.  6.:  ntulla  cum  animo  suo  volvebat ;  93.:  anxius  frühere 
cum  animo  suo;  108.:  c.  an.  s.  volvere  (vrgl  ßectere  an.  suum  ib.  62. 
und  9);  ib.  85.  :  reputatc  cum  animis  vestris;  10.  :  reputaret  cum  animo 
suo  ;  Liv.  34,  2. :  vix  staluere  apud  animum  meum  jiossum  —  in  der 
Rede  des  M.  Porcius  Cato;  Virg  Aen.  6,  185.:  suo  cum  corde  volvere. 
cf.  Ovid.  inet.  7,200.  Weniger  haben  wir  dagegen,  wenn  er  dum  mit 
dem  Impf,  des  Konj.  in  gerader  Rede  S.  190.  und  vix  mit  einem  folg. 
Hauptsätze  statt  quum  S.  513.  unlat.  nennt,  obgleich  Phaedr.  1,  4.: 
Vanis  per  flumen  carnem  dum  ferret  nutans  lympharum  in  spccido  vi- 
dit  simulacrum  suum ,  und  4,24.  (Simonides  a  diis  servatusY.  Unum 
promorat  vix  pedem  triclinio,  ruina  cumarae  subito  oppressit  ceteros  stellt. 
—  Auch  die  Vorschrift  S.  44.,  dass  mit  Ausnahme  des  Genit.  die  Präp. 
nicht  vor  dem  von  ihr  nicht  abhängigen  Kasus  stände,  ist  zu  schroff, 
da  es,  abgesehen  von  der  Kalenderbestimmung,  gewöhnlich  bei  Cicero 
sein  soll  zu  sagen:  in  suum  cuique  tribuendo,  (nach  Zuinpt  §  656.,  wo 
wir  jedoch  Hrn.  Dr.  Z.  fragen  möchten,  ob  nicht  in  tr.  s.  c.  stände. 
Sicher  aber  sagt  Cic.  leg.  1,  6.:  a  suum  cuique  tribuendo,  Vrgl.  Cic. 
Arch.  6.  Ueber  die  S.  21.  offenbar  zu  unbestimmt  verdächtigte  Ver- 
bindung eines  Subst.  mit  einem  andern  vermittelst  einer  Präposition" 
vrgl.  unsere  Beispiele  Jahrb.  B.  24  II.  2.  S.  219.,  Köne  §  138.  und  ein 
in  diesen  Jahrb.  24,  2.  S.  234.  angezeigtes,  uns  noch  nicht  zu  Gesicht 
gekommenes  Programm  vom  Direktor  Elanisch  in  Uatibor.  Ueber  nunc 
und  hi-  in  Bezug  auf  Vergangenheit  (Kr.  330.  nunc  ,  über  hie  finden 
wir  nichts;  'Lumpt  §  732.  703.)  vgl.  Caes.  b.  G.  1.  42.  exte;  2.4.  med.; 
1,  44.  med.;  40.;   Ncp.  20,  5. 

N.  Jahrb.  f,  Phil.  u.  Paed.  od.  Krit.  Uibl.  Bd.  XXVII 1,  11/1.2.      9 


130  Lateinische  Sprachlehre. 

(0  die  Tafelstabe  eines  Lorbeerwaldes  vor  ihre  Speis-  und  Trank- 
opfer niedersetzen  wollten",  das.  1,28.;  „die  rüstige  Soldaten- 
frau legte  in  einem  hochstaudigen  Gärllein  Früherbsen"  (nämlich 
in  den  Boden,  vgl.  oben  e.vponere),  ders.  135.;  „friedlich  lagen 
drunten  im  Thale  die  geweideten  weissen  Lämmer  und  oben  am 
Himmel  lagerten  sich  die  glänzenden  Lä'mraerwolken  über  sie 
hin1,1,  das.  143. ;  „es  tvar  in  ihm  feierlich  niedergelegt  und  be- 
schworen, niemals  ihr  Ehrenräuber  zu  werden",  ders.  3,  314.; 
„sie  kniete  neben  ihn",  das.  80.;  „in  alle«  Provinzen  des  Landes 
wurden  besondere  Gerichte  niedergesetzt",  Schiller  (Abfall  d.  v. 
N.  S.  798,  2.);  „die  beiden  Grafen  wurden  im  Brodthause  auf 
dem  grossen  Markte  gefangen  gesetzt",  das.  882,  2.;  „auf  die 
Spreu  warf  ich  mich  nieder"',  Freiligr.  (Grabbes  Tod);  „so  aus 
meinem  Haupt,  ihr  Kerzen  wilder  Lieder,  sprühen  und  wallen 
sollt  ihr  und  in  ferne«  Herzen  siedend,  zischend  niederfallen", 
ders.  (Moosthee);  „Nichts  kann  zu  ehrwürdig  sein,  das  du  nicht 
in  diese«  Morast  untertauchen  sollst,  bis  du  den  festen  Boden 
fühlst",  Schiller  163,  2.;  „alle  die  niruraersatten  Wünsche  in  dem 
grundlosen  Ocean  untertauchen"  (166,  1.);  „wenn  ich  hier  am 
kühlen  Bache,  hingestreckt  auf  weichen  Blumen,  lache",  Uz  (au 
das  Glück);  ,, stets  im  kalten  Ernst  versenket"-,  ders.  (die  Liebe) ; 
„sich  iu  Dörfern  niederlassen",  Stolib.  a.  a.  O.  S.  140.;  „ich 
setze  mich  hinter  der  Thür  nieder",  Platen;  „lege  dich  hinter 
den  Ofen  nieder" ,  Goethe  (Faust  S  64.) ;  „sie  lagerten  sich  zu 
Haufe  an  das  Wasser  Merom",  Luther  (Jos.  11,  5.);  „vor  einen 
Flecken",  ders.  2  Makk.  11,  5.;  „im  Eichgrunde  ",  ders.  1  Sara. 
17,  2. ;  J.  P.  Tit.  4.  S.  242. :  „Sie  lagerten  sich  auf  eine  Stelle". 
Wir  wollen  jetzt  nur  noch  die  Wörter  zerstreuen  und  ähnl.  hinzu- 
fügen. JJissipare  meinbra  in  iis  locis,  Cic.  Man.  9. ;  sermo  tota 
Asia  dissipatus,  Cic.  Flacc.  6. ;  aber  Hirt,  de  b.  G.  8,  5.:  Dissi- 
pantur  in  finitumas  civilates.  Diffundere  natürlich  nur  mit  dem 
Acc. ,  z.  B.  sanguis  in  omne  corpus  diffunäilur ,  Cic.  de  n.  d.  2, 
55.,  „verbreitet  sich  im  ganzen  Körper",  besser  als  „ergiesst  sich 
in  d.";  rerum  natura  in  omnes  partes  molusque  diffusa,  Cic. 
div.  2, 12.  —  Dilapsi  in  agros ,  Liv.  38,  34. ;  dispalati  in  agris, 
Nep.  Lys.  1.  —  Schiller  a.  a.  O.  840,  2.:  „Ehe  die  verbundenen 
aus  einander  gingen,  um  sich  in  den  Provinzen  zu  zerstreuen"; 
—  „sammelte  Jemand  eine  Geschichte  der  Juden  in  allen  Län- 
dern ,  in  die  sie  zerstreut  sind" ,  Herder  (Ideen  etc.  Hebräer) ; 
„tapferes  Heer  zerstreut  sich  im  Feld",  Goethe  (Faust  306).  — 
So  weit.  —  Wir  müssen  uns,  da  wir  schon  so  weitläufig  gewor- 
den sind,  der  weitem  Reflexion  für  dieses  Mal  enthalten.  Uebri- 
gens  lässt  sich  die  Regel  für  das  Deutsche  aus  den  gegebenen 
Beispielen  leicht  finden.  —  Kehren  wir  nun  zu  unserm  Hrn. 
Verf.  zurück,  so  thut  es  uns  leid,  dass  er  bisweilen  zur  Erläute- 
rung der  Regeln  blosse  Wortverbindungen  gegeben  hat;  wir  mei- 
nen nämlich,  ein  ganzer,  freilich  kurzer  Satz  präge  sich  eben  so 


Latein.  Schu'grammatlken  von  Köne  und  Bisclioff.  131 

leicht  ein,  und  dann  hat  der  Schüler  zugleich  den  Gewinn,  ein 
zum  Subj.  oder  Obj.  passendes  Yerbum  zu  behalten ;  doch  dieses 
hängt  mit  der  unten  noch  zu  besprechenden  Anordnung  der 
Grammatik  zusammen.  Uebrigens  müssen  wir  auch  noch  das 
S.  302.  gegebene  Beispiel  erwähnen :  Epimras ,  ob  eam  rem, 
inqiiit,  amicüiam  colendam  esse  . . .  wo  uns  sowohl  die  Stellung 
—  inquit  Ep.  wäre  gewöhnlicher  —  als  der  Inf.  anstössig  ist. 

In  der  Prosodie  durften  freilich  nicht  zu  viele  Einzelheiten 
gegeben  werden;  sonst  ist  on  in  der  vorletzten  Silbe  auch 
kurz,  z.  B.  Macedonis,  Teutoni,  Lacedaeinonis ,  und  in  in  den 
häufigen  Genit.  von  do  und  go  S.  310.  und  at ,  z.  B.  analis, 
poe?natis. 

Sehen  wir  nun  nach  der  unter  a  bemerkten  Rücksicht  die 
Schulgrammatik  des  Hrn.  Dir.  Bischoff  an.  Einzelne  Wendungen 
im  Deutschen  haben  uns  in  seiner  Gramm,  missfallen,  z.B.  S.  62.: 
„im  Anwenden  der  Genusregelnu,  „die  Stellung  des  zweiten  Ge- 
genstandes in  den  Ablativ"  S.  267. ,  „das  Sichzurechtfinden  in 
den  gramm.  Eigeuthümlichkeiten  der  Sprache"  Vorr.  YI.,  „Rück- 
sicht auf  praktisches  Lernenmachenu  S.  VII.  §  15.  finden  wir  die 
literae  mutae  nach  ihrer  Lautverivandtsihaft  eingetheilt  in  P-, 
F-.  Ä  - ,  T- Laute  und  nach  ihrer  Tönung  in  harte  (/;,  c,  t,  /), 
weiche  (b,  g,  d,  v)  und  gehauchte  (ph,  ch,  th)  mit  der  Bemer- 
kung, dass  die  gehauchten  fast  nur  der  griech.  Sprache  angehör- 
ten. Hier  ist  uns  zuerst  der  Gebrauch  der  Wörter  Lautverwandt- 
schaft und  Tönung  (besser  Härtegrad)  auffallend ,  dann  rechnen 
wir  /  zu  den  gehauchten  (s.  Grimm  d.  Gr.  1,  S.  131.),  die  sogen. 
JP- Laute  aber  gehören  zu  den  P- Lauten,  wie  die  Vergleichung 
des  griech.  <p ,  des  hebr.  2  lehren  kann.  Ueberdies  ist  Jod  nir- 
gend untergebracht.  Uebrigens  hätten  wir  eine  andere  Eintei- 
lung gewünscht;  vrgl.  Redslob  Rec.  von  Ewalds  hebr.  Gr.  Jahrb. 
20.  B.  1.  H.;  auch  Becker  deutsche  Sprachl.  1.  B.  §  14.  —  S.  8. 
B.  scheinen  unter  stummen  Buchstaben  bloss  b,  p,  g,  c,  d,  t  ver- 
standen zu  sein,  da  diese  bloss  angegeben  sind,  und  /  unter  e) 
noch  behandelt  wird.  Uebrigens  muss  man  hier  nach  d)  schliessen, 
dass  Les-bus,  sfnarag-dus,  Lug-dunum,  heb-domas  zu 
trennen  sei.  Vrgl.  ößiwvp.i,  £Qiydov7tog,  bdellium.  Die  Er- 
klärung von  nomin.  propriis,  sie  seien  Benennungen,  wodurch 
man  Einzelheiten  willkürlich  ohne  alle  Rücksicht  auf  äussere  und 
innere  Bildung  ('!)  bloss  zum  Unterschied  von  andern  Einzelwesen 
bezeichne,  hebt  einmal  den  Unterschied  von  nom.  appeli.  nicht 
genug  hervor  und  kann  ferner  den  Schüler  zu  der  Ansicht  führen, 
man  habe  ohne  besondere  Thätigkeit  des  Geistes  bloss  den  Mund 
geöffnet ,  um  Eigennamen  zu  bilden ,  wogegen  wohl  alle  Spra- 
chen streiten.  Vrgl.  Cicero,  Lentulus,  Zocpoxkijg ,  Karl,  Frie- 
derich, Becker,  Beckering,  Schmidt,  Engel  (der  z.  B.  ein 
Schild  hatte,  auf  dem  ein  Engel  stand);  jJnirp,  'loodvv^g  n.  s.  w. 
Ueber  den  Genit.  der  Wörter  auf  u,  ficubus\  dives,  ditior  etc. 

9* 


132  Lateinische   Sprachlehre. 

bis  viille,  sexluplex ,  sexluplus  s.  oben  und  über  ducenteni  etc. 
Zumpt  S.  117.  Auch  piissimns  konnte  wegbleiben  S.  58.,  posle- 
rus  etc.  war  als  Masculin.  einzuschliessen ,  s.  oben.  S.  45.  soll 
der  Schüler  dux  celeber ,  der  berühmte  Feldherr,  dekliniren. 
Das  heisst  doch,  ihn  in  die  unklass.  Latinität  einführen  ,  da  cele- 
ber so  nicht  gebraucht  werden  darf.  Ueberhaupt  scheint  der 
Hr.  Verf.  von  klass.  Latin.  —  denn  die  will  er  doch  wohl  nur  leh- 
ren —  einen  weiten  Begriff  zu  haben.  S.  59.  wird  von  speclabi- 
lis,  ansehnlich,  der  Comparativ  verlangt;  S.  131.  steht:  Probi 
homincs  Student  placere  bonis  neque  amant*}  placere  impro- 
bis  ;  S.  133.  Seminare  für  sementem  facere ;  S.  135.  cavebitis 
stulte  agere  (auf  jeden  Fall  ungewöhnlich  und  den  Schülern  nicht 
als  Beispiel  vorzuhalten);  S.  182.  deus  noslrum  miserebitnr ; 
S.  183.  nemo  sanus  dubitat,  quod  Dei  nuiu  omnia  orta  sint 
(ohne  Zweifel  Druckfehler,  welcher  sich  auch  in  der  erläutern- 
den Anra.  wiederholt,  wo  quod,  dass  steht) ;  S.  226.  Qui  se  pro- 
bum  virum  in  omni  re  ostendit,  ab  Omnibus  aestimatur ,  wo 
magni  ausgelassen  ist  und  uns  auch  ostendit  nicht  gefällt;  S.  255. 
poetae  celeberrimi  ;  S.  242-  und  259.  an  tu  nescis  kann  wenig- 
stens den  Schüler  irre  leiten,  da  er  an  oder  nicht  denkt,  weil 
Nichts  vorhergeht,  dem  sich  der  Satz  mit  an  entgegen  setzen 
kann ;  —  (übrigens  giebt  der  Hr.  Verf.  den  Gebrauch  von  an 
§  311.  genau);  S.  281.  triginta  dies  praeter lapsi  sunt; 
S.  281.  bezweifeln  wir  in  quum  Hortensius  perorasset ;  ad 
omnia,  dixit ,  respondi,  das  dixit  als  klassisch.  Hierosolijma 
S.  69.  wäre  besser  als  neutr.  pl.  gebraucht,  s.  Cic.  Flacc.  28.|; 
über  regnum  occidenfale  S.  69.  verweisen  wir  in  Betreff  des  occ. 
auf  Krebs  Antib.  S.  334.,  und  fragen,  ob  da  regnum  gebraucht 
werden  könne.  S.  60.  ist  pars  mundi  zu  rügen  für  p.  orbis  ter- 
rae; S.  66.  ist  bellum  duravit  wohl  nicht  gut,  und  S.  241.  hät- 
ten wir  in  einer  solchen  Grammatik  nicht  dare  pollicentur  abdru- 
cken lassen,  sondern  se  daturos  esse,  und  ähnlich  nicht  S.  249. 
sapientium  esse,  ut  ...  cedant.  Im  Satze  S.  253.  Quum  Medus 
dixisset :  prae  iaculorum  multitudine  solem  non  videbitis ,  La- 
cedaemonius:  in  vmbra  igitur  pugnabimus ,  respondit ,  der  aus 
Cic.  Tusc.  1,  42.  genommen  wurde ,  ist  gar  respondit  gesetzt  für 
in  umbra  igitur,  inquit ...,  wie  Cic.  hat;  und  §  227.  extr.  steht: 
dubito,  quin  redüurus  sit;  dubitabam ,  quin  rediturus  esset, 
wo  wenigstens  ein  Fragezeichen  am  Ende  stehen  muss.  Auch 
wissen  wir  nicht,  wie  der  Verfasser  aus  Sali.  Jug.  31.  (ohne 
Bemerkung)  aufnehmen  konnte :  quidquid  ulcisci  nequitur. 
Wenn  Hr.  Dir.  B.  S.  137.  die  Formen  audii  etc.  häufiger  nennt, 


')  S.  Ruhnk.  in  seinen  opusc.  v.  arg.  Lugd.  Bat  MDCCCXXIII, 
S.  709.  —  Wir  müssen  hier  den  Tadel  zurücknehmen ,  welchen  wir 
.Jahrb.  24,  H.  2.  S.  211.  aus  Missverständniss  einer  Abkürzung  über  ein 
Chat  dieser  Ausgabe  aussprachen. 


Latein.  Scliulgrammatiken  von  Kono  und  Bisclioff.  133 

so  nennt  sie  Krebs  a.  a.,  O.  S.  17.  unklassisch.  S.  142.  wird  von 
rcnuo,  anuno,  innuo  das  Sup.,  S.  144.  das  Perf.  frendi,  S.  166. 
malendi  n.  s.  w. ,  S.  171  u.  172.  aiam,  inquiens,  inquietis  auf- 
geführt, und  dass  Formen  von  queo  und  nequeo  fehlen,  nicht  ge- 
sagt; ob  aber  der  Verf.  die  hervorgehobenen  Formen  belegen 
kann*?  Nach  S.  173.  heisst  odi  „ich  habe  gehasst1'  und  „ich 
hasse",  was  wir  unbedenklich  tadeln;  es  hätte  dann  auch  odivi 
gesetzt  werden  sollen ;  s.  Antonius  bei  Cic.  Phil.  13,  19.  Rectifi-* 
care  §  159.  fehlt  gar  in.  Schellers  und  Forcell.  Lex.  und  sollte 
auch  in  einer  Schulgramm,  fehlen.  §  159.  wird  gesagt,  wenn 
die  Subjecte  leblose  Dinge  bezeichneten ,  so  könne  auch  der  Sin- 
gul.  des  Verb,  in  denjenigen  Fällen  stehen,  in  welchen  das  Verb, 
nicht  vom  letzten  Subst.  getrennt  wäre,  und  sei  eins  der  Nomina 
ein  plur.  tantnm,  so  müsse  das  Verbum  im  Plur.  stehen.  Dass 
das  Verbum  im  ersten  Falle  beim  letzten  Subst.  stehen  müsse, 
widerlegen  Beispiele,  wie:  Omnis  ratio  atque  instituiio  vitae 
adiumenta  hominum  desiderat,  Cic.  off.  2,  11.  Was  den  Fall 
angeht,  wo  eins  der  Subj.  sich  im  Plur.  befindet,  so  sehen  wir 
nicht  ein,  was  für  Unregelmässigkeit  da  gerade  ein  plurale  ta/i- 
tum  bewirken  soll.  Dass  der  Sing,  stehen  kann ,  lehrt  Füsting 
Svnt.  Convenientiae  S.  30.;  Zumpt  8.  Ausg.  S.  373.  Dass  es 
auch  mit  dem  plur.  tantum  Nichts  auf  sich  haben  wird,  kann  wohl 
Cic.  Alt.  9,  10.  lehren:  Nunc  mihi  nihil  libri,  nihil  literae, 
nihil  doctrina  prodest.  Nöthiger  wäre  die  Bemerkung  gewesen, 
dass  das  Prädikat  dann,  wenn  es  jedem  einzelnen  Subjecte  nicht 
beigelegt  werden  kann,  im  Plural  stehen  müsse.  §  184.  Anm. 
fyhrt  der  Hv.  Verf.  den  Gen.  obiect.  auf  die  Angabe  der  Ursache 
und  des  Stoffes  (§  186.)  zurück,  was  wir  der  Sache  nach  billigen; 
ob  auch  für  die  Schule'?  Siehe  Wüllner  Casus  etc.  S.  68.  Wenn 
er  aber  hinzufügt,  iniuriae  habe  akt.  und  pass.  Bedeutung,  so 
sehen  wir  davon  keinen  Grund ,  da  dasselbe  von  amor  eben  so  gut 
behauptet  werden  könnte,  und  denkt  der  Hr.  Verf.  an  iniuriae 
meae ,  so  stellen  wir  daneben  amor  nosler  d.  i.  gegen  uns  (Cic. 
fam.  5,12.);  tun  observantia ,  invidia,  fiduciu,  negligentia,  de- 
siderium  tunm;  bellum  regium  (Cic.  Mau.  17.)  und  aus  Livius: 
bellum  Romanum,  divinis  humanisqiie  obruti  sceleribus  (3,  19.), 
vergl.:  „Sein  Bildniss  d.  i.  ein  B.  von  ihm'' ,  und  Wüllner  a.  a.  O. 
60.  —  §  187.  beim  Gen.  part.  sind  die  numeralia  card.  nicht  er- 
wähnt, sondern  nur  die  ordin.,  was  allerdings  zu  beachten  ist. 
Bei  uuus  braucht  Cic.  die  Präpos.  e,  de.  Doch  findet  sich  der 
Genit.  z.  B.  Liv.  23,  11.  Wenn  §  188.  tenäx  mit  dem  Gen.  unter 
den  W.  mit  dem  Begriffe  erinnern  aufgeführt  ist,  so  erinnern  wir, 
dass  es  vielleicht  klassisch  nicht  mit  dem  Genit.  steht,  sonst  aber 
auch  cutis  tenux  capilli  vorkommt.  §  188,  2.  steht  unter  den 
Partie,  auf  ws,  welche  als  wirkl.  Ad),  gebraucht  auch  den  Genitiv 
zu  sich  nähmen,  auch  abundans.  Wir  glauben  aber,  dass  abun- 
da/is  nie  den  Gen.  zu  sich  nähme ,  wenn  es  nicht  auch  abundo 


134  Lateinische  Sprachlehre. 

thäte,  und  rechnen  den  Fall  nicht  hiehev.  Die  Richtung  looliin 
kann,  wenn  die  Thätigkeit  stehend  gedacht  wird,  leicht  in  die 
Anschauung  woher  umschlagen;  nicht  so  hei  der  Frage  wo? 
Vergl.  freilich  in  anderer  Beziehung  „von  vorn'-'-  und  xatec  Ttgoq- 
anov  HQyov ,  Thuc.  1,  106.  Ferner  vermögen  wir  S.  252.  nicht 
in:  Germani  copias  stias  paribus  intervallis  constituerunt,  den 
Abi.  par.  int.  als  Abi.  loci  auf  die  Frage  wo  aufzufassen ;  auch 
nicht  bei  quam  maximis  itineribus  polest  in  Gallium  contendit. 
—  Ueber  quienm,  das  der  Hr.  Verf.  S.  254.  neben  quocum  ein- 
klammert ,  verweisen  wir  auf  Jahrb.  24,  2.  S.  226.  Wir  fügen 
noch  als  Belege  hinzu :  Cic.  fam.  15,  16. :  quainquam  quicum  lo- 
quor?  Vrgl.  Cic.  off.  3,  22.;  3,  10.;  de  inv.  1,  11.;  proQuint.  11, 
38. ;  das.  16,  52.;  top.  4,  20.  Dagegen  quocum  Cic.  Lael.  4. ; 
Rab.  8. ;  Sext.  17. ;  Deiot.  5.  —  Cic.  Phil.  12,  5.  steht  freilich 
cum  quo,  wo  man  quicum  erwarten  könnte,  aber  der  Satz  mag 
da  mit  bestimmter  Hindeutung  auf  den  Antonius  ausgesprochen 
sein.  —  Ueber  abuti  in  dem  Satze :  Multi  homines  otio  abii- 
tunlur.  S.  262.,  verweisen  wir  auf  Klotz  in  den  Jahrb.  23,  2.  S. 
207.  u.  Dähne  zu  Nep.  Eum.  11. ;  über  den  Abi.  quäl,  auf  unsere 
Bern.  Jahrb.  24,  2.  S.  208.,  wozu  wir  fügen  Caes.  6,  26.:  bos 
cor  vi  flgura;  3,  13.:  clavus  digiti  pollicis  crassitudine ;  homo 
nihili  u.  s  w.  Bei  dem  Abi.  modi  hätte  davor  gewarnt  werden 
müssen,  ein  blosses  Subst.  ohne  cum  zu  setzen,  denn  Abll.  der 
Art,  wie  vilio  navigare,  vitio  tabernaculum  capere ,  Cic.  div.  1, 
16.  17.,  linden  doch  nur  in  einigen  Ausdrücken  statt  (s.  Zumpt 
§  472.),  und  §209.  hätten  nicht  2  Beispiele,  wo  der  Abi.  nach 
Kompar.  statt  des  Objekts  steht,  gesetzt  werden  sollen.  Dass 
beim  Abi.  bei  den  Verbis  häufen  etc.  und  diesem  Abi.  nach  Komp. 
dieselbe  Anschauung  zu  Grunde  liege  („verkaufen  20  Talenten 
gegenüber",  grösser  sein  dem  Bruder  g."),  glauben  wir  auch, 
aber  wunderbar  ist's  doch,  den  letztern  Abi.  unter  die  abl.  preiii 
geordnet  zu  finden.  —  Was  die  EintSieilung  der  Handlungen 
§221.  in  1)  unvollendete,  2)  vollendete  und  3)  bevorstehende  an- 
geht, so  halten  wir  dieselbe  für  unlogisch,  s.  Zumpt  §  493. 
Anm. ,  und  halten  es  auch  für  praktischer,  die  sogen,  periphrast. 
(Konjugation  neben  die  gewöhnliche  zustellen,  da  sie  denselben 
Regeln  z.  B.  in  Bezug  auf  Zeitfolge  in  abhängigen  Sätzen  unter- 
liegt. —  Den  Conjunctivus  imperf.  in  Sätzen,  wie:  ?naesli,  cre- 
deres  victos,  in  castra  redierunt ,  erklärt  der  Hr.  Verf.  aus  ei- 
ner gedachten  Negation,  die  zu  Grunde  liege,  wie  beim  negat. 
Wunsche  —  „man  hätte  sie  für  Besiegte  halten  können ,  was  sie 
doch  eigentlich  nicht  waren."  Aber  gesetzt,  ich  erzählte  einem 
damals  Anwesenden:  m.  credebas  v. ,  inc.r.,  so  waren  sie  es 
auch  eigentlich  nicht,  und  doch  steht  der  Indikativ.  Wenn  in 
einem  ahnl.  Falle  Cic.  Verr.  4,  40.  sagt:  Fix  hoc  erat  plane  im- 
peratmn^  quum  illum  spoliatum  stipatumque  lictoribus  cor  He- 
yes —  „da  konnte  man  ihn  sehen,  hätte  man.."1:  so  gilt  hier 


Latein,  Schulgrammatiken  von  Köne  und  Bisehoff.  135 

kein  Zusatz :  „was  er  doch  eigentlich  nicht  war."  Wir  stimmen 
daher  der  Erklärung  Zumpts  §  528.  bei.  Eben  so  wenig  können 
wir  billigen ,  wenn  Hr.  Dr.  B.  mit  dem  Gebrauch  des  fut.  ex.  statt 
des  einfachen  (quae  fuerit  causa,  mox  videro)  §  231.  Anm.  1. 
den  „deutschen  Participal- Imperativ"  vergleicht.  Wir  könnten 
dann  auch  von  einem  Substantiv-  oder  Adverbial -Imperativ  reden, 
z.  B.  „Hand  ans  Werk!  Handweg!  Zurück!"  u.  drgl.  Es  liegt 
nämlich  in  jenem  „zugefahren !  "  keine  Vergangenheit ,  sondern 
es  ist  das  mit  dem  Tone  des  Befehls  gesprochene  Particip ,  wozu 
ich,  wenn  ich  Etwas  in  Worten  ergänzen  soll,  ,,es  werde"  setze. 
So  auch  „zurück!"  nicht:  „Sei  zurück!"  sondern:  „Gehe  za- 
rück  ! "  Vergleichen  aber  konnte  man  den  Gebrauch  des  fut.  ex. 
im  Deutschen,  z.  B.  „Er  wird  es  schon  geschrieben  haben;  stür- 
me so  auf  deine  Gesundheit  los  und  du  wirst  dich  bald  zu  Grunde 
gerichtet  haben."  §  233.  ist  über  die  Folge  der  Zeiten  das  Bei- 
spiel mitgetheilt:  Nego  ullam  gemmam  aut  margarüam  fuisse, 
quin  Verres  conquisierit ,  inspexerit ,  cbstulerit.  Es  ist  ver- 
stümmelt aus  Cic.  Verr.  4,  1. ,  wo  allerdings  quin  für  das  Neutr. 
im  Accus,  steht  (Zumpt  §  539.);  so  aber,  wie  sie  hier  gegeben 
ist ,  ist  die  Stelle  weit  unzulässiger.  §  299.  sagt  der  Verf.  aber 
gar,  quin  könne  für  die  casus  recti:  quinon%  quem  non,  stehen 
(nach  S.  23.  heissen  Nom.  und  Voc.  casus  recti,  die  übrigen  casus 
obliqni).  S.  291.  ist  richtig  erklärt,  wann  in  der  Tempusfolge 
perf.  und  impf.  coni.  nach  einem  Perf.  stehe.  Weshalb  aber  in 
dem  Imperf.  Absicht  liegen  solle,  begreifen  wir  nicht.  Im  Satze: 
Aem.  P.  tantum  in  aerarium  peeuniae  invexit ,  ut .  .  finem  af- 
ferret  iribulorum,  sei,  meint  Hr.  B.,  die  Absicht  des  Aem.  be- 
zeichnet, dadurch  die  Abgaben  abzuschaffen,  nicht  die  blosse 
Folge.  Im  Satze:  Puer  de  tecto  deeidit,  ut  crus  fregerü,  ist 
keine  Absicht,  aber  im  Satze:  Puer  .  .  . ,  ut  crus  frangeret ,  ist 
eben  so  wenig  Absicht.  Oder  hätte  der  Knabe  sich  das  Bein  brechen 
wollen?!  So  könnte  wenigstens  der  Schüler  nach  solchem  Bei- 
spiele schliessen,  obgleich  der  Verf.  nicht  überall  Absicht  beim 
Impf,  des  K.  annehmend,  selbst  nach  dem  Ausdrucke  der  Regel 
solcbe  Consequenz  sich  verbitten  kann.  Wenn  fetner  S.  295. 
Anm.  1.  gelehrt  wird,  non  könne  beim  Imper.  stehen,  wenn  ein 
gegebenes  oder  als  gegeben  gedachtes  Gebot  verneint  werden 
solle,  wo  alsdann  der  rhetor.  Accent  auf  non  liege,  so  sind  wir 
auf  Beweisstellen  neugierig,  denn  dass  Cic.  Cluent.  57.  sagt:  a 
Legibus  non  recedamus ,  beweiset  für  den  Imperat.  INichts,  bei 
Quint.  ist  dieses  schon  häufig,  z.  B.  1,  1.:  non  perdamus ;  non 
. .  fuerit;  non  . .  habeant.  Aber  wir  sehen  in  der  Grammatik  lie- 
ber von  solchen  Beispielen  ab  oder  erklären  doch  nur,  wie  sie  zu 
■verstehen  sind,  statt  sie  als  Kegel  zu  geben,  wie  der  Verf.  es 
S.  298.  mit  dem  Beispiele  aus  Quiut.  1,1,5.:  non  assuescat  puer, 
thut,  wo  der  Sinn  sei:  Das  Kind  kann  sich  meinetwegen  eine 
schlechte  Sprache  angewöhnen,    allein  es  ist  besser,   wenn  er 


13ß  Lateinische  S  p  r  a  chleli  re. 

sich  eine  solche  nicht  angewöhnt" ?!  Hoc  non  dixerhn,  was 
auch  angeführt  wird,  rechnen  wir  nicht  hieher,  da  esfasi  gle.ch 
ist  mit  hoc  non  dico. 

S.  302.  ist  testißcor  statt  — co  zu  lesen  u.  S.  308.  zu  setzen, 
mit  dein  Dativ  des  Gerundiums  (der  Verf.  sagt  „des  Inf.")  finde 
sich  fast  kein  von  ihm  regierter  Casus  verbunden,  da  allerdings 
bei  Plaut.  Poen.  1,  2,  13.;  Epid.  4,  2,  35.;  Ovid.  met.  9,  684  der 
Acc.  steht.  S.  319.  steht:  Gallium  profectus  est,  wo  in  ausge- 
lassen ist.  §  275.  sind  3  Sätze  über  den  Conj.  in  Nebensätzen  als 
Regeln  ausgesprochen.  1)  Der  Nebensatz  enthält  Worte  des  Sub- 
jects  im  Hpts. ;  2)  er  enthält  Gedanken  und  Vorstellungen  des 
Subj.  im  Hpts.;  3)  er  enthält  Gedankeu,  welche  durch  die  Natur 
und  Beschaffenheit  des  Subj.  im  Hpts.  bedingt  werden.  Diese 
Sätze  sind  für  den  praktischen  Gebrauch  nicht  deutlich  genug  und 
auch  an  sich  schief  ausgedrückt.  Im  Satze:  Constat,  esse  deum, 
a  quo  mundus  factus  sit,  enthält  der  relat.  Nbs.  nicht  Worte, 
nicht  Vorstellungen  und  Gedanken  des  Subj.  im  Hpts. ,  und  auch 
die  3.  Regel  passt  nicht  auf  ihn,  denn  dircct  würde  ich  sagen: 
est  deiis,  a  *quo  mundus  factus  est.  Der  Hr.  Verfasser  würde 
das  Beispiel  unter  die  erste  Regel  stellen ,  aber  weshalb  ist  diese 
dann  so  beschränkt  ausgedrückt'?  Dabei  ist  auch  der  Ausdruck 
Hauptsatz  nicht  gut  gewählt.  Weon  ich  sage :  Nunc  librum  eum 
esse  scio ,  qui  Herum  legi  debeat ,  so  steht  doch  wohl  der  Conj. 
in  dem  Relativsatze  nach  Nr.  3.,  und  doch  ist  das  Subject  des 
Hpts.  „ich".  —  Solche  Verwirrung  darf  aber  in  einem  Schul- 
huche  nicht  zu  finden  sein.  Schlimmer  steht  es  noch  mit  dem 
Begriffe  von  Nebensatz.  §  275.  ist  Subordination  auf  gewöhnliche 
Weise  erklärt  und  §  275.  wird  gesagt,  wir  wollten  den  unterge- 
ordneten Satz  ein  für  alle  Mal  Nebensatz  nennen  ,  und  es  wird 
eine  äussere  und  innere  Unterordnung  unterschieden.  Nun  ist 
aber  §  301.  zu  lesen,  die  Sätze,  welche  mit  s/,  «ist,  si  non  .  .  . 
verbunden  würden ,  seien  entweder  nebengeordnet  oder  unterge- 
ordnet; die  nebengeordneten  ständen  1)  im  Ind.,  wenn  Vorder- 
und  Nachsatz  äusserlich  neben  einander  gestellt  wären,  z.  B. 
Numqtiam  Imbere,  si  te  audies;  2)  im  Conj.,  wenn  derselbe  Mo- 
dus auch  ohne  dies  seiner  Natur  gemäss  ('?  seiner  Natur  gemäss 
wird  er  wohl  immer  stehen)  stehen  müsste,  z.  B.  Si  existat  ho- 
die  ab  inferis  Lycurgus,  gaudeat  murorum  Spartae  ruinis 
(aus  Liv.  39,  37.);  die  untergeordneten  ständen  im  Conj.,  welcher 
aus  dem  Verhältnisse  des  Vorder-  und  Nachsatzes  zu  einander 
hervorgehe,  z.  B.  Sapiens  non  dubitat,  si  ila  melius  sit,  mi- 
grare  de  vita;  eben  so  bei  einer  oratio  ohliqua'?  Undeutlich 
nennen  wir  es  auch,  wenn  es  §  30>*.  heisst,  es  gebe  2  Arten  von 
Fragesätzen  und  zwar  1)  solche ,  in  welchen  die  Frage  in  einem 
besonderen  Frageworte  liege,  2)  solche,  in  denen  (welchen)  die 
Antwort  schon  in  der  Frage  gesetzt  sei,  indem  diese  nur  bejahet 
der  verneint  zu  werden  brauche.  Man  sieht  aus  dem  Gegensatze 


Latein.  Sthulgrammatiken  von  Köne  und  Bischoff.  137 

der  Theile  leicht,  was  der  Verf.  sagen  will.  Wenn  mich  übrigens 
Jemand  fragt:  Willst  du  eine  Ferienreise  machen?  —  liegt  dann 
die  Antwort  schon  in  der  Frage'?  Auch  hilligen  wir  nicht,  dass 
S.  329.  steht,  bei  quum  mit  dem  Conj.  falle  auch  wohl  der  kaus. 
Nebenbegriff  weg,  und  es  stehe  so  rein  von  der  Zeit.  Wir  mei- 
nen nämlich,  dass  es  sich  der  Lateiner  da  immer  kausal  gedacht 
habe,  wenn  wir  es  auch  kaum  vermögen.  Die  Erklärung  von  non 
dubito  quin  (lat.  gedacht:  nach  meinem  Zweifel  findet  die  Sache 
nicht  statt)  verstehen  wir  nicht  oder  halten  sie  für  unrichtig; 
quin  ist  uns  aber  da  eben  so  erklärlich,  wie  „dass  nicht"  in  „Hüte 
dich,  dass  du  nicht  sündigst"  u.  A.  §  316.  Anm.  wird  gesagt, 
dass  Relativsätze  in  indir.  Rede  zuweilen  als  Hpts.  betrachtet  win- 
den und  im  acc.  c.  inf.  ständen,  und  §  317.,  dass  Fragesätze,  wel- 
che sogen,  rhetor.  Fragen  enthielten  ,  in  indir.  Rede  im  accus,  c. 
inf.  ständen.  Aber  bei  letzter  Bemerkung  war  der  Zusatz  zuwei- 
len sicher  auch  nöthig.  Man  sehe  einmal  zu,  wie  oft  Cäsar  in 
solchen  Fällen  den  acc.  c.  inf.  setzt!  Was  aber  den  1.  Fall  an- 
geht, so  hätte  bemerkt  werden  sollen,  dass  gerade  bei  Verbin- 
dungen mit  quare  und  ähnlichen  Wörtern  und  überhaupt  da,  wo 
die  demonstr.  Anknüpfung  leicht  ist,  gern  acc.  c.  inf,  steht.  Man 
vergl.  Cic.  div.  1,  24.;  das.  25.;  das.  26.  etwas  auffallender;  53.; 
fin.  3,  19.;  de  or.  2,  87  ;  Caes.  b.  G.  1,  20.;  3L;  24.;  2,  4.; 
bell.  civ.  1,  35. ;  67. ;  85. ;  Corn.  Nep.  1,  3. ;  2,  7.  (quare  ae- 
qutim  esse);  7,  IL;  14,  5.  6.  Natürlich  steht  da  auch  oft  und 
vielleicht  (?)  mehr  der  Conj.,  z.  B.  Caes.  b.  G.  1,  40.:  ex  quo  iu- 
dicari  posset.  —  In  dem  deutlich,  aber  nicht  gar  vollständig 
behandelten  pronom.  reflex.  finden  wir  wieder  §  319.  den  Satz, 
se  werde  nur  da  gebraucht,  wo  das  Prädicat  und  das  von  ihm 
Abhängige  sich  auf  das  Subject  zurückbeziehe.  Wir  fragen,  was 
das  heisse,  oder  wenn  sich  nicht  ein  Präd.  auf  sein  Subj.  zurück- 
beziehe. —  Wenn  der  Hr.  Verf.  aber  in  den  Paradigmen  der 
Verba  setzen  liess:  „blandiendus,  ff,  um  —  der,  die,  das  ge- 
schmeichelt werden  soll,  muss',  —  so  wissen  wir  nicht,  ob  wir 
Deutsch  u.  Latein  gänzlich  verlernt  haben,  zumal  da  wir  unten  in 
einem  andern  Buche  noch  dieselbe  Erscheinung  haben ,  oder  wie 
solches  sich  einschleichen  konnte.  Was  der  Hr.  Verf.  S.356.  gegen 
das  unmelodische  Pochwerk  unserer  scandit  enden  Philologen  ei- 
fert, die  den  Schüler  ausschelten  würden,  wenn  er  in  Prosa  i'nfandüm 
läse,  aber  im  Virgil  iufandiun  lesen  lassen,  verdient  alle  Anerkennung. 
Fragen  wir  nun  unserm  Plane  getreu  nach  der  Masse  des 
Gegebenen,  so  miiss  es  auffallen,  dass  wir  2  Grammatiken 
neben  einander  stellten,  von  denen  die  eine  für  die  untern 
h hissen,  die  andere  (vom  Hrn.  Dr.  B.)  für  alle  Klassen  des 
Gyinn.  geschrieben  sein  will.  Aber  mau  wird  sich  leicht  über- 
zeugen, dass  hone,  der  die  untern  Klassen  übrigens  wahrschein- 
lich mit  der  Quarta  unserer  Gymnasien  beginnen  wird,  in  der 
Formenlehre  mehr,    in  der  Syntax  nicht  viel  weniger  gegeben 


138  Lateinische  Sprachlehre. 

hat,  als  B. ,  im  Einzelnen,  z.  B.  in  der  Wortstellung,  auch  hier 
wieder  mehr.  Die  Formenlehre  ist  von-Köne  mit  besonderer 
Ausführlichkeit  behandelt  bis  S.  174.  Wir  finden  da  bei  den  De- 
clinationen  viele  Beispiele,  die,  was  uns  recht  gefällt,  gereimt 
unter  einander  gestellt  sind,  z.  B.  iuba,  d.  M. ;  tuba,  die  Tr. ; 
coetia,  poena  etc.,  annus ,  pa/mus,  color,  clor  etc.;  dann  §42. 
ein  aiphabet.  Verzeichniss  solcher  Subst. ,  die  etwas  Unregelmäs- 
siges oder  leicht  Verwechselbares  etc.  haben;  die  Fürwörter ,  so 
wie  Adv.  und  adv.  Redensarten  sind  sehr  vollständig  angegeben; 
die  in  der  Bildung  ihrer  Stammformen  abweichenden  Verba  sind 
alphabetisch  aufgeführt,  nach  vorausgeschickter  Uebersicht  ihrer 
Abweichung.  Vorzüglich  beachtungswerth  aber  ist  die  Wortbil- 
dungslehre, die  wir  den  Lehrern,  weil  sie  in  alien  uns  bekannten 
Grammatiken  so  dürftig  behandelt  ist,  zur  besonderen  Beachtung 
zu  empfehlen  uns  erlauben.  Wir  verweisen  darüber  auf  Jahrb. 
24,  2.  S.  223.  Man  erkennt  darin  zugleich  des  Verf.  wissenschaft- 
lichen Geist  und  wird  manche  Ableitung  finden ,  die  uns  wenig- 
stens überrascht  hat.  Die  Syntax  hat  der  Hr.  Verf.  in  2  Haupt- 
abschnitte getheilt,  in  die  Lehre  von  der  Verbindung  einzelner 
Wörter  und  von  der  Verbindung  der  Wörter  zu  einem  Satze,  und 
er  glaubt  in  der  Vorrede,  dass  diese  Scheidung  des  so  mannich- 
faitigen  Stoffes  von  so  grossem  Nutzen  für  die  Praxis  sei ,  als  ir- 
gend eine  in  der  Grammatik,  wenn  sie  auch  nicht  streng  genom- 
men wissenschaftliche  Anordnung  sei.  Die  praktische  Anwendung 
aber  sei  der  theoretischen  vorzuziehen.  Der  angehende  Lateiner 
lerne  ja  die  Gramm,  nicht,  um  ein  wissenschaftliches  Gebäude 
der  Sprache  zu  überschauen ;  er  lerne  die  einzelnen  Regeln  le- 
diglich für  die  Anwendung  in  einzelnen  Fällen.  Wir  können  uns 
in  gewisser  Hinsicht  hiermit  einverstanden  erklären.  Zwar  for- 
dern wir,  dass  der  Schüler  den  Zusammenhang  der  einzelnen 
Wörter  und  Sätze,  die  Satzlehre  kenne,  aber  er  soll  den  Zusam- 
menhang nur  als  einen  gegebenen  erkennen,  nicht  aber  angewie- 
sen werden,  ihn  in  der  INothwendigkeit  seiner  Beschaffenheit  auf 
die  Gesetze  des  menschlichen  Geistes  zurückzuführen.  Das  bleibt 
höchstens  der  obersten  Stufe  und  auch  ihr  im  Gymnasialunter- 
licht  nur  theilweise  vorbehalten.  Das  Weitere  hierüber  unten. 
Wir  begreifen  aber  in  der  That  nicht,  was  der  Hr.  Verf.  mit  sei- 
ner Scheidung  so  recht  gewonnen  hat,  da  trotz  dieser  Scheidung 
die  Ordnung  die  hergebrachte  ist.  So  werden  erst  die  Kasus  be- 
andelt,  wo  die  Beispiele  meist  vollständige  Sätze  sind  und  auch 
im  ersten  §  „Subject  und  Prädicat"  überschrieben,  schon  Ob- 
jeete,  inier  se,  in  senibus ,  stehen;  dann  folgt:  Subj.  und  Ver- 
bum (Subj.  und  Person,  Subj.  und  Gattung  des  Verbs;  Subj.  und 
Zeit  des  V.,  Subj.  und  Modus  des  V.)  ,  Inf.  und  Verbum,  Partie, 
und  Verbum;  Gerundium,  Supinum  .  . .  und  endlich  noch  Zugabe 
zu  der  Lehre  über  die  Verbindung  einzelner  Wörter.  Da  nun  un- 
ter den  als  Beispiele  gegebenen  Sätzen  sogar  zusammengesetzte 


Latein.  Sthulgrannnatiken  von  Köne  und  Bischoff.  139 

vorkommen  ,  z.  B.  mit  p&siquam  etc.,  so  kann  der  Verfasser  nur 
wollen ,  man  solle  allemal  eine  Rücksicht  bei  der  Einübung  ins 
Auge  fassen  ,  z.  B.  gerade  die  Verbindung  des  Verbs  mit  dem  Da- 
tiv, des  Subj.  mit  dem  Perf.,  und  auch  in  den  Beispielen  das  An- 
dere nur  nebenbei  zum  Verständnisse  bringen.     Aber  das  tliut  ja 
wohl  jeder  Lebrer  ohnebin,  wenn  er  nicht  etwa  eine  Gelegenheit 
benutzt,  etwas  schon  Genommenes  zu  wiederholen  oder  auf  et- 
was Kommendes  vorzubereiten.     Unser  Hr.  Verf.  hat  nun  im  er- 
sten Theile  der  Syntax  die  verschiedenen  Verbindungen  so  weit- 
läufig behandelt,  dass  ihm  für  den  zweiten  Theil  —  Verbindung 
der  Wörter  zu  Sätzen  —  wenig  übrig  bleibt,     lieber  den  einfa- 
chen Satz  haben  wir  da  nur  noch  einen  §,  nämlich  135.,  wobei 
noch  der  Satz  mit  verbundenen  Satzgliedern  vorkommt ;  dann  folgt 
die  Betrachtung  der  neben-  und  untergeordneten  Sätze.     Somit 
könnte  bei  jener  Scheidung  vielleicht  nur  gemeint  sein,  man  solle 
auf  den  logischen  Zusammenhang  der  Sätze  und  der  Theile  des 
Satzes  fürerst  bei  den  Schülern  nicht  dringen,  sondern  nur  das 
Factische  im  Auge  behalten ,  daes  z.  B.  postqucim  mit  dein  Perf., 
ut  mit  dem  Conj.  verbunden  werden   u.  s.  w.      Aber  es  macht 
sich  ja  zum  Theile  von  selbst,  dass  man  z.  B.  sagt,  ut  leite  Ab- 
sichts-  oder  Folgesätze  ein  etc.,  wie  das  der  Verf.  auch  selbst 
thut.     Die  Eintheilung  der  untergeordneten  Sätze  ist  uns  zu  äus- 
serlich  und  auch  theilweise  unrichtig.     Sie  werden  geschieden  in 
Relativsätze,  Sätze  des  Orts  ,  der  Zeit ,  Vergleichungssätze,  Ob- 
jeetssätze,    Sätze  des  Grundes,    Folge-,    Zweck-,  Bedingungs- 
sätze.    Man  sieht,  dass  der  Verf.  die  log.  Abtheilung  einer  ver- 
meinten praktischen  Rücksicht   zum  Opfer  bringen  will.     Sonst 
kann  die  Klasse  der  Relativsätze  offenbar  viele  von  den  folgenden 
(Ortes.,  Objectss.  etc.)  in  sich  fassen.  Unter  die  Objectss.  hat  sich 
Ungehöriges  verirrt,  z.  B.  quid  quaeque  nox  aut  dies  f erat,  in- 
certnm  est.     Es  werden  aber  Objectssätze  nur  die  genannt ,  wel- 
che das  Verbum  im  Conj.  haben!'?     Auch  die  abhängige  Frage, 
z.  B.   quaeritur ,  quare  hieine  ningat ,  wird  zu  den  Objectssätzen 
gerechnet,  ingleicheu  der  Satz,  welcher  den  Casus  bei  den  Ad- 
jektiven dignus  etc.  umschreibt.  Wir  sehen  nicht  ein,  wozu  diese 
Erweiterung  des  Wortes  Object  nützen  kann  und  verwahren  uns 
dagegen.     Auch  ist  es  Missverständnissen  unterworfen,  wenn  es 
§  130.  heisst:    „Die  verbundenen  Sätze  stehen  entweder jsclbst- 
släudig  neben  einander  und  heissen  dann  nebengeordnete  Sätze", 
denn  man  könnte  glauben ,  nur  Hauptsätze  könnten  nebengeord- 
nete sein.     Eben   so  sonderbar  ist  das  Wort  Hauptsatz  gebraucht, 
wenn  es  §  120.  heisst:   ,,Der  Conjunctiv  in  Sätzen,  welche  von 
einem  Hauptsätze  abhängen ,  schliesst  sich  entweder  an  eine  Con- 
junetion  oder  an  ein  Relativum  oder  an  die  Fügung  des  Hauptsa- 
tzes.1''    Der  Conjunctiv  braucht  aber  in  solchen  Fällen  nicht  zu- 
nächst von  einem  Hauptsätze  abzuhängen,  denn  mit  den  Sätzen: 
tyuum   liberales   essent,    ut  beneßci  viderenlur  y   .  .  .  ;    quum 


140  Lateinische  Sprachlehre. 

Pyrrhus  ad  Romanos  legatum  vrisissst,  qvi  parem  peteret; 
quam  Divico  Caesari  dixisset ,  ibi  fnturos  Helvqtios ,  ubi  Cae- 
sar eos  coTistihdsset  .  .  .  sind  alle  drei  bezeichneten  Fälle  aufge- 
führt, ohne  dass  sie  von  einem  Hauptsatz  zunächst  abhingen.  — 
Ueberhaupt  unterscheiden  wir  untergeordnete  und  regierte,  oder 
abhängige,  übergeordnete  und  regierende  Sätze  In  non  intelligo, 
qaae  dixisti,  nennen  wir  den  ersten  Satz  den  übergeordneten,  den 
zweiten  schlechthin  den  untergeordneten,  den  Nebensatz,  und  hier 
genauer  den  Substantivnebensatz  oder  objeet.  Nebensatz;  in  non. 
inteUigo,  quae  dixeris,  bleiben  die  erwähnten  Benennungen  be- 
stehn,  aber  wir  nennen  den  ersten  Satz  zugleich  den  regierenden, 
den  zweiten  den  regierten  und  halten  solche  Unterscheidung  für 
überaus  praktisch,  mag  man  nun  die  gegebenen  Namen  beibehalten 
oder  vielleicht  zweckmässigem  wählen.  —  Uehrigens  ist  im  Ganzen 
der  Vortrag  recht  klar  in  dieser  Grammatik,  und  wir  bitten  den  ge- 
ehrten Hrn.  Verf.,  unsere  Bemerkungen  als  Beweis  der  Anerkennung 
dessen  aufzunehmen,  was  er  uns  geleistet  hat  und  erwarten  lässt. 
Herr  Birector  Professor  B.  sagt  mit  Recht  in  der  Vorrede, 
dass  die  grossen  Fortsehritte  der  wissenschaftlichen  Sprach- 
kunde in  neuester  Zeit  „auf  die  Aneignung  des  sichern  Besitzes 
der  lateinischen  Sprache,  d.  h.  vollkommener  Beherrschung  ihres 
Wortvorrathes,  ihrer  Formen  und  ihrer  Syntax  zum  »erstehen, 
Schreiben  und  Sprechen  bis  jetzt  bei  weitem  nicht  dsn  Einfluss 
gehabt  haben,  welchen  man  davon  erwarten  sollte."  Er  glaubt 
nnd  wiederum  richtig,  dass  der  gelehrteste  Kenner  der  alten  Spra- 
chen häufig  von  dem  gebildeten  Weltmanne  überflügelt  werde, 
wenn  er  sein  Lateinisch  so  beherrschen  und  handhaben  solle,  wie 
dieser  im  Vergleich  sein  Französisch  oder  Englisch;  dass  er  viel- 
mehr sich  nur  gar  zu  oft  zu  diesen  wie  der  Kritiker  zum  Künstler, 
wie  der  llhetor  zum  Redner  verhalte.  Er  fügt  dann  hinzu:  „So 
lange  nun  aber  nicht  die  philosophische  Einsicht  in  den  Bau  der 
Sprache  und  in  die  historische  Entwickelung  desselben  (*f  ders.), 
sondern  ihre  Kenntniss  zum  Behuf  des  Verstehens,  Schreibens 
und  Sprechens  das  nächste  Ziel  des  Sprachunterrichts  ist,  so  lange 
dürfte  es  ein  verkehrter  Weg  sein,  dem  Schüler  diese  durch  jene 
beibringen  zu  wollen."  Wir  können  diesen  Satz  billigen  oder  ver- 
werfen ,  je  nachdem  wir  ihn  verstehn.  Einer  philosophischen 
Einsicht  ist  der  Schüler,  zumal  auf  den  untern  Klassen,  nicht  fä- 
hig, aber  gesetzt,  er  behaupte,  er  brauche  in  seinen  spätem 
Jahren  das  Latein,  weder  zu  verstehn ,  noch  zit  sprechen  ,  noch 
zu  schreiben:  so  werden  wir  doch  behaupten,  dass  ihm  das  Stu- 
dium des  Latein,  für  die  form.  Bildung  seines  Geistes  sehr  nütze. 
Doch  wir  zweifeln  nicht,  dass  wir  mit  dem  Hrn.  Verf.  in  diesem 
Punkte  einverstanden  sind.  Hr.  B.  spricht  sich  dann  naiv -ironisch 
über  die  Pestal.  -  Based.  und  Jacotot'sche  Methode  aus.  Er  will 
nun  ein  Handbuch  liefern,  das  fern  von  philos.  allgemeinsprach- 
lichen  Abstractionen  und  von  der  Aufhäufung  der  Regeln  und 


Latein.  Schulgrammatiken  von  Könc  und  BischofT.  141 

Ausnahmen  ohne  leitenden  Faden  gerade  ein  Handbuch  sei,  durch 
dessen  Gebrauch  in  Schulen,  mithin  verbunden  mit  der  mündli- 
chen Erläuterung  des  Lehrers,  das  Gramm,  der  lat.  Sprache  ge- 
lehrt werde;  er  berechnet  sein  Werk  nicht,  unmittelbar  auf  För- 
derung der  Wissenschaft,  sondern  auf  die  Förderung  des  Unter- 
richtswesens und  bestimmt  seine  Gramm,  für  alle  Klassen,  weil 
der  Vortheil,  dass  der  Schüler  au  einer  Gramm,  heranwachse, 
gross  sei.  Wir  erwidern:  1)  Es  ist  überaus  wichtig,  dass  der 
Schüler  den  Hauptkern  der  latein.  Formenlehre  und  Syntax  bei 
Zeiten,  etwa  in  2  Jahren  erlerne,  damit  er  der  Formen  nicht 
überdrüssig  werde,  auch  früh  anfangen  könne,  zusammenhan- 
gende latein.  Stücke  zu  lesen,  und  so  muss  also  seine  Grammatik 
von  der  Gramm,  der  obern  Klassen  verschieden  sein.  2)  Dem 
Schüler  begegnen  auf  den  obern  Klassen  bei  seinen  Uebersetzun- 
gen  so  von  der  gewöhnlichen  Syntax  abweichende  Fügungen,  so- 
wohl bei  Dichtern  als  Prosaikern,  dass  sie  nicht  bloss  das  Gewöhn- 
liche in  ihren  Gramm,  antreffen  müssen.  Dabei  geben  wir  gern 
zu  ,  dass  manches  für  das  Gymn.  Entbehrliche  in  vielen  unserer 
Gramm,  mitget heilt  ist,  und  wir  haben  deshalb  die  Zumptsche 
schon  von  einem  andern  Gesichtspunkte  aus  betrachtet.  Wir  ha- 
ben hier  nun  bis  S  212.  Formenlehre,  wovon  S.  201 — 212.  Wort- 
bildung enthält,  dann  folgt  Syntax  bis  347.  weit  u.  gross  gedruckt 
und  mit  vielen  Beispielen  verschen,  woraus  man  auf  die  Ausführ- 
lichkeit der  Syntax  schliessen  kann;  dann  röra.  (lat.)  Kalender, 
Abkürzungen,  römische  Geldrechnung,  Metrik.  Es  scheint  in- 
dess  wohl  nichts  besonders  Nöthi^es  weggeblieben  zu  sein,  und 
Manches  kann  der  Lehrer  allerdings  erweitern.  Aber  den  Leh- 
rern, wenigstens  denen  der  untern  Klassen  scheint  Hr.  Dir.  B. 
wenig  zu  trauen ,  da  „viele  Gymn.  sich  gedrungen  sehen ,  diesen 
so  wichtigen  Unterricht  (den  latein.  Elementar -Unterricht)  oft 
jungen,  im  Unterrichten  noch  unerfahrenen  Männern  anzuver- 
trauen." Mag  auch  der  Natur  der  Sache  nach  diese  Bemerkung 
begründet  sein,  so  war  es  doch  wohl  nicht  nöthig,  16  Linien 
latein.  und  deutscher  Zahlwörter  abdrucken  zu  lassen,  mit  der 
Frage,  wie  sie  im  Deutschen  und  Lat.  heissen,  sondern  eine  Li- 
nie derselben  mit  „u.  s.  wS'  genügte.  Aehnlich  ist  es  mit  den 
S.  130.  und  178.  gegebenen  Fragen;  eine  Erinnerung  für  den 
Lehrer  reichte  hin.  S.  178  ff.  sind  nämlich  über  10  L.  lateinische 
Sätze  mehr  als  2  enggedruckte  Seiten  mit  Fragen  gegeben,  der 
Art,  wie:  mors,  nach  welcher  Declin.  und  welches  Geschlechtes 
und  wovon  hängt  ...  ab'?  In  welchem  Casus?  .  .  .  War  ein  Satz 
so  durchgenommen  und  bemerkt,  man  solle  ähnlich  mit  allen  ver- 
fahren, so  müsste  der  Lehrer  auf  den  Kopf  gefallen  sein,  wenn 
er  nicht  selbst  wüsste,  was  zu  thun  wäre.  Unnölhige  Breite 
macht  sich  auch  S.  73.,  9.,  52.  geltend,  wobei  wir  die  Absicht 
des  Verfassers  gar  sehr  billigen.  Wie  er  aber  dazu  kam,  diese 
Regeln  über  das  Geschlecht  der  Wörter  abdrucken  zu  lassen. 


142  Lateinische  Sprachlehre. 

begreifen  wir  nicht.  Wir  sind  nicht  gegen  die  gereimten ,  denn 
der  Gedankenlosigkeit  wird  sich  leicht  vorbeiigen  lassen ;  was 
sollten  aber  Schüler  mit  irpex  ?  ramex  ?  cor  (lex  '*  und  gar  penis  ? 
coecyx?  anthrax?  u.  s.  w.  Das  sind  Wörter,  die  einem  Manne 
in  den  latein.  Schriftstellern  vielleicht  noch  nicht  vorgekommen 
sind,  und  der  Knabe  soll  auf  der  Sextanerbank  sein  Gedächtniss 
damit  beschweren'?  Es  wäre  doch  wohl  nicht  so  grosse  Kunst, 
die  gewöhnlichsten  Wörter  in  neue  Reime  zu  bringen.  —  Uebri- 
gens  ist  der  Vortrag  der  Regeln  im  Ganten  klar  und  gründlich, 
und  wir  statten  dem  Verf.  für  manche  schöne  Bemerkung,  die 
wir  uns  aus  seiner  Gramm,  aneigneten,  unsern  aufrichtigsten 
Dank  ab.  Die  Nebensätze  sind  in  Relativ- ,  Causal-,  Temporal-, 
Consecutiv-  und  Final-,  Conditional-,  Concessiv-  und  Frage- 
sätze abgetheilt,  wofür  wir  systematischere  Abtheihing  wünsch- 
ten, da  z.  B.  der  Verf.  selbst  S.  323.  zugiebt ,  dass  der  Relativ- 
satz auch  die  Kraft  eines  Finalsatzes  erhalten  könne  u.  s.  w. 
Siehe  oben ! 

3)  Die  Gramm,  von  Burchard  ist  jetzt  in  ihrer  4.  Aufl.  er- 
schienen. Sie  giebt,  um  hier  einmal  nach  der  umgekehrten  Ord- 
nung unsers  Recensirplanes  zu  Werke  zu  gehen,  von  S.  135 — 266. 
Beispiele  zur  Uebersetzung  ins  Latein  in  2  Curstis,  und  von  Seite 
267 — 361  eben  so  solche  zur  Uebersetzung  aus  dem  Latein,  zu- 
letzt aus  Nepos;  von  362 — 415  ist  Lexikon.  Bei  den  Deck  sind 
viele  Subst.  und  Adj.  angegeben,  die  von  den  Schülern  auswen- 
dig gelernt  werden  müssen  und  zugleich  die  Verbindung  von  Sub- 
stantiv und  Adjcctiv  einüben  können.  Den  Conjugationen  folgt 
ein  Verzeichniss  der  Verba  mit  abweichenden  Perfect-  und  Su- 
pinformen,  die  nach  der  Verschiedenheit  der  Endung  des  Per- 
lects  mit  besonderer  Berücksichtigung  des  Charakters  in  4  Klassen 
getheilt  sind,  ohne  Unterscheidung  der  Conj.,  nach  der  Ansicht, 
dass  es  eine  regelmässige  Conj.  und  drei  zusammengezogene  gebe. 
Die  erste  Klasse  hängt  i  an  den  Stamm  des  Verbs ,  die  2.  hat  im 
Perf.  si,  die  3.  ui  (hier  kommen  aeuo  ,  solvo,  iuvo ,  rno  .  .  vor, 
?.ur  ersten  Klasse  ist  dagegen  lavo  lavi  etc.  gerechnet  [?] ) ;  die  4. 
vi  mit  vorhergehendem  o,  e,  /',  o.  Die  Syntax  giebt  von  der  sog. 
Ucctionslehre  von  102  — 118  das  Nöthigste;  dann  folgt  das  Ver- 
bum:  tempora,  modi,  infinit.,  gcrund. ,  ablat.  abs.  und  zuletzt 
Gebrauch  des  pron.  sui  etc.  —  S.  128.;  darauf  Genusregeln  als 
Anhang,  obgleich  früher  bei  den  Deck  das  Nöthigste  vom  Genus 
schon  vorgekommen  ist.  Wir  brauchen  das  Buch  auf  unserm 
Gvmn.  von   Sexta  bis    Quarta*)    ehig.,    wobei    wir   auf  Quarta 


*)  Da  die  Gramm,  wohl  mehrfach  noch  auf  Quarta  gebraucht  wird, 
so  bitten  wir  den  Hrn.  Verf.  zu  bedenken,  ob  nicht  die  Wortbildungs- 
lehrc  zumal  da  sie  im  deutschen  Sprachunterrichte  in  den  untern  Klas- 
sen genommen  wird,  passend  wäre,  wobei  wir  ihn  auf  liöne-Rück- 
sicht  zu  nehmen  ersuchen  würden. 


Latein.  Schulgianimatik  von  Burcliard.  143 

die  Syntax  vielfach  erweitern,  was  sich  häufig  an  den  Nepos, 
häufig  an  die  deutsch -lateinischen  Arbeiten  anschliesst.  Zu  den 
letztern  ist  auf  Quarta  ein  anderes  Buch  nöthig.  In  Bezug  nun 
auf  Auswahl  des  Stoffes  räumen  wir  unserer ,  zunächst  für  die 
beiden  untern  Klassen  berechneten  Burch.  Gramm,  gerne  ein, 
dass  sie  so  fast  das  Zweckmässige  enthält ;  Originelles  kann  hier 
kaum  erwartet  werden.  §  48.  Anm.  3.  jedoch  heisst  es ,  alle 
Ortsbestimmungen  ständen  auf  die  Frage  wo?  mit  lotns  und  omnis 
im  blossen  Abi.  gewöhnlich.  Bei  omnis  kannten  wir  diese  Regel 
nicht,  sie  kann  richtig  sein;  Rec.  bescheidet  sich  anzuführen, 
was  er  weiss:  Cic.  Verr.  4,  10,  23.:  in  omni  orbe  terra/ um;  in 
omni  mundo ,  de  n.  d.  2,  6.;  ib.  2,  62. ;  Sext.  24. ;  in  omni  Gal- 
lia,  Hirt.  b.  G.  8,  46.  Bei  dem  genit.  part.  sind  die  Zahlwörter 
ganz  weggelassen,  was  wir  nicht  billigen;  über  die  Adj.  mit  dem 
Gen.  §  59.  s.  Jahrb.  B.  24.  H.  2.  S.  207.;  über  die  Verba  des  Er- 
innerns  ebcnd.  S.  204. ;  über  den  Imper.  mit  ne  S.  213.  Ueber 
die  Abfassung  mancher  Regel  sind  wir  mit  dem  Hrn.  Verf.  nicht 
einverstanden;  statt:  „Man  sagt:  Mihi  opus  est  aliqua  re,  mir 
ist  eine  Sache  nöthig'1  etc.,  würden  wir  lieber  sagen :  „Bei  opus 
esse,  nöthig  sein,  steht  derjenige,  welcher  etwas  nöthig  hat, 
oder  welchem  etwas  nöthig  ist,  im  Dativ;  was  er  nöthig  hat  oder 
was  ihm  nöthig  ist,  steht  im  Abi.  oder  Nomin  "■  und  ähnlich  bei 
mihi  est,  ich  habe;  mihi  nomen  est  u.  s.  w. ,  da  verworrene 
Schüler  setzen:  Mihi  Cimoni  opus  erat  u.  s.  w.  —  S.  104.  7. 
wird  gesagt ,  das  Prädicat  stehe  im  Plur. ,  wenn  etc.  Aber  ist 
das  Wort  Präd.  gut  gewählt'?  Im  Satze:  Dux  et  milites  praeda 
hostium  fuerant ,  ist  praeda  auch  Prädicat  und  doch  steht  es  im 
Singular.  S.  119.  heisst  es:  In  Hauptsätzen  folgt  auf  ein  Praes. 
wieder  ein  Praesens  u.  s.  f.  Was  heisst  das?  Kann  ich  nicht 
sagen:  Ille  rogabat  vehementissime ,  sed  ego  ei  obsecutus  non 
sum.  Und  ist  es  nicht  in  Nebensätzen  eben  so '?  Und  ist  es  wahr, 
dass  auf  ein  perf.  ind.  des  Hauptsatzes  bei  Conjunctionen,  die 
den  Conj.  regieren,  imperf.  coni.  stehen  müsse,  wie  es  S.  119. 
heisst  1  Doch  wohl  nur  nach  dem  perf.  bist.!  Die  Regel,  welche 
Zumpt  §  512.  angiebt,  ist  verstand  lieber  .und  richtiger.  —  Wes- 
halb der  abl.  ger.  bloss  als  instr.  aufgefasst  wird  und  von  in  nicht 
die  Rede  ist,  wissen  wir  nicht.  Blissbilligen  müssen  wir  auch, 
dass  §  56.  nur  vom  abl.  abs.  und  nicht  sonst  vom  Part,  die  Rede 
ist.  Die  dort  gegebene  Regel:  Wenn  Nebensätze  durch  Purtikeln, 
vue:  als,  nachdem,  da,  wann,  während,  mit  einem  vom  Haupt- 
sätze verschiedenen  Subjecte  eintreten  ,  so  kann  mit  Weglassung 
der  Conj.  ihr  Suhj.  in  den  Ablat.  des  der  Handlung  oder  dem  Zu- 
stande angemessenen  Particips  gesetzt  werden,  halten  wir  für 
mehrfach  ungenügend  und  unpraktisch.  Was  soll  da  „Hauptsatz"'? 
Falls  ich  sage:  Als  Cäsar,  nachdem  die  Soldaten  den  Kid  der 
Treue  geleistet  hatten,  voiwärts  rückte  ...  so  kann  ein  sogenann- 
ter ablat.  abs.  eintreten ,  obwohl  noch  gar  kein  Hauptsatz  da  ge- 


144  Lateinische  Sprachlehre. 

wesen  ist.  Dann,  wie  undeutlich:  mit  einem  vom  Hauptsatz 
verschiedenen  Subjecte?  Was  heisst  es:  Das  Subj.  ist  vom 
Hauptsatz  verschieden '2  Vielleicht  vom  Subject  des  Hauptsatzes? 
Nein,  dann  kann  doch  noch  kein  ablat.  absol.  stehen  dürfen.  Wir 
würden  die  Regel  so  fassen:  Wenn  Adverbialsätze  mit  den  Parti- 
keln als  etc.  anfangen  und  im  übergeordneten  Satze  ( —  der  Name 
ist  schon  aus  der  deutschen  Uebung  bekannt  — )  kein  Pronomen 
vorkommt,  welches  sich  auf's  Subject  jenes  Adverb'alsatzes  be- 
zieht: so  kann  man  dieses  in  den  Abi.  setzen  und  mit  Wcglassung 
der  Partikel  das  Vcrbum  im  Particip.  damit  übereinstimmen  las- 
sen; kommt  aber  im  übergeordneten  Satze  ein  Pronomen  vor, 
welches  sich  auf's  Subject  jenes  Nebensatzes  bezieht,  so  iässt 
man  dieses  Pronomen  aus,  setzt  das  Subject  des  Nebensatzes  mit 
WTeglassung  der  Partikel  in  den  Casus,  worin  das  ausgelassene 
Pron.  hätte  stehen  müssen,  und  lässt  das  Verbum  im  Partie,  da- 
mit übereinkommen.  Wir  haben  dann  auch  die  Regel  über  das 
Partie,  in  den  andern  Casus.  Man  nenne  solch  eine  Abfassung 
mechanisch,  aber  wir  können  alles  Mechanische  für  diese  Stufe 
nicht  entbehren,  und  in  der  andern  Fassung  ist  die  Kegel  eben  so 
mechanisch.  Eb/m  so  verworren  ist  §  57.  Se  .  .  .  stehe ,  heisst 
es,  wenn  die  deutsehen  Fürwörter  1)  in  Hauptsätzen  sich  auf  das 
Subject  der  Hauptsätze  beziehen,  *2)  wenn  sie  in  Nebensätzen 
sich  auf  das  Subject  eines  Hauptsatzes  beziehen,  in  welchem  das 
Prädicat  ein  Verbum  des  Redens  oder  Denkens  ist.  Aber  was  für 
eine  Erklärung  von  Haupt-  und  Nebensatz  sollen  wir  dann  hier 
zu  Grunde  legen1?  Der  Satz:  „Als  Caesar  seine  Soldaten  (sich) 
gestärkt  hatte;  als  er  sich  erinnerte,  dass  er"  ...,  fordert  ein 
reflex. ,  und  doch  ist  kein  Hauptsatz  da.  Dagegen  darf  im  Fol- 
genden: Der  Knabe  hat  mir  das  wieder  erzählt,  was  du  ihm  ge- 
sagt hast,  kein  refl.  stehen,  obwohl  hier  im  Nebens.  das  „ihm" 
sich  auf  das  Subj.  des  Hauptsatzes  bezieht,  und  dieser  zum  Präd. 
ein  Verbum  des  Redens  hat.  Wir  pflegen  die  Regel  für  diese 
Stufe  so  zu  fassen:  Se  .  .  steht,  1)  wenn  die  deutschen  Fürwör- 
ter sich  beziehen  auf  das  Subj.  desselben  Satzes,  2)  wenn  sie  in 
einem  abhängigen  Satze  sich  auf's  Subj.  des  regierenden  Satzes 
beziehen."  Regierende,  abhäugige  Sätze  lassen  sich  dann  leicht 
deutlich  machen.  Auch  die  Apposition  §  46.  erklären  wir,  von 
allem  Andern  abgesehen,  lieber  durch  einen  mit  „welcher  ist" 
aufzulösenden  Satz  für  diese  Stufe.  Und  wie  unpraktisch:  „Bei 
doceo  etc.  steht  sowohl  die  Person,  als  auch  die  Sache  des  Obj. 
im  accus."  Was  ist  Person  und  Sache  des  Obj.?  Ich  denke: 
„Das,  was  ich  Einem  lehre,  und  der,  dem  ich  es  lehre,  steht 
etc.  Aehnlich  §  48,  7.  §  50.  ist  der  gen.  qualit.  so  abgefasst: 
„Wenn  die  Präposition  von  bei  einem  mit  seinem  Adjectiv  ver- 
bundenen Subst.  eine  Eigenschaft  ausdrückt,  so  steht  das  Subst. 
im  blossen  Genitiv.  —  Nicht  auch  das  Adj.?  Was  heisst  es: 
Die  Präposition  von  drückt  eine  Eigenschaft  aus?     Auch  sollte 


Latein.  Schulgraiumatik  vor  Burchard.  145 

§  47,  6.  hinzugefügt  sein:  „man  glaubt,  dass  ...  —  credor,  pu- 
tor,  exist." ,  weil  im  Lesebuch  derartige  Sätze  vorkommen,  S. 
280.  Zudem  würden  wir  in  solchen  Regeln  die  latein.  Wörter 
aliemal  einzeln  gegen  die  deutschen  derselben  Bedeutung  stellen 
und  nicht  die  deutschen  alle  zusammen  und  die  latein.  zusammen; 
also:  Es  scheint,  dass  . . ,  videor  ;  mau  sagt,  dass  . . ,  dicor  . . . ; 
und  ähnlich  §  48.  u.  a.  —  Ueber  die  Subst.  der  1.  Declination, 
welche  im  abl.  abus  haben  sollen,  den  Genit.  der  neutr.  nach  der 

4.  Decl.,  über  die  Genusregel,  über  ditior,  posterus  etc.,  rfe- 
cimus  tertius ,  bismille,  trecenties  mille  milites  (auch  milleni^ 
bis  milleni  wird  unklassisch  sein),  audiisse,  bibitum,  das  Perf. 
von  fr  endo,  parcitum  (Zumpt  §  194.),  alsum,  serptum,  quassi^ 
send,  sei  tum  (1),  crevt,  er etum  (sehen),  (furo),  quid,  faux 
(S.  15.  §  14.  steht  richtig  fauces) ,  circum  (S.  98.  bei  Zahlbe- 
griffen),  s.  oben  und  vgl.  Zumpts  Gramm.  Weshalb  steht  aber 
hei  doleo  und  careo  einfach:  „ohne  Supinum"?  So  verbürgt, 
wie  cariturus  und  doliturus,  möchten  manche  Formen  nicht  ein- 
mal sein ,  und  das  eigentliche  Supinum  kommt  ja  bei  den  meisten 
Verben  nicht  vor.  S.  73.  ist  das  ungebräuchliche  simplex  cendo 
aufgeführt,  aber  es  heisst,  wie  Köne  richtig  hat,  cando  (fact.  zu 
candeo,  vrgl.  pendo,  pendeo  etc.).  S.  104.  heisst  es:  existere, 
apparere ,  videri,  als  etwas  erscheinen.  Aber  wie  kann  man 
diese  drei  Wörter  ohne  weiteres  neben  einander  stellen !  —  Ins- 
besondere aber  müssen  wir  den  geehrten  Hrn.  Verf.  dringend 
bitten,  im  Lesebuche  das  viele  unklassische  Latein  auszumerzen, 
welches  zum  Tbeile  in  den  unter  den  deutschen  Beispielen  sich 
findenden  Anmerkungen,  theils  in  lateinischen  Lesestücken  (Fa- 
beln, Mythologie  etc.)  vorkommt.  So  soll  z.  B.  S.  139.  „die  be- 
rühmtesten 20  Feldherren"  durch  celeberrimi  etc.  übersetzt  wer- 
den. Eben  so  S.  271.:  celeberrimi  diseiptdi  Socratis  etc. ;  de- 
bellare  soll  bekriegen  heissen,  z.B.  S.  181.  und  186.:  Kaum  hat- 
ten die  Römer  den  zweiten  Punischen  Krieg  geendigt  (ßnio),  als 
sie  Macedonien  bekriegten  (debello).     Vergl.  S.  230.  und  232. 

5.  185.  steht :  Es  waren  30  Tage  verflossen  (jjraeterlabor) ,  vgl. 
S.  256.  18.  und  S.  156.  und  dies  elapsi  S.  329.  S.  164.  soll  das 
Präs.  „anfängt"  mit  coepit  übersetzt  werden.  —  Auch  zu  unge- 
naue Uebersetzungen  sind  mit  Recht  missfällig.  Dei  Satz:  „Gott 
hat  die  Welt  mit  allen  Gütern  angefüllt"-,  soll  ornare;  „Alexan- 
der zog  bis  an  den  Ocean"  S.  141.,  penetrare  aufnehmen ,  und 
S.  267.  soll  in  den  Wrorten:  Hyaenas  Jfrica  praeeipue  alit,  das 
letzte  Wort  durch  „ernährt,  bringt  hervor'4  übersetzt  werden. 
S.  246.  soll  in:  ,, Griechenland  hat  sich  durch  Gelehrsamkeit  aus- 
gezeichnet'1, das  letzte  Wort  mit  oruari  zu  geben  sein.  Mit 
heisst  aber  nie  „bringt  hervor",  anfüllen  heisst  nicht  ornare,  und 
„ziehen"  nicht  penetrare.  Wir  sind  Köne  gerade  dafür  recht 
dankbar,  dass  er  das  Latein  an  das  Deutsche  möglichst  enge  an- 
zuschliessen  sucht,    und    erkennen  darin   eben  den  praktischen 

y.  Jahrb.  f.  Fiül.  u.  i>üd.  od.  Krit.  Bibl.  Bd.  XXVIII.  HJt.'i.  10 


146  Lateinische  Sprachlehre. 

Schulmann.  Wir  lassen  nun  noch  einiges  unserer  Einsicht  nach 
Unklassische  oder  bloss  Dichterische  folgen.  S.  282.:  quorum 
unus  besser:  e  quibus;  S.  283.:  petüt;  S.  284  u.  285.:  Respon- 
dit agrestis  (jnus)}  respondit  illa;  hirundo  rursus ;  Insiat  per- 
nicies,  ait*)',  S.  285.  11.:  atris  tenebris  se  condidit;  das.  12.: 
ovis  domino  dixit :  Mirum  facis  etc. ;  vgl.  277.  u.  284.  u.  S.  287. : 
lupi  necantur ,  clamant,  ?iali  nostri  etc.;  das.  postquam  fece- 
rant;  vgl.  dum  .  .  .  oppugnabat ,  S.  271.  und  postquam  mit  dem 
Plusquamperf. ;  das.  16.:  quo  se  loco  conderet;  vergl.  S.  283. ; 
noli  timere,  pastor  ait;  maximas,  lupus  dixit .  .  gratias  ago. 
So  mit  respondit  und  ait  noch  mehr,  z.  B.  S.  288.  17.;  18.;  S. 
289.  21.;  22.  -  S.  289.  22.  steht:  nequissem;  S.  141.:  differo, 
distuli,  düatum  in  der  Bedeutung  „sich  unterscheiden'1;  S.287. 
16.:  num  huc  lupum  venire  vidisli?  Qua  parte  fugit,  wo  der 
Fragende  auf  die  erste  Frage  offenbar  bejahende  Antwort  erwar- 
tet; S.  293.:  cum  lunala  in  fronte  pingitur  (s.  Krebs  Antibarb. 
S.  164.);  S.  223.:  meridionalis ,  S.  335  u.  343.:  borealis ;  oft 
et ,  wo  es  nicht  stehen  sollte ,  z.  B.  ver ,  aestatem ,  uuetumnum 
ethiemem,  S.  333.;  das.  eclipsis  und  non  nisi;  S.  290. :  vulgus 
tarnen  innumeros  [innumerabiles  —  vgl.  S.  153.)  fere  deos  cole- 
bat,  donec  christiana  religio  doctrinam  de  uno  deo  latius  pro- 
pagaret  ( — avit);  S.  272.:  ursis  .  .  inest  für  in  ursis  inest ; 
das.  palatium ;  S.  273.:  Saeculo  deeimo  septimo  (sept.  d.)  bel- 
lum gestum  est,  quod  totam  fere  Germanium  devastavit  {quo 
tota  ...  );  S.  276.  (vgl.  331  u.  204.):  mare  mediterranenm; 
das.  post  proelium  apud  Cannas  Hannibal,  si  Romam  proper  as- 
set ,  in  Capitolium  die  quinto  epulaturus  fuisset  ;  das.  hoc  si 
eris  facturus,  nuntium  ad  nie  mitte  {rnittU6)\  279.:  absque 
Camillo,  vgl.  331. ;  281.:  ars  sculptoria;  das.  alieubi  pater  in 
vinea  nobis  abscondit  thesaurum  (aliquo  abdidil);  S.  284. :  si 
collabort  onus  fiet  levius  (s.  Zumpt  §  510.);  S.  288.:  ciconia 
inquit  für  inquit  c. ;  S.  324. :  confiteminor  peccata  vestra  neque 
timetote  poenam  (der  Imper.  mit  ne  steht  oft  in  den  Beispielen; 
s.  Jahrb.  24,  2.  S.  213.);  S.  326.:  prosüiunt  lacrimae  prae 
laetitia ;  328.:  orientalis ;  Ciceroriis  merita  de  palria  [in  pa- 
triam);  332.:  poliinetura  (*?!);  334.:  versus  ortum,  vgl.  339. ; 
336.:  aqua  fluvialis  et  fontana;  337.:  pagus  in  der  Bedeutung 
Dorf;  338.:  quaqua  versus;  auetor  (Schriftsteller)  S.  145.;  in- 
vicem  statt  int  er  vos  S.  152.;  infortunium  S.  188.;  S.  203.  ist 
das  Supin.  poscitum  zu  streichen;  milliare  steht  S.  202.;  221.; 
zu  attentio  (Aufmerksamkeit)  S.  219.  setze  man  animi;  statt  co- 
mela  231.  cometes ;  auch  meinen  wir,  dass  wo  valebant  für  po- 
terant  stände.     So  weit  unsere  Blumcnlese  aus  der  4.  Ausgabe 


*)  Ueber  ait  möge  man  Krebs  Ant.  S.  100.  sehen,  der  wahrschein- 
lich durch  einen  Druckfehler  dort  Cic.  or.  II,  30.  anführt,  wo  XI,  36. 
stehen  sollte,  und  unsere  Bemerkung;  Jahrb.  24.  2.  S.  218. 


Vorschule  zu  dem  Iatcin.  Sprachunterr.  v.  Bagge.  147 

eines  Schulbuches.  Uebrigens  ist  verständiger  Stufengang  im 
Lesebuche,  und  die  Sätze  sind  meist  gediegenen  Inhalts,  und  so 
können  wir  dem  Hrn.  Verf.  für  seine  Bemühung  um  das  Unter- 
richtswesen unsern  Dank  nicht  versagen. 

4)  Weit  beschränkter  ist  die  Vorschule  von  Bagge,  und 
wenn  wir  nach  der  Burch.  Grammatik  gleich  auf  Untertia  z.  B. 
Zumpts  Gramm,  gebrauchen  können  (freilich  mit  Ueberschlagung 
von  Manchem),  so  möchte  das  hier  kaum  angehen,  und  doch 
wird  man  auch  wohl  nicht  gern  3  latein.  Grammatiken  brauchen 
wollen.  So  finden  wir  hier  z.  B.  beim  Genitiv  die  Wörter  admo- 
nere,  commonere  (erinnern  etc.)  nicht  erwähnt,  die  ganze  Re- 
ctionslehre  steht  auf  4  Seiten,  während  doch  wieder  Adverbia 
mit  dem  Genitiv  (?/6j,  quo,  tcnde,  usquam,  unquam ,  tunc, 
tum  etc.)  aufgenommen  sind,  die  recht  gut  wegbleiben  konnten, 
da  ja  iunc ,  tum  temporis  gar  unklassisch  ist.  Ueber  mehrere 
Subjecte  im  Satze,  die  Beziehung  eines  Adj.  etc.  auf  mehrere 
Subst.  ist  Nichts  zu  finden.  Wir  haben  hier  XIV  Seiten  Vorreden, 
dann  von  S.  1  —  82  Declination,  Coraparation,  Pronomina,  Zahl- 
wörter, Conjugation  (von  S.  60  —  68  eine  Sammlung  regelmässi- 
ger und  unregelmässiger  Verba),  Sammlung  von  Präpositionen, 
Conjunctionen  und  Interjectionen ;  von  83  —  92  Syntax,  von  93 
— 136  lat.  Sätze.  Der  V  erf.  geht  von  der  im  Ganzen  löblichen 
Ansicht  aus,  dass  die  Schüler  bei  Einübung  der  Paradigmen  schon 
so  viel  Wörter  auswendig  lernen  müssen,  als  sie  zur  Uebersetzung 
der  ersten  latein.  Lesestücke  nöthig  haben.  In  diesen  sollen  dann 
auch  nur  die  bei  den  Paradigmen  gegebenen  Wörter  vorkommen, 
später  auch  wohl  deren  Composita  und  Derivata;  auch  —  was 
durchaus  zu  billigen  ist  —  soll  für  den  ersten  Anfang  keine  Con- 
struction  sich  finden,  welche  nach  dem  Plan  des  Ganzen  nicht 
vorkommen  konnte;  die  späteren  latein.  Sätze  sollen  zugleich  auch 
die  früher  gegebenen  Kegeln  wieder  vorführen.  Daher  dann  die 
Weglassung  des  Wortregisters,  die  wir  in  der  That  nicht  gut  heis- 
sen,  da  auch  bei  dem  sorgfältigsten  Memoriren  augenblickliche 
Vergessenheit  den  Schüler  in  Verlegenheit  setzen  und  zu  Abwe- 
gen führen  kann.  Einen  Anhang  zur  Uebersetzung  in's  Lateini- 
sche verspricht  der  Hr  Verf.  in  der  Vorrede  zur  zweiten  Auflage, 
wir  kennen  ihn  jedoch  nicht.  Die  syntaktischen  Regeln  sind  nicht 
durch  Beispiele  erläutert  und  nur  zur  näheren  Erörterung  des 
Lehrers  angedeutet.  Wir  billigen  dieses  keineswegs,  sondern 
behaupten  mit  Burchard,  dass  die  Regeln  einer  solchen  Gramm. 
so  klar -und  so  bestimmt  gegeben  sein  müssen,  dass  der  Schüler 
sie  als  Sprachgesetze  für  immer  auswendig  lernen  kann ;  auf  hö- 
heren Klassen  müssen  sie  dann  immer  erweitert  und  für's  Ein- 
zelne näher  bestimmt  werden.  Wir  sind  der  Einübung  mit  gan- 
zer Seele  zugethan  und  wissen  wohl ,  dass  unsere  grossen  neuen 
Lateiner  sich  durch  Lesen  und  Ueben  gebildet  haben  ,  aber 
die  Klarheit  des  vorgehaltenen  Sprachgesetzes  kürzt  den  Weg  ab, 

10* 


143  Lateinlecho  Sprachlehre. 

und  unsere  Schüler  sind  nicht  alle  so  grosse  Geister,  als  wir  ehen 
andeuteten.  Auch  Beispiele  zu  den  syntaktischen  Kegeln  dürfen 
nur  dann  fehlen,  wenn  der  Lehrer  sie  mündlich  ergänzt.  Ent- 
schieden aber  müssen  wir  uns  gegen  die  hier  vorfindliche  Abfas- 
sung solcher  Regeln  erklären.  Man  lehre  doch  vor  Allem  dem 
Schüler  Nichts,  was  man  ihm  später  wieder  aus  dem  Gedächt- 
nisse mit  Mühe  heraustreiben  muss.  Es  kommt  zu  diesem  Tadel, 
den  wir  begründen  wollen,  noch  hinzu,  dass  der  Hr.  Verf.  es 
mit  klassischer  Latinität  nicht  so  genau  nahm ,  wofür  das  Lese- 
buch auch  nach  den  vom  Hrn.  Dr.  Geist  in  der  3.  Aufl.  gemachten 
Verbesserungen  noch  einige  Belege  angiebt.  Es  heisst  nun  aber 
'S.  81.  bei  Aufzählung  der  Conjunctionen :  „Ben  Conjunctiv  regie- 
ren bisweilen:  quod,  weil,  dass;  postquam,  tibi,  ut  pr. ,  quum 
pr. ,  simul  ac  .  .  .  (nachdem ,  sobald  als  —  Perf.  Ind.  —  nicht 
Plusq.  —  sobald  etwa —  Coni.);  etsi,  tametsi,  etiamsi,  quam- 
quam  (obgleich  Ind. ,  wenn  auch  Coni.) ;  quam,  wie  sehr  (gewiss, 
Ind.,  ungewiss  Coni.);  si,  wenn  Ind. ,  wofern,  wenn  auch,  wenn 
etwa  Coni.'*  etc.  —  Weshalb  ist  nicht  auch  et  etc.  aufgeführt 
als  bisweilen  mit  dem  Conj.  stehend,  z.  B.  Illud  certe  scio,  et 
hoc  sine  ulla  dubitatatione  c  onfirmaverim,  esse  ....  Auf 
dem  ersten  Blatte  der  Syntax  S.  83.  steht:  Sui ,  sibi,  se  und 
stius,  a,  um  bezieht  sich  auf  das  nähere  Subject1''  (z.  B.  in  dem 
S.  135.  gegebenen  Satzvereine:  Herculi  Eurystheus  res  impera- 
vit,  ut  arma  reginae  Amazonuni  sibi  äffet ret,  wo  ja  sibi  aufs 
Subj.  zu  afferret  sich  bezieht'?!  u.  s.  w.);  is,  ea,  id  oder  ille,  «, 
ud  bezieht  sich  auf  das  entferntere  Subject' k  (vor  allem  nicht  aufs 
Object!);  „durch  ipse,  a,  um  werden  Zweideutigkei- 
ten vermieden"  11  S.  84.:  ,,Der  Genit.  steht  auf  die  Frage 
wessen*1,  und  auf  alle  Fragen  mit  einer  Präposition,  wo  ein  un- 
vollständiger Begriff  zu  ergänzen  ist",  z.  B.  vertrauend  auf  eure 
Einsicht,  —  worauf?  fretus  intelligentiae  vestrae?!  zufrieden 
mit . . ,  begabt  mit  . . .  Schlimm  ist's  freilich,  dass  man  S.  86. 
liest:  „Der  Abi.  steht  auf  die  Fragen:  wovon4?  wodurch?  womit1? 
etc.  Der  sogenannte  Genitiv  der  Eigenschaft  lautet  hier:  „NB. 
Eben  so  steht  auch  im  Latein,  der  Genit.,  wenn  im  Deutschen 
eine  Person  oder  Sache  nach  ihrer  Eigenschaft,  Gestalt,  Zeit, 
Dauer,  Grösse,  Zahl,  oder  nach  ihrem  Werthe  vermittelst  der 
Präposit.  von  beschrieben  wird."  Also  puer  ingenii,  societas 
trium,  und  ohnehin  wie  unverständlich!  Auch  wird  nicht  Ein- 
sicht in  Sprachwissenschaft  angebahnt.  Eben  das.  heisst  es, 
wenn  ein  Wort  von  einem  Ganzen  nur  einen  Iheil  aussondere 
etc. ,  so  stehe  der  Genitiv ,  auch  de  etc. ;  dann  folgt  das  eben  an- 
gegebene NB.,  dann  der  Genit.  bei  causa,  gratia  etc.,  darauf 
der  Genit.  bei  Adject.  peritus  etc.  und  endlich  bei  einigen  Adj. 
und  Pron.  neutris,  wenn  sie  als  Subst.  gebraucht  tverden,  z.  B. 
bei  quantum  etc.  Eben  so  folgt  trotz  des  NB,  noch  auf  der  fol- 
genden Seite:  „bei  dem  Verbo  sum:  a)  Wenn  es  ('?!!)  eine  Ei- 


Vorschule  zu  dem  latcin.  Spracluinterr.  v.  Bagge.  149 

genschaft  oder  Beschaffenheit  bezeichnet.11  Der  doppelte  Accus, 
stehe,  heisst  es,  bei  den  Verbis  etc.  „sich  zeigen"  (praebere 
und  praestare  sind  gemeint,  diq  übrigens  auch  im  Latein,  das 
Pronomen  fordern),  celare  fehlt.  Regeln,  wie  dass  der  Accus, 
bei  den  Verben  stehe,  welche  mit  den  einen  Accus,  regierenden 
Präpositionen  zusammengesetzt  sind,  der  Ablat.  bei  verb.  corapos. 
mit  einer  Präpos.  des  Abi.,-  däss  viele  mit  Präpos.  zusammenge- 
setzte Verba  den  Dativ  auf  die  Frage  wem  ?  oder  für  wen  1  re- 
gierten, sind  für  den  Schüler  in  dieser  Fassung  Nichts  werth  und 
konnten  ganz  entbehrt  werden,  wie  sie  denn  Burchard  auch  nicht 
hat.  Und  was  soll  der  Schüler  mit  den  Fragen :  wo?  wonach? 
woran  ?  worin  *?  woraus  ?  worauf?  worüber  ?  machen ,  auf  wel- 
che der  Abi.  stehe!  Steht  ja  auf  die  Frage  wo?  fast  immer  in 
mit  dem  Abi.  und  auf  die  Frage  woran?  steht  gewiss  häufiger  eine 
andere  Constr.  als  der  Abi.  (vergl.  denken,  sich  erinnern  an  Je- 
mand; hangen  an  .  .  /  stehen,  sitzen,  gehen  am  Bache  .  .  , 
stosseji  an  .  .  u.  s.  w.) ,  so  dass  solche  Angaben  völlig  unpractisch 
sind.  Aehnlich  bei  den  andern  Fragen.  Auf  die  Frage  wohe?  ?, 
sagt  die  Regel,  stehen  Städtenamen  im  Abi.  mit  oder  ohne  ab; 
nach  den  Verben:  bitten,  ermahnen  etc.  steht  (freilich)  ut ,  aber 
auch  oft  bloss  der  Conj.,  oft  auch  der  accus,  c.  inf.  In  der  Re- 
gel über  das  Particip.  und  den  ablat.  abs.  heisst  es :  „Ist  das  Subj. 
des  Nebensatzes  schon  in  irgend  einem  Casu  des  Hauptsatzes  ent- 
halten, so  richtet  sich  das  Particip.  im  genere,  numero  und  casu 
nach  demselben'1  (wonach  denn'?  Und  bleibt  im  Hauptsatze  Alles 
so  1 ) ;  2)  hat  aber  der  Nebensatz  ein  eigenes  vom  Hauptsatze  un- 
abhängiges ('?)  Subject"  etc.  —  „Der  Gen.  des  gerundii  wird  ge- 
braucht, weun  vor  einem  Infinitivo  ein  Substant.  oder  ein  Adject. 
vorhergeht ,  welches  einen  Genit.  regiert."  Nun  kann  aber  nach 
gewöhnlicher  grammat.  Ausdrucksweise  wohl  jedes  Subst.  einen 
Genitiv  regieren,  also:  den  Vater  zu  lieben  ist  Pflicht  des  Soh- 
nes -  -  patrem  amandi  etc.  „Der  Dativ  des  gerund,  steht,,  wenn 
vor  einem  Infin.  ein  Verbum  vorhergeht,  welches  einen  Dativ  re- 
giert" ,  z.  B.  studeo  audiendo.  Als  musterhaft  muss  noch  ange- 
führt werden ,  dass  S.  57.  in  dem  Paradigma  blandior  ich  schmei- 
chele, zu  finden  ist:  blandiendus  sum,  ich  muss  geschmeichelt 
werden,  blandiendus  sim,  eram,  essem,  ero,  ich  müsse  g.  etc. 
Wir  wissen  nicht,  ob  wir  uns  mehr  über  das  Latein  oder  das 
Deutsch  wundern  sollen:  denn  mag  auch  Jean  Paul  im  Titan  B.  3. 
S.  164.  schreiben:  „Die  Fürsten  werden  geschmeichelt';  mag 
auch  Lessing  Em.  Gal.  1,  4.  den  Maler  Conti  sagen  lassen:  ,.Auch 
ist  es  (das  Original)  in  der  That  nicht  mehr  geschmeichelt,  als 
die  Kunst  schmeicheln  muss"';  mag  auch  Claudius  (B.  2.  S.  81.) 
singen :  „Ich  danke  Gott  mit  Saitenspiel ,  dass  ich  kein  König 
worlen;  ich  wäre  geschmeichelt  worden  viel,  und  war' vielleicht 
verdorben",  und  Spindler  in  seinem  Könige  von  Zion  das  Verbum 
mehrmals  ähnlich  gebrauchen:  so  bleibt  doch  der  Dativ  der  re- 


150  Lateinische  Sprachlehre. 

gelmässige  Casus  für  dasselbe,  und  das  Regelmässige  sollte  man 
doch  in  einer  Vorschule  für  die  ersten  Anfänger  sowohl  in  Bezug 
aufs  Deutsche  als  aufs  Lateinische  erwarten  dürfen.  —  Im  Le- 
sebuche  steht  S.  110.:  Diebus  solis  multi  homines  in  templis 
conven  iu  n  t  (s.  unsere  Bemerk,  obenj ;  S.  101. :  etiam  prae 
gaudio  homines  flere  solefit;  diu  disputatum  est,  an  unquam 
fuerint  Amazones;  ähnlich  S.  123,  9.;  128,17..  Ueber  abusus 
und  abuti  S.  120. ;  129.;  67.;  Hierosolymam  S.  130.;  non  nisi 
S.  99,9.;  132,3.;  135,7.;  innumeraS.132,3.;  120.;  unus  Se- 
ptem sapientum;  lacrimis  inest  (für  in  l.  in.);  serptum  S.  64.; 
(vasi) ,  vasum  S.  65.;  inquiens  S.  74. ;  comu  als  Gen. ;  bibitum; 
faux  etc.  s.  oben.  Bei  valeo  S.  62.  ist  valilum  mit  Unrecht  ein- 
geklammert, denn  valiturus  hat  gar  Cic  Man.  16.;  cariturus  ist 
oben  schon  erwähnt ;  bei  salio  ist  statt  ii  (ui)  zu  lesen  tri  (ii) ; 
S.  65.  send,  sertum  einzuklammern ;  S.  8.  plica  zu  streichen ;  S. 
18.  steht  das  Milz;  S.  21.  schmuzig;  S.  33.  der  Infinitiv  sei  ein 
Modus.  Auch  für  pagani  S.  134,  6.  steht  wohl  besser  gentiles 
und  für  Petrum  Magnum ,  Caesar em  Russorem  =  imperatorein 
R.  S.  112. ;  vergl.  reges  Gevmaniae  sive  Caesares  S.  113.  Der 
Satz:  Turpia  dictu  non  opus  est  ist  merkwürdig.  In  quis 
est,  quem  rusticus  invenit  quotidie  S.  133.,  wird  wohl  inveniat 
etehen  müssen.  Wegen  ihres  Inhalts  sind  uns  unter  den  Sätzen 
folgende  aufgefallen:  Pulchrae  feminae  sunt  super bae,  S.  93. ; 
crfe,  bibe,  lüde;  post  mortem  nidla  voluptas ,  S.  134.;  non  ve- 
stra  causa,  o  homines,  micant  stellae  in  coelo!  S.  135. 

5)  Wir  wenden  uns  jetzt  nicht  ohne  einige  Bangigkeit  zur 
Vorschule  des  Hrn.  Ludwig,  die  sich  eher  den  bisher  besproche- 
nen Grammatiken  entgegenstellt,  als  anschliesst.  Ueber  seine 
Absicht  bei  Anfertigung  dieser  Grammatik  lassen  wir  den  Verf. 
am  liebsten  selbst  sprechen.  „Die  Bemühungen  der  Sprachfor- 
scher unserer  Zeit"-,  sagt  er  in  der  Vorrede,  „die  Sprache  mehr 
und  mehr  als  ein  organisches  Ganze  aufzufassen  und  für  den  Un- 
terricht entwickelnd  darzustellen ,  sind  unverkennbar  . .  .  Soll  das 
Leben  der  Schule  selbst  ein  organisches  sein  und  jede  höhere 
Stufe  in  demselben  eine  Entwickelung  der  niedern,  so  tritt  au- 
genscheinlich auf  der  höheren  Stufe  da  ein  Mangel  ein,  wo  sich 
eine  Weiterförderung  des  Lebens  (?)  an  eine  Vorbereitung  an- 
schliessen  soll,  die  nicht  gegeben  ist.  Es  ist  daher  das  Bediirf- 
niss  gefühlt  und  mehrfach  ausgesprochen  worden,  dass  ein  Ele- 
mentarbuch der  lateinischen  Sprache,  das  auf  eine  wissenschaftli- 
che Behandlung  der  Sprache  vorbereite  und  insbesondere  zu- 
gleich in  einen  Parallelismus  mit  der  elementarischen  Behandlung 
der  deutschen  Sprache  eintrete ,  wünschenswerth  sei.  Diesen 
Zweck  hat  der  Verf.  des  vorliegenden  Elementarbuches  erreichen 
wollen.  Zugleich  ist  der  Verf.  der  Ueberzeugung,  dass  jeder  di- 
daktische Zweck  jenem  höheren  pädagogischen  untergeordnet 
werden  müsse,    den  Schüler  schon  früh  auf  eine  richtige  Würdi- 


Verschale  z.  wisscnsc-ImfU.  Auffass.  d.  Int.  S|n\  v.  Ludwig.      151 

gung  der  Lebenserscheinungen  und  ihrer  Beziehungen  hinzuleiten. 
Dies  aber  kann  auf  keine  andere  Weise  geschehen  ,  als  wenn  das 
Leben  in  seiner  nothwendigen  Immanenz  gefasst  wird,  so  dass 
jede  Besondererscheinung  auf  eine  Einheit  bezogen  wird  und  in 
ihr  ihren  Werth  erhält,  und  die  Einheit  des  Gedankens  in  den 
Besondererscheinungen  ihren  concreten  Beistand  findet"  u.  s.  w. 
Wir  denken  uns  hierbei  Etwas,  und  das  ist  richtig  und  schön, 
wissen  aber  nicht  ganz  gewiss,  ob  wir  dasselbe  dabei  denken,  als 
der  Hr.  Verf.  Es  wird  dann  noch  gesagt,  der  Geist  trete  waltend 
in  die  Notwendigkeit  des  organischen  Lebens  ein  und  erhebe  es 
in  das  Gebiet  der  Freiheit.  Vor  Allem,  heisst  es  weiter,  suche 
die  Sprache  das  im  Leben  Waltende  Gesetz  der  Beschrä?ikung, 
das  sich  an  jeder  concreten  Erscheinung  in  Rücksicht  ihres  We- 
sens,  ihres  Grundes  und  ihrer  Bestimmung  geltend  mache,  in 
den  besonderen  Verhältnissen  der  Wörter  zu  einander  nachzubil- 
den. Darin  solle  man  eine  Rechtfertigung  der  eigenthümlichen 
Auffassung  des  Princips  finden ,  das  in  der  systematischen  Dar- 
stellung des  Hauptsatzes  durchgeführt  sei.  Jedenfalls,  glaubt 
der  Verf.  bescheiden,  dem  Elementarlehrer  einen  streng  geord- 
neten Stoff  zu  bieten ,  indem  der  1.  Cursus  nicht  über  die  Gren- 
zen des  Hauptsatzes  hinausgehe  und  kein  Wort  früher  in  irgend 
einen  Satz  eintrete,  als  es  nach  Wesen  und  Beziehung  erklärt 
sei.  Es  wird  nun  gegeben  von  §  1 — 121.  Entwickelung  des  Haupt- 
satzes nach  seinen  Theilen  und  deren  Formen  und  zwar  1  —  7. 
einleitende  Vorbereitungen;  8  —  75.  nothwendige  Bestandteile 
des  Satzes  (subst.  —  verbum)  und  zwar  9  —  26.  das  verbum  im 
Allgemeinen,  27  —  36.  das  Subst.  als  Subject,  37 — 46.  Arten 
der  verba  u.  accus. ,  47  —  55.  der  genit. ,  56 — 68.  die  perfecta 
activi,  69  —  73.  vom  ablat.,  74  —  75.  vom  Dativ.  Der  2.  Abschnitt 
handelt  vorzüglich  vom  Substant.  mit  seinem  Adjectiv  und  zwar 
vom  Adjectiv  im  Allgemeinen,  vom, Geschlechte  des  Substantivs, 
von  dem  Grundverbum  esse,  von  dem  Participium,  von  der  Stei- 
gerung, vom  adj.  immer.,  vom  pronomen,  infin.,  von  dem  sup. 
und  dem  ger. ,  und  der  3.  Abschnitt  von  den  Adverbien,  Wesen 
und  Arten  der  Adverbien,  Comparationen  derselben.  — --  Dann 
folgt  in  der  2.  Abtheilung  die  systematische  Darstellung  des 
Hauptsatzes,  wo  die  nothwendige  Beschränkung  im  Satze,  subst. 
und  pron.  als  Subj  ,  verbum  nach  seinem  genus,  tempus,  modus 
als  Prädicat  abgehandelt  wird;  darauf  zufällige  Beschränkung  im 
Satze:  I.  Beschränkung  der  Bedeutung  der  Wörter  in  ihrem  Um- 
fange (1.  Beschränkung  des  subst.,  2.  des  verb. ,  3.  mehrfache 
zufällige  Beschränkungen  der  beiden  Hauptwörter  der  Sprache  in 
ihrem  Umfange  — ?!  welche  Eintheilung!).  II.  Beschränkung 
des  Seins  nach  Grund  und  Bestimmung  (Abi.  und  Dativ).  111.  Be- 
schränkung in  der  Beschränkung. 

Man  sieht  leicht,  dass  diese  Grammatik  den  innern  Zusam- 
menhang der  Satzglieder  vor  dem  Schüler  aufdecken  und  ihm  ein 


152  Lateinische  Sprachlehre. 

lebendiges  Verständniss  eröffnen   will.     Wir  sind  gewohnt   auf 
ähnliche  Weise,  obgleich  mehr  analytisch,  die  deutsche  Sprache 
auf  den  untern  Klassen  zu  behandeln ,  abgesehen  davon ,  dass  es 
uns  nicht  einfällt,  die  Bedeutung  der  Casus  und  Aehnliches  sol- 
chen Schülern  vorzulegen.   Rec.  ist  aber  nicht  der  Meinung,  dass 
auf  Schulen,  wo  mehrere  Sprachen  gelehrt  werden,  bei  allen  die 
Satzlehre  in  solcher  Ausführlichkeit  vorzutragen   sei.     Hat  der 
Schüler  einmal  den  Organismus  des  Satzes  und  der  Periode  durch- 
schaut, so  hat  er  es  der  Hauptsache  nach  wohl  für  alle  Sprachen 
gethan,  denn  die  innere  Verbindung  wird,  da  sie  von  demselben 
Geiste  ausgegangen  ist,   auch  überall  im  Wesentlichen  dieselbe 
sein.     Es  ist  demnach  nur  noch  nöthig,  dass  er  die  Abweichun- 
gen in  der  Anschauungsweise  des  einen  Volkes  von  dem  and  ein 
sich  merkt ,  und  so  wird  dann  ein  grammatisches  Gebäude  aufge- 
führt, in  dem  eben  jene  abweichenden  Fügungen  besonders  in's 
Einzelne   ausgebauel  sind.     Wozu   soll  z.  B.   im  Latein  und  im 
Griechischen  noch  langwierig  aus  Beispielen  gefunden  und  durch 
Raisonnement  vorgehalten  werden,  dass  das  Subst.  häufig  noch 
durch  ein  anderes  Subst.  näher  bestimmt  oder  beschränkt  werden 
könne.  Nur  znm  Zwecke  der  so  überaus  uöthigen  Einübung,  nicht 
des  Verständnisses  könnte  das  fruchten.     Dagegen  wird  der  Leh- 
rer bei  mündlicher  Uebersetzung  latein.  oder  griech.  Schriftsteller 
immer  fragen:  zu  welchem  Satzgliede  gehört  das  Wort*?     Wo- 
durch wird's  bestimmt?  Welches  ist  das  Verhältniss  dieses  Satzes 
zu  jenem   u.  s.  w. ,  und   die  Schüler  werden  ihm,  Fälle  der  Ab- 
weichung von  der  deutschen  Sprache  abgerechnet,  genügend  zu 
antworten  vermögen.     Führt  man  nun  zum  Verständnisse  der  all- 
gemeinen Syntax  durch  die  deutsche  Sprache ,  so  hat  man  den 
Vortheil,  dass  die  Schüler  auch  zusammengesetzte  Sätze  und  Pe- 
rioden kennen ,  wenn  man  zur  Lesung  grösserer  latein.  Stücke 
z.B.  des  Nepos  vorschreitet.     Dagegen  würde  man,  wenn  man 
mit  der  latein.  Sprache  in  der  angedeuteten  Weise  verführe,  mehr 
Stunden  auf  sie  verwenden,  die  dem  Deutschen  entzogen  wür- 
den, und  man  wäre  genöthigt  —  doch,  wer  nicht  will,  lässt  sich 
nirgends  nötlngen !  —  das  Latein   mehr   praktisch  einüben ,  als 
nach  theoretischen  Regeln  formen  zu  lassen,  man  müsste  dem 
Gedächtnisse  latein.  Material  geben ,  und  man  könnte  sich  da  der 
Methode  nähern ,  welcher  K.  Richter,  jetzt  Gymnasialdirector  in 
Kulm,  im  Schulprogr.  des  Paderborner  Gymn.   1830.  das  Wort 
redet.  Wollten  wir  nun  auch  den  vom  Verf.  eingeschlagenen  Weg 
—  analytische  Methode  können  wir  ihn  nicht  eigentlich  nennen, 
denn  die  Regel  wird  überall  an  die  Spitze  gestellt,  dann  folgen 
Beispiele  zur  Einübung  —  wollten  wir  nun  auch  diesen  Weg  billi- 
gen ,  so  können  wir  doch  unmöglich  die  Weise  billigen ,  wie  er 
ihn  geht.     Von  welchem  Alter  sollen  doch  die  Schüler  sein,  die 
nach  dieser  Sprachlehre  Latein  lernen  1     Ich  denke ,  von  etwa  10 
Jahren ,  denn  sie  können  doch  wohl  noch  gar  kein  Latein.     Dann 


Vorschule  z.  wlssenschaftl.  Auffass.  d.  lat.  Spr.  v.  Ludwig.     153 

müssen  wir  aber  den  Hrn.  L.  glücldich  preisen ,  wenn  er  Kin- 
der findet ,  welche  Sachen  verstehen ,  die  dem  Rec.  zuweilen 
Kopfbrechen  hosteten,  und  die  er  auch  nicht  überall  verstanden 
haben  mag.  Wie  wahr  dieses  sei,  muss  sich  aus  der  folgenden 
Darlegung  ergeben. 

§  1.  beginnt:  „Alle  Dinge,  welche  wir  im  Leben  wahrneh- 
men, befinden  sich  in  einem  gewissen  Zustande.    Das  Ding  selbst 
erkenne»  wir  daran,  dass  es  dasjenige  ist,  was  sich  in  einem  Zu- 
stande befindet;  der  Zustand  aber  bezeichnet  die  Art  und  Weise, 
wie  ein  Ding  in  der  Zeit  da  ist.     Wir  können  deshalb  auch  sagen: 
Das  Ding  ist  etwas,  was  nicht  in   der  Bewegung  der  Zeit  gedacht 
wird  und  darum  als  etwas  Abgeschlossenes  ('?),  Festes  (?),  Selbst- 
ständiges erscheint;  der  Zustand  dagegen  ist  das  Wiesein,  das  in 
der  Bewegung  der  Zeit  gedacht  wird  und  in  dem  sich  das  Ding 
befindet."     Wir  verbinden  damit  §  37.:  „Die  Sprache  sucht  das 
Leben  darzustellen,  sowohl  das,  was  ausser  einem  Dinge  ist  (3), 
als  auch  das,  was  in   einem  Dinge  erscheint.     Jeder  Erscheinung 
im  Leben  aber  liegt  eine  Kraft  zu  Grunde,  aus  welcher  die  Er- 
scheinung hervorgeht.     In  der  Kraft  aber  ist  zweierlei  vorhanden, 
nämlich  Ruhe  und  Bewegung.     Diese  beiden  Dinge,  Ruhe  und 
Bewegung,  kommen  daher  auch  in  den  Erscheinungen  des  Lebens 
vor,  weil  dieselben  Aeusserungen  der  Kraft  sind.     Zu   den  Er- 
scheinungen im  Leben  gehören  aber  auch  die  Zustände ,  in  denen 
sich  Dinge  befinden.     Auch  sie  sind  daher  entweder  Zustände  der 
Ruhe  oder  der  Bewegung.     Was  den  Zustand  der  Ruhe  betrifft, 
so  ist  dieser  entweder  der  blosse  Zustand  des  Seins  oder  es  ist 
der  Zustand,  in  dem  ein  Ding  auf  gewisse  Art  ist,  z  B.  ruhen, 
d.  h.  ruhend  sein.     Was  aber  den  Zustand  der  Bewegung  anlangt, 
so  ist  derselbe  entweder  ein  Zustand  des  Werdens  d.  h.  des  Zu- 
standes,  in  welchem  ein  Ding  in  einen  andern  Zustand  übergeht, 
oder  es  ist  der  Zustand  der  Bewegung»,  ein  Zustand  der  Thä'tig- 
keit  d.  h.  einer  Kraftäusserung."    Wir  meinen  nun,  1)  dass  dieses 
Raisonnement  den  Schüler  wenigstens  auf  dieser  Stufe  nicht  nur 
nicht  aufklären,  sondern  verwirren  müsse,  und  2)  dass  es  an  sich 
der  Berichtigung  bedürfe.     Wo  wir  nämlich  Dinge  anschauen,  fin- 
den wir  sie  vom  Standpunkte  des"  sinnlichen  Menschen  gedacht, 
nicht  in  irgend  einem  Zustande ,  sondern  in  irgend  einer  Thätig- 
keit, d.  h.  der  Aeusserung  eines  Zustandes.     Dieses  in  Thätigkeit 
angeschaute  Etwas  steht  uns  gleichsam  gegenüber,  neben  oder 
vor  etc.  uns,  ist  stehend;  die  Thätigkeit  an  ihm  geht  gleichsam, 
d.  i.  äussert  sich  nach  einander.     Demnach  bezeichnet  das  Subst. 
{sab -stare  —  unter  der  Thätigkeit  stehend  und  sie  tragend)  das 
im  Baume  Daseiende  ,  das  Verbum  das  in  der  Zeit  Thätige.     Das 
Subst.  ist  nach  Hrn.  L.  etwas  nicht  in  der  Bewegung  der  Zeit  Ge- 
dachtes,   dieses  in   der  Bewegung  der  Zeit  Gedachte  wird  nun 
wohl  das  Verbum  sein ;  aber  das   Verbum  soll  auch  den  Zustand 
der  Ruhe  bezeichnen.     Diese  verba  neutra  sollen  nun  entweder 


154  Lateinische  Sprachlehre. 

den  Zustand  des  blossen  Seins  bezeichnen  oder  den  Zustand,  in 
dem  ein  Ding  auf  gewisse  Art  ist.  Wir  Kehren  es  lieber  um  und 
sagen:  Von  den  Verben,  welche  ihre  Thätigkeit  nicht  auf  einen 
andern  Gegenstand  übergehen  lassen ,  ist  im  Verlaufe  der  Zeit 
und  der  Verstandesthätigkqit  ein  Verbum  in  seiner  sinnlichen  Be- 
deutung so  sehr  abgeschwächt,  dass  es  nunmehr  den  blossen  Zu- 
stand des  Seins  bezeichnet,  denn  das  reine  Sein  ist  ein  abstracter 
Begriff,  welcher  bei  der  Sprachentwicklung  nicht  zu  Grunde  liegt, 
sondern  später  entsteht.  Man  vergleiche  das  hebräische  rpn ,  das 
chaldäische  Nin,  das  deutsche  mögen  etc. ,  das  englische  I  may, 
might  u.  s.  w.  Wir  können  demnach  auch,  wie  man  leicht  sieht, 
mit  der  Scheidung  des  ZuStandes  der  Bewegung  in  den  Zustand 
des  Werdens  und  den  Zustand  der  Thätigkeit  uns  nicht  einver- 
standen erklären.  Dass  man  aber  die  Sprache  vom  Standpunkte 
des  Sinnenmenschen .  nicht  des  aus  irgend  einem  Systeme  Phi- 
losophirenden  betrachten  müsse,  das  deucht  uns ,  ist  ausgemacht. 

Wir  können  aber  nicht  fortfahren ,  unsere  Ansichten  den  Er- 
klärungen des  Hrn.  Verf.  gegenüber  zu  entwickeln ,  da  wir  einmal 
Nichts,  was  nicht  schon  sonst  wo  zu  finden  sein  wird,  beibringen 
würden,  und  überdies  unsere  Recension  sich  ohnehin  weit  genug 
ausdehnt. 

Der  Accusativ  ist  dem  Verf.  der  Casus ,  „welcher  das  Ding 
enthält,  an  dem  ein  Zustand,  besonders  ein  für  das  Subj.  willkür- 
licher, freiwilliger,  in  seiner  Daner  und  Ausdehnung  beschränkt 
wird";  §  39.  u.  150.:  „Wird  ein  Zustand  durch  ein  Ding  in  sei- 
ner Dauer  beschränkt  oder  begränzt,  so  dient  dazu  der  casus  ac~ 
cnsativus1,1 ',  wo  also  Ausdehnung  weggefallen  ist.  §  47.  heisst's: 
„Der  Genitiv  enthält  das  Ding,  welches  ein  anderes  Ding  in  sei- 
nem Umfange  beschränkt1';  §  134.:  „Das  substant.  im  genit.  be- 
schränkt ein  anderes  in  jeder  denkbaren  Weise.  Ein  Ding  kann 
aber  auf  dreifache  Weise  durch  ein  anderes  Ding  beschränkt  wer- 
den, a)  nach  seinem  Wesen,  b)  nach  seinem  Grunde,  c)  nach 
seinem  Ziele-'1;  §  69.:  „Das  Ding,  welches  gleichsam  der  Grund 
und  Boden  ist,  wo  eine  Erscheinung  vor  sich  geht,  steht  in  der 
lateinischen  Sprache  in  dem  casus  ablativus";  §  172. :  „Der  abl. 
giebt  in  allgemeinster  Bedeutimg  den  Grund  an,  wo  eine  Erschei- 
nung stattfindet,  oder  von  wo  sie  ausgeht.  Auf  beiden  Seiten  so- 
wohl des  Wo  als  des  Woher  tritt  eine  locative  und  eine  bedin- 
gende Bestimmung  hervor ,  die  dann  in  verschiedenen  Beziehun- 
gen und  Formen  weiter  ausgedehnt  und  dargestellt  wird";  §  74.: 
„Im  casus  dativus  steht  das  Ding,  vor  welchem  eine  Erscheinung 
vorübergeht."  Dann  folgt  der  sonderbare  Zusatz :  „Gerade  bei 
dem  Gebrauche  dieses  Casus  sieht  man,  wie  in  der  Sprache  der 
Geist  waltend  hervortritt.  Denn  die  Beziehung  einer  Erscheinung 
auf  ein  Ding,  das  ausserhalb  der  Erscheinung  liegt,  vor  welchem 
aber  die  Erscheinung  vorübergeht,  kann  nur  durch  Erkenntniss 
gefasst  werden,  d.  h.  entweder  nmss  das  Ding,  vor  welchem  eine 


Vorschule  z.  wissenschaftl.  Auffass.  d.  lat.  Spr.  v.  Ludwig.     155 

Erscheinung  vorübergeht,  diese  Erscheinung  auf  sich  beziehen, 
also  der  Erscheinung  eine  Beziehung  auf  sich  selbst  geben ,  was 
nur  ein  verständiges  Wesen  thun  kann'-';  (kann  vielleicht  ein  nicht 
verständiges  Wesen  sich  den  Genitiv,  der  ein  Ding  nach  Grund, 
Ziel ,  Wesen  beschränken  soll ,  bilden ,  oder  ist  jenes  abstracter 
wie  dieses?)  ^uler  ein  Ding,  %celch.es  selbst  in  der  Erscheinung 
mit  begriffen  ist,  muss  die  Erscheinung  auf  ein  anderes  Ding  ne- 
ben (ausserhalb)  der  Erscheinung  beziehen,  welches  wieder  nur 
ein  verständiges  Wesen  thun  kann."  Darnach  sollte  man  also  glau- 
ben ,  der  Dativ  sei  der  letztentstandene  Casus ,  weil  er  abstracte- 
res  Denken  fordere.  Wir  aber  wissen  nicht,  was  wir  mit  diesen 
Darstellungen  machen  sollen.  Da  wir  das  Substant.  als  llauman- 
schauungen  bezeichnend  auffassen ,  so  begreift  man  leicht ,  dass 
wir  dem  Casus  das  Woher?  Wo?  Wohin?  zuschreiben,  wobei 
wir  mit  dem  Hrn.  Director  Bischoff  §  195.  es  nicht  für  unerläss- 
lich  erachten,  den  Ablat.  als  durchaus  mit  dem  Dativ  identisch 
zu  erkennen;  denn  da  er  ein  Luxusartikelist,  so  kann  er  allerdings 
auch  andere  Anschauungen  in  sich  aufgenommen  haben ,  nament- 
lich bisweilen  die  Anschauung  woher1?  zumal  da  das  wo*?  und  wo- 
her? nach  verschiedenen  Anschauungen  seinem  Inhalte  nach  häufig 
dasselbe  ist,  wie  wir  denn  z.  B.  den  Satz:  quo  tanla  machinatio 
ab  tanlo  spatio  institueretur ,  Caes.  b.  G.  2,30.,  übersetzen: 
„wozu  ein  so  grosses  Werk  in  so  grosser  Entfernung"  .  .  .  Wir 
wollen  nämlich  die  dreitheilige  Anschauung  der  Casus  hierbei 
durchaus  nicht  anfechten.  Somit  könnten  wir  allenfalls  mit  dem 
Hrn.  Verf.  in  der  Anschauung  des  Abi.  und  Dat. ,  wenn  wir  sie 
auf  sinnliche  Anschauung  zurückführen,  übereinstimmen,  obwohl 
wir  seine  Darstellung  nicht  billigen.  Verwerfen  müssen  wir  aber 
seine  in  den  verschiedenen  §§  verschiedene  Auffassung,  die  aus 
dem  oben  Angeführten  erhellet.  Was  sollten  wir  aber  mit  dem 
Accus,  machen'?  Amat  drückt  nach  dem  Verfasser  einen  Zustand 
aus ;  in  pater  amat  filium  beschränkt  sich  also  der  Zustand  des 
Liebens  in  seiner  Dauer  an  dem  Dinge  fdius?  Wir  meinen  aber, 
die  Form  amat  schlösse  Dauer  ein  und  begreifen  überhaupt  nicht, 
was  hier  Dauer  bedeuten  soll.  Der  Genitiv  soll  der  Casus  der 
Beschränkung  sein.  Man  gewinnt  dadurch  noch  keine  rechte  Un- 
terscheidung zwischen  der  Apposition,  dem  Substant.  mit  einer 
Präposition,  z.  B.  mentis  ad  hafte  rem  coecitas,  stalua  ex  auro 
u.  s.  w. ,  und  nun  soll  das  subst.  im  Genitiv  ein  anderes  gar  in  je- 
der denkbaren  Weise  beschränken!!  §  134.  S.  oben!  Aber  wenn 
ich  sage:  *tibi  servio,  non  ö/m,  so  ist  das  Ding  „ich1-'  in  seiner 
Tluitigkeit  des  Dienens  doch  auch  beschränkt  auf  das  Ding  „du1', 
velcbem  gegenüber  mein  Dienen  staltfindet,  und  das  ist  doch 
auch  eine  denkbare  Weise.  Sollte  aber  das  Ding  durch  ein  Ding 
beschränkt  werden,  so  hätten  wir  bloss  den  von  einem  Substant. 
abhängigen  Genitiv.  Ich  sage  aber  auch:  Prorsus  oblitus  sum 
mei  (S.  i07.).     Hier  bin  ich  in  der  Thätigkcit  des  Vergessens  be- 


156  Lateinische  Sprachlehre. 

schraubt  auf  mein  Ich,  wie  ich  auch  im  Satze:  nie  ipsum  amo, 
in  der  Thätigkeit  des  Lieheus  beschränkt  bin  auf  mein  eignes  Ich. 
Der  geehrte  Hr.  Verf.,  den  wir  in  Wahrheit  weges  seines  Eifers 
für  Jugendbildung  ehren,  sagt  zwar  §  139.:  „Aus  dem  besonde- 
ren Verhältnisse,  in  welchem  Dinge  zu  Dingen  stehen,  gehen 
gewisse  Merkmale  und  Zustände  für  sie  hervor,  die  eben  durch 
jenes  besondere  Verhältnis  bedingt  sind.  Es  sind  deshalb  auch 
solche  Merkmale  und  Zustände,  Welche  ausser  dem  besonderen 
Verhältnisse,  in  welchem  Dinge  zu  andern  Dingen  stehen,  selbst 
Dinge  ('?)  von  gleicher  Art  nicht  beigelegt  werden  können,  z.  B. 
aus  dem  besonderen  Verhältnisse,  in  welchem  ich  zn  einem 
Freunde  stehe,  geht  der  Zustand  für  mich  hervor,  dass  ich  mich 
des  Freundes  erinnere."  Hiermit  soll  nun  wohl  eine  Beschrän- 
kung nach  dem  Grunde  nachgewiesen  sein.  Aber  wenn  ich  sage: 
Servus  domino  suo  obedit,  so  geht  aus  dem  besonderen  Zu- 
stande, in  welchem  der  Knecht  zu  dem  Herrn  steht,  der  beson- 
dere Zustand  für  ihn  hervor,  dass  er  dem  Herrn  gehorcht,  und 
doch  steht  kein  Genitiv.  Die  modi  verbi  sind  angegeben  als  be- 
zeichnend, dass  ein  Ding  in  einem  Zustande  sich  befinde,  oder 
möglicher  Weise  befinde  oder  in  denselben  eintreten  solle,  was 
wir  der  Hauptsache  nach  billigen. 

Wir  glauben  hiermit  unser  oben  ausgesprochenes  Urtheil  schon 
von  einer  Seite  hinlänglich  gerechtfertigt  zu  haben  und  haben  auch 
oft  genug  den  Verf.  selbst  reden  lassen,  um  seine  Darstellung  kennen 
zn  lehren  ;  deshalb  vom  2.  Curs.  —  der  Satzverhältnisslehre  bis  Sei- 
tenzahl 115,  nur  Weniges.  Es  werden  hier  die  Hauptsätze  in  ihrer 
Coordination  durch  viele  Beispiele  erläutert,  und  die  coordinirenden 
Conjunctionen  sind  dabei  erklärt.  In  Veniet  tempus  mortis,  sive 
retraetabis r,  sive  proper abis ,  sind  aber  sicher  nicht  2  Hauptsätze 
entgegengestellt,  sondern  2  Nebensätze,  weshalb  der  Satz  §  23. 
nicht  stehen  sollte.  Die  Nebensätze  werden  geschieden  in  sub- 
stant.  und  adjeet.  Nebensätze.  „Soll  ein  Merkmal",  heisst  es 
§  36. ,  „das  zur  näheren  Bestimmung  eines  Zustandswortes  dient, 
durch  einen  Nebensatz  umschrieben  werden ,  so  geschieht  dies 
durch  einen  substant.  Nebensatz  („ „w esshalb *?  " ") ;  wir  haben 
darum  nicht  nöthig,  noch  eiue  3.  Art  von  Nebensätzen,  etwa  Ad- 
verbialsätze, anzunehmen. "  Aber  da  wir  einmal  Adverbien  an- 
nehmen, so  sieht  man  nicht  leicht  ein,  weshalb  wir  nicht  einen 
Satz,  z.  B.  „als  ich  zu  dir  kam41  =  „damals",  als  Vertreter  eines 
Adverbs  Adverbialsatz  nennen  sollen.  Folgerichtig  scheint  es  zu 
sein,  dass  man  dann  auch  alle  Adverbien  auf  Subst.  zurückführte, 
was  Wüllner  (Ursprung  etc.  §  11.,  über  die  Verwandtschaft  des 
Indog.  §  11.)  wohl  nicht  zugeben  wird.  Nachdem  der  Verf.  subst. 
und  adjeet.  Nebensätze  (von  den  erstem  schliesst  er  vorläufig  die 
mit  Conjunctionen,  nicht  mit  Relativen  eingeleiteten  aus  —  aber 
was  ist  ein  llelat.  ?  S.  Wüllner  Cas.  u.  M.  S.  124.  — )  nach  ihren 
Arten  und  ihrer  Flejioii  (in  Rücksicht  des  einleitenden  Relativs, 


Vorschule  z.  Wissenschaft!  Auffass.  d.  Iat.  Spr.  v.  Ludwig.      157 

der  Person,  des  Modus,  des  Tempus)  behandelt  hat,  spricht  er 
von  der  Casusbeziehung  der  Nebensätze.  Da  erscheinen  Noinina- 
tivsätze  (tibi  sunt  ii,  quos  miseros  dicis?),  Genitivsätze  (eornm, 
quae  videnlur ,  alia  vera,  alia  falsa  sunt),  Dativsätze  (Xerxes 
praemium  proposuit ',  gm  invenisset  novain  voluptatem,  und  die 
mit  ut  und  ne  eingeleiteten  Sätze),  Accusativsätze  [id  licere  dici- 
mus,  quod  cui  concedüur ;  quid  tarn  planum  vidctur,  quam 
viare  ;  ferner  die  mit  dum,  quoad,  priusquam  .  .  num,  nt  der 
Folge,  quin,  quominus  eingeführten  Sätze,  dann  folgt  noch  ein- 
mal ut  in  Sätzen,  die  ein  bezwecktes  Ziel  enthalten,  nach  id 
agere ,  curare,  admonere ,  operam  dare  etc.  und  ut  und  ne 
nach  liniere),  Ablativsätze  (fruantur,  utantur  annona,  quam 
furore  suo  fecere ;  dann  Sätze  mit  ubi..,  quum..,  quötiiam.., 
si..,  quanwis. .,  quasi,  quomodo,  quo  vor  dem  Compar.  mit 
folgendem  eo  etc.).  Die  Folgesätze  könne  man  auch  als  Ablativ- 
sätze behandeln.  Wir  finden  hier  unter  den  Ablativsätzen  in  cau- 
sal  begründender  Beziehung  auch:  Noli  putare ,  pigritia  nie  fa- 
cere ,  quod  non  niea  manu  scribam,  wo  wir  den  letzten  Satz 
wohl  unbedingt  für  Accusativsatz  halten,  so  wie  der  auch  als  Ab- 
lativsatz angefiibrte  ad/iuc  investigare  non  possum,  ubi  Lentulus 
sit  —  Accusativsatz  ist.  Es  folgt  nun  noch  Coordination  und  Sub- 
ordination der  Nebensätze,  wo  dann  auch  von  den  abhängigeu 
Doppelfragen  und  von  Sätzen,  die  von  Nebensätzen  abhängig  sind, 
gesprochen  wird ;  darauf  folgen  2  Abschnitte  über  die  Periode 
und  ein  Anhang  S.  119  — 142.  mit  latein.  Lesestücken.  Verwer- 
fen als  unbegründet  und  verwirrend  müssen  Mir  die  Ansicht  §  111. 
„Dadurch  •■  (dass  der  Nebensatz  vor  seinen  Hauptsatz  tritt)  „wird 
er,  indem  er  eine  mehr  selbstständige  Bedeutung  erhält,  dem 
Hauptsätze  gleichgeordnet  (coordinirt)."  Auch  möchten  wir 
Sätze,  die  einer  ganz  anderen  Anschauung  unterliegen,  wenn  sie 
auch  demselben  Hauptsatze  auf  derselben  Stufe  untergeordnet 
sind,  nicht  coordinirte  nennen.  So  nennen  wir  in  tu  nescis  id, 
quod  s eis ,  JJromo,  si  sapies ,  die  mit  quod  und  si  eingeführten 
Sätze  nicht  coordinirte  Nach  §  CO.  sollen  die  Nominativsätze 
ein  Substant.  umschreiben.  Aber  wie  passen  dann  unter  die  Bei- 
spiele Sätze,  wie:  „Nicht  alle  Aecker,  die  bebaut  werden.  — 
Das  Vergnügen  ,  das"  . .  —  Eben  solche  Verwirrung  ist  §  G7.  u. 
68.  bei  dem  Accusativsatz.  Auch  ist  in  sie  mihi  perspicere  vi- 
deor,  ita  natos  esse  nos,  ut  inier  omnes  esset  societas  quae- 
dam,  kein  Absühls-  sondern  ein  Folgesatz  (§  06.).  Uebrigens 
brauchen  wir,  da  wir  jede  einzelne  Ansicht  des  Verf.  billigend 
oder  berichtigend  nicht  durchgehen  können,  über  2.  und  3.,  wor- 
über wir  Aufschluss  geben  wollten,  Nichts  mehr  zu  sagen.  Ob 
memini,  obliviscor ,  als  auch  den  acc  rei  regierend  aufgeführt 
sind,  zweifeln  wir;  der  Genit.  und  Abi.  bei  den  verbis  „schätzen 
und  kaufen''  etc.  ist  recht  mangelhaft  behandelt,  der  Ablat.  bei 
den  Verben  des  Kaufens  als  ablat.  der  äusserlich  sächlichen  Dr- 


158  Lateinische  Sprachlehre. 

sachc,  des  Mittels  aufgeführt,  und  über  multo,  pluris  emere,  so- 
viel wir  wissen,  Nichts  erwähnt;  auch  über  den  numerus  des 
Verbs  bei  mehreren  Subj.,  insbesondere  bei  pronom.;  über  die 
Beziehung  eines  Adj.  auf  mehrere  S übst. ,  über  die  Construction 
bei  ponere,  statuere ,  collocare ,  confluere  .  .  etc.  erinnern  wir 
uns  nicht,  Etwas  gefunden  zuhaben.  S.  251  und  252. ,  wo  die 
Präpos.  mit  dem  ablat.  vorkommen,  steht  ein  Satz  mit po?w  und 
dem  ablat.  und  ein  deutscher  Satz:  „er  stellte  (statuo)  in  die 
Mitte",  ohne  Bemerkung.  Ueberhaupt  ist  bisweilen  mehr  Fleiss 
auf  das  abstracte  Raisonnement,  als  auf  die  concrete  Subsumtion 
der  einzelnen  Erscheinungen  im  Latein  verwendet. 

Ueber  Latinität  und  den  Inhalt  der  gegebenen  Sätze  müssen 
wir  leider  vielfach  klagen.  Da  der  Verf.  nach  richtigem  Grund- 
satze Nichts  in  den  Uebungsbeispielen  erscheinen  lassen  will,  was 
nicht  schon  erklärt  wäre,  so  kommen  Sätze  vor,  wie:  servabis, 
o  deus ;  Cicero  de  amicitia  sejisit,  wo  vielleicht  Bruckversehn 
ein  Object,  das  stehen  könnte,  wegliess.  S.  140,  1.  K.  steht: 
Posteaquam  mihi  renunüatum  est  de  obitu  Tulliae,  wo  vielleicht 
bloss  postea  stehen  soll.  Doch  ist  auch  S.  143,  1.  K.,  wo  wir 
noch  keine  zusammengefügt e  Sätze  kennen :  Non  prius  sum  co- 
nains..,,  quam.,  sumeaptus;  priusquam  . .  respondeo ,  dicam, 
und  noch  zweimal  mit  prius  . .  quam  ;  S.  148. :  Rapiant . .  quem- 
admodum  rapuerunt.  Die  Regeln  über  die  latein.  Construction 
sind  nicht  nur  nicht  immer  für  Schüler  verständlich,  sondern  auch 
nicht  genau  genug,  wie  wenn  efc  §  165.  K.  1.  heisst,  moneo 
stände  mit  dem  Acc.  der  Person  und  Sache.  Unter  den  deutschen 
Beispielen  wird  dann  der  Satz  zum  Uebersetzen  vorgelegt:  „An 
diese  Sache  hat  uns  der  Ort  erinnert."  Nun  sagt  zwar  Sallust 
Jug.  79.:  Eam  rem  locus  admontät,  ob  er  aber  auch  nos  hin- 
zugesetzt hätte,  bezweifeln  wir  sehr.  §  173.  K.  1.  erhalten  wir 
einen  locativen  Genitiv  und  Ablativ  in  örtlicher  und  zeitlicher  Rück- 
sicht und  erfahren ,  dass  ruri,  tempori,  temperi,  luci,  vesperi  sol- 
che Genitive  sind.  Vcrgl.  jedoch  Wüllner  (Ursprung  etc.  S.  171). 
Das  Deutsch  der  in's  Latein  zu  übersetzenden  Sätze  ist  bisweilen 
fast  in  Meidingerschcr  oder  gar  Hamiltonscher  Weise,  z.  B.  S. 
124.  K.  1. :  „Wem  ist  die  Erhaltung  (corservatio)  deiner  vorge- 
stellt'? (proponere)" ;  S.  129.:  „Die  Mathematiker  {math.)  über- 
reden (persuadere)  die  Erde  ^Sen  (a(i)  den  Umfang  (complesus) 
des  ganzen  (univ.)  Himmels  wie  einen  Punkt  (puneti  instar)  fest- 
zuhalten (obtinerey,  S.  147.:  „Artax.  hat  gewollt  dem  Aegypt. 
Könige  Krieg  antragen1-'';  S.  134.:  „Die  Vejenter  schickten  Red- 
ner, um  Frieden  zu  bitten";  „ich  habe  geschienen,  dass  ich  er- 
trage", S  227.  u.  s.  w.  Die  Schüler  lernen  so  nicht  allein  Un- 
deutsch,  sondern  wissen  auch  später  den  latein.  Ausdruck  und 
die  latein.  Konstruct.  nicht  zu  finden ,  wenn  sie  richtiges  Deutsch 
lesen.  Dann  steht  auch  S.  72.:  Prae  gaudio  flebamus,  prae 
iraeundia  erubescit ;  prae  laetitia  cantabam;  S.  131.:  Hotnerus 


Vorschule  z.  wissenschaftl.  Auffass,  d.  lat.  Spr.  v.  Ludwig.      159 

sohis  appcllari  poeta  nieruit ;  impellit  regem  Signum  dare ; 
Callicratcs  Philocrali  triremem  in  portu  agitari  iubet ,  wogegen 
Nepos  10,  9.  hat:  navem  triremem  armatis  ornat ,  Philo  Stra- 
to que  tradit  eamque  in  portu  agitari  iubet;  exercitus  Alex- 
andrum deprecatur  . . .  facere,  S.  140.;  multa  —  curandum  est  als 
Beispiel,  dass  neutr.  subst.  gebraucht  werden,  S.  194.;  . .  talenta  .  . 
Velumsunt  locata,  S.  227.,  wo  man  entweder  mit  Nepos  collata  se- 
tzen (vgl.  auch  oben)  oder  wenigstens  in  Delo,  Deli  verändern  muss ; 
S.  223. :  plus  vis;  cognominare  S.  225.  u.  K.  2.  S.  33. ;  das.  GO.petere 
ineruit.  S.  68.  steht :  Macedonia  rursus  erexit,  dum  aliae  gentes 
Syriaci  belli  sequuntur  ruinam.  Der  Satz  ist  aus  Florus  2, 12.,  wo 
aber  se  er.  steht.  S.  lOl.heisstes:  Frausfidem  in  parvis  sibiprae- 
siruit,  ut  quum  pretium  est ,  cum  mercede  magna  fallat.  Ab- 
gesehn  vom  Worte  praestr.  muss  bei  pretium  wohl  operae  stehn, 
wie  man  auch  bei  Liv.  28,  42.  liest,  woher  der  Satz  genommen 
ist.  So  soll  auch  K.  1.  S.  95.  in  dem  Satze  aus  Nepos:  „Den  um 
Rath  fragenden  Athenern  antwortete  die  Fythia",  unrichtig  deli- 
berantibus  gesetzt  werden,  denn  Nep.  1,  ].  heisst  es  considenti- 
bus,  und  wenn  auch  in  demselben  Kap.  deliberatum  vorkommt, 
so  ist  das  nicht  um  Rath  fragen,  sondern  abwägen,  überlegen." 
Arno  bibere  ;  fugerim  dicere  steht  K.  1.  S.  128.  Dem  sonder- 
baren Satze  S.  89.:  Duobus  proeliis  f/tsi  fugitatique  sunt,  quam- 
vis  sub  adventu  hoslis,  relictis  sedibus,  in  allissimos  montes 
recepissent ,  haben  wir  nicht  auf  die  Spur  kommen  können.  Doch 
wird  wohl  fugatique  .  .  sub  advenium  .  .  se  rec.  zu  lesen  sein. 
S. 35.  K. 2.  steht:  aer ,  etignis,  et  aqua,  et  terra  primae  sunt; 
ergo  illa  initia  et  elementa  dicuntur.  Der  Hr.  Verfasser  muss 
sicher  durch  Setzersünden  viel  leiden  und  hat  so  wohl  prima  wol- 
len drucken  lassen ,  obwohl  bei  Orclli  Cfc.  acad.  post.  1,  7.  in  die- 
sem Satze  primae  steht,  was  sich  freilich  auf  ein  vorhergehendes 
qualitates  bezieht.  Den  S.  33.  gegebenen  Satz:  Ebrius  cubat 
in  fadem  (Juven.  3,280.),  wünschen  wir  weg,  weil  sich  der 
Schüler  die  Constr.  nicht  erklären  kann.  K.  1.  S.  34.  soll  über- 
setzt werden:  „Das  Geschlecht  (genus)  der  Bienen  wird  ersetzt 
(sarcire)1-1-.  Wir  zweifeln,  ob  man  so  übersetzen  dürfe.  Der 
Verf.  hatte  aber  wohl  Virg.  Georg.  4,  249.  vor  Augen,  wo  es 
heisst:  Omnes  ineumbent  generis  lapsi  sarcire  ruinas.  Eben 
das.  steht:  praeda  deperlitur,  was  wohl  disp.  heissen  soll  — 
vergl.  Cic.  off.  2,  11.  S.  13.  wünschen  wir  imperamini  weg,  vo- 
cerare  soll  vorare  sein;  S.  60.  ist  vasi,  vasum  zu  streichen  (die 
Couj.  sind  in  starke  und  schioache  eingetheilt,  und  die  Verba 
nach  dem  Charakter  des  Perfects  aufgezählt).  S.  31.  omnipo- 
tent ia,  S.  20.  emtrix  ,  ,  S.  46.  adidatrix ,  S.  114.  novemdeeim, 
S.  98  und  238.  domu,  S.  108.  persuasus,  S.  109.  arduior,  ar- 
duissimus,  über  exterus  etc.  s.  oben;  S.  111.  ist  Demosth.  ora- 
tor  celeberrimus;  das.  kommt  schon  der  wenigstens  nicht  hin- 
länglich erklärte  Ablativ  bei  Compar.  vor  und  gar  statt  des  Acc. ; 


160  Lateinisch  o  Sprachlehre, 

S.  123.  fehlt  im  Satze :  Tunius  sibi  ipse  conseivit,  wohl  mortem  ; 
S.  145.  wünschen  wir  den  Satz  aus  Plaut,  capt.  3,  4,  112.:  Nihil 
Vivantes  magis  hoc  certo  certius,  aus  einer  solchen  Grammatik 
weg;  S.  146.  steht:  Epicurus  ob  eam  retn  („ob  quam1''')  inquit 
amiciliam  colendam  esse ;  S.  160.  etc  ist  amandum  das  Lieben, 
docendum  das  Lehren  etc.  falsch ,  wenn  auch  nicht  schlechtweg 
an  sich ,  doch  für  diese  Gramm. ;  S.  204.  ist  Caritas  patriae  kein 
Genit.  obiecti;  S.  208.  heisst  condemno  nicht  „ich  beschuldige"; 
S.  214.  ist  statt  Druides  a  bello  abesse  censuerunt  zu  lesen  con- 
suerunt  nach  Caes.  b.  G.  6,  14.;  S.  218.  bei  der  Regel  von  den 
Städtenamen  wissen  wir  mit  dem  Satze:  Id  Carthaginem  deletam 
publice  comprobatum  est,  Nichts  anzufangen;  S.  225.  steht 
oscitarunt  statt  vocit.;  S.  228.  sollte  zu  Athenienses  in  Pelopon- 
nesios  sexto  et  vicesimo  anno  bellum  gereutes  confecisse  appa- 
ret  (Nep.  6,  1.)  der  Subjectsaccusativ  l^ysandrum  gesetzt  sein; 
S.  229.  ist  nulluni  esse  imperium  tutum  für  tantum  zu  lesen 
(Nep.  10,  5.);  der  Satz  S.  231.:  His  pontibus  pabulatu?n  mitte- 
bat (Caes.  b.  c.  1,  40.)  sollte  wenigstens  ein  angemessenes  Subj. 
und  auch  Object  haben;  S.  251.  soll  revertere  zurückkehren  heis- 
sen.  K.  2.  S.  27.  steht  lllacrimasse  dicilur  partim  gaudio  tan- 
tae  perpetratae  rei,  partim  vetusta  gloria  urbis.  Der  Satz  ist 
aus  Liv.  25,  24.  und  gewinnt  offenbar  an  Bedeutung,  wenn  man 
weiss,  dass  Marcellus  Subj.  ist  und  es  sich  von  der  Einnahme 
von  Syrakus  handelt.  Also  etwa:  Marcellus ,  Syracusarum  moe- 
nia  ingressus  ...;  S.  57.  fehlt  me  bei  contuli;  S.  74.  steht: 
nemo  dubitat,  quin  domus  nobis  esset  adiudicata  —  aus  Cic. 
Att.  4,  2.  Orelli  hat  dubitabat  gegeben  und  das  sollte  in  solchen 
Uebungsbeispielen  auch  stehen.  S.  83.  ist  wieder:  Fuisse  patien- 
tem  .  . .  haec  sunt  lestimonia  (Nep.  15,  7.),  wo  wir  unbedenk- 
lich Epaminondam  fuisse  . .  .  multa  s.  t.  schreiben  würden. 

Unser  Gesammturtheil  über  das  Buch  muss  sich  schon  genug 
herausgestellt  haben.  Wir  vermissen  Manches ,  halten  Manches 
für  überflüssig  und  verwirrend  auf  dieser  Stufe,  Manches  für 
nicht  ganz  richtig,  möchten  das  Buch  den  Lehrern  wegen  der 
vielen  Beispiele  und  als  Gegengift  gegen  todten  Mechanismus  em- 
pfehlen, es  aber  nicht  gern  den  Schülern  in  die  Hand  geben.  — 

6)  Mit  Freuden  wenden  wir  uns  hierauf  zu  der  Anleitung  des 
Hr.  Dr.  August.  Das  Buch  kann  auch  da  gebraucht  werden ,  wo 
man  die  Zumpt'sche  Gramm,  nicht  gebraucht.  Jede  Uebung 
schliesst  einen  gewissen  J(reis  von  grammat.  Fragen  und  eine 
Menge  einzelner  Sätze  ein,  welche  das  in  den  Fragen  Angedeutete 
praktisch  einüben.  Auch  ist  bei  jeder  Uebung  ein  deutsches  zu- 
sammenhängendes Stück,  ebenfalls  über  die  jedesmaligen  Kegeln, 
welches  man  zu  den  schriftlichen  Uebersetzungen  zweckmässig  be- 
nutzen kann,  während  mau  die  einzelnen  Sätze  mündlich  übertra- 
gen lässt.  Jene  Stücke  sind  meist  freie  Uebersetzungen.  So  ist 
S."4.  „die  Ure"  nach  Caes.  b.  G.  6,  28.;  S.  7.  „Ueber  Traumdeu- 


August's  prakt.  Anleitung  z.  Uebersetzen  ins  Lat.  161 

hingen"  nach  Cic.  div.  2,  70.;  „zu  dem  treuen  Arzte"  S.  11.  kann 
man  Curt.  3,  6.  vergleichen;  „zu  den  Philänen"  S.  18.  Sali.  Jug. 
79.;  ,,zu  der  Gesandtschaft  der  Scythen"  S.  21.  Curt.  7,  8. ,  von 
dem  Stücke:  „die  Gerechtigkeit  des  Aratus ■*  S.  25.  .findet  man 
Cic.  off.  2,  23.;  von  dem  „Androclus"  Gell.  5,  14.  grössere  oder 
kleinere  Bestandteile.  „Ueber  die  wahre  Freundschaft"  ist  S. 
47.  Etwas  aus  Cic.  off.  3,  10.  mitgetheilt;  die  Schilderung:  „ge- 
täuschter Ehrgeiz"  ist  aus  Cic.  Plane.  26.  27.  Der  Brief  des  Trib. 
Lucius  ist  theilweise  aus  Curt.  4,  16.  genommen ;  „der  verderben- 
bringende Scherz"  aus  Cic.  Tusc.  5,  20.,  „die  Beschreibung  von 
Syrakus  und  Segesta"  aus  Cic.  Verr.  4,  52  ff.  und  das.  34.  Das 
Stück:  „Werth  der  Freundschaft"  ist  theilweise  aus  Cic.  Lael. 
24.  Sali.  Cat.  20. ;  „Epaminondas  und  die  Thebaner"  aus  Nepos 
15,  7.  9.  —  (es  wäre  wohl  besser  weggeblieben ,  da  der  Schüler 
den  überall  verbreiteten  Nepos  zu  sehr  benutzen  kann);  „Ehrgeiz 
des  Marius"  nach  Sali.  Jug.  65.  64.  Cic.  off  3,  20. ;  „Damocles" 
aus  Cic.  Tusc.  5,  21.;  ,,der  glückliche  Metellus"  ans  Vell.  Pat. 
1,  11.;  „Schlauheit  des  Themistoclcs"  aus  Nep.  2,  7.  (s.  jedoch 
unsere  Bemerk,  oben);  „die  Dioskuren"  aus  Cic.  de  orat.  2,  86. ; 
„Tod  des  Catilina"  aus  Sali.  Cat.  56.  57.  60. ;  über  „die  Punier 
durch  Ilannibals  Rede  zur  Ausdauer  bewogen"  s.  Liv.  21,  30. 
Ueber  die  ,, Menschlichkeit  eines  Königs"  lese  man  Curt.  8,  4.; 
über  die  „Beredsamkeit '  Cic.  inv.  1,  1.;  2,  3.;  über  „auch  Stra- 
fen erwecken  Eifer"  Caes.  b.  c.  3,  74.;  über  „den  wunderbaren 
Traum"  Plin.  ep.  5,  5.  Es  folgen  nun  auserlesene  Stellen  aus 
deutschen  Schriftstellern  (Schiller,  Luden,  Goethe;  J.  v.  Müller, 
Gütmann,  Herder  etc.  S.  168  — 188.)  und  in  der  neuesten  Auil. 
noch  eine  kurze  Missenschaftliche  Betrachtung  über  grammatische 
und  stylistische  Gegenstände  S.  188  —  202.  zu  Uebersetzungsver- 
suchen  mit  zweckmässigen,  die  Uebersetzung  erleichternden  deut- 
schen Anmerkungen,  von  denen  blos  das  letzte  Stück  ausgeschlos- 
sen ist.  Von  204  —  255.  steht  das  recht  zweckmässige  Wort- 
register. 

Je  mehr  Mir  nun  die  zweckmässige  Anlage,  die  sorgfältige 
Auswahl  und  die  richtige  Anleitung  zur  klassischen  Latinität  aner- 
kennen, desto  geneigter  wird  uns  der  gelehrte  Hr.  Verf.  einige 
Bedenken  erlauben. 

So  scheint  uns ,  dass  für  die  mittleren  Klassen  in  den  gram- 
matischen Fragen  und  den  darauf  bezüglichen  Beispielen  nicht 
das  gehörige  Maass  gehalten  ist.  Die  Zumptsche  Grammatik 
reicht  gar  über  das  Gymnasium  hinaus  und  deshalb  konnten  für 
jene  Schüler  gar  manche  Winke  und  Hegeln  unbeachtet  gelassen 
werden.  Das  ist  nun  theils  dadurch  geschehen,  dass  über  die 
Zumptsche  sogenannte  Syntaxis  ornata  keine  besonderen  Uebungea 
erscheinen,  aber  es  konnte  auch  z.  B.  die  Frage  über  den  Unter- 
schied zwischen  per  vim  und  vi  S.  48.  wegbleiben,  so  die  über 
den  Inf.  perf.  statt  des  inf.  pracs.  S.  125  etc.     Der  Verf.  hat  aber 

A7.  Jahrb.  f.  Phil.  u.  faul.  od.  Krit.  UM.  lid.  XXVill.  lijl.'l.    11 


102  Lateinische  Sprachlehre. 

111  der  neuesten  Auflage  gar  noch  einige  Zusätze  dieser  Art  ge- 
macht. Es  köimeu  aber  diese  Fragen  auch  für  die  Schüler  höhe- 
rer Klassen  gleichsam  als  Leitfaden  zur  Wiederholung  dienen  und 
in  sofern  könnte  man  also  bloss  wünschen,  dass  die  näher  be- 
zeichneten etwa  eingeklammert  würden ,  damit  der  Hr.  Verf.  den 
Lehrern  zeige,  wie  weit  er  den  Kreis  für  diese  Schulen  ziehe. 
Dann  müssen  wir  uoch  in  wenigen  Fällen  den  deutschen  und  den 
angewiesenen  latein.  Ausdruck  tadeln.  Dahin  rechnen  wir  S.  20. 
„die  Feindseligkeiten  überdrüssig  haben",  das.  „wo  jene  sich 
begegnet  kälten" ;  S.  23.:  „dass  sie  vorzogen  den  Werth  der  ver- 
lornen Güter,  als  diese  selbst  wieder  zu  et lan ge»44 ,  S.  31. :  „es 
wurde  ihm  (Mex.)  vom  Tode  zu  vor gekommen"  (man  setze  lieber 
hinter  den  Satz:  mit  passiver  Wendung  und  gebe  ihn  im  Deut- 
schen mit  activer);  S.  56*:  ,,die  grosseste  (Sorge)  ;  S.  73.:  „O 
trügerische«  Hoffnungen!14  und  so  mögen  noch  mehrere  kleine 
Flecken  das  Werk  verunstalten.  Manches  wird  in  der  4.  Ausgabe 
verbessert  sein,  wie  denn  in  der  3.  S.  17.  stand:  „Viele  Römer 
zogen  es  vor  auf  dem  Lande  zu  leben  als  in  der  Stadt" ,  wo  es  in 
der  4.  S.  16.  heisst:  „und  nicht  in  der  Stadt'4.  Aehnlich  sieht's 
mit  dem  lateinischen  Ausdrucke.  Im  Wortregister  stand  unter 
„verheirathen4  in  der  3.  Ausgabe  das  sonderbare  Wort  miplatio, 
jetzt  nubo.  Doch  möchte  auch  hier  noch  Manches  zu  rügen  sein. 
So  glauben  wir  nicht,  dass  „Zusammenhang  der  Dinge"  in  dem 
Stücke:  „Der  Traumdeuter",  mit  nexus  rerum  gegeben  werden 
kann,  wie  der  Schüler  nach  dem  Wortregister  thut.  Cicero  sagt 
dafür  vis  consensitsqiie  naturae.  Näher  schlösse  sich  ans  Deut- 
sche wohl  colligafio,  welches  nach  Cic.  fat.  14.  und  div.  1,  56. 
brauchbar  sein  wird.  ., Vereinen41  soll  auch  durch  adunare  über- 
tragen werden,  aber  dieses  Wort  kommt  vielleicht  vor  Justin  nicht 
vor.  Auch  consüialor  und  —  trix  (unter  Rath  geben)  wünschten 
wir  getilgt.  „Steuereinnehmer4'  möchten  wir  auch  nicht  durch 
rationaiis  übersetzen;  lieber  durch  pablicarum  exaetionum  coa- 
clor,  s.  lat.  Lex.  Experienlia  „die  Erfahrung'4*  wäre  mit  usus, 
res  besser  vertauscht.  So  kann  man  in  dem  Satze  S.  180.:  ,,der 
muss  einen  reichen  Vorrat h  von  Erfahrungen  bereit  haben44,  Er- 
fahr, nach  der  Anrn.  des  Verf.  umschreiben  durch:  „dasjenige, 
was  durch  Erf.  gelernt  wird'4,  dieses  aber  mit  qua  re  (usu)  do- 
cttts  est.  Vrgi.  Krebs  Antib.  Auch  über  das  Wort  „Vorsatz" 
verweisen  wir  darauf  und  über  obnoxius.  Acerbare,  welches 
„vergällen'4  wiedergeben  soll,  ist  doch  ohne  Zweifel  nur  dichte- 
risch; für  exncerbare  „erbittern"  ist  leicht  ein  besseres  Wort  za 
linden;  se  exhibere  „sich  zeigen44  ist  bedenklich,  und  „Hülle1,4 
wird  klassisch  sicherer  mit  veluni  als  mit  velamenlum  übersetzt. 
Lieber  abusus,  pidatium  (z.  B.  S.  86.  Palast,  der  einst  dem  Kö- 
nige Hiero  gehört  . .  domus  quae  regis  Hierotris  fuit  Cic.  Verr. 
4,  53.);  cognominare ,  vacare  haben  wir  uns  schon  oben  wo  aus- 
gesprochen, über  dignari  (würdigen)  u.  ultio  s.  Krebs.  S.  30, 16. 


August" s  prakt.  Anleitung  z.  Uebersetzen  ins  Lat.  163 

soll  „das  Gewinnbringende"  lucrosus  heissen ,  aber  quaestuosus 
ist  besser.  Bisweilen  möcbte  das  Wortregister  nicht  ausreichen. 
S.  87.  steht:  „Sic  (die  Stadt  Syrakus)  war  sowohl  von  einer  si- 
chern, als  herrlichen  Lage."  Schlägt  man  „Lage1'  nach,  so  fin- 
det man  conditio,  vices ;  Zustand,  Stelle.  Das  Wort  „Stelie" 
ist  das  einzige,  welches  der  Schüler  noch  verfolgen  kann,  und  er 
wird  nun  bei  „Stelle11  auf  „Ort11  angewiesen,  und  da  findet  er 
locus.  Das  durfte  hier  aber  wohl  nicht  brauchbar  sein.  —  Cic. 
Verr.  4,  52,  117.  sagt:  nain  et  situ  est  quum  mundo1,  tum  .  . 
praeclaro  .  .  —  S.  139.  (30.  Uebung,  Satz  19.)  steht  das  Wort 
„Wohlgeneigtheit",  aber  im  Wortreg.  ist  weder  dieses  Wort,  noch 
„wohlgeneigt" ,  noch  „geneigt"  zu  finden.  Uebung  26.  Satz  60. 
ist  zu  übersetzen  „an  der  Staatsverwaltung  einigen  Autheil  neh- 
men". Man  sucht  „Antheil"  und  wird  verwiesen  auf  „Theil", 
wo  man  Theil  nehmen,  Antheil  nehmen  nicht  findet,  sondern 
pars  . .  Unter  „nehmen"  ist  auch  Nichts  zu  finden,  und  „ionig" 
soll  8,  10.  durch  den  Superlativ  übersetzt  werden,  sagt  das  Wort- 
register und  weiter  Nichts.  Ueb.  31,  125.  ist  zu  übersetzen: 
„ein  Wort  fallen  lassen",  das  Wortregister  sagt  „fallen  lasset», 
nicht  brachten,  verlassen",  wovon  hier  aber  Nichts  passt.  Das 
Ueb.  20.  S.  65.  vorkommende  „Schierlingskraut"  ist  gleichfalls 
im  Lex.  nicht  zu  finden.  Nun  sagt  zwar  eine  Bemerkung  vor  dem 
Wortregister,  man  habe  sich,  wo  ein  Wort  fehle,  bei  den  näch- 
sten Sinnverwandten  umzusehn ,  und  die  Schüler  sind  auch  sonst 
5juf  das  Kraftsche  Lex.  verwiesen;  aber  solchen  kleinen  Ue bei- 
ständen wird  der  PIr.  Verf.  doch  auf  unser  Bitten  abhelfen.  Das« 
„Undank"  fehlt  (Ueb.  19.  S.  52.),  könnten  wir  schon  eher  ver- 
tragen, da  „Dankbarkeit"  durch  „dankbares  Gemüth"  übersetzt 
werden  soll.  Mag  nun  undankbar  fehlen,  da  „dankbar"  mit  gra~ 
ius  gegeben  ist,  so  zweifeln  wir  doch,  ob  in  der  angezogenen 
Stelle  „mit  Undank  lohnen"  so  übersetzt  werden  könne.  Ohnehin 
ist  dem  Schüler  viel  Spielraum  für  Geistesthätigkcit  gelassen. 
Ueb.  31,  100.  steht:  „Die  Vortheile  des  Vaterlandes  nicht  er- 
fechten ,  sondern  verfechten"  und  jm  Wortregister  bei  „verfech- 
ten" propugnare:  Ob  nicht  besser  prop.  pro  .  .  .  gesetzt  wäre'? 
11011  oppugnare  commoda  patriae,  sed  pro  his  propugnare,  Cic. 
inv.  1,  1.  Bei  den  grammatischen  Fragen  sind  Verweisungen  auf 
die  folgenden  Beispiele  eingeklammert.  Hier  möchten  auch  kleiiie 
Irrungen  vorkommen.  So  steht  Ueb.  19,  9.  die  Frage:  Wie  ver- 
hält man  sich,  wenn  das  Fut.  1.  in  den  Conj.  gesetzt  werden 
müsste*?  Hierbei  ist  verwiesen  auf  das  46.  Beispiel  und  dieses 
heisst:  .,Als  Bias  aufgefordert  worden  war,  etwas  von  seiner  Habe 
auf  die  Flucht  mitzunehmen,  soll  er  seinen  Freunden  geantwortet 
haben.  Ich  thue  es;  denn  ich  habe  alles  Meinige  bei  mir"  —  wo 
wir  keine  derartige  Beziehung  herausfinden  können.  Ueb.  IS,  86. 
ist  von  einer  Stadt  im  Lande  der  freien  Cilicicr  die  Hede;  sie 
wird  aber  wohl  durch  einen  Druckfehler  Dindenissus  genannt,  da 


104  Mythologie. 

Cic.  fam.  15,  4,  10.  steht:  Ad  oppidum  Eleutherocilicum  Pinde- 
nissum  exercitum  adduxi  u.  s.  w.  Zum  Schlüsse  wollen  wir  noch 
in  der  Ueb.  26,  6.  aufgestellten  Frage:  „Was  ist  in  Beziehung 
solcher  relativen  Sätze  zu  merken,  die  zu  ganz  allg.  bejahenden 
oder  verneinenden  Hauptsätzen,  wie:  Es  giebt  etc.,  Niemand  ist 
etc.,  genauere  Bestimmung  angeben  !u  das  Wort  Hauptsatz  angrei- 
fen, denn  wenn  ich  sage:  Da  es  Leute  giebt,  welche  etc.  . . ,  so 
steht  in  dem  relat.  Satze  aus  derselben  Ursache  der  Conj. ,  ob- 
gleich er  zunächst  von  keinem  Hauptsatze  abhängt.  Und  nun  die 
Bitte  an  den  Hrn.  Verfasser ,  unsere  Bemerkungen  als  Beweis 
der  Achtung  anzunehmen,  die  wir  vor  seiner  Leistung  haben, 
und  unsers  Eifers  für  die  gemeinsame  Sache. 

Coesfeld.  Teipel. 


Handwörterbuch  der  griechischen  und  römischen 
Mythologie  von  Dr.  Eduard  JacobL  Erste  Abtheil.  A  —  F. 
1830.  Zweite  Abtheil.  G  —  Z.  1835.  Koburg  und  Leipzig,  in  der 
Sinnerschen  Buchhandlung.      8.      899  u.  XVIII  u.  IV  S. 

Ueber  Entstehung  und  Zweck  dieses  Wörterbuchs  giebt  die 
Vorrede  zur  ersten  Abtheilung  folgende  Auskunft:  Der  Hr.  Verf. 
hatte  zu  verschiedenen  Zeiten  Vorlesungen  über  Mythologie  (doch 
wahrscheinlich  am  Gymnasium  zu  Coburg)  gehalten.  Zu  dem 
Ende  hatte  er  sich  Sammlungen  angelegt  und  vielfache  Bemerkun- 
gen niedergeschrieben,  welche  er  theils  aus  den  Quellen,  theils 
aus  den  vorhandenen  Wörterbüchern  entlehnte.  Bei  der  Gele- 
genheit stiess  er  in  den  letztern  auf  eine  Menge  von  Irrthümern 
und  unrichtigen  Angaben,  und  diese  führten  ihn  zu  dem  Ent- 
schluss,  die  theils  aus  den  Quellen  selbst  geschöpften,  theils  be- 
richtigten Sammlungen  alphabetisch  zu  ordnen  und  in  den  Druck 
zu  geben.  Doch  verglich  er  noch  zuvor  seine  Arbeit  mit  den 
Werken  seiner  Vorgänger,  namentlich  Hedericirs,  Gruber's  und 
INitsch-Klopfer's  ,  welcher  Vergleichung  er  noch  manche  Berich- 
tigung und  Ergänzung  verdankt.  Das  um  5  Jahre  spätere  Er- 
scheinen der  zweiten  Abtheilung  erklärt  sich  aus  den  mannigfalti- 
gen Hindernissen,  die  der  Verf.  erfuhr  (s.  Vorrede  zur  2.  Abth.). 
Und  schon  hatte  er  sich  zur  Beschleunigung  der  Herausgabe  des 
letzten  Theils  mit  dem  Dr.  Bathgeber  verbunden,  als  auch  dieser 
durch  mehrere  anderweitige  Arbeiten  gehemmt  davon  wieder  abste- 
hen musste,  so  dass  nur  ein  einziger  Artikel,  der  Artikel  Khea, 
von  demselben  herrührt. 

Bestimmt  ist  das  Buch  zunächst  für  die  oberen  Classen  in  den 
Gymnasien  zum  Nachschlagen  und  zur  Selbstbelehrung  der  Schü- 
ler; dabei  sollte  es  aber  auch  dem  Lehrer,  dem  Künstler,  ja  je- 
dem Gebildeten,  zu  einem  Repcrtorio  dienen,  um  daraus  sich 
über  die  Götter  und  Heroen  der  alten  classischen  Völker,  über 


Jacobis  Handwörterbuch  der  Mythologie.  165 

den  Inhalt  der  alten  Sagen  und  ihre  Quellen  in  der  Kürze  zu 
belehren. 

Der  Verf.  versichert  bei  Ausarbeitung  des  Werkes  nichts  auf 
Treu  und  Glauben  angenommen  zu  haben  und  auch  bei  dem  unbe- 
deutendsten Artikel  auf  die  Quellen  zurückgegangen  zu  sein  und 
eine  grosse  Menge  falscher  Angaben  und  Namen  und  besonders 
unrichtiger  Citate,  welche  sich  bekanntlich  in  den  mythologischen 
Werken  der  oben  genannten  Gelehrten  im  Uebermaass  finden, 
stillschweigend  berichtigt  zu  haben.  Dieses  Verdienst  ist  anzuer- 
kennen, und  schon  insofern  steht  das  Buch  bei  weitem  höher  als 
die  früheren  ähnliches  Inhaltes.  Aber  der  Verf.  zeigt  sich  auch 
sonst  noch  in  mehrfacher  Hinsicht  als  ein  besonnener,  selbststän- 
diger Forscher  (z.  B.  in  Abweisung  unstatthafter  Etymologien, 
grundloser  Ansichten  und  Hypothesen),  so  dass  sein  Werk  für 
Lehrer  und  Schüler  sehr  brauchbar  ist.  Eben  so  hat  er  gewusst 
in  Zusammenstellung  des  Stoffes  meistens  —  nur  bisweilen,  z.B. 
in  den  Artikeln  Hera  und  Herakles  ist  es  überschritten  —  ein 
weises  Maass  zu  halten.  Anerkennung  verdient  es  endlich,  dass 
überall  eine  reiche  Menge  von  Beweisstellen,  mitunter  auch  die 
Werke  von  berühmten  neuern  Mythologen  (Voss,  Otfr.  Müller 
etc.)  angeführt  worden  sind.  „Aller  Erklärung  und  Deutung  der 
Sagen",  meint  zwar  der  Verf.  in  der  Vorrede  zur  ersten  Abthei- 
lung 8.  VI.,  „habe  ich  mich  gänzlich  enthalten";  allein  das  ist 
nicht  durchgängig  der  Fall  und  gereicht  dem  Buche  gerade  zur 
Zierde,  so  dass  es  wünschenswerth  wäre,  Hr.  J.  hätte  dem  Ver- 
ständniss  von  Mythen ,  Genealogien ,  Götterdiensten  durch  kurze 
Bemerkungen  öfter  Vorschub  geleistet. 

Ueber  einige  Punkte  muss  der  Rec  mit  Hrn.  J.  aber  ernster 
rechten.  Erstens:  obwohl  die  Mythologie  (d.  h.  die  Götterlehre 
und  die  über  die  einzelnen  Gottheiten  im  Schwange  gegangenen 
Sagen)  aus  Einzelheiten  und  für  sich  bestehenden  Theilen  zusam- 
mengesetzt ist,  so  dass  sich  sehr  wohl  ein  Wörterbuch  anfertigen 
lässt:  so  giebt  es  doch  auch  vieles  Gemeinsame,  das  in  allge- 
meine Sätze  zusammengefasst  werden  kann.  Insofern  würde  eine 
kurze  Einleitung  und  eine  Anleitung  zum  Verständniss  und  zur 
Einsicht  in  die  Mythologie,  dem  Wörterbuche  vorangeschickt, 
sehr  an  Ort  und  Stelle  gewesen  sein.  Rec.  weiss  aus  Erfahrung, 
wie  nothwendig  insbesondere  für  Schüler  Etwas  der  Art  ist;  wie 
dieselben  gewöhnlich  im  Finstern  umhertappen,  ohne  nur  eine 
Ahnung  von  dem  zu  haben,  was  denn  in  den  Culten,  in  den  Gott- 
heiten, in  den  Genealogien,  in  den  Mythen  für  ein  Sinn  liege. 
Sie  nehmen  und  lernen  die  Sachen  äusserlich  und  iiuden  darin  nur 
Sinnloses  oder  Unsinniges. 

Zweitens  missfallt  dem  Rec. ,  dass  Hr.  J.  die  griechische  und 
römische  Mythologie  untermischt  behandelt  hat.  Viele  nämlich 
von  den  römischen  Culten  sind  anderer  als  griechischer  Herkunft 
und  Natur,  wie  schon  die  Namen  beweisen,   als  J7aAA«s  '4&yvij 


166  Mythologie. 

uml  Minerva,  "Hqt}  und  Juno,  "Agtspis  und  Diana,  Ilo6stdäv 
und  Neptuuus,  zfrjurjvTiQ  und  Ceres,  und  nur  von  den  spätem 
Griechen  und  Römern  erst  zusammengeworfen  worden ;  andere 
jedem  einzelnen  der  beiden  Völker  eigen,  z.  B.  dem  griechischen 
sdaidctXog,  IlQO{irfösvg,  Bv^ag,  Bccvqco,  '/Hcoüöai,  dem  römi- 
schen Acca  Larentia,  Romulus,  Quirinus,  Picus,  Aeneas,  Egeria, 
Janiis  u.  s.  w.  Es  wäre  daher  unbezweifelt  besser  gewesen,  der 
Verf.  hätte  die  griech.  Mythologie  für  sich  behandelt  und  als  An- 
hang die  der  Römer  gegeben.  So  aber  steht  Alles  unter  einander, 
und  der  Schüler  lernt  nicht  das  Verschiedene  gleich  von  Hause 
ans  trennen  und  scheiden,  wie  es  doch  sein  soll. 

Drittens  scheint  sich  der  Verf. ,  ehe  er  an  das  Werk  ging, 
oder  beim  Anfertigen  desselben  keine  bestimmten  allgemeinen 
Grundsätze  gebildet  und  vorgehalten  zu  haben,  nach  welchen  er 
die  einzelnen  Artikel  zu  behandeln,  den  Stoff  zu  ordnen  und  an 
einander  zu  reihen  hätte.  Wenigstens  sagen  davon  die  Vorreden 
nichts ,  und  in  der  Behandlung  des  Einzelnen  vermisst  man  Ue- 
bereinstimmung.  Hr.  J.  musste  hier  durchgängig  eben  so  verfah- 
ren wie  der  Lexicograph  bei  jedem  einzelnen  Worte:  er  musste 
immer  von  der  Etymologie  und  von  der  ursprünglichen  Bedeutung 
eines  Namens  ausgehen,  das  Uebrige  aber  in  gewisse  Gruppen 
vertheilen,  doch  auch  dort  wieder  mit  sichtendem,  ordnendem 
und  combinirendem  Verstände  verfahren ,  so  dass  stets  das  Glei- 
che oder  Aehnliche  mit  dem  Gleichen  oder  Aehnlichen,  das  Ver- 
wandte mit  dem  Verwandten  zusammenstände,  Eins  das  Andere 
vorbereitete,  bedingte  u.  s.  w.  Jeder  Artikel  ward  dann  gewisser 
Maassen  für  sich  ein  Kunstwerk,  ein  rundes  in  sich  abgeschlosse- 
nes Ganzes.  So  soll  es  eben  bei  einem  Werke  dieser  Art  sein. 
Insofern  ist  der  Artikel  Rhea  vom  Hrn.  Rathgeber  ein  wahres 
Muster.  Wir  wollen  damit  nicht  geläugnet  haben,  dass  auch  un- 
serm  Verf.  manche  Artikel  gelungen  seien,  z.  B.  Apollo;  allein 
im  Allgemeinen  thut  sich  in  seinem  Werke  nicht  jene  Gabe  des 
Sichtens,  des  Ordnens,  des  Gruppirens  kund,  welche  zu  Anfer- 
tigung eines  solchen  Buches  durchaus  nothwendig  erscheint. 
Hauptsächlich  ist  das  Vermischen  der  griechischen  und  römischen, 
wenn  auch  unter  sich  ähnlichen,  Götterdienste  ein  grosser  Uebel- 
stand.  Kgövog  ist  nicht  Saturnus,  "Egcog  nicht  Amor,  'ylqiQOÖirt] 
nicht  Venus ,  wenigstens  nicht  ursprünglich  und  eigentlich. 

Was  die  Etymologien  der  Namen  anlangt  und  die  uranfäng- 
liche Bedeutung  derselben,  so  ist  schon  oben  erinnert  worden, 
dass  der  Verf.  hier  mit  lobenswerther  Besonnenheit  und  Vorsicht 
Verfährt.  Bisweilen  ist  er  nur  zu  karg  darin.  Wir  vermissten 
z.  B.  bei  Adonis  die  Hinweisung  auf  pn«,  0'»3,7>*;  bei  Aegialeus 
die  auf  alytaXog  (das  Ufer),  bei  Agraulos  die  auf  äygbg  und  av- 
An'g;  bei  Amphiktyon  die  auf  a^opi.  und  jm'o,  xti^a;  bei  Atlas 
die  auf  cc  privat,  und  tAata,  rkrjui ;  bei  Daedalus  die  auf  öalöa^og, 
öuloj;    bei   Bacchus    und  Iacchus  die  auf  ßax%oi,   lern,   tax^co, 


Jiicabis  Hanc?vrorierlmc?i  der  Mythologie.  167 

iV^o;  bei  Janas  die  auf  jo  (eo),  bei  Kqovos  auf  apßtVo,  bei 
Saturnns  (weicher  Gott  bei  uiiserm  Verf.  so  gänzlich  mit  Kgovog 
vermengt  ist,  dass  man  nicht  einmal  erfahrt,  dass  jener  den  Be- 
wohnern Italiens,  dieser  den  Griechen  angehört  habe,  und  dass 
beide  in  spaterer  Zeit  erst  mit  einander  vermischt  worden  sind) 
auf  sero,  satnm,  bei  Zsirg ,  z/idg  ni\£  öua,  bei  Ceres  auf  gero 
(vgl.  germen)  11.  s.  w. ,  da  doch  diese  Etymologien  auf  der  Hand 
liegen  und  dem  Verf.  die  Basis  zur  Erörterung  des  betreffenden 
Artikels  abgeben  konnten. 

Bei  einem  Buche  dieser  Art ,  das  für  Schüler  bestimmt  ist, 
waren  kurze  Erklärungen  oder  Angaben  zur  richtigen  Auffassung 
eines  Mythus  oder  einer  mythischen  Person  ganz  an  der  Stelle, 
so  bei  Abas  2),  dass  dieses  eine  Personifikation  oder  Individualisi- 
rung  des  abantischen  Volksstammes  in  grauer  Vorzeit  gewesen 
sei;  bei  Achelous  war  von  dem  Strome  selbst  auszugehen,  der 
erst  zu  einem  Stromgott©  geworden,  bei  Acheron  von  dem  epiro- 
tischen  Flusse,  welcher  zur  Erdichtung  des  Ilöllenßnsses  Gele- 
genheit gegeben;  bei  Acgialens  von  ulyiotkog,  Aegiaiea,  der 
Ufergegend  Achaja's,  welchen  Namen  und  seine  Entstehung  der 
Mythus  eben  nachweisen  wollte;  bei  Aegyptns  als  dem  Sohne  des 
Belus  davon,  dass  das  Land  persouiiicirt  worden,  um  daraus  die 
Herkunft  des  geograpliischen  Namens  zu  erklären.  Gleicher 
"Weise  war  bei  Italus,  bei  Hellen,  Ion,  Perses,  Romulus,  Re- 
mus,  Latinos  u.  a.  individualisirenden  I'ersonificationen  die  Quelle 
derselben  anzudeuten. 

So  verhält  es  sich  auch  mit  den  Genealogien,  mit  welchen 
der  Schüler  gemeinhin  nun  gar  nicht  weiss ,  was  er  anfangen  soll, 
wenn  ihm  nicht  hin  und  wieder  Wink'e  zum  Versländniss  gegeben 
werden.  Warum  wird  Helios  ein  Sohn  des  Hyperion ,  desglei- 
chen Eos  eine  Tochter  desselben,  Ion,  Doms,  Ajsolns  Söhne  des 
Hellen,  Eris  die  Schwester  des  Ares,  die  Tochter  der  Nacht, 
die  Nike  die  Tochter  der  Palh:s  und  des  Styx,  der  Nilus  u.a. 
Flüsse  Söhne  des  Oceanus  und  der  Tcthys  u.  s.  w.  genannt?  Sol- 
che Andeutungen  bringen  dem  Schüler  gleich  von  vorn  herein  die 
Idee  bei,  dass  die  Mythologie  der  Alten  kein  Unsinn,  keine  Lä- 
cherlichkeit, keine  Ausgeburt  des  Wahnwitzes  sei,  sondern  über- 
all einen  vernünftigen  Grund  habe.  Er  lernt  sie  begreifen,  und 
so  wird  sie  ihm  ,  bei  dem  gemeinhin  die  Phantasie  so  rege,  des- 
sen Lebensalter  in  so  vielen  Stöcken  gleich  ist  den  Völkern  im 
mythischen  Zeitalter,  angenehm,  lieb,  interessant.  Ihm  er- 
scheint das  Alterthum  in  jenem  anziehenden  poetischen  Lichte, 
in  welchem  unser  Schiller  es  auffasste  und  mit  allem  Rechte  so 
schön  fand.  Und  ist  das  nicht  ein  Gewinn'?  Und  wird  nicht  da- 
durch die  jugendliche  Phantasie  geweckt,  genährt,  lebendiger? 
zu  poetischen  Ergiessungen  fähiger?  Durch  solche  und  ähnliche 
Bemerkungen  und  Erklärungen  wäre  zugleich  das  Dürre  und  Lang- 


168  Mythologie. 

wellige  und  Trockene,  was  Wörterbücher  der  Art  an  und  für  sich 
haben,  gemieden  oder  wenigstens  gemildert  worden. 

Zusätze  Hessen  sich  bei  den  ausserordentlichen  Fortschritten, 
welche  die  Wissenschaft  in  jedem  Jahre  seit  Erscheinen  des  vor- 
liegenden Buches  gemacht  hat,  in  Menge  hier  beifügen;  allein 
wir  wollen  diese  Anzeige  nicht  über  die  Gebühr  ausdehnen.  Auch 
ist  ja  das  Maass  eines  Handwörterbuchs  nicht  bestimmt  genug  zu 
begrenzen. 

Brandenburg  a.  H.  Heffter. 


De  fabula,    quae   de   Niobe   eiusque   liberis    agit. 
Scripsit    C.  E.  J.  liurmeider ,   YUunariensis ,  TKeol.  et  Phil.  Studio- 
sus,    Sera,   philo),     in   Acad.    Rostochiensi   sodalis.      Commentatio 
ex    sententia    decanorum    maximc    spectabiliuin    die   X.   Deccnihria 
MDCCCXXV.  praemio  ornata.      Yismariae,   aptid  H.  Schmidt    et  de 
Cnssel.      (VIDCCCXXXYI.     8.     VI  u.  94  S.     12  Gr. 
Die  vorliegende  Schrift,  obwohl  schon  vor  vier  Jahren  er- 
schienen, hat  in  diesen  Blättern,  soviel  wir  wissen,  noch  keine 
ausführliche  Anzeige  und  Beurtheilung  erfahren ,  und  doch  ver- 
dient sie  es  in  einem  hohen  Grade.     Sie  behandelt  einen  Gegen- 
stand, der  zu  den  anziehendsten  der  griechischen  Sagengeschichte 
gehört,  d.  h.  ein  Ereigniss,  das  nicht  bloss  an  sich  schon  ein  höchst 
tragisches  ist  und  das  Mitleiden  überaus  in  Anspruch  nimmt,  son- 
dern das  auch  durch  den  unübertrefflichen  poetischen  Kunstsinn 
der  Griechen  zu  einer  der  schönsten  Darstellungen  in  Wort  wie 
in  Farbe  und  in  Stein  gemacht  worden  ist.     Ueberdem  kann  un- 
sere Zeit  gerade  an  einem  solchen  einzelnen  Mythus  lernen,  wie 
die   ganze  Wissenschaft  der  Mythologie  zu  handhaben  sei:  eine 
Kunst,  die  leider  noch  immer  zu  den  seltneren  gehört. 

Obige  Schrift  hat  ihren  Ursprung  den  Herren  Decanen  der 
Rostocker  Universität  zu  verdanken,  welche  im  Jahre  1834  als 
Preisaufgabe  für  Studirende  das  Thema  gewählt:  lllustretur  fa- 
bula  Graecorum,  quae  de  Niobe  eiusque  liberis  agit,  ita,  ut 
poetarum  imprimis,  qui  ea  usi  sunt,  ratio  diligens  habeatur. 
Es  war  nur  eine  Abhandlung  eingegangen,  die  des  Hrn.  Burmei- 
ster. Das  Urtheil  der  Herren  Decani  über  sie  lautete  also:  ,,Et 
altcram  quidem  huius  scriptionis  partein  ,  quae  in  fabulae  ipsius 
explicatione  versatur,  optimae  spei  iuvenis  tarn  docte  aecurateque 
pertraetavit,  ut  exspeetationi  nostrae  plane  satisfecerit.  Neque 
enim  solum  locos  veterum  scriptorum  longe  lateque  dispersos  col- 
legit  disposuitque  collectos,  verum  etiam  de  permultis  ac  partim 
difficilibus  satis  recte  iudieavit.  Praetcrea  vero  etiam  poetarum, 
qui  lila  fabula  usi  sunt,  rationem  diligentem  haberi  iussimus.  At- 
que  haue  alteram  disputationis  partera  modestus  iuvenis  minus  fe- 
liciter  pertraetavit,  qnippe  qui  in  eis,  quae  viri  docti  passim  dis- 
pntaverant,  nimium  crebro  acquieverit.  Quamobrem  ita  censemus, 


BurmeUtcr :  De  Niobes  fabnla.  169 

commentationem  illam  et  praemio  decorandam  et  auctoritate  no- 
stra  in  vulgus  edendam  esse,  si  pfifft  pars  eins  altera,  quae  in 
poetarum  locis  versatur,  secnndis  cnris  aliqnanto  magis  expolita 
fnerit."     In  solcher  Gestalt  liegt  nun  das  Werkchen  vor  uns. 

Der  Unterzeichnete  stimmt  jenem  Urtheile  bei,  insofern  er 
dem  Fleisse  und  der  Gelehrsamkeit  des  Verfassers  alle  Gerech- 
tigkeit widerfahren  lässt,  obschon  er  weder  mit  der  Anordnung 
des  Stoffes  noch  mit  der  Erklärung  des  Mythus  einverstanden  ist, 
auch  im  Einzelnen  manche  Ausstellung  zu  machen  hat. 

Was  den  ersten  Punkt,  die  Anordnung  des  Stoffes,  betrifft, 
so  äussert  der  Verf.  p.  8.  darüber:  „Ceterum  totam  disputationem 
ita  instituimus,  ut  in  prima  parte  de  mythographis ,  qui  fabulam 
de  Niobe  narrarunt,  agcremus,  in  altera  poetarum,  qui  ea  usi 
sunt,  iustara  rationem  haberemus,  in  tertia  demum,  quomodo 
sit  explicata  et  explicanda,  doceremus."  Hier  vermisst  man  durch- 
aus den  logischen,  naturgemässen  Gang.  Auch  wird  geschieden, 
was  nicht  zu  scheiden  war:  die  Mythographen  von  den  Dichtern. 
Haben  nicht  die  ersteren  in  unzähligen  Fällen  die  letzteren  nur 
ausgeschrieben  und  copirt?  Dies  Versehen  muss  der  Verf.  spä- 
ter eingesehen  haben ;  denn  Pars  I.  führt  gar  keine  allgemeine 
Aufschrift,  während  doch  Pars  II.  und  III.  sie  hat.  Offenbar  hätte 
der  Verf.  besser  gethan,  wenn  er  folgenden  Plan  verfolgt  hätte: 

1)  Darstellung  des  Mythus  von  der  INiobe  und  in  ihren  Kin- 
dern nach  denjenigen  Zügen,  welche  allen  Darstellungen  in  Prosa, 
Poesie  und  Bildnerei  gemeinsam  sind.  Damit  hat  der  Verf.  zwar 
auch  begonnen  (Pars  I.  §  1.),  aber  unvollständig  und  so,  dass  er 
doch  specielle  Dinge,  z.  B.  den  Ovid  und  den  Diodorus  Siculus 
anführt,  und  zwar  den  letzteren  sogar  wörtlich:  ein  Uebelstand, 
der  sich  überhaupt  recht  oft  im  Buche  wiederholt,  statt  dass  der 
Text  in  nuce  den  Inhalt  der  Stellen  angeben  sollte. 

2)  Die  Aufsuchung  und  Ausschälung  des  Kernes  des  Mythus, 
ein  Kapitel,  was  der  Verf.  erst  zu  Ende  des  ganzen  Werkes  bringt, 
und  in  dessen  Behandlung  er  durchaus  unglücklich  gewesen  ist. 
Er  verirrt  sich  nämlich  sonderbarer  Weise  in  die  Regionen  des 
Bacchuscultus  hinein  und  meint  in  jenem  Mythus  von  der  Niobe 
einen  Streit  zwischen  diesem  Culte  und  dem  Culte  des  Apollo 
dargestellt.  Aber  worin  liegt  dazu  auch  nur  die  entfernteste  An- 
deutung 1  Und  was  gehören  für  Deuteleien  und  falsche  Voraus- 
setzungen dazu,  um  jenes  Resultat  zu  begründen  und  herbeizu- 
führen? Gegen  eine  solche  feine,  eine  so  hohe  Abstraction  von 
Seiten  der  Urheber  voraussetzende  Auffassung  und  Erklärung  ei- 
nes Mythus  ist  schon  oft  protestirt  worden;  auch  wir  protestiren 
dagegen  und  setzen  der  Deutung  des  Verf.  folgende  naturge- 
mässe ,  auf  der  Hand  liegende  entgegen. 

Der  IName  Nioßrj  lässt  sich  nicht  etymologisch  auflösen  und 
seine  etwaige  Bedeutung  mit  der  Erzählung  in  Verbindung  brin- 
gen dergestalt,  dass  er  als  ein  ursprünglich  appellativer  Marne  er- 


170  Mythologie. 

schiene,  erfunden,  um  doch  einen  Namen  zu  haben  für  die  Haupt- 
person in  der  Erzählung.  Ferner  ist  es  ja  keine  Unmöglichkeit 
oder  etwas  ganz  Unerhörtes,  dass  Aeltern' urplötzlich  und  mit  ei- 
nem Male  selbst  einer  ziemlichen  Anzahl  von  Kindern  durch  den 
Tod  verlustig  werden  können.  Daraus  lässt  sich  abnehmen  und 
als  historisch  gewiss  voraussetzen:  Es  hat  einstmals  eine  Frau  ge- 
lebt, INiobe  geheissen,  die  reichlich  gesegnet  mit  Kindern  bei- 
derlei Geschlechts,  das  Unglück  hatte,  dieselben  binnen  kurzer 
Zeit  zu  verlieren.  Man  denke  sich  den  namenlosen  Schmerz  der 
Mutter.  —  Das  ist  die  Grundlage  des  ganzen  Mythus.  Was 
aber  den  Ort  anlangt,  wo  das  Ereigniss  geschehen,  so  wird  das 
an  tragischen,  Unfällen  so  reiche  Theben  zunächst  genannt,  und 
wir  haben  keine  Ursache  daran  zu  zweifeln.  Der  Mythus  scheint 
ein  acht  griechischer  zu  sein,  der  Name  Niößt]  ist  ein  helleni- 
scher, er  kommt  auch  in  der  argivischen  Sage  vor  (Apollodor.  II, 
1.  1.  §.  5  sqq.);  ein  Unglück  der  Art  kann  allerwärts  geschehen, 
auch  in  Griechenland,  auch  in  Theben  geschehen  sein;  endlich 
lässt  es  sich  wohl  erklären ,  warum  der  Mythus  von  Theben  nach 
Kleinasien  hinüberspielt,  aber  nicht  umgekehrt.  Der  Mythus  ist 
also  ursprünglich  ein  localer ,  und  zwar  ein  thebanischer. 

Nach  Feststellung  dieser  Hauptsätze  wird  es  leicht  sein,  die 
Nebenumstände  aufzuklaren.  Amphion ,  der  Umherreisende  (näm- 
lich als  Sänger;  das  pflegten  die  des  Gesanges  und  des  Cyther- 
spieles  Kundigen  im  hohen  Alterthume  zu  thun),  ein  erdichteter 
mythischer  Sänger  und  König  der  gesangreichen  Thraker  im  spä- 
teren Böotien ,  konnte  zum  Gemahl  der  Niobe  werden ,  da  deren 
Gatten  die  historische  Sage  nicht  überliefert  hatte.  Die  Zahl  der 
Kinder,  von  den  verschiedenen  Schriftstellern  so  verschieden  an- 
gegeben, konnte  in  Folge  der  sieben  Thore  von  Theben  (welche 
nach  den  Töchtern  der  Niobe  benannt  sein  sollten)  zuletzt  auf 
vierzehn  steigen.  Die  Namen  der  Kinder  sind  rein  erdichtet,  aber 
der  Grund  der  Namen  meistens  leicht  aufzufinden,  z.  B.  Ismeuus, 
Sipylus ,  Tantalus.  Dass  Apollo  und  Artemis  in  Scene  gebracht 
werden,  hat  seine  Veranlassung  darin,  weil  sie  den  plötzliche» 
Tod  der  Menschen  repräsentiren  oder  als  Urheber  desselben  be- 
trachtet wurden,  und  der  Mythus  immer,  um  Lebendigkeit  der 
Erzählung  zu  geben ,  Götter  handelnd  einfficht.  Nun  war  aber 
ein  Knoten  zu  schürzen  oder  ein  Grund  zu  schaffen,  wodurch  die 
beiden  Gottheiten  veranlasst  worden  waren  zu  jenem  schmerzens- 
vollen  Morde  aller  Kinder  der  Niobe.  Es  handelte  sich  hier  von 
Kindern,  von  einer  reichen  Zahl  derselben,  aufweiche  man  im 
Alterthume  stolz  zu  sein  pflegte.  Sogleich  hatte  die  schöpferi- 
sche Phantasie  des  Griechen  die  Veranlassung  gefunden.  Niobe 
musste  sich  gebrüstet  haben  ihrer  grossen  Kinderzahl,  sie  musste 
sich  in  dieser  Beziehung  höher  gestellt  haben  als  die  Mutter  je- 
ner beiden  Gottheiten;  sie  musste  die  Latona  schwer  beleidigt 
haben,   so  dass  diese,    darob  erzürnt,   ihre  beiden  Kinder  zur 


LJurmeister :  De  Niobes  fabula.  171 

Rache  aufgerufen.  Ja  man  ging;  noch  weiter:  um  hierzu  eine  spe 
cielle  Gelegenheit  zu  erhalten,  dichtete  man,  Niobe  habe  sich 
an  einem  Feste  der  Latona,  zu  welchem  die  Manto  (der  personi- 
ficirte  Weissagergeist;  Mavza\.[io,.ivoi.iai)  gehört,  die  Gemahlin 
des  als  Wahrsager  im  Alterlhume  berühmten  Tiresias,  gegen  die 
Göttin  aufgelehnt,  habe  über  sie  und  ihre  Göttlichkeit  gespottet, 
habe  geboten  sie  selbst  als  Göttin  zu  verehren.  Eine  solche  Zu- 
nicksetzung aber,  eine  Schmälerung  der  göttlichen  Ehre,  der 
Opfer  u.  s.  w. ,  deuchte  nach  der  Ansicht  der  Alten  den  Göttern 
die  grösste  Schmach,  und  so  musste  Latona  entbrennen  von  Zorn 
und  das  grausenhafte  Unheil  anrichten.  Die  Verwandlung  der 
Mutter  in  einen  Stein  ist  zuverlässig,  wie  es  schon  die  Alten 
(z.  B  Eustathius  p.  1507.  34.)  erklärt  haben,  nichts  als  hyperbo- 
lischer Ausdruck  für  den  ungeheuren  Schmerz,  der  ihr,  wie  na- 
türlich, gleichsam  alle  Sinne  rauben,  die  Glieder  erstarren  ma- 
chen musste;  aber  Zeus,  der  Allerbarmer,  musste  das  ihr  auf 
ihr  Flehen  gethan  haben;  auch  konnte  eine  Statue  auf  ihrem 
Grabe  dazu  Veranlassung  geben.  Diese  Verwandlung  mochte  be- 
reits bekannte  Sage  geworden  sein,  da  entdeckte  die  lebhafte 
Einbildungskraft  der  seefahrenden  Griechen  in  Kleinasien  am  Si- 
pylus  ein  Felsgebilde,  das,  aus  der  Ferne  gesehen,  die  Gestalt 
eines  weinenden  und  trauernden  Weibes  darbot.  Alsbald  ward 
gefabelt,  das  wäre  die  verwandelte  Niobe,  und  der  Phantasie  der 
Hellenen  war  es  nicht  zu  hoch,  die  unglückliche  Mutter  von 
einem  Sturmwinde  von  Theben  nach  Kleinasien  herübergeführt 
werden  zu  lassen.  Nun  ward  Niobe  zur  Tochter  des  Tantalus 
und  zur  Schwester  des  Pelops,  dem  ja  die  Sage  Kleinasien  als 
Heimath  anweist;  nun  musste  sie  dort  geboren  und  später  erst  an 
den  Amphion  in  Theben  verheirathet  worden  sein. 

So  wäre  der  Mythus  nach  allen  seinen  Hauptzügen  erklärt: 
wir  hätten  den  Stamm  und  alle  Ilauptzweige  desselben  gefunden, 
und  das  ganze  Gebilde  stände  deutlich  vor  unserer  Seele.  Und 
so  muss  der  Mytholog  verfahren :  er  muss  bei  jedem  einzelnen 
Mythus  nachspüren  nach  der  Quelle  und  nach  den  verschiedenen 
Gängen  und  Ausläufen,  die  die  Phantasie  genommen.  Kein  Punkt 
darf  unerörtert  bleiben. 

3)  Nun  wäre  auch  eine  Würdigung  des  Mythus  (als  eines 
poetischen  Productes)  von  Seiten  des  Aesthetischen  an  der  Stelle. 
Und  kein  Sujet  ist  dramatischer ,  ist  reicher  an  den  verschieden- 
sten Situationen,  kann  tragischer  sich  enden  als  die  Geschichte 
der  Niobe.  Hr.  B.  ist  über  diesen  Punkt  schnell  hinweggegangen, 
kaum  hat  er  ihn  im  Anfange  (p.  7.)  berührt  (in  den  Worten:  Fa- 
bularum ,  quas  multas  exhibet  Graecorum  mythologia  et  pulcher- 
rimas ,  »jx  nobilissimis  et  insignissimis  est  ea,  quae  de  Niobes  fato 
eiusque  iiberorum  interitu  narrata  est).  Hier  musste  in  die  Tiefe 
gegangen ,  die  einzelneu  Schönheiten  aufgeführt  werden.   Welche 


172  Mythologie. 

eine  feste  und  schöne  Basis  wäre  dadurch  für  die  zweite  Abthei- 
lung gelegt  gewesen ! 

4)  Nachdem  so  dem  Mythus  selbst  an  sich  und  im  Allgemei- 
nen und  seiner  Erklärung  ein  Genüge  geschehen ,  mussten  die 
einzelnen  Schriftsteller,  welche  die  Niobe  und  ihr  Schicksal  be- 
handelt haben,  in  chronologischer  Ordnung  durchgenommen,  die 
speciellen  Abweichungen  angemerkt  und  erklärt  werden,  ganz 
nach  der  Art ,  wie  Voss  verfahren  ist.  Hier  musste  dem  Homer 
den  Reigen  eröffnen,  den  unser  Verf.  wunderbarer  Weise  erst 
pag.  74  sq.  auffuhrt ,  d.  h.  nach  den  Tragikern.  Solchergestalt 
würde  das  Gewebe  des  Mythus  nach  allen  Seiten  hin  anschaulich 
entwickelt  werden :  wir  würden  es  gleichsam  vor  unsern  Blicken 
wachsen  sehen ,  könnten  es  verfolgen  bis  in  die  kleinsten  und 
feinsten  Nuancen. 

Wir  gehen  jetzt  zu  den  einzelnen  §§  über.  Pars  I.  §  2. 
spricht  der  Verf.  de  parentibus  Niobes  sehr  vollständig;  nur  hätte 
er  auch  die  Gründe  aufsuchen  sollen ,  warum  das  Alterthum  der 
Niobe  diese  oder  jene  Abstammung  gab.  Solches  ist  nämlich  nie 
ohne  Grund.  Bei  dieser  Gelegenheit  kommt  Hr.  B.  auf  Oud. 
Metam.  VI,  174.  zu  sprechen,  auf  jene  schwierigen  Worte:  Ple- 
iadum  soror  est  genitrix  mihi.  Denn  wer  ist  diese  Pleiadum  so- 
ror'? Heisst  dies  wirklich:  eine  der  Schwestern,  welche  Pleja- 
den  genannt  werden,  oder:  eine  der  Plejaden '?  wie  Bach  u.  A. 
wollen.  Der  erstere  macht  noch  obendrein  das  Versehen  ,  dass 
er  hinzufügt :  Dione.  Dione  aber  ist  von  keinem  Mythologen  je 
unter  die  Plejaden  gerechnet  worden.  Da  noch  besser  Schol.  Be- 
gius:  Niobes  mater  Taygete  fuit  una  ex  Pleiadibus,  Atlantis  filia- 
bus.  Wenn  nur  das  nicht  eine  Angabe  der  Verzweiflung  zu  sein 
schiene;  denn  Taygete  wird  nirgends  anderswo  als  die  Mutter  der 
Niobe  aufgeführt.  Ein  anderer  Mythograph  (bei  Bode  p.  63,  27.) 
macht  die  Sterope,  eine  der  Plejaden,  zur  Mutter  der  Niobe. 
Das  wäre  eher  anzunehmen.  Allein  Hr.  B.  hat  gewiss  Recht, 
wenn  er  es  mit  Burmann  hält,  der  in  jener  Stelle  des  Ovid  die 
Dione  versteht,  eine  der  Hyaden,  so  dass  also  Pleiadum  soror 
nicht  bedeute  unam  ex  Pleiadibus,  sondern  unam  earum,  quae 
sunt  Pleiadum  sorores,  i.  e.  Hyadum,  und  wenn  er  hinzufügt: 
Ita  si  locum  explicamus,  eleganlior  quoque  existit  summi  poetae 
sententia,  pro  prosaico  illo  una  ex  Hyadibus,  Pleiadum  soror 
dicentis. 

§  3.  ist  der  Verf.  de  Amphione,  Niobes  marito,  zu  weitläu- 
fig, und  doch  dringt  er  nicht  in' den  Sinn  dieser  Verwandtschaft 
ein.  Man  fragt  hier  mit  Recht :  warum  ist  vom  Mythus  der  Niobe 
Amphion  zum  Gemahl  gegeben*? 

§  4.  handelt  de  numero  Niobidarum ,  aber  zu  kurz  und  ober- 
flächlich. Erstens  fehlen  manche  Stellen  (z.  B.  Plutarch.  de  su- 
perstit.  p.  170.),  zweitens  wird  nicht  nachzuweisen  versucht, 
warum  die  alten  Schriftsteller  und  Künstler  hinsichtlich  der  Zahl 


Burmclstcr:  De  Niobes  fabula.  173 

der  Kinder  der  Niobe  variiren.  Welcker  im  Rhein.  Museum  für 
Piniol.  IV.  2  II.  S.  255  ff.  durfte  hier  nicht  unbenutzt  bleiben, 
obwohl  wir  nicht  der  Meinung  sind,  dass  die  Zahl  der  sieben 
Knaben  und  sieben  Mädchen  aus  dem  Cultus  des  Apollo  Hebdo- 
magetes  (denn  Apollo  ist  ja  nicht  die  Hauptperson  im  Mythus, 
sondern  Niobe),  sondern,  weil  der  Mythus  von  der  INiobe  ein  lo- 
caler,  ein  thebanischer,  aus  localen  Verhältnissen  abzuleiten  sei, 
also  wahrscheinlich  von  den  sieben  Thoren ,  von  denen  ja  schon 
bei  Homer  Theben  axTajtvXog  hiess,  oder  weil  die  Siebenzahl  den 
Böotiern  überhaupt  so  geläufig  war  (vgl.  Mülier's  örchom.  S.  221). 
■ —  Gewundert  hat  sich  überdies  der  Kec. ,  dass  die  in  diesem  § 
angeführten  Schriftsteller  so  ganz  ohne  alle  Ordnung  unter  einan- 
der stehen:  lateinische  und  griechische,  Dichter  und  Prosaiker, 
aus  den  verschiedensten  Zeiten. 

§  5.  De  Niobidarum  nominibus.  Auch  hier  finden  wir  wie- 
der zu  tadeln,  dass  der  Verf.  nicht  nachgewiesen  hat,  ivie  die 
Mythologen  und  Dichter  darauf  gekommen  sind,  gerade  diese 
Namen  zu  wählen. 

§  6.  De  septem  Thebarum  portis ,  quae  Niobes  filiarum  no- 
minibus appellatae  perhibentur.  Ueber  dieses  Kapitel  vergl.  man 
jetzt  die  Paradoxa  Thebana  von  Unger  (Halis.  1839.)  libr.  III.  (p. 
251  sqq),  wo  dieser  Gegenstand  mit  der  grössten  Ausführlich- 
keit und  mit  allen  Hebeln  einer  gründlichen  Gelehrsamkeit  behan- 
delt und,  was  Hr.  B  hier  wieder  vergessen  hat,  nachgewiesen 
ist.,  woher  und  wie  jene  Fabelei  entstanden  sein  möchte. 

Zu  den  übrigen  §§  der  ersten  Abtheilung  (§  7.  De  altera 
Niobe,  Phoronei  filia,  et  Amphione  Iasida.  §  8.  De  caede  Niobes 
liberorum  ipsiusque  in  saxuni  rautatione.  §  9.  De  iis  Niobae  libe- 
ris,  qui  mortem  effugisse  dieuntur.  §  10.  De  Chloride,  marito 
eins  et  liberis.  §  11.  De  varia  huius  fabulae  narratione,  quae 
apud  noiunillos  scriptores  invenitur.)  wüssten  wir  nichts  weiter  zu 
erinnern,  als  dass  der  Verf.  auch  hier  nur  zusammengetragen 
hat,  ohne  überall  nach  dem  Grunde  zu  spüren  und  die  Leser 
darüber  zu  belehren. 

An  Tier  Spitze  park  II.  sollte  §  5.  stehen:  Quomodo  Homerus 
haue  fabulam  expresserit.  Hier  musste  gezeigt  werden ,  wie  der 
Mythus  zu  Homers  Zeiten  gestaltet  gewesen  sei,  welche  Eigen- 
heiten (unter  andern,  dass  über  Niobe  nach  dem  schnellen  Tode 
ihrer  Kinder  doch  die  menschliche  Natur  gesiegt  und  sie  Speise 
zu  sich  genommen)  ihm  damals  noch  angehangen  hätten  etc.  Was 
der  Verf.  zur  Erklärung  der  Stelle  in  sachlicher  Beziehung  bei- 
bringt (z.  B.  über  Achelous,  als  einem  Flusse  in  Kleinasien),  ist 
ganz  richtig,  falsch  jedoch,  was  er  über  die  Nymphen  sagt,  von 
denen  Homer  singt ,  dass  sie 

efyiqp'  ' Ayikü'iov  £qqco6uvto. 


174  Mythologie. 

Werden  nicht  jedem  Flusse  besondere  Nymphen  zugeschrieben? 
Und  doch  sagt  Hr.  B. :  „Lydia  scilicet  Bacchi  cultu  erat  cele- 
hrata,  Bacchus  a  Jove  Nymphio  Dodonacis,  alias  Ilyadibns  dictis, 
traditus  erat,  Achelous  Dodonarn  praeterfluebat,  quamobrem  has 
esse  easdem  iis  Nymphas  censeo,  quae  apud  Homerum  menioran- 
ttir."     Welch  ein  Schluss! 

Die  Geschichte  von  der  Niobe  hat,  wie  wir  schon  oben  er- 
wähnten ,  so  viele  tragische  Momente  an  und  in  sich ,  dass  wir 
uns  wundern  könnten,  wenn  die  griechischen  Tragiker  sie  nicht 
benutzt  hätten  für  die  Bühne.  Aber  sie  werden  sie  diesem  Zwe- 
cke gemäss  mehrfach  umgestaltet,  erweitert  haben.  Es  wird  also 
hiermit  für  den  Mythus  eine  neue  Epoche  beginnen.  Wir  wünsch- 
ten, Hr.  B.  wäre  dessen  eingedenk  gewesen  und  hätte  uns  diese 
Veränderungen  und  Umgestaltungen  angegeben.  Ohne  allen  Ue- 
bergang  handelt  er  sofort  im  §  1.  de  Aeschyli  Niobe.  Dieser  Ge- 
genstand ist  in  neuerer  Zeit  mit  besonderer  Genauigkeit  von  G. 
Hermann,  von  Welcker  und  von  Fritzsche  erörtert,  die  diesfall- 
sigen  Fragmente  des  grossen  Dichters  gesammelt,  verbessert  und 
erklärt,  auch  der  Inhalt  und  der  etwaige  Gang  des  Stückes  aus- 
geklügelt worden.  Hr.  B.  geht  Alles  noch  ein  Mal  durch,  stellt 
die  oft  verschiedenen  Ansichten  jener  Gelehrten  zusammen  und 
entscheidet  sich  bald  für  diese  bald  für  jene.  Bec.  hat  diesen 
Theil  der  Abhandlung  mit  grossem  Interesse  gelesen  und  ist  mit 
Vergnügen  den  meist  selbstständigen  Urtheilen  des  Verfassers 
gefolgt. 

Ein  Gleiches  gilt  von  §  2.  de  Sophoclis  Niobe.  Doch  fiel 
uns  hier  das  Urtheil  auf:  Sophoclis  Nioben  rebus  gestis,  quae  in 
Bcenam  producebantur,  Aeschyli  praeclaris  sententiis  insignem 
fuissc;  unde  simul  apparet,  Aeschylum  in  hac  etiam  traetanda 
fabtila  Sophocli  longe  praestare  (*?).  Sollte  sich  das  von  dem 
trefflichen  Sophokles  so  gewiss  voraussetzen  lassen*?  Ob  Fritz- 
sche sein  Versprechen  gehalten  und  über  diesen  Gegenstand  eine 
besondere  Ab'  ~ndlung  (epistolam)  herausgegeben  habe,  ist  dem 
Bec.  unbekannt;  doch  wünschte  derselbe  wohl  des  tüchtigen, 
gründlichen  Gelehrten  Ansichten  darüber  zu  erfahren. 

Der  §  3.  beantwortet  die  Frage:  Scripseritne  Euripides 
Nioben  nee  ne'?  dahin,  dass  des  Aristoteles  Beweisstelle  dafür 
verdorben  und  dort  zu  lesen  wäre:  Sgzag  Eugi7iiörtg  rExußi]v 
xul  j»>)  coQTttQ  Äi6yy\og  Nioßr/v  xrA. 

Ueber  des  Aristophaues  ISiobe  hat  Hr.  B.  seine  Aeussernn- 
gen  und  Ansichten  zurückgehalten,  weil  ihm  Fritzsche  verspro- 
chen ,  nächstens  darüber  eine  besondere  Abhandlung  zu  veröf- 
fentlichen. 

Die  beiden  letzten  §§  (§  4.  De  Timotliei  Milesii  Niobe. 
§  6.  De  aliis  poetis  et  de  histrionibus ,  qui  Niobes  tabula  usi  sunt.) 
bieten  dem  Rec.  keine  Gelegenheit  zu  Bemerkungen  dar. 

Ueber  die  'Kunstdarstellungen  der  Niobe  und  ihrer  Kinder 


T.  Livü  Liber  XXX.   Edidit  Kreyesig.  175 

mittelst  3er  Bildnerei  und  Malerei  spricht  sich  der  Verf.  mir 
sehr  kurz,  ganz  am  Ende  der  Abhandlung;,  p.  94.  aus.  Wir 
heissen  dies  nicht  gut,  da  aus  dergleichen  Denkmälern  sich  oft 
sehr  wichtige  Folgerungen  ableiten  lassen. 

Der  letzte  (111.)  Theil,  welcher  de  fabulac  explicatione  han- 
delt, spaltet  sich  in  zwei  §§,  davon  der  erste  zeigt:  Quomodo 
veteres  et  recentiores  scriptores  fabulam  sint  interpretati,  —  der 
zu  keinen  Ausstellungen  Anlass  giebt;  —  der  zweite:  Quomodo 
fabula  de  Niobe  sit  explicanda,  über  welche  wir  uns  schon  oben 
geäussert  haben,  ist  verfehlt. 

Schliesslich  müssen  wir  noch  die  vielen  Druckfehler,  welche 
keineswegs  alle  auf  dem  letzten  Blatte  verzeichnet  sind ,  und  die 
oft  ungelenkige  und  ungeglättete ,  bisweilen  unrömische  Schreib- 
art tadeln.  Zur  letztern  rechnen  wir  namentlich  das  oft  falsch 
gesetzte  quoque  (p.  16.  varia  quoque,  p.  17.  cf.  quoque,  p.  74. 
ibi  quoque)  uud  Sätze,  wie  p.  70.  non  probo  Wclckeri  sententiam, 
qui  summam  earum  pulchritudinem  nostrum  (?)  celebrare  voluisse 
censuit. 

Heffter. 


T.Livii  ab  urbe  condita  liber  tricesi mus  tertius. 
Ad  codicis  Banrbergeneis  et  editionum  antiquarum  fidcin  denuu 
edidit  et  adnotationem  criticain  adjeeit  Jo.  Tlieoph.  Rieyssig.  Ac- 
cessit  varietas  lectionuni  in  lilib.  XXX  — XXXII.  et  XXXIV  — 
XXXY1II.  ex  cod.  Bamb.  diligenter  enotata.  BlUenae  sumotibus  et 
tjpis  Klinkicbtü  et  Fit.  1839.     8. 

Nachdem  durch  Drakenborch  ein  reichliches  Material  für  die 
Kritik  des  Livius  gesammelt,  und  auf  dieses  eine  neue  Kecension 
des  Textes  gegründet  war,  trat  für  lange  Zeit  ein  Stillstand  in 
der  kritischen  Behandlung  jenes  Schriftstellers  ein,  indem  man 
theils  sich  scheute  von  der  Autorität  der  holländischen  Gelehrten 
abzugehen,  theils,  zufrieden  mit  den  herbeigeschafften  Hilfs- 
mitteln, um  neue  wenig  besorgt  war.  Erst  Walch,  und  nach 
ihm  Büttner,  zeigte  wie  mangelhaft  noch  in  mancher  Hinsicht 
der  Text  des  Livius  sei,  verbesserte  einzelne  Stellen  durch 
glückliche  Conjccturen,  und  forderte  eine  genauere  Auffassung 
der  grammatischen  und  stilistischen  Eigenthümlichkeitcn  des 
Schriftstellers;  auf  der  andern  Seite  erkannte  man  durch  eine 
neue  Vergleichung  des  seit  drei  Jahrhunderten  nicht  wieder  be- 
nutzten codex  Laurishamensis ,  und  des  nur  einem  kleinen  Tbcile 
nach  bekannt  gewordenen  Bambcrgensis,  wieviel  noch  in  dieser 
Beziehung  gethan  werden  könne.  Der  Erfolg  war,  dass  in  den 
beiden  Ausgaben  von  Kreyssig,  denen  von  Baumgarten- Crusius 
und  Becker  namentlich  von  der  vierten  Deradc  an  eine  grosse  An- 
zahl von  Stellen  gebessert,    oder  die   schon  gefundene  bessere 


176  Römische  Literatur. 

Lesart  an  andern  durch  handschriftliche  Autorität  bestätigt  wurde. 
Je  wichtiger  aber  die  Bamberger  Handschrift  für  die  Kritik  der 
vierten  Decade,  deren  grössten  Theil  sie  enthält,  ist,  da  für  die 
ersten  Bücher  derselben  nur  schlechtere  Codices  von  Drak.  ver- 
glichen werden  konnten,  die  folgenden  sich  zwar  meist  auf  die 
verlorengegangene  Mainzer  Handschrift,  oft  aber  auch  nur  auf 
das  Ansehen  des  Gelenius  stützten,  für  dessen  Aenderungen  hand- 
schriftliche Begründung  sehr  zu  wünschen  war,  und  je  mehr  sie 
verdient  mit  der  grössten  Sorgfalt  verglichen  und  bekannt  gemacht 
zu  werden,  um  so  dankenswerther  war  es,  dass  Göller  zuerst 
dieselbe  ans  Licht  zog,  und  um  so  erfreulicher  ist  es,  dass  sie 
anfangs  durch  einen  glücklichen  Irrthum  der  Weidmannschen 
Buchhandlung,  dann  durch  die  Güte  des  Hrn.  Bibliothekar  Jäck 
in  die  Hände  des  Hrn.  Prof.  Kreyssig  kam.  Mit  einer  ausge- 
zeichneten Sorgfalt,  und  einer  selbst  die  geringsten  Details  in 
der  Schreibung  und  Stellung  der  Worte  in  den  Irrthümern  des 
Abschreibers  und  deren  Ursachen  umfassenden  Genauigkeit  hat 
Hr.  Kr.  eine  Vergleichung  dieser  Handschrift  geliefert,  wie  wir 
sie  von  keiner  anderen  für  Lhius,  von  wenigen  für  andere  Schrift- 
steller haben,  und  den  Beweis  geführt,  dass  weder  Göller  noch 
Becker  sie  so,  wie  es  die  Wichtigkeit  derselben  verlangte,  be- 
nutzt haben ,  indem  er  an  sehr  vielen  Stellen  Abweichungen  und 
Lesarten,  die  von  jenen  übersehen  oder  falsch  angegeben  wor- 
den sind,  nachweisst.  In  der  Vorrede  handelt  Hr.  Kr.  von  den 
Vorzügen  und  Fehlern  der  Bamb.  Handschrift,  indem  er  darthut, 
dass  durch  dieselbe  an  vielen  Stellen  Lücken  ausgefüllt,  Conje- 
cturen  der  Kritiker  bestätigt  und  ausserdem  viele  nicht  zu  verwer- 
fende Lesarten  dargeboten  werden  ;  dass  sie  aber  auf  der  anderen 
Seite  theils  gemeinschaftlich  mit  den  anderen  codd. ,  nur  aus  dem 
Mainzer  ergänzte ,  theils  abweichend  von  den  übrigen ,  allein, 
Lücken  habe;  oft,  auch  in  der  Wortstellung  mit  den  schlechtem 
edd.  übereinstimme,  an  nicht  wenigen  Stellen  aber  allein  die  Les- 
arten der  Mainzer  bestätige.  Nachdem  er  hierauf  über  die  frü- 
here Benutzung  der  Handschrift  durch  Bartholinus  und  Queren- 
gius  und  Horrion,  die  nur  den  ersten  noch  fehlenden  Theil  des 
dreiunddreissigsten  Buches  herausgaben ,  gesprochen  hat,  weist 
er  nach,  dass  Göller  theils  durch  Unbekanntschaft  mit  den 
Schriftzügen,  theils  durch  Mangel  an  Genauigkeit,  an  vielen 
Stellen,  selbst  in  dem  ersten  Theile  des  33.  Buches  die  Lesart 
der  Handsch.  entweder  unrichtig  oder  gar  nicht  angegeben  und  so 
in  des  Verf.s  eigenen  Ausgaben,  in  denen  von  Baumgarten-Crusius 
und  von  Becker,  viele  Irrthümer  veranlasst  habe.  Dass  der  letz- 
tere, obgleich  ihm  die  Handschrift  vorlag,  nicht  diese,  sondern 
Göllers  Collation  benutzt  habe,  wird  dadurch  erwiesen,  dass  er 
in  der  Wortstellung  oft  von  jener  abweichend,  dieser  folge,  von 
Göller  erdichtete  Lesarten  im  33.  Buche  aufgenommen,  von 
ihm  übersehene  in  diesem  und  den  übrigen  Büchern  gleichfalls 


T.  Livii  Über  XXX.  Edidit  Kreyssig.  177 

vernachlässigt,  andere  sogar  als  Conjecturen  angeführt  habe, 
ungeachtet  dieselben  durch  die  Haudschr.  bestätigt  sind.  Hier- 
auf folgt  ein  Verzeichniss  der  wichtigeren  Lesarten  aus  mehreren 
alten  Aufgaben,  der  Äscensiana  von  1513,  der  Moguntina  von 
1518,  der  Aldina  v.  1520,  der  Frobenianae  v.  1531  u.  1535, 
der  Coloniensis  v.  1525,  aus  dem  hervorgeht,  dass  Drakenborch 
nicht  alle  angemerkt  habe ,  und  die  Bamb.  Handschrift  oft  mit 
denselben  übereinstimme,  was  von  Hm.  Kr.  immer  angezeigt  ist. 
Endlich  hat  der  Hr.  Verf.  die  von  Nicolaus  Carbach  aus  der 
Mainzer  Handschrift  ausgezogene  varietas  scripturae  abdrucken 
lassen,  dieser  die  Abweichungen  der  Ascensianu  vorgesetzt,  und 
bemerkt,  in  welcher  der  folgenden  Ausgaben  die  Lesart  des 
Mainzer  cd.  zuerst  aufgenommen  sei,  und  wo  mit  derselben  der 
Bamb.  übereinstimme.  Hierauf  folgt  das  33.  Buch,  welches  Hr. 
Kr.  schon  1837  blos  mit  den  Abweichungen  der  Drakenborch- 
schen  Ausgabe  herausgegeben  hatte.  Den  Text  hat  der  Hr.  Verf. 
nach  seiner  Ansicht ,  der  Bamb.  Handschrift  folgend ,  constituirt, 
und  in  untergesetzten  Noten  die  Abweichungen,  bei  dem  ersten 
Theile,  der  nur  in  diesem  cd.  steht,  der  römischen  Ausgabe  von 
1(516  und  der  von  Honion  so  weit  sie  durch  Gronov  bekannt  ist, 
der  Drakenborchschen,  Beckerschcn,  der  von  Baumgarten-  Cru- 
Bius ,  und  der  Collaticn  von  Göller;  in  dem  zweiten  Theile  von 
cap.  17,  7.  an  die  der  Mainzer,  der  Aldina  und  der  beiden  Froben. 
und  der  folgenden  angeführt,  und  die  aufgenommene  Lesart  ge- 
rechtfertigt. Für  die  übrigen  Bücher  31  —  32;  34—38,  46, 
4.  wird  nur  die  aus  dem  Bamb.  cod.  genommene  varietas  lectionum 
neben  die  der  Drakenb.  Aufgabe  gestellt,  aber  überall  die  Irr- 
thümer  Göllers  und  Beckers  berührt,  welche  Lesarten  der  Verf. 
und  Becker  aufgenemmnn  haben,  bemerkt,  bei  manchen  Stellen 
ausführlicher,  bei  manchen  kürzer  der  Wertli  der  Lesarten  beur- 
theilt  und  viele  grammatische  und  paläegraphische  Bemerkungen 
eingestreut.  Es  folgt  dann  noch  ein  dreifacher  index,  1)  loco- 
rum  Li\ii  aliorumque  scriptorum,  de  quibus  obiter  in  hoc  libro 
agitur,  2) index  rerum  et  verboium,  3) index  vocabulorum  a  libra- 
riis  permutatorum.  Das  Ganze  beschliessen  addenda  et  corri- 
genda  p.  392—400. 

Schon  aus  dieser  Inhaltsangabe  geht  hervor,  wie  reichhal- 
tig das  Werk  des  Hrn.  Verf.s  sei;  und  dass  durch  dasselbe  nicht 
allein  das  dreiunddreissigste  Buch,  sondern  fast  die  ganze  vierte 
Dccade  bedeutend  gewonnen  habe ;  dass  erst  jetzt  eine  sichere 
Kenntniss  von  der  Bedeutung  des  Bamb.  erlangt,  und  in  mancher 
Bücksicht  das  Urtheil  über  die  aus  dem  Mainzer  codex  geflosse- 
nen Ausgaben,  besonders  die  Frobeniana  von  1535  sicherer  be- 
gründet sei,  leuchtet  auch,  wenn  man  dieselben,  wie  es  bei  Ref. 
leider  der  Fall  ist,  nicht  nachvergleichen  kann,  auf  das  deut- 
lichste ein.  Was  nun  die  Autorität  des  Bamb.  cod.  betrifft,  so  ist 
keinem  Zweifel  unterworfen ,  dass  er  im  31.  und  32.  Buche  die 

A.  Jahrb.  f.  Phil.  u.  Faed.  od.  Krit.  Bibl.  Bd.  XXVIII.  Hft.  '2.       12 


173  Rumische  Literatur. 

der  übrigen  Cdd.  übertreffe,  und  in  dem  zweiten  Theile  des  33. 
Buches  selbst  vor  dem  Mainzer  entschiedene  Vorzüge  habe.  In 
den  folgenden  aber  ist  die  Beurtheilung  schwieriger  und  hängt 
meist  von  der  Ansicht  ab ,  die  man  von  dem  Mainzer  cod.  über- 
haupt hat.  Es  wäre  daher  sehr  zu  wünschen  gewesen,  dass  Hr. 
Kr.  sich  über  dieses  Verhältniss  bestimmter  ausgesprochen  hätte, 
so  wie  auch  über  die  auffallende  Erscheinung,  dass  zwar  in  der 
zweiten  Hälfte  des  33.  Buches  der  Bamb.  cod.  sehr  oft  den  Main- 
zer ergänzt,  und  ohne  jenen  der  Text  sehr  mangelhaft  sein  wür- 
de ,  dagegen  in  den  folgenden  Büchern  fast  überall  nur  der  Main- 
zer vollständig  ist ,  wo  die  übrigen  und  auch  der  Bamb.  Lücken 
haben.  Mit  Recht  aber  wird  behauptet  p.XXIL,  dass  der  Bamb. 
in  diesen  an  bei  weitem  mehr  Stellen  sich  an  die  schlechteren 
cdd.  anschliesse  als  an  den  Mainzer ,  mit  dem  er  nur  zuweilen, 
während  die  übrigen  abweichen ,  zusammenstimmt.  Die  Stellen, 
wo  das  letztere  statt  findet  sind  p  XXIII.  nicht  ganz  vollständig 
aufgezählt.  So  fehlt ,  dass  34,  9,  12.  beide  in  areis  Hispani  ha- 
bet ent  haben,  wo  die  anderen  Hispani  weglassen,  ib.  13,6. 
scheint  er  nicht  allein  jene ,  sondern ,  wenn  man  dem  Stillschwei- 
gen Drakenborchs  trauen  darf,  auch  dessen  cdd.  exhaurire  zu 
haben,  ib.  13,  1.  haben  jene  tria  milia  passuum;  die  anderen 
mille  passuum ;  vielleicht  hatte  der  Mog.  wie  d.  Bamb.  ib.  20,  7. 
quod  postquam,  sicut  futurum  ratus  erat ;  von  den  anderen  bie- 
ten zwei  ut  fut.  die  anderen  futurum;  ib.  24,  4.  immo  quam, 
was  Hr.  Kr.  schon  p.  XII.  anführt,  da  es  sich  in  den  anderen 
nicht  findet,  und  von  Gronov  und  Drak.  nicht  aufgenommen  wor- 
den ist.  Ob  aber  im  Folgenden  mit  dem  Bamb.  und  den  übrigen 
immunes  heluae  s.  38,  37,  3.  statt  des  vom  Mog.  gebotenen  rapa- 
cissimae  beluae  aufzunehmen  sei,  wie  es  von  Hrn.  Kr.  und  Becker 
geschehen  ist,  scheint  noch  zweifelhaft,  da  es  sich  gerade  um 
die  Raublust  des  Aetoler  handelt  s.  §  2;  und  dieser  Zug  aus  dem 
allgemeinen  Charakter  der  Wildheit  hervorgehoben  zu  werden 
verdiente;  immanes  aber  ebenso  aus  immo  verdorben  werden, 
als,  was  Hr.  Kr.  geltend  macht,  immo  quam  wegen  immanes  aus- 
fallen konnte.  Ib.  31,  11.  haben  nur  Bamb.  u.  Mog.  nomen  me 
premunt,  in  den  übrigen  fehlt  me.  38,  3.  navalium  copiarum, 
die  übrigen  nur  navalium;  60,  6.  transire  in  Europam  debere, 
die  übrigen  lassen  transire  weg;  ib.  40,  7.  hat  nur  der  Bamb.  das 
richtige  emiserunt,  der  Mog.  nach  Hrn.  Kr.  p.  LXIX.  emise.ant, 
aber  die  edit.  Mog.  stimmt  mit  dem  Bamb.  überein.  35,  6,  6.  ha- 
ben beide  Minucium  a  hello  integro  avocarenl  (nur  hat  d.  Bamb. 
avocarei),  was  mit  Recht  Becker  der  Vulgata :  Minucius —  avo- 
caretur  vorgezogen  hat.  ib.  9,  4.  et  igni  crematas  die  übrigen 
ohne  et.  11,  6.  onerat;  die  andern  sind  verdorben  und  fügen  at 
hinzu,  welches  in  der  Frob.  2.  getilgt  ist.  ib.  20,  9.  hat  Mog. 
plebis  etiam  seito,  der  Bamb.  plebei  e.  sc,  die  andern  sind  mehr 
oder  weniger  verdorben;  ib.  28,  9.  haben  jene  beiden  allein  con- 


T.  Livii  über  XXX.  Edidit  Kreyssig.  179 

lectam  etatt  des  richtigen  conjectam.  ib.  34,  3.  haben  wahr- 
scheinlich beide  et  Optimum ,  die  anderen  ohne  et.  ib.  44,  1. 
principibus  aliis,  wo  die  übrigen,  denen  Drak.  mit  Unrecht  folgt, 
aiiis  weglassen,  ib.  47,  6.  haben  jene  allein  das  richtige  inclutam, 
die  anderen  sind  verdorben.  49,  8.  Syros,  die  anderen  sind  mehr 
oder  weniger  verdorben.  36,  10,  8.  haben  nur  jene  obsidioni  at~ 
que  oppugnationi ,  während  die  übrigen  die  beiden  letzten  Worte 
weglassen;  ib.  15,  1.  haben  nur  die  ersteren  tunc  Aetolorum ; 
ib.  31,  5.  passim  ureretur,  was  Hr.  Kr.  p.  LXXXVII.  bemerkt; 
ib.  38, 7.  magnam  tarnen  ;  37, 2,  1.  M.  Fulvius  statt  Cn.  Fulvius, 
in  den  übrigen  fehlt  der  Vorname  ganz  ;  ib.  54, 8.  haben  sie  allein 
das  sonst  fehlende :  in  servitutem,  ib.  54,  20.  Graeciae  und  im 
Bamb.  ist  das  sonst  fehlende  adistis  in  additis  verdorben ;  38,  8, 
6.  fehlt  in  allen,  jene  ausgenommen,  ut  parceret  urbi;  auch  ib. 
17,  9.  scheinen  beide  in  den  Worten:  et  Gallograeci  vere,  quod 
appellantur,  die  in  den  übrigen  verdorben  sind,  übereinzustim- 
men, obgleich  in  der  Collation  Carbach's  quod,  was  erst  Gele- 
nius  hinzufügte,  fehlt;  ib.  40,  7.  sind  allein  jene  beiden  vollstän- 
dig. Eben  so  Hessen  sich  mehrere  Stellen  anführen  als  vom  Hrn. 
Verf.  geschieht,  wo  zwar  jene  beiden  edd.  übereinstimmen,  aber 
in  einer  nicht  zu  billigenden  Lesart;  doch  sind  dieser  wenige, 
und  man  kann  im  Allgemeinen  annehmen,  dass  wo  jene  beide  zu- 
sammenstimmen ,  besonders  wenn  noch  eine  andere  Handschrift 
hinzukommt ,  dieses  die  richtige  Lesart  sei ;  doch  bleibt  so  noch 
eine  grosse  Menge  von  Stellen  übrig,  wo  der  Mog.  allein  den 
Übrigen  entgegensteht,  und  es  immer  schwer  sein  wird,  sich  für 
die  eine  oder  andere  Lesart  zu  entscheiden,  namentlich  da  ,  wo 
sich  nicht  leicht  bestimmen  lässt,  welche  die  Erklärung  der  ande- 
ren ist,  z.  B.  34,  45,  1.,  wo  der  Mog.  venu,  der  Bamb.  und  die 
anderen  rediit  haben,  wie  auch  38,  44,  1.  37,  50,  6.  u.  a.  0.  34, 
54,  4.  wo  jener  censentibus ,  diese  existimantibus;  35,  31,  3.  wo 
jener  flexere ,  diese  direxere  bieten  s.  ib.  §  10.  35,  38,  18.  42, 
4.  51,  7.  36,  17,  7.  u.  a.,  was  zu  unterscheiden  um  so  schwieriger 
ist ,  da  auch  der  Mog.  nicht  frei  von  Glossemen  ist  s.  34,  35,  4. 
sine  dolo  malo,  was  eine  Erklärung  zu  rede  zu  sein  scheint;  ib. 
46,  4.  wo,  wie  auch  Hr.  Kr.  bemerkt,  idoneis,  eine  blosse  Er- 
klärung des  verkürzt  geschriebenen  aptis  statt  apertis  im  Mog. 
steht.  Dasselbe  gilt  von  dem  statt  perstilit  ib.  47,  6.  geschriebe- 
nen morata  est.  So  ist  auch  wohl  35,  6,  6.  ut  is  dem  ni  is  sub- 
stituirt.  18,8,  3.  ut  hinzugefügt;  ib.  13,2.  eum;  ib. 32. 4.  accitos; 
ib.  49,  7.  ut  neben  quam.  cf.  36,  4,  1.  7,  14.  10,  7.  17,  1 ;  20,  2. 
37,  2,  11;  9,  9.  10,  5;  11,  3;  17,  9;  48,  6;  57,  11;  38,  7,  1; 
16,  10  u.  8.  w.  Nur  an  wenigen  Stellen  bietet  übrigens  der  Bamb. 
cod.  allein  eine  bessere  Lesart  dar  als  der  Mog.  Hr.  Kr.  zählt 
diese  zum  grossen  Theil  p.  XII,  XV,  XVIII.  auf.  So  fehlt,  dass 
34,20,7.  allein  der  Bamb.  das  in  die  Frob.  2.  aufgenommene  sicut 
habe.     ib. 24, 4.  steht  inww  quam  nicht  allein  im  Bamb.,  sondern 

12  * 


180  Römische  Literatur. 

auch  in  dem  einen  cod.  von  Gelenius ;  ib.  31,  8.  hat  allein  der 
Bamb.  wie,  was  Gelen,  durch  Conjectur  gefunden  hatte;  dasselbe 
gilt  ib.  41,  4.  von  et  vor  lateri  adhaerens;  dagegen  hat  ib.  53,  7. 
nicht  der  Bamb.  allein  Sophus  consul ,  sondern  auch  die  anderen 
bieten  Sophusco  oder  Sophusto,  in  welchem  cos  nur  verdorben 
ist.  36,  1,  6.  scheint  allein  der  Bamb.  ut  zu  haben,  ib.  42,  2.  et 
vor  ab  Rkeginis.  Ob  38,  23,  4.  das  vom  Bamb.  allein  gebotene 
inter  colles  zu  billigen  sei ,  mag  zweifelhaft  bleiben.  Um  so 
auffallender  iiÄ,  es  daher,  dass  in  dem  Theile  des  33.  Buches,  den 
auch  der  Mog.  enthält ,  der  Bamb.  so  viele  bessere  Lesarten  dar- 
bietet, die  Hr.  Kr.  p.  X.  fast  alle  verzeichnet  hat.  So  fehlt  z.  B., 
dass  33,  19,  2.  erst  jetzt  toto,  was  schon  Gelen,  aufnahm,  durch 
den  Bamb.  gesichert  ist,  ib.  21,  4.  co?nis  allein  in  diesem  steht, 
22,  6.  sibi  meritum,  während  der  Mog.  nur  sibimet  hat,  26,  4.  et 
vor  so  dum;  27,  1.  C.  vor  Sempronium  (was  erst  p.  XXXI.  er- 
wähnt wird);  36,5.  ei  vor  M.  Junius;  39,4.  et  vor  Ptolemaeo; 
41,2.  et  vor  dissimukbat ;  41,  7.  fraetae (während  ejeeiae  fehlt); 
dass  42,  6.  der  Bamb.  den  im  Mog.  fehlenden  Namen  M.  Pordus 
Laeca,  und  wenigstens  Theile  von  zwei  anderen  C.  Fabridus 
und  Labeo  hat,  so  dass  nur  App.  Claudius  Nero  ganz  ausgelas- 
sen ist.  Wahrscheinlich  standen  die  Namen  in  den  edd.  in  einer 
anderen  Ordnung,  etwa:  Cn  Manlius  Vulso,  App.  Claudius 
Nero,  M.  Pordus  Laeca,  C.  Fabridus  Luscinus,  C.  Atinius 
Labeo ,  P.  Manlius,  und  App.  Claudius  Nero  fiel  wegen  des  vor- 
hergehenden Vulso,  Luscinus,  GL  Atinius  wegen  Fabridus 
weg.  Ferner  ist  nicht  bemerkt,  dass  c.  43  ex.tr.  nur  der  Bamb. 
T.  vor  Sempronio ;  44,  4.  cum  nach  quod ;  46,  8.  et  sowohl  vor 
aliud,  als  vor  prineipum;  47,  4.  P  vor  Scipione;  49,  1.  et  vor  Bo- 
mani ;  49,  2.  eam  vor  ante  ib.  §  5  ab  altera  (der  Mog.  hat  aliu), 
darbiete.  Dagegen  scheint  c.  48,  3.  Phoenicum  im  Mog.  nicht 
gefehlt  zu  haben ,  sondern,  wenn  man  der  Lesart  der  Frob.  2. 
trauen  darfL^  in  Poeni  verdorben  zu  sein. 

Um  die  Trefflichkeit  der  Bamberger  Haudsch.  noch  mehr 
darzuthun,  hat  Hr.  Kr.  bei  der  wiederabgedruckten  scripturae 
diversitas  des  Mog.  jedesmal,  wo  jene  mit  diesem  übereinstimmt, 
durch  ein  hinzugesetztes B.  angezeigt.  Allein  dadurch  kann  leicht 
-das  Urtheil  irregeführt  werden,  da  jenes  Verfahren  nicht  allein 
da  angewendet  ist,  wo  der  Bamb.  allein  mit  dem  Mog.  zusammen- 
trifft, sondern  auch  da,  wo  alle  oder  viele  andere  von  diesem 
nicht  verschieden  sind.  Da  dieses  aber  nicht  bemerkt  ist,  so 
muss  man  jedesmal  in  der  Drakenborchschen  Ausgabe  nachsehen, 
um  zu  finden,  ob  an  diesen  Stellen  der  Bamb.  wirklich  einen 
Vorzug  habe.  So  stimmen  ,  um  nur  Einiges  zu  erwähnen ,  nicht 
allein  der  Bamb.,  sondern  auch  andere  mit  dem  Mog.  überein  34, 
2,  13.  in  den  Worten  et  sperate ;  ib.  2,  14.  in  vere  statt  des  frü- 
heren vera;  ib.  4,  9.  in  plebs  statt  plebes ;  in  data  et  oblata  ; 
ib.  §  li.  in  rationem  inire,  was  sogar  alle  edd.  u.  edd.  die  Main- 


T.  Livii  über  XXX.  Edidit  Kreyisig.  181 

zer  ausgenommen  haben;  ib.  5,  5.  walirscheinlicli  mehrere  in:  in 
publico  ;  ib.  §  6.  in  trucem  esse  seimus;  ib.  §  11.  inqais;  ib.  6, 
9.  nescit ;  ib.  8,5.  ab  Lima;  ib.  9,3.  adjeeti  statt  allecti;  ib.  10, 
2.  causa  triumphi  negandi  senatui  fuit  ;  ib.  11,  5;  tibi  haec  au~ 
dierunt ;  ib.  12,3.  ostentandam ;  ib.  13,1.  qaod  in  speciem  fuit 
statt  q.  in  spem  fuit ;  ib.  14,  4.  eliceret  (so  ist  statt  diceret  zu 
schreiben,  wie  auch  in  den  emendandis  bemerkt  wird);  ib.  §  5. 
ist  inter  castra  die  Lesart  aller  edd.;  ib.  §  11.  ut  emissis  u.  s.  w. 
Dagegen  stimmt  in  diesen  Capiteln  nur  cap.  2.  in  den  Worten : 
ego  vis  statuere;  c.  4.  et  ita  spero  fuluras  und  aequato  omnium 
eultu.  c.  5.  in:  in  se  latam.  c.  6.  pro  legibus  visa;  c.  7.  füiae% 
e.  9.  in  areis  Hispani  ;  c.  11.  in  tria  milia;  c.  13. 2/ Ja  milia  pas- 
suum  der  Bamb.  allein  mit  dem  Mog.  überein ;  und  es  wäre  für 
die  Würdigung  des  erstcren  sehr  erleichternd  gewesen,  wenn 
entweder  nur  an  solchen  Stellen  jene  Uebereinstimmnng  wäre  be- 
merkt ,  oder  das  Abweichen  der  andern  edd.  angedeutet  worden. 
An  einzelnen  Stellen  ist  auch  die  Uebereinstimmnng  nicht  be- 
merkt, z.  B.  35,  51,  2.,  wo  nach  dem  Stillschweigen  des  Hrn. 
Verf.s  zu  urtheilen  der  Bamb.  wie  die  meisten  anderen  und  der 
Mog.  aut  indicto  hat ;  dasselbe  gilt  von  inde  pauliisper  34,  46,  8, 
Sgl,  p.  217  u.  LXX,  von  usque  ad  mar  e  36,  18,  4;  von  haec  una 
via  amnibus  adsaluiem  visa  est  ib.  c.  27,8,  s.  38,  IG,  9,  ib.  14, 11. 
Sehr  selten  wird  die  Lesart  des  Bamb.  verschieden  angegeben  wie  35, 
2, 4,  wo  derselbe  nach  p.  229.  VI  milia  et  CChaben,  nach  p.  LXXIL 
aber  mit  dem  Mog.  übereinstimmen  soll,  der  sex  milia  et  quingentas 
bietet.  An  manchen  Stellen  wäre  wohl  ausdrücklich  zu  bemerken  ge- 
wesen, dass  der  Bamb.  mit  der  Drakenb.  Ausgabe  übereinstimme,  z  B. 
38,  17, 12,  wo  alle  edd.  auch  der  Mog.  verdorben  sind,  und  nur  der 
Bamb.  mit  der  Verbesserung  von  Gelenins  übereinstimmend:  in- 
ter Gallos  sila  hat;  s.  ib.  7,  1.;  34,  7.  37,  8,  5.;  18,  12.  22,  2. 
41,  11. ;  57, 11  u.  a.  Fast  an  allen  diesen  Stellen  hat  erst  Ge- 
len, die  nun  bestätigte  richtige  Lesart  hergestellt. 

Die  Vorzüge  des  Bamb.  vor  den  übrigen  edd.  sucht  Hr  Kr. 
dadurch  nachzuweisen,  dass  er  zuerst  p.  IX.  angiebt,  an  welchen 
Stellen  durch  denselben  Lücken  ausgefüllt  werden.  Warum  hier 
der  im  Bamb.  sich  findende,  früher  nur  von  Gelcnius  hinzuge- 
fügte Zusatz  31,  IL:  eosdem  in  Numidiam  ad  Masinissam , 
Carlhaginem  übergangen  und  erst  p.  XX.  nachgeholt  wird,  ist 
nicht  wohl  abzusehen.  Dagegen  kann  31,  14,  10.  initalio  qui- 
deift  nicht  wohl  als  dem  Bamb.  eigen  angeführt  werden,  da  auch 
der  Lov.  2.  diese  Lesart  hat,  die  in  anderen  in  irrilatio  sine  oder 
finem  verdorben  ist,  und  schon  längst  hätte  können  aufgenommen 
werden.  Auch  ib.  15,  10  cum,  si  instilissent  tunc  Philippo,  wo 
noch  überdies  im  Bamb.  tunc  fehlt,  gehört  nicht  hierher,  da  si 
in  den  andern  edd.  nicht  ausgelassen,  sondern  in  ea  verdorben, 
und  richtig  von  Gronov  verbessert  ist,  weshalb  diese  Stelle  auch 
p.  XII.  noch  einmal  erwähnt  wird.     Dagegen  war  wohl  ib.  21,  13. 


182  Römische  LUeratnr. 

anzuführen,  wo  neben  dem  Bamb.  nur  der  Harl.  partae  una  hat, 
wiewohl  es  zweifelhaft  ist ,  ob  dieses  Wort  (una)  aufgenommen 
zu  werden  verdient ;  ib.  31,  4.  ist  haec  in  den  anderen  edd.  nicht 
sowohl  ausgelassen  als  in  ec  verdorben.  Aber  32,  20,  5.  hat  der 
Bamb.  allein:  aut  in  illam  partem,  mit  den  alten  Ausgaben,  wäh- 
rend in  den  anderen  in  fehlt.  Ib.  21,  17.  ist  tum  nicht  im  Bamb. 
allein  aufbewahrt,  sondern  in  den  übrigen  in  etiam  verdorben. 
Nicht  zu  übergehen  war,  dass  ib.  28,  10.  allein  der  Bamb.  VI 
(statt  VI)  darbietet ;  ferner  ib.  31,  2. ,  wo  allein  dieser  ut  nach 
quisque  hat,  wahrend  dieses  in  den  alten  Ausgaben  und  dem  Lov. 
5.  ohne  Autorität  vor  quisque  stand ;  dass  ib.  32,  1.  dieser  allein 
et  vor  cum  hat,  über  dessen  Benutzung  von  Hrn.  Kr.  wir  später 
reden  werden.  Die  LJebersicht  der  durch  den  Bamb.  ergänzten 
oder  verbesserten  Stellen  ist  dadurch  etwas  erschwert,  dass  Hr. 
Kr.  in  einem  besonderen  Abschnitt  diejenigen  behandelt,  an  de- 
nen schon  durch  Conjecturen  das  gefunden  ist,  was  jetzt  die 
Handschrift  bestätigt.  Manche  von  diesen  sind  freilich  unbedeu- 
tend, z.  B.  32,  13,  2.,  wo  die  übrigen  edd.  ingens  iter  agminis 
et,  der  Bamb.  i.  i.  agminis  ed  hat,  was  Gron.,  da  früher  agmi- 
nis  et  gelesen  wurde,  in  agminis  $*rf  verwandelt,  dem  jetzt  die 
richtige  Lesart  durch  Hrn.  Kr.  ingens  iter  agmini,  sed  substituirt 
ist;  ib.  28,  11.,  wo  die  Schreibung  durch  Zahlen  leicht  die  rich- 
tige Lesart  quadringeni  verdrängen  konnte ,  die  schon  Aldus  her- 
gestellt hatte.  Dasselbe  ist  zu  bemerken  von  octogeni  statt  octin- 
genii  33,  37,  12.  Eben  so  unbedeutend  sind  die  Veränderungen 
von  Bithynorum  in  Bithyniorum  33,  30. ;  von  Syllanus  in  Sila- 
nus  ib.  16.;  von  Levos  in  Laevos  ib.  37.  Andere  sind  schon 
durch  andere  cod.  bestätigt,  wie  32,  10,  6.  arbitro  durch  Hearn. 
L.  1. ;  oder  wurden  durch  die  von  der  Vulgata  abv/eichende  Les- 
art der  edd.  herbeigeführt,  wie  31,  46,  5.  agitari  statt  consul- 
tari,  wofür  andere  Handschriften  excitari  bieten ,  der  Bamb.  die 
Conjectur  Gronov's:  agitari  unterstützt,  eben  so  ib.  27,6,  wo 
die  edd.  Nidus  statt  Ilion ,  der  Bamb.  allein  das  richtige  Cnidns 
hat.  Manche  sind  zweifelhaft,  z.  B.  31,  5.  responderi  ;  34,  41, 
S.fuerit  statt  fuerat,  s.  bei  Hrn.  Kr.  p.  227.  u.  339.  Manche  sind 
übergangen,  z.  B.  31,  11,  12.,  wo  schon  Walcli,  wie  Hr.  Kr. 
p.  133.  selbst  bemerkt,  indicasset  schrieb,  obwohl  sich  auch  hier 
an  der  Richtigkeit  der  Veränderung  zweifeln  lässt,  da  dem  indi- 
care  doch  das  iudicare  vorangehen  muss;  ib.  13,  12.,  wo  schon 
Gronov  nach  der  lex  Toria  trientabulus  schrieb,  s.  Observatt. 
p.  789.  ed.  Plattner,  Niebuhr.  Rom.  Gesch.  2.  Anmerk.  281.  32, 
16,  9.,  wo  Crevier  wenigstens  ut  quaeque,  wenn  auch  nicht  ius- 
sis  vermuthete.  Auch  wäre  hier  wohl  der  Ort  gewesen ,  wo  der 
Hr.  Verf.  genauer  über  die  Verbesserungen  von  Gelenius,  die 
wenigstens  zum  Theil  Conjecturen  oder  scharfsinnige  Enträtse- 
lungen der  schlechtgeschriebenen  Handschrift  sind,  und  häufig 
darch  den  Bamb.  bestätigt  werden ,  hätte  handeln  können.     Wir 


T.  Livii  ltber  XXX.  Edidit  Kreyssig.  183 

führen  von  den  vielen  Fällen  nur  wenige  an.  So  haben  beide  31, 
19,  3.  ad  reges,  alle  anderen  edd.  das  richtigere  ad  regem;  ib. 
40,  6.  in  loca  pacata  ad  Apolloniam ,  unde  orsus  bellum  erat, 
während  die  anderen  nach  loca  tarn  einschieben  und  statt  orsus 
oi tum  darbieten.  32,  3,  3#  transportata;  ib.  5,  3.  laxaverat 
animum  statt  laxaverat  annus;  7 ,3.  portoria  venalicium;  8,  3. 
exercitum  deducere ,  nur  mit  veränderter  Wortstellung ;  ib.  §  16. 
facturum  senatui;  11,  8.  polliceatur ;  17,14.  hostile  —  exple- 
bat;  ib.  §  16.  fortuita  res  (wenigstens  bemerlt  Hr.  Kr.  hier  keine 
Abweichung);  ib.  18,  9.  et  alia;  30,  8.  aut  si  qua  etiam;  ib.  31, 
5.  non  auderent,  was  ausser  dem  Bamb.  nur  Hearn.  L.  1  mit  Ge- 
len, gemein  hat;  38,  5.  Philoclem  (der  Bamb.  hat  Philoclen)  ius- 
sit.  Nach  diesen  und  ähnlichen  Stellen  könnte  man  vermuthen, 
dass  der  cod.  Spirensis,  den  Gelenius,  nach  seinen  Aeusserungen 
zu  36,  22,  8.  und  32,  10,  11.  (s.  Drak.  praef.  p  LXII.  ed.  Stutt- 
gard),  allein  in  den  beiden  ersten  Büchern  der  vierten  Decade 
benutzte,  in  vieler  Hinsicht  dem  Bamb.  nahe  gestanden  habe. 
Indessen  hat  auch  an  manchen  Stellen  Gelen,  allein  das 
Richtige,  z.  B.  31,  41,  13.  universi  sexcentorum,  wo  die  übri- 
gen mit  dem  Bamb.  universi  nicht  haben ;  andere  sind  zweifel- 
haft, wie  32,  21,  17.,  wo  Gelen,  allein  quia  pepercisse  volunt 
liest;  die  anderen  edd.  nobis,  oder  mit  dem  Bamb.  vobis  hinzu- 
fügen, was  Hr.  Kr.  mit  Recht  billigt,  und  auch  Becker  wohl 
würde  aufgenommen  haben ,  wenn  er  gesehen  hätte ,  dass  es  in 
der  Handschrift  6tehe. 

Auch  unter  den  Lesarten ,  welche  p.  XV.  als  dem  Bamb.  ei- 
genthümlich  erwähnt  und  den  übrigen  meist  vorgezogen  werden, 
finden  sich  manche  unsichere,  während  andere,  die  mit  gleichem 
Rechte  angeführt  werden  konnten,  übergangen  sind.  So  sieht 
man  keinen  Grund,  warum  31,  3,  1.  ac  sociomm  der  anderen 
Lesart  sociorumque  vorgezogen  ist.  Zweifelhaft  ist,  ob  ib.  5,  7. 
peraetam  besser  sei  als  perfeetam,  welches  auch  Becker  beibe- 
halten hat.  Dasselbe  gilt  von  iurat  statt  iurare  31,  17.;  von  ad 
hoc  statt  ad  haec  ib.  40.;  von  egressum  suis  fuiibus  statt  egres- 
sum  e  finibus  35,  4.,  da  37,  52.  ex  templo  excessit  statt  lemplo 
excessit  gebilligt  wird.  Mit  Unrecht  wird  34,  20,  6.  insultassent 
erwähnt,  da  persultassent  auf  jeden  Fall  vorzuziehen  ist,  s.  Tac. 
Ann.  11,  9.  Hibero  exercitu  campos  persultante,  und  wie  dieses 
konnte  manches  Andere,  z.  B.  31,49,  11.  adferret,  34,  25,  12. 
perfugerunt  angeführt  werden.  Einige  der  hier  hervorgehobe- 
nen Lesarten  hat  Hr.  Kr.  selbst  verworfen ,  z.  B.  32,  6.  agitanti 
ei;  ib.  21.  populaudosque.  Dagegen  vermisst  man  31,  7,  1.  das 
von  Hrn.  Kr.  selbst  vertheidigte  si  nunquam  statt  si  unquam,  ib. 
§  10.  urbem  Ilomanam ,  was  die  neueren  Herausgeber  aufgenom- 
men Laben,  obgleich  es  sich  nur  im  Lavel.  1.  ausser  dem  Bamb. 
findet;  ib.  12,  24.  ist  nur  avcenderufil  dem  Bamb.  eigen,  curam 
bieten  statt  causa  vier  andere  Handschriften  dar.    Ib.  15,  7.  hat 


184  Römische  Literatur. 

schon  Gelen,  ergo  statt  gratia,  die  Bezeichnung  des  Einen  konnte 
leicht  mit  der  des  Anderen  verwechselt  werden,  s.  Frennd.  Cic. 
Orat.  pro  Milone  p.  VII.  Zu  erwähnen  war  ib.  18,  4.  sin  hello 
lacessitis;  ib.  30,  11.  miseriti  statt  ?niserti;  ib.  34,  8.  cum  statt 
tum,  welches  Becker  mit  Unrecht  beibehalten  hat;  ib.  39,  8.  ut 
mit  locus;  32,  6,  2.  travectus  statt  traiectus ;  ib.  16,  5.  praece- 
dit ;  ib.  34, 12.  recens  decretum  statt  recens  de  exercitu;  ib.  38, 
6.  occupata  statt  occupat;  34,  2,  12.  aliam  legem  abrogandam, 
obgleich  dieses  nicht  sicher  ist;  ib.  3,  6.  scheint  nicht  allein  der 
Bamb.  procucnrrerint  zu  haben,  da  Drak.  in  der  Aufnahme  von 
proeveurrerunt  dem  Mog.  gefolgt  zu  sein  bekennt,  von  seinen 
edd.  schweigt,  die  procucnrrerint  gehabt  haben  mögen,  wie  abs- 
tineant,  was  Hr.  Kr.  selbst  bemerkt.  Eben  so  haben  ib.  19,  8. 
die  meisten  codd.  incerta  bellum  an  pax  essent,  nicht  der  Bamb. 
allein,  wie  Hr.  Kr.  anzunehmen  scheint,  indem  er  p.  XVIII.  diese 
Lesart  anführt ;  und  c.  32,  8.  haben  die  meisten  liberacimus  statt 
liberaverimus,  wie  der  Bamb.  Ib.  7,  10.  konnte  das  freilich  schon 
von  Gelen,  gefundene,  aber  von  Drak.  verschmähte  excellentio- 
rem  ornalum  erwähnt  werden;  ib.  8,  3.  viginti  annis  post;  ib. 
33,  14.  inchoata  belli  gloria,  was  nicht  zu  verachten  ist,  s.  28, 
17,  3.  consummatam  belli  gloriam;  ib.  35,  11.  responderi  et  bel- 
lum geri;  c.  40,  2.  aspernatus  statt  aspernatum ;  ib.  §  7.  e/nise' 
runt;  c.  41,  4.  et  lateri  adhaerens  tyrannus  ;  ib.  50,  9.  impera- 
tor  secutus  u.  a. 

Jedoch  hat  Hr.  Kr.  nicht  allein  die  guten  Seiten  der  Bamb. 
Handschrift  hervorgehoben,  sondern  auch  das  Fehlerhafte  der- 
selben angedeutet.  Ohne  eine  Angabe  der  Stellen,  wo  sie 
schlechtere  Lesarten  bietet  als  die  übrigen  codd.,  beschäftigt  er 
sich  vorzugsweise  mit  den  Lücken ,  welche  dieselbe  entweder  al- 
lein oder  mit  anderen  gemeinschaftlich  hat.  Und  allerdings  ist 
dieses  die  schwächste  Seite  der  Handschrift,  indem  sie  selbst  da, 
wo  sie  in  anderen  Stücken  vor  den  übrigen  den  Vorzug  hat,  in 
mancher  Beziehung  mangelhafter,  und  in  den  Büchern  vom  34. 
an  durch  mehr  Lücken  als  diese  entstellt  ist.  Hr.  Kr.  hat  nur 
einen  Theil  derselben  angeführt,  indem  er  theils  die  zum  grossen 
Theil  weglässt,  wo  der  Abschreiber  durch  leer  gelassenen  Raum 
die  Lücke  selbst  bezeichnet,  s.  p.  XIX.  und  XXI.;  theils  die 
grosse  Menge  der  einzelnen  Wörter,  die  im  Bamb.  fehlen,  uner- 
wähnt lässt,  und  nur  die  Stellen  aufführt,  wo  längere  oder  kür- 
zere Sätze,  und  mehrere  Worte  zusammen  ausgefallen  sind.  Nur 
sehr  Weniges  vermisst  man  hier.  So  hat  der  Bamb  31,  49,  2. 
statt  aeris,  argenti  centum  septnaginta  milia  pondo  nur  ooD. ; 
während  die  meisten  anderen  vollständig  sind,  einige  nur  pondo 
weglassen;  34,  30,  7.  hat  er  statt  Achaeorum  praetor e  nur 
Achaeo,  was  Hr.  Kr.,  da  es  von  Becker  aufgenommen  ist,  mit 
Recht  missbilligt;  ib.  32,  16.  statt  nam  et  Messenen  uno  ataue 
eodem  iure  nur  nam  et  esse  eodem  iure ;  35,  2,  6.  statt  a  pri- 


T.  Livü  über  XXX.    Edidit  Kreyssig.  185 

vatis  fernere  nur privatis;  35,  5,  11.  fehlt  proelio  et  dubio;  34, 
42,  6.  hat  er  statt  tieque  partem  dimitteitdam  navium  nur  par- 
tem  Jiavium;  37,  1,  7.  fehlt  inier  se ;  ib.  34,  7.  illud  satis,  cf. 
37,  20,  5.  ib.  27,  13. ;  38,  15,  13. ;  33,  24  extr.  fehlt  et  Ti  Sem- 
pronium  u.  a.  Dagegen  ist  zu  bezweifeln,  ob  32,  21,  14.  das 
Fehlen  von  mit  vi  aut  metu  mit  Recht  zu  den  Lücken  gezählt 
wird.  Wollte  man  die  einzelnen  Wörter,  die  im  Bamb.  allein 
fehlen,  rechnen,  so  würde  man  finden,  dass  diese  kleineren  Lü- 
cken im  Bamb.  häufiger  sind,  als  in  den  übrigen  Handschriften, 
go  weit  sie  uns  bekannt  sind,  indem  vom  34.  Buche  an  nach  einer 
oberflächlichen  Zählung  über  300  solcher  Auslassungen  statt  ha- 
ben. Was  die  Stellen  betrifft,  wo  der  Bamb.  allein  eine  schlech- 
tere Lesart  hat,  als  die  übrigen  edd.,  so  ist  dieser  Punkt  von 
Hrn.  Kr.  nicht  genug  erörtert  worden.  Um  einen  Maassstab  für 
diese  zu  haben,  mögen  nur  die,  welche  sich  in  den  ersten  Kapi- 
teln des  32.  Buches  finden,  hier  zusammengestellt  werden.  So 
hat  der  Bamb.  allein  §2,  1,  2.  a  praetoribus  statt  praetoribus ;  ib. 
§  4.  decreta  eutret  increteas  statt  decretae  ut  retineret  eas ;  §  14. 
dieta  statt  edieta;  c.  2,  5.  id  quod  statt  quod;  3,  2.  expressa  statt 
compressa;  4,  3.  qua  statt  quas;  5,  2.  timenti  statt  timentem; 
6,  10.  credidit  statt  reddidit;  §  13.  conspectu  für  conspecto;  7, 
3  venaliciura  wie  Gelen,  statt  venalium;  Castrura  statt  Castro- 
rum; §  5.  Baelius  statt  Baebius;  O  Aurelio  statt  C.  Aurelio;  §  7. 
re  für  res;  8,  11.  si  sua  classis  opera  für  si  sua  classi  suaque 
opera;  9,  2.  muros  statt  murus ;  §  11.  fleri  für  fieri;  10,  8.  quia 
statt  quibus;  §  11.  quas  in  muro  für  quasi  in  muris;  11,  2.  ipse 
statt  is  se ;  §  6.  defensorum  statt  defessorum ;  §  8.  polliceatur  wie 
Gelen.;  wo  die  anderen  meist  unrichtig  pollicetur  haben,  wahr- 
scheinlich aus  polliceietur  verdorben;  signo  reeepto  statt  aeeepto; 
§  9.  per  noctem  für  pernox;  §  10.  capit  statt  capi ;  12,  1.  petie- 
bant  statt  petierant;  §  3.  verteret  für  verterat;  §  5.  sparsi  statt 
pars ;  13,  1.  quas  inter  statt  qua  se  inter.  §  9.  praeverti  für  re- 
verti;  §  9.  agebat  für  egebat;  §  14.  mixta  ex  imbelli  für  mixta 
imbelli;  hae  für  haec;  ab  Themania  statt  ab  Athamania  u.  a.  In 
dieser  an  sich  nicht  unbedeutenden  Zahl  sind  leichtere  Abwei- 
chungen nicht  einmal  mit  aufgeführt.  Aus  allem  diesem  geht 
hervor,  dass  die  Bamb.  Handschrift  von  den  übrigen,  so  weit  wir 
über  dieselben  urtheilen  können,  verschieden  ist;  dass  siezwar 
mehr  als  diese  der  Mog.  sich  an  vielen  Stellen  näbert,  aber  auch 
viele  eigenthümliche  Fehler  und  besonders  Lücken  hat,  und  der 
Gebrauch  derselben  viele  Vorsicht  erfordert.  Hr.  Kr.  tadelt  da- 
her nicht  selten,  dass  Becker  die  Lesart,  die  sich  im  Bamb.  allein 
findet,  aufgenommen  hat,  nicht  mit  Unrecht,  namentlich  aber, 
s.  p.  XXXVIII.,  dass  er  zu  oft  in  der  Wortstellung  dem  Bamb. 
gefolgt  sei,  was  nur  dadurch  zum  Theil  entschuldigt  werden  kann, 
dass  wir  oft  für  die  der  Vulgata  keine  bestimmte  Autorität  haben. 
Die  auffallendsten  Fehler  der  Beckerschen  Ausgabe,  besonders 


186  Römische  Literatur. 

die  nicht  gewissenhafte  Benutzung'  des  Bamb. ,  die  oft  von  Becker 
gar  nicht  kann  verglichen  worden  sein,  werden  p.  XXXVI  ff.  auf- 
gezählt; wo  Hr.  Kr.  das,  was  er  schon  in  der  Jenaischen  Littera- 
turzeitnng  1831  n.  153  ff.  dargethan  hat,  zusammenfasst.  Hier, 
in  der  Vannus  critica,  s.  Jahn  und  Seebode  Archiv  1831  p.  50  ff., 
und  dem  Meletematum  specimen  primum  ist  überhaupt  der  grösste 
Theil  der  beraerkenswerthen ,  aber  übersehenen  Lesarten  des 
Bamb.  schon  vom  Verf.  bekannt  gemacht.  An  den  einzelnen  Stel- 
len wird  in  der  Regel  angegeben,  wenn  Becker  die  Lesart  des 
Bamb.  aufgenommen  hat:  nur  hier  und  da  vermisst  man  diese 
Bemerkung,  z.B.  31,  41.,  wo  Br.  discrimine  aut  schreibt;  34, 
41,  1.,  wo  er  abduxerat  aufgenommen;  ib.  48,  2.,  wo  er  hoc 
weggelassen  hat.  Eben  so  fehlt,  dass  Br.  34,  56.  peditum,  cen- 
teni  equites  statt  et  centeni  eq.;  36,  12,  8.  imperatorum  Roma- 
norum; ib.  19,  4.  aut  deturbari  statt  ac  deturbari ;  ib.  39,  14. 
agrum  statt  agros  aufgenommen  hat.  Dagegen  wird  selten  Br. 
eine  Lesart  beigelegt,  die  sich  bei  demselben  nicht  findet,  wie 
31,  2,  3.,  wo  er  nicht  ut  nunciarent  aus  dem  Bamb.,  sondern  ut 
et  nunciarent  liest,  während  Dr.  ut  et  ad  nunciarent  hat ;  32, 33, 
6.,  wo  er  nicht,  wie  Hr.  Kr.  angiebt,  ab  Jaso  et  a  Bargyliis^ 
sondern  ab  Jaso  et  Bargyliis  aufgenommen  hat,  und  nur  in  der 
Schreibung  von  Jaso  von  Drak.  abgewichen  ist. 

Von  den  Fehlern,  die  Göller  in  seiner  Collation  gemacht 
hat,  wird  nur  eine  kleine  Anzahl  p.  XXVIII  ff.  erwähnt,  und  mit 
Recht;  denn  fast  jedes  Kapitel  bietet  Abweichungen  dar,  die  von 
ihm  übersehen  worden  sind.  INur  an  wenigen  Stellen  ist  nicht 
angegeben,  dass  die  Göllersche  Vergleichnng  nicht  genau  sei; 
z.B.  33,14,5.,  wo  Göller  statt  der  handschriftlichen  Lesart  oo 
mille  angiebt,  was  sonst  immer  angezeigt  wird;  ib.  24,3.  wird 
nicht  gerügt,  dass  er  p.  32.  exitu  f er  ine  anni,  aber  p.  109.  e. 
fere  a.  als  Lesart  der  Handschrift  angiebt.  Ib.  34,  33,  8. ,  dass 
Gr.  et  extemplo  statt  et  exemplo;  ib.  50  extr.  onerararias  statt 
onerarias;  ib.  55.  in  dixerunt  statt  edixerunt;  35,  30,  8.  die  Aus- 
lassung von  inermem;  37,  28.  extr.  hostis  opprimere  statt  h.  op- 
priraeret ;  ib.  49.  das  Fehlen  von  ne ;  38,  1.  in.  das  Fehlen  von  d 
in  dum ;  31,  41.  in.  obsidere  und  superfuerunt  übersehen ,  p.  134. 
die  Schreibung  Lychnidus  als  stehend  dem  Bamb.  gegen  33,  35 
extr.  beigelegt  hat  u.  a.  Ein  grosser  Theil  der  Rügen  bezieht  sich 
übrigens  auf  die  Orthographie  der  Handschrift,  die  Göller  in  sei- 
ner Collation  bei  weitem  ircht  genug  beachtet  hat.  So  wird  je- 
desmal bemerkt,  wenn  Gr.  Phiiippus  schreibt  statt  Philyppus,  wie 
in  der  Handschrift  steht;  absumsit  statt  absumpsit;  nuncius  statt 
nuntius;  obcurrisset  statt  occurrisset,  Quinctius  statt  Quintius 
u.  s.  w.  Eben  so  werden  im  33.  Buche  alle  orthographischen  Ab- 
weichungen von  Drakenborch  angeführt,  z.  B.  adparebat  statt  ap- 
parebat,  caussa  für  causa,  adtulit,  inplico,  inlustris  u.a.  Das- 
selbe gilt  durch  das  ganze  Werk  von  der  Beckergehen  Ausgabe, 


T.  Lim  über  XXX.  Edidit  Kreyssfg.  187 

jedesmal  wenn  Br.  Quintius,  deprensus,  Elatea,  Karthago,  Pan- 
horrans  n.  a.  schreibt,  wird  die  Abweichung  bemerkt;  was  uns 
nicht  nöthig  scheint,  da  doch  nach  dem  Bamb.,  der  selbst  viele 
Verschiedenheiten  darbietet,  die  Orthographie  des  Livius  nicht 
hergestellt  werden  kann ,  und  von  Hrn.  Kr.  selbst  im  Texte  des 
33.  Buches  nicht  überall  befolgt  ist. 

Dass  die  Angabe  der  in  der  Handschrift  gefundenen  Lesarten 
sehr  genau  sei  und  kaum  etwas  zu  wünschen  übrig  lasse,  wurde 
schon  oben  bemerkt.  Hr.  Kr.  scheint  ein  Studium  daraus  gemacht 
zu  haben,  die  Ursachen  der  Verirrungen  des  Abschreibers  selbst 
in  unbedeutenden  Dingen,  wie  bei  geschriebenen  und  wieder  ge- 
tilgten Wörtern ,-Sylben  und  Buchstaben,  Verschreibungen,  Wie- 
derholungen und  Auslassungen  aufzufinden,  und  hat  sie  meist  mit 
Scharfsinn  erklärt.  Zuweilen  scheint  er  hierin  selbst  zu  weit  zu 
gehen  und  Dinge  zu  erläutern,  die  jeder  Aufmerksame  sich  selbst 
sagen  kann ,  z.  B.  wenn  es  an  vielen  Stellen  heisst :  „omissa  li- 
neola  pro  litera  m  poni  solita",  oder  „literae  mvicaria1";  oder 
wenn  bei  leicht  zu  bemerkenden  Fehlern  hinzugefügt  wird:  mendi 
origo  patet;  oder  z.B.  bei  et  Romanis  simul  statt  et  Romani  siraul 
als  Erklärung  beigegeben  wird:  „verbura  simul  errorem  peperitwtj 
namentlich  gilt  dieses  von  den  Fehlern ,  die  bei  Zahlen  vorkom- 
men, wo  z.  B.  jedesmal,  wenn  XX  für  20000  steht,  hinzugefügt 
wird:  „librarius  XX  pro  XX  posuit"  u.  a.  Ebenso  würde  man- 
che Bemerkung,  wenn  sie  nicht  da  stände,  nicht  vermisst  wer- 
den, z.  B.  wenn  32,  28,1.,  wo  statt  transigi  der  cod.  trasigi 
hat  und  hinzugefugt  wird:  „hoc  ferri  nequit",  oder  die  Bemer- 
kung über  et  38,  15.,  über  sublecti  33,  242.;  die  Polemik  gegen 
[Döring,  z.  B.  38,  17.;  31,  8.  u.  a.  Wenn  Göller  bisweilen  bei 
ider  Anführung  der  Lesarten  der  Handschr.  Zusammengehöriges 
itrennt  und  dadurch  die  Einsicht  erschwert,  so  hat  Hr.  Kr.  in  der 
iRegel  hierauf  grosse  Sorgfalt  verwendet,  nur  zuweilen  müsste 
]cin  Wort  zu  der  angeführten  Lesart  hinzugenommen  werden, 
jz.  B.  36,  38,  7. ,  wo  die  richtige  Lesart  ubi  ut  in  immer o  ist ,  im 
Bamb.  aber  ut  fehlt,  versteht  man  den  Ausfall  der  Partikel  nur, 
wenn  man  ubi,  was  bei  Hrn.  Kr.  fehlt,  hinzunimmt.  So  würde 
'auch  36,  43,  1.  das  Fehlen  von  alias  minoribus  im  Bamb.,  von 
>atias  maioribus  in  den  anderen  codd.  leichter  begriffen  werden, 
wenn  alias  maioribus  alias  minoribus  wäre  verbunden  worden, 
s.  37,  37,  9.  seet;  33,  20,  9.  responsaqui  im  Mog.  u.  a.  Biswei- 
len entsteht  durch  die  zu  gedrängte  Schreibart  des  Verf.  einige 
jDunkelhcit,  z.  B.  p.  6.,  wo  es  über  die  abgekürzte  Schreibung 
;von  qnoniam  durch  quo  also  heisst:  „De  hoc  scripturae  compen- 
dio,  quod  librarius  XXX,  29.  pro  cum,  XXXIII,  6.  43.  et  45.  pro 
quiiHi,  vei,  ut  cap.  6.  et  45.  aliis  visum  est,  pro  quando ,  atque 
XXXII,  21.  ubi  cod.  Lips.  quoque  qm,  id  est  quoniam,  quod 
jBekkerus  Tacit.  Annal.  II,  56.  lectioni  quo  ex  cod.  Flor,  gubstituit 


188  Römische  Literatur. 

et  Annal.  III,  71.  lectioni  quando  ex  eodem  codice  substituendum 
censuit,  pro  vulgata  lectione  quando  offert,  cum  octo  codicibus 
a  Drakenborchio  adhibitis ,  XXXIV,  43. 58.  XXXV,  2.  27.  45.  47. 
et  XXXVI,  53.  pro  quoniam  XXXIH,  35.  per  compendium  qm. 
scripto  posuit,  vide  Wunderuni  in  Variis  Lectionibus  etc. 

Was  die  Anordnung  des  reichen  von  Hrn.  Kr.  gesammelten 
Stoffes  betrifft,  so  bietet  diese  dem,  der  denselben  benutzen 
will,  manche  Unbequemlichkeit  und  Schwierigkeit  dar,  indem 
man  bei  vielen  Stellen  an  nicht  weniger  als  vier  Orten:  in  den 
Lesarten  der  alten  Ausgaben ,  der  varietas  lectionis  von  Carbach, 
der  Collation  der  Bamb.  Handschrift,  und  ddii  Addendis  und 
Corrigendis  nachsehen  muss,  was  sich  durch  andere  Verbindung 
des  Gegebenen,  namentlich  durch  eine  Vereinigung  der  Lesarten 
des  Mog.  und  Bamb.  hätte  vermeiden  lassen ,  wodurch  zugleich 
die  Vergleichung  der  beiden  Handschriften  bedeutend  wäre  er- 
leichtert worden.  Auch  sind  auf  jene  Weise  manche  Wiederho- 
lungen veranlasst  worden.  So  werden  viele  Lesarten  der  ed. 
Mog.  Aid.  Froben.  von  1531  und  1535,  die  schon  unter  dem 
Texte  des  33.  Buches  vom  17.  Kap.  an  stehen ,  p.  L.  ff.  noch  ein- 
mal erwähnt.  In  den  folgenden  Büchern  finden  sich  viele  noch 
einmal  bei  der  var.  lect.  des  Mog.,  oft  auch  noch  in  der  Collation 
des  B;imb.  erwähnt. 

Hr.  Kr.  hat  an  vielen  Stellen,  wie  schon  seine  früheren 
Mittheilungen  zeigen,  durch  die  sorgfähige  Benutzung  der  Hand- 
schriften und  der  alten  Ausgaben  die  richtige  Lesart  wieder  her- 
gestellt ;  Vieles  zur  Geschichte  des  Textes  beigetragen ;  an  an- 
deren Veränderungen  Bekkers,  deren  eine  bedeutende  Zahl  p. 
XXXVI  ff.  aufgezählt  ist ,  zurückgewiesen;  an  anderen  passende 
Conjecturen  vorgeschlagen,  z.  B.  37,  27,  7.  ib.  53,  15.;  38,  45,  6. 
ii.  a.  Ausserdem  sind  viele  paläograpische  und  sprachliche  Bemer- 
kungen über  die  Ausdrucksweise  des  Livius  eingestreut.  Um  das 
Verfahren  des  Hrn.  Verf.  genauer  zu  zeigen,  wollen  wir  noch  ei- 
nige einzelne  Stellen- genauer  betrachten.  Wir  beginnen  mit  dem1 
33.  Buche,  um  das  sich  Hr.  Kr.  ohne  Zweifel  die  meisten  Ver- 
dienste erworben  hat.  33,  1,  5.  hat  der  Verf.  Walchs  Conjectur 
pergit  ire  ad  urbem,  iussis  legionariis  haslatis  (ea  duo  müia 
militum  erani)  sequi  se  milie  passuum  intervätlo  dista/des,  wie', 
die  übrigen  neueren  Herausgeber  statt  der  handschriftlichen  Les- 
art legionis  aufgenommen.  Aber  weder  Walch  noch  Hr.  Kr.  hat 
eine  Beweisstelle  für  diese  Ausdrucksweise  beigebracht,  die  um 
so  erwünschter  gewesen  wäre,  da  man  zwar  hastati  legionis' (s. 
30,  18.)  und  legionarii  oder  legionarii  milites  (s.  Liv.  26,  48,  7. 
Caes.  b.  G.  1,  42.),  legionarii  equites  (Liv.  35,  5,  12.  ib.  6,  10.) 
findet,  auch  die  legionarii  den  Tiiariern  entgegengesetzt  werden, 
s.gLiv.  28,  3,  14. :  additum  erat  et  triariorum  equiti  praesidium; 
legionarii  ceteras  partes  perradunt,    aber  Stellen  für  legionarii 


T.  Livii  libcr  XXX.   Eilidit  Kreyssig. 

principes,  hastati  vermisst  werden.  In  den  folgenden  Worten  be- 
zieht Hr.  Kr.  distantes  mit  Göller  und  Jacobs  auf  hastati,  was 
auf  jeden  Fall  gerathencr  ist,  als  es  nach  Drak.  mit  se  in  Ver- 
bindung zu  setzen.  Doch  dürfte  sich  diese  Abweichung  von  der 
gewöhnlichen  Construction  nur  durch  griechische  Beispiele,  wie 
die  von  Göller  angeführten,  vertheidigen  lassen,  da  32,  8,  6., 
was  Jacobs  anführt :  nam  praeter  consulares  exercitus,  praetores 
quoque  iussi  scribcre  milites  eraut.  Marcello  in  Siciliam  etc.,  un- 
sicher ist,  indem  die  Stelle,  wie  sie  jetzt  gelesen  wird,  keinen 
passenden  Gegensatz  giebt,  weil  man  statt  consulares  den  Prae- 
toren  gegenüber  et  consules  suos  erwarten  müsste.  Da  an  vielen 
Stellen  das  Compendium  pr.  zu  Irrungen  Veranlassung  gegeben 
hat,  und,  was  Drak.  mit  Unrecht  bezweifelt,  auch  sonst  die  Con- 
suln  die  den  Praetoren  bestimmten  Heere  ausheben,  s.  44,  21., 
so  dürfte  die  Verbesserung  Crevier's,  der  praetoribus  lesen  will, 
nicht  zu  verachten  sein.  An  unserer  Stelle  aber  ist  der  Ueber- 
gang  in  den  Accusativ  leichter  zu  rechtfertigen ,  da  sich  derselbe 
so  passend  an  das  vorhergehende  sequi  anschliesst,  s.  C.  Brutus 
59,  214.  u.a.,  und  überhaupt  iubere  leicht  verschiedene  Con- 
structionen  nach  sich  zuläüst.  §  3.  steht  in  der  Handschrift  ad 
viedio  fcrme  viae  ;  Jacobs  vermuthetc  ac  medio;  man  könnte 
auch  a  medio  lesen,  s.  Hand  Tursell.  1,  41.,  allein  da  der  Ab- 
schreiber auch  sonst  o  statt  u  setzt,  s.  c.  3.  exercito  cf.  32,  6, 
13.,  und  oft  den  Strich  für  m  auslässt,  so  ist  ad  medium,  was 
Hr.  Kr.  beibehalten  hat,  gewiss  vorzuziehen.  §  6.  liest  Hr.  Kr. 
oppidani  ante  lictores  turba  acta  insecutum  etc. ,  die  Handschr. 
hat  Helote,  und  die  von  ihm  selbst  angeführte  Stelle  23,  10,  6. 
ducique  ante  Lictorem  in  castra  est  iussus  scheint  hinreichend  zu 
beweisen,  dass  lictor,  wie  so  viele  andere  Worte,  von  Livius 
collectiv  gebraucht  worden,  und  jene  Veränderung  nicht  noth- 
wendig  sei.  —  Cap.  2,  1,  behält  Hr.  Kr.  Gronov's  Conjectur: 
senior  iam  et  infumior,  quam  ut  contentionem  dicendi  sustine- 
ret,  bei;  mit  Recht,  wie  es  scheint,  s.  45,  19,  13.:  illa  aetate, 
illa  corporis  infirmitate;  obgleich  man  für  die  handschriftliche 
Lesart  seqm'or  geltend  machen  könnte,  dass  durch  diese  der  Man- 
gel der  geistigen  Energie,  wie  durch  infirmior  die  körperliche 
Schwäche  angezeigt  würde.  Bald  darauf  i  t  nach  der  verdorbe- 
nen Lesart  des  cod.  ablaia  ensidicjße  ancholata  eher,  wie  schon 
Drak.  wollte,  ab  Plutaeensi  Dicaeai  cho  lata  zu  lesen,  als  a  Pla- 
taeensi,  s.  31,  25,  1.  ab  Piraeo:  37,  3.  ab  Ftolemaeo;  und  in  con- 
tra adicere  dürfte  nicht  sowoiil  contra  adiicere  als  eine  blosse 
V,  icderholiuig  des  a  wie  c.  3,  10.  in  qui  iugenti  statt  quingenti  zu 
linden  sein.  —  Cap.  3.,  wo  der  cod.  ibiqiie  slativis  positis, 
esercendo  quölidie  miliie  hostem  opperiebatur  hat,  will  Hr.  Kr. 
exercenäo  quölidie  mittlem  lesen.  Allein  theils  ist  das  folgende 
hostem  dem  Accus,  militem  nicht  günstig,  theils  finden  sie!»  Sä- 
tze, wie  der  nach  der  handschriftlichen  Lesart  geschriebene,  bei 


190  Römische  Literatur, 

Liv.  nicht  selten ,  s.  24,  15,  4.  capite  —  abscidendo  tempus  tere- 
bant;  23,  7,  12.  visenda  urbe  in  aequam  diei  partem  consumsit, 
8.  8,  17  in.  24,  36,  1.  u.  a.  Das  Ende  des  Kap.  schreibt  der  Verf. 
ad  ea,  quae  tum  maxime  animos  tenebant,  quibusque  erigi  ad 
aliquam  spem  poterant,  venu,  indem  er  die  Conjectur  von  Ja- 
cobs tenebant  statt  des  handschriftlichen  tgrrebant  aufnimmt. 
Aber  einen  genügenden  Grund  dieser  Veränderung  vermisst  man, 
denn  wenn  Jacobs  tenebant  durch  sollicitudine  implebant,  raove- 
bant  (Hr.  Kr.  scheint  Raschigs  Erklärung:  occupabant,  vorzuzie- 
hen) erläutert,  so  wird  dieser  Begriff  noch  stärker  durch  tene- 
bant ausgedrückt ,  was  sich  auch  durch  die  Vergleichung  mit  32, 
34.  empfiehlt.  Im  Folgenden  fehlt  erigi  im  cod.,  Rec.  vermu- 
thete  statt  dessen  adduci-,  welches  vor  ad  leichter  ausfallen 
konnte.  —  Cap.  4,  1.  liest  Hr.  Kr.  acceptae  ad  Aoum  flumen 
in  angustiis  cladi  ler  a  Macedonum  phalange  ad  Atracem  vi 
pulsos  Romanos  opponebat ,  wie  Gronov  am  Rande  der  Ausgabe 
Horrions  geschrieben  fand,  während  der  cod  terra  bietet.  Dieses 
ter  aber  scheint  hier  wenig  passend  zu  sein,  da  ein  Heer ,  das 
auf  einem  für  dasselbe  so  ungünstigen  Terrain,  wie  32,  17.  ge- 
schildert wifd,  dreimal  zurückgeschlagen  werden  musste,  den 
Macedoniern  gewiss  nur  furchtbar  erscheinen  konnte.  Dazu 
kommt,  dass  a.  a.  0.  nicht  einmal  von  einem  dreimaligen  Zurück- 
weichen der  Römer  die  Rede  ist.  Rec.  vermuthete  daher:  cladi 
iterum  a  Macedonum  phalange —  pulsos  Romanos  opponebat ; 
herum  in  der  Bedeutung  von  av  genommen ,  s.  Hand  TurselJ.  3, 
529.  —  Cap.  5,  9.  ist  nach  Freinsheims  Vermuthung:  Roma- 
nus leves  et  bifurcos  plerosque,  veltrium,  aut,  cum  plurimum, 
quattuor  ramorum  vallos  caedit ,  geschrieben,  weil  Polybius 
18,  1.  sagt :  ij  tgsig ,  der  cod.  aber  hat  et  trium.  Allein  der  aus 
Polybius  genommene  Grund  kann  kein  grosses  Gewicht  haben,  da 
Livius  nicht  allein  im  Allgemeinen  dessen  Darstellung  ganz  um- 
ändert, und  während  jener  die  einzelnen  Verschiedenheiten  in 
der  Befestigungsweise  der  Römer  und  Griechen  sich  entgegen- 
stellt, Alles,  was  auf  die  Einen  und  Andern  sich  bezieht,  zusam- 
menfasst,  Manches  auch  ganz  übergeht;  sondern  auch  sogleich 
im  Folgenden,  wo  Liv.  aut  cum  plurimum  hat,  6  ös  nltlöras 
sagt.  Ferner  lässt  sich  et  wohl  vertheidigen ,  da  es  ja  zuweilen 
an  die  Bedeutung  von  vel  anstreift,  s.  Hand  Turs.  2,  480.,  und 
eben  so  leicht  in  aut  verwandelt  werden  könnte,  s.  22,  5,  7.:  nee 
ut  in  sua  legione  miles  aut  cohorte  aut  manipulo  esset.  Auch  sonst 
wechselt  Liv.  zuweilen  mit  den  Copulativ-  und  Disjunctivparti- 
keln ,  s.  38,38,2.,  wo  es  erst  soeiisque,  dann  soeiisve  heisst, 
E.  Walch  Emendatt.  p.  189.;  und  31,  32,  4.,  wo  der  Bamb.  bella- 
que  hat,  die  übrigen  bellave ,  möchte  dieses  eher  durch  das  fol- 
gende aut  entstanden  sein.  Im  Folgenden  hat  Hr.  Kr.  die  scharf- 
sinnige und  ebenfalls  auf  Polybius  sich  stützende  Conjectur  Cre- 
v'iers,  dass  nach  neque,  was  an  sich  nicht  zu  verwerfen,  s.  3,  52. 


T.  Livii  Über  XXX.  Edidit  Kreysgig.  191 

extr.;  31,  22,  7.;  40,  9,  4.,  hier  zweifelhaft  ist,  etwas  ausgefallen 
sei,  obgleich  sich  auch  sonst  ähnliche  Auslassungen  finden,  s.  c. 
18,  20.  u.  a.,  und  die  von  Crev.  vennissten  Worte  dem  Zwecke 
der  Stelle  ganz  entsprechen,  wir  glauben  mit  Unrecht,  still- 
schweigend verworfen.  Kurz  vorher  scheint  uns  in  den  Worten: 
et  ita  densos  offigunt  implicanlque  ramos ,  ein  Fehler  zu  liegen. 
Densos  nämlich  kann  sich  theils  wegen  offigunt,  was  mit  ramos 
sich  nicht  verbinden  lässt,  theils  wegen  des  Gegensatzes:  nam  et 
quia  rari  stipites  eminebant,  nur  auf  vallos  beziehen;  dann  muss 
ebendahin  auch  implicant  gehören,  und  die  rami  können  nur  das 
Mittel  der  Verbindung  sein.  Dieses  würde  passend  ausgedrückt, 
wenn  man  läse :  et  ita  densos  offigunt  implicantque  ramis ,  s.  die 
Ausleger  z.  Caes.  b.  G.  2,  17.  cf.  Polyb.  18,  1,  12.  —  Cap.  6, 
10.  ist  an  Romani  ad  Eretriam  —  Pliilippus  super  amnem  On- 
chestum  posuit  castra  kein  Anstoss  zu  nehmen  und  etwa  posue- 
runt  oder,  wozu  sich  Hr.  Kr.  neigt,  Romanus  zu  schreiben;  da 
sich  das  Präd.  leicht  an  das  letzte  Subj.  auschliesst,  s.  44, 17  extr. 
—  Cap.  7,  9.  könnte  zu  iuga  montium  detexerat  nebula  noch 
angeführt  werden  Catull.  61,  53.  tibi  virgines  zona  solvunt  sinus. 
cf.  Horat.  Sat.  2,  7,  11.  Ib.  §  8.  hat  Hr.  Kr.  nach  Jacobs  geschrie- 
ben:  Res,  ut  qui  nihil  minus  etc.,  während  in  der  Handschrift 
sed  nt  qui  steht.  Dieses  scheint  vertheidigt  werden  zu  können, 
denn  einmal  ist  oben  vorhergegangen:  opem  regis  implorabant, 
so  dass  diesen  sogleich  wieder  zu  nennen  nicht  nöthig  war;  dann 
heisst  es  vorher:  duo  milla  propere  missa  rem  inclinatam  restitue- 
runt,  wozu  sed  —  trepidavit  den  Gegensatz  bildet.  Dass  vor  ut 
qiii  nicht  immer  das  Subject  steht,  ist  bekannt,  s.  38,37,4.: 
itaque,  ut  quibus;  29,32,8.:  neque  enim  eunetanter,  ut  quas 
cf.  ib.  6,  7.  25,  13  extr.  Ganz  ähnliche  Verbindungen  sind  nicht 
seilen,  s.  c.  11,9.  dönis  regis  imminere  credebant  invicti  ab  ea 
cupiditate  animi  virum:  sed  et  succensebat  etc.  cf.  c.  36,  3.  33  in. 
u.  a.  Vielmehr  sollte  man  c.  8,  1.  die  Erwähnung  des  Königs  er- 
warten ,  und  da  Hr.  Kr.  nachweist,  dass  nach  dicentem,  nicht, 
wie  Göller  berichtet,  nach  fieri  ein  leerer  Kaum  im  cod.  ist,  so 
könnte  da  leicht  dieses  Wort  ausgefallen  sein.  —  Mit  Recht  hat 
jetzt  der  Verf.  c.  8,  5.  obsidentes  ad  Eordaeam  aditum  mit  Bek- 
ker  aufgenommen  und  vertheidigt,  was  in  jeder  Rücksicht  den 
Vorzug  vor  der  früher  von  ihm  gebilligten  Lesart:  obsistentes  in 
Eordeae  adilu  verdient.  Ebenso  ist  bald  darauf:  prope  cursu 
ad  hosteni  vadit,  viel  angemessener  als  proper o  cursu ,  was  für 
die  Phalanx  nicht  passt,  s.  Polyb.  18,  7  in.,  während  jenes  durch 
die  von  Hrn.  Kr.  angeführten  Stellen  geschützt  wird.  Warum 
man  cap.  9,  4.  an  quac  venerat  Anstoss  genommen  hat,  ist  nicht 
wohl  einzusehen,  da  dieses  den  Gegensatz  zu  tum  cum  maxime 
appropinquante  bildet.  Auch  ist  zu  bezweifeln,  ob  §  8.  durch 
das,  was  Laehmann  De  fönt.  Livii  II.  p.  82.  bemerkt,  um  dextro 
eornu  zu  rechtfertigen ,  die  Darstellung  des  Livius  von  aller  Un- 


192  11  ö  mis  che  Literatur. 

klarheit  befreit  werde,  theils  weil  dieser  gegen  die  Schilderung 
des  Polybius  eine  media  acies,  die  in  diesem  Treffen  kaum  Statt 
finden  konnte,  unterscheidet;  theils  weil  gerade  durch  die  Ver- 
änderung der  Worte  des  Polybius  ini  tojv  bvcovv(xcov  in  dextro 
cornu  eine  Dunkelheit  nicht  entfernt  wird,  sondern  erst  entsteht. 
§  10.  möchten  wir  nicht  mit  Hrn.  Kr.  das  im  cod  stehende  hos, 
welches  Quaerengius  passend  in  hoc  verbessert  hat,  in  hostes 
verändern,  da  hier  der  Gegensatz  von  ab  tergo  adorlus  und  a 
fronte  tum  —  instabat  weit  besser  durch  das  blosse  Relativum, 
als  durch  das  müssige  hostes,  welches  §  11.  ganz  an  seinem  Pla- 
tze ist,  bezeichnet  wird.  —  Cap.  10,  2.  geschieht  wohl  Gronov 
Unrecht,  wenn  man  glaubt,  er  habe  an  tum  Anstoss  genommen; 
denn  dass  dieses  nicht  der  Fall  war,  zeigt  schon  seine  frühere 
Verbesserung:  Romanis  (oder  hostiuni),  tum  et  ipse.  Er  ver- 
misste  nur  eine  Andeutung,  dass  die  Fahnen  feindliche  seien, 
was  zwar  Polybius  8,  9,  8.,  nicht  aber  Livius,  der  die  Erzählung 
anders  gestaltet,  hier  erwähnen  musste.  Ib.  §  4.  hat  Hr.  Kr.  mit 
Recht:  paullisper  novit ate  rei  constituit  signa,  aufgenommen. 
Wie  häufig  solche  Ablative  sind ,  zeigt  Roth  zu  Tac.  Agr.  p.  172 
ff.  —  Cap.  11,  8.,  wo  in  den  Worten:  et  arrogantiam  eorum, 
victoriae  gloriam  in  se  rapientium ,  quae  vanitate  sua  omtiium 
aures  offendebat ,  schon  Gronov  an  quae  vanitate  sua  Anstoss 
nahm,  ist  vielleicht  statt  suae  zu  lesen  ipsa,  s.  35,  49,  4.  u.  11. 
—  Cap  12,  8.  ist  mit  Recht  das  Von  Becker  nach  der  falschen 
Relation  Göllcr's  aufgenommene  in  proelio  wieder  in  proelio  ver- 
ändert. Ib.  §  5.  hat  auch  Hr.  Kr.  nach  Gronov:  Aetolos  aut  mo- 
ris  Romanorum  memorem,  aut  sibi  ipsis  convenientem  sen- 
tentiam  dixisse  geschrieben ;  leicht  aber  könnte ,  da  die  Hand- 
schrift  memores  hat,  esse,  was  Drak.  ergänzen  will,  ausgefallen 
sein.  Am  Ende  des  Kapitels  ist  nach  Jacobs'  Conjectur:  non  iis 
conditionibus  illigabitur  res,  ut  movere  bellum  possit,  geschrie- 
ben. Allerdings  verbindet,  s.  Drak.  z.  35,  46,  10.,  Livius  mit 
illigare  gewöhnlich,  jedoch  nicht  immer,  s.  25,  36,  7.  clilellas 
illigatas  oneribus,  wie  auch  Cic.  oft  andere  Constructionen  hat, 
s.  Forcellini  u.  d.  W. ,  ein  persönliches  Subject;  aber  Philippus 
geht  unmittelbar  vorher«  so  dass  die  Beziehung  nicht  zweifelhaft 
sein  kann.  Ferner  scheint  das  einfache  conditionibus,  s.  Drak. 
23,  7,  1.,  hier  zu  schwach  zu  sein.  Daher  zieht  Rec.  die  Ver- 
muthung  Gronov's  vor:  non  iis  conditionibus  illigabitur  pacis,  ut 
etc.,  wie  es  vorher  heisst:  de  conditionibus  pacis,  s.  30,  16.  — 
Richtig  wird  cap.  13,  13.  sed  mox  eliam  belli  causa,  was  nach 
Creviers  Vermuthung  schon  Becker  aufgenommen  hatte,  statt 
causae  vertheidigt.  Bald  darauf  ist  zwar  richtig  nach  dem  cod. 
mensum  aufgenommen,  wenn  aber  p.  394.  nach  dem  dort  ange- 
führten Antibarbarus  von  Krebs  mensium  für  die  clässische  Zeit 
ganz  verworfen  werden  soll,  so  ist  übersehen  Zumpt  zu  den  Vcr- 
rinen  p.  414.  —     Cap.  14,  5.  ist  die  Vermuthung  Hrn.  Kr.'s,  dass 


T.  Livii  Über  XXX.  Edidit  Kreyssig.  193 

statt  des  allerdings  auffallenden  mille  ac  ducentos,  milleaccc 
d.  h.  milleDCCC  und  bald  darauf  et  C  es  ipsorum  zu  lesen  sei, 
zwar  scharfsinnig;  aber  sicherer  ist  es,  die  bisherige  Lesart  bei- 
zubehalten, da  Livius  die  nicht  zweifelhafte  Zahl  der  Corinthier 
dem  Leser  zu  finden  überlassen  konnte.  §  11.  nimmt  man  wohl 
mit  Unrecht  an  diem  ediclam  Anstoss,  wofür  Drak.  diem  dictum, 
Hr.  Kr.  diem  editam  vorschlägt.  Allerdings  war  die  Botschaft 
eine  geheime,  aber  der  Befehl  kam  doch  von  der  Behörde,  die 
den  Termin  bestimmen,  durch  ein  edictum  nach  römischem  Sinne 
festsetzen  konnte.  —  Cap.  15,  2.  liest  Hr.  Kr.  mit  Walch:  ibi 
parte  dimidia  exercitus  dimissa,  dimidiam  (trif avium  divisit) 
et  omnes  equites  discurrere  —  iubet.  Aber  wenn  so  auch  die 
Parenthese  ganz  passend  ist,  so  kann  man  doch  an  der  von  Walch 
angenommenen  Bedeutung  von  dimissa  zweifeln :  „proprie  capi- 
mus  dimittere  de  militibus  abire  iussis  in  suum  quibusque  locum, 
imperatore  etiam  tum  in  ordinandis  instruendiürque  ceteris  oecu- 
pato'%  die  wenigstens  durch  Suet.  Octav.  49.  nicht  bestätigt  wird. 
Da  dimittere  exercitum,  wenn  nicht,  wie  z.  B.  31,  26.  dimidia 
parte  militum  ad  praedandura  dimissa,  cum  parte  ipse  — ■  conse- 
dit,  angegeben  wird,  wohin  oder  wozu  ein  Heer  weggeschickt 
wird,  der  stehende  Ausdruck  ist  für  die  förmliche  Entlassung  des 
Heeres,  so  sieht  man  nicht,  wie  es  hier  eine  so  ganz  abweichende 
Bedeutung  erbalten  kann.  Der  Grund  des  Verderbnisses  scheint 
ein  auch  von  Hrn.  Kr.  oft  bemerkter  zu  sein,  dass  die  erste  Sylbe 
des  folgenden  Wortes  dimidiam  die  erste  des  vorhergehenden 
verdrängt  hat,  so  dass  es  nun  schwer  ist,  das  von  Livius  hier  ge- 
brauchte Wort  wieder  zu  finden.  Uebrigens  könnte  man  auch  an 
dimidiam  —  dimissa  dimidiam  —  divisit  Anstoss  nehmen.  Bald 
darauf  hat  Hr.  Kr.  gewiss  die  wahre  Lesart  durch  Veränderung 
von  dein  aliarum  gentium  in  id  in  Warum  gentium,  s.  Melet.  p. 
17.,  u.  §  8.  das  richtige  instruit  hergestellt.  Aber  §  13.  möch- 
ten wir  ibique  statt  in  utrobique  in  ibi  quoque  verwandeln.  — 
Cap.  17,  6.  vertheidigt  Hr.  Kr.  mit  Recht  (nur  scheinen  Stellen, 
wie  Liv.  21,  60.  Curt.  4,  4.,  nicht  hierher  zu  gehören)  die  Lesart 
des  Bamb.  in  ditionem  legati  venerunt  statt  des  gewöhnlichen 
in  de  ditionem,  weil  man,  was  Gronov  8,  20,  6.  schon  von  dem, 
Ausdruck  in  deditionem  alieuius  se  permittere  behauptet  hatte, 
und  was  auch  durch  den  ursprünglichen  Ausdruck  —  Liv.  1,  38. 
7,  31.  —  in  ditionem  alieuius  se  dedere  bestätigt  wird,  nicht  ge- 
sagt habe  in  deditionem  alieuius  venire.  Au  der  einzigen  Stelle, 
wo  diese  Redeweise  noch  gefunden  wird,  8,  20,  6.,  müsste  selbst 
nach  den  Dächst  dem  Flor,  besten  codd.  dem  Leid.  I.  und  Harl.  I. 
in  ditionem  gelesen  werden,  wenn  man  der  ersten  Angabe  Drak. 
trauen  dürfte,  und  dieser  nicht  nachher  auch  jenen  edd.  deditionem 
beilegte.  —  C.  18,8.  möchten  wir  nach  deinMog.  Neb  lihodii  pu- 
gnam  deteetaverunt.  Atque —  extemplo  in  aciem  descensum  est 
vorziehen,  da  atque  ganz  passend  und  sonach,  s.  Hand  Turseil.  1, 

N.  Jahrb.  f.  J'hil.  u    Paed.  vd.  Krit.  Bibl.  Bd.  XXVIII.  llß.1.    13 


194  Römische  Literatur. 

478.,  bedeutet,  und  ita,  wie  nach  dem  Bamb.  Hr.  Kr.  Torzieht, 
nur  eine  Erklärung  von  jenem  zu  sein  scheint.  §  12.  ist  schwer 
zu  entscheiden,  ob  nach  dem  Mog.  acies  utraeque  oder  nach 
dem  Bamb.  acies  utraque  zu  schreiben  sei,  da,  wenn  dieses  von 
Hrn.  Kr.  als  das  gewähltere  vorgezogen  wird,  jenes  leichter  zur 
Aenderung  verleiten  konnte.  Um  das  §  18.  durch  Interpolation 
in  den  cod.  gekommene  Macedonia  zu  erklären ,  war  auf  c.  21., 
nicht  auf  c.  36.  zu  verweisen.  —  Sehr  gut  ist  cap.  19,  4.  die  nach 
dem  Bamb.  (s.  Melet.  p.  25.)  hergestellte,  von  Göller  und  Becker 
übersehene  Lesart:  quibus  fuga  in  expedito  erat  statt  expe- 
ditior.  §  6.  ist  vielleicht  die  Lesart  des  Bamb.  mit  der  des  Mog. 
zu  vereinigen  und  zu  lesen:  iam  Antiocho  ex  Syria  moliente 
bellum  statt  movente ,  s.  38,  44,  6.  —  Cap.  20,  2.  ist  allerdings 
wahrscheinlicher ,  dass  in  den  Worten  si  eo  fine  non  contineret 
im  Bamb.  (s.  34,  33.)  non  ausgefallen  sei,  obgleich  sich  für  das 
von  Becker  aufgenommene  ni  geltend  machen  Hesse,  dass  es  be- 
sonders in  Drohungen  sich  finde ,  s.  Gernhard  Epist.  ad  Herzog. 
p.  15.  §  10.  hat  der  Mog.  omnierat ,  der  Bamb.  omiserant ;  das 
Plusquamperfectum  steht  also  sicher  und  kann  sowohl  in  Bezug 
auf  das  folgende  omiserant  als  zur  Bezeichnung  des  schnellen  Ent- 
schlusses gesagt  sein,  s.  Kritz  Sali.  Cat.  37,  1. ,  Fritsch  Kritik  d. 
bisherigen  Grammatik,  p.  123.  Auf  gleiche  Weise  iässt  sich  wohl 
c.  15,  15.  das  vom  Verf.  in  spurserunt  verwandelte  sparserant 
der  Handschrift  vertheidigen ;  aber  c.  27,  9  scheint  fuerant  nur 
eine  Verbesserung  von  fuerunt ,  s.  Walch  p.  75.  —  Cap.  21;  4. 
schreibt  Hr.  Kr. :  comis  uxori  ac  liberis,  quos  habuit  superstites. 
Der  Bamb.  hat  comis  uxor  ac  liberos  duos ,  der  Mog.  uxorem 
ac  liberos  duos.  Der  Accusativ  steht  also  sicher,  in  konnte  nach 
comis  leicht  ausfallen ;  wir  ziehen  daher  comis  in  uxorem  ac  li- 
beros vor,  s.  Hör.  Ep.  2,  2,  132.:  bonus  sane  vicinus,  amabilis 
hospes,  comis  in  uxorem.  Liv.  42,  5.  Das  folgende  quos  super- 
stites habuit  könnte  leicht  verleiten  zu  glauben,  der  König  sei 
nur  gegen  die  ihn  überlebenden  Kinder  freundlich  gewesen ;  doch 
wagen  wir  nicht  zu  entscheiden,  ob  nach  Lachmann  ein  Irrthum 
des  Livius  zu  Grunde  liege,  oder  mit  Becker  quattuoi\  oder  etwa  ei 
eos  oder  et  omnes  zu  schreiben  sei.  §  5.  liegt  vielleicht  in  der 
Lesart  des  Bamb.  Sexetanosque  Etruriam  die  bei  Livius  so  ge- 
wöhnliche Verbindung  Sexetanosque  et  Baeluriam.  Im  Folgenden 
war  nicht  nothwendig  nudaverint  zu  schreiben,  s.  Walch  p.  192. 
—  Cap.  22,  3.  wird  mit  Recht  nominabant  —  cecidisse  verwor- 
fen, selbst  die  vom  Verf.  aus  Apuleius  angeführte  Stelle:  nomi- 
nate,  quis  ille  fuerit  puer,  scheint  auf  Attraction  zu  beruhen, 
und  Göller  zu  Cic.  or.  16,  53.  hat  keine  neuen  Gründe  beige- 
bracht. —  Cap.  23,  2.  ist  ohne  hinreichenden  Grund  commemo- 
rantesque  obsidione  se  esse  ab  eo  liberatos,  plerique  etiam,  cum 
apud  hostes  essent,  Servitute  exemptos  geschrieben,  denn  der 
Bamb.  hat  statt  se  esse  das  bessere  sese;  der  Mog.  statt  plerique 


T.  Livii  Über  XXX.  Edidit  Kreyssig.  195 

plerosque,  was  wir  vorziehen,  theils  weil,  wfe  Hr.  Kr.  selbst 
anerkennt,  im  Folgenden  se  nicht  wohl  fehlen  könnte,  theils  weil 
sich  nicht  annehmen  lässt,  dass  alle  Colonisten  nach  Rom  gekom- 
men seien ,  so  dass  die  meisten  derselben  jene  Versicherung  hät- 
ten geben  können.     §  7.  hat  der  Bamb.  CCXXXVII  et,  aber  et 
fehlt  im  Mog.  und  ist  im  Bamb.  wohl  nur  aus  dem  leicht  zu  ver- 
wechs.elnden  D  entstanden,  so  dass  man  nicht  geneigt  wird,  mit 
Hrn.  Kr.  et  quingeutos  zu  schreiben.     Ob  bald  darauf  eine  Um- 
stellung des  vom  Mog.  gebotenen  duplex  equili,    triplex  centu- 
rioni,  oder  die  Lesart  des  Bamb.   duplex  equiti  centurionique 
(s.  10, 46.)  vorzuziehen  sei,  ist  schwer  zu  entscheiden,  s.  Huschke 
die  Verfassung  des   Serv.  Tüll.  p.  377.  —     Caput  24,  9.  dürfte 
das  von  Becker  aus  dem  Bamb.  aufgenommene  in  eo  numero  vor 
dem  vom  Verf.  gebilligten  in  eorum  numero  den  Vorzug  haben, 
s.  Stürenburg  zu  Cic.  p.  Archia  p.  185  ff.  —     Cap.  25,  9.,  wo 
der  Mog.   et    illustres,    der  Bamb.  et  multos  inlustris  bietet, 
scheint  der  Ausfall  et  multos  in  jenem  (s.  §  10.)  zu  zeigen,  dass 
ursprünglich  et  multos  et  illustres  geschrieben  war,    was  auch 
aus  anderen  Gründen  zu  billigen  ist,  s.  Hand  Tursell.  2.  p.  475. 
Ueber  die  schwierige  Stelle  §  11. ,  wo  Hr.  Kr.  stillschweigend 
die  gewöhnliche  Lesart  billigt,  können  wir,  da  sich  kaum  sonst 
ein  ähnlicher  Zusatz  findet,  und  sich  die  Worte  nicht  nach  den 
vom  Verf.  zu  den  Fragmenten  des  Sallustius  p.  70.  behandelten 
Stellen  beurtheilen  lassen,  nur  Drak.  Ansicht  beistimmen,  dass 
entweder  eodem  exercitu  oder  cum  duabus  legionibus  ein  über- 
flüssiger Zusatz  sei.  —  Cap.  27,  2.  ist  richtig  denarium  geschrie- 
ben ,  aber  quinquaginta  möchten  wir  nicht  mit  dem  hier  lücken- 
haften Bambr  entfernen.     §  7.  ist  das  übersehene  restitutis  iis 
(s.  Melet.  p.  13.)  trefflich  hergestellt;  die  gleich  folgenden  Worte 
perinde  etc.  bedurften,  da  die  Sache  sicher  ist,  keiner  so  langen 
Verteidigung.     §  10.  ziehen  wir  das  nachdrückliche,  ganz  der 
Gemüthsstimmung    der    besorgten    Römerfreunde    angemessene 
quidnam  se  futurum  esse  der  anderen  Lesart  esset  vor ,  s.  Krü- 
ger grammatische  Unters.  1.  p.  28.  —  Cap.  28,  3.  scheint  uns  per 
totam  urbem,  da  per  nicht  selten  ausgefallen  ist  (s.  24,  16,  15. 
ib.  28,  1.  36,  33,  2.  u.  a.),  nicht  zu  verwerfen,    obwohl  für  tota 
urbe  nicht  allein  aus  Curtius  Belegstellen   zu  nehmen  sind,  s. 
Hand  Turs.  3.  p.  248.     §  5.  hätte  wohl  Hr.  Kr.  seine  Verbesse- 
rung eius  caedis  (s.  §  8.  mentioneraque  eius  caedis,  wo  eius  im 
Mog.  fehlt)  in  den  Text  nehmen  sollen.     §  9.  hat  derselbe  mit 
Recht    impudenter  obviam   eundo  crimini  geschrieben,     denn 
diese  Wortstellung  räth  nicht  allein  die  so  hergestellte  Verbin- 
dung von  obviam  eundo,  sondern  auch  das  im  Mog.  stehende  cri- 
minis,  wo  s  aus  suspicionem  entstanden  ist,   und  der  Umstand, 
dass  so  das  zu  beiden  Sätzen  gehörende  crimini  in  die  Mitte  der- 
selben  zu  stehen  kommt,  s.  Roth  zu  Tac.  Agric.  p.  270.   diese 
Jahrbücher  Bd.  7.  p.  143.  Liv.  45,  13  extr.  gratulatumque  senatui 

13* 


196  Römische  Literatur. 

iuberent  indicare.  Bald  darauf  ist  gewiss  das  Verfahren  des  Verf. 
zu  billigen,  indem  er  die  Lesarten  beider  edd.  verbindend  liest: 
cum  scirenl  ipsi  nihil,  opinione  omni  um  pro  indicio  ?isi.  Dage- 
gen können  wir  demselben  nicht  beistimmen,  wenn  er  §11. 
schreibt:  quem  indicem  Pisistratus  timens,  eo  ipso  iimore  rem 
ad  iudicium  protraxit.  Denn  einmal  scheint  die  Zusammenstel- 
lung indicem,  eo  ipso  timore  wieder  indicium  zu  fordern,  wie 
im  Mog.  steht ;  dann  ist  das  nächste ,  wozu  jene  Furcht  führt, 
die  Anzeige:  Thebas  perfugit,  et  ad  magistratus  indicium  de- 
fert.  Wenn  ferner  Hr.  Kr.  bemerkt:  „rectius,  opinor,  —  ex 
latina  consuetudine  res  indicio  alieuius  ad  iudicium  protrahi ,  id 
est  effici,  ut  res  in  indicium  deducatur,  quam  aliquis  timore  ali- 
euius ad  iudicium  protrahi,  id  est  effici,  ut  index  prodeat,  dici- 
tur",  so  ist  dieses  theils  an  sich  kein  hinreichender  Grund,  tbeils 
muss  Hr.  Kr.  die  bei  Livius  nicht  stehenden  Worte  „indicio  ali- 
euius" einschieben,  theils  gewinnt  das  Ganze  eine  andere  Ge- 
stalt, wenn  man  die  Gegensätze :  indicem  Pisistratus  timens,  eo 
ipso  timore  (rem)  ad  indicium  protraxit,  beachtet,  die  ganz  gestört 
würden,  wenn  man  iudicium  schreiben  wollte.  Wiemansagtin  me- 
dium, in  lucem,  und  nach  Hrn.  Kr.  ad  iudicium  protrahere,  so 
lässt  sich  auch  ad  indicium  protrahere  veriheidigen;  dass  die 
Furcht  die  Ursache  ist,  kann  die  Sache  nicht  ändern.  Hr.  Kr. 
hat  timore  rem  aufgenommen,  wie,  ohne  dass  es  Göller  oder 
Becker  sah,  im  Bamb.  steht;  allein  der  Mog.  hatte  wohl  nur  ti- 
more, und  rem  kann  eben  so  leicht  eine  blosse  Wiederholung 
der  letzten  Sylbe,  als  hinter  dieser  ausgefallen  sein.  Der  Zu- 
sammenhang aber  scheint  die  Auslassung  zu  fordern,  indem  er 
den  Sklaven  als  Angeber  fürchtete ,  gerade  durch  diese  Furcht 
veranlasste  er  ihn  zur  Anzeige.  —  §  12.  ist  mit  Recht  nach  Ent- 
fernung des  ohne  sichere  Autorität  aufgenommenen  is  geschrieben : 
has  qui  tulit  Uterus ,  iussus  Zeuxippo  dare  quam  primum,  quia 
non  stalim  etc.  Aber  nicht  ganz  gleichgültig  ist  es,  wie  Hr.  Kr. 
meint,  ob  ipsi  Uli  servo  oder  Uli  ipsi  servo  gelesen  wird,  viel- 
mehr ist  das  erster-e,  wie  der  Verf.  thut,  vorzuziehen,  s.  Klotz 
z.  Cic.  Tusc.  5,  23,  65.  Hand  praktisches  Handbuch  p.  13.  Krebs 
Anleitung  §  135.  —  Cap.  .29,  4.  ist  zwar  facinorafieoafit,  weil 
so  eine  ganz  Livianische  Abwecbslung  der  Rede  entsteht:  versi 
—  excipiebant;  quidam  —  opprimebantür;  facinora  — fiebant 
zu  billigen;  aber  ea,  was,  wie  Hr.  Kr.  selbst  zugiebt,  im  Bamb'. 
leicht  ausfallen  konnte ,  möcbten  wir  nicht  entfernt  sehen ,  zumal 
hier  nur  ein  neuer  Beweggrund  für  Freveltbaten ,  wie  sie  schon 
erwähnt  sind,  angegeben  wird.  §  7.  behält  Hr.  Kr.,  obgleich  der 
Bamb.,  was  Göller  und  Becker  nicht  bemerkten,  interempti  hat, 
tot  enim  intereepti  erant  bei ;  aber  die  dafür  angegebenen  Gründe 
scheinen  nicht  zureichend,  denn  die  Stelle  29,  8.  passt  nicht 
ganz,  da  intereipere  an  u.  St.  nicht  allein  abschneiden  bedeuten 
kann,  und  wie  für  intereepti  excipiebant,  so  kann  für  interempti 


T.  Livü  über  X\\.  Edidit  Krcyssig.  197 

opprimebantur,  caedes,  cadavera  geltend  gemacht  werden.  Doch 
wollen  wir  intereepti  nicht  verwerfen,  da  es  passend  die  Art  De- 
zeichnet, wie  die  Soldaten  entfernt  wurden. 

Cap.  30,  3.  ist  zwar  durch  die,  stillschweigend  von  Becker 
aufgenommene,  Verbesserung  des  Verf.s  deducerel  et  ex  his 
ein  Theil  der  Schwierigkeiten  entfernt,  aber  dunkel  bleibt  es 
immer  noch,  wie,  was  schon  Düker  bemerkte,  mehrere  der 
folgenden  Städte  unter  die  kommen :  quae  in  Asia  essent.  Da 
diese  Worte  im  Polybius  fehlen ,  dem  Livius  hier  durchaus  folgt, 
da  ferner  die  Umstellung  von  Myrina  verräth  ,  dass  das  Folgende 
durch  Abschreiber  verwirrt  ist,  so  möchten  wir  annehmen,  dass 
Livius  auf  irgend  eine  Art  das  opioieog  des  Polyb.  ausgedrückt, 
und  diesem,  der  grösseren  Deutlichkeit  wegen  die  Worte:  dedu- 
ceret  et  ex  his,  quae  in  Asia  essent,  entgegengestellt  habe.  So 
würde  auch  das  anstössige  quoque  im  Folgenden  eine  passende 
Beziehung  erhalten.  Wenn  Livius  c.  31,  3.  die  Aetoler  die  ent- 
fernteren Städte  zusammenfassend  sagen  lässt:  quae  in  Asia  sint, 
liberentur,  so  will  er  nur  ihre  feindselige  Absicht  stärker  bezeich- 
nen, und  diese  Stelle  kann  auf  die  Behandlung  jener ,  wo  es  auf 
genauere  Bestimmung  ankommt,  keinen  Einfluss  haben.  > —  Cap. 
31,  3.  wo  jetzt  Hr.  Kr.  richtig  Oreus  liest,  können  wir  nicht  bil- 
ligen, dass  er  dubitabatur  enim  de  Corintho,  et  Chalcide  et 
Bemetriade  schreibt ,  da  der  Mog.  bestimmt  et  de  Chalcide  hat, 
vor  Demetriade  aber  die  Präpos.  zu  leicht  ausfallen  konnte,  die 
auch  sonst  mehr  als  andere  wiederholt  wird,  s.  Hand  Tursell.  2, 
228.  Soldan  Quaest.  cri#.  in  Cic.  or.  pro  rege  Dei.  p.  5.  ff.  §  8. 
sollte  wohl  statt  concilio ,  was  für  die  zehn  Legaten  nicht  passt, 
coiisilio  geschrieben  werden,  s.  45,  26,  12.  ib.  29,  3.  Gron.  z.  44, 
2,  7.;  auch  das  von  Göller  und  Becker  übersehene  agitabantur 
scheint  dem  von  Hrn.  Kr.  gebilligten  tractabanlicr,  das  Liv.  35,  32, 
13.  in  etwas  verschiedener  Bedeutung  braucht,  nicht  nachzuste- 
hen, und  den  langen  und  schwierigen  Verhandlungen  ganz  ange- 
messen zu  sein.  —  WAenn  §  10.  im  Mog.  sub  lutela  populi  Jto- 
mani  steht,  so  bleibt  es  zweifelhaft,  ob  dieses  nicht  den  Vorzug 
vor  praesidii  verdiene ,  welches  leicht  aus  dem  Folgenden  ent- 
stehen konnte,  während  populus  Romanus  sehr  passend  dem  fol- 
genden :  pro  PhilippoAntiochum,  wie  tutela  s.  45,18.  in.  dem  do- 
minum entgegengestellt  wird.  —  Cap.  32,  wo  §  3.  jetzt  richtig 
ferebant  §4.  das  erst  vom  Verf.  s.  Melet.  p.  14.  gefundene  area 
statt  arena  gelesen  wird,  bietet  §  10.  der  Mog.  prominciaret  der 
Bamb.  promintiavit  dar.  Sollte  nicht  prommtiarat  die  ursprüng- 
liche Lesart  sein  wie  §  6  perceasucrat'?  —  Cap.  32,2.  scheint  die 
Vcrmuthuug  des  Verf.s,  es  sei  proctd  ille  periculo  zu  lesen, 
weil  im  Bamb.  proeul  epeiiculo  sieht ,  nicht  nöthig,  da  oft  in 
diesem  cod.  Buchstaben  und  Sylben  durch  offenbare  Irrungen  s. 
31,  49,  1.  32,  18,  5.  u.  a.  eingeschoben  sind.  —  §  G.  ist  die  Vul- 
gata    aut   terris  contincnli  juiictis  beibehalten,    obgleich  der 


198  Römische  Literatur. 

Bamb.  aut  terris  conlinentibus  junetis  hat,  und  das  Folgende: 
sed  maria  trajiciat ,  wodurch  s.  32,  21,31  o.  38  Griechenland 
bezeichnet  wird,  da  dieses  doch  auch  zu  den  mit  dem  Continent 
zusammenhängenden  Ländern  gehört,  keinen  passenden  Gegen- 
satz bildet.  Conlinentibus  scheint  uns  daher  die  richtige  Lesart, 
aber  zu  hart  würde  es  sein,  asyndetisch,  wie  Jacobs  wollte, 
junetis  damit  zu  verbinden ;  und  es  ist  entweder  et  einzuschieben 
s.  Cic.  p.  Caec.  4,11.  continentia  quaedam  praedia  atque  juneta,  cf. 
N.  D.  1,  11,  26.,  oder  es  liegt  in  junetis,  wenn  man  es  nicht  für 
eine  Glosse  erklären  will,  eine  Bestimmung  zu  continentibus, 
etwa  cum  ?7s,  s. C.Fam.  15,2.  —  Cap. 36.,  wo  §2.  das  übersehene 
Glabrio  und  §  14.  intra  dies  paucas  mit  Recht  geschützt  wird, 
vermisst  man  ungern  die  Aufnahme  der  Drakenborchschen  Con- 
jeetur:  an  in  Insubres,  da  in  so  leicht  ausfallen,  und  hier  nicht 
wohl  fehlen  kann,  s.  c.  38,  8.  Dr.  z.  2,  8,  8.  Cap.  37,  11.  ist  statt 
translata  aufgenommen  transveeta;  warum  nicht  tr.aveela?  s. 
Hrn.  Kr.  zu  32,  6.  —  C.  38,  3.  ist  nach  dem  Bamb.  mit  Verände- 
rung von  aliquae  in  aliae  aufgenommen  worden :  periciilumque 
erat)  ne  si  concessum  iis  foret ,  quod  intenderent ,  Smyrnam 
in  Aeolide  Ioniaque,  La?npsacum  in  Hellespojito  aliae  zirbe 
sequerentur.  Allein  Iris  in  Mog.  ist  liier  wegen  des  entgegen- 
stehenden aliae  wohl  vorzuziehen,  in  aliquae  könnte  auch  aliae 
quaeque  liegen.  Intenderent  bietet  zwar  der  Bamb.,  aber  inj 
Mog.  stand  in  Theba,  worin,  wie  Jacobs  und  früher  auch  Hr. 
Kr.  annahm,  intendebant  liegt i,  dessen  Erklärung  intenderent  zu 
sein  scheint,  wenn  man  nicht  wegen  des*orhergehenden  usurpa- 
bant,  und  weil  die  Städte  sich  wirklich  schon  der  königlichen  Ge- 
walt entzogen  haben ,  und  erst  wieder  unterworfen  werden  müs- 
sen, im  Vergleich  mit  c.  40,  5.  Philippum  usurpandae  alienae 
possessionis  causa  tenuisse,  cf.  Tac.  Ann.  15,  25.  vermuthen  will, 
die  ursprüngliche  Lesart  sei:  quod  j am  tenebant.  s.  c.  18.  Wenn 
bald  darauf  folgt  peterent,  so  ist  zu  beachten,  dass  dieses  die 
Gesandten  des  Antiochus  sagen.  §  12.  verwirft  Hr.  Kr.  die  von 
Br.  aufgenommene  Lesart  des  Bamb.  omnia  simul  aggressus  und 
stellt  omni  cura  her,  ob  mit  Recht,  lassen  wir  dahin  gestellt 
sein,  da  das  zweite  simul  nicht  nothwendig  auf  das  erste  bezogen 
werden  muss  ,  sondern  zur  Abwechslung  mit  et  gesagt  sein  kann 
s.  Drak.  z.  9,  2,  5.  Corte  Sali.  Cat.  19,  2.,  und  diese  Beziehung 
durch  das  vorangestellte  omni  cura  verdunkelt  wird;  omnia  aber 
sehr  geeignet  ist,  um  die  grosse  Thätigkeit  des  Königs  anzuzeigen, 
s.  30,  3,  3.  —  Cap.  40,  2.  hat  der  Bamb.  statt:  Asiam  nihil  ad 
populum  Romanum  pertinere ,  nur  Asiam  nihil  ad  se  pertinere  ; 
sollte  darin  vielleicht  eine  Andeutung  von  senatum  liegen*?  s. 
c.  32.  Am  Ende  des  Cap.  bietet  derselbe :  Chersonesum  quidem 
et  proxime  Thraciae  —  quem  dubitare,  quin  Lysimaclri  fue- 
rint.  Hr.  Kr.  wie  Becker  schreibt  dafür  Chersonesus.  Da  aber 
Livius  auch  sonst  diese  Art  der  Attraction  nicht  scheut,   s.  2,  57, 


T.  Livii  Über  XXX.  Edidit  Krejssig.  199 

3.  distractam  laceratamque  rempublicam  magis,  quorum  in  manu 
sit,  quam  ut  incolumis  sit,  quaeri.  ib.  Gron.  Drak.  z.  4,  41,  6. 
Krüger  Gramm.  Unters.  3.  p.  3.  6. ,  so  lässt  sicli  wohl  die  hand- 
schriftliche Lesart,  an  der  auch  Göller  keinen  Anstoss  nahm, 
veitheidigen.  Eben  so  zieht  Hr.  Kr.  die  Wendung  31,  27,  5.  hie 
■metus  Codrionem ,  satis  validum  et  munitum  oppidum ,  sine 
certamine  ut  dederetur  Rotnanis  effecit  p.  395.  in  Zweifel ,  und 
möchte  dafür  äffecit  nach  Tac.  Ann.  11,  19.  lesen.  Allein  hier 
steht  milites  hoslesque  affecit;  wer  sagt  aber  metus  oppidum  affi- 
cit  ut  dedatur?  Dazu  kommt,  dass  Livius  auch  sonst  auf  gleiche 
Weise  sich  ausdrückt,  s.  34,61,4.  hunc  Aristonem  Carthagine  ob- 
versantem  non  prius  amici  quam  inimici  Hannibalis  qua  de  causa 
venisset  cognoverunt,  s.  c.62, 4.  Krüger  a.  a.  O.  Dagegen  hat  Hr. 
Kr.  selbst  das  freilich  etwas  Verschiedene:  incerta  bellum  an 
pax  cum  Celtiberis  essent  34,  19,  8.  gebilligt,  welches  von  Gro- 
nov  nicht  genug  vertheidigt  wird ,  sich  aber  dadurch  rechtferti- 
gen lässt,  dass  Livius  auch  sonst  schon  vor  den  Subjecten  das 
Prä'dicat  im  Neutrum  setzt,  wie  in  dem  bekannten:  natura  ini- 
mica  inter  se  esse  liberam  civitatem  et  regem  44,  24. ;  und  die 
Attraction  eintreten  lässt  wie  31,  12,  6.:  in  Sabinis  incertus  in- 
fans  natus  masculus  an  femina  esset,  s.  30,  35,  9. ;  34,62,  4.  Krü- 
ger p.  444.  Ochsner  Eclogae  p.  50.  —  Cup.  44,  1.  liest  der 
Bamb.  ver  sacrum  ex  decreto  pontificum  jussit  facere  (nicht  fe- 
cere,  wie  Göller  angiebt)  ;  der  Mog.  hat  nur:  ex  pontificum 
jussu  fecere.  Dass  die  letztere  Lesart  nur  eine  durch  den  Aus- 
fall von  decreto  nöthig  gewordene  Anordnung  ist,  unterliegt  kei- 
nem Zweifel,  und  wir  möchten  dieses  nicht  allein  von  jussu,  wie 
Jacobs  p.  405.,  der  die  Lesart  facere  nicht  kannte,  behaupten, 
sondern  auch  von  fecere.  Ferner  konnte  eben  der  Infinitiv  jussit 
statt  jussi  zu  schreiben  verleiten;  auch  32,  11.  steht  capit  statt 
capi.  Daher  können  wir  nicht  billigen ,  dass  der  Verf.  von  seiner 
Melet.  p.  20.  ausgesprochenen  Ansicht,  dass  jussi  facere  zu  le- 
sen sei,  abgegangen  ist  und  wie  Becker:  jussi  fecere  aufgenom- 
men hat;  da  noch  hinzukommt,  dass  nicht  sowohl  der  Befehl  das 
ver  sacrum  zu  weihen,  als  vielmehr  das  Verfahren  bei  der  Weihe 
durch  den  Beschluss  der  pontiiiees  bestimmt  wurde,  s.  22,  9,  10. 
ib.  10,  1.  34,  44,  1.  Bald  daraufist  in  den  Worten:  quod  cum 
■  Hispania  movisset ,  bellum  ncgligerent  das  Komma  vor  bellum, 
da  dieses  zu  beiden  Sätzen  gehört,  wohl  zu  entfernen,  s.  unsere 
Bemerkung  z.  c.  28,  9.  §  7.  ist  mit  Recht  das  übersehene  instar e 
aufgenommen,  auch  et  vor  nisi  war  wohl  nicht  zu  verwerfen.  — 
Cap.  45,  4.  hat  Hr.  Kr.  das  von  ihm  erst  gefundene:  non  iia 
magni  momenti,  und:  marcescere  otii  situ  queri  civitatem  mit 
Becht  hergestellt,  zu  den  für  das  Letzte  angeführten  Stellen 
konnte  Quint.  Inst.  12,  5,  2. :  ut  bona  ingenii  —  situ  quodam 
secreti  consumerentur  gefügt  werden.  —  Cap.  46.  hat  Hr.  Kr. 
§  8.  zuerst  im  cod.  et  piincipibus  quibusdum  entdeckt  uud  aufgc- 


200  Römische   Literatur. 

nommen.  Im  Folgenden:  quin  et  pecunia,  quae  in  Stipendium 
Romanis  —  pender etur ,  deerat ,  fehlt  im  Bamb.  quin,  und 
allerdings  geht  nichts  vorher ,  wozu  das  Geld  auch  nicht  zuge- 
reicht habe,  so  dass  man  eine  Steigerung  erwarten  könnte.  Wenn 
man  den  Anfang  des  folgenden  Capitels  vergleicht,  und  bedenkt, 
dass  quin  kaum  von  einem  Abschreiber  herrühren  kann ,  so  liegt 
die  Vermuthung  nahe,  dass  hier  etwas  ausgefallen  sei.  —  Cap. 
47,  3.  hat  Hr.  Kr.  die  von  Gelenius  verbesserte  Lesart:  nonfurto 
eorum  manibns  extorto  beibehalten,  statt  deren  beide  codd.: 
non  furtorum  manibus  extortis  haben.  Ilec.  glaubte  manibus  sei 
verdorben ,  und  vielleicht  manubiis  zu  lesen,  s.  Liv.  43,  18,  5.  C. 
Verr.  2,  1,  59,  154.  —  Cap.  48,  1.  begründet  Hr.  Kr.  seine  schon 
von  Baumgarten -Crusius  und  Becker  aufgenommene  Conjectur: 
ita  regionem  quandam  Afii  vocant,  wo  der  Bamb.  agri  hat 
durch  genauere  Nachweisung  der  Grösse  von  Byzancium.  Aller- 
dings ist  der  Ausdruck  regionem  agri,  wiewohl  Livius  oft  regio 
von  grossen  Länderstrichen  braucht,  s.  32,  31.  in.  45,  23,  6.  u.  a., 
auffallend,  wenn  man  nicht  ager  von  dem  ager  Carthaginiensium, 
s.  Drak.  z.  6,  21,  8  ;  i9,  30,  10.,  und  diese  selbst  als  Subject  zu 
vocant  betrachten  will,  s.30, 8, 3.;  34,62,  3.  Emporia  vocant  eam 
regionem.  §  1.  ist  das  üb  ersehene  jnsserat  hergestellt;  §  5.  ist 
allerdings  das  vom  Verf.  aufgenommene  tum  media  aestas  forte 
erat  wahrscheinlicher  als  etenim,  s.  1,59,7.  in  quo  tum  magistratu 
forte  Brutus  erat.  26,  39.  Durch  die  Annahme  p.  395.,  dass  §  3. 
lucius  im  Mog.  ein  blosser  Zusatz  des  Abschreibers  sei,  wird  die 
Schwierigkeit  nicht  gehoben.  §  6.  ist  richtig:  quanlo  res  et 
tempus  patiebatur  apparatu  celebratae  epulae  sunt  nach  dem 
Bamb.,  den  Becker  auch  hier  nicht  eingesehen  hat,  hergestellt, 
da  augenscheinlich  sowohl  quantum  als  celebrataeque  nur  durch 
das  Verderbnis  xo\\  apparatae  in  apparata  entstanden  ist.  Eben 
so  ist  durch  die  erst  von  Hrn.  Kr.  entdeckte  Lesart :  ad  id  quod 
serum  erat  der  Stelle  aufgeholfen.  Aber  §11.  sehen  wir  keinen 
Grund  zwischen  fovenlium  und  et  factionibus  studiis  gegen  die 
Harnisch,  einzuschieben,  durch  die  angeführten  Stellen  wenig- 
stens wird  es  nicht  bewiesen,  s.  c.  47. :  et  factionibus  Carthagini- 
ensium inserere  publicam  autoritatem. 

Wir  wollen  aus  den  folgenden  Büchern  nur  noch  einige  Stel- 
len betrachten  ,  über  die  Hr.  Kr.  sein  Urtheil  ausgesprochen  hat. 
Lib.  31,  7,  3.  hat  der  Bamb.  hoc  quantum  intersit ,  si  nun  quam 
alias,  Punico  proximo  certe  hello  experti  estis  ,  die  übrigen 
-edd. :  si  unqiiam  ante  alias.  Der  Verf.  sagt  darüber:  „oplime  ta- 
rnen Goellerus  p.  364.  doeuit,  si  nunquam  ante  alias,  quum  certe 
sequatur,  necessario  scribendum  esse."  Von  dieser  Notwen- 
digkeit wird  man  sich  nicht  leicht  überzeugen ,  wenn  man  Stellen 
vergleicht  wie  Cic.  ad  Att.  1,  16,  1.  quod  si  tibi  unquam  sura  visus 
in  republica  fortis,  certe  mein  iila  causa  admiratus  esses;  Fiu. 
3,  3,  10.  erat  enim  si  cuiusquam ,  certe  tuum  etc.  cf.  pr.  Mil.  2, 


T.  Livii  über  XXX.  Edhlit  Kieyssig.  201 

4.  7,  19.  Dass  in  demselben  Sinne  aucli  profecto  so  vorkomme 
ist  bekannt,  s.  C.  Offic.  1,  31,  111.  Fin.  5,  26.  Auch  sieh!  man 
keinen  innern  Grund  der  Notwendigkeit,  denn  wenn  si  nunquam 
ante  —  certe  bedeutet,  dass  das,  was  man  von  jeder  anderen 
Zeit  läugnet,  gewiss  in  einer  statt  gefunden  habe,  so  zeigt  si  un- 
quam  acte  —  certe  an,  das  was  kaum  in  einer  anderen  Zeit  ge- 
schehen sei,  sei  in  einer  gewiss  eingetreten,  in  einer  mehr  als 
in  jeder  anderen  sichtbar  gewesen.  Da  nun  die  Römer  schon  in 
anderen  Kriegen,  z.  B.  dem  mit  Pyrrhus,  diese  Erfahrung  ge- 
macht hatten ,  s.  28,  44.  in.,  so  möchte  man  geneigter  sein ,  die 
alte  Lesart  si  im  quam  für  die  richtigere  zuhalten.  Mit  Recht  aber 
wird  ante  in  Schutz  genommen,  s.  1,  28.  32,  5,  8.  Nach  dem 
oben  Gesagten  ist  es  auch  nicht  so  sicher,  dass  28,  44,  18.  blos 
nach  dem  Petav.  si  nulia  alia  re  zu  schreiben  sei,  da  alle  ande- 
ren codd.  und  unter  diesen  der  Put.  Flor.  Cant.  nlla  haben ,  und 
Scipio  sehr  wohl  sagen  kann:  ich  will  mich  durch  Bescheidenheit 
mehr  als  durch  irgend  etwas  Anderes  auszeichnen.  —  Ib.  c.  9,  7. 
verwirft  Hr.  Kr.  mit  Recht  die  Lesart  des  Bamb.  quia  statt  si  ea, 
die  eher  eine  Erklärung  von  si  sein  dürfte ,  w  eil  ea  nicht  fehlen 
könne,  billigt  aber  seponi  —  de  bei  et  wohl  mit  Recht,  da  c.  12,  4. 
reponi,  die  gewöhnliche  Lesart ,  sich-  in  einer  anderen  Bedeu- 
tung findet;  aber  dass  quod  si  den  Vorzug  habe  vor  quodnisi,  be- 
zweifeln wir,  da  nicht  das  misceri,  sondern  das  seponi  und  non 
misceri  das  ist.  was  der  pontifex  verlangt,  und  von  Livius  be- 
sonders beachtet  werden  musste.  —  Cap.  14,  4.  bietet  der  Bamb. 
wissus  extemplo  Athenas  est  C.  Claudius  Centho  cum  viginti 
lentis  navibus  et  militum  mit  darüber  geschriebenem  Zeichen  für 
mille ,  während  die  anderen  edd. :  et  militum  copiis  haben.  Die- 
ses billigt  Hr.  Kr. ;  aliein  das  nackte  militum  copiis  ist  mit  Recht 
den  Kritikern  aufgefallen ,  besonders  da  c.  24.  eine  allgemeine 
Kenntniss  der  Truppenzahl  als  bekannt  vorausgesetzt  wird.  Da 
copiis  nicht  allein  im  Bamb.,  sondern  auch  in  der  vom  Verf.  oft 
gerühmten  Asc.  und  der  Mog.  fehlt;  so  scheint  es  erst  durch  die 
Auslassung  einer  Zahl  entstanden  zu  sein,  um  die  Lücke  auszu- 
füllen. Ob  mille  im  Bamb.  das  Rechte  sei,  la'sst  sich  kaum  be- 
stimmen, da  es  nicht  minder  eine  blosse  Conjectur  sein  kann. 
Am  Ende  des  Capitels  fehlt  cum  vor  insignibus  in  den  meisten 
edd.;  sollte  nicht  eher  in  ausgefallen  sein'?  s.  Hand  Tursell.  3, 
260.  Das  gleich  darauf  folgende  di  wird  ausser  durch  den  Bamb. 
auch  durch  Justin  5,  4.  ipsos  illi  deos  —  tulere  obviam  bestätigt. 
—  Cap.  17,  9.  liest  Hr.  Kr.  die  Lesarten  des  Bamb.  und  der  ande- 
ren edd.  verbindend  :  et  id  se  facinus  perpelraluras.  So  richtig 
dieses  ist,  so  wenig  kann  man  den  angeführten  Grund  gelten 
lassen,  dass  dieses  et  dem  vorangehenden  primum  entspreche,  da 
der  Zusammenhang :  delecti  primum  —  et  adacti  —  tum  milita- 
ris  aetas  jurare  deutlich  zeigt,  dass  tum  mit  primum  in  Verbin- 
dung zu  setzen- sei.     Dagegen  halten  wir  jurat  wie  d.  Bamb.  statt 


202  Römische   Literatur. 

///rare  hat,  u.  c.  35, 3.  das  credidere  der  anderen  edd.  statt  credere 
für  uiinöthige  Aenderungen  der  Abschreiber,  die  den  freien  Ge- 
brauch ,  den  Livius  vom  inf.  bist,  macht ,  verkannten.  —  Cap.  18, 
4.  verwirft  der  Verf. die  gewöhnliche  Lesart:  si  bello  lacesseritis 
und  setzt  dafür  lacessieritis.  Obgleich  jene  Formen  von  Zumpt 
z.  C.  Div.  in  Cacc.  14,  45.  in  Schutz  genommen  werden ,  so  ist 
doch  die  Autorität  der  wenigen  edd. ,  deren  Excerpten  Drak. 
selbst  nicht  ganz  traut ,  an  unserer  Stelle  zu  schwach ,  als  dass 
man  auf  dieselbe  hin  jene  ungewöhnliche  Form  hätte  aufnehmen 
sollen.  Aber  auch  das  vom  Verf.  gebilligte  lacessieritis  steht  in 
keiner  Harnisch. ,  die  fast  alle  lacessitis  haben.  Man  sieht  keinen 
Grund  ,  warum  dieses  verworfen  wird ,  da  Philipp  schon  hinrei- 
chende Beweise  hat .  dass  der  Krieg  von  den  Römern  gesucht 
wird.  Auch  sintet  wohl  zu  billigen,  s.  Caes.  b.  c.  1,  32.  C.  Süll. 
8,  25.  Kritz  Sali.  lug.  p.  208.  —  Cap.  39,  8.  hat  der  Bamb.  ut 
aut  locus  postulabat,  aut  maier ia  supped itabat,  apere  permuniit, 
was  sehr  passend  ist,  da  sich  Terrain  und  Baustoff  so  bestimmt 
entgegenstehen;  dennoch  billigt  Hr.  Kr.  die  Vulgata:  ila  ul  locus, 
oder  will  lesen:  ita  ut  aut  locus,  wozu  kein  Grund  vorliegt. 
Auch 37, 53, 15.,  wo  alle  andere  edd.  ut  haben,  scheint  es  zu  kühn 
ita  ut  zu  schreiben,  weil  im  Bamb.  allein,  wahrscheinlich  durch 
einen  nicht  seltenen  Irrthum  s.  Drak.  z.  4,  12,  8.  aut  steht.  Im 
Folgenden,  wo  mehrere  edd.  opere  auslassen,  wollte  der  Verf. 
früher  mit  Jacobs  lesen:  propere  permuniit ,  zieht  aber  jetzt  die 
Walchsche  Conjectur:  suppedüabat  operi,  permuniit  vor.  Wir 
glauben  mit  Unrecht;  denn  um  nicht  zu  erwähnen,  dass  unmittel- 
bar darauf  wieder  operibus  folgt,  dass  durch  jene  Lesart  das 
Ebenmaass  der  Glieder  sehr  gestört  wird,  zeigen  die  Worte:  lapi- 
dum  congerie ,  ut  pro  muro  essent,  und  der  Umstand,  dass  der 
König  nicht  weit  vor  den  Römern  voraus  war,  dass  er  eine 
schnelle  Befestigung  für  nöthig  hielt,  die  zu  bezeichnen  dem 
Schriftsteller  weit  näher  liegen  musste  ,  als  die  Hinzufügung  des 
leicht  zu  missenden:  operi,  s.  Düker  z.  35,  44,  7.  —  Cap.  46, 
15.  billigt  Hr.  Kr.  die  durch  Büttner  vorgeschlagene  und  durch 
den  Bamb.,  der  quae  liest  statt  quodque  oder  quod,  einigermas- 
sen  unterstützte  Umstellung:  in  arcem,  quae  super  por tum  est; 
aber  die  von  ihm  selbst  §  10.  vorgenommene  Veränderung  von  ja- 
ciebant ,  et ,  in  Fade  baut  et ,  die ,  da  sich  leicht  hier  ein  zeug- 
ma  annehmen  liisst,  nicht  nöthig  sein  dürfte  ;  und  die  schwierige 
Stelle:  et  casligatio?iibus  regis  in  admissa  culpa,  simul  mina- 
rum ,  simul  promissorum  memores ,  wo  nach  culpa  vielleicht  ein 
Particip  wie  admoniii  ausgefallen  sein  dürfte,  übergeht  er  mit 
Stillschweigen.  —  Cap.  48,  5.,  wo  der  Bamb.  statt  et  quod  prae- 
tor nonfecissel,  senatui  faciendum  esse.  Consulem  exspeeta- 
ret  liest:  faciendum  esse,  ut  consulem  exspeetat >ent ,  missbil- 
ligt d.  Verf.  p.  395  diese  Lesart  desshalb,  weil  sich  ähnliche  Con- 
struetionen  nicht  fanden;  aber  Stellen,  wie  C.  Verr.  2,65,  158.: 


T.  Livii  Über  XXX.  Edidit  Kreyssig.  203 

de  quo  homine  auditum  est  unquam,  quod  tibi  accidit,  ut  ejus 
statuae  —  deiicerentur?  cf.  de  imp.  Pomp.  9,  25.  p.  Caec.  2,  4. 
Kritz  Sali.  Cat.  52,  22.  sind  der  orangen  ziemlich  gleich.  §  6.  hat 
Drak.  et  an  in  magixtratu  suisque  auspieiis  gessissei,  der  Barab. 
bietet  dafür  magistratusius  quis,  die  übrigen  edd.  entweder 
ebenso,  oder  magistratu  suisqvisqve.  Rec.  vermuthete,  es  sei 
zu  lesen:  an  in  magistratu  Ftirius  suisque  auspieiis,  namentlich 
da  Furius  auch  Fusius  geschrieben  wurde,  s.  z.  3,  4,  1.  —  Cap. 
49,  5.  verlangt  Hr.  Kr.  mit  Recht,  dass  nach  dem  Bamb.  bina 
iugera  agri  gelesen  und  bald  darauf  das  von  Göller  übersehene 
quindeeim  miiia  hergestellt  werde.  §  9.  bietet  statt  der  Vulgata 
havd  eorum,  wie  fast  alle  edd.,  auch  der  Bamb.  et  eornm.  Mit 
Recht  nahm  also  Slürenburg  z.  Cic.  de  off.  p.  141.  an  jener  Stelle 
Anstoss.  Die  Negation  scheint  durch  das  aus  dem  vorhergehen- 
den wiederholte  et  verdrängt  und  dann  willkürlich  ersetzt  worden 
zu  sein.  Ebenso  ist  wohl  virtns  §  10.  nur  eine  nothdürftige  Er- 
gänzung des  im  Bamb.  fehlenden  Wortes ,  dem  Hr.  Kr.  veritateni 
substituirt. 

Lib.  32,  5,  2.  hat  der  Bamb.  wie  wahrscheinlich  der  Spiren- 
sis  des  Gelenius:  laxaverat  animum,  die  übrigen  bieten  animus 
oder  animi.  Hr.  Kr.,  wie  die  übrigen  Herausgeber,  hat  die  Gro- 
novsche  Emendation  :  /.  annus  aufgenommen.  Aber  wenn  Livins 
die  körperlichen  Strapazen  und  geistigen  Sorgen  allein  sich  hätte 
entgegenstellen  wollen,  so  hätte  er  nicht  sagen  können,  ibi  ceteri 
—  sirnul  animos  corporaque  remiserant.  Er  zeigt  aber  durch  diese 
Worte,  dass  auch  der  Geist  auf  den  Kriegszügen  und  durch  die 
Kämpfe  ermatte,  und  wenn  dieses  bei  den  übrigen  der  Fall  war, 
so  ruusste  es  noch  mehr  bei  Feldherren  stattfinden ,  und  der  Ge- 
gensatz ist  vielmehr  dieser:  die  übrigen  können  sich  an  Leib  und 
Seele  erholen  ;  Philipp  hat  nur  körperliche  Ruhe,  sein  Geist  ruht 
zwar  von  den  Anstrengungen  des  Kriegs ,  wird  aber  durch  andere 
Sorgen  beunruhigt.  Betrachtet  man  die  Stelle  in  diesem  Zusam- 
menhange, so  zeigt  sich,  dass  die  handschriftliche  Lesart:  laxa- 
verat  animum,  nicht  zu  verwerfen  sei.  —  Ueber  keine  Stelle 
verbreitet  sich  der  Verf.  so  ausführlich,  als  über  die  mehrfach 
besprochenen  Worte  c.  5,  7.:  cum  Heracliden  amicum  etc.,  in- 
dem er  auf  drei  Seiten  die  verschiedenen  Ansichten  der  Kritiker 
(nur  Iland's  Meinung  inTursell.  2,  163.,  dass  die  Angabe  der  Ur- 
sache fehle,  weshalb  Heraclides  verhasst  gewesen  sei,  die  aber 
durch  die  Worte :  multis  criminibus  oneratum ,  widerlegt  wird, 
ist  übergangen)  ause  nandersetzt.  Doch  ist  durch  diese  Aus- 
führlichkeit, in  der  man  die  weitläufige  Widerlegung  der  Irrthü- 
mer  von  Baumgarten -Crusius,  die  durch  die  Art,  wie  Göller  die 
Lesart  der  Handschrift  anführt,  leicht  entstehen  konnte,  nicht 
vermissen  würde,  nur  das  gewonnen,  dass  es  wahrscheinlicher 
gemacht  ist,  es  müsse  statt  maximae  gelesen  werden  maxime. 
Denn  dass  sibi  conciliavit  deshalb,  weil  es  in  der  Ascens.  steht, 


204  Ruin  is« Ii  ü  Literatur. 

aus  edd.  genommen  sei,  Jässt  sicli  nicht  beweisen.  Der  Umstand, 
dass  coiiciliavit,  nicht,  wie  man  wegen  firmabat  erwarten  sollte, 
conciiiubat  geschrieben  ist,  kann  auch  der  Sorglosigkeit  dessen, 
der  die  Worte  hinzusetzte,  zugeschrieben  werden.  Dass  die 
Worte  an  sich  passend  seien,  bedurfte  keines  Beweises.  Aber 
dass  immer  noch  bei  der  Trennung  der  Sätze:  Et  cum  Achaeis 
quidem  per  haec  socictateiu  firmabat.  iVlacedonum  animos  sibi 
coiiciliavit.  Cum  Heracliden  amicum  mavime  invidiae  sibi  esse 
cerneret,  multis  criminihus  oneratum  in  vineula  coniecit,  eine 
auffallende  Härte  bemerkbar  ist,  und  die  Kahlheit  der  Worte: 
Macedonum  animos  sibi  coiiciliavit,  etwas  vermissen  lassen,  eine 
Andeutung  entweder  der  Gemüthsstimmung  derselben  (s.  c.  17, 
16.;  34,  27,  4.)  oder  der  Art  und  Weise  im  Allgemeinen,  wie  er 
sie  gewonnen  habe,  dürfte  wohl  Niemand  entgehen.  —  Cap.  17, 
14.  wird  die  von  Becker  hergestellte  Lesart:  si  quam  ineidissent 

—  haslile  —  Valium  explebat,  gebilligt,  aber  mit  Unrecht  be- 
hauptet, dass  alle  edd.  si  quas  haben,  da  vielmehr  7  bei  Drak. 
si  (juae,  2  si  quam  bieten,  so  dass  si  quam  bei  weitem  sicherer 
steht  als  si  quas,  und  ausserdem  auch  wegen  fragmento,  und 
weil  der  Abschreiber,  wenn  er  nicht  explebat  in  seinem  cod.  ge- 
funden hätte,  nicht  auf  praestabat  abgeirrt  wäre,  vorzuziehen 
ist.  Jedoch  setzt  Livius  nicht  immer,  wenn  ein  Object  sich  auf 
mehrere  Gegenstände  bezieht  (s.  Fabri  z.  22,  44,  7.),  dieses  im 
Plural.  Daher  ist  es  nicht  zu  billigen,  dass  der  Verf.  37,  30, 
4.,  wo  Drak.  nach  dem  Mog.  liest:  nam  mein  ignis  adversi  re- 
iliae  naves,  ne  prora  coneurrerent ,  cum  declinassent ,  neque 
ipsae  ferire  rostro  hosiem  poteraut,  der  Barab.  aber  prope  statt 
prore  (d.  i.  prorae)  hat,  dieses  vorzieht,  weil,  wenn  prora  con- 
eurrerent  so  viel  wäre  als  rostris  coneurrerent,  wie  Drak.  anneh- 
me, proris  gesagt  sein  würde;  denn  es  folgt  ja  unmittelbar:  ro- 
stro ferire,  s.  30,  25,  6.,  wo  es  dann  auch  rostris  heissen  müsste. 

—  Treffliche  Verbesserungen  hat  Hr.  Kr.  c.  18,  4.  in  aberat  statt 
abibant,  c.  20,  5.  in  fore  defendendum  statt  foedere  defenden- 
dum  im  cod.  gefunden.  Auch  c.  20,  2.  dürfte  eas  si  nicht  zu  ver- 
schmähen sein,  c.  21,  16.;  31,  18,  ö.  Büttner  p.  82.  —  Cap .-21, 
14-  will  der  Verf.  die  von  Becker  eingeklammerten  Worte:  aut 
r/,  aut  metu ,  aut  vuluntale  für  acht  gehalten  wissen.  Aber  sie 
stehen  an  jener  Stelle  sehr  störend,  indem  sie  nur  auf  das  Eine, 
dass  der  König  in  sein  Reich  geflohen  sei,  bezogen  werden,  wäh- 
rend sie  gleich  darauf  zu  allem  vorher  Erwähnten  gehören,  und 
an  der  ersten  Stelle  vom  Rande  in  den  Text  gekommen  zu  sein 
scheinen.  §  25.  möchte  Hr.  Kr.  in  den  schwierigen  Worten :  num 
id  (Antigo.'ius)  postularet ,  facere  nos ,  quod  tumfieii  no?i  pos- 
set,  tum  auf  die  Zeit  beziehen,  wo  die  Römer  den  Punischen 
Krieg  noch  nicht  vollendet  hatten.  Allein  dann  würde  der  Satz 
#ar  nicht  in  den  Zusammenhang  passen,  denn  sie  setzen  ja  den 
Fall ,  dass  er  ihnen  für  die  gegenwärtige  Zeit  rathen  könne ,  wo 


T.  Livü  über  XXX.  Eilidit  Kreyssig.  205 

Nabis,  die  Lacedämonier  und  die  Römer  (s.  §  28.)  sie  bedrängen 
können.  Was  sollte  auch  ein  lialh  für  eine  längst  vergangene 
Zeit,  die  §16.  nur  des  Gegensatzes  mit  der  Gegenwart  wegen 
erwähnt  wird'?  Dazu  kommt,  dass  die  meisten  edd.  quod  cum 
jieri,  der  Bamb.  quod  reri  bietet,  tum  also  fast  keine  hand- 
schriftliche Autorität  hat.  Ob  aber  in  cum  fieri  ein  anderes  Ver- 
bum  liegt  oder  fieri  allein,  worauf  der  Bamb.  hinzudeuten  scheint, 
zu  lesen  sei ,  lassen  wir  dahingestellt  sein.  Ib.  §  7.  vertheidigt 
der  Verf.  Achaei  gegen  Becker;  besser  als  auf  die  angeführte 
Stelle,  wo  sich  der  Vocativ  an  vobis  anlehnt,  wäre  auf  21,  43,  2. 
verwiesen  worden.  —  Cap.  32,  1.  liest  Hr.  Kr.,  weil  im  Bamb. 
et  steht,  das  Ende  des  vorhergellenden  Capitels,  welches  Drak. 
nach  Crev.  getrennt  hatte,  mit  dem  folgenden  verbindend:  Hi- 
ems iam  eo  tempore  erat^  et  cum  T.  Qu/nctius ,  capla  Elatia, 
in  Phocide  ac  Locride  hiberna  disposita  haberet ,  Opunte  se- 
ditio  ortet  est.  Allein  sollte  wohl  Livius  hiems  iam  erat  und  hi- 
berna disposita  haberet  in  einem  Satze  verbunden  haben?  wie 
locker  und  matt  ist  ferner  die  Verknüpfung :  hiems  eo  tempore 
erat,  et  —  Opunte  seditio  orta  est'?  Ferner  würden  die  so  ver- 
bundenen Worte  sich  nicht  wohl  vereinigen  lassen  mit  dem,,  was 
c.  36,  6.  gesagt  wird:  si  aestas  et  tempus  rerum  gerendarum  es- 
set; nunc  hieme  instante  nihil  anritt!.  Dazukommt,  dass  auch 
an  anderen  Stellen  et  falsch  eingeschoben  ist,  s.  31.  49,  2.  32, 18, 
5.  Es  ist  demnach  wahrscheinlich,  dass  mit  den  Worten  hiems  — 
erat  das  abschliesset,  was  ausser  Griechenland  geschah,  in  Bezug 
auf  25,  12.  und  mit  dem  Folgenden  an  das,  was  c.  24.  erzählt  ist, 
angeknüpft  werde,  und  Crev.  und  Drak.  richtig  hiems  —  erat 
zum  vorhergehenden  gezogen  haben,  et  aber  nicht  aufzunehmen 
sei.  —  Cap.  28,  6.,  wo  auf  dieselben  Verhältnisse  angespielt 
wird,  sind  die  Worte:  nunc  prope  in  hiberna  profect um  schwie- 
rig. Da  hervorgeht:  si  —  aut  hiems  magis  sera  fuisset,  also  der 
Winter  über  Erwarten  früh  eintrat,  ist  vielleicht  zu  lesen:  nunc 
propere  etc.,  s.  Hrn.  Kr.  p.  16.  An  einer  ähnlichen  Stelle,  44, 
20,  4.  hat  der  Verf.:  hiemem  etiam  es  iosperato  rebus  gerendia 
intervenisse ,  man  weiss  nicht,  ob  nach  dem  cod.  Yind.,  da  Be- 
cker stillschweigend  asperam  beibehalten  hat.  Dieses  ist  gewiss 
hier  passender,  während  ex  insperato  an  sich  keinen  geeigneten 
Sinn  giebt  und  mit  dem  Bericht  des  Consuls  c.  16.  nicht  wohl 
übereinstimmt.  —  Ob  32,  32,  4.  Hr.  Kr.  mit  Recht  die  Vulgata : 
anetoritate  imperantis  consulis  Romuni,  vertheidigt,  und  impe- 
ratoris  Bomani,  s.  36,  12,  8.,  für  ein  Glossem  halte,  bezweifeln 
wir;  imperantis  konnte  leicht  aus  dem  nicht  vollständig  geschrie- 
benen imp.  statt  imperatoris  entstehen,  weshalb  auch  einige  edd. 
inipera'orum  haben,  und  erst  dann  consulis  zugesetzt  werden ; 
wie  wahrscheinlich  c.  23,  12.  entweder  Quinctius  oder  Romanus, 
von  denen  sich  Spuren  in  den  edd.  finden  ,  eine  Glosse  ist. 

Lib.  34,  2,  12.  billigt  Hr.  Kr.  die  Lesart  des  Bamb.   quam 


206  Römische  Litoratur. 

rogationem  tribunorutn  suadent,  aliam  legem  abrogandam 
censent.  Allein  rogaiiones ,  welches,  wie  es  scheint,  alle  ande- 
ren edd.  haben,  kann  sehr  wohl  als  Amplification  des  Redners  be- 
trachtet werden,  s.  Roth  Excurs.  III.  zu  Tac.  Agr.,  während  ro- 
gationem leicht  durch  das  vorhergehende  quam  veranlasst  werden 
konnte.  Das  folgende  aliam  ist  allerdings  besser  als  aliae ;  doch 
fällt  die  unbestimmte  Bezeichnung  des  Gesetzes  auf,  man  erwar- 
tet antiquam.  Deshalb  hebt  auch  der  Gegner  c.  6.  hervor,  dass 
es  ein  neues  Gesetz  sei.  Sollte  hier  vielleicht  statt  an  vetus  re- 
gia lex,  da  die  meisten  edd.  quia  oder  quae  haben,  zu  lesen 
sein  quippe  vetus  regia  lex  ?  —  Cap.  16,  9.  hat  der  Verf.  den 
Sinn  des  Schriftstellers  durch  Veränderung  von  profecturum  in 
profectum,  wie  er  später  im  Bamb.  fand,  hergestellt.  Ob  aber 
c.  19,  8.  durch  die  Aufnahme  von :  deni  saepe  —  ingredientes, 
wie  statt  dein  im  Bamb.  steht ,  der  Stelle  aufgeholfen  werde,  be- 
zweifeln wir;  da  es  in  Bezug  auf  das  Vorhergehende:  commea- 
tus  haud  secus,  quam  in  pace  ex  agris  castellisque  portabant, 
scheinen  könnte,  als  ob  im  Frieden  allemal  zehn  zusmmengingen. 
Vielmehr  dürfte  munimeuta  vom  Lager  gesagt,  und  eine  Steige- 
rung von  castella  sein,  so  dass  man  eher  eine  steigernde  Partikel 
erwarten  sollte.  —  Cap.  35,  5.  billigt  Hr.  Kr.  die  Lesart:  et 
Messeniis  omnia  {^i  edderei),  quae  comparerent,  quaeque  domini 
cognoscei ent  und  verwirft  cog?iossent ,  was  im  Bamb.  steht,  weil 
es  nicht  zu  comparerent  passe.  Aber  da  der  Sinn  ist:  redderent 
exiis,'quae  comparerent  ea,  quae  domini  cognossent,  so  scheint 
das  letztere  passender  und  wegen  der  Schwierigkeit  vorzuziehen. 
—  Cap.  42,  6.,  wo  jetzt  adscripti  coloni,  qni  nomina  dederant, 
quum  ob  id  se  pro  civibus  Romanis  ferrent ,  senalus  iudieavit, 
non  esse  eos  cives  Romanos,  gelesen  wird;  der  Mog.  aber  nicht 
weniger  als  der  Bamb.  und  die  meisten  anderen  et  quam  bieten, 
müsste  dieses  theils  der  Autorität  der  Handschriften  wegen,  theils 
weil  der  Sinn  der  Stelle  so  deutlicher  hervortritt  (s.  Madvig  de 
coloniarum  p.  R.  iure  et  conditione  I.  p.  31.),  aufgenommen  wer- 
den. —  Cap.  49,  2.  hat  der  Bamb.  mit  einigen  anderen  Hand- 
schriften nunc  cum  aliter,  quam  ruina  gravissima  civitatis  op- 
primi  non  pnsset,  satius  visum  esse  tyrannum  debilitatum  — - 
relinqui ,  quam  intermori  v  eherne  n  t  ior  i bti  s ,  quam  quae  pati  pos- 
set,  remediis  civitatem  sinere,  Hr.  Kr.  aber  zieht  die  in  den  an- 
deren sich  findende  Lesart  sravissimae  vor.  Schon  Dukcr  jedoch 
machte  geltend,  dass  die  Macht  der  Stadt  kein  Grund  sein  könne 
sie  zu  schonen;  dazu  kommt  noch,  dass  die  folgenden  Worte 
quam  intermori  etc.  nur  eine  nähere  Erklärung  der  gravissima  ru- 
ina sind,  die  allein  den  Quinctius  von  einer  Bestürmung  der  Stadt 
abhalten  konnte.  Anders  ist  34,33,10.,  wo  von  der  Schwie- 
rigkeit der  Belagerung  gesprochen  wird,  und  Cornel.  Agesil.  5.  — 
C.  54,  5.  hat  der  Bamb.  bestimmt  decem  et  octo ,  weshalb  auch 
Hr.  Kr. ,  der  an  anderen  Stellen  die  Formen  undeviginti  etc.  em- 


T.  Lim  Über  XXX.   Edidit  Kieyssig.  207 

pfiehlt,  hier  nichts  bemerkt.  Auch  in  dieser  Hinsicht  sind  die 
codd.  gewiss  zu  beachten,  und  daher  z.  B.  33,  36,4.,  wo  der 
Bamb.  duo  de  XXX  hat,  dieses  vorzuziehen;  aber  zweifelhaft 
bleibt  der  wörtliche  Ausdruck,  wo  die  edd.  das  de  nicht  haben, 
und  so  schreibt  Hr.  Kr.  33,  10  extr.  undequinquaginta;  ib.  23,  7. 
undeoctoginta ;  erkennt  aber  an  anderen  Stellen  die  andere 
Schreibart  stillschweigend  an,  z.  B.  31,  49,  7.  37,  46,  1.  ib.  57, 
1,  5  u.  a.  Dasselbe  gilt  von  decem  tres,  decera  quattuor,  wovon 
p.  317.  gehandelt  wird  u.  a. 

An  der  schwierigen  Stelle  35,  34,  1.  Quinctius  legatique 
Corinthum  redierunt ,  inde ,  nt  quaeque  de  Antiocho ,  nihil  per 
se  ipsi  moti,  et  sedentes  exspeetare  adventnm  viderentur  re- 
gis ,  concilium  quidemiiniversae  gentis  post  dimissos  Romanos 
non  habuerunt:  per  oportet os  autem  —  id  agitabunt,  quonam 
modo  res  in  Graecia  novarentur ,  billigt  Hr.  Kr.  die  Conjectur 
von  Perizonius:  moturi,  theils  weil  dieses  schon  in  der  Ascens. 
von  1513  steht,  was  vor  ihm  niemand  bemerkt  hat,  theils  aus 
einem  anderen  Grunde,  denn  er  setzt  hinzu:  „Nam  Perizonius 
ipse  ceterique  Livii  interpretes  ad  iimim  omnes  non  animadver- 
tissc  videntur,  vulgatum  moti  vel  propterea  fern  non  posse,  quod 
moturi  non  solum  ad  nihil,  sed  etiam  ad  quaeque  de  Antiocho, 
id  est  quod  attiuet  ad  Antiochum ,  sit  referendum.  Sic  et  ver- 
borum  struetura  et  loci  sententia  perspicua  est  et  expedita,  vide 
Hand  Tursellin.  Vol.  II.  p.  210.u  Allein  einmal  ist  die  Art  der 
Beweisführung  auffallend:  moti  passt  nicht,  weil  moturi  sich  so- 
wohl auf  quaeque  als  auf  nihil  bezieht,  da  eben  erst  bewiesen 
werden  soll,  dass  moturi  besser  sei.  Ferner  kann  moturi,  wenn 
es  in  der  Ascens.  steht,  da  alle  edd.  moti  haben,  hier  kaum  an- 
ders denn  als  Conjectur,  wie  bei  Perizonius,  betrachtet  werden. 
Ferner  hätte  man  ein  Wort  der  Erklärung  über  den  Sinn  und 
Ausdruck  der  Stelle  vom  Hrn.  Verf.  erwarten  sollen.  Dann  soll 
quaeque  de  Antiocho  bedeuten:  quod  attinet  ad  Antiochum,  so 
musste  gezeigt  werden,  dass  quaeque  soviel  sei  als  quod;  auch 
waren  Beispiele  für  quaeque  de  aliquo  beizubringen ,  da  die  von 
Hand  aufgeführten  verschieden  sind ;  soll  aber  quaeque  für  sich 
genommen,  und  de  Antiocho  aufgefasst  werden,  was  den  Aus- 
druck betrifft,  so  wird  der  Sinn  dunkel,  und  die  Zusammenstel- 
lung von  quaeque  und  nihil  sehr  schwierig.  Je  mehr  wir  die 
Stelle  betrachten,  um  so  mehr  müssen  wir  Drak.  und  Crev.  bei- 
stimmen ,  dass  sie  verdorben ,  dass  entweder  quaeque  nicht  rich- 
tig, oder  ein  Wort  ausgefallen  sei,  aber  das  eine  ist  ebenso 
schwierig  aufzufinden,  als  das  andere.  —  Cap.  44,  1.  will  Hr. 
Kr.  so  lesen:  in  concilium  ut  ventum  est,  aegre  a  Phaetiea 
praetor e  principibnsque  aliis  introdiicltis  :  inde  facto  sileiilio 
(oder  silentio  facto),  rex  dicere  orsus  (oder  dicere  orsus  rex). 
Mit  Recht  ist  aliis,  das  hinzuzufügen  der  Abschreiber  keinen 
Grund  hatte,  wie  schon  von  Becker  aufgenommen ;  im  Uebrigen 


208  Römische  Literatur. 

aber  ist  eine  auffallende  Härte  der  Construction ,  indem  zweimal 
est  ergänzt  werden  muss,  und  introductus  nach  in  concilium 
Ventura  est,  wenn  es  sich  auch  künstlich  erklären  lässt,  doch 
matt  und  tautologisch  bleibt,  weshalb  es  auch  von  Becker,  da 
es  ausserdem  in  allen  codd.  ausser  dem  Mog.  fehlt,  weggelassen 
ist.  Doch  wird  dieses  Verfahren  xon  Hrn.  Kr.  mit  Recht  als  zu 
kühn  gemissbilligt.  Wenn  man  sieht,  dass  in  den  codd.,  den  Mog. 
ausgenommen,  nur  principibusque  inde,  in  dem  Bamb.  principi- 
busque aliis  in  steht,  so  ist  sehr  wahrscheinlich,  dass  ein  dop- 
peltes in  die  Ursache  der  Auslassung  wurde,  und  dass  selbst  im 
Mog.  der  Ort,  wohin  der  König  geführt  wurde,  sowie  vielleicht 
est  fehle,  und  introductus  verdorben  sei;  Livius  aber  etwa  ge- 
schrieben habe:  aegre  a  Phaenea  praetore  principibusque  aliis 
in  (tribunal  est?)  producius;  inde  etc.,  s.  Drak.  z.  27,  51,  5. 
Eilendt  z.  Cic.  Brut.  60,  217.  —  C.  49,  12.  billigt  Hr.  Kr.  die 
Lesart  des  Bamb.  und  der  ihm  verwandten  edd.:  quominus  vos 
deeipi  debetis ,  sed  experlae  toties  speetataeque  llomanorum 
fidei  credere,  während  der  Mog.  potius  hat.  Dieses  scheint  den 
Vorzug  zu  verdienen,  da  nur  so  die  Lesart  des  Bamb.  tocius,  die 
nachher  noch  mehr  verändert  wurde,  sich  erklärt,  und  weil  ex- 
pertae  speetataeque  mit  mehr  Nachdruck  als  expertae  toties  der 
regia  vanitas  entgegengestellt  wird,  s.  c.  31,  10.  et  novus  et  in- 
cognitus  pro  vetere  et  experto  habendus  rex  esset.  Auch  sollte 
man  im  Bamb.,  der  auch  37,  53.  pocius  statt  potius  hat,  toliens 
erwarten,  s.  34,  5.  und  Hr.  Kr.  zu  31,  9.  Ob  ib.  §  5.  die  Um- 
stellung der  Worte,  wie  sie  allein  im  Bamb.  gefunden  wird:  dum 
In  ab  se  viclvm  Pliilippum,  durch  die  gleiche  Wortfolge  im  zwei- 
ten Satze  gerechtfertigt  werde ,  ist  bei  dem  Streben  nach  Ab- 
wechslung in  der  Erzählung  desLiv.  wenigstens  zweifelhaft.  Aber 
richtig  ist  c.  48,  7.  principe  altero  unius  civitatis ,  obgleich 
unius  nur  im  Bamb.  sich  findet,  von  Kr.  und  Becker  auf- 
genommen. 

Auffallend  ist,  dass  36,  2,  8.  niemand  proconsule  aufgenom- 
men hat,  welches  fast  alle  edd.  bieten,  da  bekannt  ist,  dass  die 
Anführer  in  Spanien  gerade  oft  proconsules  heisgen,  s.  Soldan 
Quaest.  de  proconss.  et  propraett.  p.  59  ff.  Ib.  8,  7.  weist  Hr. 
Kr.  nach ,  dass  nuntiat  etur  durch  einen  Irrthum  von  Modius  in 
den  Text  gekommen  und  mit  Becker  nuntiare  zu  lesen  sei.  — 
C.  4,  1.  wird  mit  Recht  rege  in  Schutz  genommen.  Kurz  vorher 
hat  der  Mog  und  einige  andere  edd  et  legati,  was  nicht  zu  ver- 
werfen ist;  Livius  wollte  §  5.  fortfahren:  et  ab  Carthaginiensi- 
bus,  änderte  aber  wegen  der  vielen  Zwischensätze  die  Constru- 
ction, s.  Klotz  Quaest.  Tüll.  p.  7  ff.  Otto  Excurs.  HI.  zu  Cic.  de 
Fin.  —  Cap.  13,  7.  wird  Döring  mit  Unrecht  von  Hrn.  Kr.  ge- 
tadelt, weil  er  behauptet:  qui  monerent,  was  allerdings  vorzu- 
ziehen ist,  finde  sich  in  mehreren  Handschriften  Drakenborchs, 
denn  dieser  sagt  ausdrücklich  in  dem  zweiten,  von  Hrn.  Kr.  über- 


T,  Livü  liber  XXX.  Edidit  Kreyssig,  209 

sehenen  Tlieil  der  Anmerkung:  ,,qni  monerent  Voss.  Lov.  1.  2.  3. 
4.  et  Meatl.  uterque."  So  wird  auch  38,  29,  11.  partem  i/rbis 
dem  Bamb.  mit  Unrecht  allein  zugeschrieben,  da  es  nach  Drak. 
Lov.  1.2.  4.  5.  Harl.  Mead.  ambo  haben.  Ib.  2,  10.  haben  ab  la- 
te/ibus  nicht  zwei,  sondern  4  codd.  35,7,9.  liaben  nicht  „alii 
quoque  codd."",  wie  Hr.  Kr.  sagtv  A.  Manlius,  sondern  nur 
IJearn.  L. ,  da  Glarean  keine  Handschrift  benutzte;  ib.  49.  med. 
hat  rar os  nicht  allein  Voss.,  sondern  auch  Lov.  1.  38,40,11. 
haben  5  codd.  mit  dem  Bamb.  pluribus simul ,  was  Hr.  Kr.  über- 
sah; 36,  29,  1,  wohl  alle  wie  dieser:  coacta  omnis  u.  s.  w.  Mit 
Recht  wird  schon  zu  33,  4.  Becker  getadelt,  dass  er  36,  3,  4. 
Atracem,  aber  ib.  10,  2.  und  32,  15.  Atragem  geschrieben  habe. 
Ib.  11,  7.  wird  die  Inconsequenz  in  der  Schreibung  .von  Cephal- 
lenia  gerügt.  Die  Bemerkung  über  die  Schreibung  von  Mnasila- 
chus  p.  274.  war  nicht  so  nothwendig,  da  schon  Drak.  dieselben 
Gründe  hat,  s.  37,  45,  17.  38,  38,  18.  —  Ob  durch  die  Ver- 
teidigung von  icttis  und  et  in  den  Worten  37,  24,  11.  Hannibal, 
iclus  uno  proelio  adver  so,  ne  tum  quidem  praetervehi  Lyciam 
audebat  —  Et  ne  id\  etc.  der  schwierigen'  Stelle  aufgeholfen 
werde,  ist  sehr  zu  bezweifeln.  Ib.  25,  11.  müsste  nach  fast  allen 
codd.  hostes  et  bello  superatos  gelesen  werden.  Ib.  39,  5.  scheint 
in  der  Stuttgarter  Ausgabe  adire  ein  Fehler  zu  sein ,  den  auch 
Baumgarten  -Crusius  aufgenommen  hat.  Ibid.  §  8.  vermuthet 
Huschke  Verf.  d.  Serv.  Tüll.  p.  456.,  es  sei  iriarii  postremo 
claudebant  statt  tr.  postremos  claudebant  zu  lesen,  was  nicht 
unwahrscheinlich  ist.  —  Cap.  44,  4.  billigt  Hr.  Kr.  die  Ansicht 
Drak.s,  dass  et  a  Magnesia  ab  Sipylo  zu  lesen  sei,  aber  mit  Recht 
zieht  Hand  Turs.  1,  50.  diese  Ausdrucksweise  in  Zweifel,  die  an- 
geführten Magnetes  a  Sipylo  sind  anderer  Art,  und  ab  und  ad 
werden  ja  sehr  oft  verwechselt;  eher  könnte  nach  den  Handschrif- 
ten mit  Becker  a  vor  Magnesia  getilgt  werden.  —  Cap.  16,  13. 
vertheidigt  Hr.  Kr.  die  in  seiner  Ausgabe  aufgenommene  Lesart: 
omisso  conalu  Patara  amplius  tentandi.  Dass  conatu  in  der 
Ascens.  steht,  kann  nicht  als  Beweis  dafür  angeführt  werden,  da 
es  hier  eben  so  gut  Conjcctur  sein  kann;  dass  es  im  cod.  Mog. 
gestanden  habe,  wie  Hr.  Kr,  vermuthet,  ist  sehr  ungewiss,  da  in 
der  varietas  lectionis  nichts  darüber  bemerkt  und  in  der  Froben. 
von  1535  tentandi  spe  aufgenommen  ist.  In  allen  anderen  codd. 
fehlt  conatu  oder  spe,  und  es  ist  sehr  wohl  möglich,  dass  Livius 
omissum  wie  so  viele  andere  Partie.  Praet.  substantivisch  ge- 
braucht und  davon  tentandi  abhängig  gemacht  habe ,  s.  Fabri  zu 
21,54,6.,  ähnlich  Tac.  Hist.  2,  100.  praetexto  classem  allo- 
quendi.  Mit  Roth  z.  Tacit.  Agr.  p.  264.  den  Genitiv  von  einem 
Nomen ,  das  Vergessenheit  bezeichnet ,  übertragen  zu  denken, 
setzt  ei»ie  nicht  wohl  zu  vertheidigende  Ellipse  voraus.  Dagegen 
ist  35,  49,  13.  das  von  Gronov  vorgezogene  quod  Optimum  esse 
dicant,  non  interponendi  vos  bello  schwieriger  zu  rechtfertigen, 

iV.  Jahrb.  f.  Phil.  u.  Paed.  od.  Krit.  Ulli.  Bd.  XXVIII.  Hft.  1.    14 


210  Römische  Liter atur. 

und  da  nicht  allein  der  Mo,?.,  sondern  auch  drei  Handschriften 
Drak.s  interponi  haben,  so  ist  dieses  auf  jeden  Fall  vorzuziehen. 
Mit  Kecht  billigt  Hr.  Kr.  37,  9,  9.  ad  Sestum  oppugnandam ; 
38,  3,  7.  ad  tentandam  spern;  42,  43,  1.  nee  praeter mitte ndam 
spem ;  warum  aber  gerade  42,  5,  6.  ad  spernendum  originem 
soll  geschrieben  werden ,  sieht  man  nicht  ein ,  und  die  citirte 
Stelle  der  Epist.  ad  Orell.  p.  37.  scheint  dem  selbst  zu  widerspre- 
chen :  „Madvigius  quoque  —  cum  rede  monuisset  Liv.  42,  5.  pro 
ad  spernendum  originem,  quod  ex  cod.  Viudob.  restitui,  ad 
spernendam  originem,  quod  Bekkerus  revoeavit,  scribendum 
esse.u  und  es  dürfte  sehr  misslich  sein,  auf  diese  und  ähnliche 
Stellen,  wie  40,  49,  1.,  die  nur  in  einem  cod.  erhalten  sind,  viel 
zu  bauen,  und  von  dem  meist  nur  sehr  unbedeutenden  und  noch 
nicht  einmal  hinreichend  begründeten  Unterschied  des  Sinnes  die 
Entscheidung  über  die  Aufnahme  einer  Lesart  abhängig  zu  ma- 
chen ,  s.  Gernhard  Opuscula  p.  398.  —  Mit  Recht  wird  37,  36, 
8.  das  schon  von  Drak.  gebilligte  und  von  Miller,  Ruddimann,  vom 
Verf.  und  Becker  hergestellte  habebo  begründet,  nur  begreift  man 
nicht,  wie  über  die  so  klare  Sache  so  weitläufig  gesprochen  wird. 
Ib.  38,  6.  wird  mit  Recht  die  Lesart  des  Bamb.  hi  tarnen  per  se 
etc.  empfohlen,  denn  da  vorhergeht  tria  milia  und  dann  aliquanto 
pauciores  folgt,  wird  niemand  eine  bestimmtere  Angabe  der  Zahl 
erwarten,  und  hi  konnte  leicht  zu  ii  und  II  werden,  s.  32,  3,  3. 
37,  4,  1.  Am  Ende  des  Kap.  scheint  ein  Fehler  statt  zu  finden. 
Die  Römer  haben  etwa  2500  Schritte  vom  Lager  des  Antiochus 
das  ihrige  aufgeschlagen ,  dann  sind  sie  ,,in  medium  campiu  vor- 
gerückt, dann  heisst  es :  Antiochus  nihil  promovit  signa,  Haut 
extremi  minus  inille  pedes  a  vallo  abessent.  Da  so  die  Heere 
unmittelbar  an  einander  würden  gestanden  haben,  und  sich  nicht 
denken  lässt,  dass  Antiochus,  wenn  er  die  Schlacht  vermeiden 
wollte,  so  weit  würde  vorgerückt  sein,  wohl  aber  die  hintersten 
Reihen  der  Römer,  wenh  ihr  Heer  in  die  Mitte  des  Feldes  vor- 
ging, etwa  1000  Schritte  vom  Walle  entfernt  sein  konnten,  so 
ist  vielleicht  durch  eine  Umstellung  zu  helfen  :  Romani  proces- 
sere  in  medium  campi,  ita  ut  extremi  minus  mille  pedes  a  vallo 
abessent.  Antiochus  nihil  promovit  signa.  So  würde  sich  auch 
das  Folgende  weit  besser  anschliessenT  Ib.  46,  3.  wird  praelata 
sunt  in  eo  triumpho  mit  Recht  vindicirt,  da  Becker  nach  der 
falschen  Angabe  Göllers,  dass  eo  im  Bamb.  fehle,  dieses  ausge- 
lassen hatte;  eben  so  bald  darauf  das  von  diesem  aufgenommene 
cistophori  statt  cistophorum  verworfen.  —  Dass  c.  52,  10.  nach 
dem  Bamb.  allein  ex  templo  excessit  zu  lesen  sei,  ist  zweifelhaft, 
da  in  allen  anderen  edd.  ex  fehlt  und  sehr  leicht  durch  das  fol- 
gende excessit  entstehen  konnte.  Ib.  55.  wird  richtig  nach  dem 
Bamb.  ea  ut,  wo  Becker  und  Göller  ut  übersehen ,  hergestellt. 
Dagegen  möchte  36,  36,  2. ,  wo  die  meisten  codd.  ut  idem  haben, 
w  oraus  uti  de  von  Groüov  gemacht  worden  ist,  mit  dem  Mog.  und 


T.  Livii  über  XXX.  Edidit  Kreyesig.  211 

dem  Bamb.  vel  de  zu  lesen  sein,  da  die  Verderbung  von  vel  in  ut 
so  leicht  ist,  wie  theils  diese  Stelle,  theils  c.  41,  2.  zeigt.     Dass 
ib.  39,  2.  X  co   co  für  X  oo  gesetzt  sei,  ist  nicht  einleuch- 
tend, die  angeführte  Stelle  c.  21.  bietet  nur  die  zweite  Form  dar, 
und  der  Mog.  hatte  duodecim  milia.    Dagegen  werden  an  anderen 
Stellen,  besonders  37,  57  ff.,  die  Zahlen  gründlich  besprochen. 
—  38,  7,  1.  billigt  Hr.  Kr.  die  Lesart:    Amphilochia  excessit, 
aber  wenn  man  bedenkt,   dass  der  Mog.  Amphilochiam  hat,  in 
anderen  edd.  eben  wegen  der  Gleichheit  der  Endung  in  Amphilo- 
chiam  und  Macedoniam  eine  Lücke  entstanden  ist,    der  Strich 
über  dem  a  so  leicht  wegfallen  konnte,  und  dass  nicht  leicht  ein 
Abschreiber  die  seltnere  Construction  statt  der  gewöhnlichen  ein- 
setzte, so  hat  man  Ursache  die  Entscheidung  des  Hrn.  Verf.  in 
Zweifel  zu  ziehen.  —     Ib.  17,  18.  empfiehlt  Hr.  Kr.  von  neuem 
seine  Conjectur  Marie  genitis  statt  Mariiis  viris ,  die  er  schon 
in  der  Vannus  crit.  p.  61.  aufgestellt  hatte;  doch  stützt  sich  die- 
selbe nur  auf  die  verderbte  Lesart  weniger  codd.  in  arte  nitidis; 
die  meisten  haben  Marlis   ^iris,  der  poetische  Ausdruck  bei  Sil. 
Ital.    12,    582.     Martigenae    kann  kaum   etwas   entscheiden.  — 
Cap.  10,6.  billigt  Hr.  Kr.  die  Lesart:  quae  ad  Anliochum  eos 
aicuti  scopulum  intulisset ;    aber  theils  hat  der  Mog.  sicuti  in, 
theils  konnte  in  wegen  sicuti  leicht  ausfallen ,  wenn  nicht  Livius 
sient  in  geschrieben  hat,  wo  sich  die  Lesart  der  übrigen  codd. 
noch  leichter  erklärt;  über  den  Wechsel  der  Präpos.  s.  Drak.  zu 
6,  28,  3.     Ebenso  zweifeln  wir,  ob  c.  14,  5.  die  Vulgata:  coro- 
nam.  auream  quindeeim  talentum ,  die  sich  nur  auf  eine  Verbes- 
serung von  Gelenius  zu  stützen  scheint,  mit  dem  Verf.  der  hand- 
schriftlichen Lesart  vorzuziehen  sei.     Ib.  §  12.  möchten  wir  nunc 
praesens  qnoque  oder  nach  anderen  codd.  nunc  quoque  praesens 
nicht  verwerfen.     Dass  Gelenius  in  seinen  Handschriften  Spuren 
dieses  nunc  fand ,  zeigt  das  von  ihm  aufgenommene  ni&ij  nunc 
würde  passend  dem  vorhergehenden:  cum  per  legatos  frustrareris 
nos,  entgegentreten.    Richtig  aber  zieht.  Hr.  Kr.  pei  st as  dem  von 
Drak.  eingeführten  persislis  vor.  —     Ib.  19,  4.  verdient  prohiberi 
aut  deturbari  den  Vorzug  vor  pr.  ac  det. ,  und  Becker  hat  es, 
was  nicht  bemerkt  ist ,  mit  Recht  aufgenommen.  —     Ib.  c  23,  8. 
wird  mit  Recht  die  von  Becker  hergestellte  Wortfolge:     ad  qua- 
draginta  milia  hominum  auetor  est  caesa  statt  caesa  auetor  est, 
gebilligt,  s.  31,  49,  7.  quindeeim  millia  —  dieuntur  caesa.  cf.  24, 
42,  4.  —     Cap.  38,  6.  ist  die  Conjectur  Walchs:  intraque  vires 
eius  regni  sunt,  mit  Recht  verworfen,  denn  vires  regni  hat  meist 
eine  andere  Bedeutung,  s.  37,  40  in.  33,  4,  4.     Dass  Livius  nicht 
allein  von  Soldaten  rede,  zeigt  der  Gegensatz:  qui  ex  regno  An- 
tiochi  etr. ;  was  Polvbius  durch  dvväfisag  ausdrückt,  sagt  Livius 
mit  den  Worten:  cum  rege  Antiocho  suut;  endlich  lässt  sich  sehr 
zweifeln,  ob  jene  Ausdrucksweise  lateinisch  sei,   s.  Hand  Turs. 
3,  430.  —     Nicht  nothwendig  ist  es  c.  45?  6.,  wo  die  codd.  po- 

14* 


212  Bibliographische  Berichte  und  Miscellen* 

pulum  iussisse,  nur  der  Bamb.  populum  faisse  bietet,  das  in 
diesem  Falle  stehende  Wort  durch  ein  ungewöhnliches  zuv  ver- 
drängen und  mit  Firn.  Kr.  populum  scwisse  für  wahrscheinlich  zu 
halten,  besonders  da  kurz  vorhergeht:  cui  nationi  non  ev  scintus 
auctoritate,  non  populi  iussu,  bellum  illatum.  Wahrscheinlich 
aber  ist,  dass  37,  27,  7.  nicht  superpendentia,  sondern  nach 
Hrn.  Kr's  Vermuthung  superimpendentia  zu  lesen  sei. 

Wir  brechen  unsere  Bemerkungen  hier  ab,  die  dem  Hrn.' 
Verf.  den  Beweis  geben  sollten ,  dass  wir  dem  mit  so  grosser  Ge- 
nauigkeit und  Umsicht  verfassten  Werke  die  Sorgfalt,  die  es  in  jeder 
Hinsicht  verdient,  zu  widmen  uns  bemüht  haben,  und  dass  wir, 
wenn  wir  auch  nicht  in  der  Beurtheilung  aller  einzelnen  Stellen 
ihm  beistimmen  können,  den  hohen  Werth,  den  das  Ganze  für 
die  Kritik  des  Livius  hat,  mit  Freude  und  Dankbarkeit  an- 
erkennen. 

Druck  und  Papier  sind  zu  loben.  Die  eingeschlichenen 
Druckfehler  sind  meist  in  den  Corrigendis  verbessert,  nur  Ein- 
zelnes ist  uns  noch  vorgekommen ,  was  übersehen  wurde.  So 
fehlt  p.  LXXX.  die  Angabe:  Cap.  46.  vor  ad  Cheroniam;  p. 
LXXVII.  steht  Cap.  27.  zweimal;  p.  CVII.  muss  cap.  51.  vor  nu- 
tus  eins  stehen;  p.  59.  steht  in  der  Anm.  307  für  397;  p.  192.  u. 
193.  ist  für  p.  292.  und  293.  gedruckt ;  p.  169.  wird  von  vier  co- 
dicibus  Palatinis  gesprochen,  die  Gebhard  verglichen  habe,  wäh- 
rend er  zur  vierten  Decade  nur  zwei  hatte,  s.  Drakenb.  praef.  p. 
XCIV.  Ebenso  werden  p.  175.  Gelenius  mehrere  Codices  beige- 
legt ,  der  aber  selbst  zu  32,  10,  11.  sagt ,  dass  er  zu  den  zwei  er- 
sten Büchern  der  Decade  nur  eine  Handschrift  habe  benutzen 
können. 

Eisenach.  Weissenborn. 


Bibliographische  Berichte  und  Miscellen. 


Joannis  Alexandrini  cognomine  Fhiloponi  de  usu  Aslrolabii  eiusqve 
constructione  Ubellus.  E  codd.  mss.  regiae  bibliolh.  Par.  cdidit  H.  Hase, 
marniorum  Dresd.  reg.  ciistos.  [Bonn,  Weber.  1839.  IV  u.  43  S.  gr. 8. 
8  Gr.]  Der  Grammatiker  Johannes  Alexundr.  hat  eine  kleine,  für  Ma- 
thematiker nicht  unbrauchbare  Schrift  über  das  Astrolabium  geschrie- 
ben, welche  bisher  ungedruckt  war.  Herr  Hofrath  Hase  hat  nun  hier 
den  Text  nach  drei  Pariser  Handschriften  herausgegeben ,  zugleich  ein 
paar  griechische  Scholien  des  Macarius  und  eines  Ungenannten  mit  ab- 
drucken lassen,  und  drei  Abbildungen  aus  Georgius  Valla  angehängt. 
Weitere  Zugaben  enthält  das  Buch  nicht,  und  die  Erklärung  sollen 
Bich  die  Mathematiker,  welche  die  Schrift  lesen,  selbst  machen. 

[J.]  ' 


Bibliographische    Berichte  und  Miscellen.  213 

De  Ennianorum  Annaliüm  fragmentis  a  P.  Merula  auetis.  Scripsit 
M.  £ocli,  ph.  Dr.  [Bonn,  Marcus.  1839.  95  S.  gr.  8.  12  Gr.]  Der 
Verl!  hat  die  alte  Verniuthung,  dass  Merula  in  seiner  Sammlung  der 
Fragmente  des  Ennius  eine  Anzahl  solcher  Fragmente  selbst  gemacht 
und  untergeschohen  habe ,  Mieder  aufgenommen ,  und  bespricht  sie 
in  grosser  Breite,  ohne  zu  einem  rechten  Resultat  zu  kommen.  Ge- 
legentlich macht  er  auch  bei  einigen  Fragmenten  darauf  aufmerksam, 
dass  sie  ohne  zureichenden  Grund  bestimmten  Büchern  der  Annaicn  zu- 
gewiesen worden  sind.  Erhebliches  ist  durch  die  Untersuchung  nicht 
gewonnen.  [J.] 


Ueber  das  Tullianum  und  den  Carter  Mamertlnus,  nebst  einigen 
Thesen  über  Roms  älteste  Geschichte  und  Geographie  von  P.  W.  Fo  rch- 
h  am  in  er  ist  ein  Aufsatz  im  Tübing.  Kunstbl.  1839.  Kr.  93.  überschrie- 
ben, Moria  die  Aehnlichkcit  der  Bauconstruction  des  Tullianum  mit 
dem  sogenannten  Schatzhause  des  Agamemnon  in  Mykenä  und  mit  dem 
merkwürdigen  Quellgebäude  in  Tusculum,  und  die  im  Tullianum  be- 
findliche Quelle,  welche  älter  sein  mag,  als  der  Carcer  selbst,  benutzt 
sind,  um  Carcer  Tidlianus  für  einen  Quellbehülter  oder  eingemauerten 
Brunnen  —  denn  tullius  heisst  nach  Festus  ein  Quellbach —  zu  erklären, 
Mas  auch  das  Schatzhaus  (#>jffo:uo6s)  des  Minyas  gewesen  sein  möge. 
Das  Gewölbe  des  Tullianum  hatte  oben  eine  Oeßnung,  durch  welche 
man  das  Wasser  aus  der  Quelle  schöpfte,  und  der  über  dem  Tullianum 
gebaute  Carcer  Mamertinus  war  nur  ein  Ueberbau,  um  den  Quell  ge- 
gen den  Einfluss  der  Sonnenhitze  zu  schützen.  —  Den  zu  Assisi  in 
Frankreich  befindlichen  Minerventempel  hat  man  im  vorigen  Jahre  aus- 
zugraben angefangen  und  namentlich  ein  Stück  von  dessen  Fussboden, 
der  aus  länglichen  weissen  Kalkstcintafeln  besteht,  aufgedeckt.  Merk- 
würdig ist  der  neben  dem  Tempel  gemachte  Fund  eines  steinernen  Wür- 
fels von  22  Palmen  Grundlinie  mit  schön  verzierter  Base,  der  eine  12 
Palmen  breite  und  4  Palmen  hohe  Tafel  mit  folgender  Inschrift  ent- 
hält: G.1L.  TeTT/EJ'I/S,  PaRVALAS.  ET.  TeTTIEXA.  GlLEXE.  Tetba- 
STYLVJI.     SVA.     PECVXIA.       FECERUST.      ITEM.     SMULACRAt      CaSTORIS.      ET. 

PoLLUClü.  MlXlClPIBVS.  Asisixatibvs.  Dots.  Deder.  et.  Dedzcjtiojse. 
Epvlvjk.  Decurioxibcs.  Sixg.  xr.  Sexvir.  xiii.  Pleb.  XII.  DKDERVXT. 
8.  C.  L.  D.  [J.] 


Die  beabsichtigte  Errichtung  eines  Arminiusdenkroals  auf  dem 
Tcutberge  bei  Detmold,  in  welcher  Gegend  nach  Clostermeicrs  For- 
schungen die  Hermannsschlacht  gegen  Varus  geschlagen  worden  ist, 
hat  den  Professor  H.  F.  Massmann  in  München  veranlasst,  unter 
dem  Titel:  Armin  Fürst  der  Cherusker  und  Befreier  Deutschlands  vom 
römischen  Joche  im  neunten  Jahre  nach  Christi  Geburt  [Lemgo,  Meyer. 
1839.  gr.  8.  16  Gr.],  ein  Lesebuch  für  die  deutsche  Jugend,  oder  wohl 
auch  für  das  deutsche  Volk  überhaupt,  herauszugeben ,  worin  er  zur 
Beförderung  der  allgemeinen  Thcilnahiuc  an  diesem  Nationaldcnkmal 
und  überhaupt  zur  Erweckung  einer  tüchtigen  vaterländischen  Gesiu- 


214  Bibliographische  Berichte   und   Miscellen. 

nnng  die  Geschichte  jener  Teutohurger  Schlacht  und  das  Leben  Armins, 
soweit  beides  aus  alten  zuverlässigen  Quellen  bekannt  ist,  genau  und 
treu  erzählt.  Er  hat  für  diese  Erzählung  nicht  nur  das  genaueste  und 
sorgfältigste  Quellenstudium  angestellt,  sondern  auch  in  der  ganzen 
Darstellung  eich  mit  solcher  Treue  und  Gewissenhaftigkeit  an  diese 
Quellen  gehalten,  dass  er  Nichts  berichtet,  als  was  durch  dieselben 
überliefert  ist,  vielmehr  alle  Ausschmückungen  und  Erweiterungen, 
welche  durch  die  neuere  Geschichtschreibung  und  Poesie  in  die  Ge- 
schichte dieses  Nationalhelden  gebracht  sind,  unbeachtet  bei  Seite  liegen 
lässt.  Seine  Darstellung  giebt  demnach  die  treueste  Geschichte,  wel- 
che über  diesen  Gegenstand  bis  jetzt  vorhanden  ist,  und  liefert  zugleich 
den  Beweis,  dass  die  alten  Quellen  bei  aller  Spärlichkeit  doch  reich- 
lich genug  fliessen ,  um  ein  zusammenhängendes  und  abgeschlossenes 
Ganze  darüber  zusammenzubringen,  sowie  auch,  dass  Armin  und  seine 
Thalen  durch  sich  selbst  grossartig,  erhebend  und  glänzend  genug  sind 
und  nicht  durch  Dichtung  und  äusseren  Schmuck  erst  gehoben  zu  wer- 
den brauchen.  Hätte  nun  Hr.  M.  diese  Geschichte  eben  so  einfach, 
schlicht,  frisch  und  lebendig  dargestellt,  wie  er  sie  treu  und  voll  hei- 
liger Begeisterung  fürs  Vaterland  geschrieben  hat;  sein  Buch  wäre  das 
herrlichste  und  ausgezeichnetste  Volksbuch  für  die  Jugend.  Allein  lei- 
der ist  sein  Erzählungston  ziemlich  schwerfällig,  und  oft  zu  trüb  und 
düster,  und  die  geschichtlichen  Thatsachen  sind  mit  zu  vielen  Refle- 
xionen durchzogen,  welche  deren  Grossartigkeit  mehr  verringern  als 
unterstützen  und  überhaupt  den  erhebenden  Eindruck  schwächen.  Den- 
noch bleibt  sein  Buch  eine  sehr  dankenswerthe  geschichtliche  Gabe, 
und  verdient  in  die  Hände  recht  vieler  deutschen  Jünglinge  zu  kommen, 
hei  denen  sie  jedenfalls  eine  richtige  Vorstellung  von  jener  Heldenzeit 
des  deutschen  Volkes  und  das  Bewusstsein  der  rechten  deutschen  Kraft 
und  Vaterlandsliebe  erwecken  wird.  vgl.  Blatt,  f.  liter.  Unterhalt.  1840. 
Nr.  3.  Für  Gymnasien  und  Sprachgelehrte  überhaupt  ist  noch  beson- 
ders beachtenswerth  die  Schrift f  Arm'mius  Cheruscorum  dux  ac  accus, 
liberator  Germaniae.  Ex  colleclis  veterum  locis  composuit  J.  F.  M  a  s  s- 
mann  [Lemgo,  Meyer.  1839.  XXVIII  u.  15«  S.  gr.  8.  geh.  20  Gr.], 
welche  den  Commentar  zu  jener  ersteren  Schrift  bildet,  und  auch  ein 
für  sich  bestehendes  Ganze  macht.  Der  Verfasser  hat  nämlich  darin 
alle  Stellen  der  römischen  und  griechischen  Schriftsteller,  welche  von 
Armins  Leben  und  Thaten ,  von  den  vorausgegangenen  Kämpfen  der 
Römer  mit  den  Deutschen  und  von  dem  damaligen  Zustande  Deutsch- 
lands erzählen,  wörtlich  und  in  der  Ursprache  (die  griechischen  mit 
beigefügter  lateinischer  Uebersetzung)  abdrucken  lassen  ,  und  so  zu- 
sammengeordnet, dass  sie  in  Mosaikform  ein  zusammenhängendes  Gan- 
zes bilden.  Vellejus,  Tacilus  und  Dio  Cassius  (mit  Zonaras)  haben 
natürlich  die  Hauptausbeute  gegeben  ,  aber  auch  Cäsar,  Strabo,  Flo- 
rus,  Sueton,  Frontin,  Plinius  und  Seneca  haben  beigesteuert,  was 
aus  ihnen  zu  gewinnen  war,  und  in  erläuternden  Anmerkungen  ist 
noch  nachgewiesen  ,  was  sich  etwa  noch  sonst  woher  aus  den  Alten 
oder  aus  neueren  Forschungen  gewinnen  liess.     Cäsars  Rede  bei  Dio 


Bibliographische  Berichte  und  Miscellen.  215 

Cassius  XXXVIII,  38  f.  macht  den  Anfang  und  bildet  mit  einer  lateinisch 
geschriebenen,  vornehmlich  nach  Zcuss's  Schrift:  Die  Deutschen  und  die: 
Nachbar  stumme  i  gearbeiteten  geographischen  Uebersicht  der  deutschen 
Stämme  und  ihrer  Wohnplätze  die  Einleitung  zum  Ganzen.  Darauf 
folgen  S.  15  —  44.  die  Stellen  der  Alten  über  die  Kämpfe  der  Deutschen 
mit  den  Römern  von  dem  Cimbern  -  und  Teutonenzuge  an  bis  auf  den 
zweiten  Zug  des  Tiberius  nach  Germanien  und  zuletzt  S.  45  — 132  die 
Nachrichten  derselben,  welche  über  Arminius  und  seine  Zeit,  über 
beine  Kämpfe  mit  Varus ,  Germanicus  und  Marbod ,  und  über  seinen 
und  Marbods  Untergang  vorhanden  sind.  Anhangsweise  ist  noch  ein 
Prospectus  in  tempora  posteriora  und  Uir.  Huttens  Dialog  Arminius  bei- 
gefügt. In  der  deutsch  geschriebenen  Vorrede  bespricht  Hr.  Bf,  den 
Werth  der  hier  ausgezogenen  Quellen  und  charakterisirt  kurz  die  neue- 
ren deutschen  Schriftsteller,  welche  über  Armin  und  die  Teutoburger 
Schlacht  geschrieben  haben.  Den  Werth  des  Buchs  haben  wir  durch 
gegenwärtigen  Inhaltsberieht  angegeben,  und  er  ist- eben  kein  anderer, 
als  dnss  die  Stellen  der  Alten,  welche  man  für  die  Geschichte  der 
Deutschen  in  jener  Zeit  kennen  muss,  vollständig  und  übersichtlich  zu- 
sammengestellt und  so  weit  als  nöthig  erläutert  sind.  Der  Geschichts- 
forscher hat  daher  in  bequemer  Uebersichtlichkeit  beisammen  ,  was  er 
von  den  Alten  erfahren  kann,  und  andere  Leser  können  diese  Stellen 
als  eine  Geschichte  Deutschlands  im  eisten  Jahrhunderte  n.  Chr.  ge- 
brauchen, zumal  da  dieselben  eine  vollständige  uud  zusammenhän- 
gende Geschichte  der  Römerkänipfe  bieten.  [J.J 


Bei  der  jüngsten  Versammlung  deutscher  Philologen  und  Schul- 
männer in  Mannheim  hat  ein  Gelehrter  folgende  Preisfrage  gestellt: 
„Welches  sind  die  Ursachen,  warum  so  viel  Gutes,  was  die  Kinder  in 
den  Schulen  gelernt  haben,  wieder  verloren  geht,  sobald  und  nachdem 
sie  die  Schule  verlassen  haben?  Welche  Mittel  können  gegen  diesen 
Verlust  nach  dem  Verlassen  der  Schulen  angewendet  werden  durch  die 
Kinder  selbst,  durch  Eltern,  Lehrer,  Geistliche,  Privatpersonen  und 
Vereine,  auch  durch  den  Verein  der  deutschen  Philologen  und  Schul- 
männer, und  endlich  durch  den  Staat,  besonders  in  Hinsicht  auf  sol- 
che Kinder,  welche  nicht  für  den  gelehrten  Stand  und  damit  für  den 
Besuch  einer  Universität  bestimmt  sind?"  Bei  der  Beantwortung  die- 
ser Frage  soll  man  erstens  untersuchen,  ob  nicht  vielleicht  in  dem 
Unterricht  selbst  der  Keim  des  Verlustes  liegt:  theils  weil  viel  von 
dem,  was  die  Kinder  in  den  Schulen  lernen,  wenn  es  auch  den  Namen 
eines  guten.  Unterrichts  trägt,  eigentlich  nicht  gut  ist,  und  also  ver- 
möge seiner  Beschallen  hei  t  wieder  verloren  geht;  und  theils  wenn  es 
auch  gut  ist,  nicht  auf  eine  solche  Weise  gelehrt  und  gelernt  werde, 
die  es  wahrscheinlich  macht,  dass  es  nicht  wieder  verloren  gehe. 
Zweitens  und  hauptsächlich  soll  man  aber  die  Mittel  angeben,  dem 
Verluste  von  dem,  was  wirklich  gut  ist  und  gut  gelehrt  und  gelernt 
wurde,  zuvorzukommen.  Für  die  beste  Lösung  der  Aufgabe  ist  ein 
Preis  von  300  Gulden  rhein.  Währung  bestimmt,  wozu  die  Summe  bc- 


210  Bibliographische  Berichte  und  Miscellcn. 

rcits  bei  der  Sparcasse  in  Mannheim  niedergelegt  ist.  Die  Antworten 
müssen  bis  zum  1.  Januar  1841  ohne  Namen  und  mit  einem  Motto, 
welches  zugleich  auf  dem  versiegelten  Zettel,  der  den  Namen  des  Ver- 
fassers enthält,  geschrieben  stellt,  an  den  Geheimen  Hofrath  Dr. 
JSässlin  in  Mannheim  durch  Buchhändlergelegenheit  eingesendet  wen- 
den, und  eine  Commission  erfahrener  Schulmänner  wird  die  eingegan- 
genen Preisschriften  prüfen  und  das  Resultat  der  vierten  Versammlung 
deutscher  Philologen  und  Schulmänner  vorlegen. 


Bibliotheca  acriptorum  ac  poetarum  Latinorum  recentioris  aetaiis  se- 
Iccta.  Curavit  Fr  id.  Trau  g.  Friedemann.  A.  Scriptorum  vol.  I. 
j).  1.  [Lipsiae,  A.  1840.  Sumtum  fecit  ac  venumdat  Georgius  Wigand. 
Octav  und  Duodezform.  Auch  unter  dem  besondern  Titel:  Scriptorum 
Latinorum  saeculi  XIX.  delectus.  Curavit  Fr.  T  r  a  u  g.  Friede  mann. 
Pars  prima. J  Es  ist  ein  sehr  nützliches  Unternehmen  des  Hrn.  Ober- 
schulrathcs  Fr.  Traug.  Friedemann  zu  Weilburg,  der  sich  bereits 
grosse  und  anerkannte  Verdienste  um  die  alten  Wissenschaften  erwor- 
ben hat,  in  einer  Zeit,  wo  man  von  fast  allen  Seiten  die  philologi- 
schen Wissenschaften  mehr  oder  weniger  angefeindet  und  namentlich 
den  Gebrauch  der  lateinischen  Sprache  bei  Lehrvorträgen  auf  Schulen 
und  Universitäten  für  anstössig  und  unzweckmässig  erklärt  hat,  durch 
Sammlungen  der  gediegensten  in  lateinischer  Sprache  abgefassten  Re- 
den und  Abhandlungen  der  neuern  Zeit,  so  weit  dieselben  von  allge- 
meinerem Interesse  zu  sein  scheinen,  auch  dem  grösseren  Publicum  zu 
zeigen,  dass ,  trotz  allen  Ein-  und  Gegenreden,  die  alten  Studien 
noch  fortwährend  gedeihen  und  von  Männern  angebaut  und  gepflegt 
werden,  welche  die  lateinische  Sprache,  wenn  auch  nicht  mit  der 
Weihe  der  alten  Klassiker  selbst ,  was  ja  auch  eine  reine  Unmöglichkeit 
wäre,  doch  eben  so  gewandt  und  geschickt  und  jedenfalls  mit  besserer 
Wortwahl  als  unsere  Vorältern  zu  brauchen  und  die  Leser  durch  ihren 
Vortrag  selbst  anzuziehen  und  zu  fesseln  wissen.  Auch  hat  der  Hr. 
Herausgeber  in  dem  uns  vorliegenden  1.  Bändchen  wenigstens,  wie  es 
scheint,  bei  der  Auswahl  der  Reden  und  Abhandlungen  selbst  eine  be- 
sondere Rücksicht  auf  die  Bekämpfung  der  in  Bezug  auf  die  philolo- 
gischen Wissenschaften  im  Allgemeinen  und  auf  den  Gebrauch  der 
lateinischen  Sprache  in's  Besondere  in  der  neueren  Zeit  laut  gewordenen 
Ideen  genommen.  Dies  kann  man  nicht  tadelnswerth  finden ,  zumal 
die  verheissene  Fortsetzung  der  Bibliotheca  auch  sicherlich  Manches 
hringen  wird,  was  eine  allgemeinere  Richtung  nimmt.  Doch  ist  Ref. 
in  Bezug  auf  die  in  neuerer  Zeit  laut  gewordenen  Stimmen  nicht  der 
Ansicht,  dass  sie  ganz  unbeachtet  und  spurlos  an  den  eifrigen  Pflegern 
und  aufrichtigen  Verehrern  der  alten  Wissenschaften  sollten  vorüber 
gehen.  Es  ist  wahr,  jene  Aeusserungen  sind  zum  Theil  einseitig,  un- 
überlegt, unverständig;  zum  Theil  übertrieben ,  anmaasslich  und  un- 
bescheiden; zum  Theil  wohl  auch  unredlich,  eigennützig  und  unwür- 
dig; allein  andern  Theils  sind  sie  so  allgemein,  von  so  verständigen 
und  einsichtsvollen  Männern ,  von  so  aufrichtigen   und   redlichen   Cha- 


Bibliographische  Belichte  und  Miscellen.  217 

ratteren  ausgesprochen  worden,  dass  ilire  Beachtung  wünschenswerth 
und  nothw  endig  erscheint.  Lud  in  der  Tliat  können  die  philologischen 
Wissenschaften  selbst  bei  einer  Läuterung  nur  gewinnen  ;  zu  fürchten 
haben  sie  gewiss  nichts  dabei,  da  ihre  Grundlagen  so  fest  und  uner- 
schütterlich dastehen,  dass  wohl  der  Ausbau  hie  und  da  eine  Veränderung 
erleiden  kann,  nie  aber  der  Bau  selbst  einer  eigentlichen  Erschütte- 
rung ausgesetzt  sein  wird.  Gewinnen  aber  muss  unsere  Wissenschaft, 
wenn  sie  überall  in  gefälliger  Form,  mit  geläutertem  Gesehmacke,  mit 
richtigem  Takte  erscheint,  wie  dies  bei  den  Koryphäen  derselben  längst 
der  Fall  war,  wenn  sie  sich,  obschon  der  innern  Kraft  bewusst,  doch 
rücksichtsvoll  und  bescheiden  den  anderen  Wissenschaften  anschliesst 
und  beigesellt,  nicht,  weil  ihrer  alle  Gelehrten  mehr  oder  weniger  zu 
bedürfen  scheinen,  sich  für  die  unentbehrlichste  oder  allseitigstc  Wis- 
senschaft hält;  auch  wohl  gar  unbescheiden  da  mäkelt,  wo  sie  eine 
Schwäche  bei  andern,  sonst  achtuiigswerthen  Gelehrten  sieht,  nichts 
für  gut  und  vortrefflich  hält,  was  die  Alten  thaten  oder  schrieben, 
wenn  es  nicht  allen  Zeiten  Stand  halten  kann,  endlich  den  überflüssi- 
gen Ballast  und  Bombast  abwirft,  der  hie  und  da  wohl  noch  in  den 
Schriften  der  Philologen  spuken  mag.  —  Doch  nichts  von  dem,  was 
wir  wegwünschten,  haben  wir  zu  befürchten  bei  den  Männern  ,  deren 
Geistesproducte  uns  hier  dargeboten  werden,  bei  einem  Herausgeber, 
der  die  Bedürfnisse  der  neueren  Zeit  kennt,  wie  Hr.  Friedeinann  !  Und 
wir  wenden  uns  also  ganz  harmlos  dem  so  trefflichen  und  so  reichhal- 
tigen Inhalte  des  ersten  uns  vorliegenden  Bändchens  der  genannten 
Sammlung  zu.  Sie  bietet  nur  Gutes  und  Gediegenes,  und  bei  den  be- 
kannten und  glänzenden  Namen  ,  denen  wir  hier  begegnen ,  bedarf  es 
wohl  nur  der  Inhaltsangabe,  um  das  Interesse  und  die  Kauflust  unserer 
Leser  rege  zu  machen.  Zuerst  steht:  Ioannis  Buhe  oratio  de  humani- 
tatis  laude  in  veterum  litterariim  studio  speclanda,  Sie  ward  im  Jahre 
1829  an  der  Universität  Leiden  gehalten  und  erschien  in  demselben 
Jahre  in  Druck  mit  einem,  mit  Bccht  auch  in  der  Bibliothcca  mitge- 
teilten, Vorworte.  Es  folgt:  Godofrcdi  Statlbaum  oratio  de  pcriculis 
litterariim  humanitalis  studio  nosira  aetate  imminentibus.  Sie  ward  am 
Jahresschluss  183G  auf  der  Leipziger  Thomasschule  gehalten  und  er- 
schien iiu  folgenden  Jahre  in  Druck.  Sodann:  Caroli  Emcsti  Chribto- 
phori  Schneider  Dissertatio  de  recia  philologiae  traetandae  ratione ,  die 
dem  Lectionsr-erzeichnisse  der  ßreslauer  Universität  v.  J.  1828  entnom- 
men ist.  Francisci  f'olhmari  Fritzsche  oratio,  qua,  quem  in  locum 
Graccarum  Ilomanarumquc  literarum  Studium  saeculo  XIX.  pervenerit, 
ostendilur,  gehalten  an  der  Universität  Bostock  1830  und  ebendaselbst 
erschienen  in  demselben  Jahre.  F.  L.  f'ibe  oratio  de  antiquarum  litte- 
rariim diseiplina  iniuslc  hodie  in  contemtum  vocala ,  die  im  J.  1835  bei 
der  akademischen  Gedächtnissfeier  zu  Ehren  Luthers  zu  Christiania  ge- 
halten ward  und  im  folgenden  Jahre  in  Druck  erschien  ,  und  hier  in. 
ihren  Haupttheilen  im  Auszüge  mitgetheilt  ist.  Ilair.  Cur.  Abrah. 
Eichslacdt  (warum  nicht  Eichstadii,  wie  der  grosse  Latinist  sich  selbst 
schreibt?)  dissertatio  de  novo  Mich,    Otmonis  consilio  civilalcm  Latinam 


218  Bibliographische  Berichte   uud   Miscellcn. 

fundandi,  die  zur  Ankündigung  der  akademischen  Preisaufgabe  za 
Jena  1822  erschien.  Godofredi  Hermann  oratio  post  obitum  Chr.  Dan. 
Jicckii  habita.  Sie  ward  bei  der  Magistercreation  der  Universität  Leip- 
zig im  J.  1838  gehalten  und  herausgegeben,  und  später  auch  in  den 
Opusc.  vol.  V.  p.  312  sqq.  abgedruckt.  Augusti  Boeckh  oratio  ,  in  de- 
dicalione  Universitatis  litlerariae  Bcrolincnsis  habita;  sie  ward  gehalten 
am  2o\  Apr.  1817  und  erschien  zuerst  zu  Berlin  in  demselben  Jahre. 
Caroli  Guilielmi  Goettling  oratio  de  non  mutandis  aeademiarvm  Germa- 
niae  formis.  Sie  ward  gehalten  an  der  Universität  Jena  1839  und  er- 
schien in  der  Bibliotheca  selcctu  etc.  das  erste  Mal  im  Drucke.  Caroli 
Timoihei  Zumpt  oratio  de  re  scholaslica ,  in  primis  Borussorum  ,  gehalten 
am  Joachimsthaler  Gymnasium  zu  Berlin  1823  und  später  im  Drucke 
erschienen.  Den  Schluss  dieser  ersten  Abtheilung  macht:  Adolphi 
Aenothei  Lange  oratio  de  severitate  diseiplinae  Portensis.  Sie  wurde  ge- 
halten im  J.  1821  in  der  Schulpforte  und  ward  später  abgedruckt  in  de9 
verewigten  Lange  Opusc.  gesammelt  von  C.  G.  Jacob.  Leipzig  1832. 
Die  Gediegenheit  und  Reichhaltigkeit  des  Inhalts  verbürgt  dem  Unter- 
nehmen gewiss  den  sicheren  Bestand  ,  den  es  in  jeder  Hinsicht  ver- 
dient. Die  nächste  Abtheilung  verspricht  Reden  und  Abhandlungen 
von  A.  JVeicherl ,  Fr.  Jacobs,  G.  A.  Gabler,  F.  Schleiermacher,  G.  G. 
F.  Hegel,  G.  Hermann ,  D.  C.  G.  Baum  garten  -  Crusius ,  P.  G.  Peerl- 
Itamp,  P.  G.  Heusde,  A.  Boeckh  mitzutheilen.  Die  gleichzeitig  er- 
scheinende Abtheilung  von  lateinischen  Gedichten  verheisst  im  ersten 
Bande:  Petri  Lotichii  Secundi  poemata  omnia,  ad  editiones  P.  Bwr- 
tmtnni  See.  et  C.  T.  Krclzschmari  expressa,  im  zweiten  Bande  A7.  C. 
Sarbieüii  poemata  omnia  ad  optt.  edd.  expressa.  Die  äussere  Ausstattung 
ist  glänzend  und  der  Preis  für  ein  Bändchen  von  wenigstens  zwölf 
Bogen  8  Gr.  sächs.  äusserst  billig. 

Reinhol  d  Klotz. 


Friedrich  Wilhelm  Klumpp.  Eine  Selbstbiographie.  [Essen  hei  G. 
D.  Bädeker.  1838.  85  S.  8.]  Diese  Selbstbiographie  (aus  den  von  dein 
Seminardirector  Diesterwcg  herausgegebenen  Rheinischen  Blättern  be- 
sonders abgedruckt)  eines  Mannes,  der  in  der  neusten  Zeit  durch  seine 
pädagogische  Wirksamkeit  in  weiteren  Kreisen  sich  einen  Kamen  ver- 
schallt hat,  scheint  weniger  bekannt  geworden  zu  sein,  als  sie  ver- 
dient. Ref.  macht  deshalb  die  Leser  der  KJbb.  auf  dieselbe  mit  der 
Versicherung  aufmerksam,  dass  sie  dieselbe  gewiss  mit  Interesse  lesen 
werden.  Der  Verfasser  erzählt  ganz  einfach  seine  Jugendgeschichte, 
seine  Bildung  auf  den  sogenannten  niedern  Seminarien  (Klosterscha- 
len) in  Denkendorf  und  Maulbronn,  auf  der  Universität  Tübingen, 
seine  Theilnahme  an  einer  academischen  Verbindung  und  in  deren 
Folge  seine  Bestimmung  für  den  Beruf  eines  Lehrers  und  Erziehers, 
seine  Wirksamkeit  als  Lehrer  und  Erzieher  in  Vaihingen ,  Leonberg 
und  Stuttgart,  die  Entstehung  seiner  allgemeiner  bekannt  gewordenen 
Schrift:  „die  gelehrten  Schulen  nach  den  Grundsätzen  des  wahren  Hu- 
manismus und  den  Anforderungen  der  Zeit"  und  die  zur  Rcalisirung 


Todesfälle.  219 

6einer  Ideen  unter  seiner  Mitwirkung  erfolgte  Errichtung  der  Erzie- 
hungsanstalt in  Stetten.  Indem  er  die  Art  und  Weise,  wie  er  sich  zum 
Lehrer  und  Erzieher  gehildet,  mittheilt  und  auf  mehrere  Mängel  de9 
wörtembergischen  höheren  Schulwesens  aufmerksam  macht,  gesteht 
er  eben  so  offen  seine  in  beiden  Beziehungen  gemachten  Missgriffe, 
als  er  bescheiden  über  seine  Leistungen  sich  äussert.  Die  von  dem 
Verf.  angedeuteten  religiösen  Ansichten  wird  mancher  von  seinem 
Standpunkte  aus  vielleicht  weniger  billigen ,  Ref.  kann  es  nicht  unter- 
lassen seine  Freude  darüber  auszudrücken ,  dass  der  Verf.  so  bestimmt 
und  entschieden  sie  ausgesprochen.  B  d  g. 


Todesfälle. 


Den  27.  Juni  1839  starb  zu  Sydney  in  Australien  der  verdiente 
britische  Geograph  und  Naturforscher  Allan  Cunniiigham,  dem  wir  be- 
sonders eine  genauere  Kunde  von  dem  fünften  Welttheile  verdanken. 

Den  27.  October  in  Paris  das  Mitglied  des  Instituts  Anne  Joseph, 
Euscbe  Baconnicre  Salverte,  ein  eifriger  Redner  der  Opposition  in  der 
Deputirtenkammer ,  und  durch  mehrere  Schriften ,  namentlich  auch 
durch  Ilorace  et  l'empereur  Auguste,  ou  obser\ations  qui  peuvent  ser- 
vir  de  complcment  aux  coinmcutaires  sur  Ilorace,  Paris  1823  und 
durch  zwei  grössere  geschichtliche  Werke  über  die  Entwickelung  der 
Civilisation  bekannt,  geboren  in  Paris  am  18.  Juli  1771. 

Den  29.  October  in  Mühlhausen  der  Lehrer  der  französischen 
Sprache  am  Gymnasium  ,  Collaborator  FiscJier. 

Den  4.  December  der  Bischof-  von  Lichfield  und  Covcntry  Dr. 
Butler,  bekannt  als  Herausgeber  eines  Apparatus  criticus  et  exegeticus 
in  Aeschylum  ,  gebaren  1780.  . 

Den  20.  December  in  Bielefeld  der  Lehrer  Dr.  Georg  Ileidbreede, 
erst  seit  1837  als  Gymnasiallehrer  thütig. 

Den  11.  Januar  1840  in  Sorot;  der  Lector  der  griechischen 
und  englischen  Literatur  an  der  dasigen  Akademie  M.  Christian  JFilstcr, 
als  Ucbersctzer  des  Homer  und  Euripidcs  ins  Dünische  bekannt,  im 
43.  Jahre. 

Den  16.  Januar  in  Riga  der  Oberpastor  an  der  St.  Jacobskirche 
und  Präsident  der  Gesellschaft  für  Geschichte  und  Alterthumskundc  in 
den  Ostseeprovinzen  Dr.  Gravc ,   im  56.  Lebensjahre. 

Den  18.  Januar  in  Nürnberg  der  quiescirte  Studicnrector  und  Pro- 
fessor Jvh.  Ad.  Götz,  85  Jahre  alt. 

Den  22.  Januar  in  Göttingen  der  berühmte  Naturforscher  Dr.  Joh. 
Fricdr.  Blumenbaeh ,  Senior  der  Universität,  Ober- Medicinalralh  und 
eeit  1775  Lehrer  an  der  Universität,  seit  1812  beständiger  Secretair  der' 
königl.  Socictat  der  Wissenschaften ,  Mitglied  von  75  Akademicen  lind 


220  Schul'    und  Uni versi  tiitsnachrichten, 

gelehrten  Societäten,  geboren  In  Gotha  am  11.  Mai  1752.  Bereits  im 
Jahre  1826  hatte  er  sein  50jähriges  Professorjubiläuni  gefeiert,  zu  des- 
sen Andenken  das  Stipendium  Blumenbachianum  begründet  wurde,  vgl. 
Stuttgart.  Allg.  Zeit.  1840  Nr.  84. 

Den  23.  Januar  in  Zeitz  der  Lehrer  der  Mathematik  und  Physik 
am  Gymnasium,   Professor  Dr.  E.  F.  Junge,  44  Jahre  alt. 

Den  23.  Januar  in  Berlin  der  Rector  an  der  kün.  Garnisonschule 
K.  Sprengel,  52  Jahre  alt. 

Den  24.  Januar  zu  Cylli  in  Steycrmark  der  Professor  Joh.  Gabt: 
Scidl,   ein  in  Oestreich  beliebter  Dichter. 

Den  1.  Februar  in  München  in  Folge  schwerer,  durch  den  Uin- 
Bturz  eines  Wagens  herbeigeführten  Kopfverletzungen  der  Gcheimrath 
von  Utzsehneider ,  ein  für  die  Industrie  und  das  Finanzwesen  Bayerns: 
hochverdienter,  durch  sein  optisches  Institut  in  ganz  Europa  bekannter 
Mann  ,  77  Jahre  alt. 

In  der  Nacht  vom  5.  zum  6.  Februar  in  Halle  der  Professov  der 
orientalischen  Literatur  an  der  Universität  in  Königsberg  Peter  von 
Bohlen,   im  44.  Lebensjahre. 

Den  5.  Februar  in  Berlin  der  als  Dichter  rühmlich  bekannte  Frei- 
herr Franz  von  Gauchj,  geb.  zu  Frankfurt  a.  d.  O.  am  19.  Apr.  1800. 

Den  20.  Februar  in  Grimma  der  sechste  ordentliche  Lehrer  an  der 
dasigen  Landcsschule ,  Professor  M.  Wilhelm  Ferdinand  Korb,  im  39. 
Lebensjahre,  durch  einige  kleine  Schriften,  namentlich  über  Josephus, 
bekannt. 

Den  20.  Februar  in  Dresden  der  Director  der  kün.  Kameralvermes- 
eung  Wilhelm  Gotlhelf  Lohrmann. 

Den  12.  März  in  Leipzig  der  emeritirte  fünfte  College  an  der 
Thomasschule  M.  Georg  Friedrieh  Baumgürtel  im  80.  Lebensjahre. 

Den  12.  März  in  Leipzig  der  berühmte  Hellenist  und  Herausge- 
ber vieler  philologischen  Werke  Gottfried  Heinrich  Schäfer,  ausseror- 
dentlicher Professor  bei  der  Universität  und  früher  Univeräitätsbiblio- 
thekar,  im  77.  Lebensjahre. 


Schul- und   Universitätsnaclirichten ,   Beförderungen  und 
Ehrenbezeigungen. 

AscHAFFENBrnG.  Dem  Professor  der  Theologie  am  Lyceum  Prie- 
ster Dr.  Gösehel  ist  die  Stadtpfarrei  in  Nürnberg  verliehen,  und  dem 
Professor  der  Philosophie,  Priester  Dr.  Joseph  llolzner  unter  Beibehal- 
tung seiner  Lehrstelle  am  Lyceum  die  Stelle-  eines  Regens  im  Knaben- 
eeminar  übertragen  worden. 

Badbh.  Durch  einen  Beschluss  des  grossherzoglichen  Obcrstu- 
dienrathes  ist  die  hiesige  lateinische  Schule  mit  ihren  bisherigen  drei 
Jahrcscursen  iu  eine  höhere  Bürgerschule  umgewandelt  worden ,  und 
zwar  in  der  Art  erweitert,  da»s  sie  von  nun  an  aus  5  Jahrescursen  mit 


Beförderungen  und  Ehrenbezeigungen.  221 

eigenen,  an  keine  anderen  Amtsverrichtungen  gebundenen  Lehrern  be- 
stehen soll.  Bisher  nämlich  waren  die  hiesigen  heiden  Pfarrvicare 
zugleich  die  eigentlichen  Hauptlehrer  der  Anstalt,  was  nicht  selten  für 
diese  mancherlei  Nachtheil  hatte.  Wir  müssen  es  auch  bei  dieser 
Gelegenheit  tadeln  ,  dass  der  ehrenvolle  Titel  „Professor"  auch  Leh- 
rern solcher  untergeordneten  Lehranstalten  beigelegt  ist,  wiewohl  die- 
selben oft  noch  auf  keinerlei  Weise  ihre  Ansprüche  auf  solche  Aus- 
zeichnung an  den  Tag  gelegt  haben.  —  Die  erweiterte  höhere  Bür- 
gerschule in  Baden  sucht  einen  doppelten  Zweck  zu  erreichen:  einmal 
ßollen  junge  Leute,  welche  einen  bürgerlichen  Beruf  wählen,  der 
eine  höhere  geistige  Entwickelung  und  umfassendere  Vorkenntnisse  er- 
fordert, durch  die  in  dem  neuen  Schulplane  bestimmten  Gegenstände 
zu  diesem  Zwecke  unterrichtet  werden;  sodann  soll  aber  auch  für  jene 
Zöglinge  gesorgt  werden  ,  welche  sich  dem  Studium  der  Wissenschaf- 
ten widmen  wollen,  um  einst  in  Staatsdienste  treten  zu  können.  Die 
Anstalt,  ihrem  Zwecke  nach  zunächst  eine  Realschule,  will  also  auch, 
ßoweit  ihre  Kräfte  reichen  ,  für  humanistische  Bildung  Sorge  tragen. 
Die  Anstalt  will  überhaupt  bemüht  sein  ,  die  Schüler  in  den  Stand  zu 
setzen  ,  dass  sie  wohl  vorbereitet  aus  ihrer  obersten  Classe  entweder  in 
die  erste  mathematische  Classe  des  polytechnischen  Instituts  zu  Karls- 
ruhe, oder  in  die  Unter- Quinta  einer  Gelehrtenschule  des  Grossherzog- 
thums  zugelassen  werden  können,  eine  hohe  Aufgabe,  deren  Lösung 
der  Anstalt  bei  den  vorhandenen  Lehrkräften  schwer  werden  möchte. 
Die  bisherige  Erfahrung  hat  auch  gezeigt,  dass  die  Schüler  solcher 
Anstalten,  wo  denn  doch  immer,  wenn  anders  sie  ihren  Hauptzweck 
nicht  verfehlen  wollen,  realistische  Bildung  vorherrschend  sein  muss, 
bei  einer  geordneten  Gelehrtenschulo  oft  kaum  mit  den  Schülern  der 
Unter-Quarta  gleichen  Schritt  halten  konnten.  Ueberhaupt  ist  das 
Ilinübergreifenwollen  der  Bürgerschule  in  die  Aufgabe  des  Gymna- 
siums durchaus  zu  tadeln,  da,  von  andern  Nachtheilen  nicht  zu  reden, 
die  Gründlichkeit  des  Unterrichtes  bei  solcher  Tendenz,  die  meist 
nichts  anderes  als  Ostentation  ist,  leiden  muss.  Das  diesjährige  zum 
ersten  mal  gedruckte  Programm  der  Badener  Bürgerschule  möchte 
diese  unsere  Befürchtung  durch  die  Aeusserung  rechtfertigen  ,  dasa 
für  die  Aufnahme  in  die  Unter- Quinta  der  Gelehrtenschule  der  Besitz 
einiger  Vorkenntnisse  in  der  griechischen  Sprache  nöthig  sei  ,  darum 
sie  für  die  Ertheilung  jenes  Sprachunterrichtes  Sorge  tragen  wolle  — 
doch  wird  schon  in  Ober-Quarta  Homer  gelesen.  Zu  loben  ist,  dasa 
die  englische  Sprache  in  den  Lehrkreis  aufgenommen  worden  ist,  in- 
dem dies  bei  den  eigenthümlichen  Verhältnissen  jenes  berühmten  Kur- 
ortes nicht  anders  als  vorteilhaft  sein  kann.  Ferner  dürfte  es  dem 
Zwecke  der  Badner  Schule  ganz  entsprechend  sein  ,  dass  im  5.  Jahres- 
curse  die  technische  Nattirlchre  einen  weiteren  Unterrichtsgegenstand  bil- 
det, welcher  zugleich  die  der  Fassungskraft  der  Zöglinge  angemesse- 
nen Lehren  der  Mechanik  enthalten  soll.  Nach  dem  Programme 
sollen  die  allgemeinen  Eigenschaften  der  Körper  den  Lehrstoff  im  Ein- 
zelnen lüden,  und  zwar:   1)  der  festen  Körper;  deren  Eigenschaften  in 


222  Schul-   und  Uni  v  crsi  tätsnachri  chtcn  , 

Ruhe  und  Bewegung  im  Allgemeinen  ,  insbesondere  Schwerpunkt, 
Reibung,  Hebel,  Rolle,  Flasehenzng,  Räderwerk,  schiefe  Ebene, 
Keil,  Sehraube,  das  Pendel,  die  Lehre  vom  Stoffe;  2)  der  tropfbar 
flussige  Körper:  insonderheit  das  AVasser  in  Ruhe  uud  Bewegung, 
Druck,  cominunicirende  Röhren,  Brunnen,  Springbrunnen  und  arte- 
sische Brunnen,  Pumpen,  Druckwerke  u.  8.  w:,  Gleichgewichtszu- 
stand eingetauchter  und  schwimmender  Körper,  Kanäle,  Wasserräder 
u.  s.  w.  ;  3)  der  elastisch-flüssige  Körper:  insonderheit  die  atmosphä- 
rische Luft  in  Ruhe  und  Bewegung,  Druck,  Elasticität  ,  Barometer, 
und  dessen  Anwendung  als  meteorologisches  Werkzeug,  Luftballon, 
Gebläse,  Schall,  musikalische  Instrumente;  4)  Licht  und  ff 'arme: 
Eigenschaften  des  Lichtes,  Farben,  optische  Instrumente,  Spiegel, 
Beleuchtungsapparate.  Eigenschaften  der  Wärmeleitung  und  Strah- 
lung, Ausdehnung  der  Körper,  Thermometer  und  dessen  Gebrauch 
als  meteorologisches  Werkzeug,  Anwendungen  des  Dampfes ,  Dampf- 
maschinen ,  Verbrennungsproccss ,  Oefen ,  Ileerde,  u.  s.  w. ;  5)  Mag- 
netismus: Magnetnadel,  Elcctricität ,  electrische  Erscheinungen  in  der 
Atmosphäre;  (>)  die  Erde  als  Planet ,  das  Sonnensystem  und  populäre 
Sternkunde;  7)  Verbindung  und  Zersetzung  unorganischer  und  orga- 
nischer Stoffe,  Abdampfen,  Destilliren,  Sublimiren,  Gnhrungspro- 
cesse  u.  s.  w.  —  Wer  mag  nicht  staunen  über  das,  was  hier  Alles  ver- 
sprochen wird!  und  was  uns  betrifft,  wir  würden  uns  herzlich  freuen, 
all  diese  Dinge  nicht  blos  im  Programm  gedruckt  zu  lesen.  —  Mit 
diesem  Unterrichte  sollen  übrigens,  so  viel  es  geschehen  kann ,  ein- 
fache Versuche  verbunden  werden  ,  und  um  diese  anstellen  zu  können, 
soll  in  Bälde  (!)  ein  vollständiger  physikalischer  Apparat  angeschafft 
werden.  Die  Gesammtzahl  der  Zöglinge  der  Anstalt  im  verflossenen 
Schuljahre  betrug  48,  sämmtlich ,  bis  auf  Wenige,  von  Baden  gebür- 
tig. —  Die  Inspection  über  die  Anstalt  übernahm  der  pensionirte  in 
Baden  privatisirende  holländische  Professor  Dr.  Gübel,  dessen  regem 
Eifer  jene  viel  zu  verdanken  hat.  [ß.] 

Bamberg.  Am  Lyceum  ist  das  Lehramt  der  Naturgeschichte  und 
Chemie  zu  einer  besonderen  Lehrstelle  (Lyceal -Professur)  erhoben 
und  dieselbe  unter  dem  22.  August  1839  dem  bisherigen  Verweser  Dr. 
Jf'ies  provisorisch  übertragen,  vor  kurzem  aber  der  Professor  der  Phi- 
lologie und  Archäologie  A.  Mühlig  temporär  quiescirt  und  an  dessen 
Stelle  der  Professor  Dr.  Ruthardt  zum  Lehrer  der  Philologie  und  Ar- 
chäologie ernannt  worden. 

Bkiilin.  Zur  Feier  des  Krönungs-  und  Ordensfestes  am  19.  Ja- 
nuar ist  unter  Anderen  25  beim  Unterrichtswesen  beschäftigten  Gelehr- 
ten der  rothe  Adlerorden  ertheilt  worden,  nämlich  der  Orden  2.  Classe 
dem  Geh.  Oberrevisionsrath  und  Professor  von  Savigny  an  der  Univer- 
sität in  Berlin;  die  Schleife  zur  3.  Classe  dem  Geh;  Medicinalrath  und 
Professor  Dr.  Osann  und  dem  Professor  Dr.  Karl  Ritter  an  derselben 
Universität  in  Berlin;  der  Orden  3.  Classe  mit  der  Schleife  dem  Geh. 
Bergrath  und  Professor  von  Dechen  an  der  Universität  in  Berlin  ,  den 
Geheimen  Oberregierungsräthen  Keller  und  Dr.  Schweder  im  Ministerium 


Beförderungen  und  Ehrenbezeigungen.  223 

der  Geistlichen,  Unterrichts-  und  Medicinalangelegcnheiten  in  Berlin, 
dem  Professor  Dr.  Romberg  an  der  Universität  in  Berlin,  dem  Superin- 
tendent, Oberprediger  und  Professor  Dr.  Spieler  in  Frankfurt  a.  d.  0.; 
der  Orden  4.  Ciasse  dem  Professor  Agasitz  an  der  Akademie  in  Neuf- 
chatel,  dem  Professor  Dr.  Gustav  Bischof  an  der  Universität  in  Bonn, 
dem  Director  Braut  am  Gymnasium  in  Brandenburg  ,  dem  Director 
Crüger  am  evangelischen  Schullehrerseminar-  in  Keuzelle ,  dem  Profes- 
sor und  Prorector  Dr.  Heinsitts  am  Gymnasium  zum  grauen  Kloster  in 
Berlin,  dem  Seminardirector  Kuchling  zu  Bären  im  Begier.  Bezirke 
Minden,  dem  Consistorialrath  und  Professor  Dr.  Middcldorf  an  der 
Universität  in  Breslau,  dem  Professor  Dr.  Hauke  an  der  Universität  in 
Berlin,  dem  Consistorialrath  und  Professor  Dr.  lihcsa  an  der  Universi- 
tät in  Königsberg,  dem  Professor  und  Director  Dr.  Rtbbeck  am  Gymna- 
sium zum  grauen  Kloster  in  Berlin,  dem  Prof.  Dr.  Schlemm  an  der 
Universität  in  Berlin,  dem  Prof.  Dr.  Schlüter  an  der  Akademie  in  Mün- 
ster, dem  Director  Dr.  Schüler  am  Gymnasium  in  Lissa,  dem  Bibliothe- 
kar und  Professor  Dr.  Schümann  an  der  Universität  in  Greifswald,  dem 
Consistorialrath  und  Professor  Dr.  Thilo  an  der  Universität  in  Halle, 
dem  Professor  Dr.  Tölken  an  der  Universität  in  Berlin,  und  dem  Begie- 
rungs- Schulralhe  l'ogel  in  Breslau. 

Constanz.  Mit  Anfang  des  Sommersemesters  wurde  der  Lehramts- 
practicant  Laitbis ,  bisher  am  Gymnasium  zu  Offen  nur  g  aushelfend, 
durch  Beschluss  des  grossherzoglichen  Oberstudienraths  an  die  hiesige 
höhere  Bürgerschule  versetzt,  musste  jedoch  wegen  der  Kränklichkeit 
des  Prof.  Dr.  Hirt  bis  nach  Ende  der  Sommerferien  ausschliesslich  zur 
Aushülfe  am  Lyceum  verwendet  werden,  so  dass  er  erst  von  dieser 
Zeit  an  Unterricht  an  ersterer  Anstalt  ertheilte.  Von  dem  hiesigen 
Gemeinderath  hat  die  Anstalt  einen  sehr  vortheilhaft  gelegenen  Bade- 
platz angewiesen  erhalten.  In  Folge  dessen  wurde  die  Einrichtung 
getroffen,  dass  die  Schüler  der  fünf  untern  Classen  und  der  höheren 
Bürgerschule  nur  in  der  Schwimmschule  und  an  besagtem  Badeplatz 
jedesmal  unter  Aufsicht  eines  Lehrers  und  von  zwei  schwimmgeübten 
Schülern  der  zwei  obersten  Classen  badeten.  Die  Anzahl  der  Schüler 
des  Lyceums  betrug  im  verflossenen  Schuljahre  135,  die  der  mit  dem 
Lyceuui  verbundenen  Bürgerschule  71 ,    Gesammtzahl  206.         [ß.] 

DoKAtEscHiNGEN.  I ii  dem  Lehrpersonalstande  des  hiesigen  Gym- 
nasiums haben  im  Verlaufe  dieses  Schuljahres  folgende  Veränderungen 
statt  gefunden :  Durch  eine  Verfügung  des  Oberstudicnrathes  erhielt 
der  Lehramts- Practicant  Setz  aus  der  Staatscasse  500  Fl.  zum  Belmfo 
eines  einjährigen  Aufenthaltes  in  Genf,  um  sich  in  der  französischen 
Sprache  und  der  Physik  zu  vervollkommnen.  An  seine  Stelle  wurde 
der  Lehramts-l'rai  ticant  Reinhard  von  Königheim  mit  einem  Gehaitc 
von  -100  Fl.  ernannt;  ebenso  erhielt  auch  der  Lehramts- Practicant  Bees 
aus  der  Staatscasse  500 Fl.  zu  einem  einjährigen  Aufenthalt  in  Frank- 
reich, jedoch  mit  der  Bedingung,  die  Beise  erst  nach  dem  Schlüsse 
des  I.  J.  anzutreten.  —  Für  die  Jahre  1837  und  1838  wurden  durch 
Erlasg  des  grossherzoglichen  Ministeriums  de6  Innern  folgende  Benin- 


224  Schul-  und  Universitätsnach  richten, 

ncrationcn  anerkannt:  Dem  provisorischen  Director  Fickler  209  Fl., 
dem  Professor  Clialon  150  Fl.,  dem  Frofessor  Ganter  150  FI. ,  dem 
Lchramtspracticanten  Sciz  100 Fl. ;  der  Gehalt  der  Lehramts-Practican- 
ten  Hees  und  Reinhard  wurde  von  400  Fl.  auf  440  Fl.  erhöht  —  Die 
Gesammtzahl  der  Schüler  des  Gymnasiums  betrug  74.  —  Dem  ge- 
druckten Programm  des  Gymnasiums  ist ,  eine  von  dem  provisorischen 
Director  der:  Anstalt  Fickler  verfasste  „Commentatio  de  Theseo ,  papil- 
laris Alheniensium  imperii  quem  dieunt  auetore''  heigegeben.  Wir 
werden  hei  einer  andern  Gelegenheit  auf  diese  dankenswerlhe  Zugabe 
zurückkommen.  [ß.] 

Dortmund.  Zur  Erweiterung  des  Gymnasiums,  dem  eine  Aula 
und  Räume  für  die  Realklassen  fehlten,  ist  die  noch  fehlende  Summe 
von  1500  Thlrn.  von  Sr.  Majestät  dem  Könige  auf  die  Staatskasse  aller- 
gnädigst  angewiesen  worden.  Der  Erweiterungsbau  wird  mit  dem 
Frühjahre  heginnen  und  im  Laufe  des  Sommers  beendigt  werden.  Der 
Erhöhung  des  Etats  zur  Verbesserung  der  Lehrergehalte  und  zur  Be- 
gründung einer  neuen  Stelle  sieht  man  mit  begründeter  Hoffnung 
entgegen.  [E.] 

Freibirg.  Das  gedruckte  Verzeichniss  der  Lehrgegenstände  und 
Schüler  giebt  die  Gesammtzahl  der  Letztern  in  dem  Schuljahre  1838 — 
1830  auf  234  an.  Nach  einem  Erlass  des  grossherzoglichen  Oberstu- 
dienrathes  wurde  gemäss  Beschluss  des  Ministeriums  des  Innern  der 
geheime  Rath  Domcapitular  Professor  Dr.  Hug  zum  Ephorus  der  An- 
stalt ernannt ,  die  nach  einer  weitern  hohen  Verfügung  zum  Range 
eines  Lyceums  erhoben  wurde,  so  dass  sie  nun  einen  vollständigen 
neunjährigen  Lehrkursus  gemäss  der  Bestimmung  des  neuen  Schulpla- 
nes erhalten  soll.  Schon  im  vorigen  Jahre  wurden  die  Schüler  des 
achten  Jahrescursus ,  bis  zu  welchem  seither  das  Gymnasium  führte, 
auf  die  Universität  entlassen.  Auf  dem  diesen  Schülern  auszufertigen- 
den Entlassungszeugtiisse  musste  übrigens  in  Folge  einer  Verfügung  des 
Oberstudienrathes  ausdrücklich  bemerkt  werden,  dass  sie  im  Laufe  der 
heiden  Semester  des  Studienjahres  1838 — 39  in  der  philosophischen 
Facultät  die  den  sämmtlichen  Fächern  der  obersten  Lycealclasse  ent- 
sprechenden Collegien  zu  hören  verbunden,  und  gehalten  seien,  am 
Ende  desselben  vor  dem  Antritte  des  Fachstudiums  einer  Maturitätsprü- 
fung sich  zu  unterziehen.  Diese  wurde  dann  auch  von  dem  Director 
und  den  übrigen  Lehrern  des  Gymnasiums,  die  in  der  6.  Classe  Unter- 
richt ertheilen,  in  Gegenwart  des  Ephorus  am  21.  und  22.  August  d.  J. 
wirklieh  vorgenommen.  Wir  können  hiebei  nicht  unterlassen  zu  be- 
merken, dass  die  Art  und  Weise,  wie  gewöhnlich  diese  so  sein  sol- 
lende Maturitätsprüfung  bisher  an  unsern  Gelehrtenschulen  abgehalten 
wurde,  wir  wollen  nicht  sagen  wenig ,  sondern  gar  nicht  entspricht, 
und  dass  sehr  zu  wünschen  wäre,  dass  bald  eine  bestimmte  Exa- 
ruinationsordnung  erschiene ,  in  Bezug  auf  welche  Preussen  und  Wür- 
temberg  nachahimingswürnige  Vorbilder  sind.  Der  relativ  blühende 
Zustand  der  Gelehrtenschulen  dieser  beiden  Länder  beruht  vorzugs- 
weise  auf  der   zweckmässigen  Einrichtung    ihrer    Maturitätsprüfung, 


Beförderungen  und  Ehrenbezeigungen.  225 

deren  wichtigen  Einfluss  auf' das  Gedeihen  des  Unterrichtswesens  man 
dort  gehörig  zu  schätzen  weiss.  Gewiss  ist  zu  erwarten,  dass  der 
grossherzogliche  Gberstudienrath,  dem  die  badischen  Scbulen  bereits 
so  viel  verdanken,  dieser  wichtigen  Sache  bald  die  verdiente  Auf- 
merksamkeit schenken  wird.  [ß.] 

Fbeysing.  Der  Professor  der  untersten  Gymnasialclasse  Priester 
Dr.  Thomas  JViescr  [s.  NJbb.  XXV,  334.]  ist  Prediger  an  der  Cajetans- 
Ilof-  und  Stiftkirche  in  München  und  Ehren -Kanonicus  geworden, 
und  in  seine  Lehrstelle  am  Gymnasium  der  bisherige  Lehrer  der  vier- 
ten Classe  der  latein.  Schule,  Priester  Max  Konezney  aufgerückt. 

Giesskx.  Der  grossherzogl.  geheime  Staatsrath  und  Kanzler  der 
Universität  Dr.  Linde  in  Dasmstadt  und  der  geh.  Medicinalrath  und  Pro- 
fessor Dr.  Fl  A.  M.  Kitgen  sind  für  sich  und  ihre  Nachkommen  in  den 
Ade'.stand  erhoben,  der  ordentliche  Professor  der  Rechte,  geh.  Justiz- 
rath  Dr.  Slickcl  ist  quicscirt  worden. 

Gikzenhausen  in  Mittelfranken.  Die  erledigte  dritte  protestanti- 
sche Pfarrstclle,  mit  welcher  das  Subrectorat  der  dasigen  lateinischen 
Schule  verbunden  ist,  hat  der  bisherige  zweite  Pfarrer  und  Lehrer  an 
der  latein.  Schule  zu  Marktbreit  Johann  Albert  Bischof  erhalten. 

Halekustadt.  Wenn  Hegel  in  der  Philosophie  des  Hechts  be- 
hauptet, der  gelehrte  Diebstahl  werde  immer  seltener,  weil  die  Sucht, 
originell  zu  sein,  gegenwärtig  auf  das  Höchste  gestiegen  sei,  so  giebt 
es  doch  immer  noch  Leute  genug,  die  auf  eine  feinere  oder  gröbere 
Weise  das  Handwerk  des  Plagiators  treiben.  Ein  merkwürdiges  Bei- 
spiel des  gröbsten  literarischen  Diebstahls  giebt  ein  zu  Halberstadt  von 
der  höhereu  Bürgerschule  1837  herausgegebenes  Schulprogramm,  wel- 
ches eine  Abhandlung  enthält  unter  dem  Titel:  Zur  Erklärung 
und  Beurth eilung  von  Bürgers  Lenore  von  Karl  Bo- 
ckelmann, zweitem  ordentlichen  Lehrer  der  höheren  Bürgerschule. 
[Halberstadt  bei  üölln.  72  S.  8.]  In  derselben  hat  sich  Herr  Bockel- 
mann in  dem  Maasse  seiner  Individualität  entäussert,  dass  er  fast  für 
Alles,  was  darin  gesagt  worden,  als  unzurechnungsfähig  angesehen 
werden  muss.  Denn  die  eigentliche  Abhandlung  ist  mit  ängstlicher 
Treue,  nur  mit  wenigen  Weglassungen  und  Einschaltungen  ivürllich 
abgeschrieben  aus  der  in  Basel  1835  erschienenen  interessanten  Abhand- 
lung: Zur  Erklärung  und  Beurthcilung  von  Bürgers 
Lenore,  von  Wilhelm  Wackernagel  [22  S.  4.];  die  erklä- 
renden Anmerkungen  zu  der  Ballade  mit  derselben  Treue  aus  Götzin- 
gers  „Deutsche  Dichter''  Tbl.  1.  S.  51  bis  Gl ;  die  Einleitung 
aber  über  das  Lesen  deutscher  Dichter  auf  Schulen  aus  desselben  Wer- 
kes 2.  Bande  S.  581  ff.  ,  ohne  dass  die  Originale,  welche  copirt  wur- 
den ,  auch  nur  mit  einem  Worte  angedeutet  wären.  Solche  Verun- 
treuung fremden  L igen thu ms  sollte  eich  ein  Lehrer  der  Jugend  am  we- 
nigsten zu  Schulden  kommen  lassen  und  es  kann  solche  Schaamlosig- 
keii  nicht    streng  genug   gerügt  «erden.      Fühlt  jemand    einmal    seine 

geistige  Impotenz,    und   juckt  es  ihm  gleichwohl  in  den  Fingern,   

nun  so  möge  er  doch  lieber  in  einer  Schreiberstube  sein  Müthchen  auf 
N.  Jahrb. f.  Phil.  u.  Paed.  od.  Krit.  Bibl.  Bd.  XXV11I.  Hß.  2.  15 


226  Schul-  und  Universitätsnachrichten, 

ehrliche  Weise  kühlen,  als  sich   mit   fremden  Federn  geschmückt  auf 
dem  literarischen  Markte  dein  Gelächter  preisgehen.  [Egsdt.] 

1 1 1  im  i.iti.uG.  In  Folge  der  Einführung  des  neuen  Schulplanes  ist 
das  hiesige  Gymnasium  zu  einem  vollständigen  Lyceum  erhoben  wor- 
den, so  dass  also  dessen  Schüler  unmittelbar  auf  die  Universität  zum 
Brodstudium  entlassen  werden  können.  Durch  Verfügung  des  gross- 
herzoglichen Ministeriums  wurde  zum  Ephorus  der  Anstalt  der  Ober- 
bibliothekar, Ilofrath  Dr.  Rühr  hier  ernannt.  Das  Lyceum  hat  nach 
der  ihm  bis  jetzt  verliehenen  Organisation  nur  die  acht  obern  Jahres- 
curse,  indem  ihm  der  unterste  Jahrescurs  mangelt,  60  dass  also  die- 
jenigen ,  welche  in  die  zweite  Ciasse  eintreten  wollen,  ihre  Vorberei- 
tung hiezu  in  andern  Anstalten  oder  durch  Privatunterricht  zu  errei- 
chen suchen  müssen.  Auf  Veranlassung  der  Oberstudien- Behörde  ist 
diesem  empfindlichen  Uebelstandc  dadurch  abgeholfen,  dass  eine  früher 
mit  dem  Gymnasium  verbundene,  später  aber  eingegangene  Vorschule 
wieder  in's  Leben  gerufen  und  deren  Aufgabe  dahin  erweitert  wurde, 
dass  sie  in  Hinsicht  der  darin  gelehrten  Unterrichtsgegenstände  der  un- 
tersten Lyccalclasse  gleich  steht ,  und  folglich  ihre  Schüler  unmittel- 
bar in  die  zweite  Classe  übertreten  können.  —  Die  neu  errichtete 
Lehrstelle  für  Mathematik  und  Physik  ist  durch  Verfügung  des  gross- 
herzoglichen Ministeriums  des  Innern  an  Dr.  Arneth  provisorisch  über- 
tragen worden.  —  Im  Laufe  dieses  Schuljahres  haben  10!),  und  mit 
Einschluss  der  Schüler  der  Vorbereitungsciasse  Ho'  Zöglinge  das  Ly- 
ceum besucht.  Dem  gedruckten  Programme  des  Lyceums  ist  eine  von 
dein  zeitigen  Director  der  Anstalt,  IVilhelmi ,  geschriebene  Abhand- 
lung: „Von  den  Tropen,  ein  Beitrag  su  der  Lehre  von  dem  Figürlichen 
in  der  Rede"  beigegeben.  Die  Abhandlung  sucht  auf  eine  klare  und 
nicht  selten  geistreiche  Weise  die  Natur  und  das  Wesen  des  figürli- 
chen Ausdrucks,  namentlich  durch  zahlreiche  Beispiele  aus  den  besten 
deutschen  Glassikern  zu  entwickeln,  und  ist  darum  besonders  in  letz- 
terer Hinsicht  eine  dankenswerthe  Zugabe.  [(?.] 

Heisingfors.  An  der  dasigen  Universität  hat  der  Unterbibliothe- 
kar und  Adjunct  Alex.  Rlomquist  eine  Abhandlung  De  prineipio  methodi 
ethnographicae  in  historia  literaria  universale  adhibendae  schediasma 
[1838.  78  S.  gr.  8.] ,  der  Mag.  phil.  Georg  Aug.  JVallin  eine  Dissertatio 
de  praeeipua  tnter  hodiernam  Arabum  linguam  et  antiquam  differentia 
[1839.  4?  S.  gr.  8.]  und  der  Rector  der  dasigen  Volksschule  Mag.  phil. 
Friedrick  Cygnäus  eine  Commentatio  de  Hannibale  pars  I.  indolem  eius  a 
Beriptoribus  infamatam  vindicatura  [1839.  132  S.  gr.  8.]  herausgegeben. 
Von  den  Dissertationen,  welche  zu  den  Disputationen  der  Studirenden 
von  den  präsidirenden  Universitätslehrern  herausgegeben  worden,  sind 
bemerkenswerth  :  Ilomeri  Odyssea  svethice  reddita  Tom.  111.  Part.  V-— 
IX.  [Od.  XIV,  416.  —  XVI,  445]  von  dem  ord.  Prof.  der  griech.  Lit. 
Axel  Gabr.  Sjöström  [1838.  S.  65  — 144.  8.];  Loci  poetarum  Roma- 
norum, de  quibus  ....  publice  dispulabunt  stipendiarii  Fase.  I.  von  dem 
ord.  Prof.  der  Beredtsamkeit  und  Poesie  Joh.  Gabr.  Linsen  [1839.  8  S. 
gr.  8.],  worin  die  Wagnerscho  Erklärung  von  Virg.  Aen.  I,  8  — 11.  he- 


Beförderungen    und   Ehrenbezeigungen.  227 

stritten,  and  Ovid.  Amor.  III,  9,  23.  Et  Linon  zu  lesen  vorgeschlagen 
wird;  Loci  Sophoclei  a  Cicerone  [Tusc.  II,  8.]  conversi  commentarius. 
I.  II.  [1838.  16S.  gr. 4  ]  von  demselben;  Phoenix  idyllium  Claudiani  Sect. 
I.  II.  von  demselben  [1838.  18  S.  gr.  4.] ,  ein  Textesabdruck  mit  einigen 
erklärenden  Anmerkungen;  Anthologiac  Latinae  exempla  I.  II.  von  dem- 
selben [1839.  16  S.  gr.  4.]  ,  einige  latein.  Epigramme  der  Anthologie 
mit  schwedischer  Uebersetzung  und  kurzen  latein.  Anmerkungen ;  Com- 
mentarii  in  scriptores  Graccos  et  Latinos  Part.  I — XXIII.  Commentarii 
in  Saltustium  ,  von  dem  Adjunct  für  griech.  und  röm.  Liter.  Nie.  Abr. 
Gilden.  [1838  u.  39.  S.  1  —  184.  gr.  4.] 

Levdev.  Die  im  vorigen  Jahre  erschienene  Disputatio  literaria  de 
emendatione  aliquot  locorum  orat.  Ciceron.  pro  M.  Caelio  Rnfo ,  quam 
praes.  J.  Bake  ad  publ.  diseept.  proposuit  Henr.  Vollenhoven ,  jur.  utr. 
Candid.  [Leyden  bei  Hagenberg.  1839.  8]  empfiehlt  sich  nicht  nur 
durch  Gelehrsamkeit  und  Gründlichkeit,  womit  der  junge  Gelehrte 
mehrere  Stellen  der  Ciceronischen  Rede  bespricht,  sondern  enthält 
auch  S.  04  —  99  die  Lesarten  der  Leydener  Handschriften  zu  derselben, 
und  S.  100 — 108  Emcndationes  Joann.  Baku ,  welche  ebenfalls  diese 
Rede  betreffen. 

München.  Die  aus  5  Facultäten  bestehende  Universität  hat  ge- 
genwärtig in  der  theologischen  Facultüt  4  ordentliche  und  2  ausseror- 
dentliche Professoren  ,  in  der  juristischen  (i  ordentliche  und  1  Ehren  - 
Professor  und  1  Privatdocenten ,  in  der  staatswirthschaftlichen  6  or- 
dentliche und  2  ausserordentliche  Professoren  und  2  Privatdocenten,  in 
der  medicinischen  10  ordentliche,  2  ausserordentliche  und  2  Ehren - 
Professoren  und  2  Privatdocenten  ,  in  der  philosophischen  19  ordent- 
liche, 3  ausserordentliche  und  5  Ehren- Professoren  und  3  Privatdo- 
centen. Zur  Vervollständigung  der  akademischen  Gesetze  ist  erschie- 
nen :  Anhang  zu  den  Vorschriften  über  Studien  und  Disciplin  für  die  Stu~ 
direnden  an  den  Hochschulen  des  Königreichs  Bayern:  Aenderungen  und 
Ergänzungen  der  Bestimmungen  gegen  Duelle,  vom  13.  Febr.  1839.  7  S. 
gr.  4.  Von  akademischen  Gelegenheitsschriften  sind  hier  zu  erwäh- 
nen :  Dr.  G.  IL  von  Schubert:  Jon  einem  feststehenden  in  der  Geschichte 
der  sichtbaren  Natur  und  des  in  ihr  ivohncndcn  Menschen.  Eine  Anrede 
gehalten  nach  der  Rückkehr  von  seiner  Reise  in  das  Morgenland  und 
bei  dem  Wiederbeginn  seiner  Vorlesungen.  Stuttgart,  Balz.  1837. 
28  S.  gr.  8.  4  Gr.  Dr.  Thadd.  Siber:  Gedüchlnissrede  auf  den  verstor- 
benen ordenll.  Professor  der  Philosophie  Dr.  Andr.  Mor.  Meilinger.  Mün- 
chen 1837.  Iß  S.  gr.  8.  Meilinger  war  geboren  in  Landshut  am  29. 
Nov.  17(»3,  wurde  Benedictiner  und  war  von  1789  an  an  mehreren 
Lehranstalten  Bayerns  angestellt,  starb  am  30.  Nov.  1837  alsord.  Prof.  an 
der  Universität  und  Mitglied  des  obersten  Kirchen- und  Schulrathcs. 
Dr.  J.  B.  Jfcissbrod:  Bede  an  die  Studirenden  gehalten  am  9.  Dec.  1837 
[24  S.  gr  8.],  über  die  Notwendigkeit  der  Befolgung  der  bestehen- 
den Vorschriften  über  Studien  und  Disciplin.  Dr.  Thadd.  Siber:  Bede 
an  die  Studirenden,  geh.  am  10.  Dec.  1838.  [11  S.  gr.  4],  über  die 
rechte  Anwendung  der  Studienzeit.       Zur  Erlangung  der  philosophi- 

15* 


223  Schul"   und  Universitätsnachrichten, 

sehen  Doctorwürde  hat  der  Candidat  Phil.  Gomposch  eine  Abhandlung 
lieber  die  Grunzen  aristotelischer  Logik  [München  1838.  14  S.  gr.  8,], 
und  der  Cand.  O.  Mielach  eine  Dissertatio  de  nomine  organi  Aristotelici 
[Augsburg  1838.  11  S.  gr.  8.]  drucken  lassen.  Beide  Abhandlungen 
sind  Bruchstücke  aus  zwei  grösseren  Abhandlungen,  welche  diese  jun- 
gen Gelehrten  der  philosophischen  Faciih.it  zur  Beantwortung  der  von 
ihr  im  Jahr  1837  den  Studirenden  gestellten  Preisaufgabe :  Quot  sin- 
gula  opera  Organon  Aristotelis  in  Universum  complectitur  ?  Et  quid 
argumenti  singula  Aristotelis  logica  scripta  habentV  eingereicht  hatten. 
München.  Der  geistliche  Rath  und  Kanonikus  Dr.  J.  A.  Prand 
ist  zum  Ober- Kirchen-  und  Schulrath  an  die  Stelle  des  mit  Titel  und 
Rang  eines  Ober-Kirchen-  und  Schulrathes  dieser  Functionen  entho- 
benen Domcapitulars  A.  Mengein  ernannt  worden.  Der  Hofrath  Dr. 
Thiersch  hat  das  Ritterkreuz  des.  niederländischen  Lüwenordens  erhal- 
ten. Am  neuen  Gymnasium  ist  unter  dem  23.  October  1839  statt  des 
an  das  Lyceuui  in  Speyer  versetzten  Professors  Karl  Felix  Halm  [siehe 
KJbb.  XX VII,  229.]  der  Professor  Joseph  Stanco  in  die  Lehrstelle  der 
dritten  und  der  Professor  Priester  Anton  IFeigel  in  die  Lehrstelle  der 
zweiten  Classe  aufgerückt,  zum  Lehrer  der  ersten  Gymnasialciasse 
aber  der  Studienlehrer  an  der  latein.  Schule  und  interimistische  Ver- 
weser einer  Classe  des  alten  Gymnasiums  Anton  Kncutingcr  ernannt 
worden.  Das  im  August  1839  erschienene  Jahresprogramm  des  alten 
Gymnasiums  enthält  eine  sehr  dankenswerthe  Abhandlung  des  Profes- 
sors Leonhard  Spengel ,  nämlich  Specimen  Commentariorum  in  Aristotelis 
libros  de  arte  rhetorica  [Monachii  typis  librariae  scholarym  regiae.  40  S. 
gr.  4.] ,  worin  besonders  der  rhetorische  Inhalt  der  aristotelischen 
Schrift  mit  ausgezeichneter  Sorgfalt  erläutert,  nächstdein  aber  auch 
der  Texteskritik  und  der  grammatischen  Spracherklärung ,  soweit  sie 
durch  die  kritische  Erörterung  bedingt  ist,  rühmliche  Sorgfalt  gewid- 
met ist.  Die  rhetorische  Erklärung  beschäftigt  sich  damit,  die  ein- 
zelnen Behauptungen  und  Lehrsätze  des  Aristoteles  durch  reichliche 
und  ausführlich  mitgetheilte  Parallelstellen  aus  Aristoteles,  Plato,  Dio- 
nysius  Halic. ,  Sextus  Emp. ,  den  Rhetores  Graec.  von  Walz,  aus  Ci- 
cero ,  Quintilian  und  andern  hierhergehörigen  Schriftstellern  zu  erläu- 
tern ,  oder  auch  nachzuweisen,  ob  der  oder  jener  Lehrsatz  schon  vor 
Aristoteles  aufgestellt  und  wie  er  später  modificirt  worden  ist,  be- 
zweckt also  eine  historische  Erklärung  der  aristotelischen  Rhetorik  aus 
den  alten  Rhetoren  selbst.  Dass  der  gelehrte  Herausgeber  der  Evvu- 
y<oyrj  t£%vcöv,  worin  die  Resultate  der  griechischen  Rhetorik  vor  Ari- 
stoteles zusammengestellt  wurden,  grade  auf  diesem  Felde  der  Erklä- 
rung der  aristotelischen  Schrift  etwas  recht  Vorzügliches  geleistet  habe, 
braucht  Ref.  kaum  erst  zu  versichern,  und  kann  nur  wünschen,  dass 
Hr.  Sp.  das  ganze  Werk  so  mit  einem  erklärenden  Commentar  versehe, 
wie  es  jetzt  nur  zu  Bch.  1.  Cap.  1  —  3.  und  Dch.  II.  Cap.  12.  u.  25.  ge- 
schehen ist,  weil  er  dadurch  ganz  gewiss  dem  Studium  der  alten  Rhe- 
torik einen  grossen  Vorschub  leisten  wird.  Und  da  er  einen  solchen 
Commentar  auch  verbeisst,  so   möchten   wir  nur   rathen,    dass  er  die 


Beförderungen  und  Ehrenbezeigungen.  229 

gesammelten  Parallel-  und  Erläutcrungsstellen  nicht,  wie  hier  ge- 
schehen, vollständig  und  in  ausgedehnter  Weise  abdrucken  lasse  und 
eo  den  Umfang  des  Commentars  ungewöhnlich  anschwelle ;  sondern 
ilass  er  vielmehr  diese  Stellen  nur  nachweise  und  die  Hauptsache  ihres 
liergchörigen  Inhaltes  kurz  angehe.  So  wird  er  der  Bequemlichkeit 
und  Uebersichtlichkeit  weit  mehr  nützen  und  zugleich  Raum  gewinnen, 
die  sprachlichen  Erörterungen  zu  vermehren,  welche  in  vorliegender 
Frohe  doch  etwas  zu  spärlich  sein  dürften.  [J.] 

Mlaster.  Vom  3  —  G.  Oct.  183Ü  fand  hieseihst  die  erste  Versamm- 
lung des  Schulmänner- Vereins,  der  sich  von  hier  aus  gebildet  hat, 
6tatt.  Der  Zweck  des  Vereins  der  Lehrer  an  den  Gelehrten  -  Schulen  in 
Westphalen  und  den  Rheinlanden  ist  1)  die  nähere  wissenschaftliche 
und  freundschaftliche  Verbindung  derselben,  wodurch  sie  veranlasst 
werden,  mehrmals  im  Jahre  zusammen  zu  kommen,  um  sich  über  wis- 
senschaftliche und  praktische  Schul -Interessen  zu  besprechen  ,  jedoch 
in  zwangloser  und  gesellschaftlicher  Form;  2)  durch  Zusammenwirken 
in  einer  Zeitschrift  auch  im  weiteren  Kreise  für  die  wissenschaftlichen 
und  praktischen  Interessen  der  Gelehrten- Schulen  nützlich  zu  werden. 
Der  Verein  hat  die  gesammte  wissenschaftliche  Schulbildung  zum  Ge- 
genstände^ ohne  Ausschliessung  irgend  eines  Faches,  obgleich  mit  Be- 
rücksichtigung der  relativen  Bedeutsamkeit  der  einzelnen  Fächer  für  die 
Schule.  Jeder  Schulmann  in  Westphalen  und  den  Rheinlanden  ,  welcher 
für  diesen  Gegenstand  reges  Interesse  hegt,  kann  als  Mitglied  aufgenom- 
men werden,  und  ihm  steht  der  Zutritt,  sowohl  für  die  Zeitschrift  als 
für  die  Versammlungen,  ohne  Ballottage  frei.  Obgleich  bestimmte 
Verpflichtungen  nicht  Statt  finden,  so  wird  doch  von  jedem  Mitglied 
erwartet,  dass  es  der  Tendenz  des  Vereines  nach  Kräften  möglichst  zu 
entsprechen  suche.  Jährlich  im  Herbste,  in  der  ersten  Octoberwoche, 
werden  mehrtägige  General-  Versammlungen  gehalten;  oh  auch  regel- 
mässig im  Frühjahre,  in  der  Osterwoche,  bleibt  weiterer  Berathung 
anhcimgestellt.  In  denselben  findet  vorzüglich  oben  genannte  wissen- 
schaftliche und  gesellige  Unterhaltung  Statt;  das  Vorlesen  von  Abhand- 
lungen und  Aufsätzen  ist  davon  nicht  ausgeschlossen,  jedoch  an  ge- 
wisse Bedingungen  geknüpft,  dass  nämlich  1)  dieselben  nicht  von  sehr 
grossem  Umfange,  2)  nur  völlig  geeigneten  Inhaltes,  und  3)  ihrer  nicht 
viele  sein  müssen.  Eine  Verpflichtung  für  die  einzelnen  Mitglieder, 
bei  jeder  Versammlung  zu  erscheinen ,  besteht  nicht.  Die  Leitung  in 
diesen  Versammlungen  hat  ein  Präses,  dem  2  Secretaire  als  Protokoll- 
führer beigegeben  werden.  Diese,  sowie  auch  der  Ort  der  Versamm- 
lung, werden  in  der  jedesmal  vorhergehenden  General- Versammlung 
per  maiora  gewählt;  ausserdem  2  stellvertretende  Secretaire.  In  der 
Zwischenzeit  zwischen  den  General- Versammlungen  halten  die  Mit- 
glieder an  den  einzelnen  Orten  Varticular-  Versammlungen,  worin  nicht 
bloss  über  die  bezeichneten  Gegenstände  fortwährend  verhandelt ,  son- 
dern auch  namentlich  für  die  General  -  Versammlungen  Passendes  vor- 
bereitet wird.  An  der  ersten  Versammlung  nahmen  32  Schulmänner 
aus  Arnsberg,    Coesfeld,    Dorsten,  Hamm,  Mühlheim   an   der  Ruhr, 


230  Schul-  und  Univcrsitätsnach richten, 

Münster,    Paderborn,   Recklingbausen ,    Soest,  Verden  und   Wipper- 
furt Theil.      Nachdem  Prof.  Grauert  einen  einleitenden  Aufsatz  vorge- 
lesen über   Wesen  und  Zwecke  des  Vereins,   und  die  Mittel  zur  Errei- 
chung derselben,  wurden  die  Statuten  der  Gesellschaft  vollständig  und 
im  Einzelnen   festgestellt.      Bei  Gelegenheit  einer  von  Dr.  licckel  mit- 
getheilten  Recension   von  Neumanns  Buch   über  das  Lateinschreiben  und 
-sprechen  wurden   die  verschiedenen  Einwendungen  und  Vorwürfe,  die 
gegen   dasselbe  hier   und  sonst  vorgebracht  werden ,   einzeln    bespro- 
chen;  dadurch    wurde  die  Frage  veranlasst,  wie  die  Uebungen  im  La- 
tein auf  den  Gymnasien  anzustellen  seien,  was  zu  der  Aufgabe  führte,  die 
JVaJd  und  Reihenfolge  der  lateinischen  Classiker  in  den  Schulen  zu   be- 
stimmen.     Drei  Mitglieder   übernahmen    die    schriftliche   Ausarbeitung 
dieses  Gegenstandes.      Darauf  wurde  die   vom  Lehrer 'Püiiiiig"  gestellte 
Frage  erörtert,   ob  es  besser  sei,   die  Religion  der  Alten  bloss  in  ihren 
äusserlichen  Erscheinungen  und  von  ihrer  mehr  thörichten  Seite  den  Schü- 
lern darzustellen,  oder  mehr  von  ihrem  tieferen  Gehalt  aus  in  ihrer  Ehr- 
würdigkeit.    Aus   der  Discussion   ergab   sich  die   Frage :      wie  soll  der 
Gymnasiallehrer  diesen  Gegenstand  behandeln ,   ohne  einerseits  der  histori- 
scheny  andrerseits  der  religiösen  Seite  zu  nahe  zu  treten;  auch  hier  über- 
nahmen 3  Mitglieder  die  schriftliche  Bearbeitung   der  Aufgabe.      Con- 
sistorialrath  JVagner  brachte   die  Frage  zur  Erörterung,    ob  es  zweck- 
mässiger sei,  denselben  Lehrgegenstand  auf  einem  Gymnasium  wöchentlich 
einmal  in    2    auf  einander  folgenden    oder   2mal  in   einzelnen  Stunden  an 
verschiedenen    auseinander  liegenden  Schultage7i   zu  behandeln.      Auf  An- 
regung des   Gymnasial- Lehrers  Schipper  wurden   die  Gründe  bespro- 
chen ,    warum  in  Nordamerika   ein  Stand  von  Litteratoren  nicht    existire 
und   auch  wohl  nicht  existiren  kann.     Der  Besuch  des  botanischen  Gar- 
tens, der  Bibliothek  und  des  Museums,  eine  kleine  Landpartie  etc.  mit 
mannigfacher  wissenschaftlicher   und   geselliger  Unterhaltung  wechsel- 
ten mit  den  Abends   stattfindenden  General  -  Versammlungen  ab.      Auch 
waren  die  Mitglieder  zu  einer  Versammlung  des  Vereins   für  westphäü- 
eche   Geschichte   und   Alterthumskunde,    sowie  zu   einem    Concert  des 
Musik -Vereins  eingeladen.      Die  nächste  General- Versammlung  findet 
am  22.  und  23.  April  in  Münster  statt.      Das  zeitige  Comite  des  Vereins 
bilden  die  Professoren  Winieivski  und  Grauert  und  der  Gymnasiallehrer 
Lauff.     Dass  bei  der  ersten  General  -  Versammlung  nur  von  2  Anstalten 
der   Rheinprovinz   Lehrer   zugegen   waren ,   hat  wohl   lediglich  seinen 
Grund   darin,  dass    die   Einladung    zur   Theilnahme  zu    spät    erfolgte. 
Uebcr  die   Einrichtung,   Zeit  und  Ort  des  Erscheinens  der  beabsichtig- 
ten Zeitschrift  wird  später  das  Erforderliche   mitgetheilt  werden.      Sie 
soll  in  2  Hauptabtheilungen   zerfallen:   1)  sclbstständige  Abhandlungen 
und  Aufsätze,  2)  Recensionen   und  Anzeigen;   als  eine  Nebenpartie  kä- 
men statistische  und   andere  Nachrichten  über  das  Gelehrten- Schulwe- 
sen hinzu.      Zu  Recensionen  und  Anzeigen  eignen  sich  1)  solche  Werke, 
welche    die   Methode   des    Unterrichts    überhaupt    betreffen,   oder  zum 
Unterrichte  bestimmt  sind,  also  Schulausgaben  von  Classikern,   Schul- 
grammatiken, Lesebücher,  Handbücher  etc. ;    2)  solche  Werke ,  wel- 


Beförderungen  und  Ehrenbezeigungen.        231 

die  Darstellungen  oder  Forschungen  über  ganze  Zweige  oder  einzelne 
Partien  enthalten,  die  dem  gelehrten  Schuhuanne  als  solchem  wichtig 
sind ,  z.  B.  bedeutende  neue  kritische  oder  exegetische  Ausgaben  von 
Classikern,  die  in  den  Gymnasien  gelesen  werden,  oder  die  mit  diesen 
in  naher  Verbindung  stehen ,  grammatische  Untersuchungen  über  die 
dänischen  Sprachen  oder  die  deutsche,  bedeutendere  Geschichtswerke, 
namentlich  über  das  Alterthum  oder  wichtige  Abschnitte  oder  Punkte 
der  mittelalterlichen  und  neueren  Geschichte,  insbesondere  solche,  die 
dem  Schulunterricht  angehören  u.  s.  w.  Dahingegen  würden  sich  nicht 
für  die  Zeitschrift  eignen  z.  B.  Ausgaben  von  Classikern,  die  auch  dein 
tüchtigsten  Gymnasiallehrer  füglich  fern  liegen  können  (Aratus,  Aciian, 
theilweise  Aristoteles,  Apulejus,  Valerius  Maximus  etc.);  eben  so  we- 
nig Werke  über  die  Specialgeschichle  einzelner  nicht  gar  bedeutender 
Länder  oder  über  entlegnere  Partien  der  Geschichte;  auch  nicht  Werke 
über  höhere  Mathematik  und  aus  den  höheren  Regionen  der  Naturwis- 
senschaften u.  s.  w.  Hierzu  gehört  auch,  dass  nicht  lange  Recensio- 
nen  über  kurze  und  unbedeutende  Schriften  erscheinen  dürfen  ,  und 
kurze  oder  gar  keine  über  die  bedeutendsten.  Zu  Abhandlungen  eig- 
nen sich  neue  Ansichten  über  Classiker,  die  in  der  Schule  gelesen  wer- 
den oder  ihnen  nahe  stehen,  sowohl  über  sie  im  Ganzen  als  Kritik  und 
Interpretation  im  Einzelnen,  litterar -historische  Erörterungen  über 
Punkte,  die  in  der  allgemeinen  Entwickclung  wichtig  6ind,  gramma- 
tische Untersuchungen  über  die  dänischen  Sprachen ,  Erforschung 
schwieriger  und  zweifelhafter  historischer  Punkte,  worüber  der  Ge- 
schichtslehrer im  Klaren  sein  muss,  wenn  auch  nur  für  sich  selbst, 
Charakteristik  einzelner  Zeiträume  und  grosser  Perioden  der  Weltge- 
schichte. Vorzüglich  kommt  auch  liier  das  Methodische  in  Betracht, 
als  z.  B.  der  Religionsunterricht  und  die  religiöse  Bildung  und  Erzie- 
hung, der  Unterricht  in  der  deutschen  Sprache  auf  Gymnasien ,  die 
Bedeutung  und  die  Stufen  des  Geschichtsunterrichts,  zweckmässige 
Einrichtung  von  Schulgraramatiken  und  Lesebüchern,  abgesonderte 
Vorträge  über  Literaturgeschichte,  Behandlung  der  Elementar -Ma- 
thematik auf  Gymnasien,  Anlegung  natu  1  historischer  Sammlungen 
u.  s.  w.  Nicht  aber  gehören  dahin  2.  B.  Abhandlungen  über  einzelne 
mythologische  und  Kuustgcgcnslände,  Varianten -Sammlungen  oder 
Emcndationcn  zu  entlegenen  Classikern  oder  Bruchstücken  verlorner, 
urkundliche  Forschungen  über  Specialgeschichte.,  auch  selbst  nicht  die 
VVestphälische  oder  Rheinische,  Abhandlungen  aus  der  höheren  Ma- 
thematik ,  kurz  alles  das,  was  in  Bezug  auf  ganze  Werke  als  für  Re- 
rensionen  nicht  geeignet  bezeichnet  wurde.  Am  meisten  sind  alle 
sncciellen  Liebhabereien  auszuschlicssen,  weil  sie  der  Gcsainmtheit 
fern  liegen.  Ausserdem  ist  auch  das  festzuhalten ,  dass  zwar  alle 
Schulfächcr  zu  umfassen  sind ,  jedoch  nur  nach  dem  Maassstabe  ihrer 
Bedeutsamkeit  für  den  Gymnasial -Unterricht  Raum  erhalten  können. 
Die  Reccnsionen  ,  Abhandlungen  und  wissenschaftliche  Unterhaltungen 
bedürfen  einer  ernsten,  würdigen,  acht  wissenschaftlichen  Haltung, 
gleich  entfernt  von  Spielerei  wie  von  Pcduntcrei;  die  Reccnsionen  ins- 


232  Schul-  und  Univers itätsnachrichton, 

besondere  müssen  ganz  frei  sein  von  aller  Animosität  und  Leidenschaft- 
lichkeit, nie  die  Person,  nur  die  Sache  treffen,  überall  nur  Gründe 
aufstellen,  keine  apodiktischen  Verurteilungen  oder  philosophisch 
echeinenden  Raisonneraents.  Die  Herausgabe  der  Zeitschrift  erscheint 
nothwendig,  1)  weil  eine  derartige  überhaupt  in  Deutschland  noch 
nicht  existirt;  selbst  nur  in  ähnlicher  Weise, -doch  wesentlich  verschie- 
den, ist  für  das  westliche  Deutschland  keine  andere  vorhanden,  als  die 
Zimmermannsche  Zeitschrift  für  Altertumswissenschaft.  Zum  Theil  da- 
von ist  denn  auch  die  Folge,  dass  in  anderen  Litteraturzeitungcii ,  na- 
mentlich gewisser  Gegenden,  dasjenige,  was  aus  hiesigen  Landen 
kommt,  sehr  häufig  entweder  gar  nicht  beachtet  oder  mit  grosser  Un- 
billigkeit getadelt  wird.  Der- zweite  Grund  ist,  dass  gerade  die  Zeit- 
schrift für  den  Verein  das  festeste  Band  sein  wird. 

[Eingesandt.] 
Offenburg.      Auch  das  hiesige  Gymnasium  hat  mit  dem   Beginne 
des  Studienjahres  1839  den  neuen  hadischen  Lehrplan,    so  viel  es  seine 
Lehrkräfte  erlauben  ,  eingeführt,   und  hat  demnach  nun  statt    des    frü- 
heren sechsjährigen  Lehrcurses  einen  siebenjährigen.      Mit  dem   Gym- 
nasium ist  zugleich  eine  höhere  Bürgerschule  verbunden,   mit   der  Be- 
stimmung, dass  der  jeweilige  Director  des    Gymnasiums    zugleich    der 
Vorsteher  der  Bürgerschule  sein  soll.      Zum  Ephorus  des    Gymnasiums 
wurde  durch  Erlass  des  Ministeriums  des  Innern   der    grossherzogliche 
Oberamtmann  Kern  zu  Offenburg  ernannt,  und  demselben  zugleich  die 
Functionen    des    Inspectors     der    Bürgerschule    übertragen.      Der  Beruf 
dieser    beiden   Aeniter  ist  gemäss    einer  frühem    landesherrlichen  \  er- 
ordnung :    die  Aufrechthaltung  der  gesetzlichen    Ordnung,    die    Ueber- 
wachung  der    genauen  Vollziehung   der  Lehrplane,   des  sittlichen  Zu- 
standes   der   Schule    und  der    Disciplin  im  Allgemeinen  u.  s.  w.  — -  Die 
finanziellen  Verhältnisse  des  Gymnasiums  haben    sieh    in   der   letzteren 
Zeit  bedeutend  verbessert,  was  mitunter  die  Anstalt  der  rührigen  Thätig- 
keit  ihres  gegenwärtigen  Dircctors   verdankt,  der,  da  wegen  Mangel  an 
hinreichendem  Fonds  selbst  ihre  Existenz  bedroht  war,  ihr  neue  Hilfs- 
quellen auszumittcln  wusste.      So  verstand  sich  vorzüglich  auf  sein  Be- 
treiben die  hiesige  Stadt  zu  einem  jährlichen  Beitrag  von   1500  Fl.  zur 
Besserstellung  des  Gymnasiums  und  zur  Errichtung   der  höheren    Bür- 
gerschule.     Möchten  alle  Städte  Badens  ein  so  reges  Interesse    für  die 
innerhalb   ihrer  Mauern  befindlichen    Schulen  an  den  Tag  legen,   und 
in  der  Blüthe  derselben  ihren  grössten    Stolz    suchen.      Ferner   wurden 
gemäss  eines  Beschlusses  der  Regierung   aus    den   zur   Errichtung   der 
höheren  Bürgerschulen  des  Grossherzogthums  von  den  Ständen  im  All- 
gemeinen bewilligten  8000  Fl.  die  Summe  von  jährlich  700  Fl.  der  hie- 
eigen Anstalt  zugetheilt,   und  zugleich  zur  Vervollständigung  der  Lehr- 
apparate    der    höheren    Bürgerschule    noch    weitere   500  FI.    aus   der 
Staatscasse  angewiesen.      Auch  ward  das  neu  regnlirte  Didaktrum,    das 
früher  ohne  Unterschied  der  Classen  14  Fl.  jährlich  betrug,  eine  ergie- 
bigere Finanzquelle  der  Anstalt.      In  Baden  ist  es   nämlich    den    einzel- 
lien  Anstalten  überlassen  ,  die  Grösse  des  Didaktruuis  ihrem  sonstigen 


Beförderungen  und  Ehrenbezeigungen.  233 

Verhältnisse  gemäss  innerhalb  gewisser  allgemeiner  Bestimmungen 
festzusetzen.  Au  der  hiesigen  Anstalt  wurde  nun  das  üidaktuin  auf 
folgende  Weise  regulirt :  In  der  Prima  14F1. ,  in  der  Seciuida  IßFl., 
in  der  Tertia  1SF1.,  in  der  Unter- Quarta  20  Fl. ,  in  der  Ober- Quarta 
22  FI.,  in  der  Unter- Quinta  24  Fl.  ,  in  der  Ober  -Quinta  2«  Fl.  Die 
Schüler  der  Bürgerschule  haben  jähr  lieh  14  Fl.  in  allen  Ciassen  zu  be- 
zahlen. —  Durch  solche  Geldmittel  ward  es  möglich  ,  zwei  neue 
Lehrer,  den  Professor  Gebhard  Gagg  von  Constanz  und  den  Lehrer 
Franz  Xaver  llaumgartner  von  Rheinheim  anzustellen.  Auch  wurden 
den  meisten  Lehrern  Geldzulagen  bewilligt,  nämlich  dem  Direetor 
Scharpf  300  Fl.,  den  Professoren  If'cissgerber  und  Schretnmlcin  je  200 
Fl.  und  dem  Prädicator  ffofln  100  Fl.,  dem  ?.!cilislehrer  lilehe  1(50  Fl. 
Die  Gesamirtzahl  der  Schüler  im  laufenden  Schuljahr  war  89,  wovon 
jedoch  21  auf  die  Bürgerschule  kommen.  [ß.] 

Prevsse\.  Der  Verf.  des  „  Philalethes"  unterschriebenen  Auf- 
satzes in  den  NJbb.  XXVII,  2.  S.  227  hat  in  einer  so  augenscheinlichen 
Gereiztheit  und  Missstimmung  geschrieben  ,  dass  man  die  Widerlegung 
seiner  Ausfälle  auf  die  Verwaltung  des  Unterrichtswesens  dem  gesun- 
den Sinne  der  Leser  überlassen  könnte,  zumal  nach  i)en  sehr  richtigen 
Andeutungen  des  Herausgebers  über  Wesen  und  Absicht  des  Artikels 
im  neuesten  Conversationslcxicon  ,  welchen  Herr  Philalelhes  widerle- 
gen will.  Allein  es  sind  der  verdächtigenden  und  anfeindenden  Ver- 
suche der  Art  schon  mehrere,  und  irren  wir  nicht,  aus  derselben  Rich- 
tung vorgekommen,  so  dass  man  in  Versuchung  geräth  zu  glauben, 
auch  hier  sollte  ein  Beitrag  zu  gewissen  neueren  Umtrieben  geliefert 
werden.  Darum  ist  es  Pflicht  jedes  Valorlandsfreundes,  wenigstens 
einige  auffallende  Unrichtigkeiten  in  ihrer  Blosse  darzustellen.  Phila- 
lethes hat  Hecht,  wenn  er  keine  bestimmten  Normen  für  die  Pcnsioni- 
rung  von  Lohrern  kennt,  aber  er  wird  nicht  nachzuweisen  im  Stande 
6ein,  dass  die  Pensionirten  deshalb  gegen  andre  Staatsdiencr  im  Naeh- 
theil  gestanden  hätten.  Im  Gegenthcil  sind  die  Pcnsionirungen  ineli- 
rentheifs  noch  in  einem  alizulibera'ien  Geiste  erfolgt  und  es  sind  dem 
lief.  Fälle  von  Straf pensionirung  bekannt,  in  denen  der  Betroffene  so 
gut  gestellt  wurde ,  als  er  im  Falle  der  treusten  Pflichterfüllung  nur 
hätte  gestellt  werden  können,  weil  man  die  Sache  nicht  auf  die  Spitze 
treiben  und  keine  gerichtliche  Untersuchung  verhängen  wollte.  Wenn 
P.  meint,  die  Lehrer  seien  nicht  anständig  besoldet  und  diese  Ansicht 
auf  die  Forderung  gründet,  sie  seien  ihrer  amtlichen  Stellung  wegen 
zu  einem  anständigen  Auftreten  genöthigt  und  4 — 800  Itthlr.  in  Orten 
wie  Coblenz,  Duisburg,  Cleve  und  Wesel  wenig  zu  nennen,  so  macht 
er  in  der  That  absonderliche  Ansprüche.  Die  genannten  rheinischen 
Städte  sind  blosse  Mittelstädte.  Allein  wären  sie  selbst  so  gross  wie 
Wien  oder  Berlin,  so  Mären  die  genannten  Summen,  die  geringste  für 
den  Anfang,  die  höchste  für  ältere  Lehrer,  im  Verhältniss  zu  andern 
Ländern  und  Ständen  immer  noch  sehr  ehrenwerth.  Allerdings  darf 
inan  unter  dem  „amtändipen  Auftreten"  weder  das  verstehen,  was  man 
,,cin   Haus  machen1'  nennt,  noch  das  bekannte  rheinische  YYirtluhuus- 


234  Schul-  und  Univcrsitätsn  achrichten, 

leben,  was  sich  freilich  mit  dem  Stande  des  Lehrers  eben  so  wenig  als 
mit  häuslicher  Sitte  verträgt.  In  der  Welt  ist  alles  relativ.  Wer  da 
gehört  bat,  dass  ein  Gerichtspräsident  (Oberricht er)  in  England  40,000 
lithlr.  Gehalt  zieht,  muss  die  Besoldungen  unserer  Richter  betielhaft 
finden.  Wer  dagegen  weiss,  dass  in  Oesterreich,  Bayern,  Würtem- 
berg,  Baden  ein  Gymnusialdirector  höchst  selten  über  800  litblr. 
(1200  Fl.  C.  M.)  und  ein  Lehrer  zwischen  200  und  600  Thlrn.  erhält, 
muss  die  preussischen  Besoldungen  sehr  anständig  finden.  Und  weiss 
denn  Philalethes  nicht,  dass  viele  richterliche  Personen  in  Preussen 
nie  über  6  —  700  litblr.  kommen  können  und  selbst  die  Käthe  bei  den 
Provinzialjustiz-  und  Verwaltung-collegien  ,  wenn  sie  nicht  besonderes 
Glück  haben,  oft  mit  20  Dienst-  und  45  Lebensjahren  kaum  auf  900 
Thlr.  Gehalt  steigen,  während  es  viele  Lehrerstellcn  mit  0  — 1300 
Thlrn.  giebt?  Besoldung  ist  und  bleibt  einmal  ein  massiges,  weil  si- 
cheres, aber  gegen  andere  Berufsarten  keineswegs  reichliches  Auskom- 
men. Auch  sollte  man  billiger  Weise  bei  Gegeneinanderstellung  der 
Einkünfte  nicht  Mos  das  Bedürfniss  der  Anschauung  von  Büchern  zum 
Fortstudiren  (Ref.  ist  ausserdem  zu  glauben  geneigt,  dass  die  Mehr- 
zahl dies  Bedürfniss  sehr  übertreibt},  sondern  auch  den  Grad  geistiger 
Anregung  und  Genugthuung  in  Anschlag  bringen,  den  das  Amt  ge- 
währt. Und  wer  würde  nicht  einräumen ,  dass  die  Thätigkeit  des  wah- 
ren Lehrers  eine  geistig  belebende  und  genussreiche  ist,  während  die 
des  Kanzleimannes  und  Rechners  bei  vielleicht  gleichen  oder  grösseren 
Einkünften  nothwendig  abstumpft  und  den  Menschen  frühzeitig  in  eine 
geistige  Erstarrung  versetzt?  Was  endlich  das  Rangverhältniss  anlangt, 
so  scheint  Philalethes  nicht  zu  wissen  ,  dass  die  Gymnasialdirectoren 
nach  dem  Gesetze  von  1817,  welches  durch  kein  neueres  abgeändert 
worden  ist,  mit  den  Regierungsräthen ,  Oberlandesgerichtsräthen, 
Oucrbergräthen  ,  Landräthen,  Stadtgerichtsdirectoren  und  Superinten- 
denten nach  dem  Datum  des  Patents  rangiren ,  und  dass  demnach  auch 
die  Lehrer  nicht  so  unermesslich  tief  unter  jenen  stehen  können,  wenn 
33  gleich  lächerlich  ist,  zu  verlangen,  dass  sie  gleicher  Studien  u.  s. 
w.  wegen  mit  ihnen  auf  gleicher  Stufe  stehen  sollen. 

[Ein  Schulmann  des  preuss.  Sachsens.] 
Preusses.  Se.  Majestät  der  König  haben  dem  Erbadministrator 
der  Klosterschule  Rosslebex,  Geheim.  Regierungsrathe  von  IFitzleben 
den  rothen  Adlerorden  dritter  Classe  verliehen,  und  dem  ordcntl.  Pro- 
fessor in  der  juristischen  Facultät  zu  Bow  Dr.  Bethmann-  Holweg  das 
Prädicat  eines  Geheimen  Justizrathes  beigelegt.  Zur  Verstärkung  des 
Baufonds  für  Kirchen  und  Schulen  königl.  Patronats  ist  die  Summe  von 
27000  Thlrn.  jährlich  aus  Staatsfonds  neu  angewiesen,  sowie  dem  Gym- 
nasium in  Elberfeld  1000  Thlr. ,  dem  neuerrichteten  kathol.  Schul- 
Iehrerscminar  in  Kempen  6480  Thlr.,  der  evangelischen  Elemen- 
tar- und  Bürgerschule  in  Münster  700  Thlr.,  dem  Gymnasium  in 
Mi'fivsTEREiFEL  420  Thlr. ,  dem  Gymnasium  in  Potsdam  500  Thlr. 
als  jährlicher  Zuschuss ,  dem  Donigymnasium  in  Magdeburg  200 
Thlr.    zur    Anstellung     eines    neuen    Lehrers,    dem    Gymnasium    in 


Beförderungen  und   Ehrenbezeigungen.  235 


dürfnisse  100  Thlr.  auf  das  Jahr  1840 bewilligt  Morden  sind.  Als  ausseror- 
dentliche Unterstützung  erhielt  der  Lehrer  Dr.  Schellbach  am  Fried  rieh- 
Wcrderschen  Gymnasium  in  Berlin  50  Thlr. ,  als  ausserordentliche 
Remuneration  der  Director  Bei/scher  am  Gymnasium  in  Cotws  50 Thlr., 
als  Gratification  am  Gymnasium  in  Bromiserg  der  Prof.  Dr.  Rutscher 
200  Thlr.,  an  der  Akademie  in  Mvkstek  der  Professor  Dr.  Graucrt  50 
Thlr.  und  am  Gymnasium  in  Wetzlar  der  Oberlehrer  SchüHtz  100 
Thlr.,  als  jährliche  Wohnungsentschädigung  die  beiden  Oberlehrer 
Saage  und  Braun  am  Gymnasium  in  Braunskerg  je  50  Thlr. ,  als  jähr- 
liche Gehaltszulage  am  Gymnasium  in  Glaz  der  Lehrer  Dr.  Schramm 
50  Thlr. ,  am  Gymnasium  in  Lvk  der  Oberlehrer  Chrzescinski  50  Thlr., 
der  Oberlehrer  Koslka  48  Thlr.,  der  Oberlehrer  Dewischeit  35  Thlr., 
der  Lehrer  Jacobi  30  Thlr.,  der  Lehrer  Gorzitza  25  Thlr.,  der  Hülfs- 
lehrer  Horch  20  Thlr.,  am  Domgymnasium  in  Magdeburg  der  Prof. 
JViggert  65  Thlr. ,  der  Prof.  Fax  120  Thlr. ,  die  Oberlehrer  Ditfurt 
und  JVolfarl  je  147  Thlr.  15  Sgr. ,  der  Oberlehrer  Sauppe  100  Thlr., 
die  Lehrer  Crasper  und  Hase  je  50  Thlr.,  am  Gymnasium  in  Mi'fivster- 
eifel  der  Director  und  die  beiden  ersten  Oberlehrer  je  100  Thlr.,  der 
dritte  Oberlehrer  50  Thlr.,  der  erste  ordentliche  Lehrer  90  Thlr.,  der 
zweite  und  dritte  Lehrer  je  40  Thlr. ,  am  Gymnasium  in  Salzwedei 
der  Conrector  Gliemann  und  der  Lehrer  Dr.   Jflnckelmann  je  50  Thlr. 

Kiiei,\preussen  und  Westphalex.  Die  Aussichten  für  die  Schul- 
amts-Candidaten  evangelischer  {Jonfession  haben  sich  in  der  letzten  Zeit 
sehr  gebessert ,  besonders  sind  Candidatcn  der  Mathematik  gesucht; 
für  die  Candidaten  katholischer  Confession  sind  dagegen  die  Aussichten 
nichts  weniger  als  günstig;  es  giebt  Candidaten,  die  seit  4,  5,  6, 
sogar  "i  Jahren  auf  eine  Anstellung  warten  und  vielleicht  noch  länger 
warten  müssen,  da  hei  der  Verschiedenheit  des  Patronats  das  an  sich 
nicht  zweckmässige  Gesetz  der  Anstellung  nach  der  Anciennität  nicht 
beobachtet  werden  kann.  Die  au  vielen  Gymnasien  von  Rheinland-West- 
uhalen  eingeführten  Turnübungen  scheinen  im  Ganzen  nicht  den  Er- 
folg zu  haben,  den  man  sich  von  ihnen  versprochen  hat;  an  mehreren 
Gymnasien  haben  sich  die  Schüler  der  oberen  Classen  ,  da  die  Theil- 
nahme  eine  durchaus  freiwillige  ist,  sobald  der  Beiz  der  Neuheit  vor- 
bei war,  von  den  Turnübungen  zurückgezogen  und  besuchen  dafür 
Abends  lieber  die  WTirthshäuser.  Gegen  Hauchen,  Trinken  und  Spie- 
len wird  genug  geeifert,  doch  ist  der  Erfolg  selten  von  langer  Dauer 
-i—  die  Verbote  werden  so  lange  nicht  durchgreifend  lullen  ,  als  den 
Schülern  nicht  Gelegenheit  und  Veranlassung  zu  edleren  Vergnügun- 
gen gegeben  wird.  —  Leider  wird  durch  die  zunehmende  Vergnü- 
gungssucht und  die  Thcilnahme  an  Vergnügungen,  die  nur  einem 
höheren  Alter  zukommen,  der  Sinn  für  das  Höhere  und  Edlere  immer 
mehr  abgestumpft.  InFoI^e  des  vom  Ministerium  vorgeschriebenen  allg. 
Lchrplans  scheinen  an  einzelnen  Gymnasien  die  Schüler  der  obern  Clas- 
sen am  Gesangunterrichte  keinen  Aulheil  mehr  zu  nehmen.  Das  Wan- 
dern einzelner  Schüler  von  einem  Gyiunueiuiu  zum  andern  in  der  Ab- 


236  Schul-  und  Universitätsnach richten, 

eicht,  in  eine  höhere  Classc  zu  kommen,  als  für  welche  sie  eigentlich 
fähig  sind,  kömmt,  wenn  auch  nicht  mehr  so  häufig  als  früher,  doch 
immer  noch  vor  ;  dies  scheint  darauf  hinzudeuten  ,  dass  nicht  an  allen 
Gymnasien  mit  gleicher  Strenge  hei  der  Aufnahme  fremder  Schüler 
verfahren  wird.  Soll  doch  ein  üirector  sich  veranlasst  gefunden  na- 
hen öffentlich  zu  erklären ,  dass  das  üher  seine  Anstalt  verbreitete  Ge- 
rücht, als  oh  man  es  mit  den  Leistungen  der  Schüler  nicht  so  genau 
nehme,  falsch  sei.  An  den  meisten  Gymnasien  werden  solche  wan- 
dernde Schüler  nur  ungern  gesehen  und  aufgenommen.  Auch  die 
Strenge  der  Disciplin  veranlasst  nicht  selten  den  Besuch  einer  andern 
Anstalt,  welche  weniger  in  dem  Ruf  der  Strenge  steht.  Das  akade- 
mische Leben  und  Treiben  gefällt  unsrer  Schuljugend  gar  zu  sehr; 
eine  väterliche  Zucht  will  ihr,  die  sich  derselben  entwachsen  dünkt, 
schlecht  gefallen.  Daher  nicht  selten  die  Klagen  über  Widersetzlich- 
keit, sogar  thätliche ,  von  Schülern  gegen  die  strafenden  Lehrer;  zu- 
weilen liegt  freilich  die  Schuld,  wo  dergleichen  vorfällt,  an  dem 
Lehrer  —  viel  aber  daran,  dass  dergleichen  Schüler  nicht  streng  genug 
bestraft  werden,  oft  sogar,  indem  sie  plötzlich  die  Anstalt  verlassen, 
nicht  bestraft  werden  können.  [Eingesandt.] 

Riga.  Laut  dem  als  Einladung  zur  öffentlichen  Prüfung  und  fei- 
erlichen Entlassung  im  dasigen  Gymnasium  am  3.  und  4.  Juli  1839  er- 
schienenen Jahresberichte  [Riga.  8  S.  4.]  war  dasselbe  in  seinen  5  Clas- 
seu  Ende  Juni  1838  von  201),  im  Laufe  des  neuen  Schuljahres  von  292 
und  am  Ende  von  212  Schülern  besucht  und  entlicss  9  Schüler  zu 
Weihnachten  1838  und  10  im  Sommer  1839  zur  Universität.  Im  Leh- 
rerpersonale traten  einige  Veränderungen  ein,  indem  statt  des  nach 
Dorpat  versetzten  Protohierej  und  Censors  der  geistlichen  Reden  Fedor 
Beresky  der  Protohierej  Michael  Kuninsky  als  Religionslehrer  griechi-r 
scher  Confession  eintrat,  statt  des  als  Professor- Adjunctus  für  altclas- 
sische  Philologie  und  Alterthümer  an  die  Wladimirs- Universität  in 
Kiew  berufenen  M.  Alex.  Ludw.  Düllcn  der  bisherige  wissenschaftliche 
Lehrer,  Candidat.  phil.  Alex.  Friedr.  Krannhals  in  das  Lehramt  der  deut- 
schen Sprache  und  Literatur  aufrückte ,  dessen  Lehrstelle  aber  bis  zum 
Schluss  des  Schuljahres  vacant  blieb,  und  endlich  statt  des  Oberleh- 
rers der  russischen  Sprache  und  Literatur  JFassil  Kusmiti,  welcher  dio 
Oberlehrerstelle  der  latein.  Sprache  am  Gymnasium  in  Witepsk  erhielt, 
der  Candidat  Alexei  Tichomandrizky  aus  Twer  angestellt  wurde.  —  Im 
August  1838  besuchte  der  Minister  der  Volksaufklärung  Geh.  Rath 
Scrg.  Uwarow  auf  einer  Revisionsreise  das  Gymnasium,  und  das  Leh- 
rercollegium  überreichte  bei  dieser  Gelegenheit  ausser  einem  lateini- 
schen Bewillkommnungsgedicht  ein  besonderes  Programm ,  welches 
Einige  Verbesserungsvorschläge  zum  Texte  der  Sophocleischcn  Tragüdiecn 
von  dem  Oberlehrer  der  griechischen  Sprache  Dr.  A.  Th.  Svcrdsjö 
[Kiga  gedr.  b.  Hacker.  1838.  16  S.  4.]  enthält.  Der  Verf.  behandelt 
darin  mit  tüchtiger  Einsicht  in  das  Wesen  des  Sophokleischcn  Sprach- 
gebrauchs und  mit  sorgfältiger  Beachtung  der  früheren  Erklärer  acht 
Stellen  des  Sophokles  und 'schlägt  zu  ihrer  Verbesserung  vor  Trachiu. 


Beförderungen  und  Ehrenbezeigungen.  237 

331.  urjSs  7Tqos  Hwaofg  zotg  övai  Xv[ir]v  ngög  y  euov  7.vnr,g  lüfioi ,  Vs. 
1019.  ooi  rs  ydq  auua  ig  rclsov  rj  dt  iuov  cä&iv ,  Vs.  1047.  wegen 
Ciceros  Uebersetzung  Tusc.  II.  8.  Kcd  #?{£>{.  «ßi  vco  zolo i  uo%Qi']Gctg 
fyw ,  Pliihict.  1085.  v.kI  &11J0XOVZ1  cwo  ittslg,  Vs.  1094.  £t  ui&iQog 
avco  TtTcoKCidBg  ogurcVou  diu  irvfvuuzog  ikaci  fi  ,  ovhsz'  i'G%cn,  Vs. 
1096.  co  ßuoimoxu' ,  oux  |]  uXXo&'  t'%si  itij;«  räo'  «7rd  u8i'£orog ,  und  in 
der  Gegenstrophe  1117.  ovdh  dys  Sölog  ||  I'g^'  u7ro  ^ft^og*  f/<«g  eri;- 
ysQciv  i'|6  m.  r.  Ä.  ,  so  dass  der  erste  Vers  eine  Jambische  Dipodie  mit 
Auflösung,  der  zweite  ein  Tetrameter  dactylicus  wird;  Electr.  112. 
cel  zovg  uoixoig  %vrjov.ovzug  uquv'  i]  zovg  svvug  vTcoxlinzotnvovs,  tl&£z't 
ugrj^uzs ,  oder  vielmehr:  el  zovg  udi'xcog  &vrJGxovzug  oqut  ,  ei  zovg 
ivvdg  vnoxXsnzoftsvovg ,  i'l&sz  ,  uqiJ^ixzSj  V.  123.  ziv  uel  taust  GcJfi 
KKO^srov  oiucoyup  top  —  'ylyautuvova.  [J.] 

IlrssLAAD.  Der  Minister  der  Volksaufklärnng  Geh.  Rath  von 
Uwarow  hatte  während  seiner  Inspektionsreise  im  Jahr  1838  in  den 
Gymnasien  des  weissrussischen  Lehrbezirks  ,  d.  i.  der  Gouvernements 
Wilua,  Witepsk,  Mohilew,  Grodno  und  Bialystok,  mit  Freuden  be- 
merkt, dass  der  Unterricht  in  der  russischen  Sprache  nach  kurzer  An- 
wendung des  neuen  Lehrplanes  ein  glückliches  und  rasches  Ausbreiten 
dieser  Sprache  offenbarte,  und  dass  die  Gymnasiasten  eben  so  gern, 
wie  geläufig  und  richtig  sich  dieser  Sprache  bedienten,  überhaupt  der 
russische  Geist  in  diesen  Provinzen  sich  wieder  gehoben  hatte.  Deshalb 
hatte  er  die  Gymnasiasten  zur  Anfertigung  eines  besonderen  Buches 
aufgefordert,  durch  welches  sie  ihre  Fortschritte  in  der  russischen 
Sprache  vor  dem  Kaiser  beurkunden  könnten.  Dieses  Buch  ist  1839 
unter  dem  Titel:  Sammlung  von  Versuchen  in  der  schönen  Literatur 
Husslands  von  den  Zöglingen  des  adeligen  Instituts  zu  JVilna  und  der 
Gymnasien  zu  JVilna,  Grodno,  Minsk  und  Bialystok,  erschienen,  und 
soll  von  dem  Kaiser  sehr  gnädig  aufgenommen  worden  sein.  Auf  einer 
späteren  Inspectionsreise  im  Königreich  Polen  hat  der  Minister  eich 
überzeugt,  dass  in  den  meisten  Lehranstalten  dieses  Landes  das  wissen- 
schaftliche Leben  gänzlich  verfallen  ist.  Demzufolge  ist  durch  einen 
kaiserlichen  Ukas  vom  2.  December  1839  befohlen  worden ,  dass  für 
sämmtüchc  Lehranstalten  des  Königreichs  ein  besonderer  warschauer 
Lehrbezirk  gebildet  und  dem  Minister  des  öffentlichen  Unterrichts  wie 
dem  Statthalter  des  Königreichs  zugeordnet  werde  ,  und  dass  von  nun 
an  dafür  Sorge  getragen  werden  soll,  auf  die  Jugend  des  Königreichs 
Polen  dieselben  Vorthcilc  beim  Unterricht  auszudehnen ,  welche  die 
vaterländische  Jugend  in  den  Cildiingsanstalten  des  haiserthums  ge- 
nicsst,  namentlich  dieselbe  soweit  vorzubereiten,  dass  sie  auf  die  russi- 
schen Universitäten  übergehen  kann.  —  Dem  Adel  des  Gouverne- 
ments Nowgorod  ist  neuerdings  aufgegeben  worden ,  für  jeden  leibei- 
genen Dauer  jährlich  eine  Kopeke  zu  entrichten,  welche  Abgabe  zur 
Gründung  eines  Lehrstuhles  der  Jurisprudenz  auf  dem  Gymnasium  zu 
Nowgorod  verwendet  werden  soll. 

Sa(  usiiv  ,  Königreich.  Die  gesammten  12  Gelehrtcnschnlen  des 
Landes  waren  um   Ostern  1839  von  1508  Schülern  [Annaberg  von  90, 


238  Schul-   und  Uni  versi  tä  tsn  achrichten, 

Ranzen  von  127,  die  Kreuzschule  in  Dresden  von  345,  das  Vitzthum- 
liloclimannischc  Institut  von  74  (ungerechnet  40  Realschüler),  Frei- 
berg von  115,  Grimma  von  113,  Meißen  von  123,  in  Leipzig  die 
Kicolaischule  von  104,  die  Thomasschule  von  194,  Plauen  von  75, 
Zittau  von  66,  Zwickau  von  82  Schülern]  besucht,  und  entließen  zu 
Michaelis  1838  und  Ostern  1839  zusammen  154  Schüler  zur  Universi- 
tät, von  denen  46  das  erste,  77  das  zweite  und  25  das  dritte  Zeugniss 
der  Reife  erhielten,  bei  6  der  Grad  des  Zeugnisses  nicht  angegeben 
ist.  Von  diesen  154  Abiturienten  wollten  47  Theologie,  62  Jurispru- 
denz, 25  M  eil  hin  ,  3  Philologie,  2  Theologie  und  Philologie,  2  Ma- 
thematik, 1  Cameralia  studiren  und  bei  12  ist  das  Studium  unbekannt. 
Die  genannten  Schüler  waren  auf  den  Fürstenschulcn  zu  Grimma  und 
Meissen  in  je  4,  auf  den  Gymnasien  zu  Dresden  (Kreuzschule),  Frei- 
herg  und  Zwickau  in  je  5,  ajif  den  übrigen  in  je  6  Classen  vertheilt  ; 
jedoch  ist  seitdem  auch  auf  dem  Gymnasium  in  Plauen  die  sechste 
Ciasso  eingezogen  worden.  Dagegen  hat  das  Rlochmannische  Institut 
neben  seinen  6  Gymnasial-  noch  3  Realclassen  ,  deren  Schüler  übri- 
gens von  den  Gymnasiasten  im  Unterricht  durchaus  getrennt  sind. 
Schüler,  welche  sich  zur  Maturitätsprüfung  für  den  Uebergang  auf  die 
Universität  melden  wollen  ,  müssen  nach  dem  kön.  Prüfungsreglement 
-wenigstens  1  Jahr  in  Prima  gesessen  haben,  und  darum  können  auf 
den  Fürstenschulen ,  wo  der  Schüler  nur  auf  6  Jahr  in  das  Alumnat 
aufgenommen  wird,  diejenigen  Schüler,  welche  hei  Vollendung  des 
Sexenniums  noch  nicht  1  Jahr  Primaner  gewesen  sind,  nach  der  Ver- 
ordnung vom  7.  Dec.  1832  nicht  zum  Maturitätsexamen  zugelassen  wer- 
den. Die  städtischen  Gymnasien,  welche  gewöhnlich  einen  zweijäh- 
rigen Lehrcursus  für  Prima  haben,  verlangen  natürlich,  dass  ihre 
Primaner  nicht  vor  dem  vollendeten  zweiten  Jahre  zum  Abiturienten- 
examen  sich  melden,  ohne  dadurch  hindern  zu  können,  dass  mehrere 
nach  anderthalbjährigem,  ja  selbst  nach  jährigem  Verweilen  in  der 
Prima  zu  dieser  Prüfung  sich  hinzudrängen.  Obgleich  nun  die  Prü- 
fung selbst  den  Lehrern  das  Mittel  in  die  Hände  giebt,  das  unreife 
Uebergehen  ihrer  Schüler  zur  Universität  abzuwenden ,  so  bringt  doch 
auch  jener  durch  das  Gesetz  gestattete  frühere  Abgang  von  der  Schule 
die  Wirkung  hervor  ,  dass  befähigtere  Schüler  in  diesem  Falle  zwar 
im  Allgemeinen  für  die  Universitätsstudien  reif  geworden  sind,  aber 
nicht  denjenigen  Grad  der  Reife  erreicht  haben,  welchen  sie  vermöge 
ihrer  Fälligkeit  zu  erreichen  im  Stande  wären,  wenn  sie  den  voll- 
ständigen Schulcursus  absolvitfen.  Ob  man  diese  Erscheinung  für 
einen  Uebelstand  halten  müsse,  das  hängt  freilich  erst  von  der  Vor- 
stellung ah,  welche  man  sich  von  dem  in  der  Schule  zu  ertheilenden 
Zeugnisse  der  Reife  macht.  Setzt  man  nämlich  voraus,  dass  die  für 
das  Uebergehen  zur  Universität  angenommene  Stule  der  Reife  für  alle 
Schüler  eine  und  dieselbe  ist,  und  etwa  darin  besteht,  dass  der  Abitu- 
rient dasjenige  Maass  positiver  Kenntnisse  und  diejenige  Ausbildung 
seiner  geistigen  Kräfte  erlangt  hat,  welche  ihn  befähigen,  die  Uni- 
versitätswissenschaften verstehen   und   betreiben  zu  könnenj    so  niuss 


Beförderungen  und  Ehrenbezeigungen,  239 

natürlich  dem  Schüler  der  Abgang  von  der  Schule  gestattet  sein,  so- 
bald er  auf  dieser  Stufe  angelangt  ist,  und  man  braucht  dann  von  ihm 
nicht  einmal  zu  verlangen ,  dass  er  wenigstens  Ein  Jahr  in  Prima  ge- 
sessen habe.  Auch  weiss  jeder  Gymnasiallehrer  aus  Erfahrung,  dass 
gutbefähiffte  und  fleissige  halbjährige  Primaner  die  Abiturientenprüfung 
oft  eben  so  gut  würden  bestehen  können,  als  zweijährige,  welche  ge- 
ringere Fähigkeiten  besitzen  oder  minderen  Fleiss  auf  die  Studien  ver- 
wendet haben.  Natürlich  darf  aber  bei  dieser  Voraussetzung  auch  nicht 
ein  dreifacher  Grad  der  Keife  ,  welcher  in  Sachsen  durch  satis  dignus, 
oranino  dignus  und  imprimis  dignus  abgestuft  ist,  unterschieden  wer- 
den, sondern  es  kann  bei  der  Prüfung  nur  die  Frage  über  reif  oder 
unreif  in  Betracht  kommen.  Hält  man  aber  fest,  dass  die  verschie- 
denen geistigen  Anlagen  der  Schüler  auch  ein  im  Grade  verschiedenes 
Heranbilden  zurBefäbigung  für  die  Universitätsstudien  möglich  machen, 
indem  der  beschränktere  Kopf  nur  bis  dahin  gebracht  werden  kann, 
die  Universitätswissenschaften  verstehen  und  begreifen  zu  lernen  ,  da- 
mit er  sie  dann  im  Leben  in  gewissem  Grade  anzuwenden  vermag,  hei 
dem  Befähigter«,  aber  eine  Erweckung  und  Kräftigung  der  geistigen 
Thätigkeiten  möglich  ist,  welche  ihn  über  das  blosse  Erlernender 
Facultätswissenschaft  erhebt  und  zum  tieferen  und  selbstständigeren 
Auffassen  derselben  so  wie  zu  ihrer  ausgedehnteren  und  allseitigeren 
Benutzung  im  spätem  Leben  tüchtig  macht;  so  sieht  man,  dass  bei 
der  Abiturientenprüfung  auch  nach  verschiedenen  Graden  der  geistigen 
Keife  gefragt  werden  darf,  diiss  aber  dann  diese  Frage  minder  auf  den 
Willen  des  Schülers,  wie  weit  er  eben  seine  geistige  Entwickelung  zu 
bringen  geneigt  ist,  oder  auf  das  Gebot  des  Gesetzes,  wie  weit  er  sie 
nothwendig  gebracht  haben  muss ,  basirt  wird,  sondern  sich  viel- 
mehr darauf  stützt,  wie  weit  sich  seine  Naturgaben  ausbilden  lassen. 
Gesetzt  nun,  das  Zeugniss  des  dritten  Grades  bestimmte  die  Stufe  der 
Reife,  welche  auch  der  nur  mittelmässig  befähigte  Kopf  erreicht  haben 
muss  und  nach  den  gegenwärtigen  Gymnasialeinrichtungcn  auch  nur 
erstreben  kann  ;  so  scheint  die  Schule  ihrer  Pflicht  nicht  zu  genügen, 
wenn  sie  auch  den  mehr  befähigten  nur  mit  diesem  Zeugnisse  abgehen 
lässt.  So  wie  sie  nämlich  den  beschränkten  Kopf  nöthigt,  bis  zu  der  für  ihn 
möglichen  Keife  zu  kommen,  eben  so  soll  sie  es  auch  bei  dem  befähig- 
teren thun,  um  so  mehr,  da  Liebe  und  Eifer  für  die  Wissenschaften 
in  der  Seele  des  Schülers  nur  dann  erst  recht  erwachen,  wenn  er  gei- 
stig bis  zur"  selbstständigen  Betreibung  derselben  gekräftigt  ist ,  und  da 
die  Schule  ihren  Zöglingen  wo  möglich  nicht  blos  das  Vermögen ,  die 
Universitätswisscnschaftcn  erlernen  zu  können,  sondern  auch  Lust  und 
Eifer  für  wissenschaftliches  Leben  auf  die  Universität  mitgeben  soll. 
Sie  wird  also  bei  den  an  geistigen  Anlagen  reicheren  Schülern  auch 
einen  höheren  Grad  der  Ausbildung  fordern  müssen  ,  und  als  Erzie- 
hungsanstalt es  nicht  blos  dem  AVillen  derselben  überlassen  dürfen,  ob 
sie  diesen  Grad  erstreben  wollen,  oder  nicht.  Weil  sie  aber  bei  der 
Entwickelung  der  geistigen  Kräfte  immer  in  einem  gewissen  Stufen- 
gunge  geht,  und  bei  einem  für  Prima  angesetzten  zweijährigen  Lehr- 


240  Schul- u.  Univcrsitätßnachrr.,Befördcrr.  u.  Ehrenbezeigungen. 

Cutsud  iutfürüob  auch  auf  jedes  Halbjahr  eine  andere  Richtung  der  gei- 
stigen Kntwickelting,  d.  h.  die  vorherrschende  Bethätigung  der  oder 
jener  Kraft ^  verlegt  hat;  so  ist  es  keineswegs  gleichgültig,  oh  der 
Schüler  ,  auch  wenn  er  vermöge  seiner  geistigen  Regsamkeit  schneller 
fortschreitet,  den  vorgeschriebenen  Classencursus  vollendet  hat  oder 
nicht.  Was  nun  die  Form  der  in  den  sächsischen  Gymnasien  crtheiltea 
Maturitätszeugnisse  anlangt,  so  wird  in  denselben  nicht  detail tirt  nach- 
gewiesen, wie  weit  der  Schüler  es  in  den  einzelnen  Wi-senschafteii, 
die  Gegenstand  des  Gymnasialunterriehts  sind,  gebracht  hat;  sondern 
es  wird  nur  der  allgemeine  Grad  der  erlangten  geistigen  Gcsammttüch- 
ligkeit  durch  die  obenerwähnten  Censurgrade  ausgedrückt.  Nur  herrscht 
an  mehreren  Gymnasien  die  Sitte,  dass  sie  die  drei  Censurgrade  nicht 
blos  durch  die  Formeln  satis ,  omnino  und  inprimis  dignus  ,  sondern 
auch  durch  die  Zahlen  III.  II.  u.  I.  bezeichnen,  und  dann  noch  durch 
ein  hinzugesetztes  a  und  b  abstufen.  Bei  dem  Sittenzcugniss  sind  die 
Bestimmungsformeln  nun  quam ,  rare-  und  saepius  reprehensns,  und  es 
wird  also  nach  der  bei  den  deutschen  Gymnasien  ziemlich  allgemeinen 
Sitte  dem  Schüler  nur  bezeugt,  wie  weit  er  den  Gesetzen  der  Schule 
Folge  geleistet  hat.      vgl.  NJbb.  XXVI,  407  f.  [J.] 

Schleiz.  Durch  den  grossen  Brand  ,  welcher  am  3.  Juli  1837 
die  Stadt  verheerte,  waren  auch  sämmtliche  Schulgebäude  sammt  dem 
grössten  Theile  des  Lehrapparats  und  der  Schulbibliothck  zu  Grunde 
gegangen,  und  die  Bürgerschule  musste  in  der  entfernt  liegenden  Ni- 
colaikirche, die  Töchterschule  in  einem  Gewächshause  des  fürstlichen 
Gartens,  die  Gelehrtcnschule  in  einigen  gemietheten  Zimmern  der 
Ileinrichsstadt  untergebracht  werden.  Indess  hat  die  Fürsorge  des 
Fürsten  und  der  gute  Sinn  der  Bürgerschaft  doch  schnell  für  den  Wie- 
deraufbau neuer  Schulgebäude  gesorgt,  und  am  3.  Decembcr  1838 
wurde  das  neue  Gymnasialgebäude  feierlich  eingeweiht,  welches  für 
alle  Classen  des  Rutheneums,  für  die  erste  Classe  der  Bürgerschule, 
die  zugleich  Progymnasialclasse  ist,  und  für  die  Wohnung  des  Bcctors 
Raum  bietet.  In  der  Einladungsschrtft  zu  dieser  Einweihung  [20  S. 
gr.  8.J  hat  der  Rector  Heinr.  Albcrli  eine  kurze  Geschichte  der  Schleizer 
Schulanstalten  seit  dem  Brande  am  3.  Juli  1837,  und  ein  Frerzeichniss  der 
[nicht  unbeträchtlichen]  Unterstützungen,  welche  seit  dem  Brande  den 
Schulen  zu  Theil  geworden  sind,   herausgegeben. 

Wien.  Der  bisherige  Custos  der  vereinigten  Naturalicncabänete 
St.  Endlicher  is4,  zum  Professor  der  Botanik  bei  der  Universität  ernannt 
Morden. 


Inhalt 

von  des  achtundzwanzigsten  Bandes  zweitem  Hefte. 

inne:  Lateinische  Schulgrammatik. 

schaff:  Lateinische  Schulgrammatik. 

rchard:  Lateinische  Schulgrammatik. 

gge:  Vorschule  zum  latein.  Sprachun- 1  Vom  Oberlehrer   Teipel 

terricht,  herausgegeben  von  Geist.  \       am  Gymnasium  in 
idwig:  Vorschule  zu  einer  wissenschaftl.  f 

Auffassung  der  latein.  Sprache. 
gust :  Prakt.  Anleitung  zum  Uebersetzen 

aus  dem  Deutschen  ins  Latein. 
tsobi:  Handwörterbuch  der  griech.  und  röm.  Mythologie.  —  Vom 

Prof.  Heffter  am  Gymnasium  in  Brandenburg.        .        .        .     -    162—168 
\rmeister:  De  fabula,  quae  de  Niobe  eiusque  liberis  agit.  —   Von 

Demselben -    168  — 175 

ti  Livii  über  tricesimus  tertius,  edidit  Kreyssig.  —  Vom  Professor 

Weissenborn  am  Gymnasium  in  Eisenach -    175 — 212 

biographische  Berichte  und  Miscellen,  .        .         .     .         •     -     212  —  219 

)desfälle -    219—220 

hui-  und  Universitätsnachrichten,  Beförderungen  und  Ehrenbezei- 
gungen.        .        .        .    "~ -    220  —  240 

Joannis  Alex,  de  usu  Astrolabii  libellus,  edidit  Hase.      .    -  212 

Hoch:  De  Ennianorum  Annalium  fragmentis.  .        .    -  213 

Forchhammer:  Ueber  das  Tullianum  und  den  Carcer  Ma- 

mertinus       . -  213 

Massmann:  Armin,  Fürst  der  Cherusker.         .        .        .     -    213 — 214 
Massmann:  Arminius   Cheruscorum  dux.  .        .         .     -    21i — 215 

Friedemann:    Bibliotheca  scriptorum    ac    poetar.   Latin. 

recentioris  aetatis -    216  —  218 

Friedr.  Wilh.  Klumpp.   Eine  Selbstbiographie.        .        .    -    218  —  219 
FjcfcZer:DeTheseopopularisAtheniensiumimperii  auetore.     -  224 

Bockelmann :  Zur  Erklärung  u.  Beurtheilung  von  Bürgers 

Lenore -    225-226 

IVilhelmi:  Von  den  Tropen -  226 

Universitätsprogrämme  in  Helsingfors -    226—227 

Vollenhoven :  Disputatio  de  emendatione  aliq.  locor.  Cicer. 

pro  Caelio -  227 

Universitätsschriften  in  München -    227 — 228 

Spengel:  Specialen  Commentariorum  in  Aristot.  libb.  de 

arte  rhetor -    228  —  229 

Sverdsjö :  Einige  Verbesserungsvorschläge  zum  Texte  der 

Sophokl.  Tragödien -    236—237 

Alberti:  Kurze  Geschichte  der  Schleizer  Schulanstalten.    -  240 


Leipzig, 

Druck  und  Verlag   von  B.   G.   Teubner, 


18  4  0. 


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IVeiie 

JAHRBÜCHER 

für 

Philologie  und  Paedagogik, 

oder 

Kritische  BibMothete 

für  das 

Schul-  und  Unterrichts wesen. 


In  Verbindung  mit  einem  Vereine  von  Gelehrten 

herausgegeben 
von 

Dr.  Gottfried  Seehode, 
M.  JTohann   Christian  Jahn 

und 

Prof.  Meinhold  Klotz. 


ZEHNTER    JAHRGANG. 

Acht   und    zwanzigster    Band.      Drittes   Heft. 


Druck  und  Verlag  von  B.  G.  Teubner. 

184Q. 


Kritische  ßeurtheilungen. 


1.  Q.  Hör  atius  Fl  accus.  Reconsuit  Jo.Casp.  Orellius.  Addita 
est  varietas  lectionis  codd.  Bernensium  III.,  Sangallensis  et  Turi- 
ccnsis  ac  faniiliaris  interpretatio.  Vol.  Secunduni.  Turici  sumpti- 
1)U8  Orellii ,  Fueslini  et  sociorum.  Londini,  apud  Black  et  Arm- 
strong.    MDCCCXXXVIII.  VIII.  u.  6G4  S.  8. 

2.  Quinti  Horatii  Flacci  Opera  cum  varioruro  notis, 
quibus  suas  adspersit  J.  P.  Charpentier ,  in  Academia  Parisiensi 
Rhetoricae  Professor.  Vol.  Secunduni.  Parisiia  excudit  C.  L.  F. 
Panckoucke,  Eques  legioni  honoris  adscriptus.  MDCCCXXXVI. 
(innerer  Titel)  291  S.  gr.  8. 

3.  Q.  Horatii   Flacci   Opera    omnia   ex  recensione  Guili- 
.    elmi  Braunhardi.      Sect.  IV7.  Fasciculus  secundus   lndicem   Nominum 

Propriorum  continens.    Lipsiae  prostat  in  libraria  Guilielmi  Nauckii. 
MDCCCXXXVIII.  [247  S.S.] 

4.  Quinti  Horatii  Flacci  Opera  omnia  ad  öptimorotn 
librortim  fidein  edita.  Lipsiae  sumptus  fecit  Georgius  Wigand. 
345  S.  kl.  8. 

5.  J.  S.  Sirodtmann:  Probe   einer  neuen    Ueber  s  etzu?ig 

des    Hör  az    nebst    einer    biographischen    Skizze   des    Dichters. 
Flensburger  Schulprogramru  1839.  37  (22)  S.  4. 

JLFer  thätige  Herausgeber  von  Nr.  1  hat  nach  einem  Jahre 
diesen  zweiten  Band  auf  den  ersten  folgen  lassen  ;  und  was  wir 
bei  Bearbeitung  der  lyrischen  Gedichte  rühmend  anerkannten, 
das  selbstständige  Urtheil  in  Sachen  der  Kritik  und  die  glückliche 
Auswahl  bei  der  vorhandnen  Menge  der  Erklärungen,  die  leichte 
und  gewandte  Sprache  (s.  JNJbb.  1838.  XXIII.  4.  S.  371  ff.),  das 
finden  wir  auch  in  diesem  Bande  gleicher  Weise  vereint ,  ja  wir 
möchten  demselben  in  mancherlei  Betracht  selbst  einen  Vorzug 
vor  dem  erstem  einräumen.  Da  es  in  dem  Plane  des  Herausge- 
bers lag,  den  Dichter  in  einer  „faniiliaris  interpretatio u  vorzu- 
führen, so  musete  von  selbst  auf  ein  allseitiges  Eindringen  Ver- 

16* 


244  II  ii  mische   Literatur. 

zieht  geleistet  werden.  Indess  ist  auch  das  allen  Dankes  werth, 
was  in  jener  Weise  gegeben  worden  ist.  Wenn  wir  auf  die  Un- 
genauigkeit  in  Benutzung  des  Cod.  Turicensis  (T),  von  dem  wir 
eine  genaue  Collation  besitzen ,  hindeuten  mussteu,  so  erstreckt 
sich  dieselbe  leider  auch  auf  den  Codex  B. ,  wie  Hr.  Ferdinand 
Hauthai  in  diesen  Jahrbüchern  (1838.  XXIII.  3.  S.  338  ff.)  dar- 
gethan  hat.  Sonst  aber  müssen  wir  überall  den  Fleiss  anerken- 
nen, mit  welchem  Hr.  Prof.  Orelli  alte  und  neue  Commentare 
durchgelesen  und  in  seinen  Nutzen  verwendet  hat.  Nur  wünsch- 
ten wir,  wie  in  dem  ersten  Bande,  auch  in  diesem  Nr.  IV.  mit 
den  Conjecturen  der  Kritiker  reichlicher  ausgestattet;  auch 
konnte  in  den  Satiren  Kirchner  s  Lesung  überall  zu  Nr.  II.  gefügt 
werden.  Warum  so  wenig  oder  gar  nicht  auf  Jahns  Becension, 
die  den  meisten  neuern  Ausgaben  zur  Grundlage  dient  und  besser 
basirt  scheint  als  die  Fetische,  Bücksiebt  genommen  worden, 
darüber  findet  sich  weder  eine  Erklärung,  noch  eine  Andeutung. 
Wenn  der  Hr.  Herausgeber  in  die  Praefatio  den  Conjecturen  oder 
Erörterungen  einzelner  Stellen,  die  andere  Gelehrte  vorgebracht 
haben,  jetzt  beipflichtet,  als  zu  Od.  3,  29,  7.  major  an  illa,  nach 
Peerlkamp  und  Haupt,  Sat.  1,  6,  13.  pulsus  fugit,  nach  Mad- 
tvig ;  so  kann  auch  Bef.  sich  damit  in  Uebereinstimmung  erklären, 
weniger  mit  C.  F.  Hermann 's  Ansicht,  welcher  in  seiner  Disser- 
tatio  de  loco  Horatii  Serm.  1,  6,  74  —  76.  Marburg  bei  Elwert 
die  Verse:  Noluit  in  Flavi  ludum  nie  mittere,  magni  Quo  pueri 
—  Laevo  suspensi  loculos  tabulamque  lacerto,  Ibant  octonis  refe- 
rentes  Idibus  aera  etc.  einer  gelehrten  Untersuchung  unterworfen, 
welche  Orelli's ,  so  wie  Sauppe's  Beistimmung  erbalten  hat.  Je- 
ner Gelehrte  sucht  aus  Martial.  Epigr.  10,  62.  dai  zuthun ,  dass 
das  römische  Schuljahr  aus  8  Monaten  bestanden  habe,  so  dass  die 
Sommert'erien  vom  Juli  an  bis  zu  den  Iden  des  Octobers  sich  er- 
streckt hätten.  „ Sic  omnia , "  fährt  derselbe  fort,  recte  proce- 
dunt:  octonae  idus  sunt  eorum  mensium,  qui  singulis  annis 
scholis  habendis  destinabantur ,  his  autem  singulos  asses,  notam 
etiam  aliunde  didactri  summam  (Juvenal.  10,  117:  Quisquis  ad- 
huc  uno  pai  tain  colit  asse  Minervam:)  Flavius  a  diseipulis  suis 
pro  mercede  aeeepit"  cet.  Hiergegen  macht  Orelli  nur  die  Aus- 
stellung, dass  der  monatliche  Betrag  eines  As  ein  allzuniedriger 
Ansatz  für  die  armen  Schulmeister  sei,  „igitur  aera"  cet.  setzt 
er  hinzu  „  explieaverim :  semper  Idibus  Octobribus,  quae  octo- 
nae sunt  anni ,  quem  nos  diciraus  ,  scholastici  et  apud  Bomanos  et 
apud  horum  temporum  Italos,  pueri  magistris  didactri  nomine 
solvebant  non  singulos  asses ,  sed  eam  vel  majorem  vel  minorem 
peeuniae  summam,  de  qua  inter  hos  illorumque  parentes  tuto- 
resve  convenerat,  antequam  ad  magistros  mitterentur. "  Allein 
gegen  diese  Ansicht,  mit  dem  October  das  Schulgeld  zu  zahlen, 
spricht  offenbar  das  Zeugniss  eines  Macrobius  in  d.  Saturn.  1,  12. 
p.  264:  Hoc  mense  (m.  Martio)  mercedes  evsolvebant  magistris. 


Horatiana.  245 

Doch  dies  Alles  zugegeben,  was  gewinnen  vir  für  den  Dichter? 
Nichts  anders  als:  „Die  Söhne  der  grossmächtigen   Centurionen 
werden  in   des  Flavius  Schule  geschickt,     um  —  das  jährliche 
Schulgeld  zu  bezahlen.''*     Wollte  der  Dichter  vielleicht  damit  sa- 
gen: die  Knaben  hätten  das  Schulgeld  bezahlt,  ohne  dafür  etwas 
zu  lernen  '}  Aber  dies  lag  nicht  in  dem  Gange  seiner  Darstellung, 
auch  würde  er  die  Pointe  nicht   so  versteckt  haben.     Fürwahr, 
diese   Erklärung,    wie  man   sich   auch   drehen  und  wenden  mag, 
bürdet  dem  Dichter  eine  Absurdität  auf,    welche  bereits   Wie- 
land,  Heindorf  und  zuerst,  so  viel   Ref.  weiss,    Lambinus  und 
Cniqnius  zurückwiesen.      Unsers   Erachtens  konnte  jeder  römi- 
»  sehe  Leser  nach  Erwähnung  des  Rechenapparates  V.  74  sich  das 
Rild  vollends  ausmalen,   dass  der  neckende  Ausdruck:  aera  re- 
i'erentes  auf  ein  Rechenexempel  und  zwar  der  allbekannten  Pro- 
cente  (octonis   Octobribus)    hinauslaufe.      Wie  verhasst  unserm 
Dichter    dieses    realistische  Erziehungsprincip   war,    haben   an- 
dere   aus    A.    P.  325  —  332.    klärlich    dargethan.      Uebrigens 
darf  man  in  Fällen  der  Art,  wo  ein  Ausdrück  gleichsam  auf  der 
Spitze  steht ,    nicht  ängstlich  genaue  Nachweisungen  begehren, 
wie  der  Herausgeber  in  den  Worten  :    neque  tarnen  —  expedive» 
runt  thut,   sonst  würden  wir  wegen  referre  auf  die  einfache  Er- 
klärung Wielands  oder  auf  die  gelehrtere,   welche   Wiss  in  sei- 
nen Quaest.  Horat.  libellus  primus  p.  9.  giebt,  verweisen.     Wie 
man  auch  den  Ausdruck  octonae  fasse  als  die  Achttags-Idus  nach 
der    alten    Erklärungsweise    oder  von  8   Monaten  mit  Theodor 
Schmid  (s.  dessen  Ausgabe  der  Iloraz  -  Briefe  B.  2.  S.  303.),  so 
stand  von  dem  sonst  so  geschmackvollen  Erklärer  nicht  der  Ein- 
wand zu  erwarten :  neque  animadverterunt ,  tale  exemplum  fene- 
bre,    si  vel  bis  terve  a  ludi  magistro  proponi  poterat,  non  tarnen 
ejusmodi  esse,   ut  omnem   ratiocinandi  artem   siguificare    possit. 
Wie,   reicht  nicht  dies  eine  Beispiel  hin,    um  die  verwünschte 
aerugo  animi  zu  bezeichnen  *?  Und  gilt  nicht  auch  hier  das  Sprüch- 
wort: ex  ungue  leonem?   Uebrigens  stimmt  auch  der  französische 
Erklärer  (Nr.  2.)  mit  Orelli  zusammen.     Eine  andere  von  unserm 
Herausgeber  anders  gefasste  Stelle   ist  Sat.  2,  2,  29.  30.  Carne 
tarnen  ,  quamvis  distat  nil ,  hac  magis  illa ,   Imparibus  formis  de- 
ceptum  te  patet.     Esto!   Hier  wird  mit  den  Codd.  b  S.  Warn,  für 
palet  petere  nach  den  Codd.  S  b  c  und  einigen  des  Torrentius  ge- 
schrieben, so  dass  der  ganze  Satz  von  esto  abhängt,   wie  Ep.  1, 
1,  81.  Esto  aliis  alios  rebus  studiisque  teneri.      Zu  jenen  Aucto- 
ritäten  fügen  wir  noch  die  des  Cod.  Dorvillianus  1.,  welcher  für 
patet  peterel  giebt.      Der  Sinn  sei  also  dieser:  „Quamvis  quod 
ad  caruem  attinet  parvo  nihil  distat  a  gallina ,  tarnen  esto  (hoc  tibi 
condono ; ,    te  externa  pavonis  pulchritudine  deeeptum  magis  pe- 
tere h.ijus  carnem  quam  gallinae;  sed  illud  profecto  stultissimuiu 
est ,  si  distinguere  vis  lupos  ejusdem  prorsus  formae  et  coloris  ex 
diversis  tanturn  locis ,  ubi  capti  sunt. u      Was  auch   der  Herausg. 
über  die  Pronomina  hac  illam  sagen  mag,    dass  hac  auf  V.  24, 


246  Römische  Literatur. 

illam  auf  V.  23  sich  beziehe ;  der  Sprachgebrauch  verlangt  in  diesem 
Falle  hanc,  nicht  illam.  wie  bereits  Benlley  richtig  gegen  den  Tor- 
rentius  bemerkte.    Auch  halten  wir  Bentley's  richtig  verstandnen 
Ausspruch:  Sed  quod  hanc  emendationem  funditus  evertit,  illud 
est;  quod  Esto  —  semper  orationem  inchoet ;  nunquam,  ut  hie, 
claudat,    nach  den  Beispielen,  welche  Lambin  zu  Ep.  1,  16,  56. 
über  diese  Formel  giebt,    für  wohlbegründet.      Und  selbst  dies 
zugegeben ,   wofür  Sat.  2,  3,  65.  und  Juv.  6,  221.  zu  sprechen 
scheinen,  die  ganze  Gedankenreihe  verlangt  ein  starkes  Wort, 
wie  patet,  an  welches  sich  esto  natürlich  anschliesst,   um  anzu- 
deuten ,  dass  man  die  Sache  auf  sich  beruhen  Lassen  wolle ,   um 
zu  einer  noch  sonderbarem  überzugehen.     Hierzu  kommt,  dass 
patet  auch  anderwärts  in  petere  verschrieben  wurde,  wie  Draken- 
borch  zu  Liv.  7,  30,  11.  zeigt.     Aus  diesem  Schreibfebler  erklärt 
sich  zugleich  die  Variante  illam.     Porphyrions    Zeugniss,     das 
der  Herausgeber  für  sich  anführt,  dürfte  eben  so  wenig  von  Ge- 
wicht sein,    da  dieser   die  Stelle  nur  dem   Sinne    nach    fassen 
mochte.      Ausserdem  würde  Acrons  Auctorität,    der  patet  las, 
demselben  die  Waage  halten.      Kurz,    diese  Lesart  hat  eben  so 
viele  Inconvenienzen  ,  ja  vielleicht  noch  mehrere,  als  die  Vulgate, 
welche  durch  Gesnefs  und  Kirchner 's  Erklärung  am  leichtesten 
sich  lösen  lässt,    sobald  man  sich  überzeugt  hat,  dass  zuweilen 
ein  Satzglied  nicht  auf  das  zunächst  vorhergehende  ,  sondern  auf 
ein  früheres  bezogen  wird,    wie  Od.   1,  1,  7.  [welche  Stelle  be- 
reits Kirchner  anführt]  hunc  si  mobilium  —  nämlich  juvat  aus  V. 
4.,  obgleich  evehit  V.  6.  dazwischen  getreten  ist.     Eben  so  Od. 
1,  16,  3  —  7.    Non  Dindymene —  quatit  Mentem  sacerdotum  — 
aeque,    Tristes  ut  irae,    wo  dazwischen  non  acuta  Sic  geminant 
etc.  eingeschoben  worden.      Bentley,   der  diesen  Gebrauch  ver- 
kannte, emendirte  an  beiden  Stellen.    Hier  hat  dasselbe  Schicksal 
die  wunderlichsten  Erklärungsversuche  in  alter  und  neuer  Zeit  ins 
Dasein  gerufen.     Man  ergänze  vesceris  aus  dem  vorhergehenden 
Verse ,   und  Alles  tritt  in  sein  gehöriges  Ebenmaass  ein.     Dies 
fühlte  auch  Görlitz  in  den  Emendatt.  Horat.  p.  7.,  aber  er  wollte 
lieber  den  Vers  streichen,   als  gegen  ein  grammatisches  Gesetz 
sündigen.     Der  französische  Erklärer  [Nr.  2.]  hat  folgenden  Aus- 
weg getroffen,   der  ihm   aber  zum  Glück  selbst   nicht    genügt: 
Quamvis    illa    (gallina   vel  caro  galliuae)  nihil   (nullo   modo,    in 
nulla  re)   distat  ab  hoc  (pro  quo  dixit,  magishac,  quasi  dixisset 
ante,  praefertur,  melior  est),  tarnen  (quum   tu  pavoninam  desi- 
deres  potius)  patet  te  esse  deeeptum   imparibus  formis,    neque 
ipsam  rem  speetare.      Si  tarnen  nolis  illud  magis  ita  intelligere, 
quod  sane  pauilo  est  durius,  accedas  anonymo  critico  ,   qui  nuper 
magis  (ficcyiq)  cepit  pro  lance  (le  plat) ,  sicut  est  apud  Plinium  et 
?nagida  apud  Varronem.     Hoc  modo  nitidior  exit  elocutio.     Hier 
möge  zugleich  eine  Bemerkung  über  Esto  Platz  finden.     Referent 
hatte  zu  Ep.  1,  1,  81.  dasselbe  eine  formulam  transeundi  ad  alia 


Iloratiana.  24? 

genannt,  um  der  falschen  Ansicht  vorzubeugen,  welche  durch 
die  gewöhnliche  Benennung:  formula  concedentis,  veranlasst 
wird,  hatte  aber  nicht  unterlassen,  den  Gedanken  selbst  näher 
zu  entwickeln ,  welcher  an  dieser  Stelle  durch  jenes  Wort  be- 
dingt wird.  Dagegen  sagt  nun  der  Hr.  Herausgeber:  ,,Esteon~ 
cedeniis  praecedentia,  sed  cum  quadam  tarnen  correctione,  quae 
in  sequentibns  exponitur;  nentiquara  vero  simplex  ad  alia  transe- 
undi  formula*'  etc.  Vielleicht  sind  wir  beide  der  Sache  nach 
einverstanden.  Nur  mag  Ref.  den  Hauptbegriff  nicht  in  :  „  etwas 
einräumen ,  woran  man  gezweifelt  oder  was  man  bestritten 
hätte,*4  setzen,  sondern  vielmehr  in  die  Versicherung  dessen, 
dass ,  wenn  etwas  zugegeben  würde ,  nichts  daraus  zu  folgern  sei, 
so  dass  die  Formel  fast  dem  licet;  sit,  ut  übet;  oder  dem  Grie- 
chischen üsv  entspricht.  Hecht  gut  hat  es  Hr.  Or.  Ep.  1,  17, 
37.  durch  „ meinet tvegen  *'  übersetzt.  Welche  Gedankenschatti- 
rung  auch  damit  bezeichnet  werde,  im  Allgemeinen  schliesst  die 
Formel  einen  Gedanken  ab ,  um  auf  etwas  Anderes  zu  kommen, 
wo  wir  zuweilen  sagen  dürften:  „ich  will  nicht  weiter  davon  re- 
den"  oder  auch:  „mag  die  Sache  dahin  gestellt  sein."  ,Vgh 
Klotz  zu  Cic.  Tusc.  1,  43.  Stallbaum  zu  Plat.  de  Republ.  1,  15. 
p.  49.  und  Wunder  zu  Soph.  Oed.  Col.  1303.  So  gewählt  und 
fein  auch  die  Erklärungen  des  Hrn.  Herausgebers  sind ,  so  kann 
es  doch  nicht  fehlen,  dass  dieselben  hier  und  da  Widerspruch 
erfahren  w erden;  z.  B.  Sat.  1,  3,  8.  wo  summa  voce  mit  Gesner 
durch  gravissima  erklärt  wird.  S.  dagegen  Jahn.  Charpentier 
folgt  dem  Scholiasten  des  Cruqnius.  Sat.  1,  5,  15.  ist  der  viator 
wolil  nicht  „der  neben  dem  Kahne  hergehende  Maulthiertrei- 
ber,  wie  auch  Heindorf  meinte,  sondern  ein  auf  der  Barke  sich 
befindender  Reisender;  s.  Becker  zum  Gallus  I.  p.  257.  Am 
Ende  dieser  Satire  wird  eine  tabula  itineris  Brundusini  mitge- 
theilt,  gewiss  zum  Danke  Vieler.  Indess  finden  sich  auch  hier 
und  bei  Becker  p.  255  If.  in  Absicht  der  Ortsentfernungen  einige 
Differenzen.  Dankenswert!»  sind  auch  die  beiden  Excurse  zu  Sat. 
1,  10,  1  sqq.  und  66.;  zu  2,  3,  36.  2,  8,  20  sqq. ;  zu  Ep.  1,  1.  p. 
322. ,  desgleichen  zur  A.  P.  p.  655  —  660.  über  fünf  verschiedene 
Gegenstände.  Ob  Sat.  2,  3,  229.  bei  fartor  an  einen  Wursthänd- 
ler zu  denken  sei,  möchte  grossem  Zweifel  unterliegen,  da  das 
Wort  eher  auf  einen  Gefiügclhändler  hindeutet.  S.  Beyer  zu 
Cic.  de  Offic.  I.  p.  297.  und  Becker  zum  Gallus  II.  p.  190.  Auch 
können  wir  nicht  Sat.  1,  6,  1 10.  Hoc  ego  commodius  quam  tu  — 
Milibus  atque  aliis  vivo,  in  die  Erklärung:  ,, sed  in  sexcentis 
aliis  rebus"-  einstimmen,  da  Milia  alia  als  ein  hyperbolischer  Aus- 
druck alle  die  bezeichnet,  welche  der  Dichter,  der  nicht  nach 
Höherem  strebt  und  streben  will,  in  seiner  zwanglosen ,  durch 
keine  Etiquettc  beschränkten  Lebensweise  übertrifft.  Das  Hoc 
bezieht  sich  demnach  nicht  allein  auf  das  Reisen,  wie  der  Hr.  Her- 
ausgeber erklärt,  sondern  auf  das  Horazens  Staude  entsprechende 


248  Römische  Literatur. 

freieLeben  überhaupt,  das  keinen  Vorwurf  eines  unanständigen  Be- 
nehmens zu  fürchten  habe,  wenn  es  auf  Reisen  sich  einschränke 
oder  ohne  Sclavenbegleitung  und  sonstiges  Gefolge  auf  dem 
römischen  Forum  sich  nach  dem  Preise  der  Lebensmittel  erkun- 
dige und  dergleichen.  Der  Vorwurf:  Sed  incencinna  videtur  du- 
plicis  comparationis  compositio  findet  seine  Erledigung  durch  den 
Constructionswechsel  Sat.  1,  6,  24.  Aut  ob  avaritiam  aut  misera 
ambitionc  laborat,  welchen  der  Herausgeber  daselbst  treffend  in 
Schutz  nimmt,  sowie  Ep.  2,  1,  31.  Nil  intra  est  oleam  ,  nil  ex- 
tra est  in  nuce  duri.  Andere  Stellen  dieser  Art  sammelte  der 
Ref.  in  Seebode's  Archiv  1825.  S.  374.  Vgl.  Schmid  in  Alldem. 
Schulz.  1828.  S.  1208.  Wopkens  Lectt.  Tüll.  p.  226.  ed.  Hand, 
und  Ruperti  zum  Tacit.  IV.  p.  810.  Uebrigens  stimmt  auch 
Charpentier  mit  dem  deutschen  Herausgeber  in  den  3  genannten 
Stellen  zusammen ,  indem  er  in  Absicht  der  erstem  sagt :  Milli- 
bus  atque  aliis.  Refer  ad  hoc  praecedens:  hac  in  re  et  in  mille 
aliis.  Die  seit  Bentley's  Zeit  fast  aus  den  Ausgaben  verschwun- 
dene Vulgate  in  Sat.  1,  6,  24.  fand  auch  einen  wackern  Verthei- 
diger  an  Haacke  im  Stendaler  Schulprogramm  1838 :  Quaestio- 
num  Horatianarum  Part.  1.  p.  13.  —  In  derselben  Satire  wird  V. 
86.  vom  Vater  des  Horaz  gesagt,  dass  er  coactor  zu  Venusia  ge- 
wesen und  aus  solcher  ein  kleines  Vermögen  zur  Bestreitung 
seiner  Subsistenz  in  Rom  sich  erworben  haben  möge.  Sollte  aber 
die  Weltstadt  Rom  nicht  günstiger  für  derlei  Amt  als  der  kleine 
Ort  Venusia  gewesen  sein'?  Dieser  von  uns  gegen  C.  Passow  in 
Schutz  genommenen  Meinung  (Zeitschr.  f.  d.  Alterthumsw.  1834. 
S.  912)  tritt  auch  der  Verf.  von  Nr.  5. ,  Hr.  Subrector  Strodt- 
mann,  (S.  IX)  bei.  Nach  den  neuesten,  vielfach  angeregten 
Untersuchungen  über  das  Verhältniss  Tibur' s  zu  dem  Sabinischen 
Landgute  ist  es  allerdings  auffallend ,  Hrn.  Orelli  zu  der  nicht 
ohne  Glück  bestrittenen  Meinung  Massons  zurückkehren  zu 
sehen.  Zu  Ep.  1,  8,  12.  Romae  Tibur  amem  ventosus ,  Tibure 
Romam  giebt  er  die  Erklärung:  Tibure  „in  Sabino  meo  prope 
Tibur,  "  verweisend  auf  Catull.  44,  1 :  O  funde  noster,  seu  Sa- 
bine seu  Tiburs;  et  cf.  Sat.  2,  7,  28.  Dieselbe  Ansicht  wird  Od. 
4,  2,  30 ;  3,  10.  ausgesprochen.  Wohl  konnte  Catull  wegen  der 
Nähe  seines  Landgutes  bei  Tibur  zweifelhaft  sein  ,  ob  er  dasselbe 
Tibur  oder  dem  Sabinerlande  zuzählen  sollte,  aber  bei  der  Ilora- 
zischeu  Villa  war  es  anders.  Diese  lag  nach  Capmariin  de  Chaupy 
(De'couverte  de  la  maison  etc.  III.  p.  1.)  14  Millien  von  Tibur  und 
5  dergleichen  von  Varia.  Vgl.  auch  Gernings  Reise  durch 
Oesterreich  und  Italien  III.  S.  178.  Und  obwohl  Sichler  (bei 
Braunhard  Nr.  3.  p.  204.)  behauptet,  dass  der  Dichter  den  Weg 
von  Tibur  bis  zu  seinem  Sabinum  sehr  gut  in  vier  Stunden  Zeit 
über  Varia  zurücklegen  konnte:  so  widerspricht  doch  der  Identi- 
tät jener  beiden  Benennungen  Od.  3,  4,  21  —  24:  Vester  in  ar- 
duos  tollor  Sabinos,  seu  mihi  frigidum  Praeneste,  seu  Tibur  eu- 


Horatiana.  249 

pinum ,  seu  liquidae  plädiere  Bajae.  Eben  so  wenig  können  des 
Biographen  (Suetonius)  Worte  für  jene  Behauptung  angeführt 
werden:  Vixit  plurimum  in  secessu  iuris  sui  Sabini  mit  Tiburtini, 
da  die  Partikel  aut  auf  einen  Wechsel  des  Aufenthalts  hindeutet 
und  die  Benennung  ruris,  welche  eigentlich  nur  dem  Zusätze  Sa- 
bini zukommt ,  ungenau  auch  auf  Tiburtini  übergetragen  worden 
ist,  worunter  vielleicht  nur  domus  ejus  bezeichnet  werden  seilte; 
s.  unsre  Bemerkung  in  Zimmerm.  Zeitschr.  a.  a-  O.  920  ff  Vgl. 
Carl  Passow  in  :  Des  Qu.  H.  FL  Leben  und  Zeitalter.  Nr.  235.  Mit 
grosser  Umsicht  hat  Strodtmann  p.  XXI  — XXV.  die  desfallsigen 
Meinungen  zusammengestellt,  geprüft  und  das  Resultat  gewon- 
nen, dass  das  Horazische  Haus  zu  Tibur  nicht  ein  ihm  angehö- 
render Hausbesitz,  wie  Fea  glaubt,  sondern  nur  eine  Einkehr 
(deversorium)  oder  ein  Miethlogis  (habitatio)  gewesen  sei,  wel- 
ches wahrscheinlich,  wie  es  zu  geschehen  pflegt,  für  die  spä- 
tem Besitzer  und  deren  Zeitgenossen  eben  dadurch,  dass  der 
Venusinische  Dichter  dort  oft  verweilt  hatte,  mehr  Werth  erhal- 
ten habe  und  so  allmälig  grösser  und  herrlicher  auf  -  und  an- 
gebaut worden  sei,  als  es  bei  Lebzeiten  des  Dichters  selbst  ge- 
wesen war.  Mit  Recht  scheint  demselben  Gelehrten  der  Um- 
stand allein,  dass  die  im  Garten  des  Klosters  St.  Antonio  bei 
Tivoli,  am  rechten  Ufer  der  Teverone  befindlichen,  von  den 
Trümmern  der  Mäcenatischen  Villa  entfernten  Ruinen,  welche 
einer  „  uralten  Tradition  zufolge "  Ueberreste  von  Horaz 
Hause  darstellen,  einen  zu  grossen  und  prachtvollen  Bau  ver- 
muthen  lassen,  als  das  Horazische  Haus  gewesen  sein  wird,  nicht 
hinreichend  zu  sein ,  um  mit  Fea  p.  XL1II.  die  ehrwürdige  Sache 
zu  verdächtigen,  wenn  nur  sonst  die  Lage  mit  den  Horazischen 
Aussprüchen  übereinstimmt,  wie  Sichler  in  der  Erklärung  zu  den 
„30  Bildern  zu  Horazens  Werken , "  Carlsruhe  1829  S.  9  ver- 
sichert. Zudem  lässt  sich,  wie  Strodtmann  ferner  bemerkt,  ge- 
gen jenen  Einwurf  der  ehemaligen  Grösse  und  Pracht  der  Um- 
stand geltend  machen,  dass  ja  jenes  Haus  nicht  des  Dichters  Ei- 
genthura  gewesen  sei ,  und  bei  der  Annahme,  dass  Horaz  nur  ei- 
nige Zimmer  darin  gemiethet  hätte ,  selbst  damals  gross  gewesen 
sein  könnte.  Wenn  wir  diese  Erörterung  hier  einschalten  zu 
müssen  glaubten ,  so  geschah  dies  nicht  zu  dem  Ende ,  um  Hrn. 
Orelli  zu  belehren,  sondern  um  bei  dieser  Gelegenheit  auf 
Strodlmanns  beachtenswerthe  Untersuchung  die  Leser  aufmerk- 
sam zu  machen. 

Zu  Ep.  1,  18,  5  —  7.  beschreibt  Orelli  in  gedrängter  Kürze 
Horazens  Sabinische  Villa;  und  mit  Recht  scheint  er  uns  V.  12, 
Föns  etiam  rivo  dare  nomen  idoneus,  vor  der  herkömmlichen  Mei- 
nung zu  warnen,  als  sei  mit  diesen  Worten  die  fons  Bandusiae  ge- 
meint, auf  3,  13,  1.  der  Oden  [denn  so  ist  zu  schreiben,  nicht 
3,  4,  14.,  was  ein  Druckfehler  zu  sein  scheint]  verweisend ,  indess 
dürfte  die  Erklärung  von  dare  idoneus,    ixavos  öorivea,   id  est, 


250  M  i;  in  i  &  i;  h  c   L  5 1  e  r  a  t  u  r .. 

adeo  aqua  abundans,  ut  et  fonti  et  rivo,  qui  ex  eo  profluit,  pro- 
prium Digentiae  nomen  indituni  sit,  cum  minores  rivi  proprio  no- 
mine  earere  soleant,  noch  eine  andere  Fassung  zulassen,  wie 
dieselbe  Strodtmann  p.  XXVIII.  giebt:  „idoneus,  qui  det,  qni 
dare  possit,  d.  h.  dieser  Quell  iliesst  so  wasserreich,  dass  er 
selbst  (nicht  etwa  ein  anderer,  der  bei  den  Sabinern  dafür  gelten 
mochte)  verdiente,  für  den  Ursprung  oder  Hauptqueli  der  Di- 
gentia  angesehen  zu  werden."  Wie  dem  auch  sei,  da  die  Ban- 
dusia  nach  urkundlichen  Zeugnissen  6  Miglien  von  Venusia,  IIo- 
razcns  Heimathsiande,  sich  findet,  so  vermuthete  Kirchner 
(Quaest.  Ilor.  p.  10.)  sehr  scharfsinnig,  dass  Horaz  auf  der  Rück- 
kehr von  der  Brundisischen  Reise  (Sat.  1,  5.)  seine  Geburtsstadt 
und  die  Plätze  seiner  Jugend  wieder  besucht  und  hier  an  der  Ve- 
'inisinischen  Bandusia  verweilend  717.  u.  c.  Varr.  das  liebliche 
Gedicht  verfasst  habe.  Orelli ,  welcher  ebenfalls  dem  Zeugnisse 
der  Geschichte  Gerechtigkeit  widerfahren  lässt,  zieht  jedoch  jene 
gefällige  Hypothese  durch  den,  wie  es  scheint,  nicht  ganz  un- 
triittigen  Umstand  in  Zweifel,  nach  welchem  es  unerklärlich 
bleibt,  wie  diese  im  Jahre  717  geschriebene  Ode  erst  iii  das 
«Tritte  Buch  der  Carmina,  welches  meist  Gedichte  von  den  Jahren 
72G — 736  enthalte,  gekommen  sei.  Er  hält  demnach  jenes  Ge- 
dicht für  reine  Fiction  und  glaubt,  der  Dichter  habe  durch  die 
Erinnerung  an  seine  Jugendzeit  geleitet  der  besungenen  Quelle 
den  Namen  der  ihm  längst  bekannten  Bandusia  gegeben;  doch 
verwirft  er  auch  die  Meinung  nicht  gänzlich,  welche  an  ein  wirk- 
liches Opfer  glaubt,  welches  der  Dichter  jener  Quelle  darzu- 
bringen beabsichtigt  habe.  Gegen  die  reine  Fiction,  welcher 
Orelli  auch  anderwärts,  z.  B.  in  den  erotischen  Oden,  Vieles  zu- 
schreibt, dürfte  der  Erfahrungssatz  sprechen,  dass  Horazens 
Gedichte  meist  auf  einem  reellen  Grunde  ruhen  ,  wonach  jedes 
seiner  Gedichte  als  ein  Gelegenheitsgedicht  erscheint,  was,  rich- 
tig verstanden,  Goethe  von  jeglichem  Gedichte  überhaupt  ver- 
langt. Vergl.  Vanderbourg  zu  Od.  3,  1.  p.  6.  und  Lübker's  Pro- 
gramm v.  J.  1837.  S.  10.  Auch  Strodtmann  bestreitet  p.  XXVI. 
tlie  7i.ii ebner" sehe  Ansicht  mit  drei  Gründen,  von  denen  der  oben 
genannte  dem  lief.,  selbst  bei  der  nothwendigen  Annahme  von 
dner  Gcsammtausgabe  der  drei  Bücher  Carmina,  immer  noch 
der  trifftigste  zu  sein  scheint;  denn  die  beiden  andern,  dass  1) 
ioh  einer  Perlustration  seiner  (des  Dichters)  Jugendplätze  keine 
Andeutung  sich  vorfinde,  und  dass  2)  Horaz  der  Quelle  zum 
Opfer  ausser  Blumen  und  Wein  auch  einen  jungen  Bock  verheisse, 
\velcher  Umstand  auf  eine  Situation  hindeute,  wie  sie  nur  auf 
seinem  Grundbesitze  höchst  passend  erscheine,  dürfte  Kirch- 
ner*» geistreiche  Dialektik  noch  weit  leichter  beseitigen  können. 
Demnach  pflichtet  Str.  der  Meinung  bei,  dass  Horaz  eine  der 
Quellen  des  Sabinerthales  nach  jener,  ihm  von  dem  Knabenalter 
her  bekannten  Venusinischeu    Bandusia  genannt  habe.     Indes» 


Iloratiana.  251 

wünscht  derselbe  der  andern  Lesart  Blandusia  eine  grössere 
Sorgfalt  zugewandt  zu  sehen,  als  es  bisher  der  Fall  gewesen  ist; 
denn,  wenn  sich  erweisen  lasse,  dass  jene  heutige  Bandusia  (bei 
Venöse)  kein  fons  bellus  atque  elegans  sei,  so  dass  sie  (wie  jetzt 
die  Sabinische)  als  „Fönte  bello"  damals  einen  gewissen  Ruf  nicht 
gehabt  haben  könne:  so  hätte  der  Dichter  ebenso  wohl  selbst  die, 
wenn  auch  nicht  ihm,  so  doch  seinen  Freunden  und  überhaupt 
den  Bewohnern  der  Hauptstadt  minder  bekannte  Benennung  Ban- 
dusia auf  seinem  Sabinum  in  Blandusia  umwandeln  können ,  „ut 
romen  propius  ad  latinum  sermonein  accedere  et  blandius  esse 
irideretur"  (wie  Jaui  mit  Bentley  von  den  Abschreibern  behaup- 
tet) ,  gleichwie  er  für  den  entgegengesetzten  Zweck  die  Gratidia 
stets  in  eine  Canidia  umbilde.  Ref.  ist  der  Meinung,  dass  die 
Autorität  der  Handschriften  entschieden  für  die  Form  Bandusia 
spreche  und  von  der  historisch -urkundlichen  Schreibung  abzuge- 
hen kein  Grund  uns  nöthige.  Ob  aber  der  Dichter  wirklich  die 
Quelle  bei  Venusia  besungen  oder  eine  in  seinem  Sabinerthale 
nach  jener  genannt  habe,  wird  stets  ein  Problem  der  histori- 
schen Kritik  bleiben.  Da  aber  der  Name  der  erstem  durch  ur- 
kundliche Zeugnisse  ermittelt  ist:  so  bleibt  nur  die  Vorausse- 
tzung timvaki r scheinlich ,  dass  zwei  Quellen,  die  eine  im  südli- 
chen, die  andere  in  Mittel- Italien ,  denselben  Namen  geführt 
haben  sollen,  falls  nicht  die  eine  oder  die  andere  Vermuthung 
geltend  gemacht  wird.  Für  die  letztere  hat  sich  nach  dem  Vor- 
gange Dunlops  und  Tales  auch  Zumpt  in  den  Berliner  Jahrbü- 
chern (1833.  S.  662.)  ausgesprochen.  Zu  dieser  Stelle  fügen  wir 
sogleich  Ep.  2,  2,  51.  paupertas  impulit  audax,  Ut  versus  face- 
rem,  wo  die  Erklärung  OrelWs:  Ironica  hyperbola  usus  dixit  se 
primis  suis  versibus  (satiris  et  epodis)  Omnibus  demonstrare  vo- 
luisse,  maius  sibi  ingeniura  esse,  quam  ut  in  scriptore  quaestorio, 
quem  compararat,  consenesceret  etc.,  einen  rüstigen  Gegner  an 
Hrn.  Strodtmann  (p.  XIV  sqq.)  gefunden  hat.  Derselbe  behaup- 
tet nämlich,  dass  die  Worte  paupertas  audax  nur  dann  erst  in  das 
gehörige  Licht  zu  dem  vorher  gebrauchten  Beispiele  des  Luculli- 
schen  Kriegers  treten,  wenn  man  die  sinnreiche  Erklärung  Kirch- 
nefs  Quaest.  Hör.  p.  17.  adoptire.  „Sowie  nämlich  der  Luculli- 
sche  Krieger  erst  nach  Verlust  seines  Geldes  und  Gutes  und  im 
Ingrimm  darüber  zu  verwegnen  Thatcn  angereizt  wurde,  so  trieb 
auch  unsern  Dichter  nach  Verlust  des  Vermögens  seine  bedrängte, 
verzweiflungsvolle  Lage  oder  „die  verwegene  Armuthu  an,  Verse 
zu  machen,  nicht  um  sich  Unterhalt  oder  Ruhm  und  Gönner  zu 
erwerben,  dessen  Gelingen  höchst  problematisch  \>ar,  sondern 
um  seinem  verhaltenen  Grimm  ohne  Schonung  der  gegeisselten 
Personen  Luft  zu  machen,  und  daher  Maren  sie  nothwendig  sati- 
rischer und  epodischer  Natur.  Nun  aber,  nachdem  er  für  sein 
verlornes  Gut  in  seinem  Sabinum  einen  Ersatz  bekommen  hatte, 
der  ihn  völlig  befriedigte,  zieht  er  das  noch  jetzt  süsse  Glück 


-  252  U  ö  in  i  s  c  li  e   L  i  t  e  r  a  t  u  f. 

des  Italieners,  il  dolce  no»  far  niente,  dem  Zustande  vor,  wo  er 
sich  in  Versen  die  Galle  überlaufen  Hess."     Ref.  mag  keineswegs 
das  Sinnreiche  dieser  Erklärung  in  Abrede  stellen,  aber  eben  so 
wenig  kann  er  dieselbe  für  dringlich  erachten,  so  bald  mau  den 
Zweck  des  Briefes  erwägt  und  den  Vergleichungspunkt  jenes  Lu- 
cullischen  Kriegers  auf  die  allgemeinen  Umrisse  beschränkt.    Der 
Dichter  sucht  das  Aufgeben  der  Dichtkunst  auf  mehrfache  Weise 
zu  motiviren.    Zu  dem  Ende  sagt  er:  ,, einst  war  es  nöthig,  Verse 
zu  machen,  um  mich  aus  meiner  ärmlichen  Lage  emporzu raffen; 
jetzt  da  ich  zur  Genüge  habe,  müsste  ich  nicht  klug  sein,  wollte 
ich  nicht  jenes  gefährliche,    d.  h.   so  grosse  Anforderung   ma- 
chende Handwerk  aufgeben,  ähnlich  jenem  Lucullischen  Solda- 
ten, der,  so  tapfer  er  auch  hei  dem  Verluste  seines  Geldes  frü- 
her sich  erwiesen  hatte,    keinen  Fuss  mehr  zu  freiwilliger  Ta- 
pferheit rührte,  seit  derselbe  sein  verlornes  Geld  und  mehr  noch 
wieder  bekommen  hatte."     Aus  diesem  Ideengange  ergiebt  sich 
von  selbst,  dass  die  paupertas  audax  genannt  werde,  weil  sie  den 
Dichter  nöthigte,  in's  Publicum  als  Dichter  zu  treten,  was  er  im 
Zustande   der  Behaglichkeit   nicht    gewagt  haben  würde.     Was 
übrigens  von  dieser  mehr  scherzhaften  Aeusserung  zu  halten  sei, 
gehört  weniger  hierher,  mehr  jedoch  die  Bemerkung,  dass,  wer 
den    Vergleichungspunkt    auf    die    ausmalenden  Nebenumstände 
ausdehnt,  Gefahr  laufe,  dem  Dichter,  welcher  überall  Digressio- 
nen  und  in   denselben    scharf  begränzte  Individualisirung  liebt, 
fremdartige  Gedanken  beizulegen.      Dass  aber  den  Dichter  ein 
geieisser  Ingrimm  über  Personen  oder  unbehagliche  Verhältnisse 
zu   seinen   ersten  Versuchen  in   der  Dichtkunst  getrieben  habe, 
dieser  Gedanke  ist  der  Tendenz  des  Briefes  eher  zuwider,  als 
dass  er   erheischt  würde.-  Daher  tritt  Ref.,  dem  Hr.  Str.  mit 
Recht  sein  Schweigen  über  jene  Erklärungsweise  zum  Vorwurf 
macht,  gern  auf  die  Seite  derjenigen  Ausleger,  welche  derselbe 
S.  XIII.  namhaft  macht,  wenn  er  auch  wünschen  möchte,  dass 
Orelli  seine  Erklärung  in  eine  bestimmtere  Fassung  eingekleidet 
hätte.  —     Ep.  2,  2,  184.  Praeferat  Herodis  palmetis  pinguibus 
erklärt  Orelli  mit  Theodor  Schmid  von  den  einträglichen  (ferti- 
libus)  Palmenanpflanzungen  bei  Jericho.     Doch  könnte  es  wohl 
sein,  dass  der  Dichter  bei  dem  Beiworte  pinguia  auf  die  INatur 
der  in  jenen  Pflanzungen  sich  belindlichen  Balsamstauden  Rück- 
sicht genommen  hätte.     Zu  dieser  Vermuthung  leitet  nicht  blos 
die  bekannte  Thatsache,  dass  Pompejus  einen  Balsarnbaum  zum 
Erstaunen  der  Römer  im  Triumphzuge  aufführte,  sondern  auch 
die  von  Schmid  und  Orelli  angezogene  Stelle  des  Strabo  16.  §  41. 
und  der  von  den  Auslegern  übersehene  Josephus  in  den  Antiq. 
Jud.  14,  4,  1.  ed.  Oberth.:    atgavoTtsöevöä^svos  de  enl  'Isqi~ 
Xovvtcc,  ov  röv  (polvwa.  övfißsßqxe  neu  to  ojtoßdlöafiov  pv- 
qov   äxQOzecTOV,    o   tcöi'  ftccyivcov  TS{ivo{iiiVov  6t,sl  ki&a  dva- 
Ttidvst,  otcös  etc.     Charpentier  verweist  auf  Justin.  36,  3.  und 


Horatiana.  253 

Dübner's  Anmerkimg  daselbst.  Vergl.  auch  Joseph.  1.  1.  9,  1,  2. 
Plin.  II.  N.  13,  4.  Tac.  Hist.  5,  6.  und  Schulzii  Exercitatt.  Philol. 
Fase.  nov.  Hag.  Comit.  1774.  p.  21  —  28.  Not.  a.  In  demselben 
Briefe  wird  V.  213.  decede  peritis  von  dem  Ausscheiden  aus  dem 
Leben  gegen  Sckmid  und  Mitscher  lieh  genommen ,  wie  es  dem 
Ref.  scheint,  mit  Recht,  wie  anderwärts  diese  von  den  altern 
Auslegern  versuchte  Erklärung  mit  Mehrerem  erhärtet  werden  soll. 
Doch  hat  der  Herausgeber  V.  212.  die  von  Bentley  aufgenom- 
mene Lesart  levat,  der  auch  Sehmid  folgt,  aufzuführen  verges- 
sen. Noch  ist  Vieles  übrig,  was  der  Ref.  nicht  aus  voller  Ueber- 
zeugung  unterschreiben  kann,  mehr  aber  noch,  was  er  zu  loben 
hätte.  Ueberhaupt  fühlt  sich  der  Unterzeichnete  Hrn.  Orelli  zu 
grossem  Danke  für  die  mannigfaltige  Belehrung  verpflichtet ,  die 
er  aus  der  geschmackvollen  Erklärung  der  Briefe  und  Satiren  ge- 
schöpft hat.  Wie  derselbe  überall  aus  den  Commentaren  über 
andere  Schriftsteller  das  Behufige  benutzt  habe,  geht  aus  den 
Bemerkungen ,  um  nur  Einiges  zu  berühren ,  z.  V.  98. ,  wo  Lo- 
beck ,  zu  V.  188.,  wo  Härtung,  zu  V.  292.  d.  A.  P.,  wo  Her- 
mann angeführt  wird,  genugsam  hervor.  Ueber  anderes,  haupt- 
sächlich die  tiefere  Auffassung  der  Beiwörter,  wird  künftig" kein 
Ausleger  JacoUs  Quaestiones  Epicas.  Quedlinb.  et  Lips.  1839, 
übersehen  dürfen. 

Das  Volumen  seeundum  der  Horazausgabe  Nr.  2,  welches 
die  Satiren  und  Episteln  enthält  —  das  Vol.  primum  ist  uns  noch 
nicht  zu  Gesicht  gekommen  —  gehört  zu  der  von  dem  Ritter 
Panckoucke  veranstalteten  Nova  Scriptorum  Latinorum  Biblio- 
theca.  Die  äussere  x'lusstattung,  welche  auch  an  der  Orellischen 
Ausgabe  zu  rühmen  ist,  tritt  in  der  bekannten  französischen  Ele- 
ganz ruhmwürdig  hervor.  Der  Text  ist  meist  nach  der  Vulgata 
gestaltet,  hat  jedoch  hin  und  wieder  Abweichendes,  als  Sat.  1, 
1,  4.  gravis  armis ,  Ep.  2,  1,  18.  Sed  tuus  hoc  populus  etc.  u.  a. 
Die  Anmerkungen ,  welche  am  Ende  des  Textes  von  p.  159.  ste- 
hen, erläutern  nur  einzelne,  wenn  auch  nicht  immer  schwierige 
Stellen  oft  mit  den  Worten  der  Schoiien,  oft  auch  mit  den  der 
deutschen  Gelehrten.  Ueberhaupt  hat  der  Herausgeber  eine  so 
genaue  Bekanntschaft  mit  den  letztem  an  den  Tag  gelegt,  dass 
Ref.  die  Vermuthung  wagt,  nicht  Hr.  Prof.  Charpentier ,  sondern 
unser  gelehrter  Landsmann,  Hr.  Dr.  Dübnei\  sei  deren  Verfasser. 
Die  Inhaltsanzeigen  der  einzelnen  Stücke  sind  kurz ,  treffend  und 
geben  zuweilen  Eigenthümliches.  Wegen  der  Zeit  der  Abfassung 
wird  öfters  auf  die  Notitia  litcraria  verwiesen,  welche  jedoch  in 
diesem  Bande  sich  nicht  vorfindet.  Um  die  Erklärungsweise  die- 
ser in  Deutschland  noch  wenig  bekannten  Edition  näher  zu  be- 
zeichnen, erlaubt  sich  Referent,  einzelne  Stellen  wörtlich  mitzu- 
thcilen. 

Die  Einleitung  in  die  Satiren  beginnt  mit  folgenden  Worten: 
„lu  bis  Sermonihus  (ita  enim  ipse  Satiras  appellavit)  quum  poeta 


.  :")4  Römische   Literatur. 

exprimat  politiorum  hominura  sermonem  fere  quotidianum  et  col- 
loquia  familiaria,  argumentum  cuiusque  non  severe  circumscri- 
pturn  est ,  sed  ad  aliam  rem  ex  alia  liberius  transitur,  uti  fit  quum 
loquuntur  inter  se  amici:  nihilominus  omnia  ad  unura  scopum  rc- 
feruntur ,  quem  vel  propius  tangunt ,  vel  longius ,  tangunt  tarnen. 
Ita  evenit  ut  primarium  satirae  alicuius  argumentum  nonnunquam 
fefellerit  interpretes:  veluti  erant  qui  avaritiam  perstringi  statu- 
erent  in  Satira  prima,  ob  versus  28  —  107,  revera  avarorum  per- 
versam  ingenii  indolem  tractantes.  Sed  multo  ea  latius  patet,  et 
scripta  est  in  omnes  qui  de  sorte  sua  nunquam  non  queruntur  (una 
voce  Graeci  yLS^T\)ip,oiQovg  appellant),  nihilominus  tarnen,  si  con- 
ditionis  mutatio  iis  offeratur,  eam  recusahunt:  quod  genus  homi- 
num  ad  hunc  diera  immortale  fuit  et  usque  nascetur."  Mit  Ue- 
bergehung  der  Anmerkungen  zu  V.  2.  3.  stelle  hier  die  Rechtfer- 
tigung der  aufgenommenen  Conjectur  gravis  armis:  „Coniectura 
est  viri  docti  (Bouherii,  ni  fallor)  in  Journal  de  Trevoux,  a.  1715, 
Juin.  Codd.  omnes  gr.  armis.  Notum  est  romanum  militem,  prae- 
ter bellica  arma,  palos  quoque,  rostra  et  quibuscumque  ad  castra 
munienda  opus  esset,  praeterea  victum  in  quinque  fere  dies  por- 
tasse:  totum  hoc  onus  intelligit,  dum  u  potiore  eins  parte  dixit, 
gravis,  i.  e.  gravatus,  onustus,  armis.  Wie  treffend  auch  in 
ausführlichen  Erörterungen  Kirchner,  Jahn  und  Paldamus  die 
Vulgata  vertheidigt  haben :  so  hält  doch  Ref.  jenes  armis  für  eine 
der  glücklichsten  Conjecturen,  die  je  über  den  Iloraz  gemacht 
worden  sind.  Was  Orelli  über  iam  sagt,  das  dürfte  durch  Eich- 
städts  vortreffliche  Bemerkung  (Paradoxa  quaedam  Ilorat.  tertium 
proposuit  etc.  p.  ö.)  entkräftet  werden  und  auf  eine  ganz  andere 
Ansicht  hinführen.  Auch  Fr.  Jacobs  hat  (Vermischte  Schriften 
"VI.  S.  9.)  aus  ästhetischen  Rücksichten  der  Conjectur  armis  das 
Wort  geredet,  sowie  Gerber  in  Zimmermanns  Zeitschrift  für  d. 
Alterthumsw.  1839.  Nr.  7.  S.  49.  Aus  einem  ähnlichen  Grunde 
kann  V.  8.  nur  das  einmalige  aut  stattfinden :  Momento  cita  mors. 
Optime,  quanquam  in  perpaucis  codieibus  legitur  Momento  aut 
cita  mors.  „Bis  enim  aut  ponitur ,  ubi  pares  res  sibi  opponun- 
tur;  semcl,  ubi  deterior  subiungitur."  Jahn.  Haec  ex  linguae 
norma  petita  est ;  aliam  poeticam  indicat  Bentlejus  :  „Atqui  iliud 
etc.  Gründlicher  ist  Orellis  Bemerkung  zu  dieser  Stelle.  — 
V.  29.  wird  die  Lesart  Perfidus  hie  caupo  beibehalten ,  mit  die- 
ser fast  allzu  kurzen  Note :  Iis  (nautis)  hoc  loco  cauponem  addit, 
quanquam  sunt  qui  aliter  legant:  Fea:  Praefidus  hie  campo  mi- 
Hes,  _  V.  88  sqq.  wird  An,  si  —  fraenis'?  gelesen  und  dazu 
folgendes  bemerkt:  Inde  stultitiam  avari  increpat,  qui  cognatos, 
sibi  magno  auxilio  futurus,  nihil  curet.  An  nihil  putas,  inquit,  et 
operam  perdere  tibi  videris,  si  cognatos,  quos  nullo  tuo  labore 
et  impensis  nullis  natura  tibi  dedit,  merito  aliquo  velis  retinere'f 
credisne  hoc  aeque  inane  esse,  ac  si  quis  vellet  asinum,  sinistrara 
bestiam,  instituere  pro  equo*?     Diese  Interpunction  ist  wegen  ih- 


Horatiana.  255 

rer  Natürlichkeit  der  von  Orelli  vorzuziehen ,  welcher  nach  per- 
das  das  Fragzeitheu  setzt.  Wir  glauben  noch  immer,  mit  Jahn 
und  Kirchner  an  dem  At  festhalten  zu  müssen.  Vgl.  Jahrbb. 
1830.  XIII.  S.  413  sqq. 

Der  Verf.  von  Nr.  3.,  Hr.  Rector  Braanhard  zu  Greussen, 
hat  mit  lobenswerthera  Fleisse  auser  dem  Index  Verborum  auch 
dieses  Namenverzeichniss  nach  dem  gegenwärtigen  Stande  der 
Wissenschaft  zusammengestellt.     Beide  Fasciculi  bilden  den  vier- 
ten Band  seiner  Horaz  -  Ausgabe.     Doch  sind  diese  Indices  auch 
zu  jeder  andern  Ausgabe  brauchbar  und  Ref.  wünscht,  dass  die- 
selben in  recht  viele  Hände,  namentlich  der  Lernenden,  kommen 
mögen.     Aus  den  gelehrten  Forschungen  eines  Weichert,  sowie 
aus   der  geschmackvollen  Biographie  unsers  Dichters,    die  wir 
Hrn.  C.  Passow  verdanken,  zum  Theil  auch  aus  Jürclmer's  rühm- 
lichst bekannten  Quaestionibus  Horat.  und  für  die  geographischen 
Artikel  aus  Sickler's  alter  Geographie  ist  dieses  Horazische  Na- 
menverzeichniss  mit  Benutzung  des  früheren  Materials  erwach- 
sen.    Vermisst  hat  Ref.  den  fünften  Theil  von  Fr.  Jacobs  ver- 
mischten Schriften  und  Buttmanrts  Mythologus  oder  den  Artikel: 
„Horaz  und  Nicht  -  Horaz'"''.     Namentlich  würde  letztere  Schrift 
(II.  S.  159  ff.)  eine  reichlichere  Ausbeute  zu  dem  Artikel  Cotyt- 
tius  gegeben  haben.     Und  betrachtet  auch  die  erstere  die  Ho- 
razischen  Personen  mehr  ihrem  Charakter  nach :  so  war  eine  Hin- 
weisung  auf  selbige  selbst  dem  vielbeschäftigten  Schulmanne  nicht 
unerwünscht.     Was  wir  an  der  Arbeit  zu  tadeln  finden,  ist  haupt- 
sächlich die  ungleiche  Bearbeitung   der  einzelnen  Artikel.     Die 
Biographie  des  Virgilius ,  nach  den  Jahren  vertheilt ,  würden  wir 
nicht  hier,  sondern  in  einer  Ausgabe  des  Virgilius  suchen.  Ande- 
res ist  wieder  ausgefallen,  so  der  Name  Quintius,  weicherauf 
Ilirpinus  zurückweisen  sollte.     Die  Artikel  Hermogenes  und  Sar- 
dus  konnten  füglich  in  Eins  verarbeitet  und  die  dahin  gehörigen 
Namen  unter  den  besondern  Rubriken  mit  Verweisung  auf  den 
Hauptartikel  angeführt  werden.     Nach  den  Grundsätzen ,  welche 
Hr.  Br.  auch  anderwärts  bei  Verschiedenheit  der  Ansichten  be- 
folgt, durfte   der  Artikel   Ustica  nicht  mit  folgenden   wenigen 
Worten  abgethan  werden:  „Ustica  fuit  parvus  mons  prope  villam 
Horatii,  qui,  quia  leniter  adsurgebat,-  cubans  denominatur.  Carm. 
1,  17,  11."     Dieser  Stelle  zufolge  hat   der  Dichter  wohl  nur 
einen  Berg  im  Sinne  gehabt;  aber  nach  dem  Scholiasten  Acron 
führte  diesen  Namen  sowohl  ein  Berg  als  ein  Thal;  und  daher 
sind  die  Meinungen  der  Ausleger  dergestalt  getheilt,  dass  die  ei- 
nen blos  einen  Berg,  die  anderen  blos  ein  Thal,  wieder  andere 
beides  zugleich  unter  jenem  Namen  begriffen  glauben.     Ja,  Cap- 
martin  de  Chunpy,  welchem  Vanderbotirg  folgt,  verstellt  einen 
Flecken  (hameau)  des  Ilorazischen  Gutes  darunter.     Der  neueste 
Ausleger,   Orelli*  nimmt  hinwiederum  mit  Nibby  (Viaggio  2.  p. 
194.J  Ustica  für  den  Namen  eines  Thaies.     Wie  dem  auch  sei. 


256  Römische  Literatur. 

wenigstens  war  hier  auf  die  Erklärung  der  Scholiasten  zu  verwei- 
sen. Vergl.  Dori »hello  III.  p.  257.,  C.  Passow  Nr.  226.,  Eich- 
hollz  in  Hanfs  Piniol.  II,  1.  S.  159.  und  Sichler  Alte  Geogr.  I. 
S.  377.,  welchen  letztern  Hr.  Br.  unter  dem  Namen  Sabinus  S. 
108.  anführt  und  dessen  Beschreibung  von  dem  Horazischen  Sa- 
binum  mittheilt.  Unter  der  Ueberschrift  Addenda  werden  von 
S.  219.  die  Vita  Horatii  e  Codice  Berolinensi  B.  expressa  aus 
Kirchners  Quaest.  Hör. ,  dann  zwei  Recensionen  über  des  Verf. 
Horaz  -  Ausgabe ,  die  eine  von  Hrn.  Carl  Sckiller,  die  andere  von 
dem  Referenten  zur  nochmaligen  Kunde  des  Publicums  gebracht 
und,  wie  es  scheint,  in  der  Absicht,  um  wegen  der  erstem  sei- 
ner gereizten  Stimmung  Luft  zu  machen.  Da  Ref.  solchen  Strei- 
tigkeiten durchaus  abhold  ist,  so  wird  weder  Hr.  Braunbär  & 
noch  irgend  Jemand  von  ihm  die  Entscheidung  verlangen ,  ob 
Schiller  „an  der  Recensententafel  fades  Sah  oder  geniessbares", 
wenn  auch  nicht  grade  attisches,  aufgetragen  habe.  Am  Ende 
ist  Kirchner' s  Tabula  chronologica  Horatiana  beigegeben,  wofür 
ihm  die  Freunde  gründlicher  Studien  nur  Dank  wissen  werden. 
Nach  Seite  241.  ist  Hr.  Braunhard  auch  Willens,  noch  ein  Lexi- 
con  Horatianum  zu  bearbeiten ,  in  Absicht  dessen  wir  ihm  eher 
ab  -  als  swrathen  möchten.  Wer  den  Horaz  liest ,  braucht  kein 
besonderes  Lexicon,  da  das  Wissenswürdige  in  den  Indicibus  nie- 
dergelegt ist.  Ausserdem  genügt  die  Clavis  Horatiana  von  Er- 
nesli  und  Schirach.  * 

Die  Herausgabe  des  kleinen  stereotypsten  Horaz  Nr.  4 
ward  auf  Verantassung  des  thätigen  Verlegers ,  Hrn.  G.  Wtgand, 
durch  den  Sohn  des  Unterzeichneten  besorgt.  Wenn  unter  sol- 
chen Umständen  die  Kritik  von  selbst  verstummt,  so  sieht  sich 
Ref.  nur  zu  der  Bemerkung  veranlasst ,  dass  er  nicht  den  gering- 
sten (wenigstens  unmittelbaren)  Antheil  an  der  Arbeit  habe. 
Gerber  hat  eben  so  gründlich  als  human  diesen  Versuch  eines 
strebsamen  Jünglings  in  der  Zeitschrift  für  die  Alterthumswis- 
senschaft  1839.  Nr.  6.  7.  beurtheilt.  Vergl.  auch  Gersdorfs 
Repertorium  1838.  XVIII.  3.  S.  234.  Im  Ganzen  liegt  der  Aus- 
gabe die  Jahiische  Textrecension  zu  Grunde ,  doch  nicht  ohne 
Abweichungen;  z.  B.  Od.  1,  16,  8.  Sic  geminant,  wo  Jahn  Si 
geminant  und  1,  17,  14.  Hie  tibi  copia,  wo  Jahn  Hinc  geschrie- 
ben hat,  und,  wie  uns  scheint,  mit  Recht.  Daher  haben  wir 
nicht  ohne  Befremden  bei  OrellilWc  gefunden,  obschon  vier  sei- 
ner Handschriften  (BbSc.)  in  der  andern  Lesung  übereinstimmen. 
Da,  wie  bekannt,  hinc  leichter  in  hie,  als  umgekehrt  (Drakenb. 
zu  Liv.  26,  13,  13.),  verschrieben  ward  und  jenes  bereits  die 
Auctorität  der  Scholiasten  für  sich  hat ,  so  ist  es  in  der  That  auf- 
fallend, wie  hinc  in  so  viele  treffliche  Handschriften  kommen 
konnte ,  wäre  es  nicht  ursprüngliche  Lesart.  Erwäget  man  den 
Gedankengang  des  Dichters,  so  scheint  es  uns  fast  nothwendig. 
Derselbe  sagt  nämlich:    „Auf  meinem  Landgute  ruht  der  Segen 


Horatiana.  257 

des  Himmels;  das  Vieh  beschützt  der  Faunus,  darum  weidet  es 
ohne  Gefahr  selbst  auf  entlegnen  Pfaden,  ich  selbst  stehe  unter 
der  Götter  Schutze  und  meine  Muse  liegt  ihnen  am  Herzen. 
Daher  werden  dir  (so  du  zu  mir  kommst)  die  Gaben  des  Feldes  in 
reichlicher  Fülle  zuströmen.  Hier,  in  diesem  tiefen  Thale  ent- 
gehst du  den  Gluthen  des  Sommers;  hier,  im  Schatten  ruhend, 
bist  du  gesichert  vor  den  rohen  Misshandlungen  deines  eifersüch- 
tigen Cyrus."  Indem  der  Dichter  das  Glück  seines  Sabinerthales 
schildern  will,  lässt  er  das  Gedeihen  der  Heerden  von  dem  Be- 
suche des  schützenden  Faunus  abhängen,  60wie  den  Segen  der 
Flur  von  den  ihn  liebenden,  gütigen  Göttern.  Diesen  letztern 
Gedanken  wendet  der  Dichter,  welcher  die  Einladung  an  die 
Tyndaris  motiviren  will,  so,  dass  dieser  Segen  ihr  —  der  Freun- 
din —  zu  Gute  komme.  Die  andern  auch  nicht  zu  verschmähen- 
den Vortheile,  welche  das  glückliche  Thal  gewährt,  werden 
durch  das  scharf  bezeichnende  hie  —  hie  jenem  Gedanken  ganz 
natürlich  angereiht.  Ohne  die  Lesung  hinc  fällt  das  Gedicht  in 
zwei  Theile  aus  einander,  der  innern  poetischen  Einheit  erman- 
gelnd. Daher  beruht  Bentley's  Einwurf:  Quod  si  hinc  legeris, 
interpretandum  quidem  fuerit  ob  pieiatem  meam:  atqui  eo  pacto 
dicetidum  potius  foret  Hinc  mihi  copia,  quam  hinc  tibi  etc.  auf 
einer  leeren  Spitzfindigkeit.  Fast  noch  unglücklicher  erscheint 
uns  O/ellis  Abwehr,  wenn  er  sagt:  Olim  hinc,  quod  significaret 
„ex  agro  isto  etiam  in  Urbe  eam  donis  illis  quomodoeunque  frui 
posse".  Was  derselbe  für  die  Notwendigkeit  des  dreimaligen 
hie  als  Anaphora  beibringt,  zerfällt  in  sich  selbst,  sobald  das  gei- 
stige Band  der  Ideen  gefährdet  wird.  Uebrigens  versteht  es  sich 
von  selbst,  dass  man,  was  ja  auch  die  Vertheidiger  des  Hie 
thun  müssen,  einzelne  vermittelnde  Gedanken  hinzufüge,  als: 
„so  du  zu  mir  konunsi"  und:  „hier  auch''1  oder  dergleichen. 
Eine  andere ,  dem  Sinne  nach  nicht  sehr  verschiedene  Deutung 
des  hinc  d.  h.  a  diis  schlug  Bach  vor  in  diesen  Jahrbb.  1828.  B.  2. 
S.  02.  Nach  dieser  Abschweifung,  zu  der  uns  die  von  den  mei- 
sten neuesten  Herausgebern  verschmähte  Lesart  nöthigte,  geden- 
ken wir  noch  der  kleinen,  aber  beachtungswerthen  Schrift  des 
Hrn.  Strodlmann, 

Nr.  5,  in  deren  Vorworte  über  die  prosodischen  Anforde- 
rungen an  einen  neuen  Horaz  -  Uebersetzer  recht  klar  und  beson- 
nen gesprochen  wird.  Ungeachtet  man  geglaubt  hatte,  dass 
durch  Voss  unsre  Literatur  das  Höchste  erreicht  habe,  was  hin- 
sichtlich der  Sinn-,  Wort-  und  Verstreue  in  dichterischer  Auf- 
fassung erstrebt  werden  konnte:  so  bewiesen  doch  die  nachfol- 
genden und  täglich  sich  mehrenden  Uebertragungen,  dass  man 
den  dem  Ucbersetzungsmeister  gemachten  Vorwurf  des  zu  ge- 
nauen Anschliessens  an  das  Origiual  und  dadurch  entstandener 
Steifheit  und  an  Unverständlichkeit  streifender  Uudeutschheit 
stets  allgemeiner  fühlte  und  zu  verbessern  suchte.     Gleichwohl 

A.  Jahrb.  f.  Phil.  u.  Päd.  od.  Krit.  Bibl.  Bd.  XXVHI.  Hß.  3.  17 


258  Römische   Literatur. 

opferten  fast  alle  Nachbildungen,  wenigstens  der  lyrischen  Ge- 
dielte, nach  dem  Urtheile  des  Hrn.  Strodtmann,  ihrem  Streben 
entweder  die  Vossische  Correctheit  in  der  Prosodie  auf,  oder 
verflachten  den  dichterischen  Schwung  zur  wässerigen  Prosa  in 
äusserer  Versform ,  und  blieben  so  nicht  blos  in  treuem  Wieder- 
geben hinter  dem  Koryphäen  im  Ganzen  zurück,  mochte  auch 
Einzelnes  gelungener  erscheinen.  Dabei  aber  bemerkt  Hr.  Str., 
habe  es  noch  keiner,  selbst  Voss  nicht,  durchgängig  versucht; 
die Versmaasse  genau  so  zu  beobachten,  wie  Flora z  sie  von  Grie- 
chenland auf  römischen  Boden  verpflanzt  und  für  sich  abgeändert 
hätte,  wodurch  erst  ein  vollerer  Klang  und  eine  grössere  Regel- 
mässigkeit und  Würde  des  Rhythmus  entstehe.  Nur  von  der 
Decken  habe  in  seiner  Uebersetzung  der  Oden  die  Horazischen 
Versmaasse  durchaus  genau  und,  wie  er  selbst  rühme,  strenger 
als  Horaz  selbst  gehalten.  Indess  sei  bei  ihm  in  der  Treue  der 
Form  gar  oft  die  Treue  des  Inhalts  untergegangen ,  weshalb  Hr. 
Str.  durch  Vermeidung  der  bei  Voss  und  Decken  gerügten  Män- 
gel und  durch  Vereinigung  der  Vorzüge  beider  die  Aufgabe  einer 
gelungenen  und  allen  billigen  Forderungen  genügenden  Uebertra- 
gung  gelöst  glaubt.  Was  er  weiter  über  prosodische  Gegen- 
stände hier  ausspricht,  glaubt  Ref.  um  so  mehr  übergehen  zu 
können,  als  bereits  dieser  Punkt  in  diesen  Jahrbüchern  1839. 
XXVI.  3.  S.  324  ff.  berührt  worden  ist.  Lesenswerth  ist  die 
Einleitung  S.  VII  ff.,  welche  eine  gedrängte,  die  neueren  For- 
schungen berücksichtigende  Zusammenstellung  dessen  giebt,  was 
uns  über  des  Dichters  Leben  bekannt  ist,  ohne  sich  in  ausge- 
dehnte Untersuchungen  einzelner  problematischer  Punkte  zu  weit 
zu  verlieren.  Da  wir  bereits  oben  das  INöthige  ausgehoben  haben, 
so  geben  wir  hier  die  Rub.  iken ,  in  welche  die  Abhandlung  zer- 
fällt. S  VII.  Horaz  Leben.  S.  XX  g.  FJebcr  das  Landhaus  des 
Horaz.  Von  Seite  XXXI.  folgt  die  Uebersetzung  des  zweiten 
Buches  der  Horazischen  Oden.  Bei  Gelegenheit  der  Meinungs- 
angabe über  die  chronologische  Abfassung  der  Horaz.  Gedichte 
versucht  Hr.  Strodtmann  dieselben  muthmasslich  also  zu  ordnen: 

I.  1.  Buch  der  Satiren,  zwischen  7\%—  723  u.  c.  alt  *f  —  34  Jahr. 

II.  Ein  Buch  Epoden 714  —  723 25-34   — 

III.  2.  Buch  der  Satiren    ....  717  — 727 28  —  38   — 

IV.  3  Bücher  Oden     715  —  736 26-47   — 

V.  1.  Buch  der  Briefe 727  —  734 38  —  45   — 

VI.  Säcularischer  Festgesang  .  737  48  — 

VII.  4.  Buch  der  Oden 736  —  744 54  —  55   — 

VIII.  2.  Buch  der  Briefe  ....  743  — 744 54  —  55   — 

IX.  Schrift  über  die  Dichtkunst  745  —  746 56  —  57   — 

Diese  Aufstellung  stimmt  im  Ganzen  mit  der  Kirchnet  sehen 
zusammen.  Da  jedoch  Hr.  Str.  die  Gründe  seiner  Abweichung 
nicht  auseinandersetzt:  so  lassen  auch  wir  dieselbe  für  jetzt  auf 


Huratiann.  259 

sich  beruhen.  Vergl.  Jahrbücher  1835.  XV.  1.  S.  68  ff.  1836. 
XVI.  1.  S.  45  ff.  Hinsichtlich  der  Metrik  dürfte  der  Grundsatz, 
die  Horazischen  Versraaasse  durch  Beobachtung  derselben  Vers- 
füsse,  Cäsuren  und  der  auf  einander  folgenden  drei  Längen  in 
den  Alcäischen,  Sapphischen  und  Asklepiadeischen  Versmaassen 
treu  wiederzugeben,  sehr  problematisch  erscheinen.  Denn  da 
Horaz  selbst  nach  dem  Genius  seiner  Sprache  die  griechischen 
Versmaasse  abänderte ,  so  ist  es  auch  jedem  Uebersetzer  erlaubt, 
das  Metrum  nach  laxern  griechischen  Regeln  zu  formen,  je  nach- 
dem es  der  Genius  der  neuern  Sprache  erheischt,  bei  dieser 
Freiheit  wird  noch  immer  nicht  die  Uebersetzung  zur  Toiletten - 
oder  Trivial -Leetüre  sich  eignen,  so  wenig  als  das  Original  oder 
eine  Klopstockische  Ode.  Mit  welcher  Strenge  sich  der  Hr.  Ver- 
fasser an  das  Original  gehalten  habe,  mag  Od.  2,  3.  beispiels- 
weise darthun.    Zu  Grunde  liegt  die  Orellische  Recension. 

111.     An  Delling. 

Sei  drauf  bedacht  zu  wahren  im  Mißgeschick 
Des  Herzens  Gleichmuth,  welcher  im  Glücke  auch 
Von  Freudeiiunmaass  sich  entfernet, 
Dcllius  ,   der  du  dem  Tod  anheimfällst, 

Ob  du  in  Trübsinn  jegliche  Zeit  verlebt, 
Ob  ausgestreckt  im  Grün  der  entlegenen  Au 
Am  Feiertrag  du  mit  der  innern 
Sorte  Falerner  dir  gütlich  thatest. 

Wo  hoch  die  Ficht'  und  silbern  die  Pappel  strebt 
Wirthbar  Umschattung  durch  des  Gezweigs  Verbund 
Zu  einen,   wo  in  Schlangenwindung 

Eilend  dem  Bach  sich  entwälzt  die  Quelliluth: 

Lass  hieher  Wein  dir  bringen  und  Salben  und 
Zu  kurz  emporblüh'nd  lieblicher  Rosen  Schmuck, 
Weil  Alter,   Wohl  und  dreier  Schwestern 
Schwarzes  Gespinnst  dir  es  noch  verstatten. 

Waldtriften  räumst  du,  rings  dir  erkauft,   und  Haus 
Und  Landbesitz,  den  gelblich  die  Tiber  netzt, 
Du  räumest  —  und  hochaiifgethürinter 
Schätze  bemächtigt  sich  der  Erbsass. 
Ob  reich  du  stammst  aus  Iuachus  altem  Haus, 
Kein  Unterschied,   ob  arm  und  von  niederem 
Geschlecht  du  unterm  Himmel  weilest, 
Sonder  Erbarmen  entrafft  dich  Orcus. 
Ein  Ort  vereint  uns  Alle  und  Aller  Loob, 
Ob's  später  fällt,   ob  früher,   beweget  sich 
Im  Urnenumschwung ,   und  versetzt  zur 
Ewigen  Bannung  uns  auf  den  Fährkahn. 

17* 


260  Bö  mische  Literatur. 

6)  Bereits  war  diese  Anzeige  der  genannten  Horaz-Schriftcn 
niedergeschrieben,  als  ans  von  freundschaftlicher  Hand  folgendes 
Programm  zugestellt  wurde :  „Scholien  zu  Quintus  Horatius  Flaccus. 
Erstes  Heft.  Womit  zur  Feier  des  fünfzigjährigen  Amtsjubilä- 
ums des  Herrn  Professors  Kries  alle  Gönner,  Freunde  und 
ehemaligen  Schüler  des  Jubelgreises  auf  den  2.  November  lor- 
?nittags  um  10  Uhr  ehrerbietigst  einladet  Dr.  Gottfried  Seebode, 
Director  des  Gymn.  Illustr,  und  H.  S.  Consistorialrath.  Gotha 
1839.  Gedruckt  mit  Engelhard  -Reyher'schen  Schriften.  26  S.  4. 

Nach  einer,  dem  Jubelgreise  geweihten,  vorausgeschickten 
Sapphischen  Ode  wird  die  Stelle  in  Horazens  Sat.  1,  6,  104 — 109. 
mit  einem  grossen  Aufwände  von  Gelehrsamkeit  allseitig  in  Unter- 
suchung gezogen.  Das  Ergebniss  derselben  weicht  in  vielen 
Punkten  von  der  gewöhnlichen  Ansicht  ab  und  daher  soll  von  sel- 
bigem so  treu  als  möglich  berichtet  und  dann  die  Reichhaltigkeit 
der  hier  behandelten  sachlichen  und  sprachlichen  Gegenstände 
angedeutet  werden.  Nach  Feststellung  des  Namens  Tillius  V.  107. 
wird  die  Identität  desselben  mit  V.  24.  gegen  J.  II.  M.  Ernesti, 
Weichert  u.  A.  behauptet.  Tillius  war  seinem  Charakter  nach 
(V.  29.  und  41.)  ein  Libertinus,  welcher  in  jener  Zeit  der  politi- 
schen Parteiungen  und  der  Gesunkenheit  des  Staatslebens  in  den 
Senat  eingedrungen,  aus  demselben  gestossen  und  wiederum  in 
denselben  aufgenommen  war;  s.  V.  2").  27.  28.  Darauf  wird  der- 
selbe zur  Würde  eines  Tribunus  Plebis  (nicht  Militura,  gegen  die 
Scholiasten,  Heindorf  und  Jahn)  erhoben,  s.  V.  25.;  und  nach- 
dem er  sich  auch  zur  Prätur  emporgedrängt  hatte  (V.  108.),  ver- 
waltete er  als  solcher  das  Amt  eines  Quaestor  rerum  capitalium, 
wie  dies  aus  V.  39.  hervorgeht,  wo  Heindorf  und  Andere,  nach 
dem  Vorgange  des  Scholiasten  Cruq.,  an  irgend  einen  Tribunus 
Plebis  denken.  Diesem  Tillius  wird  als  Prätor  niedriger  Schmuz 
(sordes  V.  107.)  vorgeworfen,  d.  Ii.  nicht  schmuziger  Geiz, 
sondern  eine,  aus  mangelndem  Vermögen  entsprungen ,  anstands- 
lose  Lebensweise  (S.  6.).  Um  dieselbe  sich  recht  zu  veranschau- 
lichen, muss  mau  die  Gegensätze  nicht  ausser  Acht  lassen.  In 
seinem  Gefolge  befinden  sich  keine  Comites  (V.  102.),  sondern 
Sklaven  begleiten  ihn  allein  auf  seiner  Reise,  und  zwar  nach  Ti- 
bur.  Dieser  Servi  sind  nur  fünf.  Aber  die  Zahl  drei  und  fünf 
bedeutet  sprichwörtlich  bei  II.  und  Anderen  ein  paar»,  ewige, 
mehrere  (S.  11.).  Diese  tragen  das  lasanum  ociiophorumque, 
welche  Gegenstände  offenbar  der  mantica  entsprechen,  die  des 
Horatius  Reisebedarf  enthält.  Tillius  hatte  seiner  Geburt  nach 
keine  gastfreundschaftlichen  Verbindungen,  auf  welche  er  wäh- 
rend seiner  Reise  Anspruch  machen  konnte.  Seine  Mittellosig- 
keit veranlasste  ihn,  die  diversoria  zu  meiden;  er  nahm  das  aus 
eigenen  VOrräthen  gefüllte  Oenophorum  mit,  um  nicht  von  dem 
caupo  vinarius  seineu  Bedarf  an  theurem  und  noch  dazu  verfälsch- 
tem Weine  erhandeln  zu  müssen;  und,  um  nicht  von  dem  betrü- 


Horatiana.  261 

gerischen  caupo  oder  aus  den  popinis  zubereitete  Speisen  für  sich 
und  seine  Sklaven -Begleitung  theuer  zu  erkaufen,  so  belastet  er 
auch  mit  dem  Kochgeschirr  und  Zubehör  seine  Diener.  Wie  nun 
Oenophorum  hier  ein  gefüllter  Weinbehälter  ist,  so  wird  auch 
lasanum  in  weiterer  Bedeutung  für  Kochgeschirr  mit  Speisevor- 
rath  genommen  (S.  22.23.).  Lasanum  und  Oenophorum  bezeich- 
nen demnach  die  Reisevorräthe ,  welche  die  Sklaven  auf  der  Ti- 
'hurtinischen  Strasse  dem  Prätor  nachtragen.  Nun  erhalten  auch 
die  genannten  quinque  pueri  ihre  Bedeutung.  Denn  es  lässt  6ich 
nach  des  Hrn.  Verf.  Dafürhalten  in  der  That  nicht  füglich  begrei- 
fen, wie  fünf  Sklaven  erforderlich  waren,  um  jene  beiden  Ge- 
genstände zu  tragen;  auch  findet  man  weder  bei  griechischen 
noch  lateinischen  Schriftstellern ,  obschon  sich  einige  derselben  in 
solchen  Darstellungen  gefallen,  einen  gleichen  Beiseapparat,  wie 
man  ihn  an  dieser  Stelle  hat  entdecken  wollen.  Dies  ist  der 
Gang  der  Untersuchung,  welchen  wir  meist  mit  den  eigenen  Wor- 
ten des  gelehrten  Verf.  dargelegt  haben.  Bekanntlich  wird  nach 
Acroiis  und  des  Scholiasten  bei  Cmq.  Vorgange  lasanum  sowohl 
von  den  lateinischen  Lexikographen,  als  auch  von  den  meisten 
Erklären)  und  deutschen  Uebersetzern  durch  Leibstuhl  oder 
Nachtgeschirr  erklärt,  in  welcher  Bedeutung  es  auch  bei  Petro- 
nius  c.  41.  und  47.  vorkommt.  Daher  wird  S.  19.  die  Grundbe- 
deutung von  läöavov  erörtert,  aus  welcher  sich  die  beiden  Be- 
deutungen Kochgeschirr  und  Nachtgeschirr  ergeben,  und  für 
beide  werden  die  griechischen  Stellen  beigebracht.  Die  erstere 
müsse  nach  dem  dargelegten  Ideengange  bei  Iloraz  stattfinden, 
wohin  auch  die  adjungirende  Partikel  que,  welche  zusetzt  und 
vermehrt,  führe,  sowie  eine  Stelle  im  Persius  5,  140.  lam  pue- 
ris  pellem  succinetus  et  oenophorum  aptas,  wo  pellis  neben  oe- 
nophorum den  übrigen  wohlverpackten  Beisevorrath  bezeichne 
(S.  23.  24.).  Treffend  wird  hinsichtlich  des  Gebrauchs  von  que 
Epist.  1,16,  72:  portet  fruaienta  penusque  zur  Vergleichung 
geboten. 

Dieser  Beweisführung  kann  Ref.  seinen  Beifall  nicht  nur 
nicht  versagen,  sondern  er  muss  auch  noch  dazu  bemerken,  dass 
der  Hr.  Verf.  überall  die  feinsten  Beziehungen  herausgefühlt  und 
dieselben  mit  der  Gründlichkeit  seines  Wissens,  sei  es  durch  aus- 
drückliche Beweisgtellen  oder  durch  Anführung  der  betreffenden 
Schriftsteller,  belegt  habe.  Indess  die  verschiedene  Bedeutung 
des  Wortes  lasanum  bei  Iloraz  und  Pctron  dürfte  sich  nicht  Mos 
aus  dem  schwankenden  Gebrauche  bei  den  Griechen ,  sondern 
auch  aus  dem  Umstände  rechtfertigen  lassen ,  dass  dasselbe  bei 
den  Römern,  wenigstens  zu  Horazens  Zeit,  Weniger  gebräuchlich 
und  daher  auch  seinem  Sinne  nach  weniger  fixirt  war.  Wenn  S. 
15.  von  der  Zahl  der  das  Mahl  bei  Iloraz  besorgenden  Sklaven, 
als  dessen  Frugalität  wohl  angemessen ,  die  Rede  ist  (Coena  mi- 
nistratur  pueris  tribus  V.  116.) :  so  könnte  man  leicht  au  der  be- 


202  Römische  Literatur. 

stimmten  Zahl  drei ,  die  der  Hr.  Verf.  nach  dem  vom  Plato  bei- 
gebrachten Beispiele  hier  anzunehmen  scheint,  irre  werden,  falls 
man  die  S.  11.  niedergelegte  Bemerkung,  nach  welcher  drei  und 
fünf  sprichwörtlich  nur  ein  paar,  einige,  mehrere  mit  Verwei- 
sung unter  andern  auf  V.  43.  und  116.  bedeutet,  an  jenehält. 
Bei  Erwähnung  der  unstatthaften  Conjectur  Ruhkopfs:  purus 
tripus,  konnte  auch  der  von  Nöldeke  in  der  kritischen  Bibliothek 
18*25.  S.  303. :  Coena  ministratur  purus  tripes  et  lapis  albus,  Er- 
wähnung geschehen.  Wie  ehedem  gegen  die  Ruhkopfische,  so 
hat  auch  Steger  gegen  die  Nöldekische  ebendas.  1825.  S.  1025 
— 28  ein  treffendes  Wort  gesprochen.  Uebrigens  um  von  der 
Reichhaltigkeit  der  hier  behandelten  Gegenstände  ein  anschauli- 
ches Bild  zu  geben,  erlaubt  sich  Ref.  die  hauptsächlichsten 
Punkte  mit  der  Bemerkung  herauszuheben ,  dass  dieselben  meist 
mit  einer  Fülle  literarischer  Notizen  begleitet  sind.  S.  1.  2.  über 
die  Namen  Tillius  und  Tullius ;  S.  3  —  7.  über  die  Bedeutung  von 
sordes  und  sordidus;  S.  7.  über  Tibur  und  das  angebliche  Besitz- 
thum  des  Horatius ;  über  die  comites ,  amici ,  sectatores ,  amico- 
rum  cohors,  grex  S.  7  —  10  ;  über  die  Scribae  S.  8.;  über  die 
Bedeutung  der  Zahl  drei,  fünf  (und  sieben  bei  den  Orientalen) 
S.  11—14.;  über  die  Zahl  und  mannigfaltige  Beschäftigung  der 
Sklaven  S.  14—18.;  über  den  Gebrauch  von  portare,  audere 
und  incipere  S.  17  —  18.;  über  die  Bedeutung  von  lasanum  S.  19 
—  23.;  von  dem  caupo  und  den  popinis  wird  gehandelt  S.  22. ; 
Sprachbemerkung  über  que  mit  vielen  Beispielen  aus  den  Satiren 
und  Episteln  S.  24 — 26.  Möge  der  Hr.  Verfasser,  dem  wir  im 
Namen  aller  Horaz- Freunde  für  diese  gründliche  Untersuchung 
unsern  Dank  darbringen,  bald  Gelegenheit  und  Müsse  zur  Fort- 
setzung dieser  interessanten  Forschungen  finden! 

S.  Ohbarius, 


1.  Erläuterung  des  Zwölf  -  Tafel  -  Gesetzes  mit 
Rücksicht  auf  die  Bedeutung-  desselben  für  das  spätere  Recht.  Er- 
ster Abschnitt,  enthaltend  die  Einleitung  und  die  Interpretation  der 
ersten  Tafel.  Eine  rechtshistorische  Abhandlung*  von  Wilhelm 
Fischer.      Tübingen  1838.      8. 

2.  JOKIMION  AKAAHMA1KHE  JIATPIBHE  IIEPI 
THE  PSIMAIKHE  JSIAEKAAEATOT  vnb  EMMA- 
NOTHA  KOKKINOT  Xiov  zo  ysvog  "Ekktjvog  T)]v  %a- 
t()lda.  (Specimen  dissertatio  nis  inauguralis 
de  Lege  XII  Tabularum  ,  quod  ad  summos  in  philoso- 
phia  honores  rite  capessendos  clarissinio  ordini  philosophoruiti  in 
universitate  literarum  Heidelbergensi  —  proponit  Immanuel  Cocki- 
nos,  Chius,  Graecus.)      Heidelberg  (Mohr).     183(*.      8. 

In  der  grossen  Literatur  der  12  Tafeln  haben  Epoche  ge- 
macht Jac.  Goihofredus  und  H.  Ed.  Dirksen.  Zwischen  beiden 


Neueste  Literatur  zu  den  XII  Tafeln.  263 

liegen  eine  grosse  Menge  Schriften  und  auch  nach  Dirksen  ist 
Manches  über  diesen  Gegenstand  geschrieben.  Die  Literatur  bis 
1836  findet  sich  angegeben  in  der  Abhandlung  von  Pernice  in 
Ersch  und  Gruber's  allgemeiner  Encyclopädie  s.  v.  duodeeim  le- 
ges.  Sectio  I.  Theil  28.  (1836.)  Dieser  Artikel  der  Encyclopädie 
enthält  nichts  Neues,  gibt  aber  eine  passende  Uebersicht  dessen, 
was.  jetzt  ziemlich  allgemein  über  Geschichte  der  Entstehung  der 
12  Tafeln,  über  Inhalt  und  Bedeutung,  Ueberreste  und  Bearbei- 
tungen angenommen  wird.  Von  den  neuesten  Schriften  ist  die 
von  Fischer  auszuzeichnen  und  besonders  deshalb  hier  zu  erwäh- 
nen ,  weil  sie  sich  mit  der  Sprache  der  12  Tafeln  beschäftigt. 
Während  einzelne  Punkte  der  Entstehungsgeschichte,  wie  die 
Erzählung  von  der  Gesandtschaft  nach  Griechenland,  vielfach  in 
neuerer  Zeit  auch  von  Philologen  besprochen  worden  sind,  ist 
das  Sprachliche  der  12  Tafeln,  mit  einigen  Ausnahmen,  nur  we- 
nig von  Philologen  berücksichtigt ,  weil  sie  sich  für  die  Sache 
nicht  interessirt  haben.  Unter  den  früheren  Gelehrten  haben 
Gothofredus  und  Funccius  sich  Verdienst  um  das  Verständniss 
der  Sprache  der  Zwölftafelfragmente  erworben;  unter  den  Ge- 
lehrten unsrer  Zeit  Ott  fr.  Müller  und  Ed.  Huschke,  insofern  sie 
Einzelheiten  mit  vieler  Gründlichkeit  besprochen  haben.  Als 
eine  philologische  Arbeit  ist  auch  die  Ausgabe  der  Zwölftafel- 
fragmente mit  Varianten  von  C.  Zell  zu  betrachten  (Freiburg  im 
Breisg.  1825).  Dass  das  Zwölftafelgesetz,  abgesehen  von  dem 
sprachlichen  Interesse,  gleiches  Interesse  für  Philologen  wie  für 
Juristen  haben  muss,  geht  schon  aus  der  Verbindung  und  Wich- 
tigkeit für  die  politische  Geschichte  hervor  und  wird  wohl  nicht 
in  Abrede  gestellt.  Daher  holten  wir  für  unsern  Bericht  über 
einige  neuere  Schriften ,  welche  die  Zwölftafelgesetzgebung  zum 
Gegenstand  haben,  eine  günstige  Aufnahme. 

Die  kleine  Schrift  von  Wilh.  Fischer  ist  eine  juristische  In- 
auguraldissertation aus  Tübingen ,  wo  die  rechtshistorischen  Stu- 
dien besonders  unter  Schrader's  Auspicien  blühen.  Sie  ist  eine 
Particula  einer  ausführlicheren  Arbeit,  denn  sie  enthält  nur  die 
Einleitung  und  die  Interpretation  der  ersten  Tafel.  Wir  hoffen, 
dass  sie  nicht,  wie  so  viele  Inauguraldissertationen,  Anfangspar- 
tikel bleiben  wird.  Die  kleine  Schrift  ist  mit  Liebe  zum  Gegen- 
stande geschrieben  und  die  Fortsetzung  ist  um  so  mehr  zu  wün- 
schen, da  der  Verfasser  an  mehreren  Stellen  auf  dieselbe  ver- 
weist und  vertröstet.  Die  Liebe  zum  Gegenstande  hat  den  Hrn. 
F.  an  mehreren  Stellen  zu  Declamationen  verleitet,  die  aber  des- 
halb noch  nicht  zu  loben  sind.  Der  Verf.  hat  das  selbst  befürch- 
tet, denn  er  sagt  in  der  Vorrede  p.  VI  :  „vor  Allem  hatte  ich 
mich  vor  meiner  eignen  Phantasie  zu  hüten,  um  nicht,  statt  eine 
Exegese  der  zwölf  Tafeln  zu  geben,  einen  Roman  aufzuführen." 
Ein  lloman  ist  allerdings  etwas  verschieden  von  einer  Exegese 
der  12  Tafeln  und  nur  eine  sehr  feurige  Phantasie  kann  in  solches 


2C4  Römische  Literatur. 

Extrem  führen.  Doch  wir  Philologen  wissen  es  ja  zur  Genüge, 
wie  so  oft  die  Phantasie  gedämpft  werden  muss,  und  „uns  wird 
hei  unserem  kritischen  Bestreben  doch  oft  um  Kopf  und  Busen 
bang." 

Hr.  F.  spricht  in  der  Vorrede  den  Gedanken  aus,  der  bei 
dem  Studium  der  Geschichte  des  römischen  Rechts  ihn  leite,  und 
wie  es  sein  Streben  sei  zu  untersuchen:  „warum  das  römische 
Hecht  so  wurde ,  und  warum  es  so  werden  musste,  wie  es  ge- 
worden ist."  "Wäre  dieser  Satz  von  allen  Rechtshistorikern  fest- 
gehalten, so  würden  unsere  Lehrbücher  der  Geschichte  des  rö- 
mischen Rechts  brauchbarer  sein;  in  dem  ausführlichsten  Werk 
dieser  Art,  in  Zimmern's  Rechtsgeschichte,  ist  dieser  Satz  we- 
nig beachtet,  und  eben  darum  ist  zu  wenig  Geschichte  in  diesem 
schwerfälligen  materialliefernden  Werk.  In  der  vorliegenden 
Schrift  nun  hat  F.  sich  als  Hauptzweck  die  exegetische  Behand- 
lung der  Zwölftafelfragmente  gesetzt  und  ist  dann  dabei  auch 
bald  zu  der  Erfahrung  gekommen,  dass  es  sehr  schwierig  sei, 
Fragmente  gehörig  zu  erklären ,  weil  der  Erklärer  die  doppelte 
Arbeit  hat,  das  Vorhandene  und  das  Nichtvorhandenc  zu  explici- 
ren  und  dieses  sich  zuvor  zu  schaffen.  Bei  dem  Besprechen  4er 
Schwierigkeit  seines  Gegenstandes  äussert  F.  p.  VI.:  „es  machte 
mir,  besonders  zu  Anfang,  nicht  geringe  Mühe,  die  Sprache  und 
den  Periodenbmi  der  zwölf  Tafeln  zu  verstehen,  da  Dirksen, 
welchem  ich  in  Hinsicht  des  Textes  gefolgt  bin ,  so  äusserst  we- 
nig hiefür  giebt."  Vom  Periodenbau  der  Zwölftafell'ragmente 
kann  doch  wohl  kaum  die  Rede  sein  und  was  die  Bemerkung  über 
DirKscn  betrifft,  die  sich  p.  X.  wiederholt,  so  scheint  darin  ein 
Vorwurf  ausgesprochen,  den  Dirksen  am  wenigsten  verdient, 
denn  D.  hat  weit  mehr  gegeben,  als  der  Titel  seines  grossen  Wer- 
kes verspricht;  dass  er  nicht  alles  gegeben,  was  man  von  seiner 
Gelehrsamkeit  wünschen  möchte,  ist  kein  Grund  zum  Tadel. 
Und  F.  geht  auch  zu  weit,  wenn  er  behauptet,  dass  Dirksen's 
Zweck  zur  Erklärung  der  Sprachweise  der  12  Tafeln  (der  alten 
Juristen  ['?],  sagt  F.)  nur  selten  zu  gebrauchen  sei,  für  die  Prü- 
fung und  Darstellung  des  Inhalts  gar  nicht.  Dirksen  konnte  gar 
nicht  umhin,  manches  hiefür  zu  liefern,  denn  bei  der  Prüfung 
der  Quellen,  aus  denen  wir  die  Fragmente  der  zwölf  Tafeln  schö- 
pfen, musste  das  Sprachliche  derselben  berücksichtigt  werden, 
bei  der  Darstellung  des  Systems  des  Zwölftafelgesetzes  über- 
haupt, wie  der  einzelnen  Tafeln ,  kommt  ja  gerade  der  Inhalt 
zur  Sprache. 

Kurz  handelt  auch  der  Verf.  in  der  Vorrede  über  die  Quel- 
len unserer  Kenntniss  der  12  Tafeln  und  die  wichtigste  Literatur. 
Dass  er  hier  Jac.  Gothofredus  voranstellt  und  frühere  schwache 
Restitutionsversuche  gar  nicht  erwähnt,  wollen  wir  nicht  tadeln, 
aber  wohl  wäre  des  epochemachenden  Gothofredus  erste  Bearbei- 
tung vom  Jahr  1616  zuerst  zu  nennen  gewesen ;  sodann  hätte  auch 


Neueste  Literatur  zu  den  XII  Tafeln.  265 

der  allgemeine  Fehler  der  früheren  Restitutoren  bei  Benutzung 
von  Cicero' s  Büchern  de  legibus  eine  Erwähnung  verdient.  Ein 
offenherziges  Geständniss  giebt  F.  in  Bezug  auf  Niebuhr:  „Sein 
Styl,  gedrängt  und  schwer  bepanzert,  wie  der  des  Tacitus,  liess 
mich  den  Sinn  oft  mehr  errathen,  statt  dass  er  mir  Gewissheit 
verschaffte,  was  die  Worte  sagen  wollten.'1  Beim  ersten  Blick 
in  Niebuhrs  Geschichte  mag  das  der  Fall  sein ,  aber  ich  wüsste 
doch  nicht,  was  etwa  in  der  Geschichte  der  Entstehung  der 
zwölf  Tafeln  durch  den  Styl  dunkel  bliebe.  Was  oft  Missver- 
ständnisse verursacht,  ist  die  Nichtachtung  einer  Voraussetzung, 
die  Niebuhr  gemacht  hat,  dass  seine  Leser  sein  Ganzes  kennen 
sollen,  um  das  Einzelne  zu  verstehen. 

Das  Cap.  I.  §  1.  enthält  die  innere  Geschichte  der  12  Tafeln. 
Es  zeigt  sich  hier,  wie  überall  in  der  Rechtsgeschichte,  dass  die 
Trennung  in  innere  und  äussere  Geschichte  eine  sehr  missliche 
ist,  denn  es  ist  auch  hier  von  Hrn.  F.  Vieles  abgehandelt,  was 
man  mit  mehr  oder  demselben  Recht  der  äusseren  Geschichte  zu- 
rechnen kann.  Sehr  gut  beantwortet  der  Verf.  hier  die  Frage, 
wie  es  kommt,  dass  grosse  legislatorische  Operationen  des  Alter- 
thums  wie  mit  einem  Schlage  hervortreten ,  dass  sie  nicht  aus 
dem  Kopfe  eines  Gesetzgebers  hervorgegangen ,  sondern  dass 
dieser  nur  das  laut  gewordene  Bedürfniss  des  Volkes  befriedigt, 
dass  das  Recht,  welches  er  niederschreibt,  längst  im  Volk  gewe- 
sen ist.  Im  Vergleich  mit  diesen  Bemerkungen  nimmt  sich  im 
§  2.  (Quellen  der  zwölf  Tafeln) ,  der  Beweis  etwas  komisch  aus, 
dass  der  grösste  Theil  der  Zwölftafelgesetze  einheimisches  Recht 
sei  und  die  Beweisführung  ist  sehr  unbefriedigend.  Grundfalsch 
scheint  das  (p.  14.)  über  die  römische  Ehe  Gesagte.  F.  spricht 
hier  in  der  gewöhnlichen  irrthümlichen  Weise  von  strenger  Ehe 
mit  manus  und  mit  usus,  von  der  weniger  strengen  ohne  manus, 
und  dadurch  ist  denn  das  ganze  Raisonnement  über  patricische 
und  plebejische  Ehe  und  Vereinbarung  beider  Stände  in  dieser 
Beziehung  ein  Fehler.  Bevor  man  nicht,  wie  die  Römer  selbst 
es  thun ,  Ehe  und  manus  streng  von  einander  scheidet,  und  einen 
ganz  unbegründeten  modernen  Sprachgebrauch  anfgiebt,  wird 
man  nicht  zum  Begreifen  des  Wesens  der  römischen  Ehe  kommen. 
Die  Eingehung  der  Ehe  hatte  ihren  Zweck,  der  ganz  verschieden 
war  von  dem  der  Uebertragung  der  manus  von  einem  Paterfami- 
lias  an  den  andern,  die  eingegangene  Ehe  war  wohl  das  Motiv 
zur  in  raanum  conventio,  aber  dadurch  wurde  die  Ehe  weder 
strenger,  noch  war  sie  ohne  dieselbe  laxer  und  freier.  Wer  sich 
die  Mühe  geben  mag,  eine  harte  Nuss  eines  schönen  Kerns  we- 
gen aufzuknacken,  der  kann  sich  Licht  über  Wesen  und  Bedeu- 
tung der  manus  und  damit  zusammenhängende  Zustände  und  Ver- 
hältnisse verschaffen  in  Christiansen  s  Wissenschaft  der  römi- 
schen Rechtsgeschichtc  Bd.  1.  (Altona  183£.  8.).     Als  Einleitung 


266  R  ö  m  i  s  c  h  c  Literatur. 

dazu  kann  die  Relation  dienen ,  die  ich  gegeben  habe  in  den  (Ber- 
liner) Jahrbüchern  für  wissensch.  Kritik  1839.  n.  47  fg. 

Der  §  3.  enthält  eine  Kritik  der  zwölf  Tafeln.  Dass  eine 
solche  Kritik  schwieriger  ist  als  die  neuerer  Gesetzentwürfe  und 
Gesetzbücher,  ist  gewiss,  dass  die  Arbeit  eine  sehr  missliche, 
hat  das  Beispiel  des  Philosophen  Favorinus  gezeigt,  zumal  \\$\\\\ 
der  Beurtheiler  das  zu  beurtheilende  Gesetz  nicht  versteht,  wie 
es  beim  Favorinus  der  Fall  war,  und  wie  es  bei  uns  aus  andern 
Gründen  der  Fall  sein  muss  Wie  wenig  haben  wir  von  den  12 
Tafeln  und  wie  wenig  kennen  wir  den  Zusammenhang  dieses 
Wenigen ! 

Ueber  das  Ansehen  des  Zwölftafelgesetzes  bei  den  Kömern 
und  die  Dauer  der  Geltung  bemerkt  F.,  dass  Cicero's  Zeit  wohl 
als  der  Wendepunkt  zu  betraebten  sei  und  sagt:  „Wir  dürfen  die 
Zeit,  während  welcher  die  zwölf  Tafeln  in  voller  Kraft  und  un- 
gestörtem Einflüsse  blühten,  mit  Bestimmtheit  auf  vier  Jahrhun- 
derte setzen  —  die  Zeit  ihrer  praktischen  Wirksamkeit  über- 
haupt aber  auf  sechs  bis  sieben  Jahrhunderte  u.  s.  w."  Gewiss 
haben  die  12  Tafeln  nicht  bis  zur  lex  Aebutia  oder  bis  zu  Cice- 
ro's Zeit  volle  Geltung  gehabt,  denn  wie  viele  staatsrechtliche 
Bestimmungen  waren  schon  viel  früher  hinfällig  geworden  und 
wie  war  das  Privatrecht ,  besonders  durch  das  prätorische  Edict, 
geändert.  Die  12  Tafeln  erlaubten  noch  die  Talion  in  gewissen 
Fällen ,  diese  wie  das  strenge  Schuldrecht  und  manches  Andere 
wrar  längst  verschwunden ;  wie  kann  man  demnach  sagen ,  die 
zwölf  Tafeln  hätten  vier  Jahrhunderte  in  voller  Kraft  und  unge- 
störtem Einflusse  geblüht.  Ebenso  gewagt  ist  es,  wenn  Hr.  F. 
die  Zeit  der  praktischen  Wirksamkeit  überhaupt  auf  6  bis  7  Jahr- 
hunderte setzt.  Das  Zwölftafelgesetz  ist  als  solches  nie  gesetz- 
lich abrogirt  und  die  veränderten  Bestimmungen  desselben  lebten 
in  dem  aus  dieser  Wurzel  entwickelten  Recht  praktisch  fort  und 
sind  in  sofern  selbst  in  dem  jetzt  geltenden  römischen  Recht  ent- 
halten. Diess  bemerkt  auch  Hr.  F. ,  nur  mit  einer  Uebertreibung, 
indem  er  sagt ,  Justinian  habe  eine  Reihe  von  Bestimmungen  der 
12  Tafeln  in  seine  Sammlung  aufgenommen,  und  daher  seien  die 
Ansichten  der  alten  Decermirn  noch  heutzutage  praktisch.  — 
Die  Angabe  aus  Zimmerns  Rechtsgeschicbte,  dass  der  Kirchen- 
vater Cyprianus  erzähle,  noch  zu  seiner  Zeit  (im  3.  Jahrhund.  p. 
Chr.)  seien  die  zwölf  Tafeln  auf  dem  forum  öffentlich  ausgestellt 
gewesen,  ist  mit  Recht  von  Pernice  als  irrelevant  bezeichnet.  — 
Von  den  Römern ,  die  lobende  Urtbeile  über  die  zwölf  Tafeln 
ausgesprochen,  ist  Cicero  als  der  hervorgehoben,  der  in  seiner 
Vorliebe  und  seinem  Lobpreisen  dieses  Nationaldenkmals  am  wei- 
testen gegangen.  Das  ist  sebr  wahr,  nur  muss  man  bei  der  Be- 
nutzung von  dergleichen  Urtheilen ,  die  sich  in  Cicero's  Schriften 
finden,  immer  berücksichtigen,  wem  Cicero  sie  in  den  Mund 
legt.     F.  fährt  fort:   „Ja  selbst  der  grosse  Kenner  Justinian  ver- 


Neueste  Literatur  zu  den  XII  Tafeln.  267 

gehmäht  es  nicht,  den  zwölf  Tafeln  seine  Huldigungen  darzu- 
bringen.1' Dass  Justinian  es  nicht  verschmäht,  Jemanden  ausser 
sich  legislatorische  Fähigkeit  zuzugestehen ,  ist  allerdings  etwas 
nicht  ganz  Gewöhnliches;  seine  grosse  Kennerschaft  des  alten 
Rechts  könnte  man  geneigt  sein  etwas  in  Zweifel  zu  ziehen.  Wir 
würden  auch  nicht  mit  F.  gesagt  haben,  dass  Justinian's  Arbeiten 
an  Grossartigkeit  die  zwölf  Tafeln  noch  überträfen.  An  Umfang 
allerdings. 

Sehr  gut  bemerkt  F. ,  der  Character  des  Zwölftafelgesetzes 
sei  ganz  der  des  alten  Volkes  selbst.  Die  Beispiele  indessen,  die 
er  anführt ,  um  zu  beweisen ,  dass  in  diesem  Gesetz  sich  nicht 
weniger  feiner  juristischer  Takt,  gesunder  Sinn  für  Recht  und 
Billigkeit,  als  unbegreifliche  Plumpheit  und  Rohheit  zeigen,  sind 
keineswegs  schlagend.  Ich  sehe  kein  Extrem  in  dem:  Paterfarai- 
lias  uti  legassit  und  dem  Si  membrum  rupit.  Obgleich  F.  es  selbst 
ausspricht,  dass  manches,  was  uns  als  unpassend  erscheint,  nicht 
als  wirklicher  Fehler  der  zwölf  Tafeln  anzusehen  sei,  hat  er  doch 
den  Standpunkt,  den  diese  Ueberzengung  giebt,  nicht  immer  bei 
seiner  Kritik  festgehalten ,  und  daher  nimmt  er  auch  den  unwis- 
senden Favorinus  zu  sehr  in  Schutz. 

Im  Cap.  II.  oder  §  4.  folgt  die  Erklärung  der  Fragmente  der 
ersten  Tafel.  Diese  Erklärung  leidet  nicht  an  philologischer  Um- 
ständlichkeit, das  Sprachliche  ist  aber  auch  weder  tief  noch  um- 
fassend erläutert.  Vergebens  sucht  man  z.  B.  eine  Erklärung  der 
Verbalform  escit ,  die  im  fr.  3.  sich  findet  (vgl.  0.  Müller  in  Hu- 
go's  civilist.  Magazin  Bd.  VI.  p.  420  sqq.  und  zum  Festus  p.  386.). 
Den  Sinn  dieses  fr.  3.  kann  man  freilich  fassen ,  ohne  Rechen- 
schaft von  diesem  escit  geben  zu  können,  aber  in  einer  Schrift, 
die  recht  eigentlich  die  Interpretation  der  zwölf  Tafeln  zum  Ge- 
genstand hat,  darf  dergleichen  nicht  fehlen,  und  Hr.  F.  hat  auch 
Anderes  der  Art  erklärt. 

Das  manum  endoiacito  des  2.  Fragm.  erklärt  F.  nach  Gotho- 
fredus  für  einen  höheren  Grad  von  persönlicher  Gewalt  als  das 
capito  im  ersten  Fragment,  und  meint,  an  legis  actio  per  manus 
iniectionem  sei  hier  gar  nicht  zu  denken,  da  nach  Gaius  IV.  §  21. 
die  legis  actio  p.  m.  i.  i»  den  zwölf  Tafeln  als  Mittel  zur  Exe- 
cution  richterlicher  Urtheile  vorkäme.  Zugegeben ,  dieses  Letz- 
tere sei  ganz  richtig,  ist  denn  diess  darum  die  einzige  Art  der  le- 
gis actio  p.  m.  i.'l  Gaius  hat,  zum  Theil  unschuldig,  manche 
verkehrte  Ansichten  über  die  legis  actioncs  veranlasst.  Legis 
actio  ist  das,  was  im  Ausdruck  liegt,  eine  rechtliche  Handlung, 
vorzugsweise  die  Processhandlung,  die  in  verschiedener  Weise 
eingeleitet  werden  konnte,  per  condictionem,  per  manus  iniectio- 
nem u.  s.  w. ,  wie  ja  auch  der  deutsche  Process  in  verschiedener 
Weise  begonnen  wird.  Darnach  ist  leicht  einzusehen,  wie  legis 
actio  per  manus  iniectionem  als  ein  Begriff  genommen  werden 
■  konnte.     Aber  nimmer  ist  es  richtig,  wenn  man  erklärt  wie  Rein, 


208  Humid  che  Literatur. 

nach  grossen  juristischen  Autoritäten:  ,,Iegis  actione«  seien  uralte 
Formeln  und  symbolische  Handlungen  zur  Einleitung  des  Pro- 
cesses."  Wird  die  legis  actio  mit  manus  iniectio  begonnen,  so 
ist  dies  el/en  persönliche  Gewalt,  angewandt,  um  Jemanden  in's 
Gericht  zu  schleppen.  Diese  Form  wird  unter  Anderem  ge- 
braucht ,  „wenn  nach  eingestandener  Schuld  und  nach  rechtskräf- 
tiger Verurtbeilung  der  Schuldner  30  Tage  hat  ablaufen  lassen, 
ohne  zu  zahlen",  dann  sagte  das  Gesetz:  manus  iniectio  esto,  in 
ius  ducito  (Gell.  N.  A.  XX,  1.),  aber  manus  iniectio  war  auch  noth- 
wendig  und  gesetzlich  gestattet,  „si  calvitur  pedemve  struit1'. 
Hr.  F.  kämpft  also  gegen  einen  Feind,  der  gar  nicht  existirt,  und 
auch  die  Art  des  Kampfes  ist  nicht  die  richtige.  Nachdem  er 
ausgesprochen,  dass  Gothofredus  die  richtige  Erklärung  dieses 
Fragments  schon  gegeben,  fügt  er  hinzu:  „Wollte  man  auch  ein- 
wenden, Gothofred  lasse  hier  die  Frage  hinsichtlich  der  legis 
actio  per  m.  i.  gänzlich  unberührt,  so  habe  ich  doch  andere  Auto- 
ritäten, z.  B.  die  Zimmenfs  u.  s.  w."  Gegen  eine  solche  Be- 
weisführung, die  den  Juristen  in  ihren  Acten  sehr  gewöhnlich  ist, 
wo  die  Autorität  Leyser's,  Lauterbaeh's,  Glück's  und  Martin's 
oft  mehr  gilt  als  eine  Stelle  des  Corpus  iuris  oder  ein  rationeller 
Beweis,  müssen  wir  feierlich  protestiren.  Zimmern's  Autorität 
ist  für  eine  wissenschaftliche  Beweisführung  eben  so  wenig  zu 
gebrauchen,  als  Niebuhr's.  Ein  Irrthum  wird  dadurch  nicht 
Wahrheit,  dass  Niebuhr  und  Zimmern  ihn  theileu.  Autoritäts- 
glauben ist  der  Hemmschuh  der  Wissenschaft. 

Die  Erklärung  des  vierten  Fragments  ist  nicht  ganz  richtig 
und  nicht  gründlich.  Der  f  index  des  alten  Borns  ist  nicht 
gleichbedeutend  mit  Bürge,  es  ist  derjenige,  welcher  den  reus 
frei  macht  (aber  nicht  Mos  von  persönlicher  Haft) :  geschieht 
dies  Freimachen  durch  Zahlung,,  so  ist  er  kein  Bürge,  aber 
Bürgschaft  ist  eine  Art  der  Freimachung.  Ueber  die  Bedeutung 
von  vindex  vgl.  Christiansen  a.  a.  O.  p.  213.  Anmerk.  Nur  ein 
assiduus  kann  vindex  eines  assiduus  sein ,  einen  proletarius  kann 
Jeder,  d.  h.  ein  proletarius  und  ein  assiduus,  frei  machen. 
F.  bemerkt  bei  dieser  Gelegenheit,  dass  ein  proletarius  einen  as- 
siduus hätte  vertheidigen  (?)  dürfen,  wäre  mit  dem  Stolze  des 
Römers  nicht  vereinbar  gewesen.  Vom  Stolz  des  Römers  kann 
liier  gar  nicht  die  Rede  sein ,  das  Baare  ist  hier  das  Wahre. 
F.  verneint  die  Frage,  ob  der  Kläger  jeden  vindex,  also  für  einen 
assiduus  jeden  assiduus  annehmen  musste,  einen  assiduus  der 
verschiedenen  Classen  ohne  Unterschied,  so  dass  also,  wenn  der 
Schuldner  der  ersten  Classe  angehörte,  ein  Bürger  der  4.  Ciasse 
vindex  desselben  werden  konnte.  Ob  die  zwölf  Tafeln  Genaueres 
über  diesen  Punkt  bestimmt  haben,  wissen  wir  nicht,  wahrschein- 
lich ist  das  nicht.  Haben  sie  nichts  Näheres  bestimmt,  so  sind 
die  Worte  der  zwölf  Tafeln  (des  fr.  4.)  ganz  so  zu  nehmen ,  wie 
*ie  zu  übersetzen  sind,  denn  alles  ius  ist  in  dieser  Zeit  strictum. 


Neueste  Literatur  zu  den  XII  Tafeln.  269 

Dass  nur  objeetive  Entscheidung  über  die  Güte  des  vindex,  durch 
das  Gesetz,  stattfand,  keine  subjeetive  des  Gläubigers  oder  Klä- 
gers, ist  ganz  republikanisch.  Unrichtig  ist  es  ferner,  wenn  F. 
von  sechs  Classcn  der  Servianischen  "Verfassung  redet  und  die 
Proletarii  die  sechste  Classe  bilden  lässt. 

lieber  den  Sinn  des  fünften  Fragments:  Ut  idem  iuris  es- 
set Sanatibtis  qnod  Fortibus  lässt  sich  viel  vermuthen,  und  ist 
sehr  viel  verrauthet.  Hr,  F.  hat  die  Vermutliung,  es  sei  hier  von 
fremden  Volkerschaften  und  den  processualischen  Verhältnissen 
derselben  zu  den  römischen  Bürgern  —  von  den  lleciperatoren- 
gerichlen  die  Rede.  Da  F.  nach  einer  anderen  Andeutung  (p.  29.) 
glaubt,  dass  die  zwölf  Tafeln  auch  völkerrechtliche  Partien  ent- 
halten haben,  so  konnte  er  leicht  zu  dieser  Vermutliung  kommen. 
An  der  letzteren  Stelle  äussert  F.,  dass  uns  sehr  Vieles  von  dem 
Zwölftafelgesetz  verloren  gegangen,  dass  wir  von  .den  wichtigsten 
Materien,  z.  B.  der  Staatsverwaltung,  dem  Völkerrechte  u.  A., 
nicht  einmal  ein  Wort  hätten.  Dieses  unser  Deficit  ist  aber  wohl 
einfach  daraus  zu  erklären,  dass  von  diesen  Materien  ,  der  Staats- 
verwaltung und  dem  Fölkerreht,  wenig  oder  nichts  auf  den 
zwölf  Tafeln  geschrieben  stand.  Daher  ist  mir  jene  Erklärung 
Fischer' s  nicht  plausibel,  gern  aber  mag  ich  ihr  einen  Platz  neben 
den  übrigen  Vermnthungcn  gönnen.  Ich  erinnere  mich  irgendwo 
die  Vermutliung  gelesen  oder  gehört  zu  haben,  dass  Foi tes  die 
Patricier,  Sanates  die  Plebejer  seien.  Des  Beweises  dafür  erinnere 
ich  mich  nicht,  die  Annahme  ist  mir  aber  sehr  wahrscheinlich. 
Paul.  Diac.  (p.  84.  ed.  Müller)  hat :  Ford  es  (Forctus  ?)  frugi  et 
honus  sive  validus.  Bei  Festus  p.  348.  (ed.  M.)  lieisst  es:  Sa- 
nates dicti  sunt,  qui  supra  infraque  Bomam  habitaverunt.  vergl. 
p.  321. ..  Die  Patricier  waren  bis  dahin  die  boni ,  die  ingenui,  und 
betrachteten  sich  allein  als  solche,  die  Plebejer  waren  die  Land- 
gemeinde, die  Umwohner  Roms  (qui  supra  infraque  Romam  ha- 
bitaverunt), selbst  der  Aventinus,  der  recht  eigentlich  als  der 
Sitz  der  Plebejer  in  der  Geschichte  derselben  bezeichnet  wird, 
lag  ausserhalb  des  Pomoerium.  Nach  dieser  Deutung  enthielte 
denn  jenes  fünfte  Fragment  den  Hauptsatz  der  zwölf  Tafeln. 

In  der  Erklärung  des  sechsten  Fragments  findet  sich  ein 
seltsamer  Irrthum.  Die  Worte  des  Praetors:  iuite  viam,  redite 
viam  etc-  (Cic.  Mur.  32.)  nimmt  F.  als  eine  Ermahnung  des  Prae- 
tors zum  gütlichen  Vergleiche!  vergl.  Rein  röm.  Privatrecht 
p.  461  sq. 

Eine  eigene  Literatur  hat  die  Frage  über  die  Gesandtschaft, 
die  vor  und  behufs  der  Decemviralgesetzgebung  nach  Griechen- 
land geschickt  sein  soll.  Cockinos  a.  a.  0.  p.  1 — 3.  hat  die  Ge- 
lehrten, die  darüber  geschrieben,  classificirt.  Gleichzeitig  mit 
der  Dissertation  von  Cockinos  ist  geschrieben  Grauer t  de  XII  ta- 
bularum  fontibus  atque  argumento.  Lingen  1836.,  welches  Schul- 
programm mir  nur  dem  Titel  nach  bekannt  ist.     Sodann  ist  die 


270  Römische  Literatur» 

Frage  behandelt  in  einem  vortrefflichen  Werk  eines  ausgezeichne- 
ten Schottischen  Juristen :  D.  Irving  Introduction  to  the  study  of 
the  civil  law.  The  4.  edit.  London  1837.  8.  p.  12  sqq.  Als  man 
noch  blind  alles  für  wahr  hielt,  was  die  alten  Schriftsteller  uns 
berichten,  fand  man  nicht  das  geringste  Bedenken  anzunehmen, 
die  Römer  hätten  sich  einen  grossen  Theil  des  Zwölftafelgesetzes 
Ton  Athen  und  aus  andern  Theilen  Griechenlands  geholt,  wie 
man  überhaupt  auch  geneigt  war,  wo  sich  nur  eine  kleine  Aehn- 
lichkeit  des  römischen  Rechts  mit  fremdem  Recht  fand,  ohne 
Weiteres  anzunehmen,  die  Römer  hätten  dieses  ähnliche  Recht 
entlehnt.  Der  merkwürdige  Italiener  Giamb.  Vico  trat  mit  einer 
starken  Skepsis  gegen  die  Annahme  einer  solchen  Gesandtschaft 
und  die  Folgerungen  daraus  hervor,  und  diese  Skepsis  war  bis 
auf  die  neuesten  Zeiten  sehr  allgemein.  In  unserer  Zeit  haben 
einige  Gelehrten  einen  Mittelweg  eingeschlagen  (Niebuhr,  Irving), 
andere  sind  in  das  alte  Extrem  zurückgefallen  und  haben  die  Ge- 
sandtschaft mit  ihren  Folgen  stark  in  Schutz  genommen.  Zu  die- 
sen Gläubigen  gehört  Fischer  und  besonders  Cockinos,  dessen 
griechischem  Nationalstolze  man  ein  Ueberschreiten  der  Grenze 
wohl  etwas  zu  Gute  halten  muss.  Fischer  findet  es  unbegreiflich, 
wie  Niebuhr  die  Behauptung  aufstellen  konnte:  „das  Privatrecht 
nach  fremdem  Vorbild  zu  ändern ,  fiel  sicher  Niemanden  ein", 
und  sucht  durch  Aehnlichkeiten  des  Zwölftafelrechts  mit  Atti- 
schem Recht  dies  zu  widerlegen.  Cockinos  nimmt  einen  gewal- 
tigen Anlauf  und  verspricht  den  Gegenstand  künftig  diesem  An- 
lauf gemäss  ausführlich  zu  behandeln.  Er  argumentirt  in  dieser 
Weise:  1)  die  alten  Schriftsteller  berichten  an  vielen  Stellen  von 
der  Gesandtschaft  und  es  ist  kein  Grund  ihre  Zeugnisse  in  Zwei- 
fel zu  ziehen ;  2)  der  Zustand  des  römischen  Staats  war  zur  Zeit 
der  Decemviralgesetzgebung  der  Art,  dass  die  Römer  das  Be- 
dürfniss  fühlen  mussten,  fremde  Rechte  und  Gesetze,  nament- 
lich die  der  Athener,  zu  benutzen;  3)  die  Vergleichung  der 
Zwölftafelgesetze  und  der  athenischen  Gesetze  zeigt  in  vielen 
Punkten  Uebereinstimraung.  Wenn  des  Cockinos  Beweisführung 
unseren  Glauben  an  die  Folgen  der  Gesandtschaft  nicht  vergrös- 
sert  hat,  so  ist  der  Grund,  dass  er  zu  viel  Glauben  hat.  Er 
schenkt  den  Zeugnissen  der  alten  Schriftsteller,  die  er  nach  Go- 
thofredus  anführt,  ungemessenen  Glauben,  und  ebenfalls  vertre- 
ten ihm  die  Aussprüche  neuerer  Schriftsteller,  zumal  wenn  er  mit 
seinen  Argumenten  nicht  weiter  kann,  die  Stelle  von  Beweisen. 
Seinen  zweiten  Satz  führt  Cockinos  so  durch ,  dass  wohl  daraus 
hervorgeht,  dass  die  Plebejer  einer  Gesetzesreform  bedurften, 
die  Athener  damals  einen  geordneten  Rechtszustand  hatten,  aber 
keineswegs,  dass  die  Römer  von  den  Athenern  Recht  entnehmen 
mussten,  nicht  die  Substanz  des  erforderlichen  Rechts  hatten. 
Die  Ausführung  des  dritten  Satzes,  dass  ein  grosser  Theil  des 
Zwölftafelrechts  Solonisches  Recht  sei,  leidet  an  demselben  Feh- 


Neueste  Literatur  zu  den  XII  Tafeln.  2/1 

ler,  den  Fischer's  Zusammenstellung  der  Aehnlicbkeiten  griechi- 
schen und  römischen  Rechts  hat.  Wie  mehrere  Beiträge  zu  ei- 
ner vergleichenden  Jurisprudenz  zeigen  (vgl.  besonders  Falck  in 
den  Kieler  Blättern  für  18:39.  Bd.  1.  p.  77  —  87  und  in  den  Kie- 
ler Beiträgen  [1820]  p.  148  sqq.),  finden  sich  eine  eben  so  grosse 
Zabl  vonUebereinstimmungen  zwischen  römischem  und  indischem, 
mosaischem,  türkischem  und  anderer  aoii  den  Römern  ganz  verschie- 
dener Völker  Recht,  als  zwischen  römischem  u. griechischem  Recht; 
namentlich  im  Straf-  und  Erbrecht  selbst  der  örtlich  und  geistig  ganz 
verschiedenen  Völker  finden  sich  merkwürdige  Aehnlicbkeiten.  Was 
resultirt  daraus  1  Sehr  vieles ;  aber  unter  Anderem  giebt  dies  die  be- 
ste Warnung  vor  übereilten  Folgerungen  aus  dergleichen  Beobach- 
tungen. Wer  bei  solchen,  in  unserer  Zeit  besonders  vonThibaut  und 
Gans  so  sehr  empfohlenen  Forschungen  und  Studien  geringere  Zwe- 
cke hat,  als  die  organische  Entwickelung  des  Rechts  und  der  Gesetze 
und  der  Menschheit  überhaupt  zu  begreifen,  bei  dem  artet  ein  sol- 
ches Studium  sehr  leicht  in  Spielerei  aus,  die  der  Wissenschaft 
nicht  frommt.  Wie  sehr  Niebuhr  zu  solchen  Vergleichungen  der 
Einrichtungen  und  des  Lebens  der  verschiedenen  Völker  geneigt 
war,  ist  bekannt,  aber  ISiebuhr  verlor  den  höheren  Gesichts- 
punkt dabei  nie  aus  den  Augen,  und  daher  ist  er  dadurch  zu  wis- 
senschaftlichen Resultaten  gelangt.  Das  Wort  und  Beispiel  die- 
ses grossen  Mannes  warnt  davor,  aus  zufälligen  oder  in  der  Na- 
tur der  Völker  und  Menschen  überhaupt  liegenden  Ueberein- 
stimmungen  in  Recht  und  Sitte  auf  Entlehnung  dieser  oder  auf 
gemeinschaftliche  Abstammung  der  Völker  zu  schliessen  (vergl. 
Feodor  Eggo:  der  Untergang  der  Naturstaaten  p.  12.).  Niebuhr 
kannte  sehr  gut  die  mancherlei  Aehnlicbkeiten  attischen  und  rö- 
mischen Rechts,  es  fiel  ihm  aber  nicht  ein,  deshalb  die  organi- 
sche nationale  Entwickelung  des  römischen  Rechts  zu  läuguen, 
wie  Cockinos  und  Fischer  es  thun.  Hätten  diese  Ilegel's  grosse 
Ansicht  von  der  Entwickelung  des  Menschengeschlechts  gekannt, 
so  würden  sie  vielleicht  zu  einer  anderen  Ansicht  über  den  fragli- 
chen Gegenstand  gekommen  sein. 

Fischer  hebt  p.  17.  hervor,  dass  sich  Aehnlicbkeiten  der 
zwölf  Tafeln  mit  dem  Attischen  Rechte  sogar  in  ganz  unbedeu- 
tenden Punkten  finden,  andere  Gelehrte  negiren  hier  die  Entleh- 
nung, eben  weil  die  Aehnlicbkeiten  geringiügiger  Art  seien  (Cos- 
mann  de  origine  et  fontibus  legum  XII  tabularum  [Amst.  1829.] 
p.  34  sqq.).  Wenii  auch  für  unsere  Frage  diese  Bemerkimg  Fi- 
schers nicht  von  grösser  Bedeutung  ist,  so  hat  er  gewiss  darin 
Recht,  dass  häufig  sogenannte  Kleinigkeiten  und  Einzelheiten 
entscheidender  sind  bei  der  Vergleichung  der  Völker  und  ihrer 
Einrichtungen,  als  die  Uebereinstimmung  in  OVundeinrichtungen. 

Irv(ng  a.  a.  O.  polemisirt  in  verständiger  Weise  gegen  die, 
welche  die  Gesandtschaft  und  ihre  Folgen  gänzlich  gcläugnet  ha- 
ben (Vico,  Bonamy,  Gibbon,  Aug.  Mai,  Macieiowski) ,  wiege- 


272  Geographie. 

gen  die,  welche  angenommen  haben,  der  grösste  Theil  des 
Zwölftafelrechts  sei  Solonisches  Recht.  Irving  begnügt  sich  nicht 
mit  einem  non  liquet,  schlägt  aber  einen  Mittelweg  ein  und 
schliesst  mit  den  Worten :  „Some  modifications  (nämlich  des 
nationalen  römischen  Rechts),  perhaps  various  regulations  enti- 
rely  new,  might  be  derived  from  a  foreign  source  etc." 

Ich  halte  Niebuhrs  Ansicht  über  die  Gesandtschaft  und  ihre 
Resultate  für  das  Beste ,  was  über  diesen  Gegenstand  geschrie- 
ben ist,  und  stimme  ihm  namentlich  darin  bei,  dass  es  den  Rö- 
mern nicht  eingefallen  ist ,  sich  Privatrecht  aus  Griechenland  ho- 
len zu  wollen.  Wer  beim  Studium  des  römischen  Privatrechts 
die  organische  Entwickelung  desselben  verfolgt ,  muss  einsehen, 
dass  die  Fähigkeit  der  Rechtsbildung  bei  den  Römern,  wie  bei 
keinem  anderen  Volke  ist.  Das  Recht  ist  eben  der  Gewinn,  den 
das  Leben  des  römischen  Volks  der  Entwickelung  der  Menschheit 
gebracht.  Die  Reichen  brauchten  nicht  zu  borgen.  Aber  daraus 
folgt  noch  nicht,  dass  die  Gesandtschaft  wegzuläugnen  sei.  Der 
Verkehr  zwischen  Rom  und  Griechenland  war  vor  und  in  der  Zeit, 
von  der  es  sich  handelt ,  gewiss  weit  grösser ,  als  directe  Zeug- 
nisse der  Schriftsteller  aussagen,  und  die  Römer  waren  nicht  un- 
bekannt mit  den  griechischen  Staatseinrichtungen.  Es  ist  in  Be- 
zug auf  diese  Gesandtschaft  vielleicht  das  besonders  hervorzuhe- 
ben, dass  die  Römer  jetzt  nicht  blos  ein  neues  Gesetz  wollten, 
sondern  eine  ganz  neue  Regie/ tut gsfonn.  Die  plebs  ist  bei  dem 
ganzen  Act  der  bewegende  Theil,  sie  wollte  das  imperium  der 
Consuln  gegen  sich  beschränkt  haben,  am  liebsten  gar  keine, 
denn  die  patriejschen  Consuln  hatten  sich  als  ihre  schlimmsten 
Feinde  gezeigt.  Die  patricische  Regierungsweise  sollte  einer 
neuen  weichen,  die  für  den  neuen  Staat  passte,  der  vom  alten 
Patricierstaat  wesentlich  verschieden  war.  Eine  solche  Aende- 
rung  war  nicht  leicht  und  war  ein  Versuch,  dessen  Ausführung 
und  Erfolg  nicht  unzweifelhaft  erscheinen  konnte.  Es  musstc 
daher  rathsam  sein,  die  Erfahrungen  griechischer  Staaten  zu  be- 
nutzen und  den  athenischen  Staat  anzuschauen.  Welches  der 
unmittelbare  Gewinn  dieser  Anschauung  gewesen  —  non  liquet! 

Kiel.  Ed.   Oscnbrüg gen. 


Lehrbuch  der  Geographie  für  die  oberen  Classen  höherer 
Lehranstalten  von  C.  E.  Meinicke,  Dr.  und  Professor  am  Gymna- 
sium zu  Prenzlau.  Prenzlau.  Druck  und  Verlag  von  F.  W.  Kal- 
bersberg's  Buchhandlung. 

Das  bezeichnete  Buch,  das  der  Verf.  „dem  Hrn.  Professor 
Carl  Ritter,  seinem  hochgeehrten  Lehrer  und  Freunde,  zum 
Zeichen  seiner  innigsten  Hochachtung  und  Verehrung"  widmet, 
wird  gewiss  schon  in  den  Händen  sehr  vieler  Lehrer  der  Geogra- 


Melnickes  Lehrbucli  der  Geographie.  273 

phie  an  Gymnasien  und  anderen  höheren  Lehranstalten  und  sol- 
cher, die  sich  für  acht  wissenschaftliche  Behandlung  dieses  Un- 
lerrichtszweiges  interessiren,  gelangt  sein.  Das  Bedürfniss  eines 
solchen  Buches  wenigstens  muss  fast  allgemein  empfunden  wor- 
den sein.  Wer  in  den  letztverflossenen  Decennien  sich  mit  dem 
Unterricht  in  der  Geographie  an  höheren  Schulanstalten  beschäf- 
tigte, musste  Kunde  erhalten  von  den  grossen  Fortschritten,  die 
diese  Wissenschaft  durch  die  grossartigen  Leistungen  Carl  Rit- 
ter's  machte.  Wem  nun  die  Wissenschaft,  in  der  er  unterrich- 
tete, nur  einigermassen  an's  Herz  gewachsen  war,  der  musste 
doch  sich  verpflichtet  fühlen,  sich  nach  demjenigen  umzusehn, 
was  Ritter  in  derselben  geleistet  hatte.  Das  Studium  von  Ritters 
Erdkunde  musste  aber  jeden ,  der  nicht  ganz  ohne  wissenschaftli- 
chen Sinn  war,  zu  der  Ueberzeugung  bringen,  dass  das,  was 
bisher  als  Geographie  gegolten  hatte ,  wenig  Anspruch  auf  den 
Namen  einer  Wissenschaft  machen  könne,  dass  es  vielmehr  nur 
ein  Aggregat  von  Notizen  sei,  ohne  Princip  zusammengestellt, 
nach  einem  zufälligen,  von  Aussen  hergenommenen,  nicht  im 
inneren  Wesen  begründeten  Schema  geordnet,  dazu  häufig  ohne 
Kritik  gesammelt,  so  dass  ein  richtiges  Bild  der  Sache,  deren 
Kenntniss  dadurch  gelehrt  werden  sollte,  unmöglich  zu  erlangen 
war.  Wer  in  der  neueren  Geographie  aufgewachsen  ist,  wird  es 
oft  unglaublich  finden,  welche  unwahre  Vorstellungen  über  die 
wichtigsten  Gegenstände  die  frühere  Geographie  in  manchen  Fäl- 
len lieferte.  So,  um  nur  einige  Beispiele  anzuführen,  wird  der 
in  der  jetzigen  Geographie  Bewanderte  es  kaum  glaublich  finden, 
dass  Ref.  noch  im  Jahre  1826  einen  allgemein  geachteten  und 
auch  wirklich  höchster  Achtung  würdigen  Universitätslehrer  in 
seinem  geographischen  Vortrage  die  Gebirge  Asiens  folgender- 
massen  beschreiben  hörte:  „Asien  zerfällt  durch  seine  beiden 
Hauptbergketten ,  den  Altai  im  Norden  und  den  Taurus  im  Sü- 
den, in  Nord-,  Mittel-  und  Südasien.  1)  Der  Altai  beginnt 
nördlich  vom  kaspischen  Meere ,  geht  östlich  bis  zum  Baikalsce, 
und  dann  weiter  bis  zum  grossen  Ocean.  Er  begränzt  Sibirien  im 
Süden,  und  von  ihm  aus  geht  der  Ural.  2)  Der  Taurus  geht  von 
Vorderasien  südlich  zum  kaspischen  Meere,  durch  die  persischen 
Länder  bis  zur  Ostgrä'nze  der  grossen  Bucharci.  Da  spaltet  er 
sich  in  zwei  Arme.  Der  eine  geht  nordöstlich  und  heisst  Mustag 
(Imaus)  und  verbindet  sich  mit  dem  Altai;  der  andere,  südöst- 
liche Arm  begränzt  Indien  im  Nordosten  und  bildet  das  Ilimalaya- 
gebirge.  Diese  Kette  schickt  Arme  aus:  den  Kaukasus  zwischen 
dem  schwarzen  und  kaspischen  Meere,  südlich  den  Libanon  in 
Syrien,  das  Ghatsgebirge  im  diesseitigen  Indien  und  andere  Berg- 
reihen auf  der  jenseitigen  Halbinsel  ohne  besondere  Namen." 
Statt  dessen  wissen  wir  jetzt  über  die  Bodengestalt  Asiens,  dass 
es  zwei  grosse  Hochländer  enthält,  die  sich  mit  je  einem  ihrer 
Winkel  berühren:    das   östliche   und  das  westliche  Hochasien; 

A.  Jahrb.  f.  Phil.  u.  Paed.  od.  Krit.  Jiibl.  Bd.  XXVIII.  Hft.  3.    18 


274  Geographie. 

dass  jenes  ringsum  durch  Randgebirge  eingeschlossen  ist,  ausge- 
nominell  den  Raum  zwischen  dem  Thiansclian  und  dem  Alpenlande 
des  Altai ,  wo  sich  das  Hochland  allmälig  nach  Westen  absenkt ; 
dass  dieses  (das  westliche  Hocha«ien ,  oder  das  Plateau  von  Iran) 
ebenfalls  von  Randgebirgen  umgeben  ist,  die  sich  aber  im  Westen 
einander  nähern  und  zuletzt  zusammen  eine  Gebirgslandschaft  im 
Südwesten  des  kaspischen  Meeres  bilden;  dass  die.Ghatsgebirgc 
keine  von  dem  Taurus  auslaufende  Kette  sind,  sondern  Randge- 
birge eines  isolirten  Plateau's,  des  Plateau's  von  Dekan;  dass 
der  Mustag  keineswegs  einerlei  ist  mit  dem  Imaus,  noch  ein  Arm 
des  Taurus,  noch  ein  verbindendes  Glied  zwischen  diesem  und 
dem  Altai,  sondern  nur  der  einheimische  IName  des  westlichen 
Theils  desjenigen  Gebirges,  welches  wir  oben  mit  dem  chinesi- 
schen Namen  Thianschan  bezeichnet  haben;  dass  endlich  der 
Ural  keine  von  dem  Altai  ablaufende  Kette  ist,  sondesn  ein  iso- 
lirtes  Gebirgssystem,  das  sich  namentlich  mit  seinem  Südfusse 
durchaus  in  ein  Tiefland  absenkt,  und  zwar  in  das  tiefste  der 
Erde,  das  des  kaspischen  Meeres,  das  in  seinen  tiefsten  Theilen 
sogar  100  F.  unter  der  Meeresfläche  liegt.  —  In  derselben  geo- 
graphischen Vorlesung  hörte  der  Ref.  die  Bodengestalt  Afrikas 
folgendermassen  schildern:  „Zwei  Gebirgsketten  durchziehen 
Afrika  von  Westen  nach  Osten.  Die  eine,  die  nördliche,  in  gc- 
ringer  Entfernung  vom  Meere,  ist  das  Atlasgebirge.  Es  fängt  an 
der  Westküste  in  Fez  und  Marokko  an  und  erreicht  hier  sogleich 
seine  grösste  Höhe.  Von  da  zieht  es  sich  östlich  durch  Algier 
und  Tunis  Hier  senkt  es  sich  aber  zu  Hügeln  herab.  Dann  geht 
diese  Kette  durch  Tripolis,  immer  wenige  Meilen  von  der  Küste, 
dann  nach  Aegypten ,  wo  sie  sich  mit  den  Gebirgen  des  Nilthals 
vereinigt.  Die  zweite  Kette  geht  in  der  Mitte  durch  Afrika ,  das 
Konggebirge.  Sie  läuft  ebenfalls  von  Westen  nach  Osten  und 
zwar  zwischen  10°  nördlicher  und  10°  südlicher  Breite."  Statt 
dessen  betrachtet  die  jetzige  Geographie  das  ganze  südliche  Africa 
bis  ungefähr  10  —  12°  nördlicher  Breite  als  ein  zusammenhan- 
gendes Hochland,  von  dein  die  Hochländer  von  Ober-Guinea 
nur  durch  das  Quorra-  oder  Nigerthal  getrennt  sind,  und  das 
tdch  nach  Norden  theils  in  das  Tiefland  der  Sahara,  theils  durch 
das  Stufenland  des  Nils  bis  zum  mittelländischen  Meere  hinab- 
senkt. In  dem  Atlas  erkennt  aber  die  jetzige  Geographie  eben- 
falls keine  Kette  mehr,  sondern  ein,  nicht  bloss  in  die  Länge, 
sondern  auch  in  die  Breite  ansehnlich  ausgedehntes  Plateauland. 
Dasselbe  dehnt  sich  aber  nicht  bis  nach  Aegypten  aus ;  sondern 
südlich  von  der  grossen  Syrte  reicht  das  Tiefland  der  Sahara  bis 
an  das  mittelländische  Meer.  Oestlich  von  dieser  Einsenkung 
aber  erhebt  sich  noch  ein  isolirtes  Plateau,  das  von  Barke  oder 
Cyrenaica. 

Wenn    nun   die    Gesammtansicht  der   Bodengestalt  ganzer 
Welttheile  sich  in  der  Wissenschaft  dermassen  umbildete,  wie 


MciniekcB  Lehrbuch  der  Geographie.  275 

das  hier  nur  an  einigen  Beispielen  gezeigt  ist,  wenn,  was  sonst 
als  Hauptsache  gait ,  in  den  Hintergrund  gestellt ,  Anderes ,  was 
früher  nur  oberflächlich  beachtet  wurde,  als  die  Hauptsache  des 
geographischen  Wissens  auf  das  Genaueste  untersucht  wurde, 
wenn  man  in  der  Einsicht  in  das  wesentliche  Verhältniss  zwischen 
der  Natur  des  Landes  und  der  historischen  Entwickelung  des 
Menschengeschlechts  in  demselben  das  hohe  Ziel  der  Wissen- 
schaft erkannte  und  zu  diesem  Ziele  von  Jahr  zu  Jahr  die  überra- 
schendsten Fortschritte  machte,  so  konnte  doch  unmöglich  der 
Lehrer  der  Geographie,  der  diese  Fortschritte  der  Wissenschaft 
geistig  mit  erlebte,  dies  Alles  ohne  Einfluss  auf  seinen  Unterricht 
lassen.  Er  konnte  doch  unmöglich  sich  überwinden,  was  er  ge- 
radezu als  Unwahrheit  erkannt  hatte,  noch  ferner  zu  lehren,  und 
das  zu  verschweigen ,  was  ihm  als  wichtigstes  Element  der  gan- 
zen Wissenschaft  klar  geworden  war. 

Hatte  nun  aber  der  Lehrer  der  Geographie  bei  seinem  Un- 
terrichte eins  der  älteren,  oder  doch  nach  der  alten  Weise  ein- 
gerichteten Lehrbücher  zum  Leitfaden,  so  kam  er  dadurch  mit 
diesem  in  einen  störenden  Widerspruch.  Vorzugsweise  musste 
dieser  Uebelstand  bei  dem  Unterrichte  in  höheren  Classen  fühl- 
bar werden,  und  es  mögen  Manche,  wie  lief.,  es  vorgezogen 
hauen  ,  ohne  Lehrbuch  zu  unterrichten.  Dennoch  ist  es  für  die- 
ses Fach  wichtiger,  als  für  irgend  ein  anderes,  dass  die  Schüler 
zur  Vorbereitung  und  Wiederholung  ein  zweckmässiges  Buch  in 
Händen  haben.  Damit  mag  die  im  Anfange  dieses  Berichtes  aus- 
gesprochene Vermuthung,  das  Buch,  von  welchem  hier  die  Rede 
ist,  welches  sich  gerade  als  Lehrbuch  für  die  oberen  Classen  hö- 
herer Lehranstalten  ankündigt,  werde  schon  in  die  Hände  vieler 
Lehrer  gelangt  sein  ,  gerechtfertigt  erscheinen ,  um  so  mehr,  da 
der  Verf.  desselben  dem  sich  für  Geographie  interessirenden 
Publikum  schon  durch  zwei  bedeutende  Schriften  als  geographi- 
scher und  historischer  Forscher  bekannt  ist,  nämlich  den  ^Ver- 
such einer  Geschichte  der  europäischen  Colonien  in  Westindien. 
Weimar  1831"  und  „Das  Festland  Australien.  Eine  geographische 
Monographie.  Prenzlau  1837  —  38. u 

Nun  wollen  wir  aber  nicht  verkennen,  dass  seit  dem  Erschei- 
nen der  Ritter'schen  Erdkunde  schon  Manches  geschehen  ist  für 
eine  wissenschaftlichere  Behandlung  des  geographischen  Unter- 
richts. Vor  allen  Dingen  ist  hier  das  hodegetische  Handbuch  der 
Geographie  von  Selten  zu  erwähnen,  ein  Buch,  das  jedem  Leh- 
rer der  Geographie  viel  Wichtiges  zu  bedenken  giebt.  Das 
Hauptverdienst  dieses  Buches  besteht  in  der  sorgfältigen  Behand- 
lung der  topischen  Geographie;  denn  gewiss  war  es  ein  Hauptfeh- 
ler der  früheren  Behandlung  des  geographischen  Unterrichts, 
dass  dem  Schüler  gleich  auf  der  ersten  Bildungsstufe  zu  vielerlei 
geboten  wurde,  während  es  da  vor  allen  Dingen  darauf  ankommt, 
demselben  ein  anschauliches  Bild  von  den  räumlichen  Verhältnis- 

18* 


276  Geographie. 

seu  der  Erdoberfläche  als  Grundlage  aller  geographischen  Kennt 
nisse  zu  verschaffen.  Aber  eine  so  abstracte  Sonderling  des  geo- 
graphischen Lehrstoffs  in  topische  Geographie  für  die  unterste 
Bildungsstufe ,  physikalische  für  die  mittlere  und  politische  für 
die  oberste,  wie  sie  das  Selten'sche  Buch  fordert,  führt  zu  sehr 
vom  Leben  ab  und  gewährt  dem  Schüler  zu  wenig  Befriedigung. 
Ueber  Schachts  „Lehrbuch  der  Geographie  alter  und  neuer  Zeit" 
(Mainz  1831)  und  über  die  viel  gebrauchten  Volger'schen  Bücher 
hat  Ritter  selbst  in  der  in  der  königlichen  Akademie  der  Wissen- 
schaften gelesenen  Abhandlung  „über  das  historische  Element  in 
der  geographischen  Wissenschaft"  (Berlin  1834)  sich  ausgespro- 
chen und,  bei  aller  gebührenden  Anerkennung  der  Bestrebungen 
dieser  Männer,  erklärt,  dass  dabei  nicht  stehen  geblieben  wer- 
den könne.  Ueber  die  Volger'schen  Bücher  ist  noch  namentlich 
zu  bemerken,  dass  mit  jeder  neuen  iVuflage  mehr  Ritter'sches 
Element  aufgenommen  wurde.  Aber  die  Form  blieb  die  alte, 
und  so  wurde  gerade  das  Unpassende  derselben  immer  fühlbarer, 
wie  das  ja  immer  geht,  wenn  neuer  Wein  in  alte  Schläuche  ge- 
tlian  wird.  Das  Bedeutendste ,  was  in  neuester  Zeit  für  den  geo- 
graphischen Unterricht  erschienen  ist,  sind  unstreitig  die  Bücher 
von  Albrecht  von  Roon  „Anfangsgründe  der  Eid-,  Völker-  und 
Staatenkunde.  Ein  Leitfaden  für  Schüler  von  Gymnasien,  Mili- 
tair-  und  höheren  Bürgerschulen.  Dritte  Auflage.  Berlin  1838." 
und  „Grundzüge  der  Erd-,  Völker-  und  Staatenkunde.  Ein 
Leitfaden  für  höhere  Schulen  und  den  Selbstunterricht.  Zweite 
Auflage.  (Erster  Band  1837,  zweiter  Band  1838,  der  dritte  Band, 
die  politische  Geographie  enthaltend,  noch  nicht  erschienen.) 
Aber  für  die  Bedürfnisse  der  oberen  Classen  höherer  Lehranstal- 
ten ist  doch  durch  das  Lehrbuch  des  Hrn.  Meinicke  besser  ge- 
sorgt. In  den  oberen  Schulclassen  muss  offenbar  der  gesammte 
geographische  Lehrstoff  zu  einer  Einheit  zusaramengefasst  wer- 
den, und  zwar  so,  dass  als  Aufgabe  der  Geographie  erscheint, 
wie  der  Verf.  §147.  ausspricht:  „die  Nachweisimg  der  Gesetze, 
nach  denen  die  Erdoberfläche  gebildet  erscheint,  mit  steter 
Rücksicht  auf  den  Einfluss ,  welchen  ihre  Bildung  auf  die  gei- 
stige Entwickelung  des  Menschengeschlechts  ausübt.  Bei  der 
Trennung  der  Geographie  in  topische,  physikalische  und  politi- 
sche für  drei  auf  einander  folgende  Lehrstufen,  wie  sie  von  Roon 
nach  dem  Vorgange  des  hodegetischen  Handbuchs  von  Selten  in 
seinen  Anfangsgründen  durchgeführt  hat ,  ist  aber  die  Erreichung 
gerade  dieses  Zwecks  viel  schwieriger,  als  bei  der  Methode,  die 
Nr.  Meinicke  in  seinem  Lehrbuche  befolgt,  wonach  alle  Theile 
der  Erdoberfläche,  nach  den  natürlichen  Verhältnissen  einge- 
theilt,  jedesmal  in  allen  ihren  wesentlichen  Beziehungen  darge- 
stellt werden. 

Die  Einrichtung  des  Buches  ist  aber  folgende:     Es  zerfällt 
in  drei  Bücher,  von  denen  das  erste  die  allgemeine,  das  zweite 


Mciuickes  Lehrbuch  der  Geographie.  2/7 

und  dritte  die  specielle  Geographie  enthält.  Das  erste  Buch  ist 
in  9  Abschnitte  getheilt.  Der  erste  Abschnitt  betrachtet  die  Erde 
'  als  Weltkörper  und  ihre  Stellung  im  Sonnensysteme.  Er  enthält 
diejenigen  Vorbegriffe  aus  der  mathematischen  Geographie,  de- 
ren die  Erdkunde  bedarf,  aber  auch  nur  diese,  ohne  sich  zu  weit 
in  astronomische  Gegenstände  zu  verlieren.  Die  Begriffe  sind 
durchweg  klar  entwickelt.  §  10.  wünschte  Ref.  einen  Ausdruck 
anders.  Es  heisst  daselbst:  „Den  Theil  der  Erdoberfläche,  wel- 
chen die  Sonne  erleuchtet,  nennt  man  den  Belcuchtungskreis;  er 
durchschneidet  alle  Parallelkrcise,  in  der  Begel  aber  alle  un- 
gleich, nur  den  Aequator  stets  in  gleichen  Hälften.1'  Der  Be- 
lcuchtungskreis durchschneidet  aber  nur  zur  Zeit  der  Aequino- 
ctien  alle  Parallelkreise,  und  dann  alle  gleich.  Je  ungleicher  er 
die  Parallelkreise  schneidet,  und  je  mehr  sich  die  Sonne  den  Sol- 
stitialpunkten  nähert,  desto  mehr  Parallelkreise  bleiben  nördlich 
und  südlich  von  den  beiden  Polarkreisen  vom  Beleuchtungskreise 
unberührt.  Der  zweite  Abschnitt  „über  die  Ausbildung  der  Erd- 
oberfläche" enthält  dasjenige  Geognostische ,  was  die  Geographie 
nicht  entbehren  kann,  und  Ref.  muss  sagen,  dass  er  nocli  nie 
dies  in  solcher  Kürze  und  zugleich  mit  solcher  Klarheit  dargestellt 
gefunden  hat.  Der  dritte  Abschnitt,  der  die  Bildung  des  Landes 
behandelt,  entwickelt  die  Begriffe,  die  bei  der  Schilderung  der 
Bodengestalt  der  Länder  nach  Ritter  scher  Weise  unentbehrlich 
sind,  als  die  Begriffe  von  absoluter  und  relativer  Höhe,  Tiefebe- 
nen und  Hochebenen,  Berg  und  Gebirge  ,  Thäler,  Längenthä'ler, 
Querthäler,  Seitenthäler,  Randgebirge,  Stufenländer  u.  s.  w. 
Der  vierte  Abschnitt  handelt  über  die  Bildung  der  Oceane,  der 
fünfte  über  das  Verhält niss  zwischen  dem  Lande  und  den  Ocea- 
nen  (wo  besonders  die  schöne  Entwickelung  des  Begriffs  von 
Landindividuen  und  deren  Weltstellung  zu  loben  ist),  der  sechste 
über  das  Verhäftniss  der  Erdoberfläche  zur  Atmosphäre  (Klimato- 
logie).  Auch  den  siebenten  Abschnitt  von  der  Verbreitung  der 
Pflanzen  und  Thiere  auf  dem  Erdboden  findet  Ref.  ganz  den  Be- 
dürfnissen des  geographischen  Unterrichts  angemessen.  In  der 
klimatischen  Reihenfolge  der  Cerealien  §  133.  Anm  1.  sind  als 
auf  einander  folgend  angegeben:  Reis,  Hirse,  Mais,  Weizen, 
Roggen,  Hafer,  Gerste.  Hier  hätte  wohl  die  Hirse  näher  be- 
zeichnet werden  müssen ,  als  Sorghum  vulgare  und  succharatum, 
weil  man  unter  Hirse  schlechtweg  unser  Panicum  miliaceum  zu 
verstehen  gewohnt  ist.  Der  achte  Abschnitt  „das  Verhältniss  des 
Menschen  zur  Erdoberfläche"  enthält  zuerst  das  allgemeine  Eth- 
nographische ,  was  die  Geographien  gewöhnlich  in  ihrem  allge- 
meinen Theile  enthalten,  aber  ausserdem  auch  das  Allgemeine 
über  den  innigen  Zusammenhang  zwischen  den  geographischen 
Verhältnissen  der  Länder  und  den  historischen  der  Völker,  so 
dass  hier  erst  der  Begriff  der  Weltstellung  seine  volle  Bedeutung 
erhält,    und  die  Aufgabe  der   Geographie,  die  im  2.  Abschnitte 


'21$  Gcugrapluc 

als  Entwickelung  der  Gesetze ,  nach  denen  die  Erdoberfläche  ge- 
bildet erscheint,  gefasst  war,  hier  erst  näher  dahin  bestimmt 
wird,  dass  als  höchstes  Ziel  derselben  erscheint:  die  Einsicht 
in  das  wesentliche  Verhältniss  zwischen  dem  Boden  des  Landes 
und  der  historischen  Entwickelung  des  Menschengeschlechts  auf 
demselben.  Nachdem  so  auf  eine  wahrhaft  wissenschaftliche 
Weise  das  Wesen  der  Geographie  und  ihr  Ziel  erfasst  ist,  giebt 
der  neunte  Abschnitt  eine  gedrängte  Uebersicht  dessen,  was  bis- 
her in  dieser  Wissenschaft  geleistet  worden  ist,  die  allerdings  in 
einem  Lehrbuche  für  die  oberen  Classen  höherer  Lehranstalten 
nicht  fehlen  darf.  —  Indem  wir  nun  hiermit  die  Uebersicht  über 
den  allgemeinen  Theil  schliessen ,  können  wir  nicht  umhin ,  un- 
sere Leser  auf  die  schöne  Ordnung  aufmerksam  zu  machen,  nach 
welcher  in  demselben  alle  Gegenstände  an  der  Stelle  zur  Sprache 
gebracht  werden,  wo  die  Erläuterung  derselben  aus  dem  Vorher- 
gehenden ihre  Ergänzung  findet,  und  auf  das  Nachfolgende  wie- 
der das  nothwendige  Licht  wirft. 

Was  nun  die  specielle  Geographie  betrifft,  so  zerfällt  sie  in 
2  ungleiche  Theile,  indem  das  zweite  Buch  die  continentale,  das 
dritte  die  oceanische  Erdhälfte  behandelt.  Mit  dieser  Einthei- 
lung  wird  gewiss  jeder,  der  die  Durchführung  derselben  in  dem 
Buche  nachgelesen  hat,  im  Ganzen  einverstanden  sein.  Aber 
nach  des  Ref.  Dafürhalten  müssen  solche  Einteilungen  nicht  gar 
zu  mathematisch  streng  genommen  werden  ,  und  so  ist  er  mit 
dem  Verf.  darin  nicht  einverstanden ,  dass  derselbe  die  ostasiati- 
schen Inselgruppen  in  den  zweiten  Theil  gezogen  hat ,  zu  wel- 
chem freilich  ein  grosser  Theil  derselben  seiner  Lage  nach  ge- 
hört. Der  Verf.  selbst  sagt  §  681.:  Diese  Inseln  haben  asiatische 
INatur  und  stehen  in  jeder  Beziehung  mit  Asien  in  enger  Verbin- 
dung. Ist  dem  aber  so,  so  darf  ihre  Darstellung  auch  nicht  von 
der  Betrachtung  des  asiatischen  Continents  getrennt  werden. 

Das  zweite  Buch  (die  continentale  Eiidhälfte)  behandelt  nun 
zuerst  die  Continente  der  alten  Welt  (Afrika,  Abschnitt  I.;  Asien, 
Abschn.  II.;  Europa,  Abschn.  III  — VI.);  sodann  Amerika,  Abschn. 
VII. ;  endlich  den  Nordpolarocean,  Abschn.  VIII.  Wie  in  Ritter1« 
Erdkunde,  ist  Afrika  vorangestellt,  weil  es  der  einfachste  und 
einförmigste  Continent  ist,  und  eben  desswegen  am  leichtesten 
zu  begreifen.  Asien  bildet  sodann  den  natürlichen  Uebergang 
von  dem  ungegliederten  Afrika  zu  Europa,  das  durch  seine  vor- 
herrschende Gliederung  der  begünstigtste  unter  allen  Continenten 
ist.  Amerika  bildet  dann  schon  den  Uebergang  zu  der  oceani- 
schen  Natur.  Der  Nordpolarocean  ist  endlich  in  Verbindung  mit 
der  continentalen  Erdhälfte  abgehandelt ,  weil  er  ganz  innerhalb 
derselben  liegt  und  von  den  Continenten  Europa,  Asien  und 
Amerika  so  eingeschlossen  ist ,  dass  er  fast  die  Gestalt  eines  Bin- 
nenmeeres annimmt.  Bei  der  Behandlung  von  Afrika  und  Asien 
sind  natürlich,  wie  auch  der  Verf.  in  der  Vorrede  erklärt,  Kit- 


Mcinickes  Lehrbuch  der  Geographie.  «?•' 

ter's  Untersuchungen  zu  Grunde  gelegt.  Aber  die  Behandlung 
der  übrigen  Tlieile  ist  nicht  minder  gelungen ,  als  wo  der  Verl* 
einem  solchen  Führer  folgen  konnte.  Der  Geist  hat  ihn  auch  da 
in  alle  Wahrheit  geleitet. 

Das  dritte  Buch,  die  oceanisehe  Erdhälfte ,  zerfällt  in  sechs 
Abschnitte,  von  denen  der  erste  den  Continent  Australien,  der 
zweite  die  ostasiatischen  Inselgruppen,  der  dritte  den  grossen 
Ocean,  der  vierte  den  atlantischen,  der  fünfte  den  indischen, 
der  sechste  den  Südpolarocean  behandelt. 

Was  die  Anordnung  des  Einzelnen  betrifft,  so  besteht  ge- 
rade darin  das  Hauptverdienst  des  Verf.  Allenthalben  wird  der 
Stoff  nach  seinen  natürlichen  Abtheilungen  zerlegt ,  die  Landindi- 
viduen werden  jedesmal  zuerst  nach  ihren  natürlichen  Verhältnis- 
sen allseitig  geschildert;  daran  schliesst  sich  das  Ethnographi- 
sche, und  zuletzt  das  Statistische,  dies  Letztere  aber  nur  in 
ganz  kurzen  Skizzen.  Die  Beziehungen  zwischen  dem  Lande  und 
der  Geschichte  seiner  Bewohner  sind  immer  nur  in  Anmerkungen 
angedeutet.  Die  Ausführung  derselben  bleibt  dem  Lehrer  über- 
lassen. Nun  ist  es  freilich  unumgänglich  nöthig,  dass  jeder  Leh- 
rer der  Geographie  in  oberen  Classen  auch  tüchtige  historische 
Studien  gemacht  habe.  Aber  Ref.  glaubt  doch ,  dass  schwerlich 
von  der  Mehrzahl  dieser  Lehrer  so  viel  in  diesem  Fache  geleistet 
wird  ,  als  der  Verf.  fordert.  Für  diese,  in  deren  Zahl  Kef.  sich 
selbst  durchaus  mit  einrechnet,  konnte  der  Verf.  ohne  Zweifel 
sich  eiu  sehr  grosses  Verdienst  erwerben ,  wenn  er  sich  ent- 
schlösse, ein  erläuterndes  Handbuch  seinem  Lehrbuche  hinzuzu- 
fügen. Namentlich  die  vielen  specialhistorischen  Anmerkungen 
möchten  gar  Vielen  ohne  ein  solches  Hülfsraittel  schwer  auszu- 
legen sein. 

Die  Sprache  ist  durchweg  dem  Inhalt  angemessen  und  wirk- 
lich musterhalt  für  solche  Darstellungen,  gleich  weit  entfernt 
von  gesuchtem  Schmuck  und  von  Trockenheit,  durch  und  durch 
einfach  und  doch  lebendig.  Wenn  Uef.  mit  dem  Verf.  über  einige 
sprachliche  Punkte  rechtet,  so  wird  dieser  einem  Schulmeister 
das  verzeihen.  Nämlich  einmal  kann  Kef.  es  nicht  billigen,  wenn 
fremde  geographische  Namen,  die  einmal  mit  einem  gewissen  Ge- 
schlechte, abweichend  von  der  Sprache,  in  der  sie  einheimisch 
sind,  Eigenthum  der  Sprache  des  Volkes  oder  wenigstens  der 
Gebildeten  geworden  sind ,  der  fremden  Sprache  zu  Gefallen, 
geändert  werden,  wenn  man  z.  B.  der  Tiber  und  der  Rhone  sagt. 
Die  Sprache  verfährt  keineswegs  willkürlich  bei  solchen  Gc- 
schlechtsändcrungen,  sondern  sie  folgt  dabei  Analogien,  die  in  ihr 
selbst  begründet  sind,  wie  denn  die  VVeser,  die  Oder,  die  liier  für 
die  Tiber,  die  Elbe,  die  Saale,  die  Lerne  für  die  Rhone  das  Vorbild 
abgaben.  Ueberhaupt  muss  man  sich  hüten,  nach  blossen  verstan- 
de8mässigen  Consequenzen  in  der  Sprache  bilden  zu  wollen.  Aus- 
serdem ist  es  dem  Ref.  aufgefallen,  dass  der  Verf.  hangt  statt 


280  Mathematik. 

hängt,  Abhänge  statt  Abhänge,  abhangig  statt  abhängig  sagt. 
Das  Verbuni  hangen  nimmt  als  ein  Verbum  der  starken  Conju- 
gation  in  der  2.  und  3.  Pers.  Praes.  den  Umlaut  an,  ebenso  wie 
fangen,  fallen,  halten.  Abweichend  von  dieser  Analogie  ist  nur 
kommst  und  kommt  statt  kömmst  und  kömmt,  aber  eigentlich  auch 
nur  in  der  «ScAr(#sprache  in  fast  allgemeinen  Gebrauch  gekom- 
men. Rufst  und  ruft,  backst  und  backt  können  hiegegen  nicht 
aufgestellt  werden,  weil  auch  die  Imperfecta  nach  der  schwachen 
Conjugation  bei  diesen  Verben  vorkommen. 

Der  Druck  des  Buches  ist,  was  bei  einem  geographischen 
Buche  nicht  unerheblich ,  sehr  correct.  Dem  Ref.  sind  nur  fol- 
gende Unrichtigkeiten  aufgestossen :  §  104.  und  auch  an  anderen 
Stellen  Athmosphäre  statt  Atmosphäre,  §  194.  Okaly  statt  Olaky, 
§  432.  Rhume  statt  Ruhme  und  §  541.  (Pas  de  Calais)  1  M. 
statt  4  M. 

Zum  Schluss  noch  eine  Bemerkung.  Der  Verf.  hat  sein  Buch 
nur  zum  Lehrbuch  für  die  oberen  Classen  höherer  Lehranstalten 
bestimmt.  Ref.  glaubt  aber,  mit  vollem  Rechte  allen  denjenigen 
dasselbe  empfehlen  zu  können ,  die  sich  über  die  Resultate  der 
neueren  Forschungen  in  der  Geographie  zu  belehren  wünschen, 
ohne  doch  Zeit  zu  haben ,  die  Ritter'schen  und  andere  ausführli- 
che Werke  zu  studiren. 

Oldenburg.  Karl  Hagena. 


Lehrbuch  der  Mathematik  für  Gymnasien  und  höhere  Bür- 
gerschulen ,  von  Heinr.  Gust.  Docrk,  Director  der  höheren  Bürger- 
schule zu  Marienburg  in  Pr.  I.  Bd.  unter  dem  Titel:  Lehrbuch 
der  Arithmetik  und  Algebra.  1.  Theil,  Arithmetik.  1839.  gr.  8. 
XII  und  208  S.  III.  Bd.  1.  u.  2.  Thl.  Lehrbuch  der  Planimetrie 
und  ebenen  Trigonometrie  mit  4  Figurentafeln.  1838.  92  u.  63  S. 
(beide  2  fl.  24  kr.) 

In  der  Vorrede  erklärt  sich  der  Verf.  über  die  Anordnung 
des  Stoffes  und  über  den  Gebrauch  der  Bearbeitung,  bei  welcher 
er  nicht  dasselbe  Verfahren  beobachtet  haben  will,  welches  an- 
dere Verfasser  ähnlicher  Lehrbücher  befolgten ,  aber  nicht  über 
die  Ursache,  'warum  der  3.  Batid  schon  im  Jahre  1838,  der  1. 
aber  erst  1839  erschienen  ist.  Er  hat  den  gesammten  Stoff  der 
Elementar -Mathematik  so  geordnet,  dass  der  1.  Bd.  die  allge- 
meine Arithmetik,  der  2.  die  Lehre  von  den  algebraischen  Glei- 
chungen, der  3.  die  Planimetrie  und  ebene  Trigonometrie  und 
der  4.  die  Stereometrie  und  sphärische  Trigonometrie  enthält. 
Der  1.  und  3.  Band  sollen  hier  nach  ihrem  wissenschaftlichen, 
pädagogischen  und  praktischen  Werthe  kurz  beleuchtet  werden, 
da  nur  sie  dem  Rec.  vorliegen.  Die  Beurtheilung  des  2.  und  4. 
wird  bald  nachfolgen. 


Docrks  Lehrbuch  der  Mathematik.  281 

Der  allgemeine  Inhalt  jedes  Bandes  giebt  dem  Leser  eine 
kurze  Uebersicht  des  Stoffes ,  welchen  der  Verf.  an  Gymnasien 
und  höheren  Bürgerschulen  gelehrt'  wissen  will ;  allein  jener  er- 
kennt daraus  noch  nicht,  in  welcher  Ordnung  die  einzelnen  Dis- 
ciplinen  vorgetragen  werden ,  weswegen  Rec.  das  Inhalisverzeich- 
niss  mittheilt  und  seine  Bedenken  über  grössere  oder  geringere 
Zweckmässigkeit  beifügt.  Nach  einer  kurzen  Einleitung  S.  1 — 4. 
behandelt  der  Verf.  die  Arithmetik  und  Algebra  in  6  Abschnitten: 
l)-die  einfachen  Rechnungsverbindungen  der  ganzen  Zahlen,  der 
Brüche  und  Primzahlen,  S.  7 —  42.;  2)  das  Potenziren  und  Wur- 
zelausziehen, die  Rechnungen  in  Potenz-  und  Wurzelgrössen  in 
ihrer  Gesammtheit,  S.  43 — 125.;  3)  die  Verhältnisse,  Proportio- 
nen und  Reihen,  S.  126  —  160.;  4)  die  Logarithmen,  S.  161  — 
174.;  5)  die  Kettenbrüche,  S.  175  —  185.,  und  6)  die  Permu- 
tationen,  Combinationen  und  Variationen,  S.  186  —  208. 

So  sehr  es  Rec.  billigt,  dass  der  Verf.  im  2.  Abschnitt  die 
Gesammtlehre  von  den  Potenzen  mit  positiven  und  negativen,  gan- 
zen und  gebrochenen  Exponenten,  von  den  Zahlensystemen,  Qua- 
dratzahlen und  Quadratwurzeln  und  von  dem  Binomialsatze  vor- 
getragen und  dadurch  den  Lernenden  einen  Ueberblick  von  der 
ganzen  Disciplin  dargeboten  hat,  so  wenig  billigt  er  es,  dass  die 
Gesetze  der  Potenzen  für  einfache  und  zusammengesetzte  Grös- 
sen, für  ganze  und  gebrochene,  positive  und  negative  Exponen- 
ten nicht  vor  den  Wurzel -Berechnungen  vorgetragen  und  da- 
durch letztere  nicht  nach  ihrem  ganzen  Umfange  begründet  sind. 
Der  Binomialsatz  gehört  zu  dem  Erheben  zu  Potenzen  und  bildet 
die  Grundlage  für  das  Wurzelausziehen;  dort  steigt  der  Lernende 
von  der  Basis  zu  den  allmäligen  Potenzen  und  der  allgemeinen 
Potenz  jedes  Binomiums  und  Polynomiums,  hiervon  der  Potenz 
zur  Basis  herunter ,  wofür  ihm  jener  Gang  den  Weg  bahnt. 

Auch  stimmt  Rec.  dem  Verf.  darin  nicht  bei,  das  Potenziren 
und  Wurzelausziehen  in  vollständigen  Zahlengrössen  von  den  vier 
anderen  Operationen  getrennt  und  diese  zwei  Veränderungsarten 
nicht  als  selbstständige  Operationen  an  jene  gereihet  zu  haben ; 
denn  nur  durch  die  zusammenhängende  Betrachtung  der  drei 
Vermehrungs-  und  eben  so  vieler  Verminderungsarten,  welche 
sich  in  drei  Gegensätzen  ergänzen,  wird  den  Lernenden  eine 
klare  und  umfassende  Uebersicht  von  den  Zahlen- Veränderungen 
und  gründliche  Einsicht  in  den  Charactcr  derselben  verschafft. 
Unterbrechungen,  wie  sie  hier  vorkommen,  können  einem  conse- 
quenten  und  gründlichen  Unterrichte,  wie  ihn  der  wissenschaftli- 
che Vortrag  der  Mathematik  fordert,  weder  entsprechen  noch 
den  erwarteten  Erfolg  bringen. 

Die  Trennung  der  Kettenbrüche  von  den  gemeinen  Brüchen 
billigt  Rec.  eben  so  wenig  als  das  Vortragen  der  Lehre  von  Pro- 
portionen und  Reihen  vor  den  Gleichungen,  weil  jene  auf  den 
Gesetzen  letzterer  beruhen.    Der  Verf.  bemerkt  zwar  in  der  Vor- 


282  Mathematik. 

rede,  die  beiden  ersten  Theile,  d.  h.  die  Arithmetik  und  Alge- 
bra, worunter  jener  die  Gleichungslehre  zu  verstehen'  scheint, 
müsstcn  gleichzeitig  in  den  Händen  der  Schüler  sein,  da  die  Glei- 
chungen des  1.  und  2.  Grades  viel  früher  gebraucht  würden,  als 
die  Reihen,  Logarithmen,  Kettenbrüche  und  combinatorischen 
Operationen.  Allein  Rec.  hält  diese  Anordnung  und  diesen  Ge- 
brauch des  Buches  für  unzweckmässig  und  den  Forderungen  der 
Wissenschaft  und  Pädagogik  widersprechend,  weil  er  das  Wesen 
der  Zahlenlehre  in  dem  Verändern ,  Vergleichen  und  Beziehen 
sucht,  das  erste  dem  2.,  dieses  dem  3.  und  das  1.  und  2.  dem  3. 
vorausgehen,  also  das  Betrachten  jedes  vorhergehenden  Gesichts- 
punktes den  nachfolgenden  vorbereiten  und  begründen  muss.  Der 
Verf.  würde  daher  allein  gründlich  und  consequent  verfahren  sein, 
wenn  er  im  1.  Theile  alle  Veränderungsarten  der  ganzen  und  ge- 
brochenen, einfachen  und  zusammengesetzten,  positiven  und  ne- 
gativen Zahlen  nebst  Kettenbrüchen  und  combinatorischen  Opc- 
i  ationen,  welche  ja  auf  blossen  analytischen  Gleichungen  beru- 
hen, die  sich  nur  in  jenen  Veriinderungsarten  finden  und  gar  ke- 
ner  weiteren  Erörterung  bedürfen,  da  sie  sich  stets  von  selbst 
ergeben  und  in  blossen  Ableitungen  oder  Ausführungen  von  for- 
mellen Operationen  bestehen,  abgehandelt  und  die  Gesetze  von 
den  Vergleichungen  und  Beziehungen ,  d.  h.  die  Lehre  von  den 
synthetischen  Gleichungen ,  Proportionen  ,  Logarithmen  und  Rei- 
hen nebst  ihren  Anwendungen  auf  die  zusammengesetzte  Zins- 
rechnung in  den  2.  Theil  überwiesen  hätte. 

Nach  dieser  allgemeinen,  die  Anordnung  des  arithmetischen 
Stoffes  betreffenden  Bemerkungen  wendet  sich  Rec.  zur  Bearbei- 
tung selbst  und  bemüht  sich,  diese  möglichst  kurz  nach  ih 
rem  Werthe  zu  schildern.  Er  vermisst  in  der  Einleitung  die  Er- 
örterung der  Frage,  wie  Mathematik  entsteht,  was  Grösse  ist, 
wie  sich  diese  betrachten  lässt  und  wie  hieraus  der  wissenschaft- 
liche Charakter  entsteht;  die  Nachweisung,  dass  und  wie  die 
Zahlen  sich  verändern,  vergleichen  und  beziehen  lassen,  wie  aus 
dem  Zählen  über  die  Einheit  die  positiven,  unter  dieselbe  die 
negativen  Grössen ,  wie  aus  den  formellen  Operationen  die  analy- 
tischen Gleichungen  entstehen,  worin  der  Zweck  jener  Verände- 
rungsarten, der  analytischen  und  synthetischen  Gleichungen  be- 
steht u.  dgl.  Endlich  sollten  die  Begriffe  für  das  Schema  der 
mathematischen  Methode  nicht  übergangen  sein,  weil  sie  der 
Verf.  gebraucht,  also  der  Lernende  genau  kennen  muss. 

Aus  den  Erklärungen  der  Begriffe  Addiren,  Snbtrahiren 
u.  s.  w.  nebst  anderen  zu  denv  einzelnen  Operationen  gehörigen 
Begriffen  ergeben  sich  stets  gewisse  allgemeine ,  leicht  fassliche, 
elementare  Wahrheiten,  Grundsätze,  welche  als  leitende  Ge- 
sichtspunkte für  die  theoretische  Behandlung  der  Operationen  die 
nen;  diese  hätte  der  Verf.  nicht  übersehen,  sondern  den  Lehr- 
sätzen voranstellen  sollen ,  damit  die  Schüler  letztere  selbststän- 


Docrks  Lehrbuch  der  Mathematik.  283 

dig  beweisen  und  aus  diesen  wieder  neue  Wahrheiten  ableiten 
lernten.  Bevor  der  Beweis  geführt  werden  kann ,  dass  positive 
Summanden  eine  positive  und  negative  eine  negative  Summe  ge- 
ben ,  ist  das  Gesetz  zu  beweisen ,  dass  bei  gleichartigen  Grössen 
die  Coefficienten  zu  addiren  sind.  Als  neue  Bezeichnung  für  die 
negativen  Grössen  führt  der  Verf.  das  Zeichen  (u)  ein ,  welches 
er  über  die  Grösse  oder  ihren  Coefficienten  setzt,  weil  das  übli- 
che Zeichen  ( — )  unzweckmässig  sei  und  nicht  immer  dieselbe 

Bedeutung  habe,  so  dass  also  4a  —  9a  soviel  ist  als  4a  — ( — 9a) 
—  4a -J-  9a  =  13a.  Ob  hiermit  für  die  Deutlichkeit  und  Verständ- 
lichkeit etwas  gewonnen  ist,  bezweifelt  Rec.  sehr.  Hätte  der 
Verf.  nur  auf  die  doppelte  Bedeutung  der  Zeichen  +  und  —  als 
Operations-  und  Beschaffenheitszeichen  für  die  Grössen  aufmerk- 
sam gemacht ,  so  würde  sich  Alles  leicht  ergeben  haben. 

In  wiefern  das  Subtrahiren  in  einem  Aufheben  einer  positiven 
oder  negativen  Zahl  besteht  und  hieraus  die  Umkehrung  des  Zei- 
chens der  aufzuhebenden  Zahl  sich  ergiebt,  leuchtet  dem  Schü- 
ler aus  den  Angaben  des  Verf.  nicht  klar  ein.  Aehnliche  Bemer- 
kungen lassen  sich  für  die  übrigen  zwei  Operationen  machen.  Die 
wichtigeren  Gesetze  von  den  Brüchen  und  Primzahlen  sind  gut 
behandelt  und  setzen  die  Lernenden  in  den  Stand ,  die  weniger 
wichtigen  Sätze  selbst  abzuleiten  und  die  etwa  beigefügten  Fra- 
gen zu  beantworten.  Statt  Basis  der  Potenz  sagt  man  wohl  bes- 
ser „Dignand*',  weil  der  Begriff  zugleich  angiebt,  was  mit  der 
unter  ihm  verstandenen  Grösse  geschehen  soll.  Potenzen  sind 
nur  dann  gleichartig,  wenn  sie  gleiche  Dignanden  haben;  und 
heisscn  bei  gleichen  Exponenten  „gleichnamig" ;  aus  diesen  Be- 
griffen und  ihrem  Gegensatze  ergiebt  sich  eine  Eintheilung  der 
Potenz-  und  Wurzelgrössen  in  gleichartig -gleichnamige  u.  s.  w. 
Diese  lassen  sich  nur  addiren  oder  subtrahiren.  Für  die  Multi- 
plication  oder  Division  brauchen  sie  bloss  gleichartig  zu  sein.  Das 
Potenziren  von  Binomien  ist  übergangen,  was  hinsichtlich  der 
Forderungen  der  Consequenz  nicht  zu  billigen  ist.  Mit  den  Ge- 
setzen der  Potenzen  ist  das  dekadische  Zahlensystem  und  die 
Lehre  von  den  Decimalbrüchen  verbunden;  beide  erörtert  der 
Verf.  möglichst  gründlich  und  umfassend. 

Die  Behandlung  der  Aufgaben,  ein  Binom  und  Polynom  zu 
quadriren  beim  Ausziehen  der  Wurzeln,  entspricht  dem  conse- 
quenten  Vortrage  nicht;  nach  des  Rec.  Ansicht  sind  diese  mit 
dem  Erheben  zu  Potenzen  zu  verbinden  und  die  Gesetze  der  2. 
und  3.  Potenzen  der  Binomien  daraus  abzuleiten,  um  dem  Schü- 
ler den  Weg  zu  bahnen  für  eine  sclbstständige  Ableitung  der  hö- 
heren Potenzen  und  für  das  Ausziehen  der  Wurzeln.  Aehnlich 
verhält  es  sich  mit  dem  Cubiren  und  Ausziehen  der  Cubikwurzeln. 
Die  Entwicklungen  für  den  binomischen  Lehrsatz  und  die  Folge- 
rungen   aus   ihm    entsprechen   den  pädagogischen  Forderungen 


284  Mathematik. 

nicht.  Der  Verf.  hätte  unfehlbar  den  Zweck  vollkommener  und 
leichter  erreicht,  wenn  er  ans  den  6  bis  8  ersten  Potenzen  des 
Binomiums  a  -f-  b  die  besonderen  Gesetze  für  die  Exponenten  der 
Binomialtheile  und  für  die  Ableitung  der  Coefficienten  entwickelt 
und  hierdurch  den  Schüler  vom  Besonderen  zum  Allgemeinen  er- 
hoben hätte.  Die  Anwendungen  auf  Binomien  mit  negativen  und 
gebrochenen  Exponenten  ergeben  sich  aus  den  allgemeinen  Ge- 
setzen von  selbst  und  werden  von  dem  Schüler  um  so  lebendiger 
durchdrungen,  je  mehr  er  angeleitet  wird,  sie  selbst  zu  entwi- 
ckeln, und  je  «infacher  er  Alles  werden  sieht.  Die  Einmischung 
der  goniometrischen  Funktionen  möchte  dem  Elementar -Unter- 
richte nicht  entsprechen;  statt  ihrer  würde  die  Behandlung  von 
Potenz-  und  Wurzelbinomien  eine  lehrreichere  Uebung  dargebo- 
ten haben. 

Die  ganze  Behandlung  der  Potenzen  mit  Einschluss  des  Po- 
tenzirens  von  Binomien  und  der  Wurzelgrössen  kann  weder  von 
der  wissenschaftlichen  noch  pädagogischen  Seite  unbedingt  ge- 
billigt werden,  weil  ihr  der  innere  Zusammenhang  und  die  Be- 
gründung verschiedener  Lehren  durch  einander  abgeht.  Die 
ganze  Disciplin  macht  den  3.  Gegensatz  der  Zahlen  Veränderungen 
aus;  daher  sollten  die  wichtigsten  Gesichtspunkte  derselben  er- 
klärt und  namentlich  die  Wurzel-  und  imaginären  Grössen  nach 
ihren  Veränderungsarten  gründlich  durchgeführt  sein.  Wie  man 
letztere  an  jenen  ausführt,  lernt  der  Schüler  nicht  kennen;  Kec. 
findet  daher  eine  grosse  Lücke,  welche  zur  Empfehlung  des  Bu- 
ches nicht  beiträgt;  denn  der  Zusammenhang  wird  unterbrochen 
und  die  notwendigen  Gesetze  bleiben  dunkel.  Würden  nach 
diesen  Entwickelungen  die  combinatorisch.cn  Beziehungen  betrach- 
tet worden  sein,  so  würde  sich  Bec.  mehr  Nutzen  für  die  Ler- 
nenden versprechen ,  als  wirklich  der  Fall  zu  sein  scheint. 

Verhältniss  nennt  der  Verf.  die  Entstehungsart  einer  Zahl 
aus  der  andern,  womit  Bec.  nicht  einverstanden  sein  kann,  da 
ihm  jener  Begriff  das  Beziehen  zweier  Zahlen  hinsichtlich  der 
Fragen  bezeichnet,  wie  viele  Einheiten  die  eine  mehr  oder  we- 
niger als  die  andere  enthält,  oder  wie  vielmal  die  eine  grösser 
oder  kleiner  ist   als  die   andere.     Das  geometrische  Verhältniss 

a  :  b  Iässt  sich  wohl  nicht  gut  durch   -  darstellen ,   weil  es  dort 

°  a 

sagt,  wie  oft  b  in  a,  hier  umgekehrt ,  enthalten  ist.  Jede  for- 
melle Division,  oder  jeder  Bruch  ist  ein  geometrisches  Verhält- 
niss, sowie  jede  formelle  Differenz  ein  arithmetisches  ist.  Die 
Grösse  des  Verhältnisses  wird  durch  den  Verhältnisszähler,  für 
das  arithmetische  die  Differenz,  für  das  geometrische  der  Expo- 
nent genannt,  ausgedrückt.  Auch  übergeht  der  Verf.  das  arith- 
metische Verhältniss  und  solche  Proportion  last  ganz,  was  nicht 
zu  billigen  ist;  was  er  am  Schlüsse  des  Abschnitts  beifügt,  er- 


Doerks  Lehrbuch  der  Mathematik.  285 

setzt  die  Forderungen   nicht.     Kurze  Anwendungen  der  geome- 
trischen Proportionen  wären  ganz  an  ihrem  Orte  gewesen. 

Die  Stellung  der  Progressionslehre  ist  ganz  verfehlt,  weil 
der  Lernende  alle  aus  den  zwei  Gruudformeln  für  das  allgemeine 
und  summatorischc  Glied  unmittelbar  und  mittelbar  abgeleiteten, 
vom  Verf.  freilieh  mitgetheilteu  Formeln  nicht  versteht.  Wie 
man  ohne  Kenntniss  der  einfachen  und  quadratischen  Gleichun- 
gen die  Ableitung  der  18  Nebenformeln  dem  Anfänger  verständ- 
lich machen  und  diesem  die  zureichenden  Gründe  zum  klaren  Be- 
wusstsein  bringen  kann,  mag  sich  der  Verf.  selbst  erklären.  Je- 
nem zu  sagen,  dass  man  die  Entwicklung  der  angegebenen  For- 
meln für  jetzt  übergehen  müsse,  bis  die  zu  ihrem  Verständnisse 
erforderliche  Gleichungslehre  behandelt  sei,  gehört  zu  den  ver- 
derblichsten MissgrifFen  im  mathematischen  Vortrage,  weil  dieses 
Verfahren  gegen  die  so  sehr  gerühmte  mathematische  Consequenz 
misstrauisch  macht  und  den  Lernenden  unnöthig  plagt.  Anders 
verhält  es  sich  mit  den  Formeln  für  die  Summirung  der  Reihen 
3.  Ordnung.  Jener  Missgriff  wiederholt  sich  bei  den  geometri- 
schen Reihen  und  wird  noch  dadurch  vermehrt,  dass  vier  For- 
meln derselben  die  Kenntniss  der  logarithmischen  Gesetze  erfor- 
dern und  diese  erst  nach  den  Progressionen  behandelt  werden. 

Hätte  der  Verf.  nach  dem  oben  berührten  Ideengange  den 
Veränderungsarten  der  Zahlen  die  Gesetze  der  synthetischen 
Gleichungen  und  diesen  die  Beziehungsarten  folgen  lassen,  da  an 
und  für  sich  die  Logarithmen  ja  doch  nichts  anders  als  die  Ver- 
hältnisszähler  zwischen  zwei  reellen  Potenzen  einer  bestimmten 
Basis  sind,  so  würde  er  nicht  in  solche  Inconsequenzen  verfallen, 
sondern  gründlich  verfahren  sein.  Die  wahre  Bedeutung  von 
dem  Begriffe  „Logarithme"  lernt  der  Anfänger  aus  den  Angaben 
des  Verf.  nicht  kennen,  weil  diese  weder  sachlich  noch  wörtlich 
sind.  Würde  er  z.  B.  aus  der  Potenzreihe  10°,  101,  103,  103, 
10*  ... .  oder  1,  10,  100,  1000,  10000....  entwickelt  haben,  dass 
z.B.  zwischen  1  und  10  ein,  zwischen  1  und  10"2  zwei,  zwi- 
schen 1  und  103  drei  u.  s.  w.  Verhältnisse  liegen,  welche  stets 
der  Exponent  anzeigt,  so  wären  dem  Anfänger  diese  Exponenten 
als  Verhältnisszähler  oder  Logarithmen  erschienen  und  dieser 
hätte  mit  Ilinweisung  auf  die  Rechnungen  in  Potenzgrössen  die 
vier  logarithmischen  Gesetze  aus  eigener  Geisleskraft  ableiten 
können.  Die  Behandlung  der  Entwickelung  einer  Potenz  in  eine 
Reihe  nach  den  Potenzen  des  Exponenten;  die  Bestimmung,  ob 
es  mehrere  natürliche  Logarithmen  für  eine  und  dieselbe  Zahl 
giebt,  mittelst  Einführung  des  imaginären  Faktors  / — 1=  1  und 
andere  Gegenstände  möchten  den  Forderungen  des  Elementar- 
unterrichts an  Gymnasien  nicht  ganz  entsprechen.  Besser  gelun- 
gen erscheint  die  Lehre  von  den  Kettenbrüchen  und  den  Elemeu 
ten  der  Combinationen,  wenn  gleich  die  Bezcichaungsart  selbst 
nicht  ganz  zweckmässig  erscheint. 


286  Mathematik. 

Der  3.  Band  enthält  im  1.  Theile  die  Planimetrie  in  eilf  und 
die  ebene  Trigonometrie  in  vier  Abschnitten.  Jene  beschäftigen 
sich  im  Besonderen  1)  mit  den  Punkten  und  geraden  Linien ,  S. 
4  — 12.;  2)  mit  den  Figuren  überhaupt,  S.  13  —  15.;  3)  mit  der 
Congruenz  der  Dreiecke  und  den  damit  zusammenhängenden  Sä- 
tzen, S.  16  —  29.;  4)  mit  der  Congruenz  der  Polygone  über- 
haupt und  der  Parallelogramme  im  Besonderen,  S.  30  —  34.;  5) 
mit  der  Centricität  der  Dreiecke  und  Polygone,  S.  35  —  40.;  6) 
mit  der  Gleichheit  der  Figuren ,  S.  41  —  48. ;  7)  mit  dem  Flä- 
cheninhalte der  Figuren,  S.  49  —  54.;  8)  mit  der  Aehnlichkeit 
der  Dreiecke  und  Vielecke,  S.  55  — 65.;  9)  mit  den  geraden 
Transversalen,  S.  66  —  69.;  10)  mit  den  grösseren  und  kleine- 
ren Figuren  von  gleichem  Umfange  und  11)  mit  dem  Kreise, 
S.  70-92. 

In  dieser  Uebersicht  vermisst  Rec.  eine  den  ganzen  Stoff  be- 
herrschende Idee;  die  Planimetrie  im  Allgemeinen  beschäftigt 
sich  mit  den  Linien ,  Winkeln  und  den  von  beiden  eingeschlosse- 
nen Ebenen  und  fordert  eine  genaue  Kenntniss  der  Gesetze  für 
die  Vereinigung  oder  für  das  Schneiden,  oder  für  die  Parallelität 
zweier  Linien  und  der  die  Linien  und  Winkel  der  Flächen  betref- 
fenden Gesetze,  welche  alsdann  für  die  Planimetrie  im  engeren 
Sinne  oder  für  die  Inhaltsbestimmung  der  Flächen,  für  ihre  räum- 
liche Vergieichung,  für  ihre  Verwandlung  und  Theilung  die 
Grundlage  ausmachen.  Daher  sollten  zuerst  alle  Gesetze  der 
Winkel  und  Parallelen,  alle  auf  blossen  Linien  und  Winkeln  be- 
ruhenden Eigenschaften  des  Dreieckes  mit  Einschluss  seiner  Be- 
stimmung, Congruenz  und  Aehnlichkeit,  welche  allein  in  den  Li- 
nien und  Winkeln  liegen  und  die  Fläche  gar  nicht  berühren,  eben 
so  die  Linien  und  Winkel  des  Viereckes ,  Vieleckes  und  Kreises 
betreffenden  Gesetze  und  Eigenschaften,  dann  die  Flächen -Be- 
rechnung, Flächen  -  Vergieichung,  Flächen- Verwandlung  und 
Flächen  Theilung  behandelt  sein.  Jede  dieser  Disciplinen  schliesst 
ein  abgerundetes  Ganze  ab  und  enthält  die  zureichende  Begrün- 
dung für  die  nachfolgende.  Zugleich  verschafft  ein  solcher  Ideen- 
gang dem  Lernenden  eine  klare  Uebersicht  von  dem  Wesen  der 
einzelnen  planimetrischen  Disciplinen  und  beruht  auf  dem  Ue- 
bergange  vom  Einfachen  zum  Zusammengesetzten.  Dass  der  Verf. 
von  diesem  Ideengange  wesentlich  abweicht,  ersieht  der  Leser 
aus  einer  kurzen  Vergieichung;  möge  er  sich  für  die  eine  oder 
für  die  andere  Ansicht  entscheiden ;  Rec.  überlässt  es  seinem  ei- 
genen Ermessen. 

Auch  billigt  letzterer  die  Unterbrechung  der  Theorie  durch 
Aufgaben  nicht  ganz,  weil  er  es  für  zweckmässig  hält,  erstere  in 
ihrem  Zusammenhange  vorzutragen  und  dann  durch  einzelne 
Lehrsätze,  welche  nicht  direct  zum  Lehrgebäude  gehören,  und 
durch  Aufgaben  noch  mehr  zum  klaren  Bewusstsein  der  Lernen- 
den zu  bringen.    Der  Unterschied  zwischen  Folgesätzen  und  Zu- 


Doerks  Lehrbuch  der  Mathematik.  l!v , 

sätzen  ist  nicht  berücksichtigt  und  namentlich  ist  nicht  darauf  ge- 
sehen, die  Schüler  zu  einer  gewissen  Selbstthätigkeit  in  der  Ent- 
wickelung  von  Sätzen ,  welche  sich  aus  erwiesenen  Lehrsätzen 
oder  aus  Erklärungen  ergeben,  anzuleiten  und  in  ihnen  diejenige 
Liebe  zur  Wissenschaft  und  Sicherheit  in  ihren  Gesetzen  zu  er- 
zeugen, auf  welchen  alles  sichere  Gedeihen  des  mathematischen 
Unterrichtes  beruht.  Endlich  sollte  die  Einleitung  mit  den 
Hauptgrössen  der  Planimetrie  und  mit  den  aus  solchen  Erklärun- 
gen sich  ergebenden  Grundsätzen  bekannt  machen  und  dem  Schü- 
ler eine  klare  Uebersicht  von  dem  im  Vortrage  herrschenden 
Ideengange  verschaffen,  damit  er  mit  vorläufigen  Kenntnissen  und 
einem  gewissen  Selbstvertrauen  das  Studium  der  Geometrie 
beginne. 

In  Betreff  der  Ansicht,  welche  der  Verf.  von  dem  Charakter 
der  Sätze  hat,  hegt  Rec.  abweichende  Meinung.  Während  jener 
viele  Erklärungen  und  die  in  ihnen  liegenden  Wahrheiten  als 
Lehrsätze  annimmt,  stellt  dieser  die  allgemeinen  Erklärungen 
voraus,  fügt  diesen  die  in  ihnen  liegenden  positiven  Wahrheiten 
als  Grundsätze  bei  und  betrachtet  nur  solche  Sätze  als  Lehrsätze, 
welche  den  Charakter  der  Bedingung  und  des  Bedingten  an  sich 
tragen.  Schon  der  1.  Satz  „zwischen  zwei  Punkten  kann  man 
nur  eine  gerade  Linie  ziehen"  ist  zu  beanstanden,  weil  er  kein 
Lehrsatz,  wie  der  Verf.  meint,  sondern  ein  Grundsatz  ist.  Die 
Erläuterung,  welche  der  Verf.  als  Beweis  dafür  angiebt,  ist  eine 
blosse  Erklärung  des  Satzes  selbst,  dreht  sich  stets  im  Kreise, 
herum  und  besagt  am  Ende  nichts  als  den  Satz  selbst.  Wozu 
solche  10  bis  14  Zeilen  lange  Scheinbeweise  gleich  am  Anfange 
nützen  sollen,  sieht  kein  verständiger  Lehrer  ein;  sie  erzeugen 
gewiss  keine  Liebe  für  das  mathematische  Studium,  sondern  zie- 
hen eher  von  demselben  ab.  Die  Erklärung  des  rechten  Winkeis 
mittelst  der  Gleichheit  der  Nebenwinkel  ist  unstatthaft,  weil  dar 
aus  die  Entstehung  jenes  nicht  hervorgeht.  Hätte  der  Verf.  die 
«ifache  Richtung  der  Linie,  die  horizontale,  vertikale  und  schiefe, 
erklärt ,  so  hätte  sich  der  rechte  Winkel  als  die  Vereinigung  der 
Vertikalen  mit  dem  Anfangs-  oder  Endpunkte  der  Horizontalen 
dargestellt  und  die  Gleichheit  aller  rechten  Winkel  von  selbst,  als 
Grundsatz,  ergeben,  welche  der  Lernende  erst  durch  eine  Frage 
des  Verf.  kennen  lernen  soll. 

Die  Gleichheit  jeder  zwei  Paar  Nebenwinkel  beruht  einfach 
auf  dem  Satze,  dass  jede  2  Nebenwinkel  2  R.  betragen,  woraus 
zugleich  folgt,  dass  alle  Winkel  an  einem  Punkte  über  einer  Linie 
gleich  2  R.  und  um  diesen  Punkt  herum  gleich  4  R.  sind.  Solche 
Folgerungen  aus  erwiesenen  Hauptlehrsätzen  übersieht  der  Verf. 
ganz ,  weswegen  Rec.  von  seinen  Darstellungen  in  pädagogischer 
Hinsicht  nicht  viel  Empfehlendes  sagen  kann.  Die  Wichtigkeit 
derselben  mag  aus  folgendem  Beispiele  erhellen.  Rec.  lässt  die 
Lernenden  ein  gleichschenkliges  Dreieck,  von  dessen  Spitze  ein 


288  Mathematik. 

Loth  auf  die  Grundlinie  zeichnen  und  hieraus  den  Satz  ableiten, 
dass  zwei  congruente  Dreiecke  entstehen.  Sie  folgern  leicht  von 
selbst,  1)  dass  die  Winkel  an  der  Grundlinie  gleich  sind;  2)  die 
letztere  und  der  Winkel  an  der  Spitze  halbirt  wird ;  3)  zwei  glei- 
chen Seiten  im  Dreiecke  auch  zwei  gleiche  Winkel  entsprechen; 
4)  die  an  der  Grundlinie  entstehenden  Aussenwinkel  einander 
gleich  sind;  5)  der  an  der  Spitze  entstehende  Aussenwinkel  dem 
doppelten  Winkel  an  der  Grundlinie  gleich  ist  u.  s.  w.  Durch 
solche  Folgerungen  erhalten  die  Lernenden  ein  gewisses  Selbst- 
vertrauen ,  sehen  sie  Alles  entstehen  und  schreiten  sie  mit  der 
grössten  Lust  und  Liebe  vorwärts.  Dieses  Beispiel  mag  für  viele 
andere  dienen,  und  dem  Verf.  einen  Maassstab  geben,  in  welcher 
Art  der  geometrische  Stoff  nach  den  Forderungen  der  Wissen- 
schaft und  Pädagogik  bearbeitet  werden  soll. 

Unter  der  Ueberschrift  „Figuren  überhaupt11,  behandelt  der 
Verf.  die  innern  und  den  Aussenwinkel  des  Dreieckes  und  der 
Vielecke.  Rec.  suchte  hier  noch  vieles  Andere,  fand  es  aber 
nicht;  dahin  gehört  die  Erklärung,  von  welchen  Elementen  ein 
Dreieck,  Viereck,  Vieleck  abhängt;  was  auswärtsgehende  Win- 
kel sind;  worin  die  Grösse,  Gestalt,  Congraenz  und  Aehnlich- 
keit  besteht  u.  dgl.  Die  Congruenz  gerader  gleicher  Linien  und 
gleicher  Winkel  ergiebt  sich  von  selbst  und  ist  bloss  zu  erklären, 
aber  nicht  zu  beweisen,  also  nicht  als  Lehrsatz  auszudrücken. 
Von  der  Congruenz  der  Dreiecke  lässt  sich  erst  dann  sprechen, 
wenn  erklärt  ist,  von  welchen  und  welcherlei  Elementen  das 
Wesen  des  Dreiecks  abhängt,  was  Bestimmungs -  und  bestimmte 
Elemente  sind  und  unter  wie  vielen  Bedingungen  das  Dreieck 
völlig  bestimmt  ist.  Alsdann  sollten,  von  den  drei  Seiten  begin- 
nend ,  die  fünf  Lehrsätze  für  die  Congruenz  zweier  Dreiecke 
ohne  Unterbrechung  folgen,  der  Verf.  hingegen  mischt  viele  an- 
dere Lehrsätze  und  Aufgaben  ein  und  übersieht  den  inneren  Zu- 
sammenhang zu  oft,  als  dass  Rec.  im  Interesse  der  Schule  und 
Schüler  mit  den  Darstellungen  einverstanden  sein  kann. 

Die  Congruenz  der  Vielecke  sollte  durch  die  der  Vierecke 
und  letztere  durch  die  Nachweisung ,  unter  welchen  Bedingungen 
das  Viereck  völlig  bestimmt  ist,  vorbereitet  sein ;  dass  letzteres 
bei  fünf  Elementen,  worunter  2  Seiten,  das  Neck  bei  2N  — 3 
Elementen,  worunter  N  —  3  Seiten  gegeben  sind,  bestimmt  ist, 
sollte  nicht  übergangen  sein;  dann  würden  sich  die  einzelnen 
Congruenzfälle  für  jedes  Paar  gleichnamiger  Vielecke  leicht  er- 
geben haben.  Die  Congruenz  der  Parallelogramme  würde  der 
Lernende  aus  den  Congruenz -Bedingungen  des  Viereckes  von 
selbst  ableiten.  Die  Haupteigenschaften  der  Parallelogramme 
würde  der  Verf.  viel  zweckmässiger  übersichtlich  neben  einander 
gestellt,  an  einem  besonderen  Parallelogramme  nachgewiesen  und 
an  den  anderen  versinnlicht  haben.  Die  Centricität  der  Dreiecke 
und  Polygone  lässt  sich  am  Besten  mit  dem  Kreise  verbinden. 


Doerkg  Lclirlmch  der  Mathematik.  289 

Die  Vergleiclmng  der  Figuren  beruht  auf  den  Bestimmungen  des 
Flächeninhaltes,  weil  sie  bloss  die  Fläche  betrifft,  also  der  Schü- 
ler wissen  muss ,  worin  diese  besteht.  Wenn  sich  Parallelogram- 
me überhaupt  wie  die  Producte  aus  ihren  Grundlinien  in  die  Hö- 
llen verhalten,  so  gilt  dieses  auch  von  den  Rechtecken,  da  sie  zu 
jenen  gehören,  mithin  bedarf  der  Satz  für  diese  keines  Beweises. 
Das  Flächenmaass  ist  nicht  erklärt;  auch  sind  keine  besonderen 
Berechnungen  aufgeführt,  was  Uec.  nicht  ganz  billigen  kann. 

Der  8.  Abschnitt  sollte  die  Ueberschrift  „Proportionalität 
der  Seiten  und  Aehnlichkeit  der  Dreiecke"  führen  und  die  Erklä- 
rung enthalten,  in  wiefern  zwei  Linien  im  Verhältnisse  stehen 
können ,  also  Seiten  der  Figuren  proportional  sind.  Auch  ver- 
misst  man  die  Erklärung  homologer  Seiten  und  den  Satz  „wenn 
man  den  einen  Winkelschenkel  in  gleiche  oder  verhältnissmässige 
Stücke  theilt,  und  von  den  Theilungspiinkten  nach  dem  anderen 
parallele  Linien  zieht,  so  wird  auch  dieser  in  solche  Stücke  ge- 
theilt.  Auf  ihm  beruhen  fast  alle  Sätze  von  der  Proportionalität 
der  Dreiecksseiten.  Wie  früher,  so  sind  auch  hierund  beiden 
Betrachtungen  über  den  Kreis  die  Linien-  und  Winkelgesetze  der 
Figuren  mit  ihren  Flächengesetzen  vermischt  und  mancherlei  Auf- 
gaben eingeschoben,  welche  viel  zweckmässiger  in  einem  beson- 
deren Abschnitte  abgehandelt  würden,  weil  die  Lernenden  da- 
durch mehr  Gelegenheit  erhielten,  die  Theorie  anzuwenden  und 
die  Aufgaben  selbst  mannigfaltiger  zu  behandeln.  In  materieller 
Beziehung  ist  daher  weit  weniger  gegen  die  Darstellungen  einzu- 
wenden, als  in  formeller,  weil  der  Verf.  den  pädagogischen  Ge- 
sichtspunkt nicht  sorgfältig  genug  vor  Augen  gehabt  zu  haben 
scheint. 

Die  ebene  Trigonometrie  zerfällt  in  4  Abschnitte:    1)  Gonio- 
metrie S.  1 —  38;     2)   numerische  Berechnung  der  goniometri- 
schen  Functionen  S.  39  —  44;  3)  ebene  Trigonometrie  für  schief- 
winkelige Dreiecke   S.  45  —  53,    und  4)  analytische   Auflösung 
planimetrischer  Aufgaben  S.  54 — 63.     Dass  der  Verf.  die  arith- 
metischen Entwickelungen  der  Werthe  der  Bestimmungslinien  von 
der  eigentlichen  Trigonometrie  trennt,  verdient  allen  Beifall ;  al- 
lein Uec.  stimmt  ihm  darin  nicht  bei,  die  Begriffe  Sinus,  Cosinus 
u.  s.  w.  als  blosse  Zahlengrössen  zu  betrachten  und  sie  ihres  geo- 
I  metrischen  Charakters   zu  berauben.     Er  hält  gegen  die  Ansicht 
des  Verf.  für  zweckmässig  und  beim  Unterrichte  für  vortheilhaft, 
I  jene  Linien  geometrisch  zu  erklären  und  die  aus  den  Entwickelun- 
;  gen  sich  ergebenden  Zifferwerthe  ihnen  unterzuordnen.     Der  aus 
]  der   einem  gegebenen  Winkel  gegenüberstehenden  Kathete   und 
der  Hypotenuse  sich  ergebende  Quotient,  welchen  der  Verf.  un- 
I  passend  Verhältnissexponent  nennt,  entsteht  ja  erst  aus  dem 
lj  Verhältnisse  zwischen  jenen  zwei  Linien;  mithin  müssen  diese 
i|  vorhanden  sein,   bevor  aus  ihrem  Verhältnisse  der  Ziflernwerth 
!  abgeleitet  werden  kann.     Dieser  ist  durch  das  Verhältniss  und 

A.  Jahrb.  f.  Phil.  u.  Fad.  od.  Krit.  Bibl.  Bd.  XXVIII.  Hfl .  3.  19 


290  Geographie. 

dieses  durch  die  zwei  geometrischen  Linien  hedingt,  mithin  macht 
der  geometrische  Charakter  die  Grundlage  aus.  Seite  8  findet 
sich  im  Zusätze  1  die  Frage:  Wie  viele  Variationen  zur  2.  Klasse 
können  aus  3  Elementen  gebildet  werden?  Wozu  diese  hier  die- 
nen soll,  ist  nicht  abzusehen. 

Die  analytische  Entwickeiung  der  Formeln  sollte  mehr  geo- 
metrisch begründet  seyn ;  erstere  verdient  in  materieller  Hinsicht 
allen  Beifall,  da  sie  ausgedehnter  ist,  als  man  erwarten  sollte. 
Man  vermisst  keine  wichtige  Formel  und  findet  selbst  die  Aufgabe 
gelöst:  Den  Sinus  und  Cosinus  des  Vielfachen  eines  Winkels  nach 
den  Potenzen  des  Sinus  und  Cosinus  des  einfachen  Winkels  zu 
entwickeln,  worauf  der  Zusammenhang  zwischen  den  natürlichen 
Logarithmen  und  goniometrischen  Funktionen  gezeigt  und  die 
mte  Potenz  des  Cosinus  eines  Winkels  in  eine  Reihe  vonConsinus- 
sen  verwandelt  wird ,  die  nach  dem  Vielfachen  des  Winkels  fort- 
schreiten. Die  numerische  Berechnung  der  Funktionen  konnte 
noch  mehr  abgekürzt  werden.  Ob  der  Verf.  nicht  besser  gethan 
hätte,  mit  dem  rechtwinkeligen  Dreiecke  zu  beginnen  und  das 
gleichschenkelige  und  ungleichseitige  Dreieck  darauf  zu  beziehen, 
überlässt  Rec.  dem  sachkundigen  Leser;  ihm  erscheint  es  für  den 
Unterricht  an  Gymnasien  vorth eilhaft,  weil  das  Verfahren  dein 
Uebergange  vom  Einfachen  zum  Zusammengesetzten  entspricht 
und  die  Einsicht  in  die  Sache  sehr  erleichtert. 

Einzelne  Berechnungen  sollten  nicht  fehlen,  weil  sie  für  das 
Verständniss  und  für  den  Charakter  der  aufgestellten  Formein  er- 
forderlich sind.  Die  planimetrischen  Aufgaben  und  ihre  Auflö- 
sung mittelst  der  goniometrischen  Funktionen  gewahren  dem  Ler- 
nenden viel  Stoff  zu  Uebungen  und  werden  unfehlbar  von  jedem 
Lehrer  gerne  gelesen.  Die  Zeichnungen  sind  schön,  das  Papier 
ist  gut  und  der  Druck  rein.  Möge  der  Verf.  die  abweichenden 
Ansichten  und  Ausstellungen  als  bloss  im  Interesse  der  Sache  ge- 
macht ansehen  und  dem  Rec.  keine  andere  Absicht  unterlegen. 

Reuter, 


Geographie  des  Menschen,  ethnographisch,  sta- 
tistisch und  historisch  von  Fried,  v.  Rougemont;  aus 
dem  Französischen  mit  nachträglichen  Verbesserungen  und  Berei- 
cherungen des  Verf.  in's  Deutsche  übersetzt  von  Ch.  H.  Hugendubel, 
Lehrer  der  Geschichte  und  deutschen  Sprache  und  Dircctor  der 
Realschule  in  Bern.  1.  Bd.  Bern,  Chur  und  Leipzig,  von  J.  F.  J. 
Dalp.  gr.  8.  LVI  u.  423  S.  (2  Fl.  42  Kr  ) 

Unter  den  Schriften  des  Verf.  hat  besonders  sein  Handbuch 
der  vergleichenden  Erdbeschreibung  in  Deutschland  viele  Aner- 
kennung gefunden,  obgleich  dasselbe  in  politischer  Hinsicht  sehr 
mangelhaft  und  mehrfach  zu  verbessern  ist.    Allein  das  Physische 


von  Rnugemont  r   Geographie.  201 

der  Länder,  sein  Einfluss  auf  die  Völker  und  ihre  Entwickelung 
und  das  Vergleichende  hei  einzelnen  Welttheilen  verschaffen  ihm 
wesentliche  Vorzüge,  welche  für  jenen  Mangel  eiuigerrnaassen 
entschädigen,  weil  sie  die  Absicht  des  Verf.  verwirklichen,  die 
Erdoberfläche  in  ihrer  körperlichen  und  unkörperlichen  Wahrheit 
darzustellen,  unter  ihrer  wahren  äusseren  Gestalt,  mit  ihren  un- 
sichtbaren Kräften  und  göttlichen  Ideen,  und  die  Idee  einer  gros- 
sen Uebereinsthnmung  zwischen  der  Erde  und  dem  Entwicke- 
lungsgauge  der  Menschheit  als  Seele  seiner  Angaben,  d.  h.  den 
Gedanken,  „Gott  in  der  Welt  und  die  sittlichen  Vollkommenhei- 
ten Gottes  in  der  Menschheitsgeschichte,  aber  vollständig  geof- 
fenbart in  dem  Gottmenschen ,  der  für  uns  gestorben"  in's  Leben 
zu  führen. 

Diese  Aufgabe  hat  er  in  besagtem  Handbuche ,  obgleich  ihre 
Grundidee  ihm  einen  wissenschaftlichen  und  religiösen  Werth 
giebt,  den  Itefer.  nicht  verkennt,  nicht  vollständig  gelöst,  weil 
das  Ethnographische,  Statistische  und  Historische,  die  sogenannte 
politische  Geographie  fast  ganz  in  den  Hintergrund  getreten  ist. 
Er  scheint  daher  dem  vorliegenden  Buche  die  Bestimmung  der 
Ergänzung  dieser  Lücke  gegeben  und  darin  manches  gründlicher 
dargestellt  zu  haben,  um  jene  Grundidee  in  ihrer  Lebendigkeit  zu 
versinnlichen,  worin  zugleich  ein  Grund  liegt,  welcher  die  Ue- 
hersetzung  des  vorliegenden ,  im  Jahre  1838  zu  Neuenburg  er- 
schienenen Werkes  willkommen  macht.  Da  der  Verf.  sein  Werk 
vorher  nochmals  durchsah,  vielfach  verbesserte,  bereicherte  und 
Afrika  ganz  umarbeitete,  so  enthält  die  Uebersetzung  manche 
Vorzüge  und  Belehrungen.  Die  Ethnographie  und  die  historische 
Geographie,  oder  die  Nationen  und  der  Einfluss  der  Natur  auf 
dieselben  treten  hier  entscheidend  hervor  und  ergänzen  sonach 
obiges  Handbuch. 

Unter  den  verschiedenen  Quellen ,  welche  der  Verf.  vor- 
zugsweise benutzte,  tritt  wieder  K.  R  i  1 1  e  r  hervor,  welchem  er 
mittelbar  oder  unmittelbar  seine  geographischen  Kenntnisse  ver- 
dankt, welcher  ihn  auf  die  Bahn  der  Wissenschaft  leitete,  seinem 
ersten  Versuche  Deutschland  öffnete  und  ihn  mit  dem  religiösen 
Geiste  beseelte ,  der  dessen  Studien  stets  durchdringt.  Welches 
seltne  Beispiel  von  einer  mit  grossen  Kenntnissen  verbundenen 
aufrichtigen  Frömmigkeit  K.  Ritter  giebt,  lässt  sich  nur  aus  dem 
Studium  seiner  Schriften  erkennen.  Er  gehört  zu  derjenigen  Zahl 
gläubiger  Gelehrten,  welche  die  verschiedenen  Gebiete  der  Wis- 
senschaft, vom  Glauben  beseelt  und  erleuchtet,  anbauen.  Dass 
das  Studium  der  Völker,  Staaten  und  ihrer  Beziehungen  eine  ge- 
naue, ins  Einzelne  gehende  Kenntniss  der  Erdoberfläche  voraus- 
setzt, *st  seit  der  Verbreitung  von  Ritters  Ideen  anerkannt  und 
in  manchen  vorzüglichen  Werken  durch  Thatsachen  bewiesen. 
Jedoch  möchte  das  Werk  von  Berghaus,  als  Compilat  aus  vie- 
len Mitteilungen,  die  nicht  gehörig  gesichtet  sind  und  nicht  al- 

19* 


292  Geographie. 

lein  in  dem  physikalischen  Theile,  sondern  in  dem  politischen, 
wovon  die  erste  Abtheilung  erschienen  ist,  viele  Fehler  und  alte 
Notizen  enthält,  die  ohne  sorgfältige  Auswahl  aufgenommen  und 
zur  Vergrösserung  der  Bogenzahl  mitgetheilt  sind  ,  wie  an  einem 
anderen  Orte  näher  nachgewiesen  werden  soll,  nicht  dazu  dienen, 
jene  Kenntnis»  der  Erdoberfläche  zu  verschaffen. 

Die  56  Seiten  starke  Einleitung  hat  zum  besonderen  Zwecke 
die  Nachweisung,  dass  die  Natur  einen  bedeutenden  Einfluss  auf 
das  Menschengeschlecht  ausübt,  unsere  Freiheit  zu  beschränken 
und  manchmal  verderblich  zu  wirken  sucht,  dass  aber  der  Mensch 
durch  sein  geistiges  und  sittliches  Element  sich  über  jenen  Ein- 
fluss vielfach  erhebt,  die  Natur  sich  unterwürfig  macht  und  in  den 
Wechselwirkungen  zwischen  ihm  und  dieser  durch  das  Christen- 
thum  ihr  Gebieter  wird.  Wie  sich  die  Gottheit  in  der  ganzen 
Natur  offenbart,  ihre  schöpferische  Hand  sich  überall  wirksam 
zeigt  und  der  Mensch,  als  Ebenbild  der  Gottheit,  deren  treuer 
und  freudiger  Knecht  ist,  entwickelt  der  Verf.  eben  so  belehrend, 
als  den  Fall  der  ersten  Menschen,  den  Verlust  der  Heiligkeit  und 
Gerechtigkeit  und  die  Folgen  hiervon.  Mit  dem  Verfall  der  Men- 
schen scheint  die  Verschlimmerung  der  Erdoberfläche  verbunden 
zu  sein,  so  dass  sie  mit  jenen  in  ewiger  Wechselwirkung  steht. 

In  wiefern  das  Urbild  des  menschlichen  Körpers  bei  mehre- 
ren Völkern  ganz  ausgeartet  ist  und  die  der  Wiege  der  Mensch- 
heit zunächst  wohnenden  Menschen  sich  vom  weissen  Urbilde  am 
Wenigsten  entfernten,  zeigt  der  Verf.  an  Beispielen.  Die  Weis- 
sen nehmen  das  östliche  Asien  ein  und  verbreiteten  sich  über  ganz 
Europa;  sie  wohnen  in  denen  der  Entwickelung  günstigsten  Erd- 
gegenden, haben  ihren  Ursprung  von  den  Semiten  hinsichtlich 
des  Glaubens,  von  den  Japhetiten  aber  hinsichtlich  der  Gesittung. 
Die  Semiten  sind  die  bevorrechtete  Race,  denen  sich  Gott  offen- 
bart, die  Japhetiten  die  Heiden,  welche  Gott  suchen,  ihn  aber 
nicht  finden,  obgleich  er  ihnen  sehr  nahe  ist;  die  Mannten  sind 
die  dem  Bösen  ergebene  Race.  Er  beweist ,  dass  die  Semiten 
dem  Menschengeschlechte  das  sind,  was  der  Geist  der  Seele  ist, 
nämlich  das  Organ,  durch  welches  das  Leben  dem  ganzen  Wesen 
sich  mittheilt,  und  dass  die  Japhetiten  berufen  sind,  die  Reich- 
thümer  geltend  zu  machen,  welche  Gott  in  der  menschlichen 
Seele  niedergelegt  hat.  Zu  jenen  gehören  die  Hebräer,  Araber 
und  Christen;  zu  diesen  die  indogermanischen,  die  Bewohner 
von  Iran,  Indien,  Aegypten  und  Griechenland  u.  s.  w.  Hanfs 
Abkömmlinge  wohnen  unter  glühendem  Himmel ,  in  abgesonder- 
tem und  fest  zusammenhängendem  Continente,  unter  physischen 
Bedingungen,  welche  der  Seele  die  ungünstigsten  sind,  und  die 
Hamiten  in  Neger  verwandelten.  In  wiefern  die  Erde  die  Pro- 
phezeihung  des  Menschen  ist,  welcher  die  ganze  Natur  in  sich 
fasst  und  ergänzt,  veranschaulicht  der  Verf.  am  Schlüsse  seiner 
Einleitung  durch  Aufforderung  zur  Ehre  für  den,    welcher  die 


von  ltoiigeniont :  <jeo»;rai»hie.  293 

Wahrheit  und  das  Licht  der  Welt  ist ,  für  den  höchsten  Gesetz- 
geher und  für  das  Oberhaupt  der  Kirche,  woran  sich  die  Ehre  für 
die  weltliche  Herrschaft  anschliesst ,  und  legt  Gedanken  nieder, 
welche  in  sittlich -religiösem  Sinne  ihren  Grund  haben. 

Diesen  Erörterungen  folgt  die  Geographie  des  Menschen  in 
zwei  Theilen ,  einem  allgemeinen  und  besonderen ;  der  erstere 
reicht  von  S.  1  —  25,  beschäftigt  sich  mit  den  Beziehungen  zwi- 
schen der  Natur  und  dem  Menschen,  hinsichtlich  des  Einflusses 
der  Natur  auf  den  Menschen  und  umgekehrt;  hinsichtlich  der  un- 
bewohnbaren und  bewohnbaren  Gegenden,  des  Klima's,  der 
Meere,  Flüsse  und  Formen  der  Erdflache;  mit  den  Racen,  Völ- 
kern und  Staaten  und  erweitert  sonach  das  2.  Kap.  3.  Abth.  des 
allgemeinen  Theiles  des  Handbuches  der  vergleichenden  Geogra- 
phie, ohne  jedoch  etwas  wesentlich  Erheblicheres  zu  enthalten. 
Die  Kraft  eines  Staates  lässt  er  auf  seiner  Ausdehnung,  Bevölke 
rung,  Volksdichtigkeit,  seinen  Grenzen,  festen  Plätzen,  Heeren, 
Flotten,  natürlichen  Hiilfsquellen  und  Einkünften,  dann  aber 
hauptsächlich  auf  dem  Cbarakter  und  der  Sittlichkeit  der  Nation 
beruhen.  Ref.  vermisst  hier  eine  specielle  Würdigung  der  geisti- 
gen Kraft  und  einer  gediegenen  Bildung  der  Völksklassen  für  ihren 
Wirkungskreis ,  überhaupt  ein  Hervorheben  der  immateriellen 
Interessen  und  ein  Vorherrschen  dieser  vor  den  materiellen,  was 
den  kleinen  Staaten  Griechenlands  ihre  imponirende  Stärke  ver- 
lieh u.  s.  w.  Die  Beziehungen  jener  Interessen  sollten  daher  nä- 
her erörtert  und  ihr  Einfluss  durch  Beispiele  belegt  sein,  um  das 
Durchgreifende  derselben  bei  allen  Völkern  zur  klaren  Vorstel- 
lung zu  bringen  und  in  dem  Mangel  jener  Vorherrschaft  die  Unsi- 
cherheit des  geschichtlichen  und  politischen  Bestehens  der  Staa- 
ten zu  erkennen. 

Der  besondere  Theil  ist  der  Ethnographie  und  historischen 
Geographie  der  einzelnen  Welttheile  gewidmet,  beginnt  mit 
Afrika  S.  26  —  63,  geht  zu  Asien  über  S.  63  — 181,  und  ent- 
hält von  Europa  nach  einigen  allgemeinen  Erörterungen  S.  182  — 
193  zuerst  die  europäische  Türkei  und  Griechenland  nach  den 
unmittelbaren  und  mittelbaren  Besitzungen  S.  194 — 218;  dann 
Italien  in  ziemlicher  Ausdehnung  S.  218  —  245;  die  iberische 
Halbinsel,  d.  h.  Portugal  und  Spanien,  S.  245  —  264;  Frankreich 
in  besonderer  Vollständigkeit  hinsichtlich  der  Bewohner  und  ihrer 
Charaktere ,  der  nördlichen  und  südlichen  Ebenen ,  des  sevenui- 
schen  und  armorischen  Landstriches,  der  Rhonegegend,  und  der 
Statistik,  welche  sehr  kurz  ausgefallen  ist,  S.  264  —  318;  end- 
lich die  Schweiz  in  weit  grösserer  Ausdehnung  als  Frankreich, 
S.  318  —  379,  und  die  österreichischen  Staaten,  S.  379  —423. 

Afrika  behandelt  der  Verl",  nach  der  Ethnographie,  den 
Sprachen  und  Religionen  ,  nach  der  Gesittung  und  dem  Gcwerh- 
fleisse,  nach  dem  politischen  Zustande  und  den  fremden  Besitzun- 
gen in   sieben  Rubriken,    nämlich   Ilochafrika  nach  seinen  vier 


294  Geographie. 

Räudern,  Hoch -Sudan  und  Scnegambien,  Nieder-Sudan  oder 
Nigriticn ,  die  Stufen  des  Nil,  die  Sahara,  die  Uarbaresken.- Staa- 
ten und  die  Inseln.  In  seinem  Handbuche  hat  er  fast  alle  Ge- 
sichtspunkte in  gleicher  Klarheit  und  Ausführlichkeit  berührt,  so 
dass  man  hier  nicht  viel  Neues  findet.  Das  Bekannte  ist  fteissig 
benutzt  und  in  einem  schönen  Zusammenhange  mitgetheilt,  was 
das  Studium  des  Buches  erleichtert  und  angenehm  macht.  Es 
giebt  zwar  manche  Gesichtspunkte,  welche  nicht  nach  Erforder- 
niss  erörtert  sind,  wohin  namentlich  die  Küsten  -  Entwickelung, 
der  Küstenumfang,  das  Statistische  verschiedener  Volksstiimme, 
die  Wichtigkeit  Algier's  und  Aegyptens  für  den  Norden  und  des 
Kaplandes  für  den  Süden  u  dgl.  gehören ,  allein  der  denkende 
Leser  und  Lehrer,  welcher  das  Buch  für  den  Unterricht  ge- 
braucht, ergänzt  diese  Lücken  leicht  und  erhält  eine  passende 
Gelegenheit  für  Erweiterungen.  Den  Flächenraum  giebt  der 
Verf.  absolut  zu  534000  Q.  M.  an ,  worunter  die  Inseln  nicht  be- 
griffen zu  sein  scheinen,  da  jener  mit  diesen  545000  Q.  M.  be- 
tragen mag. 

Mit  Asiens  Fläche  stimmt  Refer.  ebenfalls  nicht  überein,  da 
sie  mit  den  Inseln  zu  50000  Q.  M.  etwa  780000  und  nicht  700000 
Q.  M.  beträgt,  wornach  auf  eine  Q.  M.  kaum  550  Menschen 
kommen.  Die  Racen  und  Nationen,  die  Sprachen  und  Religio- 
nen, die  Gesittung  und  der  Gewerbfleiss ,  der  Handel  und  .poli- 
tische Zustand,  das  Geschichtliche  und  die  asiatischen  nebst 
fremden  Mächten  werden  nach  allgemeinen  Umrissen  behandelt, 
nach  den  wesentlichen  Merkmalen  geschildert  und  als  übersicht- 
liche Vorbereitung  bekannt  gemacht.  Die  einzelnen  Staaten  fin- 
den eine  nach  Verhältnis  der  Bekanntschaft  mit  ihnen  mehr  oder 
weniger  ausführliche  Behandlung.  Am  Besten  bearbeitet  ist  In- 
dien, dessen  Brahmadienst  nach  langen  Kriegen  den  Buddhismus 
aus  ganz  Indien  verdrängt  hat  und  vom  Christenthume  mehrfach 
verdrängt  wird.  Da  übrigens  die  Engländer  die  Herren  dieses 
grossen  Landes  sind  und  ihre  direkten  und  indirekten  Besitzungen 
stets  ausdehnen,  so  verdienten  die  Präsidentschaften  nach  ihrem 
gewerblichen ,  geistigen  und  politischen  Wirken  eine  genauere 
Erörterung.  .  Das  türkische  Reich  schildert  er  sehr  gut;  seine 
Wichtigkeit  für  Europa  mag  ihn  hierzu  veranlasst  haben.  Die 
russisch  -  kaukasischen  Provinzen  machen  den  Schluss  und  wer- 
den nach  ihrem  Physischen  und  Statistischen  gut  behandelt. 

Der  Verf.  geht  zu  Europa  über,  hätte  aber  unfehlbar  zweck- 
mässiger zuerst  Australien  und  Amerika  behandelt,  weil  für  letz- 
teres die  ethnographischen  und  geschichtlich -geographischen  Ge- 
sichtspunkte nach  Europa  am  Bekanntesten  und  auch  für  unseren 
Continent  am  Wichtigsten  sind.  Zugleich  lässt  sich  mit  Gründen 
behaupten,  dass  es  zweckmässiger  gewesen  wäre,  wenn  der  Verf. 
mit  Europa  begonnen  und  dessen  Charaktere  und  Vorzüge  auf  die 
anderen" Welttheile  übertrasen  hätte.     Unser  Welttheil,  mit  sei- 


von  Rougciiiont:   Geographie.  295 

ner  grossen  Küstenentwickelung,  gedrängten  Bevölkerung,  ent- 
wickelten Menschheit  und  seinem  geregelten  Staatswesen,  mit 
seiner  iraponirenden  Kultur  und  Religion  beherrscht  die  übrigen 
mehr  oder  weniger;  er  ist  durch  seine  geistige,  sittliche  und  po- 
litische Ueberlcgenheit  der  Eroberer  und  Sittiger  der  anderen 
Welttheile,  drückt  diesen  stets  mehr  seinen  Charakter  auf  und 
erscheint  als  der  mächtigste  unter  ihnen. 

Kennt  nun  der  Lernende  Europa  nach  allen  geographischen 
Elementen,  so  ist  er  im  Stande,  bei  den  übrigen  Welttheilen 
dasjenige  herauszuheben,  was  ihnen  fehlt,  und  überhaupt  mit 
allen  Gesichtspunkten  sich  weit  vertrauter  zu  machen ,  als  wenn 
der  umgekehrte  Weg  eingeschlagen  wird.  Die  Rückblicke  auf 
Europa,  die  Vergleichungen  seiner  Küstenentwickelungen,  seiner 
Flüsse  und  Gebirge  mit  denen  der  übrigen  Welttheile  und  mit 
manchen  anderen  Gegenständen  möchten  mehr  wirken,  als  viele 
wörtliche  Darstellungen  und  Beschreibungen,  die  nicht  selten 
unbestimmt  und  unwahr  sind.  Refer.  verspricht  sich  wenigstens 
Tür  den  Schulunterricht  weit  mehr  Vortheile  aus  dem  Beginne  mit 
Europa  und  dem  Uebergange  zu  den  übrigen  Welttheilen ,  als 
aus  dem  umgekehrten  Wege,  weil  der  Lernende  hier  in  eine  ihm 
ganz  fremde,  dort  aber  in  eine  ihm  theilweise  bekannte  Sphäre 
versetzt  wird.  Man  bezieht  sich  auf  den  Einfluss  der  Europäer, 
auf  ihre  Vorzüge  und  auf  ihre  geographischen  Verhältnisse,  wie 
dieses  namentlich  bei  Amerika,  Asien  und  Afrika  der  Fall  ist; 
man  spricht  von  europäischen  Besitzungen  in  diesen  Welttheilen 
und  lässt  jene  ihren  Charakter  diesen  immer  mehr  aufdrücken; 
man  lässt  Afrika  von  den  Europäern  umlagert  sein  und  bezieht 
sich  in  Südamerika,  namentlich  in  Peru  und  Brasilien,  auf  Portu- 
gal und  Spanien,  in  Vorderindien  auf  England,  in  Algier  auf 
Frankreich  u.  s.  w.  und  hat  doch  die  Lernenden  mit  den  geogra- 
phischen Verhältnisseil  dieser  europäischen  Staaten  noch  nicht 
bekannt  gemacht. 

Diese  und  andere  Gründe  bestimmen  den  Rec,  von  dem  pä- 
dagogischen Standpunkte  aus  betrachtet,  beim  geographischen 
Unterrichte  mit  Europa  zu  beginnen,  dieses  nach  seinen  allge- 
meinen und  besonderen  Charakteren,  sie  mögen  die  Länder  oder 
Bevölkerung,  ihre  Kultur  oder  Statistik  u.  s.  w.  betreffen,  zum 
klaren  Bewusstsein  zu  bringen  und  dann  mit  steten  Rückblicken 
und  Vergleichungen  für  alle  ethnographisch-,  geschichtlich-  und 
physikalisch- geographischen  Momente  zu  den  übiigen  Weltthei- 
len überzugehen.  Der  Gewinn  ist  unfehlbar  weit  grösser,  als 
ihn  der  umgekehrte  Weg  verschallen  kann.  Da  der  Lernende  bei 
Europa  eine  so  kräftige  Entwickeluiig  kenneu  gelernt  hat,  so 
wird  es  ihm  recht  klar,  dass,  je  geringer  die  Entwickeluiig  der 
Küsten  in  einzelnen  Welttheilen  ist,  die  Fortschritte  der  Länder 
und  Völker  gleich  unbedeutend  sind,  also  beide  Erscheinungen 


206  Geographie. 

im  engsten  Zusammenhange  und  in  der  schönsten  Wechselwir- 
kung stehen. 

Zwar  möchten  die  russischen,  türkischen  und  englischen  Be- 
sitzungen Asiens  den  Uebergang  des  Verf.  von  Asien  auf  Europa 
einigerraaassen  rechtfertigen;  allein  sie  geben  uns  gewiss  weit 
mehr  Gründe  für  eine  vorausgehende  Kenntniss  Europa's  und  de- 
ren Uebertragung  auf  Asien  und  werden  nur  durch  die  Bekannt- 
schaft mit  den  europäischen  Elementen  recht  klar  aufgefasst. 

Für  den  Flächeninhalt  findet  man  einen  groben  Druckfehler, 
da  Europa  nur  160  statt  160000  Q.  M.  haben  soll.  Ausser  die- 
sem findet  man  im  Buche  noch  viele  andere  Versehen ,  welche 
der  Uebersetzer  im  2.  Bande  verbessert  mittheilen  wolle.  In  wie 
weit  sich  die  Europäer  von  weisser  Race  nach  den  Sprachen  in 
drei  grosse  Familien,  in  die  germanischen  Völker  im  Norden,  in 
die  romanischen  im  S.  W.  und  in  die  Slaven  im  Osten  theilen,  er- 
örtert der  Verf.  zwar  kurz,  aber  doch  klar.  Er  bemerkt,  dass 
sie  in  sittlicher  und  religiöser,  in  geistiger  und  künstlerischer, 
in  politischer  und  gewerblicher  Beziehung  über  den  Bewohnern 
der  anderen  Welttheile  stehen,  auf  alle  fremden  Nationen  einen 
mehr  oder  weniger  starken  Einfluss  ausüben  u.  s.  w. ,  und  dass 
sie  diese  Ueberlegenheit  der  natürlichen  Beschaffenheit  ihrer 
Landfeste,  ihrem  gemässigten  Klima  und  der  müielmässigen 
Fruchtbarkeit  ihres  Bodens,  den  physischen  und  moralischen 
Vorzügen  der  weissen  Race,  der  Gemeinschaft  des  Ursprunges  und 
der  Sprache,  welche  eine  Gemeinschaft  der  Sitten,  politischen 
Einrichtungen  und  ersten  Religionsbegriffe  voraussetzt ,  und  vor- 
züglich dem  Christenthume,  welches  seine  Bekenner  auf  eine 
weit  höhere  Gesittungsstufe  hebt,  als  das  Heidenthum,  und  die 
Bande,  durch  welche  die  europäischen  Nationen  vereinigt  waren, 
noch  enger  machte.  Hierdurch  bekennt  er  selbst  die  Noth wen- 
digkeit der  Bekanntschaft  mit  den  Ursachen  dieser  Ueberlegenheit 
und  den  Nutzen  des  Beginnens  mit  unserem  Welttheile,  um  die 
übrigen  mehr  analytisch  zu  behandeln. 

Nach  einer  übersichtlichen  Darstellung  der  süd-,  hoch-, 
nord-  und  niedereuropäischen  Staaten  beginnt  der  Verf.  mit  der 
Halbinsel  des  Hämus  und  der  Nieder- Donau,  behandelt  zuerst 
die  türkischen  Besitzungen ,  dann  Griechenland ,  für  welches  er 
von  einem  Mittelgriechenland,  aber  von  keinem  Gegensatze 
spricht.  Seine  politische  Wichtigkeit  tritt  nicht  klar  hervor, 
weswegen  Ref.  eine  gediegenere  Behandlung  wünschte.  Hier, 
wie  bei  Italien  überbieten  die  ethnographischen  Darstellungen  alle 
anderen  Gesichtspunkte,  was  in  mancher  Hinsicht  seine  Vorzüge 
und  Vortheilc  hat,  aber  nicht  auf  Kosten  der  letzteren  geschehen 
darf,  was  der  Verf.  sowohl  bei  den  genannten  als  bei  anderen 
Staaten  gethan  hat.  Die  Statistik  tritt  gar  oft  in  den  Hintergrund 
und  ist  nicht  nach  den  neuesten  Eintheilungen  der  Staaten  bear- 
beitet, was  von  Franzosen  gar  leicht  zu  erwarten  ist,  da  sie  sich 


Fuistings  Syntaxis  Convenientiae  der  lat.  Sprache.  297 

mit  der  deutschen  Literatur  nicht  hinreichend  befreunden.  Selbst 
deutsche  geographische  Schriftsteller,  z.B.  Berghaus  in  der 
1.  Abth.  des  4.  Bandes  seiner  Länder-  und  Völkerkunde,  lassen 
sich  solche  statistische  Fehler  zu  Schulden  kommen,  mithin 
sind  sie  Ausländern  eher  zu  verzeihen. 

Unter  den  übrigen  in  diesem  Bande  behandelten  Staaten 
zeichnen  sich  die  Schweiz  und  Frankreich  aus;  allein  die  Lage 
des  letzteren  und  deren  Einwirkungen  auf  Politik  und  Industrie, 
auf  Geist  und  Charakter  des  Volkes,  und  verschiedene  andere  Be- 
ziehungen sind  nicht  mit  derjenigen  Aufmerksamkeit  beschrieben, 
>vie  es  ihre  Wichtigkeit  erfordert.  Ueber  die  Küsten  wird  nur 
wenig  Erhebliches  gesagt  und  ihr  Einfluss  auf  den  Handel  ist  nur 
oberflächlich  berührt.  Dagegen  ist  bemerkt,  dass  die  Franzosen 
in  den  letzten  Jahrhunderten  durch  ihre  eigene  Civilisation, 
welche  vermöge  ibrer  Doppelnatur  bei  den  Völkern  des  Südens 
und  Nordens  leicht  Eingang  fand,  auf  ganz  Europa  einen  unbe- 
rechenbaren Einfluss  ausgeübt  haben.  Worin  dieser  Einfluss  be- 
steht und  wie  nachtheilig  derselbe  in  kirchlicher,  religiöser  und 
politischer  Hinsicht  war,  ist  aber  nicht  erörtert,  was  hätte  ge- 
schehen sollen,  da  diese  westlichen  Einwirkungen  an  Kirche, 
Religion  und  Staatsverfassungen  in  Deutschland  viele  Bewegungen 
verursachten,  welche  allgemeines  und  besonderes  Unglück  nach 
sich  zogen.  Hinsichtlich  der  übrigen  Darstellungen  findet  mau 
Befriedigung  der  Anforderungen. 

Für  die  Schweiz  bleibt  nichts  zu  wünschen  übrig  als  eine 
genauere  Entwickelung  des  Umstandes,  dass  sie  das  Zwischen- 
glied zwischen  Frankreich,  Italien  und  Deutschland  ist,  aber 
keine  Absonderung  veranlasst,  sondern  durch  seine  vielen  Pässe 
den  lebhaftesten  Verkehr  unterhält.  Die  einzelnen  Kantone  sind 
ziemlich  ausführlich  beschrieben.  Die  österreichischen  Staaten 
werden  gleichfalls  kenntlich  durch  des  Verf.  Mittheilungen ,  wel- 
che es  nicht  direkt  nothwendig  machen,  sich  in  anderen  Werken 
um  weitere  Belehrung  umzusehen.  Da  die  Uebersetzung  mit 
Sorgfalt  und  Fleiss  ausgearbeitet  und  die  äussere  Ausstattung  vor- 
trefflich ist ,  so  verdient  die  Verbreitung  des  Buches  in  Deutsch- 
land alle  Empfehlung. 

Reute  r. 


Sytitaxis  Convenientiae  de?'  lateinischen  Spra- 
che, eine  philosophisch  -  praktische  Abhandlung  von  Wilhelm 
Fuisting  am  Gynin.  zu  Münster.      Münster  183G.   X  u.  (»0  S.    8. 

Das  anzuzeigende  Schriftchen  „enthält  den  l.Theil  der  soge- 
nannten Syntaxis  convenientiae,  im  zweiten  Hefte  wird  der  an- 
dere Thcil  derselben  folgen;  alsdann  die  Syntaxis  rectionis  und 
die  Lehre   über  die  tempora  und  modi.    Die  Syntaxis  ornata, 


298  L  » t  c  i  n  i  s  c  h  e   Grainnmtik, 

welche  noch  in  manchen  Grammatiken  zu  nicht  geringem  Aerger- 
nisse  vieler  Gelehrten  fignrirt,  wird  durch  eine  Abhandlung  ver- 
treten, worin  das  Wesen  und  der  Gebrauch  der  einzelnen  Rede- 
theile  gründlich  entwickelt  dargestellt  ist."  So  der  Hr.  Verfasser. 
Wir  haben  nun  hier  A)  von  der  Kopulation:  Vom  Satze  und  des- 
sen Bestandteilen  überhaupt;  was  Subjekt  eines  Satzes  sein  kann 
und  zwar  1)  vom  ausgedrückten,  2)  vom  verborgenen  Subjekte; 
von  der  Kopula,  ihrem  Wesen  und  ihrem  besonderen  Gebrauche; 
was  Pra'dik.  sein  kann  (Stellung des  Subj.,  Präd.  u.  derKop.);  von 
der  Konstruktion  der  einzelnen  Satztheile:  des  Subj.,  Präd.  u.  der 
Kop.,  und  zwar  I)  wenn  nur  ein  einziges  Subj.  im  Satze  ist,  wo  das 
Prädik.  1)  ein  Adj.,  2)  ein  Verb  (Kop.),  3)  ein  Subst.  sein  kann, 
und  zwar  a)  ein  mobiles*)  Personalsubstantiv,  b)  ein  Sachsubst. ; 
II)  wenn  mehrere  Subj.  im  Satze  sind  und  1)  in  Person  nicht  ver- 
schieden, wo  das  Präd.  sein  kann  ci)  ein  Adj.,  Verb.  (Kop.),  und 
diese  a)  nach  mehreren  Subj.  bestimmt  werden,  aa)  wenn  die 
Subj.  gleichen,  ßß)  wenn  sie  verschiedenen  Geschlechts  sind, 
wobei  zu  berücksichtigen  ist ,  ob  von  Personen ,  Sachen  oder  von 
Personen  und  Sachen  zugleich  die  Rede  ist,  ß)  nach  einem  Subj., 
wo  aa)  von  Sachen,  ßß)  von  Personen,  yy)  von  Personen  und 
Sachen  gesprochen  werden  kann ;  b)  ein  Subst.  und  zwar  a)  ein 
mobiles  Personalsubst. ,  wobei  die  Subjekte  aa)  dasselbe  oder 
ßß)  ein  verschiedenes  Geschlecht  haben,  ß)  ein  Sachsubst.;  2)  in 
Person  verschieden,  wo  das  Präd.  a)  auf  alle  Subj.,  b)  auf  ein  Subj. 
bezogen  wird.  B)  von  der  Konkretion  im  Allgemeinen  und  von 
der  des  Adj.,  wenn  1)  nur  ein  Subst,  2)  mehrere  im  Satze  sind. 
C)  Von  der  Apposition  —  überhaupt  —  von  der  nähern  und  wei- 
tern; I)  Appos.  zu  einem  Subst,  wenn  sie  1)  ein  adj.  Redetheil, 
2)  ein  Subst.  und  zwar  a)  ein  Personalsubst,  b)  ein  Sachsubst.  ist; 
II)  App.  zu  mehreren  Subst.,  wenn  dieses  l)  ein  adj.  Redetheil, 
2)  ein  Subst.  und  zwar  a)  ein  Personals.,  b)  ein  Sachsubst.  ist  — 
(Stellung  der  Appos.). 

Das  ist  so  ungefähr  der  Plan  der  Abhandlung  meist  mit  den 
eigenen  Worten  des  Verf.  Die  Grammatik  der  latein.  Sprache 
muss  nach  seiner  Ueberzeugung  nicht  bloss  als  Mittel  zum  Zwe- 
cke behandelt  werden,  um  die  lat.  Klassiker  verstehen  und  würdi- 
gen, wie  auch  seine  eigenen  Gedanken  in  derselben  richtig  und 

*)  Die  strenge  Eintheilung  forderte  a)  ein  mobiles  Personalsub- 
stantiv ,  b)  ein  nicht  mobiles  Personalsubst. ,  welches  et)  noch  ein  Per- 
sonalsubstantiv ,  ß)  ein  Sachsubstantiv  ist.  Wir  legen  auf  diese  Unge- 
nauigkeit  der  Eintheilung,  wenn  sie  praktisch  ist,  gar  kein  Gewicht, 
fragen  aber,  ob  die  latein.  Sprache  nie  und  zu  keiner  Zeit  auf  Fälle 
gestossen  sei,  wie  unser  Salis  einen  hatte,  wenn  er  sang:  Mitleid, 
Heil  dir,  du  Geweihte!  —  oder  wie  es  mit  Personalsubstantiv  gehalten 
werde,  die  kein  Fem.  haben,  wie  dann  unten  abominatio  —  detractor 
vorkommen  wird. 


Fuisüngs  Syntaxis  Convcnicntiae  der  lat.  Sprache.  299 

schön  ausdrücken  zu  können,  sondern  sie  muss  sich  auch  zugleich 
selbst  Zweck  sein  und  als  Wissenschaft  neben  den  andern  Wissen- 
schaften einen  ehrenvollen  Platz  einnehmen.  Wir  sind  dem  ge- 
ehrten Herrn  Verf.  für  seine  Leistung  dankbar  verpflichtet,  ge- 
stehen derselben  auch,  was  sie  erstrebt,  zweckmässige  Ord- 
nung, Vollständigkeit  und  Gründlichkeit,  verbunden  mit  prakti- 
scher Brauchbarkeit  in  einem  hohen  Grade  zu  und  erwarten  von 
den  folgenden  Theilen  mit  Recht  sehr  viel  Erfreuliches:  doch 
werden  wir  seine  Grammatik ,  wenn  sie  vollendet  vor  uns  liegt, 
wohl  von  einem  ähnlichen  Gesichtspunkte  aus  auffassen  müssen, 
wie  die  Zumpt'sche  (Jahrb.  24,  2.  S.  203),  d.  h.  als  eine  solche, 
die  mit  dem  Gymnasium  nicht  ausgebraucht  wird.  Wir  haben 
noch  kürzlich  bei  der  Anzeige  einer  Schulgrammatik  vom  Hrn. 
Direktor  BischofF  zu  Wesel  uns  dahin  ausgesprochen ,  dass  wir  das 
Studium  der  lat.  Grammatik  für  eine  wahre  Geistesgymnastik  hal- 
ten, und  in  sofern  emanzipiren  auch  wir  dieselbe,  aber  es  ist  nur 
eine  Art  der  geistigen  Kampfspiele  und  es  duldet  nicht  nur,  son- 
dern erfordert  zur  gleichmässigen  Ausbildung  der  Seele  noch  an- 
dere Arten  neben  sich,  wodurch  es  also  von  selbst  eingeschränkt 
wird.  Uebrigens  ist  recht  zweckmässig  dafür  gesorgt,  dass  die 
wichtigsten  Regeln  als  Sätze,  die  minder  wichtigen  als  Zusätze, 
die  Erläuterungen,  Begründungen  und  Reflexionen  als  Anmerkun- 
gen erscheinen.  Nun  noch  Bemerkungen  über  Einzelnes.  S.  5 
Anm.  ist  die  Konstruktion  des  Akk.  mit  dem  Inf.  so  erklärt,  dass 
der  Akk.  in  der  Weise  des  griech.  Akk.  aufgefasst  werden  müsse 
z.  B.  certum  est  liberos  a  parentibus  amari — sei:  quod  ad  liberos 
attinet,  certum  est  amari.  Zum  mindesten  lässt  sich  diese  Er- 
klärung schwerlich  auf  alle  Fälle  des  acc.  c.  inf.  anwenden.  Wie 
z.  B.  im  Satze:  certum  est,  nos  esse  mortales?  Wir  denken  uns, 
der  ganze  Satz :  nos  sumus  mortales  solle  im  Akk.  erscheinen, 
also  jeder  Theil  desselben,  daher  soavoIiI  nos,  als  mortales  — 
als  sumus,  welches  in  das  Verbalsubst.  esse  verwandelt  wird. 
Was  sonst  wohl  für  diese  Auffassung  spricht,  führt  Wüllner  —  Ka- 
sus und  Modi  S.  114  —  an.  Auch  Becker  (Deutsche  Sprach!. 
1.  B.  S.  287  und  288)  scheint  diese  Ansicht  zu  billigen.  Dass 
auch  in  Fällen,  wo  der  ganze  Satz  als  Subjekt  erscheinen  müsste, 
vermöge  einer  impersoncllen  Auffassung  der  Akk.  gerechtfertigt 
werden  könne,  unterliegt  keinem  Zweifel.  Man  vergleiche  die 
vielen  Stellen,  wo  im  Hebräischen  pn  scheinbar  vor  dem  Subjekte 
steht  z.B.:  rwwn  y^Mri-Mg  jrn  Num.  32,  5.  d.i.  man  gebe... 
S.  Ewald's  krit.  Gr.  S.  596.  Sehr  belehrend  könnte  die  Unter- 
suchung werden,  warum  der  Lateiner  in  einzelnen  Fällen  denJNom. 
behielt  z.  B.  bei  dicor,  iubeor. 

S.  14  Zus.  bemerkt  der  Verf.  mit  Recht,  dass  beim  part. 
Genit.  das  ihn  regierende  Adjektiv  sich  im  Genus  bald  nach  dem 
Subj.,  bald  nach  dem  Genit.  richte,  wie  das  auch  z.  B.  in  Uih- 
lein's  Gr.  2.  B.  S.  17  bemerkt  ist.     Wenn  aber  Cic.  n.  d.  2,  52: 


300  Lateinische    Grammatik. 

Indus  est  omnium  fluminum  maximus,  erklärt  wird:  „Der  Indus  ist 
am  grössten  von  den  Flüssen,*'  so  istliicrmit,  glauben  wir,  für 
die  richtige  Anschauung  Nichts  gewonnen  ,  denn  was  lieisst  „am 
grössten"'?  Es  ist  dieses  wohl  eigentlich  eine  adverb.  Bezeichnung. 
Wir  fassen  daher  den  obigen  Satz  auf:  Der  Indus  ist  sehr  gross 
vonSeiten  aller  Flüsse,  und  sind  überzeugt,  dass  dieser  Aus- 
druck eben  sowohl  in  die  absolute  Bedeutung  übergehen  konnte, 
als  das  schlichte  Adjektiv  im  Hebräischen. 

S.  17  Zus.  4  sagt  Hr.  Dr.  F.,  die  Grammatiker  behaupteten, 
dass  das  Prädikat ,  wenn  eine  Person  durch  einen  uneigentlichen 
Ausdruck  bezeichnet  würde,  sich'  nach  dem  natürlichen  Ge- 
schlechte richten  könne;  er  wisse  aber  so  wenig  Beispiele,  als 
Andere  die  Behauptung  durch  Belege  bestätigten.  Aber  in  ca- 
pita  coniurationis  caesi  sunt  haben  wir  ja  ein  solches  Beispiel. 
Der  Verf.  führt  es  aus  Liv.  10,  1.  selbst  S.  15  Zus.  an,  wo 
er  bemerkt,  dass  Sammelnamen  oft  nach  der  Bedeutung  construirt 
würden.  Capita  ist  aber  kein  Sammelname,  noch  weniger  als 
jnille,  millia.  Was  die  Wörter  anima ,  bestia,  scelus  etc.  angeht, 
so  zweifeln  wir  nicht  daran,  dass  Plautus  sie  nach  dem  Geschlechte 
dessen,  was  sie  bezeichnen  sollen,  konstruirt  haben  würde  (vergl. 
Bacch.  5,  1,  9.;  Poen.  prol.  17.  ed.  Bip.),  sonst  möchten  wir  nur 
nach  dem  Vorgänge  Cicero's  das  Relat.  auf  s  naturliche  Geschlecht 
beziehen.  Wir  lieben  es  an  dem  Verf. ,  dass  er  keiner  Frage  aus 
dem  Wege  geht  und  die  Behauptungen  der  Grammatiken  von 
Grund  aus  prüft,  müssen  aber  auch  hier  wieder  behaupten,  dass 
manche  auf  diese  Weise  mit  der  Auktorität  eines  vielleicht  recht 
späten  Schriftstellers  belegte  oder  überhaupt  seltene  lat.  Rede- 
weise für  den  Gymnasiasten  wenig  Bedeutung  hat,  obgleich  der 
Lehrer  und  der  in  solchen  Sachen  gereiftere  Mann  darüber  gern 
Aufschluss  haben  mag.  Dass  auch  bei  bloss  leblosen  Dingen  das 
Mask.  in  Bezug  auf's  Geschlecht  des  Prädikat's  den  Vorzug  haben 
könne,  hat  auch  Bamshorn  §  96,  mit  Tac.  11,  25.  es  belegend, 
wie  Hr.  Dr.  F.  neben  Tac.  auch  nur  PI.  17,  11.;  Sen.  const.  19. 
anführt.  Fügten  wir  noch  hinzu ,  dass  die  Vulg.  prov.  24,  9. 
sagt:  abominatio  hominum  detractor  (est),  wie  viel  wäre  damit 
gewonnen'?  Um  schärfere  Sichtung  des  klassischen  und  unldas- 
sischen  Sprachgebrauchs  möchten  wir  ohnehin  den  Hrn.  Verf. 
für  die  folgenden  Hefte  bitten.  Die  auf  solche  Weise  erreichte 
Vollständigkeit  Hesse  sich  freilich  noch  vollständiger  machen. 
Wir  erinnern  an  Verbindungen  wie  Ter.  Ad.  4,  4,  27.  (ed.  Reinh.)  : 
aperite  aliquis  actutum  ostium ;  Plaut,  men.  4,  2,  111.:  aliquis 
evocate . . ;  uter  meruistis  5,  2,  29. ;  uter  eratis  5,  9,  60. ;  abseilte 
nobis  Ter.  Eun.  4,  3,  7.  (s.  Ruhnk.  zu  dieser  Stelle,  der  Cat.  108, 
5.  insperante  nobis  und  Tib.  3,  6,55.  anführt,  wozu  noch  die  ver- 
dächtige Stelle  PI.  Amph.  2,  2,  194.  kömrat;  so  fern  die  Fürwör- 
ter nobis  etc.  auf  eine  Person  gehen,  könnte  man  das  Franz.  Vous 
ej.es  capable  vergleichen ,  im  Griech.  und  Hebr.  ist  noch  grössere 


Fuistings  Syntaxis  Convonicntiae  «1er  tat.  Sprnclie.  301 

Freiheit  gestattet,  s.  Dissen  zu  Pindars  Ol.  10  (11),  6.;  Ewald's 
krit.  Gr.  §  351.);  hinc  coniux ,  hinc  parter  arma  tene?it,   Ov.  fast. 
3,  90.;    geminus  iacet  hoste  superbo  Seipio,  belügen,    Marortia 
pectora,  fratres,  Luc.  15,  4.;  omnis  eques  adsumus,  cons.  ad  Liv. 
202.     Uebrigens  ist  über  die  hier  angegebenen  Fälle,  z.  B.  über 
die  mit  disjnnkt.  etc.  Konj.  verbundenen  Subj.  hinlänglich  gespro- 
chen, wie  wir  denn  den  Abgang  grösserer  Vollständigkeit  über- 
haupt wenig  beklagen,     Nur  Einiges  hätten  wir  gern  gefunden. 
Der  Deutsche  sagt:  „An  die  3000  sind  gefallen";  der  Grieche  X. 
Cyr.  8,  3,  9.:  "Eöraöav  öe  ttqcötov    ^isv  xav  öoQvepÖQdv  slg 
z£XQaxiq%i'kiovQ . . .    in    wie  fern   erlaubt' sich  der  Lateiner  eine 
solche  Bezeichung  des  Subjekts'?  Caes.  b.  G.  1,  31.:  nunc  esse  in 
Gaüia  ad  C  et  XX  inilium  numerum ;  Flor.  3,  3.:  millia  ad  sexa- 
ginta  ceciderunt,  lassen  freilich  noch  eine  andere  Erklärung  zu.  Als- 
dann war  §  12.  nähere  Angabe nöthig,  inwiefern  substantivisch  ge- 
brauchte Wörter  ein  Adjektiv  zu  sich  nehmen  können.  So  sagt  man: 
Me  hoc  ipsum  nihilagere  et  plane  cessare  delectat  (C.  or.  2, 6.) ;  ipsum 
quidem  peccare  unum  est  (Farad.  3.) ;  vivero  irsum  (ad  Att.  13,  29.) ; 
scribere  ipsum  (Quint.  1,1.);  nostrum  istud  vivere  triste ;  scire  tuum ; 
hoc  ridere  meum;  velle  suum  (Pers.  1,  9.;  27.;  122.;  5,53.);  ille 
ego  (Virg  ;  PI.  ep.  1,  6.),   alter  idem  (C.  Lael.  21.);    vide,  quam 
mihi  persuaserim,  te  me  esse  alterum  (fam.  7,  5.);    mea  tu  (Ter. 
Eun.  4,  3,  22. ;  Ad.  3,  1,  2.) ;  quos  istos  (ad  Her.  4,   16.) ;    nemo 
quisquam  (Ter.  Eun.  5,  8,  2.).  —    Die  Apposition  betrachtet  Hr. 
Dr.  F.  als  eine  Verbindung,    welche  ihrer  Wesenheit  nach  zwi- 
schen der  unmittelbaren  und  mittelbaren,    zwischen  der  Konkre- 
tion und  Kopulation  liegt.     Schon  S.  38.   scheidet  er  von  der  Ap- 
pos.  Verbindungen  wie  exercitus  victor,  animus  v. ,  advena  ex., 
causa  victrix,  centemtor  animus  aus,  und  stellt  sie  als  den  Ueber- 
gang  von  Konkretion  zu  Apposition  bildende  dar.     Wir  zweifeln 
nicht  daran,  dass  man  namentlich  die  lat.  Subst.  auf  tor,  trix,  us, 
a..  in  Ausdrücken  wie:  in  tarn  corruptrice  provincia  (C.  ad  Quint. 
fr.  1,  6,  19.) ,  in  domo  regnatrice  (Tac.  ann.  1,  4.) ;    dominas  se- 
cures  (Prop.  3,  7,  23.);  urbs  domina  (Mart.  12,  21,  9.);  bellator 
equus  (V.  Georg.  2,  145.) ;  mint ia  litera ;  artitici  temperamento ; 
artifice  dimicatione. . ,    neminem  regem    (ad  Her.  4,  16.)  fast 
schlechthin  als  Adjektive  aufzufassen  habe,    obwohl  solche  Bei- 
spiele allerdings  der  App.  nahe  stehen.     Dagegen  ist  bei  Pelias 
liasta. .  wohl  eben  so  wenig-an  Apposition  zu  denken,  wie  bei  Ber- 
liner Blau,    Braunschweiger  Hopfen,    Ballenstädter  Bier,  Leip- 
ziger Messe,  und  mit  Recht  schliesst  Mehlhorn  (Programm :  de  ap- 
positione  in  graeca  lingua  commentatio.     Glogau,  1838.)  im  Grie- 
chischen Ausdrücke  wWEXliivu  tiöXs^ov  gänzlich  von  der  Appo- 
sition aus,  während  er  %Qt]£  ju'pxog...  yvvrj  itaQ&tvog,  zlagelov 
ßaöihicc  in  die  Mitte  zwischen  Konkretion  und  Apposition  setzt. 
JJns  scheinen  nun  zwar  im  Latein  die  appositioneilen  Titel-   und 
Eigennamenverbindungen  der  eigentlichen  Apposition  noch  näher 


302  Lateinische  Grammatik. 

zu  stehn ,  als  im  Deutschen  und  auch  wohl  im  Griechischen,  und 
Dr.  Fuisting  zählt  Cn.  et  P.  Scipiones  mit  Hecht  zur  Apposition,  da 
liier  Scipiones  so  selbstständig  auftritt;  doch  möchte  es  uns  schwer 
fallen ,  in  M.  T.  Cicero  zwei  der  Namen  Apposition  zu  nennen.  So 
weit  kann  aber  weder  der  Lateiner,  noch  der  Grieche  gehen,  dass 
er  einen  oder  mehrere  solcher  Namen  und  Titel  undeklinirt  Hesse 
z.  B.  Ludwig  Tieck's  Novellen ,  Doktor  Hirscher's  Mpral ;  Kaiser 
Karls  Muth.  —  Da  wir  nun  Ausdrücke  wie  Frau  Mutter,  Herr 
Bruder,  Meister  Robert,  die  Stadt  Münster...  kaum  zu  der  Ap- 
position im  eigentlichen  Sinne  mehr  rechnen  wollen:  so  werdeu 
auch  schwerlich  Humen  Rhenus*),  fl.  Rhodanus,  mulier  meretrix, 
homo  gladiator,  porcus  femina,  femina  anguis  (C.  leg.  2,  22. ; 
div.  2,  29.),  ficus  arbor..,  mare  Oceanus,  lapis  silex,  saxum  silex, 
turbo  ventus  dahin  gehören.  Wir  nehmen  hier  im  Deutschen 
häufig  ein  zusammengesetztes  Wort  und  bilden  Substantive  wie 
Rheinstrom ,  (  Schlangenweibchen ,  Feigenbaum ,  Rehbock  *? ) 
Rindvieh,  Kieselstein,  Ilarzgebirge,  Fürstbischof,  Gottmensch, 
Mannsmensch  (im  West  phänischen,  mares  homines  Plaut.  Poen. 
5,  5,  32.),  wo  das  Bestimmungswort  fast  ganz  adjektiv.  steht  und 
uns  über  die  Natur  der  lateinischen  genannten  Verbindungen  auf- 
klären kann.  Für  die  Zusammenstimmung  (convenientia)  der  Wör- 
ter ist  diese  Unterscheidung  im  Lat.  überflüssig,  nicht  aber  so 
für  den  Sinn,  die  Bedeutung.  Doch  begreift  man  leicht,  dass 
hier  sehr  viel  W'illkührlichkeit  bleibt ,  und  dass  man  den  Zusatz, 
sobald  man  ihn  selbststä'ndiger  hervortreten  lässt,  mit  Recht  unter 
die  Appos.  rechnet.  In  rex  Deiotarus  mag  rex  nicht  eigentliche 
Appos.  sein ,  wohl  aber  in  Deiotarus ,  rex  Ponti.  Die  deutschen 
Grammatiker  schwanken  in  dieser  Unterscheidung  ebenfalls.  Becker 
(Deutsche  Sprachl.  2,  S.  317)  nennt  auf  derselben  Seite  die  Fü- 
gung: „Kaiser  Karlu  Apposition  und  eine  von  der  Apposition  zu 
unterscheidende  Verbindung ;  Karl  der  Fünfte  ist  ihm  Apposition  ; 
Lehmann  (Kurzgefasste  d.  G.  Bunzlau,  1836.  S.  298)  rechnet 
„Wilhelm  der  Eroberer"  nicht  zur  strengen  Appos. ;  Götzinger 
hält  sowohl  Martin  Papst;  Papst  Martin,  als  der  Papst  Martin; 
Martin,  der  Papst ;  Martin,  ein  Papst,  für  Apposition,  und  be- 
merkt nur,  dass  die  Apposition  für  die  Auffassung  des  Zusammen- 
hangs bald  nothw  endig,  bald  unwesentlich,  bald  enger  mit  dem 
Träger  verschmolzen ,  bald  gesondert  von  ihm  sei.     Eben  so  viel 


*)  Es  ist  allerdings  noch  die  Frage,  ob  flumen  oder  der  Eigen- 
name Apposition  sei.  Vergl.  hierüber  die  Analogie  des  Deutschen, 
und  flumen  Dubis  —  circumduetum  Caes.  b.  G.  1,  38.;  flumen  Axonam, 
quod.  2,  !).  ib.  18. ;  monte  Jura  altissimo ,  qui..  1,  2.;  ad  monteiu 
Juram  ,  qui..  ib.  8.;  in  fluraine  Ligeri,  quod.  3,  9.,  ad  flumen  Scal- 
dem  ,  quod  6,  33.;  cf.  7,  5.;  ferner  arbor  fici;  monsSynae;  amnis 
Eridani;  oppidum  Antiochiae;  domini  appellatio,  vox  voluptatis. 


Fuistings  Syntaxis  Convcnientiae  der  Iat.  Sprache.  303 

Schwankendes  muss  nothwendig  hei  den  als  Appos.  erscheinenden 
Adjektiven  Statt  finden.  Dr.  F.  fasst  in  gens  est ,  cui  natura  Cor- 
pora animosque  magna  magis  quam  firma  dedit  (L.  5,  44.)  die 
Adj.  m.  und  f.  als  Appos.  auf;  in  Paulus  Q.  Maximum  filium  ad 
Aeginium  et  Agassas  diripiendas  mittit  (id.  25,  38.)  sei ,  erklärte 
er,  dir.  schlechthin  als  Adj.  konstruirt,  was  wohl  heissen  soll,  es 
sei  einfach  einverleibt.  Die  deutschen  Gramm,  rechnen  Fälle,  wor- 
in das  Adj.  mit  dem  Artikel  oder  ohne  denselben  hinter  s.  Subst. 
steht,  zur  Appos.  z.B.  Burchard;  doch  scheinen  Lehmann,  Götzin- 
ger,  Becker,  Wurst  (Praktische  Sprachlehre — Reutlingen  — 
S.  103),  nur  Beispiele,  wo  es  mit  dem  Artikel  nachsteht,  hier- 
her zu  rechnen.  Mehlhorn  stellt  aber  Beispiele,  wo  das  Partizip 
nicht  mit  seinem  Subst.  übereinstimmt,  z.  B.  exlvrfötv  qtaXayysst 
zh7t6[i£voi.>..  nicht  einmal  unter  die  Apposition,  sondern  sagt, 
sie  bildeten  den  vorhingenannten  wie  adjektivisch  gebrauchten 
Subst.  gegenüber  die  andere  Gränze  zwischen  Konkretion  und 
Apposition,  schwankt  aber  selbst,  indem  er  solche  Fälle  in  der 
Aura,  wieder  zur  Appos.  zu  rechnen  scheint  Und  einen  der  aufge- 
führten Fälle  selbst  die  partitive  Appos.  nennt. 

Schwieriger  ist  noch  die  Untersuchung,  was  von  den  mit 
den  Partikeln  velut,  ut..,  als,  wie.,  einem  Subst.  im  gleichen 
Kasus  heigefügten  Nennwörtern  zu  halten  sei.  Man  sieht  aber 
leicht,  dass  sich  derartige  Zusätze  in  Adverbialsätze  auflösen 
lassen.  C.  fam.  13,  1.  sagt:  Pomponium  Atticum  sie  amo,  ut 
alterum  fratrem  d.  i.  amo;  auri  argentique  usum,  velut  omniuni 
scelerum  materiam ,  sustulit  Lycurgus  d.  i.  wie  wenn  es .. .  wäre= 
wie  er  das  aufhob,  was  er...  ansah.  Vergl.  auch:  Kepente  te, 
tanquam  serpens  e  latibulis..  intulisti.  Der  Satz:  Wer  dir  als 
Freund  nicht  dienen  kann ,  kann  immer  doch  als  Feind  dir  scha- 
den =—  Wer  dir,  indem  oder  wenn  er  dein  Feind  geworden  ist  etc. 
Ich  sage  es  dir  als  meinem  Freunde  =  da  ich  dich  als  meinen 
Freund  erkenne..  Unser  Herr  Verfasser  sagt  nun  S.  51.,  die 
mit  ut,  velut,  tanquam,  quasi,  quam,  ac,  atque,  nisi  verbun- 
denen Substantive  oder  Adjektive  ständen  theils  im  Verhältnisse 
der  Apposition,  theils  in  dem  der  Koordination;  als  modifiz.  App. 
seien  solche  Verbindungen  dann  aufzufassen,  wenn  die  so  ver- 
bundenen Vorstellungen  einen  und  denselben  Gegenstand  umfas- 
send ,  fast  zu  einer  einzigen  besonders  bestimmten  Vorstellung 
gleichsam  verschmölzen,  was  häufig  bei  quasi,  ut,  velut,  tan- 
quam und  ähnlichen  der  Fall  sei;  Verbindungen  mit  quam,  ac, 
atque,  nisi,  praeter  etc.  seien  modifizirte  Koordinationen.  Es 
fällt  uns  hier  auf,  wie  Hr.  Dr.  F.  bei  ut...  quam.,  nisi  von  Koor- 
dination sprechen  kann,  da  diese  Partikeln  offenbar  unterordnen. 
Dass  in  solchen  Fällen  die  Konstruktion  des  übergeordneten  Satzes 
fortgesetzt  wird  z.  B.  Ea  se  sola  pereipere  dieunt,  quac  tactu 
intimo  sentiant,  ut  dolorem,  voluptatem  (C.  Acad.  2,  24.),  com- 
muneni  prius,  ceu  lumina  solis  et  auras..  humum  signavit  —  Ov. 


304  Lateinische  Grammatik. 

met.  1,  135.  kann  hier  nicht  entscheiden ,  da  dieses  auch  sonst 
geschieht.  S.  Zurapt  §  775.,  obwohl  uns  allerdings  entgegensteht: 
Zeno  negat,  Platonem,  si  sapiens  non  sit,  eadem  esse  in  causa,  qua 
tyrannuinDionyshim=...  qua  t.  D.  esse  dicit.  Das  deutsche  „z.  B.u 
womit  wir  ut  oft  übersetzen ,  darf  uns  nicht  täuschen.  Allerdings 
treten  übrigens  solche  zu  Satztheilen  zusammengezogene  unter- 
geordnete oder  nebengeordnete  Sätze  der  Apposition*)  nahe,  und 
man  kann  sie  als  Gränzscheide  zwischen  der  eigentlichen  Appos. 
und  ganzen  Sätzen  hinstellen.  Mehlhorn  thut  Aehnliches,  nimmt 
aber,  wie  uns  scheint,  auf  das  adverbiale  Element  nicht  genug 
Rücksicht ,  worüber  unten ! 

Hier  ist  nun  von  dem  faktitivische  Bezeichnung  einleitenden 
Gebrauche  des  „alsu  zu  sprechen.  Der  Satz :  „Ich  hab'  euch  stets 
als  Biedermann  erfunden  ,u  hat  eben  so  wenig  eine  Apposition  als 
der  lat.:  semper  probum  hominera  te  reperi.  Dahin  gehören  denn 
im  Latein,  die  Verba:  abiicio  (C.  fam.  10,  12,  14.x;  aeeipio  (Juv. 
8,87.);  addueo  (Caes.  b.  G.  2,  5.);  adscisco  (C.  Pis.  11.;  Caes. 
b.  G.  1,  5.);  adscribo  (C.  Man.  19.  ;  Flacc.  30.);  adsimilo  (Ter. 
Phorm.  1,  2,  78.;  Heaut.  5,  1,  15.);  appono  [C.  Caecil.  16.); 
arguo  (Sen.  Med.  501.);  attribuo  (C.  Cat  4,  6.);  canto  (C.  ad  Q. 
fr.  2,  13.);  clamo  (Prop.  3,  7,  46.);  concilio  (N.  17,  2.);  con- 
dueo;  conti"  teor  (Caes.  b.  c.  1,  84.);  coguosco  (C.  Deiot.  3.); 
colligo  (Prop.  3,  7,  29.);  conservo  (C.  Cat.  3,  10.)  (comparo*?); 
cupio  (C.  fin.  4,  24.);  curo;  dediguor;  deiicio  (C.  Verr.  4,  40.); 
dignor  (Curt.  6,  10);  efficio;  gero  (Just.  32,  3.;  Curt  4,  16. 
extr.  pro  victore  se  gessit);  impetro  (N.  17,  2.);  impono  (C.  Plane. 
25.);  indueo  (C.  Tusc.  5,  39.);  loco  (C.  Verr.  1,  59.);  mitto; 
nanciscor  (N.  17.  8.j;  nolo  (Liv.  35,  3.);  offendo  (N.  17,  2.); 
opto  (Sen.  Med.  22.);  ostendo  (Suet.)  paro  (Mart.  1,  55.);  per- 
hibeo;  pingo  (PI.  h.  n.  35,  10.);  posco  (Caes.  b.  g.  liberos  obsides 
p.  1,  31.);  probo  (Caes.  b.  g.  7,  63.;  8,  18.);  propono;  relinquo 
(N.  1,  3;  17,  6.);  sentio  (Phaedr.  4,  24,  14.);  significo  (N.  17, 
8.);  sisto  (C.  Att.  10,  16.);  sufficio  (Phaedr.  3,  10,  13.);  teneo ; 
trado  (Juv.  8,  71.),  tribuo,  usurpo  (C.  off.  2,  11.;  de  univ.  11.); 
volo;  ferner  utor  (z.  B.  aliquo  homine  amico) ;  fruor  (N.  15,  5.: 
qui  ea  diutina  volunt  frui  d.  i.  pace)  nebst  allen  von  Zumpt  Gr. 
§  394.  aufgezählten  und  den  von  uns  Jahrb.  B.  24,  II.  2,  S.  204.  f. 
angeführten  Verben.  Aber  vielleicht  fasst  der  Lateiner,  da  er 
solche  factitivisch  aufzufassende  Beziehungen  durch  den  Akkusativ 
ausdrückt,  tirspränglich  dieselben  als  Apposition!  Unmöglich 
scheint  uns  dieses  gerade  nicht.  Es  ist  freilich  ein  grosser  Unter- 
schied ,  ob  ich  sage :  Er  schimpft  mich ,  einen  Ketzer  d.  h.  der 
ich bin  oder:  „Er  schimpft  mich  einen  Ketzer"  =  dass  ich 


*)  Der  Ausdruck:  raodifizirte  Apposition,  den  Dr.  F.  braucht,  ist 
uns  zu  undeutlich. 


Fuistingä  Synlaxio  Convenicntiae  der  lut.  Sprache.  305 

es  sei*),  aber  durch  den  Druck  der  Stimme,  den  ich  nuf  Ketzer 
setzte,  könnte  im  ersten  Satze  die  Beziehung,  dass  ich  eben 
durch  sein  Schimpfen  erst  als  Ketzer  dastände,  bezeichnet  wer- 
den. Vergl.  Te  amicum.  nieum  deligo,  wo  amicum  meura  gleich- 
sam antizipirende  Apposition  genannt  werden  könnte.  Wie  viel 
aber  bei  Erklärung  sprachlicher  Erscheinungen  auf  Betonung  und 
Geberde  gelegt  werden  müsse,  und  wie  manche  Beziehung  eben 
deshalb  nicht  in  den  Worten  liegt,  sondern  dadurch  erst  hinein- 
gelegt wird ,  muss  dem  Sprachforscher  bekannt  sein.  Geneigter 
sind  wir  jedoch ,  das  fakt.  zu  bezeichnende  Wort  mit  dem  Ver- 
bum  zu  einer  Einheit  zusammenschmelzen  und  davon  den  zweiten 
Akkusativ  abhängen  zu  lassen,  gleichsam:  „Ich  freundnenne 
dich,a  wobei  wir  den  möglichen  Vorwurf  moderner  Hineintra- 
gung ungebührlicher  Verwickelung  in  sprachliche  Erscheinungen 
ablehnen  zu  können  hofFen.  Jedenfalls  also  sind  wir  berechtigt, 
die  fraglichen  Akkusative  und  Ablative  von  der  Apposition  auszu- 
schliessen.  Wir  rechnen  deshalb  auch  im  Satze:  Filium  cum 
matre  in  arcem  Amphipolitanam  custodiendos  mittit  (Just.  13,  6.) 
das  Part,  nicht  mit  dem  Hrn.  Dr.  F.  zur  Apposition,  denn  dürften 
wir  eine  Auflösung  versuchen,  so  würde  es  wohl  heissen:  qui 
custodiendi  essent,  nicht  erant.  Noch  schiefer  ist  es,  wenn  der- 
selbe das  horao  in  „Tullia  homo  nata  estu  Apposition  nennt  S.  54.; 
oder  in  „Aegypti  canem  et  feiern  ut  deos  colebant"  das  deosS.  48. 
Wollten  wir  demnach  unsere  Ansicht  über  die  Apposition  im  La- 
teinischen kurz  zusammenfassen,  so  erklären  wir  sie  für  einen 
verkürzten  Uelativsatz,  der  einem  Substantive  oder  substantivisch 
gebrauchten  Ausdrucke  ein  anderes  Substantiv  oder  einen  andern 
substantivisch  gebrauchten  Ausdruck  schlechthin  (also  ohne  Be- 
ziehung einer  adverbialen  Bestimmung  —  z.  B.  einer  Absicht, 
Folge,  Bedingung)  in  demselben  Kasus  — i  die  Ausnahmen  sind 
leicht  zu  erklären  —  beigesellt. 

Da  nun  in  Ausdrücken  wie:  „flumine  Rheno,  ficus  arbor, 

lapis  silex,  M.  Tullius  Cicero,  Frau  Mutter,  Fräulein  Tochter," 

die  beigesetzten  Wörter  zu  unselbstständig  und  in  ihrer  Bedeutung 

zu  abgeschw acht  sind ,  als  dass  wir  sie  als  Satz  erscheinen  lassen, 

dieses  aber  immerhin  noch  möglich  ist;  so  rechnen   wir  sie  nicht 

l{  zur  eigentlichen  Apposition,  sondern  nennen  sie  die  eine  Gränz- 

i!  scheide  zwischen  Konkretion  und  Apposition,  oder  auch  apposi- 

i\  tionsartige  Zusätze,  Apposition  ha  weitern  Sinne,  eine  Unter- 

|j  Scheidung,  die  Hr.  Dr.  F.  zu  ficus  arbor  etc.  etc.  nicht  macht.  Was 

|  die  Adjektive  angeht,  so  kann  sie  der  Deutsche  und  Grieche  durch 

den  Artikel  zum  Bange  eines  Subst.  erheben,  und  so  in  wirkliche 

Apposition  setzen  ;  der  Lateiner  kann  wenigstens  durch  die  Stel- 


*)  Herder  wogt  sogar  (Versuchung  Jesu):  „Sprich  den   Stein  dir 
ßrod."  — 

N.  Jahrb.  f.  Phil.  u.  Paed.  od.  Krit.  Bihl.  Bd.  XXVIII.  Hft.Z.    20 


306  Lateinische  Grammatik. 

hing,  das  Geschlecht,  die  Gedankenwenclung  ihnen  subst.  Selbst- 
ständigkeit verleihen.     Oft  wird  es   also  vom  Sprachgefühle  ab- 
hängen,   ob  sie  Apposition  oder  reine  Einverleibung  zu  nennen 
sind.     Eben  so  verhält  es  sich  mit  den  ,  einem  persönlichen  Für- 
worte in   dieser  Art  beigesellten  Substantiven    oder  Adjektiven. 
Wer  verkennet  in:    „Ich,    ein  unglücklicher  Mann  —  der  ich.« 
bin;  ihr,  echte  Westphälinger,    werdet  Schinken   fordern"  die 
Apposition*?  —     Indem  Satze:  „Da  sitz'  ich  armer  Mann"  ist 
„ichu  gleichsam  adjektivisch  geworden   und  also  an  eine  Appo- 
sition kaum  zu  denken,  obwohl  Becker  B.  2.  §  201.  d.  dies  dazu 
rechnet.     Darnach  muss  mau  me  miserum!  nie  caecum  ;  iL  s.w. 
beurtheilen.     Da  wir  ferner  die  Apposition  einen  verkürzten  Re- 
lativsatz genannt  haben ,  so  schliessen  wir  Verkürzungen  von  Ad- 
verbialsätzen aus.    Streng  genommen  ist  im  Satze:  „Attius  Novius 
propter  paupertatem  sues  puer  pascebat,"  keine  Apposition,  denn 
puer  ist  dem  Sinne  nach  =  quum  puer  esset.  —  Eben  so  sind  die 
Wörter:  Caesari  quaestori  ulterior  Hispania  obvenit  =;  dem  Cäsar 
als  Quästor  =  dem  C.  wurde  zu  Theil,  als   er,  weil  er  Quästor 
war.     Solche  verkürzte  Adverbialsätze  geben  daher  in  der  Regel 
zunächst  adverbiale  Bestimmungen  zum  Prädikate  und   beziehen 
sich  also  nur  mittelbar  d.  h.  vermöge   des  Prädikats  auf  das  Sub- 
stantiv ,    dem  sie  als  scheinbare  Apposition  entsprechen.     Wenn 
daher  Apposition  die  Einverleibung  der  Substantive  genannt  wer- 
den kann,  so  gehören  nach  Maassgabe  der  Einverleibung  der  Ad- 
jektive solche  Bestimmungen  nicht  zur  Apposition,  und  der  Mei- 
nung scheinen  auch  Lehmann  (vergl.  S.  297;  395.),    Götzinger 
§323;  Wurst  S.  103.      Wenn  Lehmann   S.  298  doch  die  Fü- 
gung: „Er  als  Christ,  er  sagte  es  ihm,  als  seinem  Freunde;  man 
behandelt  ihn  ,  wie  einen  Verbrecher  ,"  als   Beleg  zur  Apposition 
anführt,  so  scheint  darin  eine  kleine  Inconsequenz  zu  liegen,  in- 
sofern durch  das  „als"  ein  beschränkender  adverb.  Zusatz  gesetzt 
wird.     Ilerling  (Grundregeln  2.  Ausg.  §  16.)   rechnet  auch  den 
verkürzten  Adverbialsatz:  Gestern  musste  sein   Vetter,   der  red- 
lichste Burger  der  Stadt,   die  Flucht  ergreifen  —  obgleich  er... 
der  redlichste  Bürger  der  Stadt  war,  zur  Apposition,  und  in  wie- 
fern auch  dieses  mit  Fug  geschehen  könne ,  haben  wir  oben  be- 
merkt und  Achnliches  schon  bei  Erklärung  des  faktitiven  Akk.  bei 
creare...   geltend  gemacht;    nur  erkläre  man  sich  dann  genauer 
über  den  durch  die  Verbindung  und  Stellung  zu  erzielenden  Sinn 
und  unterscheide  zwischen  strenger  und  weiterer  Apposition.     In 
den  Sätzen:  .,Ein  Fremdling  tritt  er  in  sein  Eigenthum  (Seh.);  Qui 
recte  vivendi  prorogat  horam ,  rusticus  exspeetat,   dum  defluat 
amnis,   (Hör.  ep.  1,  2,  42.  ib.  1,  7,  74.)   kann  das  Bezügliche  nur 
durch  Stellung,  Betonung,  Zusammenhang  als  verkürzter  Adver- 
bialsatz  erscheinen,  und  insofern  ist  die  Anschauung  derselben 
als  Apposition  gerechtfertigt.     Für  das  liefere   Verständniss  der 
Rede  ist  aber  damit  nur  verloren ,  wenn  man  alles  Derartige^ 


Micus:  Kathot.  Gebet-  und  Erbauungsbuch.  307 

was  man  nicht  erklären  kann  oder  will,  Opposition  nennt.  Im 
Vorigen  ist  bereits  gegeben,  wohin  wir  Sätze  wie:  Ilunc  librutn 
ei  donura  mittit  =  auf  dass  es  ihm  ein  Geschenk  sei  .=  zum  Ge- 
schenke —  rechnen,  und  wie  entfernt  wir  sie  zur  Apposition  zäh- 
len. Näher  kömmt  dieser  allerdings  der  fakt.  Akk.  in  obsides.. 
eustodiendos  mittit.  — 

Wie  sich  nun  die  Fälle,  welche  wir  demnach  zur  strengen 
Apposition  rechnen,  wieder  von  einander  unterscheiden,  wollen 
wir  nicht  weiter  berühren ;  so  viel  aber  haben  wir  sagen  wollen, 
theils  um  dem  Hrn.  Verf.  die  Gründe  unserer  Abweichung  vorzu- 
legen, theils  um  ein  Jahrb.  24,  2.  S.  205.*)  gegebenes  Versprechen 
wenigstens  etwas  zu  lösen,  theils  endlich,  um  den  Missbrauch 
mit  dem  Namen  der  Apposition,  die  wir  keinesweges  für  „eine 
rostige  Tradition  verjährter  Grammatiken1''  halten ,  entgegen  zu 
treten.  Uebrigens  erwähnt  unser  Hr.  Verfasser  die  Appos.  eines 
xSubst.  zu  einemnm  Verbum  liegenden  Subj.  und  eines  Genit  zu 
einem  Pron.  possess. ,  die  distributive  App.,  die  Appos.  eines 
Nomens  zu  einem  ganzen  Satze,  eines  Inf.  zu  einem  Subst.  S.  50., 
wo  ungenau  der  letzte  Fall  die  Appos.  eines  Satzes  zu  einem  Inf. 
genannt  wird ;  auch  deutet  er  auf  die  einen  verkürzten  Adverbial- 
satz enthaltende  Appos.  S.  44  hin,  wie  er  denn  hier  und  überall 
mit  grosser  Genauigkeit  zu  Werke  geht  und  nicht  leicht  etwas 
etwa  Wichtiges  unberücksichtigt  lässt.  — 

Was  die  Wortstellung  bei  der  Appos.  angeht,  so  ist  das  All- 
gemeine S.  58.  Zus.  7.  angegeben.  Stellunireu  bei  Eigennamen 
wie:-  L.  quidem  Crassus  (C.  off  2,  13.  17.);  M.  vero  Celhegmn 
(Cat.  Bf.  14.);  C.  noster  Lamia  (ad  Q  fr.  2,  13);  Bf.  illius  Aurii 
(Cluent.  8.)  und  auch  wohl  cius  C.  iilium ,  eins  Pio  filio  (C.  Cluenr. 
8.;  Arch.  3.)  wären  hier  besonderer  Erwähnung  werth  gewesen. 
Die  freilich  nur  angeführte  Erklärung  des  Komae  durch  in  urbc 
R.  und  des  abl.  des  Preises  als  Appos  zum  ausgelassenen  pretio, 
so  wie  das  in:  deum  colit,  qui  novit,  S.  7,  vermisste  is  verwerfen 
wir,  und  weshalb  man  pluit  erklären  wolle  durch  pluit  aqua,  coe- 
lum  pluit  aquam  oder  aqua  begreifen  wir  nicht.  — 

Coesfeld.  Teipel. 


Katholisches  Gebet-  und  Erbauungsbuch  für  Gym- 
nasiasten und  Zöglinge  höherer  Bildiingsunätultcn  überhaupt.  Von 
Franz  Jos.  Micus,  Lehrer  (jetzt  Oberl.)  am  Gymn.  zu  Paderborn, 
(bei  Jos.  Wesener.     1839.)     8. 

(Pül'cnbcrg's  Gebet-  und  Betrachtungsbuch.  —  Eulochium  graeco- 
latinum.  Curavit  Dr.  Gratz.  —  Betracbtungcn  über  die  Evange- 
lien der  Fasten  mit  Einschlti6S  der  Leidensgeschichte  von  Dr.  von  Ilir- 
scher.     Desselben  Betrachtungen  über   die  sonnt.  Evangelien  des  kii- 

20* 


308  S  c  li  u  I  g  e  1>  e  t  e. 

chenjalircs  1.  15.  —  Der  Geist  des  Chiistenlliums  dargestellt  in  den  it. 
Zeiten,  in  den  li.  Handlungen  und  in  der  h.  Kunst  von  ür.  F.  A.  Stau- 
deinuicr.) 

Je  mehr  es  die  Bedürfnisse  unserer  Zeit  zu  erkennen  geben, 
dass  unsere  Bildungsanstalten  nicht  bloss  unterrichten,  sondern 
auch  erziehen  sollen  und  müssen:  desto  natürlicher  wird  man  es 
finden,  in  diesen  Blättern  das  angezeigte,  von  dem  Provinzial- 
Schulcollegium  Westphalens  den  Gymnasien  empfohlene  Buch  be- 
sprochen zu  sehen.  Ist  doch  nach  unserer  Ueberzeugung  Reli- 
giosität die  Wurzel  der  Erziehung  und  obendrein  die  Blüthe  un- 
sers  Geisteslebens ;  Gebet  aber  ist  die  Religiosität  ausgesprochen 
vor  Gott.  Wir  fordern  demnach  von  einem  Gebetbuche  1)  dasa 
seine  Gebete  auf  dem  Grunde  eines  gläubigen ,  vertraimagsvollen, 
sehnsüchtigen,  liebenden,  dankbaren,  ehrfurchtsvollen,  demü- 
thigen  Herzens  ruhen.  Wir  verhehlen  es  nicht,  dass  wir  in  viel- 
facher Hinsicht  unsere  Zeit  für  eine  einseitig  verständige  halten  ; 
dass  es  uns  bisweilen  fast  scheint ,  als  wolle  man  das  Gemüth 
kaum  als  eine  Geisteskraft  gelten  lassen ;  dass  manche  Gebete 
Nichts  sind,  als  folgerichtige  Erweise,  wir  wagten  eben  nichts 
Besonderes ,  wenn  wir  dem  lieben  Gott  auch  glaubten  und  trauten; 
dass  wir,  wie  manche  Dichter  langen  Anlauf  nehmen ,  sie  wollten 
das  und  das  besingen  und  kaum  zum  Singen  kommen  ,  so  es  oft 
nur  in  unsern  Gebeten  dem  Verstände  eben  abringen,  dass  wir 
beten  wollen  und  Gott  bitten  dürfen;  kurz,  dass  wir  uns  vordo- 
ziren,  statt  zu  beten.  Von  hohlen  rationalistischen  Deklamationen, 
die  den  Kirchenglauben  verflachen  und  nur  mit  biblischen  Flos- 
keln sich  maskiren ,  wollen  wir  nicht  sprechen.  Nur  das  wollen 
wir  noch  hervorheben ,  dass  Furcht  und  Ehrfurcht  ein  wesentli- 
licher  Bestandtheil  im  religiösen  Leben  ist  und  demnach  Absehen 
hiervon  mit  Recht  unchristlich  heissen  muss.  Was  2)  die  Sprache 
angeht,  so  muss  sie  kernig  und  inhaltsschwer,  würdig,  gefühlvoll 
und  einfach  sein.  Verschwemmungen  in  Worten,  abstossende 
Ausdrücke,  trockene,  nüchterne  Vorlegungen,  in  Flitterstaat 
ausartende  Blümeleien  taugen  in  ein  Gebetbuch  nicht.  Natürlich 
muss  ein  Gebetbuch  für  Gymnasiasten  diese  allgemeine  Anfor- 
derung auf  sie  besonders  anwenden.  3)  Endlich  muss  eben  dieses 
gerade  in  die  einzelnen  Lebenslagen  der  Gymnasiasten^  besonders 
eingehen. 

Und  nun  freuen  wir  uns  herzlich,  dieses  von  der  kirchlichen 
Zensurbehörde  empfohlene  Gebetbuch  unsers  Herrn  Verfassers 
solchen  Anforderungen  in  einem  sehr  hohen  Grade  entsprechend 
zu  finden.  Ueberall  ist  es  der  christliche  Glaube  mit  den  aus 
ihm  hervorgehenden  Gesinnungen  ,  der  in  den  Gebeten  sich  aus- 
spricht. Was  die  Welt  ohne  Christus  war,  ist  nach  Paul.  Rom. 
1.  S.  34  und  3ü  angedeutet;  die  echte  Lehre  von  Christi  Wesen- 
heit   S.  37  im  Glaubensbekenntniss  der  Messe  ausgesprochen; 


Micus  :   Kathol.  Gebet-  und  Erbauungsbiub.  309 

eben  so  ist  die  von  dem  h:  Geiste,  von  den  h.  Sakramenten,  von 
der  Kirche  etc.  aufgenommen  oder  vorausgesetzt.  Aus  dieser 
echtchristlichen  Gesinnung  geht  dann  auch  hervor,  dass  der^IIr. 
Verf.  jener  alle  Sittlichkeit  lähmenden  Meinung,  Gott  könne  nicht 
ewig  strafen ,  ernst  entgegen  tritt.  —  Vergl.  S.  60.  —  Dank  sind 
wir  ihm  schuldig,  dass  er  manche  Kirchengebete  in  guter  Lieber- 
setzung und  zahlreiche  Bibelstellen  den  Betrachtungen  und  Ge- 
beten anschloss.  —  Der  Vortrag  ist  durchgängig  dem  Inhalte  an- 
gemessen und  gerade  für  Gymnasiasten  geeignet.  —  Wie  sehr 
dieses  im  Ganzen  vollständige  Gebet-  und  Betrachtungsbuch  die 
besondern  Lebenslagen  der  Schüler  berücksichtigt,  mögen  fol- 
gende Ueberschriften  beweisen :  Gebet  für  die  Lehrer,  vor  und 
nach  dem  Unterrichte ,  für  den  kranken  Mitschüler,  beim  Tode 
eines  Mitschülers;  Freundeswahl  und  Umgang,  die  Lesesucht, 
beim  Eintritte  in  eine  höhere  Bildungsanstalt,  beim  Anfange  eines 
neuen  Schuljahrs,  beim  Schlüsse  desselben,  die  Standeswahl, 
beim  Austritte  aus  der  Bildungsanstalt,  vor  und  bei  dem  Abgange 
zur  Akademie  (wo  dem  angehenden  Akademiker  sehr  zweckmässige 
Fragen  an  sich  selbst  vorgehalten  werden) ,  der  von  den  Seinen 
getrennt  lebende  Schüler.  Ausserdem  finden  wir  besonders  zweck- 
mässig, dass  ein  Gebet  um  die  Tugend  des  Gehorsams,  um  den 
Geist  der  Wahrheit,  um  Reinheit  des  Herzens  nebst  einer  Be- 
trachtung über  die  Folgen  der  Unzucht,  um  wahre  Demuth  etc. 
aufgenommen  ist.  Wie  sehr  es  dem  Hrn.  Verf.  am  Herzen  liegt, 
durchherrschende  Frömmigkeit  und  Religiosität  in  die  zarten 
Heizen  zu  verpflanzen,  davon  ist  uns  ein  erfreulicher  Beweis, 
dass  er  ihnen  kleine  Gebete  „beim  Ausgehen  aus  der  Wohnung, 
beim  Hingange  zur  Kirche ,  im  Freien,  auf  dem  Gottesacker,  vor 
dem  Spiel  oder  einer  Belustigung,  vor  der  Arbeit,  Danksagung 
nach  empfangener  Wohlthat"  darbietet  und  anempfiehlt.  Wie 
für  die  Kirche,  den  Papst,  „den  Vater  der  Christenheit'-'  etc., 
so  findet  man  auch  für  den  Staat ,  den  König  etc.  hier  Gebete. 
Wir  theilen  zugleich  als  Probe  der  Darstellung  hieraus  (S.  130) 
Folgendes  mit:  „Segne  unser  geliebtes  deutsches  Vaterland  und 
insbesondere  den  Staat,  in  dessen  Verbände  und  unter  dessen 
Schutze  ich  lebe ,  und  auf  dessen  Anstalten  die  Bildung  meines 
Geistes  und  meines  Herzens  mit  Liebe  gefördert  und  vollendet 
wird.  Lass  diesen  Staat  mehr  und  mehr  aufblühen  in  wahrer  Weis- 
heit, in  echter  Tugend  und  in  geistiger  und  leiblicher  Wohlfahrt 
aller  Unterthanen,  damit  unser  Vaterland  als  Muster  erglänze 
allen  Nationen ,  gleich  jener  Stadt  auf  dem  Berge  ,  welche ,  nach 
dem  Ausdrucke  Jesu  „Niemanden  verborgen  sein  kann.11  (Matth. 
5,  14.)  Schütte  aus,  o  Herr!  die  Fülle  Deiner  Gnade  und  Deines 
Segens  über  unsern  König  und  seine  treuen  Diener,  und  verleihe 
ihnen  Kraft  und  Weisheit,  damit  sie  das  AVohl  des  Volkes  auf  das 
Gedeihlichste  gründen  und  befestigen.  Du  hast  die  Obrigkeit  mit 
dem  Schwerte   der  Gerechtigkeit  umgürtet,  dass  sie  das  Recht 


310  S  c  h  u  1  g  e  b  e  t  c. 

und  alle  Gerechtsame  schützen,  alle  Ungerechtigkeit  und  Empö- 
rung zu  nichts  machen  und  Jeden  strafen  möge,  der  da  Böses 
thuj.  «Herr,  lass  sie  in  diesem  Dir  wohlgefälligen  Dienste  für 
Dein  Reich ,  für  die  verfolgte  Unschuld  und  für  die  unterdrückte 
Tugend,  unermüdet  thätig  sein,  damit  Deine  heilige  Kirche,  da- 
mit das  Gemeinwohl,  die  Wahrheit,  Wissenschaft  und  Kunst, 
geschützt  von  dem  mächtigen  Arme  der  weltlichen  Macht,  unge- 
hindert l'orthlühcn,  und  Glück  und  Segen  unter  Deinen  Kindern 
verbreiten  möge." 

Die  Betrachtungen  sind  in  demselben  Geiste ,  als  die  Gebete 
abgefasst.  —  Haben  wir  nun  dem  Buche  nach  unserm  besten  Wis- 
sen freudig  unsere  Anerkennung  ausgesprochen,  so  wird  es  uns 
desto  mehr  vergönnt  sein,  einige  Wünsche  und  Bedenken  zu  äussern. 

In  einzelnen  Gebeten  und  Betrachtungen  ist,  wie  es  uns 
bedünken  will,  nicht  genug  ein  Ziel  im  Auge  behalten.  So 
wünschten  wir  die  Kommuniongebete  mehr  auf  den  Hauptgedanken: 
„der  zu  Empfangende  ist  der  Gottmensch,  wie  er  sich  für  uns 
am  Kreuze  hi/iop/erl"  zurückgeführt,  wodurch  zugleich  die 
Kommunion  in  nälierm  Zusammenhange  mit  der  Messe  erschienen 
wäre.  Man  zergliedere  einmal  das  1.  Gebet  vor  der  h.  K. ,  was 
enthält  es  nicht  Alles !  Erst  Bewunderung  der  Liebe  des  Gott- 
menschen nebsteinigen  Verständigungssützen ,  dann  Glauben, 
darauf  Sehnsucht,  ferner  Iteue  und  Abbitte,  sofort  Gelöbniss  und 
Vertrauen,  endlich  wieder  Sehnsucht.  Dann  folgen  noch  wieder 
drei  „Glaube,  Hoffnung,  Liebe"  überschriebene  Gebete  und 
dennoch  ist  nicht  Alles  aufgenommen ,  was  uns  im  h.  Abendmahle 
dargeboten  wird.  Vergl.  Hirschers  Katechetik.  Die  Messgebete 
sind  zum  Theile  aus  dem  Missale.  Gewundert  haben  wir  uns, 
dass  die  Fürbitte  für  die  Verstorbenen  zweimal  darin  vorkommt. 
Das  Gebet  beim  Kanon  scheint  uns  zu  wenig  Gebet,  zu  viel  Re- 
flexion zu  seVu,  eben  so  S.  39,  und  das  am  Neujahrstage  kömmt 
uns  zu  dürftig  vor;  in  denen  aber  beim  Tode  eines  Mitschülers, 
eines  Angehörigen,  sollte  die  Fürbitte  für  den  Verstorbenen  nicht 
fehlen,  welche  sich  dem  gläubigen  und  liebenden  Herzen  von 
selbst  nahe  legt.  Ungern  vermissen  wir  auch  Gebete  zum  Em- 
pfange der  h.  Firmung  und  Krankenölung.  Wir  danken  dem  Verf. 
freudig,  dass  er  so  angelegentlich  gegen  die  Wollust  eifert,  und 
das  aufgenommene  Gebet  am  Feste  des  h.  Aloysius  ist  uns  sehr 
erwünscht.  Wir  stimmen  nämlich  nicht  in  die  Meinung  ein, 
welche  ,  wenn  wir  nicht  irren ,  W.  Menzel  mehrmals  ausgespro- 
chen hat,  dass  um  Unschuld  und  Iteiuigkeit  des  Herzens  der  Un- 
schuldige nicht  beten  könne,  weil  er  eben  darin  ein  ungekanntes 
Gut  besitze.  Es  kommen  nämlich  auch  dem  zarten  Alter  leider 
Gelegenheiten  genug  vor,  wo  sich  dem  Unreinen  gegenüber  sein 
reiner  Geist  in  heiliger  Schaam  schützen  und  vor  dem  Entweihc- 
ten  sich  als  uneutweihbar  fühlen  muss,  und  hierzu  ist,  wie  einer- 


Micus:   Kathul.  Gebet-  und  Erbauungäbur.Ii.  311 

seits  Anmahnung  ,  so  anderseits  des  Herrn  Gnade  nöthig.  Eben 
deshalb  scheint  uns  dann  auch  die  Verehrung  des  h.  Aloysius  als 
hohen  Vorbildes  eines  reinen  von  Wollust  unbefleckten  Her- 
zens für  die  studirende  Jugend  überaus  wohlthätig.  Wir  sagen 
hier  mit  Nachdruck:  Wer  den  Zweck  will,  muss  auch  die  Mittel 
wollen.  Unser  Hr.  Verf.  aber  scheint  uns  in  der  Betrachtung  über 
die  Folgen  der  Unzucht  im  Einzelnen  zu  stark  aufgetragen  zu 
haben.  Nicht  als  wenn  wir  die  geschilderten  Folgen  nicht  aner- 
kannten, sagen  Mir  dieses,  sondern  deshalb,  weil  ein  der  Wollust 
anfänglich,  verfallener  Jüngling  vielleicht  auf  die  Frage:  „Spricht 
noch  das  frühere  Feuer  aus  deinem  Auge?  —  Fühlst  du  noch  die 
frühere  Kraft  in  deinen  Gliedern?"  sich  statt  der  Antwort:  „Ach, 
es  ist  erloschen,  und  der  todte  Blick  etc. —  Ach,  sie  ist  ge- 
brochen und  müd'  und  mühsam  schleppst  du  den  siechen  Körper u 
etc.  —  eine  weit  andere  giebt.  Besser  also  wohl,  wenn  es 
hiesse:  Ach,  es  wird  unfehlbar  erlöschen  etc.  Neben  Her- 
zensreinheit ist  vorzugsweise  in  unserer  Zeit  für  Demuth  zu  arbei- 
ten und  deshalb  läsen  wir  in  der  Abendprüfung  gern:  Befliss  ich 
miqh  der  Demuth '?  Fühlte  ich  mich  unangenehm  berührt,  wenn 
der  Lehrer  meinen  Mitschüler  lobte?  u.  s.  w.  Auch  in  der  aus- 
führlichen Selbstprüfung  fehlt  wohl  Einiges,  z.  B.  die  Frage  nach 
religiöser  Sehnsucht,  nach  Vertrauen  etc.  und  die  Prüfung  über 
die  Fehler  gegen  die  Demuth  stehen  sonderbar  genug  unter  den 
Versündigungen  gegen  die  eigene  Person.  —  S.  195  ist  es  doch 
zu  hart,  wenn  von  den  Aposteln  gesagt  wird,  es  sei  vor  der  em- 
pfangenen Geistestaufe  am  Pfingstfeste  „ihr  höchste?'  und  einzi- 
ger Wunsch"  gewesen,  „von  ihrem  Herrn  das  vernichtete  Reich 
Israel  wieder  hergestellt  und  sich  als  die  ersten  Würdentiäger  in 
demselben  ehrenvoll  versorgt  zu  wissen1'  —  auch  im  Widerspruch 
mit  dem  S.  26  Gesagten.  —  S.  75  scheint  uns  der  Anfang  der 
Betrachtung  über  Freundeswahl  theihveise  ungehörig,  und  S.  18 
hätten  wir  den  Worten  Luk.  10,  16  eine  solche  Anwendung  nicht 
gegeben.  —  Die  Uebersetzung  der  Kirchengebete  könnte  sich  bei 
aller  ihrer  Vortrefflichkeit  doch  näher  an's  Original  schliessen  und 
dadurch  noch  kräftiger  sein. 

Sollen  wir  nun  noch  das  uns  an  der  sprachlichen  Darstellung 
Auffallende  angeben ,  so  scheint  uns  von  der  Inversion  zu  häutiger 
und  vielleicht  mitunter  verkehrter  Gebrauch  gemacht  zu  sein  — 
z.  B.  S.  23:  Ja,  alle  Guten  sollen  sehen  meine  Werke  und  prei- 
sen dich...\  S.  117:  Ich  will  bekennen  wider  mich  meine  Unge- 
rechtigkeit dem  Herrn.  Vergl.  S.  35 ;  185  u.  s.  w.  —  S.  38 
steht:  Die  Opfergabe  werde  vollbracht;  S.  160:  Vorzeichen  für 
mich  einer  sehr  bedenklichen  Zukunft.  S.  163  :  Andern  für  An- 
dere, auch  S.  83,  106,  107,  100,  102  sind  Druckfehler  und  die 
Interpunktion  wünschten  wir  bisweilen  geändert;  auch  würden 
wir  nicht  vollends  schreiben,  vergl.  S.  100.  —  S.  80  heisst's:  „Es 
lasse  sich  der  Sünder  erschüttern  durch  die  Erwägung ,  wie  Der 


312  Schulgelde. 

im  Tode  seiner  vergesse,  welcher  im  Leben  Gottes  vergass.1- 
Soll  das  heissen,  der  dächte  im  Tode  an  sich  und  seine  Bekeh- 
rung nicht,  welcher  im  Leben  Gottes  vergessen  habe,  so  ist's 
deutlicher  auszudrücken.  Einige  gewöhnlich  mystisch  genannte 
Ausdrücke  missbilligen  wir  nicht ,  sondern  erinnern  vielmehr  an 
das  Wort  des  grossen  Niebuhr  (Lebensnachrichten  über  Barth. 
Georg  N.  aus  Briefen  —  Hamburg  —  Perthes  —  S.  474) :  „Sind 
nicht  alle  wahrhaft  erhebende  und  erhabene  Lieder  dieser  Art1-* 
(geistliche)  „von  Mystikern  gedichtet?  Ist  darunter  ein  einziges, 
welches  unter  Vernunfttheologen"  (?)  „Gnade  finden  kann,  wenn 
er  es  nicht  allenthalben  behackt  und  umformt ?V  Doch  haben  uns 
die  Worte:  Leib  des  Todes,  S.  68  nicht  gefallen.  —  Und  nun 
unser  Gesammturtheil?  Wir  empfehlen  das  Buch  recht  sehr  und 
zollen  dem  Verf.  unsere  verdiente  Hochachtung.   — 

Auch  Püllenbcrgs  sehr  beifällig  von  Kritikern  und  dem  Volke 
aufgenommenes  und  in's  Holland,  und  Polnische  übersetztes  katholi- 
sches Gebet-  und  Betrachtungsbuch  (Paderborn,  Wesener)  eig- 
net sich  sehr  für  Gymnasiasten  und  ist  in  manchen  Punkten  voll- 
ständiger, aber  es  geht  nicht  in  die  besondern  Verhältnisse  der 
Schüler  ein,  da  es  überhaupt  für  gebildete  Katholiken  geschrie- 
ben ist.     Ein  anderes  Buch  unter  dem  Titel:    Eulochium  graeco- 
latinum,  complectens  pias   preces,  meditationes  hymnosque  sa- 
cros.     In  usum  iuventutis  literarum  studiosae      Curavit  Dr.  Laur. 
Clem.  Gratz,  prof.  in  Lyceo  Dilingano  .  .  .  Campoduni  in  typogra- 
phia  Koeseliana  —  mag  seinem  Inhalte  nach  sehr  vortrefflich  sein, 
wir  würden   es  Gymnasiasten  des  unklassischen  Lateins  wegen 
nicht  gern  empfehlen.     Desto  mehr  aber  wollen  wir  —  denn  da 
wir  in  diesen  Blättern  über  katholische  Erbauungsliteratur  wohl 
sobald  nicht  wieder  sprechen  werden  ,  so  muss  man  uns  noch  ein 
paar  Worte  erlauben  —   desto  mehr  wollen  wir  auf  die  Betrach- 
tungen des  Dr.  Joh.  Baptist  von  Hirscher,  Professors  in  Freiburg, 
über  die  sonntäglichen  Evangelien   des  Kirchenjahres  und  über 
sämmtliche  Evangelien  der  Fasten  mit  Einschluss  der  Leidensge- 
schichte (Tübingen,  H.  Laupp)  aufmerksam  machen.     Das  letzte 
Werk  hat  schon  mehrere  Auflagen  erlebt  —  1836  die  5.  —  vom 
ersten ,  dessen  2.  Band  wir  mit  Sehnsucht  erwarten ,  ist  die  2. 
Ausgabe  des  1.  Bandes  (Advent  bis  Ostern)  [1838]  unverändert  ge- 
blieben, eine  sehr  anerkennende  Beurtheilung  von  Dr.  Mack  steht 
in  der  Tübinger  theol   Quartalschrift  (1839.  4.  Heft).     Man  sieht 
leicht ,  wie  einflussreich  es  für  den  Gymnasiasten  ist ,  über  den 
sonntäglichen  evangelischen  Abschnitt  eine  ihm  angemessene  Be- 
trachtung zu  seiner  Erbauung  lesen  zu  können.     Was  Hirscher 
nach   unserm  Urtheile  besonders  auszeichnet ,  ist  nicht  nur  die 
gemüthliche  Wärme,  mit  der  er  das  Wort  Gottes  dem  Herzen 
nahe  zu   legen  weiss,  sondern  auch  vor  Allem  der  fruchtbare 
Scharfsinn,  womit  er  es  deutet,  und  die  psychologische  Tiefe, 
wodurch  er  es  auf  die  Hauptrichtungen  der  menschlichen  Seele 


Micus:   Katliol.  Gebet-  und  EibauuDgsbuch.  313 

anzuwenden  und  diese  in  ihren  geheimsten  Regungen  zu  belau- 
schen  versteht.     Es  ist  meines  Erachtens  eine  Haupttugend  der 
Erbauungsschriften,  wenn  der  besserungswillige  Leser  sich  oft 
durch  dieselben  getroffen  fühlt  und  sich  selbst  durch  sie  klarer 
wird ;  ich  fand  es  vorzugsweise  in  Hirschers  Betrachtungen  (und 
seiner  Moral).     Insbesondere  scheint  uns  der  Hr.  Verf.  in  seinen 
Betrachtungen  über  die  sonntäglichen  Evangelien  auf  die  Glau- 
benspunkte, gegen  welche  unsere  Zeit  vorzüglich  ankämpft,  aus- 
gezeichnete Rücksicht  genommen  zu  haben.     So  ist  die  Gottheit 
Christi  aus  des  Herrn  eigenen  Aussagen  und  denen  der  Apostel 
und  der  folgenden  Gläubigen  herrlich  erwiesen,  und  die  Unantast- 
barkeit jener  Aussagen  ist  dadurch  siegreich  dargethan ,  dass  sie 
uns  als  durch  Wunder  bestätigte,  durch  das  Zeugniss  des  himmli- 
schen Vaters  anerkannte,  vom  Demüthigsten  und  Anspruchlose- 
sfcen  herrührende,  den  Bedürfnissen  und  Interessen  der  Menschen 
höchst  angemessene  Aussagen  vorgestellt  werden.     So  ist  ferner 
die  ewige  Verdammung  des  unbekehrten  Sünders  in  überaus  ein- 
dringlicher Sprache  geschildert  und  vor  dem  Verstände  gerecht- 
fertigt, wobei  uns  nur  der  Hr.  Verf.  d*ie  Notwendigkeit  der  Holle 
aus  der   unendlichen  Liebe   Gottes  gegen  die  Gesammiheit  der 
vernünftigen  Wesen  nicht  genug  zu  begreifen  scheint,  und  wo  er 
die  Ausflucht,  Gott  werde  auch  dem  hartnäckigsten  Süsider  noch 
unter  anderen  Einflüssen  (z.  B.  auf  den  Sternen)  Zeit  zur  Bekeh- 
rung geben,  nicht  durch  die  Bemerkung  abschneidet,    dass  der 
Allmächtige  liier  die  Menschen  in  den  Jahren  des   Erdenlebcns 
den  verschiedensten  Einflüssen   genug  aussetzen  kann.     Andere, 
nirgend  eine  Hauptsache  betreffende  Ausstellungen  aus  Mangel  an 
Raum  übergehend  weisen  wir  nur  auf  die  Darstellung  der  Demuth 
(332  sonnt.  Ev.,  566  Fastenbetr.),  des  Aufschubes  der  Bekehrung 
(sonnt.  Ev.  103),  der  Lauigkeit  das.  116;  der  Menschenwürde 
218;    des  Gottvertrauens  das.  412;    der   Ausreinigung,  die  uns 
allen  Noth  thut,  das.  99;  des  Naturlebcns  in  Verbindung  mit  hei- 
ligen Festen  das.  231 ,    der  Leiden  des  Herrn  (Fastenbetr.  558 
u.s.w.)   hin,  und  wir  würden,  wenn  wir  unserer  Neigung  folg- 
ten, fast  AllesTtuszeichnen.     Die  sprachliche  Darstellung  ist  ein- 
dringlich, plastisch,    vielfach   originell.     Wie   anschaulich:    sich 
dem  Ersehnten  entgegen  heiligen!  (sonnt.  Ev.  S.  115).     Dennoch 
erlauben  \\'\v  uns,  gerade  in   diesen  Blättern   einige  sprachliche 
Nachlässigkeiten  und  Druckfehler  aus  dem  zuletzt  genannten  Bu- 
che anzuführen.     Dahin  rechnen   wir   das  so   oft  wider  den  ge- 
wöhnlichen Schrcibgebrauch   ausgelassene  Komma   nebst  andern 
aussergewöhnlich  gesetzten  Satzzeichen,  ferner  &cligkcitgcbend 
S.  30;  (es  ist  überhaupt  ausserordentlich  schwer,  Konsequenz  in 
der  Setzung  des   grossen  Anfangsbuchstabens  zu  haben  —  vergl. 
etwas  \\m\  Vieles  lüO,  Jenes  99,  Wer,  nichts  103),  leidenschaft- 
voll, sehnsuchtlos  S.  11,  76,  135,  1S5;  de»  Spreu  97;  mit  tau- 
send Yonirlhcii  und  Eigennutz  172;  diesöfälligl93,295;  die  Idee 


314  Schulgcbete. 

—  hingesteckt  211;  Schwülen  (Schwielen)  19;  während  dem 
225,  397 ;  ausgereckten  Fingers  406,  weisst  (weis't)  409 ;  S.  178 
Joh.  II.  statt  Luk.  II.;  gewesen  423;  816  ist  konfite  undeutlich; 
S.  100  steht  „ihn"  für  „ihm",  Schwerdt  171,  Aerndte  99,  in  für 
ist  S.  287;  S.  504  fehlt  welche;  S.  20  die  ewig  Ewigkeiten  für 
„ewigen";  272  steht:  den  Knaben  wissen,  welcher  er  sei  (hebr. 
oder  griech.  Konstr.) ;  entgegen  gehen  zu  können  ivünschen  wer- 
den 14;  habt  uns  verächten  zu  dürfen  geglaubt  92;  dem  Armen 
etwas  augedrückt  100;  Bereinigung  102;  was  sie  sein,  haben 
oder  gelten  möchten  137 ;  132  stände  der  Uebersichtlichkeit  hal- 
ben besser:  dass  sie  .  .  dastehe,  und  dass  ausgeschieden  sei; 
S.  184:  „wenn  der  Sohn"  .  .  ist  ein  Anakoluth.  Auffallend  ist 
auch  S.  120:  „hinerweichen"  für  „innerhalb  welcher"  und  300: 
„wäre  er  gesessen",  497:  „waren  gestanden",  obgleich  auch 
Schiller  (Ausg.  in  1  Bd.  S.  477)  sagt:  Ich  bin  vor  Fürsten  gestan- 
den; vrgl.  Luthers  Bibelübers.  3  Mos.  13,28.  Wir  haben  oben 
erwähnt,  dass  Hirscher  auch  des  Naturlebens  in  Verbindung  mit 
den  heil.  Festen  gedächte;  mehr  leistet  in  dieser  Hinsicht  Stau- 
demaiers  (Prof.  der  Theol.  in  Freiburg)  Geist  des  Christenthums, 
dargestellt  in  den  heiligen  Zeiten,  in  den  heil.  Handlungen  und  in 
der  heil.  Kunst  (Mainz ,  Fl.  Kupferberg).  Es  ist  bereits  die  2. 
umgearbeitete,  verbesserte  und  vermehrte  Auflage  des  vortreffli- 
chen Werks  1838  erschienen.  Dieses  Werk  möchten  wir  schon 
deshalb  Gymnasialbibliotheken  dringend  empfehlen ,  weil  es  dazu 
beitragen  mag,  den  Sinn  für  dio  Natur  rege  zu  machen  und  die 
Schüler  dem  Stubenhocken  und  dem  vornehmen  Stadtleben  zu 
entwöhnen.  Eben  so  wohlthätig  kann  es  für  den  Kunstsinn  wer- 
den. Wir  sehen  gar  häufig  Kupferstiche,  z.  B.  von  Raphaels 
verklärter  Madonna,  oder  seiner  Verklärung  Christi,  von  Vinci's 
Abendmahle  u.  s.  w.  oder  hören  eine  musikalische  Messe,  sehen 
grossartige  Werke  der  christlichen  Architektur  und  Skulptur; 
man  glaube  doch  nicht,  dass  der  Jüngling  in  solche  Herrlichkei- 
ten eindringe,  ohne  einen  leitenden  Cicerone!  Den  nun  vertritt 
dieses  Buch.  Und  welcher  Gewinn,  wenn  der  junge  Mann  alles 
Dieses  vom  religiösen  Gesichtspunkt  aus  anschauen  lernt!  So 
werden  ihm  auch  die  kirchlichen  Feste  lebendig  und  Leben  ge- 
bend, und  manche  vortreffliche  christliche  Hymnen  und  sonstige 
tief  christliche  Lieder  werden  so  mehr  Gemeingut.  Vielleicht 
gewinnt  der  hochgeehrte  Hr.  Verf.  durch  Zusammenziehung  all- 
gemein gehaltener  Reflexionen  noch  Raum ,  einige  solcher  zarten 
Dichtungen  aufzunehmen,  wie  wir  dann  zu  der,  soviel  wir  wis- 
sen, nur  eben  S.  438  erwähnten  Stations-  oder  Kreuzwegsan- 
dacht das  tiefempfundene  Gedicht  von  Angelus  Silesius  (Bearbei- 
tung von  Winter  und  Sprenger.  Mannheim  bei  Hoff  1838,  S.  74) 
vorschlagen  würden.  Zu  einzelnen  Ausstellungen  an  diesem  treff- 
lichen und  so  sehr  beifällig  aufgenommenen  Werke  bleibt  uns 
kein  Raum,  doch  möchte  der  Hr.  Verf.  den  Faschingsfreuden  in 


Alto  christliche  Lieder  übersetzt  von  Freyberg.  315 

seiner  idealisirenden  Darstellung  vielleicht  zu  viel  Vorschub  lei- 
sten, und  neben  der  Schilderung  der  Charwoche  lesen  wir  immer 
noch  gern  Hock's  Charwoche  in|  seinen  Novellen  und  Erzählun- 
gen (Wien  1839  Leop.  Grund.  Leipzig  Fr.  Fleischer).  Mitunter 
möchte  die  Darstellung  unbeschadet  der  Tiefe  deutlicher  sein 
Können,  wie  z.  B.  S.  185,  125  u.  s.  w.  • 

Coesfeld.  Teipel. 


Alte    Christliche   Lieder.      Uebersetzt  und  nebst  einem  An- 
hange herausgegeben  von  Dr.  //.  Freyberg.      Zerbst  1831).  '8.    86  S. 

Unter  diesem  Titel  hat  Hr.  Dr.  Freyberg  ausser  den  bekann- 
teren lateinischen  Hymnen:  Stabat  inaler  dolorosa,  Veni  sanete 
Spiritus  ^  Dies  irae ,  dies  illa,  nocli  folgende,  minder  bekannte 
Lieder  herausgegeben  und  mit  einer  metrischen  Uebersetzung 
ausgestattet:  Altitudo,  quid  hie  iaces,  Cur  mundus  militat  sub 
vana  gloria,  O  Roma  nobilis  orbis  et  domina,  Parvum  quando 
cerno  deum,  Hora  norissima  t empor a  pessima  sunt:  vigilemus ! 
Pone  luctum,  Magdalena,  Quid,  tyranne,  quid  miliaris  ?  Flau- 
dite  caeli,  Consolatrix  pauperum.  Der  Anhang  liefert  1)  ein 
*  on  dem  Herausgeber  selbst  verfasstes  lateinisches ,  zugleich 
deutsch  übersetztes  Lied:  Cogitationes  Jesu  Golgatha  ascen- 
dentis;  2)  Huss;  3)  Die  Ideale  von  Schiller  ins  Lateinische 
übersetzt  von  Hrn.  Dr.  Freyberg. 

Was  zuvörderst  die  Originale  der  alteren  lateinischen  Hvm- 
n cn  betrifft,  so  scheint  der  Herausgeber  nicht  überall  aus  ganz 
lauteren  Quellen  geschöpft  zu  haben.  Da  dem  Büchlein  weder 
ein  Vor-  noch  ein  Machwort  beigegeben  ist,  so  können  wir  über 
die  Veranlassung  und  über  den  Zweck  dieses  Unternehmens  über- 
haupt kein  vollständiges  Urtheil  abgeben.  Jedenfalls  scheint  die 
ganze  Anlage  eines  tieferen  Planes  und  gründlicher  Studien  auf 
dem  Gebiete  der  alten  Hymnologie  zu  entbehren.  Der  Heraus- 
geber mag  von  einzelnen  Liedern  besonders  angezogen  worden 
sein  ,  und  nachdem  er  einen  Theil  davon  übersetzt ,  sich  zu  einer 
Veröffentlichung  seiner  desfallsigen  Versuche  bewogen  gefühlt 
haben.  Aber  auch  von  diesem  beschränkteren  Gesichtspuncte  aus 
betrachtet,  dürften  die  gebotenen  Früchte  zum  grossen  Theil  für 
noch  unreif  zu  erklären  sein.  Wählen  wir  zuvörderst  den  herr- 
lichen Hymnus  Veni  sanete  Spiritus ,  dessen  dritte  Strophe  sehr 
steif  also  übersetzt  ist : 

0  bcsccligcndcr  Strahl! 
Fülle  Du  doch  allzumal 
an  die  Herzen,  die  Dir  treu! 
Ohne  Deiner  ff'eihc  Kraft 
was  der  Mensch  auch  denkt  und  schafft, 
nichts  ist  ganz  von  Sünde  frei. 


316  Lateinische  Kirchenlieder. 

Noch  weiter  von  der  wunderbaren  Einfachheit  des  Originals 
entfernt  sich  Strophe  4 : 

Wasche ,   was  befleckt  zu  schaun, 
■und  was  dürr  ist ,  lass  bethaun, 
heile,  iras  verwundet  ivird  ! 
Biege  Du,  ivas  spröd  und  hart, 
wärme,   was  vom  Frost  erstarrt, 
Leite ,  was  sich  hat  verirrt ! 

Das  Original  führt  aber  unwillkürlich  zu  einer  viel  weniger 
künstlichen  Uebersetzung  hin: 

Lava  quod  est  sordidum,  Wasche  ivas  beflecket  isty 

riga  quod  est  aridum,  labe  ivas  verdörret  ist, 

sana  quod  est  saucium,  heile  was  verwundet  ist, 

flecte  quod  est  rigidum,  beuge  was  erstarret  ist, 

fove  quod  est  f rigidum,  wärme  was  erkältet  ist, 

rege  quod  est  devium.  lenke  ivas  verirret  ist. 

Noch  auffallender  stellen  sich  jene  Steifigkeiten  in  der 
Uebersetzung  von  Dies  irac  heraus,  worüber  wir  indessen ,  da 
diese  Sequenz  schon  so  oft  übersetzt  worden  ist,  hier  nicht  um- 
ständlicher sprechen  wollen:  das  jedoch  möge  nicht  unerwähnt 
bleiben,  dass  der  Herausgeber  die  beiden  letzten  Strophen  im 
Original  wie  in  der  Uebersetzung  ganz  weggelassen  hat.  Ist  das 
Willkür,  oder  welcherlei  Hülfsmittel  sind  zu  Ilathe  gezogen  wor- 
gen'?  Gerade  die  Schlussstrophe  übt  eine  um  so  gewaltigere 
Macht  auf  das  religiöse  Gefühl  aus,  als  sie  beruhigender  Natur 
ist,  nachdem  vorher  die  Verdammung  der  Bösen  durch  den  Rex 
tremendae  ?naiestatis  (hier  sehr  matt  wiedergegeben:  Fürst  mit 
furchtbar  strengen  Mienen;  weit  besser:  König  furchtbar  hoch- 
erhaben)  so  erschütternd  auf  das  Gemüth  eingewirkt  hatte : 

Huic  ergo  parce  Deus.  Lass  ihn  also  Gnade  finden! 

Tic  Jesu  ,   dominc,  Frommer  Jesu ,    Mittler  Du, 

dona  eis  requiem.  Amen.  gieb    dass    sie  in  Frieden  ruhn. 

Amen. 

Mehr  gelungen  ist  im  Ganzen  die  Uebersetzung  von  des  hei- 
ligen Augustinus  Gegengift  gegen  die  Herrschaft  der  Sünde, 
welche  wir  daher  als  Probe  vollständig  mittheiien  wollen: 

Quid,   tyrnune ,  quid  miliaris?  Drohe  nicht,  Tyrann  der  Sünden! 

quid  usqtium  puenarum  est,  was  von  Qualen  Du  erdaobt 

quidquid  landein  inacliiiiaris,  und    was    du    noch    magst    er- 

finden, 
hoc  amanti  parum  est.  machtlos  ist's  wo  Liebe  lacht. 

Dul ce  mihi  cruciari,  Süss  ist's  unter  Schmerz  zu  lie- 

ben, 


Alte  christliche  Lieder  übersetzt  von  Freyberg 
parva  vis  doloris  est; 


317 


malo  niori  quam  foedari, 
uiaior  vis  auioris  est. 

Para  rogos  quaravis  truces 
et  quidquid  flagrorum  est, 
adde  ferrum  ,  adde  cruecs, 

nil  adhuc  anianti  est. 
Dulce  mihi  cruciari, 

parva  vis  doloris  est: 

malo  mori  quam  foedari, 
raaior  vis  amoris  est. 

Niniis  hlandus  dolor  ille, 
una  mors  quam  brevis  est, 
cruciatus  amo  millc, 
omnis  poena  levis  est. 
Dulce  mihi  sauciari, 

parva  vis  doloris  est: 

malo  mori  quam  foedari, 
limine  vis  amoris  est. 


schwach  ist  jeder  Schmerz  und 

klein; 
lieher  todt  als  sündig  leben, 
stärker  wird  die  Liebe  sein. 

Magst  mit  Scheiterhaufen  dräuen 
und  mit  jedem  Strafgericht, 
mich  dem  Schwert,  dem  Kreuze 

weihen, 
meine  Liehe  schreckst  Du  nicht. 
Süss  ist's  unter  Schmerz  zu  be- 
ben, 
gehwach  ist  jeder  Schmerz  und 

klein: 
lieber  todt  als  sündig  leben, 
stärker  wird  die  Liebe  sein. 

Welche  Wonne  diese  Schmerzen 
und  wie  kurz  ein  Tod  allein! 
tausendfache  Lieb  im  Herzen, 
werd  ich  stark  im  Dulden  sein. 
Süss      ist's      Wundenqual      zu 

schmecken, 
schwach   ist  jeder  Schmerz  und 

klein  : 
lieber  todt  als  Süiidenflecken, 
stärker  wird  die  Liebe  sein. 


Der  in  jeder  Strophe  wiederkehrende  und  nur  in  der  letzten 
in  einem  einzigen  Worte  veränderte  Refrain  hätte  dem  Herausge- 
her S.  52  f.  zur  Richtschnur  dienen  sollen;  denn  sowie  hier  im 
Refrain  der  Grundgedanke  des  ganzen  Liedes,  dass  die  Liebe 
stärker  sei  als  jedwede  Qual,  immer  wiederkehrt,  ebenso  muss 
in  jenem  Auferstehungshymnus  der  Grundgedanke,  um  den  sich 
alle  Erscheinungen  der  im  Frühling  wieder  auflebenden  Natur  wie 
um  ihre  Angel  drehen,  nach  jeder  vierzeiligen  Strophe  als  Refrain 
wiederholt  werden ;  und  dann  erhält  das  ganze  Lied  erst  seine 
volle  Kraft  und  erscheint  in  seiner  hohen  poetischen  Schönheit. 
Das  hat  aber  unser  Uebersetzer  nicht  gefühlt,  indem  er  erst  in 
tler  dritten  Strophe  den  Refrain  einfallen  lässt,  dagegen  die  vor- 
hergehenden Verse  in  je  achtzeilige  Strophen  zusammenzieht,  so 
dass  man  Anfangs  glauben  möchte,  es  würde  einem  ein,  wenn 
auch  so  recht  schönes  Frbhlingslied  geboten,  das  aber  erst  in  der 
Verbindung,  worein  es  mit  der  Auferstehung  des  Wcltheilandes 
gesetzt  ist,  seine  höhere  Weihe  empfängt.  Merkwürdig,  dass 
auch  hier  der  Refrain  der  Schlussstrophe  in  Einem  Worte  verän- 
dert ist  (io  statt  namque).    Da  uns  ausserdem  die  von  Hrn.  F.  ge- 


318 


Lateinische  Kirchenlieder. 


gebene  Verdeutschung  nicht  allerwege  befriedigt  hat ,  so  haben 
wir  uns  in  einer  neuen  versucht,  welche  hier  neben  dem  ex  con- 
iectura  in  6  Strophen  hergestellten  und  nunmehr  in  seiner  wah- 
ren Bedeutung  erscheinenden  Original  einen  Platz  finden  möge: 


Auferstehung  des  Herrn» 


Flaudite  coeli, 
rideat  aether, 
su  minus  et  inius 
gaudeat  orbis. 
Namque  revixit 
siouti  dixit 
pius  illilCsUä 

innere  Jesus. 


Jauchzet  ihr  Himmel, 
säuselnde  Lüfte, 
jubelt  ihr  Höhen, 
rauschende  Klüfte! 
Wieder  er  kehrte, 
gleichwie  er  lehrte, 
Jesus  erstanden 
von  Todesbanden, 


Transivit  atrae 
turba  procellae, 
gubiit  almae 
gloria  palmae. 
Namque  revixit 
sicuti  dixit 
pius  illacsus 
funei'c  Jesus. 


Stürmische  Winde 
wehen  gelinde, 
Palmen  sich  heben 
frisch  aufzuleben. 
Wieder  er  kehrte, 
gleichwie  er  lehrte, 
Jesus  erstanden 
Von  Todesbanden. 


Surgite  verni 
ßurgite  flores, 
germina  pictia 
surgite  campis. 
Namque  revixit 
sicuti  dixit 
pius  illaesus 
funere  Jesus. 


Blüthen  erspriesset, 
Blüthen  des  Lenzes, 
Keime  entschliesset 
buntem  Gefilde ! 
Wieder  er  kehrte, 
gleichwie  er  lehrte, 
Jesus  erstanden 
von  Todesbanden. 


Teneris  mistae 
viulis  rosae, 
Candida  sparsis 
lilia  calthis. 
Namque  revixit 
sicuti  dixit 
pius  illaesus 
funere  Jesus. 


VTeilchen  und  Ro6en 
zärtlich  sich  kosen, 
Tulpen  sich  reinen 
Lilien  einen. 
Wieder  er  kehrte, 
gleichwie  er  lehrte, 
Jesus  erstanden 
von  Todesbanden. 


Currite  plenis 
carmina  venis, 
fundite  laetuni 
barbita  roetrum. 


Lieder ,  aus  vollen 
Adern  gequollen, 
Laute,  erklungen, 
lustig  gesungen! 


Bibliographische   Berichte.  310 

Namque  rcvixit  «  Wieder  er  lehrte, 
eicuti  dixit  gleichwie  er  lehrte, 

pius  illaesus  Jesus  erstanden 

funere  Jesus.  von  Todesbanden. 

Flaudite  montes.  Felsen  ,  erklinget, 

ludite  fontes,  Quellen,  entspringet, 

resonent  valles,  Hügel ,  hernieder, 

repetant  colles:  Thäler  tönt  wieder! 

Io  revixit  Frohlockt,  er  kehrte, 

sicuti  dixit  gleichwie  er  lehrte, 

pius  illaesus  Jesus  erstanden 

funere  Jesus.  von  Todesbanden. 

Der  eben  so  tiefe  poetische  als  hohe  religiöse  Gehalt  dieses 
Liedes  springt  am  meisten  in  die  Augen ,  wenn  man  den  Refrain 
nicht  als  eine  leere  Wiederholung ,  sondern  lediglich  als  das  Cen- 
trura  unitatis  ansieht,  so  zwar,  dass  das  Wiederaufleben  der 
ganzen  Natur  nach  dem  langen  Winterschlafe  gleichsam  als  eine 
unmittelbare,  in  jedem  Jahre  sich  erneuernde  Folge  der  Aufer- 
stehung des  Heilandes  erscheint. 

Dr.  N.   Bach. 


Bibliographische    Berichte. 


De  quibusdam  negandl  formulis  latinorum  accuralius  explicandis 
scrlpsit  A.  Cr  am  er.  Cöthen  1838.  Hr.  Collaborator  Crainer  in  Cö- 
then,  der  vor  4  Jahren  bereits  durch  ein  Programm  de  studii  literarum 
antiquarum  utilitate,  das  wohl  höchstens  nur  durch  die  Form  auf 
Neuheit  Anspruch  machen  kann,  zu  dem  Examen  der  Hatiptschule 
in  Cöthen  einlud,  hat .  auch  hier  dem  gleichen  Geschäfte  sich 
unterzogen,  und  einen  Theil  seiner  wissenschaftlichen  Untersuchungen 
auf  dem  Gebiete  der  lateinischen  Partikellehrc,  wenn  man  diese  also 
nennen  darf,  in  dem  vorliegenden  Programme  niedergelegt.  Ich  muss 
gestehen,  dass  mich  die  Wahl  des  Gegenstandes  viel  erwarten  Hess ,  die 
Hoffnungen  aber  meistens  gar  nicht,  selten  nur  zum  Theil  befriedigt  sind. 
Man  verlangt  gewiss  in  jetziger  Zeit  von  einem  Lehrer,  der  ein  Pro- 
gramm schreibt  und  dadurch  gleichsam  den  wissenschaftlichen  Geist 
und  Sinn  der  Schule,  an  welcher  er  wirkt,  vertreten  soll,  dass  das- 
selbe wenigstens  ernstliche  Studien  vörrathe,  und  insofern  eine  Sache, 
die  bisher  nicht  genau  aufgefasst  oder  wohl  gar  falsch  dargestellt  ist, 
berichtige,  und  dadurch  einen,  wenn  auch  noch  so  geringen  Beitrag 
zur  Wissenschaft  gebe.      Sachen  aber,  die  jedem  Schüler  einer  höhern 


320  Bibliographische  Berichte. 

Classc  lieg  gelehrten  Gymnasiums  bekannt  sein  müssen  und  höchstens 
für  den  nächsten  Schulkreis  nassen  ,  der  gelehrten  Welt  in  einer  be- 
sonderu  Schrift  vorlegen  zu  wollen,  was  soll  daraus  der  Wissenschaft 
für  Nutzen  erwachsen  ,  wenn  Hr.  Dränier  sein  Programm  nicht  eben 
seinen  Schülern  bestimmt  hat.  Dadurch  geht  der  Zweck  der  Pro- 
gramme verloren,  die  nicht  für  den  Schüler  geschrieben  sind  und  ibm 
beweisen  sollen  ,  was  sein  Lehrer  versteht,  sondern  ein  Zeugniss  able- 
gen müssen,  wie  der  Lehrer  sich  bestrebt,  auch  wissenschaftlich  wei- 
ter fortzuschreiten,  und  wie  bei  ihm  Lehren  und  Lernen  in  treuer  un- 
zertrennlicher Verbindung  stehen.  Jener  ausgesprochene  Fall  trifft 
nun  Hrn.  Cr.  Programm  im  höchsten  Grade ,  denn  es  enthält  meistens 
Bemerkungen,  die  für  einen  Primaner  und  Sekundaner  zuletzt  recht 
gut  und  förderlich  sein  können ,  aber  gewiss  nicht  zur  öffentlichen 
Mittheilung  für  Gelehrte  sich  eignen ,  wenn  er  uns  nicht  etwa,  wie 
ich  aber  nirgends  ersehen  kann,  eine  Probe  abgeben  wollte,  wie  er 
eich  mit  seinen  Schülern  auf  dem  grammatischen  Gebiete  und  beson- 
ders der  Partikellehre  versuche.  Das  scheint  mir  aber  nicht  so,  und 
diese  Bemerkungen  sollen  in  allem  Ernste  gelehrte  Untersuchungen 
eein ,  da  Hr.  Cr.  mit  der  Göttlichkeit  der  Sprache  und  dem  göttlichen 
Berufe  dessen  sein  Programm  einleitet,  der  sich  dem  Sprachstudium 
widmet,  und  hiermit  also  anzudeuten  scheint,  dass  auch  er  jenen  gött- 
lichen ,  erhabenen  Weg  betreten  habe  und  jene  Göttlichkeit  in  sich  auf- 
nehmen und  dann  äusserlich  wieder  manifestiren  wolle.  Sonst  wüsste 
ich  wirklich  keinen  Grund,  warum  er  in  einer  so  langen,  ziemlich 
schwülstigen  Vorrede  grade  dieses  Capitel  abhandelt ,  das  doch  sonst 
mit  den  folgenden  sprachlichen  Bemerkungen  in  keiner  weiteren  Be- 
rührung steht.  Denn  es  als  Lückenbüsser  anzunehmen,  fühle  ich 
mich  nicht  berufen,  da  in  der  Weise,  wie  geschehen  ist,  ohne  die  ge- 
ringste 3Iühe  noch  einmal  so  viel  Notizen  über  lateinische  Partikeln 
aufgebracht  und  zusammengesetzt  werden  konnten.  In  der  Einleitung 
p.  3  —  9,  de  divina  linguarura  natura  vel  maxime  respicienda,  beweist 
Hr.  Cr.  zunächst,  dass  die  menschliche  Bede  von  Gott  herstamme  und 
ein  lebendiges  Bild  des  göttlichen  Geistes  sei ,  aber  durch  klimatische 
und  natürliche  Verhältnisse  nach  der  Individualität  des  jedesmaligen 
Volkes  sich  verschiedentlich  gestaltet  habe,  ibjss  ferner  wie  der  Saame 
der  Pflanze  immer  die  gleiche  und  seiner  Natur  analoge  Gattung 
treibe,  so  auch  der  menschliche  Verstand  eine  ihm  und  seinem  Wesen 
ähnliche  Rede  erzeuge  und  die  Sprache  demnach  ein  Bild  der  Seele  sei. 
Dieser  geistige  Process  aber  bleibe  ein  Geheimniss,  von  Niemand  noch 
ergründet,  wobei  viel  auf  die  Anschauung  und  die  eigenthümliche  Ver- 
bindung des  Körpers  und  der  Seele  ankomme  ,  und  weil  der  Verstand 
mehr  und  feiner  fühle,  als  er  es  mit  Worten  auszudrücken  verstehe, 
so  sei  jede  Bede  nichts  Anderes,  als  ein  Streben,  die  Worte  dem  Ge- 
fühle und  den  Gedanken  genau  anzupassen.  Ist  nun  aber  die  Sprache 
göttlichen  Ursprungs,  fährt  Hr.  Cr.  fort,  so  kann  auch  in  ihr  nichts 
Zufälliges,  Entgegenstrebendes  und  Unpassendes  liegen,  und  selbst 
das  ihrFreuidartige  aecommodirt  jede  Sprache  ihrem  Wesen.  Deshalb  ist 


Bibliographische  Berichte,  321 

auch  nichts  edler  und  des  Menschen  würdiger  als  das  Sprachstudium, 
und  nichts  ist  der  Ausbildung  des  Geistes  und  der  Entwickelung  des 
Scharfsinns  förderlicher,  als  ein  göttliches  Gesetz  durch  die  verschie- 
denen Sprachen  hindurch  sich  gleichmässig  hinziehend  zu  beobachten, 
und  die  verschiedene  Thätigkcit  und  Kraft  des  menschlichen  Geistes  in 
der  einzelnen  Sprache  zu  erkennen.  So  stehen  denn  Erkenntniss  und 
Einsicht  in  dem  Charakter  eines  Volkes  im  innigsten  Zusammenhange 
und  bedingen  sich  gegenseitig,  und  so  ist  Sprachvergleichung,  in 
neuerer  Zeit  besonders  angeregt,  ein  vorzügliches  Mittel  zur  Bildung 
geworden.  Wie  ferner  jede  Schriftstelle  aus  sich  heraus  erklärt  wer- 
den muss,  so  muss  auch  jede  Sprache  aus  ihrem  innersten  Wesen  her- 
aus erkannt  und  betrachtet  und  Alles  ihr  Widerstrebendes  nicht  Analo- 
ges völlig  von  ihr  geschieden  werden ,  indem  man  den  aligemeinen 
volksthümlichen  Geist  besonders  erforscht.  Diese  Sprachvergleichung 
passt  aber  weder  für  Schüler  noch  kann  sie  von  ihnen  ausgeübt  wer- 
den ,  ja  sie  wird  selbst  von  Vielen  verkannt  und  verachtet  und  nur  we- 
nige Männer  wie  Becker,  Grimm  und  Schmitthenner  u.  s.  w.  haben 
diesen  wahren  Weg  vollkommen  erkannt  und  angebaut.  Endlich  er- 
klärt sich  Hr.  Cr.  dahin,  dass  auch  sein  Zweck  sei,  im  vorliegenden 
Programm ,  so  wie  auch  in  andern  folgenden  ,  einzelne  Theile  aus  der 
lateinischen  Sprache,  die  von  der  unseligen  abzuweichen  schienen,  iin 
Zusammenhange  und  unter  dem  Lichte  eines  allgemeinen  Gesetzes  zu 
betrachten,  und  begegnet  zuletzt  der  möglichen  Verwunderung  eines 
Ungläubigen  über  diese  ziemlich  lange  praemissio  schlagend  genug  mit 
dem  Grunde,  dass  er  selten  Gelegenheit  habe,  seine  Gedanken  in  der 
Weise  zu  enthüllen  und  dass  ihm  daher  das  Programm  recht  erwünscht 
gewesen  6ei ,  6ein  Herz  dem  gelehrten  Publicum  zu  erschliessen. 
p.9.  Denique  vero  si  quis  forte  miretur,  quod  haec  tanta  praemiserim  et 
non  statiiu  rem  propositam  ineeperim ,  nihil  aliud  afferam  nisi  nie  hac 
occasione,  quae  modo  raro  offertur,  uti  voluisse  ad  dicendum  quod 
eentiam,  ut  quisque  intelligatur,  quomodo  de  hac  quaestiuneula  iudiciari 
vclim.  Zuerst  handelt  Hr.  Cr.  über  non.  Er  meint  nämlich  ,  dass 
es  in  der  lateinischen  Sprache  einige  Verneinungsformen  giebt,  in 
welchen  die  Negation  bei  einer  Vcrgleichung  mit  unserer  Sprache  über- 
flüssig oder  abgeschmackt  [supervacanea  aut  inepta]  zu  sein  scheine, 
dass  tlics  aber  wirklich  nur  scheinbar  und  als  ein  festes  Gesetz  für  die 
Sprache  anzuerkennen  sei,  dass  jede  Negation  ihre  eigentümliche  Kraft 
überall  bewahre.  So  sage  man  im  Deutschen  ich  verbiete  Dir,  es 
nicht  zu  thun  ;  ich  hielt  ihn  ab,  es  nicht  zu  tluin,  wie  die  Griechen 
bei  ähnlichen  Wörtern  unccyoqtvttv ,  cmt%t6&<u  u.  s.  w.  fit]  setzten  und 
weglicssen  ,  wahrend  die  Lateiner  hier  der  Negation  entbehrten  und 
blos  veto  te  faecre  sagten.  Eben  so  sei  „mc/it"  überflüssig  in  eini- 
gen Ausrufungen:  „was  habe  ich  in  Rom  nicht  alles  gesehen  ,  was 
habe  ich  nicht  für  Schmerzen  erduldet,  wo  der  Lateiner  sage :  quantas 
res  Komac  vidi!  quantos  dolores  perpessus  suni !  und  merkwürdiger 
Weise  wird  dazu  Cic.  Tusc.  5,32.  citirt,  welches  gerade  das  Gcgen- 
theil  beweist,  denn  wenn  man  den  Ausspruch  des  Socrates,  als  er  die 
iV.  Juhrb.  f.  P/dl.  i(.  Päd.  od,  Kril.  Bibl.  Bd.  XXVIII.  Hft.  3.         21 


322  Bibliographische  Berichte. 

reiche    Menge    Gold    und  Silber  in  einem  festlichen  Zuge  prangen  sah: 
„quam  multa  non  desidero"  nicht  ironisch  auffassen  mag,  so   sehe    ich 
wirklich  nicht  ein,  wie  Hr.  Cr.  mit  seiner  Bemerkung  auskommen  will. 
Doch   ohne   Rücksicht  darauf,    was   nützt   uns  jene   Beobachtung  hin- 
sichtlich    der    Auslassung    des     non    gegen    den    Geist   der  deutschen 
Sprache,   die  allenfalls  beim  Durchgehen  eines  lateinischen  Exercitium 
dem  Schüler  einer  mittleren  Classe  mit  grossem  Nutzen  gegeben  wer- 
den konnte?   Hütte  es  Hrn.  Cr.  wenigstens  nur  gefallen,  uns  den  Grund 
dieser   Erscheinung   anzugeben  ,    welchen  ich  z.   B.    im   letztern  Falle 
darin  suche,    dass  wir  dergleichen  Verbindung  uns   mehr  fragend   den- 
ken,  und    indem    wir   sagen,  „was    habe   ich  zu  Rom  nicht  Alles  ge- 
sehen"  ausdrücken  wollen,  dass  es  wohl  nichts  mehr  giebt ,    was   wir 
nicht  gesehen    hätten  ,    während    die    Römer  sie  mehr  als  Ausruf  auf- 
fassen ,     und    mit   natürlicher   Auslassung   der   Negation    blos    auf    die 
Menge  oder  Bedeutsamkeit  der  Gegenstände  hindeuten  wollen,   die  man 
in  Rom  gesehen  hat,  so  dass  der  besondere    Nachdruck    in    dem    Falle 
auf  quol  oder  quantas  res  ruhen  würde.      Auch  wir  können  ja  mit   dem- 
selben   Rechte   sagen:     Jl'ie    viel   sah    ich    zu    Rom!     Nicht    weniger 
schwach  und  höchst  unbedeutend  sind  die  Bemerkungen  über  quin ,  die 
p.  ll  — 14  sich  im  vollsten  Sinne  des  Wortes  breit   machen.       Hr.  Cr. 
will  nämlich  beweisen ,   daes  auch  im  Lateinischen    manchmal  die  Ne- 
gationspartikel   überflüssig  zu   sein   scheine ,  wie  bei  quin  nach  Vernci- 
nungsformeln  als  non  dubito,  fieri  non  polest,  non  mtiltum  abest,   noti 
recuso  ,    und  auch  hier  ist  alles    tu   buntscheckiger  Gestalt  untermengt. 
Auch    hier   fehlt   wieder    die    Angabe    eines    muthmasslichen  Grundes, 
und  Hr.  Cr.,  der  uns  auseinandersetzt,   dass  quin  zusammengesetzt   sei 
aus  dem  alten   Ablativus  qui  für  quo,   quo  und  non,  oder  aus  qui  qnae 
quod  und  non,  und,  um  ja  nicht  missverstanden  zu  werden,  Beispiele  als 
qui  fit  qui  deus  potest  falli  pro    quomodo    citirt   [ja  damit  wir  glauben, 
auch  Cicero  habe  qui  für  quomodo  gebraucht,  werden  Cicero  de   IV.  D. 
3,   31.    als    Gewährsmann    der    letzten  Worte  angeführt ,  warum    nicht 
leichter  Eutrop  und  Nepos?],   meint,   dass  quin  auch  im  angedeuteten 
Falle    als    zusammengesetzt    zu    betrachten    und  non  dubilo  quin  facias 
eigentlich   so   aufzufassen  sei:      Warum    solltest  Du  es  nicht  thun,   ich 
zweifle  nicht  daran.       Nachdem    er    dann   wiederum    recht  gewissenhaft 
eine    Stelle    aus    Cic.    de  Or.  2,  31).  non  possum  quin   cxclamem   hinge- 
schrieben   hat,    und    bei    uns    im    Deutschen    für   gleich    hält,   ob  ich 
sage:   Es  fehlt  nichts,   dass  ich  der  Unglücklichste  wäre    und    dass    ich 
nicht  der  Unglücklichste  wäre, will  er  jene  Verschiedenheit  derSprachen 
sogar  in  der  geringen  Entwicklung  des  Conjunctiv    in    unserer  Sprache 
suchen.      Wie    ich    das   verstehen  soll,   begreife  ich  freilich  nicht,  und 
vielleicht  mancher  mit   mir.      Warum  Iässt  uns  Hr.  Cr.  hier  im  Stich? 
Jene  Erklärung,  dass  wir  den  Satz  mit  quin  als  Frage  auffassen,  reicht 
nicht    aus.       Sollte    hier    durch    die    doppelte  Negation ,   die  in  beiden 
Sätzen  sich  findet,   nicht  die    Verneinung   stärker    hervorgehoben   wer- 
den,  indem  sie  in  jedem  Gliedc  gleich  stark  hervortritt?    Doch  glaube 
Hr.  Cramer  nicht,  dass  ich  meine  Vermuthung  nur  irgendwie  als  Wahr- 


Bibliographische  Berichte.  323 

heit  ausgehe,  ich  will  ja  nicht  über  den  Gebrauch  der  Negationspar- 
tikcln  bei  den  Römern  nähern  und  bessern  Aufschluss  geben !  Ja  um 
die  negative  Kraft  dieser  Partikel  herauszustellen,  an  der  wohl  noch 
kein  Mensch  gezweifelt  hat  und  jemals  zweifeln  wird  ,  führt  er  den 
Beweis  an,  dass  man  quin  oft  mit  ut  non  (?)  oder  cur  non  verwechselt 
finde.  Recht  schlagend  wird  hier  wieder  Cic.  Verr.  II,  11.  ficri  non 
potest,  nt  cum  tu  in  tua  provincia  non  cognoris;  so  Cic.  Agr.  11,27.  quid 
est  causac ,  quin  decemviri  .  .  ,  possint  deducerc  verglichen  mit  ad 
Famil.  II,  13.  quid  est  causae,  cur  non  sit  in  optatis  angeführt.  Eben 
so  könne  man  ja  auch  statt  quin  nach  solchen  Negativsätzen  auch  quo- 
inimis  anwenden,  und  es  werden  wieder  nicht  mehr  als  1  Stellen  aus 
Cic.  Neposuind  Livius  angeführt.  Hr.  Cramer  konnte  sich  diese  ganze 
Auseinandersetzung  in  allem  Ernste  sparen  und  brauchte  blos  auf 
Schulzens  kleine  Schulgrammatik,  §  84.  p.  303.  n.  10  u.  11.  hinwei- 
sen ,  wo  wir  dies  Alles  finden.  Und  W9ZU  Beispiele  ,  die  man  schock- 
weise auffinden  kann.  Zuletzt  endlich  wird  die  französische,  italienische 
und  englische  Sprache  noch  verglichen,  die  ebenfalls  nach  den  Wör- 
tern des  Zweifeins  der  Negationspartikel  im  2.  Gliedc  sich  bedienen. 
Zugleich  endlich  wird  auch  die  fragende  Kraft  des  quin  z.  B.  in  quin 
prodis  mit  Indicativ  und  Imperativ  verbunden  [cf.Schulz  kleine  Scbulgr. 
1.  c.  n.  11.]  mit  5  Stellen  aus  Cic.  und  Liv.  bewiesen  und  der  Unter- 
schied zwischen  non  dubito  mit  acc.  c.  inf.  und  quin  dahin  bestimmt, 
dass  dann  der  acc.  c.  inf.  stehe,  sobald  man  nicht  frage,  sondern  nur 
anzeige,  dass  eine  Sache  nicht  zweifelhaft  sei.  Infinitivus  vel  aecusat.  c. 
inf.  post  verbum  non  dubitare  tum  sequuntur ,  quum  non  interrogatur, 
fied  modo  significatur  aliquam  rem  non  dubitari.  Ein  ganz  trefflicher 
Unterschied  ,  der  mir  freilich  zu  hoch  liegt.  Denn  wenn  ich  recht  se- 
hen kann,  ist  in  der  von  ihm  6clbst  angezogenen  Stelle  Cic.  pro  Flacco 
33.  tabulas  in  Laelii  potestate  fuisse,  num  dubium  est,  wirklich  eine 
Frage  enthalten,  und  wie  passt  also  Hrn.  Cr.  Bemerkung?  Viel  besser 
und  genauer  ist  der  sonst  oft  angegebene  Unterschied ,  dass  non  dubito 
auch  von  Cic.  da  mit  dem  acc.  c.  inf.  verbunden  werde,  wo  in  ihm  die 
feste  Ueberzetigung ,  der  unerschütterliche  Glaube  liegt  und  es  so  viel 
als  certo  scio,  persuasum  est  ausdrückt.  cf.  Dähnc  ad  Nep.  praef. 
Uebrigens  dürfte  die  Stelle  Cic.  ad  Farn.  16,  21.  und  Ncpos  praef.  nicht 
mit  Cic.  pro  Flacco  33.  verbunden  weiden,  da  Cicero  doch  wohl  in  dem 
Punkte  genauer  sein  mag,  als  Ncpos  und  Cicero's  Sohn.  Hier  ist  ge- 
wiss genau  zu  scheiden.  Nach  quin  handelt  Hr.  Cr.  über  vic  und  er- 
klärt uns  die  Erscheinung,  dass  nach  den  Worten  der  Furcht  und 
Besorgniss  ne  gesetzt  werde,  wo  wir  sagen,  „dass"  und  ut,  wo  wir 
sagen  ,,  dass  nicht/'  also:  nimirum  illa  verba  timendi  non  iunorem  so- 
Inm,  in  quo  quis  est,  significant,  sed  etiam  Studium  cam  rem  ,  quae  est 
contra  consilium,  quantum  licet  prohibendr.  Na  in  quod  timco  id  a  me 
reivotum  volo  stttdeoqve  renwvcre,  und  fügt  noch  hinzu:  Horuin  [sc.  Lati- 
norutn]  igitur  plus  est  actionis,  nostrorum  plus  scusuum,  mit  Anführung 
des  Griechischen  :  diöoiy.u  u>;  0  nacrn?  Ttjf.itQOv  c<7io&i')']OH7j,  und  wieder- 
um des  Französischen  und  Italicnischen.      So  sei  es  denn   auch   zu    er- 

21* 


324  Bibliographische  Berichte. 

klaren,   warum  nach  den  Wörtern ,  welche   eine   Sorge,    eine  Bemü- 
hung enthalten,   wie  cogitare,  consulere,  prospicere,  videre  u.  s.  w.  so- 
bald man  etwas  verhüten  wolle,  ne  gesetzt  werde,  und   hier  wird  wie- 
derum Cic.  pro  Lig.  10,  29.  videte  ne  erretis  jind  Farn.  4.9.  cogitandum 
est,  ne  tutius  non  sit  citirt.     Was  hat  nun  Hr.  Cr.  damit  erreicht?   Hat 
er  uns  durch  diese  Bemerkung  näher  in  das  Wesen  der  Negativpartikel 
„ne"    eingeführt?     Gewiss    nicht.      Diese  Bemerkung  gehe  ich  meinen 
Quartanern  und  wenn  ich  auch  das  Französische  und   Italienische  nicht 
vergleiche,     so   glaube    ich    doch,    dass    sie    mich    verstehen   und  die 
Sache  vollkommen  auffassen.      So  setzen  es  uns  alle  Grammatiker  aus- 
einander,    und   wozu    das  also  noch  einmal  wiedergehen   durch  fast  3 
Seiten  hindurch,   was  allgemein  bekannt  ist  und    von    Allen   so    erklärt 
wird  [cf.  Zumpt  Grammat.  §  533  u.  534].      Zuletzt  endlich  handelt  Hr. 
Cr.    p.   17  —  23   voü   den   Formeln    haud    scio    an,  nescio   an,   dubilo 
an,  incertum  est  an  und  verspricht,  nachdem  fast  Alle  an  einer  richtigen 
Erklärung  verzweifelt  hätten,  einen  neuen  Weg  einzuschlagen.  Unter  der 
Angabe  der  Interpreten,  die  ziemlich  dürftig  ist  und  sich  um  Vieles  ver- 
mehren licsse  ,    vermisse  ich  vor  Allen  Michael   Webers   vortreffliches 
Programm   „de  formularum   nescio  an  —  haud  scio  an  —  dubito  au 
—  vero  usu,  wo  mit  seltenem  Fleisse  die  bedeutendsten  Stellen  der  an- 
erkannt guten  Classikcr  gesammelt  und    erläutert  sind.      So  durfte  ge- 
wiss auch  die  genaue  Auseinandersetzung  dieses  Gegenstandes  bei  Hand 
Tursell.  Tom.   I.  (der  bereits  schon  im  J.  1829  erschien)  p.  314 — 330, 
die  fast  alles  Bekannte   enthält,   nicht  übergangen  werden,   da  sie   viel 
Lehrreiches  beibringt  und  leicht  manchen  Abweg  des  Hrn.  Cr.  verhütet 
haben   würde.      Er   geht  nämlich    von   der,    wie  mich  bedanken  will, 
ganz  falschen  Ansicht  aus ,   dass  an,  weil    es    bei  Doppelfragen    jedes- 
mal im  2.  Glied«  gesetzt  wird  ,  auch  niemals  allein  stehen  könne,  son- 
dern selbst  da,    wo  es  zu  Anfange  einer  Frage  gefunden  werde,    ent- 
weder auf  das  Vorhergehende  sich  beziehe,   und   also   nie    einen    neuen 
Gedanken    beginne,    oder   wo    es   so   zu  sein  scheine,  aus  dem  ganzen 
Zusammenhange   der   Rode  sich   das  Vorderglied  leicht  ergänzen  lasse. 
Wenn    Hr.    Cr.    also    verfahren    will,    so  lässt  sich  leicht  auch  die  ein- 
fachste Frage  zur  Doppelfrage    umgestehen ,     denn    da  jede  Frage  eine 
Ungewissheit,    einen  Zweifel  enthält,    so  liegt  allemal  sehr  nahe,  als 
das  2.  Glied  die  Negation  des  ersten  zu  ergänzen.      Z.  B.   bei  der  Fra- 
ge:  Bist  Du  zu  Hause  gewesen,   kann  man  ergänzen   oder  nicht,    und 
so    lässt   sich    zuletzt  Alles  auf  diesen  Doppelsinn  zurückführen.      Dass 
in  solchen  Fällen  natürlich  utrum  und  nuni  nicht  an  der  2.    Stelle    ste- 
hen   konnten,    lehrt    die   gesunde   Vernunft,    da   es    vermöge  ihrer  Be- 
deutung unmöglich  war.     Dasselbe  aber    was  Hr.  Cr.  von  an  beweisen 
will ,    fällt  eben   so   gut  auf  ne  zurück ,   aus  dem  von  mir  angeführten 
Grunde.      Ja  Hand  sagt  p.  299.  ausdrücklich   und  mit  vollem  Rechte: 
„Illud   tarnen   tenendam   est,    res   eas   quae  per  an  ponantnr ,  diversas 
esse  debere  et   constituere   novam   sententiae   partem ,    id   quod    nuper 
ctiiiin    Wunderus    observavit   in    Var.   Lect.  cod.  Erf.  p.  91.      Uebrigens 
räume  ich  Hrn.  Cr.  die  gemachte  Bemerkung  vollkommen  ein,  obgleich 


Bibliographische  Berichte.  325 

sie  keine  neue  ist  und  Hand  Tursell.  p.  305  sq.  hat   schon  scheinbare 
Abweichungen   meistenthcils   und   gründlich  beseitigt.      Richtig  ist  fer- 
ner der  Gedanke,   obwohl  nicht  so  ganz  im  Allgemeinen ,  wie    Hr.  Cr. 
will,   dass  im  2.  Gliede  meistens  eine  Steigerung,    ein   Gegenstand  von 
grösserem  Gewicht  enthalten  sei,  wie  in  Hör.  Sat.  2,  6,  73.  wovon  auch 
schon  Hand  I.  c.  gesprochen  hat.      Dass    aber    in    dem    2.    Gliede    eine 
höhere  Wahrheit  liege,  leugne  ich   vollkommen.      Z.  B.  Cic.  lib.  2.  ad 
Att.  cp.  6.,  um  ein  beliebiges  anzuführen,  quin  etiam  dubitem  an  hie  an 
Antii   considam.      Das  Gemüth   zweifelt  blos,    es  kann  sich  noch  nicht 
entscheiden,    denn  wenn  der  Gedanke,  zu  Antium   sich    niederzulassen, 
eine  höhere  Wahrheit,   eine  grössere  Wichtigkeit  enthielte,   so  muss  ja 
bereits  die  Wahl  getroffen  sein.      Beide    Oerter   sind    für   Cicero    noch 
gleich,   daher  schwankt  er.      Hr.  Cr.  hat  sich  durch  das   „lieber"   ver- 
leiten lassen,  dass  wir  hinzufügen  können,   ob  ich  mich   hier  oder  lie- 
ber zu  Antium    niederlasse,  aber  konnte  man  nicht  eben  so  gut  sagen, 
ob    ich    mich    lieber  hier  oder  zu  Antium   niederlasse,  und   dann  hätte 
ja  das  erste  Glied  den  Vorzug.      Das  „lieber"  soll  ja    nur  ausdrücken, 
dass    er  sich    für    einen    Ort   entscheiden    muss,    und  der,    welchen  er 
wählt,   allemal  der  vorzüglichere  ist.        Welchen?     Darum    handelt    es 
6ich  ja  eben  in  der  Frage.      So  wie  diese  Stelle    sind   aber  alle  zu    be- 
trachten,   und    Hr.    Cr.    wird    einsehen,    dass    sein    Gebäude  auf  sehr 
schwachen   und   gebrechlichen   Stützen  ruhe,    und   sein  Beispiel  Hörnt. 
Sat.  2,  6,  73.   Hesse  sich  auch    so    umkehren:  Ob    die   Menschen   wohl 
nicht   mehr    durch    Rcichthuiu  als  durch  Tugend  glücklich  sind.      Und 
liegt  endlich  in  dem  mit  an  beginnenden  Gliede  wirklich   eine   gewisse 
Entscheidung  ,    so    liegt    sie    gewiss    nicht  in  dem  an  ,   sondern  in  dem 
Zusammenhange,  in  der  Gedankenreihe  der  Stelle.      Die  Worte  utrum 
divitiis  homincs  an  sint  virtutc  beati,  aus    aller   Verbindung   der    Bede 
herausgestellt,  lassen  ganz  zweifelhaft,  ob  der  Mensch  mehr  durch  Tu- 
gend oiler  durch  Reichthum  glücklich  sei.      Doch  hören    wir,    wie  Hr. 
Cr.  sein  Gebäude  weiter  aufführt  und  stützt.      Er  meint  nämlich   p.  20. 
„ex  quo  ficile  [nämlich  aus  der   eben   angeführten  Meinung]  videmus, 
omne    discriincn    esse    in    particularum    ob    et  an   usu   diverso.       Nos 
enim  quum  utainur  ob  priore  loco  ,    Latini  autem  posteriore ,    sequitur, 
ut,    si    unum  -  tantiim    aliquid    interrogatur,     ad    sententiam   aecuratius 
Bignificandam  verba  affirmantia  vielmehr,  sogar,  selbst,  adiieiamus,   ne- 
cessc  sit,  quum  Latinorum  sola  particula  „an"  utendum  sit,  posteriore 
interrogationis  loco  usitata  per  se   veriorc.       Quoniain   nostra  particula 
„ob"  priorem  locuin  tenet ,   Latinorum  „an"  posteriorem,  ratio  pror- 
sus   inversa   est.      Rcctc  igitur  dieimus   nnlla  sententia    praetermissa : 
Ich  weiss  nicht,   ob  dies  nicht  sogar  wahr  ist,  Latini:   nescio  an  hoc  ve- 
rum sit,   omissis  verbis  „  utrum  lalsnin.  "        Da    arguiiicnlirt    aber    Hr. 
Ciamer   wiederum    sehr   falsch.       Nämlich   wenn    er  sagt,    dass  das  an 
upsern)  blossen  ,,ob"  im  eisten  Gliede  entspreche,   so  irrt  er  gar  sehr. 
Gebrauchen  denn  wir  unser   „ob"  nicht  auch  in  2.  Gliede,     z.    ß.  ich 
weiss   nicht,    ob   er  zu   Hause   ist,     ob  nicht?     Hr.    Ciamer   hat   sich 
nur  dadurch  täuschen  lassen,  dass  wir  bei   Donnclfragen  das  2.   J?ob" 


326  Bibliographische  Berichte. 

vor   dem   „oder"    meistens   weglassen.       Denn   eigentlich  müssen  wir 
sagen:  Ich  weiss  nicht  oh  er  gesund  oder  oh  er  krank  ist.      Steht  hier- 
nach oh  auch  an  der  2.  Stelle'?   Die  Partikel  ,,oh"  drückt  gewiss  eben 
so  gut   wie   im    Lateinischen   zuletzt  weiter  nichts  aus  als  den  Zweifel, 
die  Unbestimmtheit,  und  kann  im  Lateinischen  daher  eben  sowohl  durch 
utrum    als    an ,     als   num    und    nc    wiedergegeben  werden.      Und  setzt 
denn    endlich    eine    solche    Verbindung   wie    im    Deutschen  „Ich  weiss 
nicht,   ob  dies  nicht  sogar  wahr  ist,   nicht  auch  nothwendig  ein  Vordcr- 
glied   voraus    „ob   es    falsch  ist"   und  steht  dann  eigentlich  nicht  nun, 
Hrn.  Cr.  Theorie  zufolge,  jenes  ,,ob  dies  nicht  vielmehr  wahr  ist"  im  2. 
Gliede?  So  muss  denn  natürlich  auch  der  letzte   Schluss   p.   21.   falsch 
sein:   Ergo  quum  dicitur:   nescio  an,  haud  scio  an  etc.   pars    prior  cum 
aliqua   e   particulis   utrum   num  ne  omissa  est.      Tum  negata  sententia 
addenda  est  vox  negandi,  ut  vidcamus,  id  quod  volui,  verba  negandi  ubi- 
eunque  sint,  vere  esse  negantia,  quamvis  sit  nostra  ratio  contraria.    Das 
trifft  aber,   wie  ich  zeigte,    eben  gut  das  Deutsche  wie  das  Lateinische. 
Nehmen  wir  z.  B.  seine  erste  Stelle  aus  Cic.  de  Off.  3,  12,  4.  „  Sapicn- 
tem    et    bonum    virum   iingimus    qui    celaturus   lihodios  non  sit ,   si  id 
turpe  iudicet  sed  dubitet,  an  turpe  non  sit,  so  passt  sie  nicht  vollkom- 
men,   da  an  turpe  sit  vorhergeht,  was   gleich  gegen  Hrn.  Cr.  spricht, 
dass  an  nicht  im  ersten  Gliede  stehen  könne  Uiid  natürlich   das   Gegcn- 
theil    durch    non    eingeführt   werden  müsste.    Vgl.  übrigens  über  diese 
Stelle  Beier.      Ferner   liegt  ja  in  der  Negation  schon  vollkommen   der 
Gedanke   ausgedrückt,    dass    eigentlich   kein  Zweifel   mehr   sei,   z.B. 
Cic.  Brut.  33.  C.  Gracchus  si  diutius   yixisset,    nescio    an    habuisset  pa- 
rem  neminem.      Hier  will  Cic.  für  seine  Person  doch  mit  Bescheiden- 
heit den  Leser  jeder  Möglichkeit  berauben  ,  dem   C.   Gracchus  an   Bc- 
redtsamkeit  einen  andern  gleich  zu  stellen,    und  daraus  hätte  Hr.  Cr. 
gewiss  recht   gut   ableiten    können,  warum   gerade  in  diesen  Formeln 
eine  gewisse  Bescheidenheit  enthalten  sei  und   sie   zu   der    blossen   Be- 
deutung des  „vielleicht"  herabsanken.      Denn  anstatt  dass  Cic.   in   der 
obigen  Stelle  geradezu  sagte:   certo  scio  C.  Graccho,  si  diutius  vixisset, 
cloquentia  neminem  parem  fuissc,  drückt  er  es  mit  jenem  bescheidenen 
Zweifel   aus,  als  nescio    an.      Nur  der    einzige  Unterschied  waltet  hier 
wohl  zwischen  Deutsch  und   Lateinisch   ob,    dass  wir  gesagt    hätten, 
ob  er  einen  Gleichen   gefunden  hätte,  während  der  Lateiner  im  Stande 
ist,   durch  Hinzufügung  der   Negation  seine  volle  Meinung  in  beschei- 
dener Art  auszudrücken,  wir  aber  die  Sache   überhaupt   ganz  zweifel- 
haft   hinstellen.        Doch     kann     bei    uns    die    Negation    nicht    stehen. 
Denn  dass  ein  Unterschied  sei  zwischen  nescio   an  habuisset  parcin   ne- 
minem und  dem  Deutschen,  ob  er  Jemand  gehabt  hätte,  leuchtet  voll- 
kommen  ein,    wenn    auch   im    Allgemeinen   der    Sinn  zusammentreffen 
mag.     Die    Ideenassociation    ist   in   beiden    Sprachen  eine  ganz  andere. 
Daher  in  der  einen  die  Negation  steht,  wo  sie  in  der  andern  fehlt.  So  lassen 
eich  auch  die  Fälle  begreifen  ,  wo  man  an  tillus,  an  unquam  findet,  das 
mit  allem  Unrecht  von  Einigen  in  nullus  und  n unquam   verändert  wor- 
den ist.     Hr.  Cr.  erklärt  ihren  Gebrauch  so  :  usurpuntur  huc  formulae, 


Bibliographische  Berichte.  3-7 

uhieunque  scriptor  certam  suam  eententiam  superlativo  vcl  simili  modo 
aut  iain  edidit  aut  editurus  est,  sed  eunetatur  deliberans,  nuui  forte 
falso  dixerit,  atque  interrogat:  an  non  ita  est.  Ich  möchte  nach  dein 
früher  Gesagten  dagegen  die  Frage  mit  an  ohne  Negation  als  eine  im 
Ganzen  zweifelhafte  hinstellen  ,  wo  wie  im  Deutschen  sich  der  Autor 
weder  für  den  Einen  noch  für  den  Andern  entscheidet,  z.  B.  Themisto- 
clcs  quum  ei  Siinonides  an  quis  alias  artciu  memoiiac  polliccrctur,  d.  h. 
es  kann  es  eben  so  gut  Simonides  wie  jeder  Andere  gewesen  sein.  Ich 
möchte  daher  nicht  wie  Hr.  Cr.  bei  Nep.  Timol.  I.  Namque  hnic  iini  contigit 
quod  nescio  an  ulli,  lesen,  und  wie  er  so  erklären:  Apcrte  cnim  enuu- 
ciat  scriptor ,  Timoleonti  uni  contigiss e ,  quum  vero  hoc  ninüum  esse 
videatur,  adiieitur  an  ulli  (alii),  oder  noch  irgend  einem  Andern?  nescio 
eed  non  credo.  Nulli  zeigt  mir  wenigstens  an,  dass  Nepos  gleich  von 
vorn  herein  seine  subjeetive  Meinung  darin  ausspricht,  dass  es  wohl 
Niemand  gegeben  habe ,  doch  mit  der  höflichen  Beschränkung  der  Be- 
scheidenheit,  die  blos  in  jenem  nescio  an  liegt.  So  weit  Hr.  Gramer, 
dessen  Programm  ich  wenigstens  fleissig  durchgelesen  habe,  und  ich 
schliessc  mit  dem  Wunsche  diese  Zeilen,  dass  Hr.  Cr.  in  allen  diesen 
Ausstellungen  nur  das  Interesse  der  Wissenschaft  erkennen  möge. 
Halle.  Dr.  G.  F.  Hildebrandt. 


De  Q.  Horatio  Flacco  non  adulatore.  Scr.  F.  S.  Feldbausch. 
Hcidelbergae  1831).  8.  VIII  u.  48  S.  Nach  dem  Titelblatt :  Joscpho 
Loreyo,  Lycci  Rastadini  Ilecloril,  sacra  semisaecularia  agcnli  pie  graln- 
lantur  Lycei  Itastadini  Professores  interprete  F.  S.  F  e  1  d  b  a  u  s  c  h  io. 
Rastadii  XI.  Cal.  Qnintil.  anni  MDCCCXXX1X.  Dieses  Schriftchcn 
berührt  einen  Punkt,  in  welchem  schon  Mancher,  der  sonst  Horazens 
Vorzüge  zu  schätzen  wusste  ,  an  demselben  irre  geworden  ist.  Hr.  F. 
führt  als  Beispiele  aus  der  neuesten  Zeit  Monich  und  Orclli  an;  ich 
füge  dazu  P.  F.  Boos  t  und  W.  Menzel.  Der  Erstcre  hat  in  seiner 
Schrift:  „lieber  eine  Anklage  des  Hör.  Fl.  Eine  philologisch- morali- 
sche Untersuchung."  (Frankf.  a.  M.  1807.  8.)  alle  Stellen,  woraus  der 
Vorwurf  der  Schmeichelei  hergeleitet  werden  könnte  und  theihveise 
hergeleitet  worden  ist,  manchmal  recht  glücklich  in  ihr  wahres  Licht 
gestellt,  aber  an  die  Vergötterung  des  August  hat  es  sich  in  dem  Grade 
gc»tusscn ,  dass  er  zu  dem  erbaulichen  Resultate  kam,  ein  Kriechet 
zwar  sei  Horaz  nicht ,  wohl  aber  ein  recht  erbärmlicher  Schmeichler! 
Und  Menzel  sagt  in  seinem  Literatur- Blatte  J  183!).  Nr.  80,  S.  320. 
bei  Gelegenheit  der  Anzeige  von  Dr.  O  sw  a  1  d's  Schrift  über  Horaz 
(Leipzig  u.  Paris  1838.  8.):  „Man  kann  neben  dem  feinen  Geist  des 
Horaz  auch  sein  feines  Gefühl,  6einc  liebenswürdige  Humanität  prei- 
sen, man  kann  ihm  zutrauen,  dass  er  es  mit  der  dösen  Welt  gut 
meinte,  und  im  Grunde  seines  Herzens  edel,  nur  etwas  schwach  war; 
aber  man  kann  nicht  von  seinem  patriotischen  Schmerze  reden,  man 
kann  dem,  der  dem  Unterdrücker  der  Republik  zu  Hofe  ging,  ihm 
Oden  sang  und  sich  dafür  füttern  licss,  unmöglich  die  Tugenden  eines 
Cato  zuschreiben.    Horaz  wird  ewig  das  Ideal  eines  Hofpoctcu  bleiben, 


328  Bibliographischer  Bericht. 

eines  Dichters  ,  der  6ich  in  die  Zeiten  schickt  und  das  Leben  noch  ge- 
niesst,  wenn  Brutus  und  Cnto  nicht  mehr  sind.  Dcsshalb  war  H.  auch 
das  Ideal  der  Poeten  im  Zeitalter  Louis  XIV.  und  in  Deutschland  in  der 
erbärmlichen  Zeit  der  beiden  schles.  Schulen  bis  auf  Ramler."  Man 
6ieht,  Menzel  bat  (wie  sein  Freund  Börne,  nur  dieser  in  weit  geist- 
reicherer Weise)  die  Sache  so  auf  die  Spitze  gestellt,  dass  eine  eigent- 
liche Widerlegung  nicht  einmal  an  ihrem  Platze  wäre*).  Wenden 
wir  uns  zu  Feldbausch.  Sein  Hauptverdienst  ist ,  die  Wieland'schen 
Ansichten  so ,  wie  es  der  gegenwärtige  Stand  der  chronolog.  Untersu- 
chungen über  Horazens  Gedichte  mit  sich  brachte,  im  Einzelnen  durch- 
geführt zu  haben,  wiewohl  auf  eine  von  der  Lebendigkeit  Wielands 
etwas  abstechende  Weise.  Was  er  beweisen  will,  drückt  er  S.  2  f.  so 
aus:  1)  Hör.  hat,  so  lange  Octavian  als  Tr  in  in  vir  eine  ungesetzlich 
erworbene  Herrschaft  übte ,  niemals  dessen  Lob  gesungen.  2)  Später, 
als  jeder  Verständige  einsehen  musstc  ,  dass  bei  dieser  allgemeinen  De- 
moralisation ein  Fortbestehen  der  Republik  unmöglich  sei ,  und  als 
Oct.  die  Gewalt  aus  den  Händen  des  Volks  selbst  empfangen  hatte  und 
sie  zum  Besten  des  Staates  anwendete,  da  erkannte  auch  II.  den  Ur- 
heber dieser  Ordnung  der  Dinge  an,  was  er  aber  zu  dessen  Lob  sang, 
das  ist  nicht  nach  unsern  christlichen  Ansichten,  sondern  vom  Stand- 
punkte des  Aiterthums  und  im  Zusammenhange  mit  dem  Geiste  seiner 
Zeit  zu  beurtheilen.  Mit  dem  Letztern  zielt  F.  vornehmlich  auf  dio 
Apotheose  des  Aug.,  die  sich  in  manchen  Stellen  des  H.  findet,  und  er 
bespricht  gleich  (S.  3  — 12.)  diesen  Punkt  und  zwar  so,  dass  er  zuerst 
den  allgemeinen  Charakter  der  Religion  des  classischen  Aiterthums  auf 
eine  nicht  eben  tief  gehende  Weise  abhandelt  und  mancherlei  Einwen- 
dungen und  sich  aufdrängende  Fragen  beseitigt,  z.  B.  S.  5.  die,  war- 
um ein  Perikles,  ein  Scipio  u.  A.,  die  es  doch  nicht  minder  verdient 
hätten,  als  ein  Herakles,  Romulus  u.  ».  w.  nicht  auch  apotheosirt 
worden  seien,  dahin  beantwortet:  „quia  ipse  ille  vigor,  qui  cum 
continentia  ac  moderatione  perpetrare  raaxime  quaeque  änderet,  hu- 
manas  res  cum  diviuis  confunderc  prohibuit. "  Ich  will  hier  nicht  ein- 
mal premiren  ,  dass  in  dieser  Erwähnung  des  Herakles  der  von  Feldb. 
so  ganz  verdammte  Euhemerismus  sich  kund  giebt,  sondern  nur  auf 
das  Unklare  und  Ungründliche  des  sein  sollenden  Grundes  aufmerksam 
machen.  Der  einfache  Grund,  warum  ein  Pericles  und  Scinio  nicht 
auch  zu  Göttern  geschlagen  wurden,  liegt  darin,  dass  ßie  weder  sub- 


*)  Mancher  wird  sich  wundern ,  wie  M.  den  oben  erwähnten  Aus- 
spruch gerade  bei  Gelegenheit  der  Oswald'schen  Schrift  thun  konnte, 
da  doch  diese  viele  Gründe  für  die  entgegengesetzte  Ansicht  über  Hör. 
beibringt.  Aber  solche  Verwunderung  zeugt  von  grosser  Unbekannt- 
schaft mit  Hrn.  Menzels  Recensirweise.  Hr.  M.  blättert  in  dein  Buche, 
das  er  recensiren  will ,  bis  er  eine  Stelle  rindet,  an  die  sich  einer  seiner 
drei  Gedanken  anknüpfen  lässt,  sei  es  nun  in  beistimmender  oder  in  po- 
lemischer Richtung;  diese  Stelle  wird  dann  einzig  und  allein  hervorge- 
hoben ,  der  betretende  Gedanke  angehängt  —  und  siehe  da !  man  hat 
eine  Recension. 


Bibliographische  Berichte.  329 

jectiv,  noch  objectiv,  weder  in  dem  Glauben  ihrer  Zeit,  noch  in  der 
Wirklichkeit,  so  Behr  ihre  Zeit  überragten,  dass  man  ihnen  solche 
Ehre  erweisen  zu  müssen  geglaubt  hätte,  und  nur  die  Nachwelt,  die 
selbst  unter  jener  Zeit  steht  oder  dieselbe  nicht  im  Speciellen  erkannte, 
mag  Fragen  aufwerfen  wie  die  angeführte.  Jede  Vergötterung  geht 
wesentlich  hervor  aus  einem  Gefühl  von  Inferiorität;  dieses  Gefühl 
kann  aber  selbst  wieder  seinen  Grund  haben  entweder  in  einem  wirk- 
lich so  beschaffenen  Verhältnisse,  oder  aber  darin,  dass  den  Individuen 
das  Bewusstsein  ihres  eigenen  Werthes ,  ihres  nur  noch  nicht  zur  Ent- 
faltung gekommenen  inneren  Rcichthumes  noch  nicht  aufgegangen  ist: 
darum  finden  wir  solche  Apotheosen  nur  in  den  frühesten  Zeiten  —  wo 
sie  die  Huldigungen  sind  der  Frucht  dargebracht  vom  Keime  —  und 
dann  in  den  Zeiten  allgemeinen  Verfalles.  (Die  nur  tändelnden  der 
mittleren  Periode  berücksichtigte  ich  nicht.)  Ziehen  wir  noch  speciell 
den  Fall  der  Vergötterung  des  August  in  Betracht,  so  erinnern  wir  zu- 
vörderst an  das  historisch  beglaubigte  Factum  der  grenzenlosen  Liebe 
des  röni.  Volkes  zu  demselben,  und  wie  leicht,  wie  natürlich  macht  sich 
von  da  aus  der  Schritt  zur  Vergötterung.  Dem  Volke  sagt  sein  reli- 
giöses Bewusstsein:  Alles,  was  wir  haben,  haben  wir  von  den  Göttern. 
Damit  collidirt  aber  die  Erfahrung,  die  sie  belehrt,  dass  sie  ihr  Gutes 
von  diesem  August  empfangen.  Aus  dieser  Verlegenheit  rettet  sich 
aber  das  Volk  (man  bedenke  doch  ja,  dass  es  ein  heidnisches  ist  und 
nicht  einmal  ein  Volk  zu  Athen)  einfach  dadurch,  dass  es  schliesst : 
nun  so  ist  eben  August  auch  ein  Gott.  Denkt  man  sich  noch  eine  ge- 
bildete Classe,  einen  Senat  hinzu,  die  sich  sogar  bemühen,  das  Volk 
in  dieser  Absicht  zu  bestärken  ,  so  wird  man  das  Factum  hinreichend 
erklärt  finden.  Noch  auf  mancherlei  Weise  liessc  sich  von  jener  That- 
sachc  der  Liebe  aus  diese  Apotheose  erklären,  z.  B.  durch  die  Bemer- 
kung, dass  das  Volk  wünschen  musstc  ,  den  Gegenstand  seiner  Liebe 
immer  vor  Augen  haben  zu  können;  Bildsäulen  wurden  also  errichtet, 
wie  nahe  lag  aber  von  da  aus  die  Apotheose  !  Doch  es  geniige  an  dem 
schon  Gesagten;  nur  das  will  ich  noch  kurz  erörtern,  welche  Bedeu- 
tung es  habe,  wenn  ein  Horaz  in  seinen  Gedichten  an  solcher  Vergöt- 
terung Theil  nimmt.  Natürlich  kann  hier  von  einem  wirklichen  Glau- 
ben an  die  Göttlichkeit  des  Aug.  überall  nicht  die  Rede  sein,  sondern  es 
ist  blosse  Form,  als  welche  es  auch  Aug.  selbst  auffassen  musstc,  daher 
es  kommt,  dass  H.  in  Gedichten  aus  derselben  Periode  von  Aug.  bald 
als  von  einem  Gotte ,  bald  als  von  dem  schönsten  Geschenke  der  Götter 
spricht.  So  oft  er  das  Erstcre  that,  konnte  es  nur  eine  nuf  das  Volk 
berechnete  Gefälligkeit  gegen  Aug.  sein,  der  es  gerne  seilen  musste, 
wenn  sich  Männer  wie  Hör.  vor  dem  Volke  das  Ansehen  gaben ,  als 
lli' ilten  sie  dessen  Glauben.  Man  wird  solches  verwerflich  finden; 
man  bedenke  aber  die  damals  unter  den  Gebildeten  allgemeine  reli- 
giöse Indifferenz,  das  ironische  Vcrhällniss,  in  welchem  sie  zu  den 
Volksgöttcrn  standen ,  erwäge  auch,  dass  das  Volk  gar  wenig  gewon- 
nen hätte,  wenn  man  ihm  diesen  einzelnen  Irrthum  benommen  haben 
würde  ohne  es  zugleich  auch  sonst  zu  sich  heraufzuziehen ,  —  und  man 


330  BibliographischcBorichte. 

wird  iich  vielleicht  zu  einem  milderen  Urthcile  bestimmen  lassen.  Doch 
ich  wollte  hier  nur  Andeutungen  geben,  über  den  Weg,  den  nach 
meiner  Ansicht  Hr.  F.  hätte  einschlagen  sollen.  Denn  die  Art,  wie  er 
über  die  Vergötterungen  und  speciell  über  die  des  Aug.  sich  ausspricht, 
kann  ich  nun  auch  gar  nicht  billigen.  Schon  dass  die  einzelnen  Bei- 
spiele von  Vergötterungen  so  roh  durch  einander  geworfen  sind,  ohne 
psychologische  und  historisch-kritische  Sonderung  der  einzelnen  Fälle, 
muss  getadelt  werden;  dann  aber  vollends  die  ganz  ungesebickte  Fr- 
wähnung  des  Euhemerisiuus  ,  von  welchem  Hr.  F.  einen  durchaus 
schiefen  Begriff  haben  muss.  Euh.  stellte  blos  eine  Hypothese  auf, 
aus  der  sich  nach  seiner  Ansiebt  ein  Factum  (die  gricch.  Götter)  er- 
klären lassen,  ein  System  der  Mythendeutung,  das  aber  natürlich  nur 
für  Gelehrtere  berechnet  sein  konnte,  da  das  geineine  Volk  sich 
wenig  darum  bekümmert,  woher  seine  Götter  kommen.  Und  wenn 
er  lehrte,  die  gricch.  Gölter  seien  von  500  Jahren  (um  eine  Zahl  zu 
nennen)  Menschen  gewesen  ,  so  Hess  sich  —  die  Richtigkeit  seiner 
Hypothese  vorausgesetzt  —  daraus  nur  sehliessen ,  dass  die  Griechen 
vor  ungefähr  500  Jahren  gerne  vergöttert  haben ,  nicht  aber,  dass  sie 
zu  seiner,   des  Euhemerus,   Zeit  dazu  besonders  geneigt  gewesen  seien, 

—  wie  F.  S.  6  thut.  —  Die  Aeusserung  K.  Zells  (zu  Hör.  Ep.  II,  1, 
pag.  22.),  „dass  es  dem  ganzen  Alterthume  eigen  sei,  alles  Grosse  und 
Ausgezeichnete  sich    als   unmittelbare   Erscheinung   und    Wirkung   des 

.Göttlichen  zu  denken,"  welche  er  zum  Mittelpunkte  seiner  Untersu- 
chung, wie  sie  ist,  hätte  machen  sollen,  schleppt  er  S.  9.  mit  einem 
„docte  Zellius  —  inquit"  hinten  drein.  — ■  Was  er  endlich  S.  10.  als 
Resultat  seiner  vorhergehenden  Untersuchung  angiebt,  das  hat  —  wie 
man  zu  sagen  pflegt,  keine  Schneide;  namentlich  die  religiöse  Ansicht 
der  Gescheidteren  zur  Zeit  des  Hör.  wusste  er  weder  sich  noch  Andern 
klar  zu  machen.  Ich  kann  das  nicht  weiter  ausführen ,  ohne  dieser 
Anzeige  eine  weder  mit  der  extensiven,  noch  der  intensiven  Wichtigkeit 
der  Schrift  im  Verhältniss  stehende  Ausführlichkeit  zu  geben  ,  und  eile 
daher  zu  dem  zweiten  und  wichtigern  Theilc  der  Schrift  (von  S.  12  — 
47),  welcher  6ich  damit  beschäftigt,  diejenigen  Stellen  bei  Hör.,  auf 
welche  man  den  Vorwurf  der  Schmeichelei  begründet  hat,  zurechtzu- 
legen. Sehr  zu  loben  ist  hierbei,  dass  Hr.  F.  die  chronologische  Ord- 
nung befolgt  hat.  Er  theilt  nämlich  die  betreffenden  Gedichte  in  3 
Classen:  1)  solche,  die  vor  724  d.  St.  gedichtet  wurden;  2)  von 724  — 
735  verfasste ;  3)  die  nach  735  gedichteten.  Dass  gesondert  wurde, 
verdient  jedenfalls  Beifall;   dass  aber  so  abgetheilt  wurde,   werden  wir 

—  wie  sich  zeigen  wird  —  nicht  durchweg  billigen  können.  Bei  Ver- 
keilung der  Gedichte  in  die  einzelnen  Classen  hat  er  sich  an  den  neue- 
sten Commcntator,  Orelli,  angeschlossen,  mit  Ausnalmie  einiger  vö- 
lliger —  nicht  eben  glücklich  gewählter  —  Fälle.  Uebrigens  hat  sich 
dem  Unterzeichneten  im  Verlauf  dieser  Untersuchungen  wieder  recht 
dringend  das  Uedürfniss  einer  Ausgabe  des  Horaz  in  chronologischer 
Ordnung  vor  die  Seele  gestellt  und  ihn  bewogen  ,  einen  schon  länger 
gefasstcu  Enlschluss,   eine  solche  zu  bearbeiten,    zur  Ausführung   zu 


Bibliographische  Berichte.  331 

bringen.  Ilor.  ist  kein  Schriftsteller,  der  in  seinen  Werken  seine  In- 
dividualität in  den  Hintergrund  drängte  —  das  brachte  schon  die  Art 
seiner  Dichtungen  mit  sich;  von  seinen  eigenen  Gedichten  gilt  was  er 
von  denen  des  Lucüius  aussagt,  dass  sie  nämlich,  einer  Votivtafcl 
gleich  ,  von  dem  ganzen  innern  und  äussern  Leben  des  Verfassers  Be- 
richt erstatten.  Schon  darum  wäre. es  von  hohem  Interesse,  den  Cha- 
rakter des  15.  eigens  zu  studiren,  wenn  derselbe  auch  nicht  indem 
Grade  liebenswürdig  wäre,  in  welchem  er  es  ist.  Besonders  interes- 
sant ist  es  aber,  den*  Charakter  des  II.,  den  schriftstellerischen  wie 
den  sittlichen ,  in  seinem  JFerden ,  seinem  Entwickelungsgangc  zu 
verfolgen,  und  dies  ist  nur  möglich,  indem  man  seine  Gedichte 
nach  ihrer  Zeitfolge  studirt ,  was  mit  vielen  Unbequemlichkeiten 
verbunden  ist,  wenn  sie  nicht  schon  in  der  Ausgabe  so  geordnet  sind. 
Und  es  ist  wohl  anzunehmen ,  dass  die  chronologischen  Forschun- 
gen jetzt  einen  Punkt  erreicht  haben  ,  von  welchem  aus  eine  solche 
Arbeit  wrohl  unternommen  werden  kann.  Nur  so  viel  beiläufig  und 
vorläufig.  Das  Genauere  über  meinen  Plan  spare  ich  für  eine 
andere  Gelegenheit  auf.  —  Aus  der  ersten  Periode  bespricht  Feld- 
bausch —  um  zu  diesem  zurückzukehren  —  folgende  Gedichte  (S. 
13—23):  Epod.  Iß.  7.  Od.  II,  7.  I,  14.  Sat.  I,  3,  SO  ff.  10,  81  ff. 
Epod.  9.  13.   Od.  I,  37.      Von  diesen  wollen  wir  nur  die  Stelle  aus  Sat. 

I,  3.  näher  ansehen.      F.  sagt  p.  17.  Animadvertit  Hör.   avaritiam 

—  apertam  improbitatem  u.  s.  w.  et  alta  mentc  perfusns  est  dolore  (auf 
Juvcnalls  würde  das  passen),  quum  bis  vitiis  patriae  libcrtatcm  intcrissc 
sentiret.      Omnia   vero    ista   vitia  in  satiris  niaxime  festivo  (ob  sich  das 
mit  jenem  tiefen  moral.  Ingrimm  vereinigen  lässt?)   calamo    describun- 
tur.      Quae  quum  recte   perspexerimus ,    nonne  mirum  videatur,   esse 
nonnullos,    qui   ex  satiris   quoque  adulationem   quandam  ,   qua  Ilor.  in 
Octav.  usus  sit,     extorserint.      Cadit  hoc  in  Sat.  III.  libri  I.  v.  80.  sqq. 
Gleich   dieser   Grund   kann   nicht  für  triftig  gelten.      Fürs  Erste  kann 
man  nicht  zugeben,   dass  F.  die  Sache  recte  perspexit;   doch   auch  ab- 
gesehen  davon   wäre  jener  Grund   nur  dann  gültig,    wenn    Ilor.    mit 
rücksichtsloser   Plumpheit   seine    Geisseihiebe    nach    allen    Seiten   ver- 
theiltc,  unbekümmert,    wen  sie  träfen;   d.  h.  wenn   er  in    seinen   Sati- 
ren sich  als  Narr  geberdete.   —  Doch  hören  wir  weiter:  „Ut  hoc   loco 
aduluntcm  Horatium  putemus  ,  ab  antiquis  Scholiastis  induciinur.   Quo- 
rum rationem  quominus  veram  ducamus,  multa  obstant,   optimeque  id 
Bcntl.  nd    h.    1.    demonstravit. "      Erstens   war    nämlich    Laben  damals 
noch  sehr  jung  und  konnte  noch  nicht    das    Gewicht    haben,     das    ihm 
den    Muth    gab,     dem    Oct.    offenen    Widerstand    zu    leisten   (oder  - — 
6clzc  ich  hinzu  —  wenn  er  schon  in  diesem   Alter   Solches   unternahm, 
so  verdient  er  ganz  und  gar  den  Namen  insanus),   zweitens    weiss  man, 
dass  Aug.  ibm  seine  Keckheit  nicht  übel    nahm.      „  Si    vero    Aug.    ipsc 
non  iofensum  sc  praehnit  Lahconis  libertati    atque  honorem    ei   habuit, 
«|iiis  tan»  insauuiii  putet  Horatium,    ut  nibilo  minus   adulaudi  causa  tali 
viro  oblrcclavcrit. "       Hier  irrt  F.     Die  Nachsicht  des  Aug.  war  höchst 
wahrscheinlich   durch   die   hlugheit  geboten,    sei  es  nun  durch  liück- 


332  Bibliographische  Berichte. 

sichten  auf  dessen  Familie  oder  seine  Gelehrsamkeit  und  Brauchbar- 
keit oder  was  es  sonst  war;  diese  Klugheit  verhinderte  aber  ganz  und 
gar  nicht,  dass  man  es  dennoch  persönlich  recht  gerne  sah  und  heimlich 
lächelte,  wenn  der  ungezogene  Herr  von  Jemand ,  der  gleichsam  ein 
Privilegium  dazu  hatte,  tüchtig  verhöhnt  wurde.  Natürlich  will  ich 
damit  nicht  sagen,  dass  II.  wirklich  aus  diesem  Grunde  den  L.  durch- 
gezogen habe;  nur  zur  Widerlegung  der  kategorischen  Behauptung 
Feldbausch's  führ'  ichs  an.  Auch  an  den  nun  folgenden  Worten  lassen 
sich  Ausstellungen  machen:  „FaciMinia  et  aptissima  Orclli  interpre- 
tatio  videtur,  qui  statueudum  esse  censet:  Labeonem  etiamtunc  juve- 
nem  needum  doctrina  ceterisque  meritis  darum  aliqunndo  propter  levius 
delictum  servum  adeo  severe  punisse ,  ut  prope  pro  mente  capto  habe- 
retur."  Mit  Unrecht  nennt  F.  diese  Erklärung  die  treffendste.  Or. 
hat  den  Comparativ  insanior  übersehen.  Derjenige,  der  mit  seinen 
Sklaven  so  verfährt,  wie  nach  Or.  eben  Lab.  verfahren  sein  soll,  wird 
ja  von  Hör.  als  noch  toller  denn  Lab.  dargestellt.  —  Nichts  desto  weni- 
ger steht  es  in  Beziehung  auf  diese  Stelle  nicht  so  schlimm  um  Horaz. 
Labienus  scheint  nach  Allem  von  jeher  ein  excentrischer,  bizarrer 
Mensch  gewesen  zu  sein  und  Solche  haben  die  Satiriker  aller  Zeiten 
besonders  gerne  zur  Zielscheibe  ihres  Witzes  gemacht ,  so  dass  man  es 
eher  noch  rücksichtsvoll  finden  sollte,  dass  H.  ihn  nicht  öfter  aufs  Ta- 
pet bringt.  —  So  viel  über  diese  vielbesprochene  Stelle.  Die  hicher 
gehörigen  Gedichte  der  ersten  Periode  charaktcrisirt  F.  S.  13  f.  so: 
Unmittelbar  nach  der  Schlacht  bei  Philipp!  spielt  H.  den  Neutralen;  er 
stellt  sich  auf  den  Standpunkt  des  Vaterlandsfrcuudes  und  missbilligt 
von  diesem  aus  die  Kriegslust  der  einen  und  der  andern  Partei.  Von 
einem  Anschliessen  an  Aug.  ist  noch  keine  Rede;  auch  Mäcen  nennt 
ihn  nur  zögernd  unter  die  Zahl  seiner  Freunde  auf,  weil  er  seinen 
polit.  Ansichten  misstraut.  (S.  17.  Woher  das  Hr.  F.  weiss?)  In  der 
ziveilen  Periode  (s.  S.  24)  hält  sich  Hör.  von  August  noch  immer  ent- 
fernt, obwohl  sich  dieser  ganz  veränderte  und  sein  Interesse  mit  dem 
Roms  identificirtc;  aber  Hör.  traut  ihm  noch  nicht  ganz;  er  will  sich 
vorher  vergewissern,  ob  es  Aug.  wirklich  so  wohl  mit  Rom  meine,  ob 
es  ihm  Ernst  sei,  mit  seinen  Maassregcln  zum  Besten  des  Reichs,  ob 
kein  Rückfall  zu  befürchten.  Daher  ist  auch  in  dieser  zweiten  Periode 
Hör.  noch  immer  kein  laudator  des  Aug.  Hieher  gehören  die  Gedichte: 
O.  II,  1.  10.  1<>.  I,  4.  Ep.  1,20,  28.  O.l,  6.  II,  12.  S.  II,  1,  15.  5, 
63.  O.  I,  35.  III,  14.  I,  12.  Ep.  I,  5.  O.  I,  9.  III,  4.  und  endlich  die 
60g.  yvaiiixu ,  O.  II,  15.  III,  2.  6.  24.  F.  schlicsst  sich  hier  in  der  Re- 
gel an  einen  gelehrten  Vorgänger  an,  nur  Folgendes  hebe  ich  hervor. 
Als  geheimer  Sinn  des  cum  res  ipsa  feret  in  S.  II,  1,  18.  wird  S.  28  an- 
gegeben: si  re  vera  Caesaris  justitiam  temporum  cursu  probatam  co- 
gnovero.  Das  folgende:  nisi  dextro  u.  s.  w.  soll  dann  den  Zweck  ge- 
habt haben  ,  den  Aug.  auf  einen  falschen  Weg  der  Erklärung  des  cum 
res  etc.  zu  füliren.  Abgesehen  von  dem  Willkührlichcn ,  in  den  Wor- 
ten selbst  gar  nicht  Begründeten  dieser  Erklärungsweisc  lässt  sich  hier 
F.  noch  das  zu  Schulden  kommen,  dass  er,  indem   er  den    H.   gegen 


Bibliographische  Berichte.  333 

einen  Vorwurf  vertheidigt,  demselben,  so  viel  an  ihm  liegt,  einen  an- 
dern, weit  beschimpfendereu  zuzieht,  nämlich  den  auf  kleinliche 
Weise  heimtückisch  und  feig  zu  sein;  und  das  noch  überdiess  ohne 
alle  Noth,  da  in  der  Stelle  eben  auch  eine  der  häufigen  Ausflüchte 
vorgebracht  wird  ,  wie  in  Od.  I,  6.  II,  12.  Nur  hätte  freilich  Hr.  F. 
naher  auf  den  Grund  eingehen  sollen,  warum  sich  Hör.  dergleichen 
bediente.  —  S.  29:  O.  I,  35.  eo  tempore  confectum  est,  quo  Caesar 
contra  Britannos  profecturus  erat  et  Flaccus  Fortunam  precatur,  ut 
Caesarera  contra  hostes  patriae  ituruni  tueatur.  Qua  ex  rc  illa  potis- 
simum  animi  ratio  ducet,  qua  idein  semper  bella  civilia  detestabatur 
ideoque  maluit,  Ultimos  Britannos,  quam  cives  Romanos  Romanis  dc- 
vinci  (besser  peti)  armis."  Treffender  dürfte  die  Bemerkung  sein,  dass 
ja  jedes  Unglück,  das  damals  den  Aug.  betroffen  hätte,  zugleich  Tau- 
gende röm.  Bürger  betroffen,  ja  den  Staat  in  die  gefahrvollste  Verwir- 
rung gestürzt  haben  würde.  —  S.  32.  bestreitet  Hr.  F.  mit  vollkom- 
menem Rechte  die  Orellische  Erklärung  von  Ep.  I,  5,  9.  und  führt  na- 
mentlich an,  dass  auch  sonst  bei  Horaz  (Sat.  I,  9,  18.  O.  I,  2,  44) 
J.  Caesar  ohne  das  Prädicat  Divus  genannt  werde.  Es  ist  in  der  That 
schwer  zu  begreifen,  wie  Orelli  dazu  kam,  hier  eine  Schmeichelei  zu 
riechen  ,  wo  doch  somnum  so  entschieden  auf  den  rechten ,  von  Tb. 
Schmid  getroffenen  Sinn  weist.  —  Die  dritte  Periode  fängt  Hr.  F. 
mit  dem  Jahre  735,  wo  Aug.  zum  lebenslänglichen  Consul  erwählt 
wurde,  an.  Hiebei  bringt  ihn  aber  sein  Anschlicssen  an  die  Orellische 
Chronologie  ins  Gedränge.  Er  erklärt  nämlich  für  das  Charakteristi- 
sche dieser  Periode,  dass  in  derselben  Hör.  allerdings  endlich  als  lau- 
dator  des  Aug.  erscheine,  keineswegs  aber  als  dessen  adulator*).  Dem- 
gemäss  würden  Od.  I,  2.  III,  3.  III,  25.  durchaus  in  diese  dritte  Pe- 
riode gehören,  da  in  ihnen  allerdings  Aug.  von  Hör.  gepriesen  wird. 
Nun  wurde  aber  nach  Orelli  das  erste  dieser  3  Gedichte  im  J.  732, 
das  zweite  im  J.  733,  das  dritte  gar  im  J.  720**)  abgefasst.  Aus  die- 
ser Klemme  rettet  sich  Hr.  F.  dadurch,  dass  er  für  jene  Gedichte  eine 
andere  Abfassungszeit  annimmt.  Hören  wir,  wie  er  seine  Annahme 
zu  begründen  sucht.  Kirchner  und  Orelli  hatten  sich  darum  für  das 
J.  732  entschieden,  weil  zu  dessen  Anfange  wirklich  eine  Ueberschwera- 
mung  u.  s.  w.  in  Rom  eintrat.  Feldb.  wendet  nun  ein:  Mit  demselben 
Rechte,  wie  aus  dieser  Notiz  auf  das  J.  732  oder  —  nach  Andern  — 
7Ü7  könnte  man  aus  V.  21  ff.  auf  eine  weit  frühere  Abfassungszeit 
schliessen ;  denn  weder  im  J.  727,  noch  732  drohten  Bürgerkriege 
(acuerunt  cives  ferrum).  Aus  dieser  Collieion  verschiedener  möglicher 
Zeitbestimmungen  glaubt  er  nun  die  Möglichkeit  aller  derselben  erwie- 
sen und  seiner  neuen  Raum  verschafft  zu  haben,  dass  nämlich  das  Ge- 
dicht erst  im  J.  730  verfasst  worden  sei.       Aber   die    Collision   ist   nur 


*)  Des  adulator  unterscheidende  Merkmale  sind  nach  S.  42  Uebcr- 
treibung  und  Gewinnbezwecken. 

**)  Doch  setzt  Orelli  selbst  zu  dieser  Angabe  ein  Fragezeichen  in 
Parenthese  hinzu. 


334  Bibliographische  Berichte. 

eine  scheinbare,  da  sich  aus  V.  21  ff.  ein  solcher  Schluss  nicht  ziehen 
läset.  Denn  die  Bürgerkriege  waren  ein  so  mächtig  in  das  öffentliche 
und  Privatleben  der  Römer  eingreifendes,  ein  so  Epoche  machendes 
Ereigniss,  dass  die  Erinnerung  daran  nicht  so  bald  erlosch,  und  man 
auch  Jahre  nachher  von  ihnen  noch  als  von  einem  in  frischem  Andenken 
ßtehenden  Factum  reden  konnte.  Anders  aber  verhält  es  sich  mit  den  im 
Eingange  des  Gedichts  erwähnten  Begebenheiten.  Wahrhaft  lächerlich 
wäre  es  gewesen,  wenn  Hör.  4  oder  9  Jahre  nach  einem  schweren  Ge- 
witter ausgerufen  hätte:  Jam  satis  grandinis  u.  s.  w.  „  Jetzt  haben 
wir  der  Gewitter  genug."  Hr.  F.  könnte  sich  zwar  noch  hinter  aller- 
lei Hypothesen  flüchten,  wie:  dass  wir  das  Gedicht  in  einer  später 
überarbeiteten  Gestalt  besitzen  oder  dass  vielleicht  auch  im  J.  73b'  ähn- 
liche Naturereignisse  —  nur  in  geringerem  Massstabe  und  darum  von 
der  Geschichte  verschwiegen  —  eingetreten  seien;  aber  nicht  nur 
wäre  es  höchst  bedenklich,  solcher  selbst  gezimmerter  Theorien  we- 
gen zu  so  willkührlichen  Annahmen  zu  greifen,  sondern  es  wäre  auch 
völlig  vergeblich,  da  auch  die  Untersuchung  der  beiden  andern  Fälle 
zu  demselben  Resultate  führt.  Od.  III,  3.  nämlich  fiele  nach  Or.  und 
Kirchner  ins  J.  733.  Ich  finde  nichts,  was  sie  zu  dieser  Annahme  be- 
wogen hat  und  glaube  wegen  V.  69  ff.  (namentl.  jocosae)  sogar  noch 
eine  frühere  Abfassungszeit  annehmen  zu  dürfen.  Feldb.  dagegen  lässt 
sich  durch  V.  11  f.  zu  der  Behauptung  führen,  es  sei  gleichfalls  im 
J.  73(5  gedichtet  worden  und  das  meint  er  bewiesen  zu  haben ,  wenn  er 
geschwinde  irgend  eine  Hypothese  als  wahr  annimmt.  Diesesmal  wi- 
derfährt diese  Ehre  einer  Struveschen.  Struve  hat  bekanntlich  (in 
den  Abb.  der  deutschen  Ges.  zu  Königsb.  Sammlung  1.  S.  157  ff.)  die 
Ansicht  ausgesprochen,  Hör.  wolle  in  Od.  III,  3.  dieselbe  Idee,  die 
Virgil  in  der  Aeneis  episch  behandelt  hat ,  lyrisch  ausführen.  Diese 
Hypothese  ergreift  F.  mit  Begierde  und  schliesst  alsbald  daraus,  Od. 
III,  3.  könne  erst  nach  dem  Tode  des  Virg.  (735)  und  der  Herausgabe 
der  Aeneis  verfasst  sein.  Erstens  hat  Str.  blos  eine  Hypothese  aufge- 
stellt und  dazu  eine  nicht  eben  sehr  wahrscheinliche;  dann  wie  natür- 
lich ist  es  bei  der  Befreundung  des  Hör.  mit  Virg.  anzunehmen,  dass 
Hör.  schon  lange  die  Idee  der  Aeneis,  vielleicht  sogar  das  Mauuscript 
derselben  gekannt  habe.  Ueberdics  ist  V.  11  u.  12  nach  meiner  An- 
sicht nicht  von  der  Art,  dass  man  ihretwegen  das  Gedicht  in  eine  spä- 
tere Periode  zu  setzen  brauchte.  Die  Vergötterung  des  Aug.  war  ein- 
mal eine  Thatsache  und  es  kam  daher  demselben  ein  Sitz  im  Olymp 
so  gut  oder  so  wenig  zu,  als  jedem  andern  im  Bewusstsein  des  Volkes 
zum  Gotte  erhobenen  Menschen.  Doch  ist  die  dem  bibit  zu  Grunde 
liegende  Vorstellung  für  mich  zu  crass ,  als  dass  ich  nicht  die  Lesart 
bibet  vorziehen  möchte:  „dereinst  wird  er  trinken;"  denn  vorderhand 
hatte  er  Mund  u.  s.  w.  noch  auf  der  Erde.  Die  Furcht  Orellis,  das 
Futurum  möchte  mali  ominis  sein ,  kaun  ich  nicht  begründet  finden: 
ein  Tod,  dem  unmittelbar  ein  Götterleben  folgt,  ist  doch  in  der  That 
nichts  sehr  Furchtbares.  Auch  könnte,  wer  es  wollte,  in  dem  Futu- 
rum eine  feine  Aufforderung  finden ,  solcher  Ehre  sich  nun  auch  wür- 


Bibliographische  Berichte.  335 

dig  zu  machen ;  und  jedenfalls  ist  die  Erwähnung   des    Aug.    in  dieser 
Stelle    eine    60    karge   und    beiläufige,  dass  sie  wenig  Gewicht  hat.  — 
Od.  III,  25.  setzt  F.  gleichfalls  ins  .1.  730  und  zwar  aus  keinem   andern 
Grunde ,    als   seiner  vorgefassten  Ausicbt  wegen.      Ostcndit  (sagt  er  S. 
4L  f.)  boc  carmen  emu  aninit  vnluntatcm  ,  (juaui  ceteris  profecto  in  car- 
iniuibus,   quac  ante  boc  tempus   sunt  composita,   frustra  quaeras.      Es 
bann  zwar  sein,    dass  das   Gedicht  etwas    später  gesetzt  werden  niuss 
als    ins   J.    720,     aber  ins  J.  730  doch  gewiss  nicht,  denn  für  einen  47 
jährigen,   also  einen  senex  im  rem.  Sinne,    ist  es-  doch  zu  jugendlieh. 
—  Wenn  wir  so  einen  Tbeil  der  Feldbauschischen  Classification    fallen 
lassen  zu  müssen  glauben,  so  können  wir  demselben  nicht  einmal  unser 
Bedauern  nachsenden.     Man  muss  eine  solche  Aenderung  der  Ansichten 
und  Grundsätze  nicht  an  ein  bestimmtes  Jahr  anknüpfen  wollen;  so  et- 
was macht  sich  allmälig  im   Laufe   der  Zeit  und  durch  mancherlei  Er- 
fahrungen.     Auch  wird  das  J.  735  durch  kein  so  sehr  wichtiges   Ereig- 
niss  bezeichnet.      Ein  Anderes  war  es  mit  dem  J.   724    (oder   eigentlich 
723);   in    dieses    fiel    eine    weit  folgenreichere  Begebenheit,   theils  war 
die  damals  in  den  Ansichten  und  dem  Benehmen  des  Hör.  vor  sich   ge- 
bende Aenderung  eine  viel   leisere.   —    Ausser  jenen   unglückseligen  3 
Oden  rechnet  übrigens  Hr.  F.    in    seine    dritte    Periode    noch    folgende 
Gedichte:  Od.  IV,  4.  14.  (,, Drusus  verdiente  nach  Tac.  diese  rühmende 
Erwähnung ;   —   Tiberius  hatte  damals  sich  noch  nicht  von  seiner  ver- 
abscheu iingswürdigen   Seite   gezeigt;   auch  wendet    sich   Hör.  meist  an 
Ang. ,   nicht  an  Tib. ");  2.  (S.  43:   „  ego  non   dubitavcriiu  ,    quin  poeta 
puris»ima  pectoris  fiamma  id  —  V.  37  IT.  —  dixerit. "      Wenn   das   nur 
ein  Argument  wäre!)  5.  15.  (Bei  diesen  wie  bei  den  vorigen  Ojcii  hätte 
hervorgehoben  werden  sollen  ,   wie  sich  das  Verhältniss  zwischen  H.  u. 
Aug.    allmälig   zu  einem  persönlich  freundschaftlichen   gestaltet  hatte.) 
Ep.  II,  1.  (Wird  nach  Wieland  beurthcilt.      Ich  setze  hinzu:    Mit  ante- 
ferenda  —  V.  19.  —  bezieht  sich  H.  auf  etwas   Historisches;   anstösslg 
konnte  man  nur  finden,   dass  II.  dieses  Urtheil  des    Volkes   mit   supiens 
et  jitstus  in  itno  zu  seinem  eignen  macht.  Man  bedenke  aber  auch  noch  die 
dringende  Veranlassung  dieses  Briefs  und   vergleiche   mit   diesem   Com- 
plimente   —    dergl.    man    im    Leben    tausendc   hört,    hier  freilich  ge- 
druckt liest!  —  diejenigen,  die  ein  Shakspearc  seiner  Königin  in  seinen 
Werken  machte,  und  diejenigen,   die  man    heutzutage    den  Fürsten  — 
von  selbst,   ganz  ohne  solche   dringende   Aufforderungen  —  tagtäglich 
macht.       Zwar  wird    man    sagen,    das    sind    legitime  Fürsten  u.  s.  w. 
Aber   auch    Aug.    besass  eine   Art   von  Legitimität ,   die  der  Unentbchr- 
licbkeit.)  2.  (nach  Schmid  aufgefasst.).      Von  dem  Schreiben   des    Aug. 
irasci  u.  s.  w.  wird  (S.  44)  mit  Hecht  gesagt,  dass  es  lauter   als   irgend 
etwas  bezeuge,   dass  II.  kein  Schmeichler  gewesen;   nur  hätte   in   der- 
selben  Weise   das   Schreiben,   das  mit  üv&v7T?QcpQovov/nsv  schliesst,   S. 
35    besser    gewürdigt    und    S.    27    mehr    hervorgehoben  werden  sollen, 
welchen    einflussreichen    und    einträglichen    Posten    Hör.    in  dem  eines 
Privatsekretairs  des  Aug.  verschmähte,   was  Oswald  S.  70  f.  nicht  über- 
sehen hat.  —    S.  45  bemerkt  F.  richtig :  aus  der  Sprache  des  II.  ge- 


336  Bibliographische   Berichte. 

gen  Mäccnas  (in  Ep.]  I,  7.)  möge  geschlossen  werden,  dass  er  sich 
auch  dem  Aug.  gegenüber  nicht  erniedrigt  haben  werde.  Am 
Schlüsse  (S.  45  f.)  wird  noch  von  Ep.  I,  17  u.  18  gezeigt,  dass  in 
ihnen  keine  kriecherischen  Lehren  gegeben  werden.  In  Betreff  der 
Stelle  1,  18,  44.  scheint  mir  H.  einer  Verteidigung  gar  nicht  zu  be- 
dürfen. Der  Sinn  ist  einfach  der :  Bitten  mächtiger  Freunde  sind 
eigentlich  nichts  Anderes,  als  Befehle,  die  man  in  Gottes  Namen  er- 
füllen muss.  Höchstens  könnte  hier  dem  tloraz  vorgeworfen  werden, 
dass  er  nicht  noch  einen  Schwall  von  Clausein  angebängt  hat.  Die 
mochten  aber  dem  H. ,  der  den  Lollius  kannte  und  wusste,  dass  LolL. 
ihn  kenne,  gar  überflüssig  dünken.  —  S.  13  giebt  F.  eine  eigentbüm- 
licbe  Erklärung  von  Od.  II,  7,  10.  relicta  non  bene  parmula.  Dort 
heisst  es  nämlich:  „  Quum  proeiiis  apud  Philippos  factis  fraetaru  vi- 
deret  Horatius  virtutem  Romanain,  quamque  non  bene  Uli  esset  parmuld 
rclictu,  Roioam  se  contulit"  und  in  einer  Note  sagt  er  dazu:  de 
hoc  loqucndi  genere  conf.  intpp.  ad  Sat.  II,  2,  120.  (bene  erat  non 
piseibus  ^=:  wir  (baten  uns  nicht  gütlich  an  Fischen).  So  wäre  also 
die  Stelle  zu  übersetzen:  „Mit  Dir  bin  ich  geflohen,  nachdem  ich's  mir 
heim  Schildwegwerfen  nicht  hatte  wohl  sein  lassen."  Wer  das  mit 
Beinein  grammatischen  und  ästhetischen  Gewissen  vereinigen  kann ,  der 
mag  sich  immerhin  an  F.  anschliesscn !  Das  Endurtheil  über  die  vor- 
liegende Schrift  wird  nach  allem  bisherigen  dahin  ausfallen  müssen, 
dass  dieselbe  bei  manchem  unbestreitbaren  Verdienste  den  Hauptman- 
gel habe ,  dass  sie  zu  wenig  Neues  vorbringe  und  das  Neue ,  was  sie 
wirklich  bringt,  meist  unpassend,  —  ja  das  Alte  der  anziehenden 
Form  ,  in  der  es  auftrat ,  in  unerfreulieber  Weise  entkleidet  habe. 
Auch  sind  in  der  Untersuchung  gewisse  nicht  unwichtige  Funkte  ent- 
weder gar  nicht  oder  nicht  auf  eine  ibrem  Gewichte  entsprechende  Art 
aufgeführt  worden.  Dahin  rechne  ich  namentlich  die  Liebe  der  Römer 
zu  Aug.,  die  Bemühungen  des  Aug.,  sich  die  Freundschaft  des  Hör.  zu 
erwerben,  die  Unterlassung  der  Erwähnung  des  Aug.  in  Fällen ,  wo 
sie  so  nahe  Jag,  der  Umschwung  der  Ansichten,  den  bei  Hör.  die  Zu- 
nahme an  Jahren  herbeiführte  und  die  Vergleichung  mit  dem  Beneh- 
men gleichzeitiger  und  späterer  Schriftsteller  (die  nur  in  Beziehung  auf 
Virgil  einige  Male  angestellt  wird)  —  und  ich  kann  darum  den  Ge- 
genstand noch  lange  nicht  für  erschöpft  halten.  Eine  Vergleichung 
mit  Iiooat  habe  ich  darum  unterlassen,  weil  ich  diese  Anzeige  nicht 
allzusehr  anschwellen  mochte;  übrigens  wäre  dieselbe,  was  Originali- 
tät, Scharfsinn,  psychologische  Tiefe  und  gewandte  Darstellung  be- 
trifft, unstreitig  meist  zum  Vortheile  Boosts  ausgefallen.  Hrn.  Fcld- 
hausebs  lateinischer  Stil  dürfte  im  Ganzen  —  besonders  in  der  Wort- 
stellung —  einfacher,  natürlicher  sein  ,  doch  ist  er  correct.  Aufge- 
fallen ist  mir  nur  S.  23:  quidquid  judicamus  de  ea  re  —  id  certum  est, 
S.27:  Versibus,  quos plurimis  (es  sind  blos  sieben)  annis  post  ad  Maece- 
natem  scripsit,  und  S.  28:  sermonum  more  hoc  loco  pluribus  verbis 
{=  mit  ein  Paar  Worten?)  tota  res  explicatur.  Von  Druckfehlern 
habe  ich  ausser  den  angezeigten  zweien  folgende  bemerkt ;  S.  43,  1.  10 


Mise  eilen,  337 

libii  I.  statt  II. ;  36,  15.  st.  potestatem  —  dotest. ;  S.  44,  1.  24  ist  statt 
46  ff.  zu  lesen :  48  ff.      Druck  und  Papier  sind  gut. 

Tübingen.  W.   Teuf  fei. 


Miecellen. 


Auf  dem  grossen  St.  Bernhard  hat  man  im  Jahr  1837  in  den  ge- 
ringen Trümmern ,  welche  von  einem  kleinen  Tempel  aus  der  Römer- 
zeit sich  noch  vorfinden,  neue  Nachsuchungen  angestellt  und  eine  An- 
zahl römischer  Münzen  gefunden,  von  denen  die  älteste  aus  den  letz- 
ten Zeiten  der  Republik,  die  jüngsten  von  den  Kaisern  Aurelius  und 
Florian  sind.  Das  Tempelchen  soll  nach  der  gewöhnlichen  Annahme 
unter  Augustus  oder  einem  seiner  nächsten  Nachfolger  gebaut  worden 
sein.  Ausser  den  römischen  Münzen  hat  man  auch  eine  alte  Münze 
gefunden,  welche  von  Silber  gegossen,  nicht  geschlagen  ist,  einen 
grossen  Feingehalt,  aber  einen  6ehr  groben  Münzstempel  zeigt ,  und 
von  einem  Volke  herrührt,  das  in  der  Zeichenkunst  weit  zurück ,  in 
der  Kunst,  Metalle  zu  giessen ,  weit  fortgeschritten  gewesen  sein  muss. 
Auf  der  rechten  Seite  der  Münze  ist  ein  bartloser  Kopf  mit  einem  Helm, 
auf  der  Rückseite  ein  Thier  mit  zurückgebogenem  Hörn  und  erhobenem 
Schweife.  Die  Münze  soll  sehr  alt,  jedenfalls  viel  älter  sein,  als  die 
Römerherrschaft  in  jenen  Gegenden,  und  man  hat  sie  in  Verbindung 
gebracht  mit  zwei  goldenen  Münzen,  die  schon  vor  100  Jahren  hier 
gefunden  wurden  und  weder  römisch,  noch  celtisch  noch  gallisch  sein 
sollen.  [Annales  des  T'oyagcs,  August  1839]  —  Bei  Vienue  in  Frank- 
reich ist  gegen  das  Ende  des  vorigen  Jahres  eine  Kiste  mit  Gold  - 
und  Silbermünzen  gefunden  worden  ,  deren  Metallwei  th  über  100,000 
Franken  betragen  soll.  Sie  enthielt  ausser  römischen  Kaisermünzen, 
bis  auf  Constantinus  Chlorus  herab,  namentlich  auch  viele  Münzen  der 
Merovinger,  und  die  Existenz  der  Könige  Pharamund ,  Childerich  etc. 
soll  durch  sie  über  alle  Zweifel  erhoben  sein.  Auf  dem  Deckel  der 
Kiste  stand  die  Jahreseahl  802 ,  und  da  der  Fundort  die  Stelle  des 
ehemaligen  Klosters  St.  Marcel  ist,  wo  Aknin  wohnte,  so  nimmt  man 
an ,  dass  dieser  Münzschatz  ein  Besitzthum  dieses  Gelehrten  gewesen 
Bei.  —  In  der  Nähe  von  Sevilla  in  Spanien  werden  jetzt  in  den  Rui- 
nen des  alten  Italica  Ausgrabungen  angestellt,  und  man  hat  bereits 
mehrere  Münzen,  Waffen,  Gefässe,  Urnen,  Hausgcräthc,  einige 
schöne  Statuen  und  einen  schönen  Mosaikfussboden  gefunden.  Dabei 
hat  man  wieder  in  Anregung  gebracht,  dass  Italica  auf  dem  rechten 
Ufer  des  Guadalquivir,  etwa  vier  Meilen  von  Sevilla  lag,  von  Scipio 
Africanus  nach  dem  Vorbilde  Roms  auf  7  Hügeln  erbaut  wurde,  nach- 
dem die  auf  diesem  Platze  früher  vorhandene  Stadt  Sanctios  in  dein 
punischen  Kriege  zerstört  worden  war,  dass  sie  unter  den  Gothen  ein 
N.  Jahrb.  f.  thil.  u.  I'aed.  od.  Krit.  Bibl.  Ud.  XXV1H.  H/r.  :i.  22 


338  Todesfälle. 

Bischofssitz  wurde  und  lange  die  Nebenbuhlerin  von  Sevilla  blieb,  bis 
sie  endlich  entweder  von  den  Saracenen  zerstört,  oder  von  den  Bewoh- 
nern verlassen  wurde,  weil  der  Guadalquivir,  der  wegen  seines  reis- 
senden Laufes  häufig  sein  Bett  ändert,  Zerstörungen  angerichtet  hatte. 
[Athenäum,  Octbr.  1839.]  —  Der  deutsche  Reisende  Honegger  hat 
eine  sehr  reiche  und  vollständige  Sammlung  nordafrikanischer  Münzen 
durch  einen  sechsjährigen  Aufenthalt  in  jenen  Gegenden  zusammenge- 
bracht, und  besonders  eine  vollständige  Sammlung  der  Münzen  Kar- 
thagos aus  den  drei  Perioden  von  der  Gründung  der  Stadt  bis  auf  ihre 
Zerstörung  durch  Sriuio  ,  von  Cäsar  bis  auf  die  Zerstörung  durch  die 
YamJalen  und  von  Genserich  bis  auf  Hassan  ,  der  69b'  n.  Chr.  die  Stadt 
zum  letzten  Male  zerstörte.  Es  sind  Münzen  von  Gold  ,  Silber  und 
Erz,  alle  gut  erhalten,  viele  davon  einzig  und  von  Mionnet  weder  ge- 
kannt noch  beschrieben.  Eben  so  hat  Honegger  14  punische  und  eine 
grosse  Zahl  römische  Inschriften  gesammelt.  [Echo  de  Monde  Savant 
vom  6.  Novembr.  1839.] 

In  Rom  hat  das  Collegium  Romanuni  durch  eine  im  Februar 
dieses  Jahres  ausgebrochene  Feuersbrunst  einen  Theil  seiner  Bibliothek 
verloren,  ein  Verlust  der  darum  besonders  zu  beklagen  ist,  weil  da- 
durch über  370  alte  Manuscripte,  worunter  27  arabische,  33  persi- 
sche, 9  armenische  und  eine  unedirte  Sammlung  indischer  und  chine- 
sischer Dramen,  so-wie  unter  den  gedruckten  Büchern  ausser  1500  In- 
cunabeln  die  Sammlung  grieeb.  und  latein.  Classiker  verloren  gegan- 
gen ist,  die  der  berühmte  Muretus  1585  dem  Collegium  vermacht 
hatte  und  deren  meisten  Exemplare  mit  zahlreichen  Randbemerkungen 
dieses  Gelehrten  versehen  waren. 


Todesfälle. 


Den  3.  Jan.  starb  in  der  Schweiz  der  ebenso  als  Maler  und  Kunstken- 
ner, wie  als  belletristischer  Schriftsteller  bekannte  Dr.  medic.  Ulrich 
Hegner,  der  letzte  Genosse  des  von  Bodmer  und  Breitinger  begründe- 
ten und  von  Gessner,  Lavater,  Füssli  u.  A.  bis  in  den  Anfang  des  19. 
Jahrhunderts  fortgeführten  literarischen  Vereines,  geboren  zu  Winter- 
thur  1759.  Seine  gesammelten  Schriften  sind  in  Berlin  1828  erschienen, 
und  sein  Leben  Ilolbeins  des  Jüngern  (1827.)  und  die  Beiträge  zur  nähern 
Kcnntniss  und  ivahren  Darstellung  Joh.  Kaspar  Lavaters  (1836)  sind  als 
classische  Darstellungen  anerkannt  worden. 

Den  10.  Jan.  in  Paris  der  Custos  an  der  kön.  Bibliothek  Loiseleur 
Delongchamps ,  geboren  1805,  als  Herausgeber  einiger  Sanskritschrif- 
teii  und  der  Gallandschen  Uebersetzung  der  1001  Nacht,  so  wie  durch 
eine  gerühmte  Untersuchung  über  den  Ursprung  der  Fabeln,  deren 
orientalischem  Ursprünge  er  nachgegangen  ist,   wohl  bekannt. 


Schul-  u.  Univcrsitätsnachrr.,  Bcfürderr.  u. Ehrenbezeigungen.   339 

Den  25.  Febr.  in  Kopenhagen  der  Professor  der  Theologie  bei 
der  Universität  und  vormalige  Stiftspropst  von  Seeland  Dr.  theol  Heinr. 
Nie.  Clausen  ,  82  Jahr  alt. 

Den  25.  Febr.  in  Halbcrstadt  der  Gymnasial-Director  Dr.  //.  K. 
Maass ,  T£  Jahr  alt. 

Den  2.  März  in  Bremen  der  berühmte  Astronom  Dr.  medic.  Heinr. 
Matth.  Olbers,  82  Jahr  alt. 

Den  17.  März  in  Greifswald  der  wenige  Tage  vorher  zum  ordent- 
lichen Professor  der  altclassischen  Literatur  ernannte  Dr.  Ii,  II.  Klau- 
sen, geboren  in  Altona  am  24.  April  1806. 

Den  18.  März  in  Dresden  der  kön.  sächsische  Minister  des  Cultus 
und  des  öffentlichen  Unterrichts  Hans  Georg  von  Carlowitz,  58  Jahr, 
alt. 

Den  28.  März  in  Kiel  der  Professor  Primarius  der  theol.  Facultät, 
Kirchenradi  Dr.  Samuel  Francke,  Ritter  vom  Danebrog,  76  Jahr  alt. 

Den  29.  März  in  Heidelberg  der  ausgezeichnete  Jurist  u.  Rechts- 
lehrer, Geh.  Rath  und  Professor  Anlon  Friedr.  Justus  Thibaut,  ge- 
boren in  Hameln  am  4.  Jan.  1774,  seit  1802  Professor  in  Jena  und 
seit  1805  Professor  in  Heidelberg. 

Den  1.  April  in  Jena  der  ehemalige  (emeritirte)  Conrector  der 
Landcsschule  Schulpforta  M.  Karl  Christian  Ernst  Charitius,  im  71.  Le- 
bensjahre. 


Schul  -  und   Universitätsnachrichten,   Beförderungen  und 
Ehrenbezeigungen. 

Berlin.  Am  Joachimsthalschen  Gymnasium  ist  in  die  Stelle  de9 
abgegangenen  Professors  Dr.  Iieinganum  der  Professor  Dr.  Wiese,  in 
dessen  Stelle  der  Oberlehrer  Jacobs  aufgerückt,  am  französischen 
Gymnasium  dem  Lehrer  Noel  das  Prädicat  Professor  beigelegt  und  in 
die  durch  den  am  15.  Octbr.  1839  erfolgten  Tod  des  Lehrers  Dr.  Liebe- 
now  erledigte  siebente  Lehrstelle  der  Lehrer  Jflclund  befördert,  die 
dadurch  erledigte  achte  Lehrstelle  aber  dem  Schulamtscandidaten  Dr. 
Chamblau  übertragen  worden.  Bei  der  Universität  ist  in  der  theologi- 
schen Facultät  der  wirkliche  Ober-Consistorialratli ,  Hof  -  und  Dom- 
prediger Dr.  Thcremin  zun»  Professor  honorarius  [s,  NJhb.  XXVI,  348.1, 
in  der  medicinischeu  die  ausserordentlichen  Professoren  Dr.  C.  G.  Eh- 
renberg  und  Geh.  Medicinalrath  Dr.  J.  L.  Casper  zu  ordentlichen  Pro- 
fessoren und  der  Privatdocent  und  dirigirende  Charile-Arzt  Dr.  C.  J(r. 
Ideler  zum  ausserordentlichen  Professor  ernannt  worden;  aus  der  phi- 
losophischen Facultät  scheidet  der  ausserordentliche  Professor  Dr.  ./. 
G.  B.  Droyscn,  welcher  an  die  Universität  in  Kikl  als  ordentlicher  Pro- 
fessor der  Geschichte  und  als  Mitglied  der  philnsoph.  Facultät  berufen 
ist.      Die  Professoren  Dr.  Gustav  Hose  uird  Dr.    Martin    Ohm   haben  der 

erstcre  die  ihm   übertragene  ordentliche  Professur   der    Naturwissen- 

90  * 


340  Schul-  und  Universitätsnachrichten, 

Schäften  [vgl.  NJbb.  XXVI,  200.],  der  letztere  die  ordentliche  Profes- 
sur der  Mathematik  [NJbb.  XXVII,  214.]  im  October  vor.  Jahres  wirk- 
lich angetreten  ,  und  das  Einladungsprogramra  zur  Antrittsrede  han- 
delt bei  dem  ersteien  De  novis  quibusdam  fossilibus ,  quae  in  montibus 
Uraliis  inoeniuntur  [Berlin  gedr.  bei  Schade.  1839.  12  S.  4.],  bei  dem 
letzteren  De  nonmtUis  Seriebus  infinitis  summandis  [Berlin  gedr.  b.  Tro- 
witzsch  u.  Sohn  1839.  15  S.  4.J.  Zur  Erlangung  der  philosophischen 
Doctorwürde,  welche  im  Universitätsjahr  1838  —  39  überhaupt  von  13 
Candidaten  erworben  worden  ist,  hat  Joh.  Rob.  Boymann  aus  ühein- 
preussen  im  Febr.  1839  seine  Probeschrift  De  lineis  loxodromicis  in  datis 
superficiebus ,  inprimis  de  loxodromia  sphaerica  et  sphaeroidica  [38  S. 
gr.  4.] ,  und  im  Oct.  desselben  Jahres  Joh.  Hildebrand  aus  Schlesien 
seine  Abhandlung:  Philosophiae  Gnosticae  Origines  [Berlin  gedr.  bei 
Neudorff.  X  u.  78  S.  8.]  öffentlich  vertheidigt.  Die  letztgenannte  Ab- 
handlung giebt  nur  im  ersten  Capitel  (S.  1  — 11)  eine  Erörterung  de 
nomine  et  natura  philosophiae  gnosticae,  und  knüpft  daran  in  vier  fol- 
genden Capiteln  einen  gedrängten  historischen  Ueberblick  der  Philoso- 
phie des  Orients  (nämlich  S.  11  —  30:  De  philosophandi  ratione,  qua- 
lisanteCyri,  Persarum  regis ,  imperium  fuerit,  Buddhistische  und 
Zoroastrische  Philosophie,  S.  30  —  45:  De  philosophandi  ratione  Per- 
sarum imperii  Xemporibus ,  S.  45 — 65:  De  philosophandi  ratione 
Alexandri  Magni  ejusque  successorura  temporibns,  S.  66  —  78:  De  phi- 
losophandi ratione  primis  aerae  christianae  temporibus) ,  wodurch  eben 
der  Ursprung  den  Gnosticismus  aus  diesen  orientalischen  Religionsphi- 
losophemen  klar  gemacht  werden  soll.  Von  der  königlichen  Biblio- 
thek ist  herausgegeben  worden:  Index  librorum  manuscriptorum  et  im- 
pressorumt  quibus  bibliotheca  *-egia  Berol.  aueta  est  annis  1837  et  1838. 
[Berlin,  gedr.  b.  Petsch.  XXXVI  u.  119  S.  4.],  ein  Verzeichniss  der 
5132  gedruckten  Bücher ,  durchweiche  die  Bibliothek  in  diesen  bei- 
den Jahren  bereichert  worden  ist;  das  aber  darum  noch  besondere 
Beachtung  verdient,  weil  nicht  nur  S.  XXXI — XXXVI  zweiundneunzig 
neuerworbene  lateinische  und  deutsche  Handschriften  verzeichnet  und 
kurz  beschrieben  sind,  sondern  noch  ausserdem  eine  Geschichte  der 
kön.  Bibliothek  während  der  JJ.  1828  —  1839  vorausgeschickt  ist, 
welche  einen  sehr  wesentlichen  Nachtrag  zu  Wilkens  Geschichte  dieser 
Bibliothek  (Berlin  1828.)  bildet.  [J.] 

Boniv.  Bei  der  Universität  ist  in  der  katholisch  -  theologischen 
Facultät  der  Privatdocent,  Pfarrer  Dr.  Hilgers  zum  ausserordentlichen 
Professor  ernannt,  in  der  juristischen  Facultät  dem  ordentlichen  Pro- 
fessor Dr.  Bethmann-Hollweg  das  Prädicat  eines  geheimen  Justizrathes 
beigelegt  und  der  ausserordentliche  Professor  an  der  Universität  in 
Giesskx  Dr.  Karl  Seil  als  ordentlicher  Profcss  »r  berufen  ,  in  der  phi- 
losophischen Facultät  der  Oberlehrer  am  Gymnasium  Professor  Dr. 
Schopen  zum  ausserordentlichen  Professor  befördert  worden.  Der  im 
vorigen  Jahre  an  Ndke's  Stelle  berufene  ordentliche  Professor  der  alten 
Sprachen  Dr.  Ritschi  [s. .NJbb.  XXVI,  97.]  hat  als  Einladungsprogramm 
zur  Antritterede  seines  neuen  Amtes   eine  Disputatio  de  veteribus  l'lauti 


Beförderungen   und   Ehrenbezeigungen.  341 

inlcrpretibtis  ,  Cap.  I.  [1839.  10  S.  4.]  geschrieben  und  bald  nachher  in 
dem  Prooemium  zum  Index  lectionum  auf  XII  S.  aus  einer  Wiener 
Handschrift  die  dnocpdtyuazH  des  Orion  herausgegeben  und  durch 
einige  Nachweisungen  erläutert,  dabei  aber  zugleich  den  Namen  des 
Orion  ,  als  Verfassers  dieser  Apophthegmen  selbst  verdächtigt ,  indem 
er  in  den  ersten  Worten  '  Sloiwv  6  cpiXöaocpog  si'nrjxev  statt  Qqlcov  viel- 
mehr 'itgcov  geschrieben  wissen  will.  In  dem  vorjährigen  Einladungs- 
prograram  zum  Geburtstage  des  Königs  steht  dem  Vernehmen  nach 
eine  Abhandlung  De  Zodiaci  antiquitate  et  origine  von  A.  W.  von  Schle- 
gel, welche  gegen  Letronne's  Untersuchungen,  d.  h.  wahrscheinlich 
gegen  dessen  Aufsätze :  Opinions  populaires  et  scienlifiques  des  anciens 
sur  les  eclipses ,  im  Journal  des  Savans,  Juillet  1838,  und:  Opinions 
popidaires  et  scientlfiques  des  Grecs  sur  la  route  oblique  du  solcil,  eben- 
daselbst Mars  1839,  gerichtet  sein  ßoll.  Zur  Erlangung  der  philos. 
Doctorwürdc  hat  der  Student  der  Medicin  und  Chirurgie  Karl  Berthold 
Heinrich  aus  Bonn ,  Sohn  des  verstorbenen  Professors  Heinrich  und 
Herausgeber  der  von  seinem  Vater  hinterlassenen Bearbeitung  des  Juve- 
nal ,  eine  sehr  fleissige  und  gelehrte  Dissertatio  philologica  de  Chryse 
insitla  et  dea  in  Philoctele  Sophoclis  [Bonn  gedr.  b.  Georgi.  1839.  32  S. 
8.]  herausgegeben,  worin  er  über  die  Insel  Chryse,  auf  welcher  Phi- 
loktet  nach  den  Zeugnissen  mehrerer  alten  Schriftsteller  von  der 
Schlange  gebissen  und  demzufolge  auf  Lemnos  ausgesetzt  wurde,  narh 
den  Erörterungen  von  Buttmann,  Wunder,  Hermann  u.  A.  neue  Un- 
tersuchungen anstellt,  und  durch  scharfsinnige  Erörterung  darthot, 
dass  dies  eine  kleine  vulcanische  Insel  auf  der  Ostseite  von  Lemnos 
war,  welche  Sophokles  in  dem  Fragment  (bei  Steph.  Byz.  s  v.  JfyiW;): 
iß  Afjfii'e  Xqvor\<i  z  c<y%izsQtiovsg  7iäyoi,  erwähnt  und  welche  nach  dem 
Zeugniss  des  Pausanias  VIII.  33.  2.  zugleich  mit  dem  feuerspeienden 
Beige  Mosychlos  im  Jahr  197  v.  Chr.  (nach  der  Berechnung  von  Choi- 
eeul-Gouffier  in  der  Voyage  pittoresque  de  la  Grece  Tom.  II.  p.  129.) 
zu  derselben  Zeit  ins  Meer  versank,  wo  die  neue  Insel  Hiera  aus  dem- 
selben sich  erhob.  Das  Versinken  derselben  hatte  schon  Onomakritiis 
bei  Herodot.  VII.  6.  vorausgesagt,  und  wenn  Galenus  (de  siuiplic. 
medic.  temperam.  ac  faeuit.  IX.  1.  2.  den  ausgebrannten  Mosychlos 
auf  Lemnos  noch  gesehen  haben  will ,  so  soll  man  nicht  mit  Buttmann 
im  Museum  der  Altcrthumswiss.  Bd.  I.  S.  295  ff.  schliessen  ,  dass  dies 
der  von  Sophokles,  Antimachus  und  Eratosthenes  erwähnte  und  noch 
als  brennend  bezeichnete  Vulcan  sei,  sondern  Mosychlus  habe  auch 
das  Gebirge  auf  Lemnos  geheissen  und  dort  möge  Galen  einen  ausge- 
brannten Krater  gesehen  haben,  üa  nach  einer  andern  Sage  Philoktet 
auf  der  Insel  Ntu  oder  Nteti  (s.  Steph  Byz.s.  v.  Nsai)  verwundet  worden 
sein  soll,  wo  man  auch  später  einen  Altar  des  Philoktet  (s.  Appian. 
Mithridat.  c.  77.)  zeigte;  so  wird  wahrscheinlich  gemacht ,  dass  sich 
in  d<-r  Gegend,  wo  Chryse  versunken  war,  eine  Anzahl  neuer  vulca- 
nischer  Inseln  (A'«a)  erhoben  hatten,  von  denen  die  eine  vorzugs- 
weise Nin  oder  Nova  (s.  Plin.  bist.  nat.  II.  87.  und  IV.  12. J  genannt, 
zur  Erinnerung  an  die  Sugc  den   Altar  des   Philoktet  erhielt   und   nun 


342  Schul-  und  Un  1  vcr  sit  ä  tsnachri  ch  ten  , 

mit  Chrysc  verwechselt  ward.  Beiläufig  sind  auch  die  Sagen  be- 
Bprochen,  dass  Philoktet  auf  Lemnos  selbst  oder  gar  auf  Tenedos  von 
der  Schlange  verwundet  worden  sei,  und  von  allen  vier  Sagen  wird 
diejenige,  welche  die  Verwundung  nach  Chryse  verlegt,  für  die 
älteste  anerkannt.  In  der  Göttin  Chryse  aber  ,  deren  Altar  die  Grie- 
chen auf  jener  Insel  aufsuchten  und  bei  welchem  eben  Philoktet  von 
der  Schlange  gebissen  wurde,  will  Hr.  H.  weder  eine  Localnymphe 
noch  eine  Minerva  erkennen,  sondern  erklärt  sie,  gestützt  auf  zwei 
Vasenbilder,  für  eine  alte  Nationalgöttin  der  Sintier  in  Thracien, 
welche  die  Argonauten  mit  der  Minerva  in  Vergleichung  gestellt  und 
dadurch  die  Entstehung  der  'A&rjvä  Xqvgt}  hervorgerufen  haben  möch- 
ten. In  gegenwärtigem  Jahre  ist  gleichfalls  zur  Erlangung  der  philo- 
sophischen Doctorwürde  eine  Dissertatio  mathematica  de  singularitatibua 
supcrßcierum  von  Friedr.  Dornheim  au?  Detmold  [Bonn  1840.  14  S.  gr. 
4.J  erschienen  ,  aus  welcher  wir  hier  nur  von  den  angehängten  The- 
sen folgende  zur  weitern  Beachtung  empfehlen:  Geographica  quae  vo- 
catur  politica,  verae  geographiae  pars  non  est,  neque  in  gymr.asiis  do- 
cenda.  Auch  der  Abhandlung  von  Heinrich  sind  unter  besonderem  Ti- 
tel zwölf  Theses  controversae  angehängt,  von  welchen  wir  ausheben, 
dass  in  Xenophont.  Anab.  I.  4.  19.  Koog  xov  'Aß6$Qctv  7iozuu.6v  (falls 
nicht  die  Erwähnung  des  Araxes  ein  Gedächtnissfehler  sei) ,  in  Ovid. 
Fast.  IV.  236:  Ac  palla  cinetas  iurat  adesse  deas ,  in  Liv.  I.  28.  extr. 
Primum  ultimumque  illud  exemplum  apud  Romanos  supplicii  partim  me- 
moris  etc.  ,  in  Claudian.  rapt.  Proserp.  II.  24.  cristaque  für  hasta  ge- 
schrieben und  von  diesem  Gedichte  des  Claudian  selbst  vermuthet  wird, 
dass  es  von  dem  Dichter  unvollendet  gelassen,  nicht  aber  im  Laufe  der 
Zeit  verstümmelt  worden  sei.  [J.] 

Breslau.  Bei  der  Universität  hat  der  Professor  Dr.  Glocker  vom 
Könige  von  Würtemberg  den  Orden  der  würtembergischen  Krone  er- 
halten ,  und  der  Privatdocent  Dr.  Aug.  Kahlert  ist  zum  ausserordentl. 
Professor  in  der  philosophischen  Facultät  ernannt,  am  Elisabeth-Gymna- 
sium den  Lehrern  Keil,  Kamp,  Stenzel,  Guttmann  und  Rath  das  Prädicat 
Oberlehrer  beigelegt  und  am  katholischen  Gymnasium  der  bisherige 
Lehrer  am  Gymnasium  in  Gleiwitz  Conrad  Rotter  angestellt  worden. 

Bückeburg.  Zum  Rector  der  dasigen  Hauptschule  ist  an  des  ver- 
storbenen Prof.  Habicht  Stelle  der  Oberlehrer  Dr.  Rurchard  vom  Gym« 
nasium  in  Minden  berufen  worden. 

Cleve.  Der  Gymnasiallehrer  Dr.  Karl  Kiesel,  welcher  seit  1838 
provisorisch  die  Lehrstelle  der  Mathematik  versah  ,  ist  als  Oberlehrer 
an  das  kathol.  Gymnasium  in  Köln  versetzt  [s.  NJbb.  XXVII,  332.] 
und  statt  «einer  der  bisherige  Lehrer  am  Gymnasium  in  Essen  Feiten 
als  Lehrer  der  Mathematik  angestellt  worden. 

Coblenz.  In  dem  Programm  zur  vorjährigen  Herbstschulprüfung 
im  dasigen  Gymnasium  hat  der  Professor  Dr.  Ernst  Dronke  eine  sehr 
gelehrte  Abhandlung  De  Niceta  Davide  et  Zonara  interpretibus  carmi- 
num  S.  Gregorii  Nazianzcni.  Accedit  Particula  Paraphrasis  Nicetae  Da- 
vidis  nunc  primum  e   codicc  bibliothecae  Cusanae  edita.   [Coblenz  1839. 


Beförderungen  und   Ehrenbezeigungen,  343 

37  (16)  S.  gr.  4.]  herausgegeben,  welche  eben  so  über  die  Gedichte 
des  Gregor  von  Nazianz ,  namentlich  über  die  sogenannten  cmö^Q^rc^ 
wie  über  den  als  Philosophen ,  Rhetor  und  Historiker  bekannten  Bi- 
schof von  Dadibra,  IVicetas  David,  aus  dem  9.  Jahrhundert  mehrfache 
neue  Aufschlüsse  giebt  und  herrschende  Irrthümcr  beseitigt,  nament- 
lich aber  über  die  griechische  Metaphrase  dieses  Nicetas  zu  den  Ge- 
dichten des  Gregor  sich  verbreitet,  dieselbe  als  von  dem  griechischen 
Commentar  zu  den  Tetraslichis  und  iMonostichis  des  Gregor  verschie- 
den nachweist  und  den  letzteren  dem  Zonaras  zuschreibt,  zugleich 
auch  anführt,  dass  dieser  IVicetas  David  von  dem  IVicetas  Serron,  der 
eine  Paraphrase  zu  16  Reden  des  Gregor  geschrieben  hat,  gar  wohl 
zu  unterscheiden  ist.  Von  der  Paraphrase  des  David  ist  S.  14 — 16  ein 
Stück  als  Probe  einer  Ausgabe  derselben  mitgetheilt,  und  auch  von 
den  Gedichten  des  Gregor  wird  eine  neue  kritische  Bearbeitung  ver- 
sprochen ,  was  zugleich  Gelegenheit  giebt,  über  den  poetischen  und 
sprachlichen  Werth  dieser  Gedichte  Einiges  zu  bemerken  und  das  Ver- 
dammungsiirtheil  des  für  unächt  erklärten  Dramas  XQiazog  ktt0%av 
zweifelhaft  zu  machen.  In  den  7  Classen  des  Gymnasiums  wurden  im 
Laufe  des  Jahres  27!)  Schüler  unterrichtet,  wovon  am  Schluss  des 
Schuljahres  237  übrig  blieben.  Die  neben  dem  Gymnasium  eingerich- 
tete und  aus  zwei  Abtheilungen  bestehende  Vorbereitiingsschule  zählte 
71  Schüler.  Zur  Universität  wurden  9  Schüler  entlassen,  und  am 
Schluss  des  Schuljahres  1838  waren  13  zur  Universität  gegangen.  Für 
den  Unterricht  Maren  9  ordentliche,  4  Hülfs-  und  6  ausserordentliche 
Lehrer  vorhanden.  Der  Oberlehrer  Dr.  Deycks  hatte  im  Januar  das 
Prüdicat  eines  kön.  Professors  erhalten.  [J.] 

Cöslin.  Das  dasige  Gymnasium  war  im  Schuljahr  1838 — 39  zu 
Anfange  von  195  und  am  Ende  von  185  Schülern  besucht,  und  hat 
während  desselben  9  Schüler  mit  dem  Zcugniss  der  Heile  zur  Univer- 
sität entlassen.  Das  Jahresprogramin  [Cöslin  1839.  19  (15)  S.  4.]  ent- 
halt ausser  dem  Jahresberichte  Adnotationes  ad  Ciceronis  de  Qratorc 
librum  seeundum  von  dem  Director  und  kön.  Professor  Dr.  0.  AI.  Mül- 
ler,  welche  der  Verf.  selbst  für  eine  Beilage  zu  dem  in  Berlin  bei 
Dümmler  von  ihm  herausgegebenen  Textesabdrucke  der  Bücher  de 
Oratore  erklärt.  Es  sind  kritisch  -  exegetische  Bemerkungen  zu  5(> 
Stellen  des  zweiten  Buches,  worin  Lesarten  und  Verbesserungevor- 
schläge  besprochen  sind  ,  über  welche  die  neusten  Kritiker  und  Erklä- 
rer noch  nicht  vollständig  ins  Reine  gekommen  zu  sein  scheinen. 
Wenn  auch  in  mehreren  nur  Kleinigkeiten  und  unüberlegte  Einfälle 
von  Gelehrten  besprochen  werden,  so  empfehlen  sie  sich  doch  insge- 
sammt  durch  die  von  dem  Verf.  schon  anderweit  bewährte  Vertrautheit 
mit  dem  Sprachgebrauchs  des  Cicero  und  mit  dem  spccielleu  Inhalte 
der  Bücher  de  oratore.  Da  ein  Auszug  des  Ganzen  nicht  möglich  ist, 
so  hoben  wir  als  Probe  des  Geleisteten  nur  aus:  Gap.  1.  1.  die  Vertei- 
digung der  Lesart  studio  dicendi  gegen  discendi  durch  die  Bemerkung: 
„Qai  praedicabant ,  summos  illos  oratorcs  nun  crudilos  fuisse,  pro- 
hibere  volucrunt  Crassi  et  Antonii   exemplo,    ne   pueri  dicendi  bludio 


344  Schul-  und  Universitätsnacb richten, 

incensi  doctrinac  i.  e.  discendig  artibus  et  literis  se  traderent ;"  Cap. 
9.  36.  die  Rechtfertigung  der  Lesart  vita  memoriae  gegen  Hanows  vitae 
memoria;  Cay.  22.  91.  die  Conjectur  in  eo  socium  esse  statt  der  frü- 
heren in  eo  vitio  esse  und  statt  der  vielleicht  richtigen  handschriftlichen 
Lesart  üi  eo  vitiosum  esse$  Cap.  23.  94.  die  Conjectur  in  eodem  sua- 
vitatis  imitandae  generc  mit  der  Bemerkung:  „Ferilatem  orator 
publicus  non  imitatur,  imitandoque  exprimit,  sed  revera  agit  et  susci- 
p<7,quod  nunquam  dicitur  imitari.  Histrio  in  imitanda,  orator  au- 
tera  in  suscipienda  veritate  versatur;  cfr.  6.  34.  et  111.  §  214;"  Cup. 
44.  185.  die  Vertheidigung  des  sperent  statt  spernant  durch  die  Anmer- 
kung: „Quum  metuant  et  sperent  sibi  sint  opposita,  sicuti  antea  oderint 
et  diligant)  invideant  et  salvum  velint}  et  postea  cvpiant  et  abhorreant, 
nemo  dubitabit,  quin  sperent  verum  sit;"  Cap.  73.  296.  die  Vertheidi- 
gung des  von  Stürenburg  angefochtenen  tsctissimum  mit  der  Erklärung: 
,,  Tectissimus  est  ab  omni  parte  tutus  contra  hostium  tela.  Est  autcm 
haec  vox  nostro  loco  aptissima,  qmira  Antonius  ipse  Paulo  ante  oratoris 
muniis  cum  pugna  comparaverit."  [J.] 

Culm.  Der  Oberlehrer  Wesener  vom  Gymnasium  in  Reckliivg- 
hausen  ist  in  gleicher  Eigenschaft  an  das  hiesige   Gymnasium    versetzt. 

Essen.  Statt  des  als  Oberlehrer  nach  Cleve  abgegangenen  Leh- 
rers der  Mathematik  Fellen  ist  provisorisch  der  Schulamtscandidat 
Nlülhofer  als  fünfter  Lehrer  angestellt  worden. 

Frankreich.  Der  gegenwärtige  Minister  des  öffentlichen  Unter- 
richts Cousin  hat  vor  kurzem  durch  eine  Ordonnanz  angeordnet  ,  dasa 
die  Frofesseurs  supplcants  an  den  Facultäten  auch  eigene  und  selbst- 
etändige  Lehrvorträge  halten  dürfen  und  dadurch  dieselben  in  ihrer 
Wirksamkeit  der  Stellung  der  ausserordentlichen  Professoren  auf  den 
deutschen  Universitäten  genähert.  Durch  eine  spätere  Ordonnanz  vom 
24.  März  hat  er  ferner  verordnet,  dass  an  allen  Facultäten  der  Litera- 
tur neben  den  ordentlichen  Professoren  und  ihren  Supplenten  noch 
ausserordentliche  Lehrer,  agreges ,  für  Philosophie,  alte  und  neue 
Literatur,  Geschichte  und  Geographie,  nach  der  Aehnlichkeit  der 
deutschen  Privatdocenten,  eingeführt  werden  sollen,  welche  durch 
einen  aller  drei  Jahre  in  Paris  anzustellenden  Concurs,  zudem  alle 
Doctoren  der  Literatur  zulassungsfähig  sind,  ernannt  werden  und  aus 
denen  dann  die  Professoren  ihre  Supplenten  zu  wählen  haben,  so  wie 
sie  allein  bei  der  Vacanz  eines  Lehrstuhls  mit  der  Ausfüllung  desselben 
beauftragt  werden  können. 

Glatz.  Die  erledigte  achte  Lehrstelle  am  Gymnasium  ist  dem 
Schulamtscandidaten  Joseph  Klose  übertragen  worden. 

Gleiwitz.  Am  dasigen  Gymnasium  ist  nach  der  Versetzung  des 
Lehrers  Rottcr  an  das  kathol.  Gymnasium  in  Breslau  der  Lehrer  Rott 
in  die  sechste,  der  Religionslehrer  Schlucke  in  die  siebente  und  der 
Collaborator  Joseph  Spiller  in  die  achte  Gehaltsstelle  aufgerückt. 

Glogau.  Zum  Director  des  katholischen  Gymnasiums  ist  der 
bisherige  Oberlehrer  am  Gymnasium  in  Oppeln  Dr.  Eduard  Wentzel 
ernannt  worden. 


Beförderungen  und  Ehrenbezeigungen.         345 

IIiRsniDF.RG.  Das  dasige  Gymnasium  war  im  Schuljahr  von 
Ostern  1837  bis  dabin  1838  in  seinen  fünf  Classen  von  126 ,  und  im 
Schuljahr  1838  — 1839  während  des  ersten  Halbjahres  von  124  und 
während  des  zweiten  von  115  Schulern  besucht.  Zur  Universität  wur- 
den im  ersten  Jahre  7,  im  zweiten  9  Schüler  entlassen,  ungerechnet  3 
andere,  welche  im  September  1839  die  Abiturientenprüfung  bestanden, 
vgl.  NJbb.  XIX,  353.  Im  Lehrercollegium  sind  keine  Veränderungen 
eingetreten;  dagegen  ist  seit  (htern  1838  der  Lehrplan  der  Anstalt  et- 
was abgeändert  und  durch  Verminderung  der  Lchrstundenzahl  und 
häuslichen  Arbeiten  nach  den  Vorschriften  der  Ministerialverfügung  vom 
24.  Octbr.  1837  gestaltet,  zugleich  aber  auch  die  frühere  Richtung 
beibehalten  worden,  dass  die  untern  Classen  neben  dem  Gymnasial- 
zwecke auch  als  höhere  Bürgerschule  dienen.  Zur  Beförderung  des 
letztern  Zweckes  ist  noch  die  Einrichtung  getroffen  ,  dass  die  Schüler, 
welche  von  der  Erlernung  des  Griechischen  dispensirt  sind,  besonderen 
Unterricht  im  Französischen  und  im  Schönschreiben  erhalten.  Für  die 
ganze  Schule  ist  ausserdem  seit  Anfang  des  Jahres  1839  das  Zeichnen 
zu  einem  öffentlichen  Unterrichtsgegenstande  erhoben ,  und  eben  so 
sind  seit  dem  Sommer  dieses  Jahres  geregelte  Leibesübungen  unter  Auf- 
sicht und  Leitung  der  Lehrer  neu  eingerichtet  und  von  den  Schülern 
sehr  eifrig  besucht  worden.  In  dem  Programm  des  Gymnasiums  vom 
Jahr  1838  steht  eine  geniale  und  scharfsinnige  Abhandlung  von  dem 
Oberlehrer  Dr.  K.  E.  Schubarth:  Was  thut  der  Behandlung  der  Ge- 
schichte Noth  ,  damit  sie  ihrerseits  ah  JFissenschaft  nicht  hinter  der  Geo- 
graphie zurückbleibe?  [Hirschberg  gedr.  bei  Landott.  3fi  (20)  S.  4  ], 
welche  die  Fortsetzung  zu  dem  Aufsaize  des  Verfassers:  lieber  eine  kri- 
tische Würdigung  meiner  Uauptrichtuvgen  des  menschlichen  Geistes  etc.11 
in  Verbindung  mit  der  „geschichtlichen  /fnahjsis  und  Synthesis,"  in 
unsern  NJbb.  1838  Supplcraentband  V,  1.  bildet.  So  wie  er  nämlich 
in  jenem  Aufsatze  die  herkömmliche  Definition  der  Geschichte  für  zu 
vag  erklärt  und  den  Gegenstand  derselben  nach  der  empirischen  und 
speculativen  Seite  ihrer  Bchandlungsweise  näher  abzugrenzen  und  zu 
bestimmen  versucht;  so  will  er  in  gegenwärtiger,  leider  nur  frag- 
mentarisch mitgetheilten  Abhandlung,  geleitet  von  den  Grundsätzen, 
nach  welchen  Karl  Ritter  die  Geographie  umgestaltet  und  die  in  der 
Gestaltung  der  Erdoberfläche  sich  kundgebende  Gesetzlichkeit  zu  ihrer 
Grundlage  gemacht  hat,  eine  ähnliche  Grundlage  auch  für  die  Auf- 
fassung und  Behandlung  der  Geschichte  gewinnen ,  und  dass  entdeckte 
Gesetz  in  der  Entwickelung  der  geographischen  Räumlichkeit  in  soweit 
auf  dieselbe  angewendet  wissen,  dass  die  geographische  Gestaltung  der 
Erde  und  der  unmittelbare  Einfluss  der  irdischen  Elemente  des  Erd- 
körpers auf  die  Entwickelung  der  geistigen  Natur  des  Menschen  als  das 
bedingende  Gesetz  der  geschichtlichen  Entwickelung  des  Menschenge- 
schlechts aufgefasst  werde,  und  dadurch  auch  die  Geschichte  selbst 
als  ein  grossartiger  Organismus  hervortrete,  in  welchem  alle  Theile 
in  wechselseitig  sich  bedingendem  Verhältniss  stehen,  und  worin  jeder 
einzelne  eben  so   seine   bcrtimmto  Stellung  hat ,    wie  alle  zusammen. 


346  Schul- und  Uni  versi  tiiis  na  ehric  hten, 

Kurz  er  will  die  geschichtliche  Darstellung  der  Zustände  und  des  Ent- 
wickelungsganges  der  Völker  überall  auf  die  physisch- geographische 
Beschaffenheit  ihrer  Wohnplätze  hasirt  wissen ,  und  hat  in  sehr  scharf- 
sinniger Weise  nicht  nur  die  Notwendigkeit  eines  solchen  Verfahrens 
dargethan,  sondern  auch  den  wirklich  vorhandenen  Einfiiiss  der  phy- 
sisch-geographischen  Zustände  auf  die  in  der  Geschichte  sich  offen- 
barende geistige  Entwicklung  der  Völker  in  einer  Reihe  allgemeiner 
Andeutungen  nachgewiesen.  Die  Abhandlung  verdient  also  in  ganz 
besonderem  Grade  die  Aufmerksamkeit  der  Geschichtsforscher,  wenn 
sie  auch  noch  mancherlei  Einschränkungen  erleiden  dürfte,  weil  der 
Verf.  jenen  Einfluss  der  Erdverhältnisse  auf  die  Geschichte  zu  weit  aus- 
zudehnen scheint,  und  zugleich  die  daher  entnommenen  Merkmale  des 
allgemeinen  geschichtlichen  Zustandes  der  Volker  in  so  abstracter  Dar- 
stellungsform  darlegt,  dass  die  Begriffe  öfters  mehr  verschweben  und 
undeutlich  werden,  als  an  Bedeutsamkeit  und  Klarheit  gewinnen.  In 
dem  Programm  des  Jahres  1839  hat  der  Director  Dr.  Karl  Linge  einen 
Aufsatz  De  Francisci  Passovii  in  Academia  Lipsiensi  vita  et  studiis  [36 
(14)  S.  4.j  mitgetheilt,  und  dadurch  einen  um  so  willkommneren  Beitrag 
zur  Lebensbeschreibung  dieses  Gelehrten  geliefert,  jei.tehr  er  darin 
die  liebenswürdige  und  edle  Persönlichkeit  und  den  lebhaften  ,  regen 
und  für  alles  Edle  und  Schöne  begeisterten  Charakter  desselben  her- 
auszustellen gewusst  hat.  Lieber  Passows  Leben  erschien  allerdings 
bald  nach  dessen  Tode  eine  kurze,  von  ihm  selbst  für  das  Conversa- 
tionslexicon  der  neuern  Zeit  entworfene  Biographie  in  den  Blättern  für 
lit.  Unterh.  1833  Nr.  93  und  in  Nowacks  schlesischem  Schriftsteller-Le- 
xicon  und  eine  zweite  von  seinem  Schwiegervater  Ludwig  IJrachler 
entworfene,  welche  indessen  biographischen  Aufsülzen  S.  331  ff.  am 
vollständigsten  abgedruckt  ist.  Aus  beiden  wurden  die  kurzen  Biogra- 
phieen  in  der  Allg.  Schulzeit.  1833,  II.  Nr.  40,  in  unsern  NJbb.  XV, 
ö — 17  und  im  Neuen  Nekrolog  der  Deutschen  Jahrg.  11.  Bd.  1.  S. 
183  — 190  zusammengesetzt.  Allein  alle  diese  Aufsätze  enthalten  ne- 
ben der  allgemeinen  Charakteristik  des  Mannes  fast  nur  eine  Schilde- 
rung der  äusseren  Lebensverhältnisse  desselben,  und  stellen  dessen 
Bedeutsamkeit  nicht  genug  heraus,  weil  es  überhaupt  selten  möglich 
ist,  aus  dem  stillen  und  auf  das  innere  geistige  Wirken  beschränkten 
Leben  des  Gelehrten  so  viel  äussere  Momente  und  eine  so  weit  äus.ser- 
lich  erkennbare  und  allgemeine  Einwirkung  auf  die  Volksentwickelung 
herauszufinden  ,  dass  die  Darstellung  ihrer  äusseren  Thätigkeit  sie  zu 
geschichtlichen  Personen  erhebt  oder  auch  nur  überhaupt  ihren  vollen 
Werth  gnügend  erkennen  lässt.  Dies  ist  höchstens  bei  solchen  Gelehr- 
ten möglich  ,  welche  entweder  in  der  Wissenschaft  neue  Bahnen  bre- 
chen und  neue  Richtungen  des  speculativen  oder  praktischen  Wissens 
hervorrufen ,  oder  welche  wirksam  in  Staatsleben  eingreifen  und  Ein- 
richtungen schaffen,  deren  Bestehen  das  äussere  Monument  ihres  Ge- 
dächtnisses ist.  Passows  Grösse  aber  bestand  in  der  Regsamkeit  und 
Wärme  seines  reichen  und  edlen  Gcmüthes ,  in  dem  freimüthigen, 
sorgenlosen    und    liebenswürdigen    Wesen  ,     in    dem  regen    Enthuaias- 


Beförderungen  und  Ehrenbezeigungen,  347 

mtis  für  alles  Gute  und  für  das  Wohl  des  Vaterlands,  in  der  eifrigen 
Anwendung  der  Wissenschaft  aufs  Lehen  und  dem  unzerstörbaren 
Triebe  zum  Wirken  ,  in  der  natürlichen  Hinneigung  und  Mitwirkung 
hei  allem  tüchtigen  Streben  ,  in  dem  Sicherheben  über  das  Gemeine, 
und  in  der  weckenden  und  anregenden  Kraft,  welche  er  als  Lehrer  m 
auf  seine  Schüler ,  als  Gelehrter  auf  gleichgesinnte  Studiengenossen 
ausübte.  Ein  solches  Wirken  aber,  welches  vom  inneren  geistigen 
Lehen  ausgehend ,  vorherrschend  auch  nur  wieder  in  der  Erweckung 
des  geistigen  Lebens  Anderer  sich  offenbart,  lässt  sich  durch  äussere 
Thatsachen  nur  unvollkommen  darstellen,  weil  dessen  Wirkungen 
äusserlich  meist  unsichtbar  bleiben,  und  kann  eigentlich  nur  durch 
6pecielle  Beschreibung  der  schaffenden  Thätigkeit  in  einzelnen  Fällen 
oder  durch  das  Vorführen  mündlicher  und  schriftlicher  Aeusserungen 
der  inuern  Gesinnung  klar  gemacht  werden.  Das  Erstere  hat  nun 
Linge  in  der  vorliegenden  Schilderung  von  Passows  Leben  auf  der 
Universität  in  Leipzig  versucht,  und  es  ist  ihm  namentlich  in  der  Be- 
schreibung von  dessen  Aufnahme  in  die  von  Gottfr.  Hermann  geleitete 
griechische  Gesellschaft,  welche  damals  noch  philologische  Gesellschaft 
hiess  und  erst  auf  Passows  Anregung  den  Namen  griechische  Gesell- 
schaft bekam ,  und  von  seiner  Theilnahme  an  derselben  recht  wohl  ge- 
lungen ,  während  die  übrige  Erzählung  von  seinem  damaligen  akade- 
mischen und  literarischen  Leben  und  Treiben  und  namentlich  von  sei- 
nen poetischen  Studien  in  Eutritzsch,  einem  Dorfe  bei  Leipzig,  doch 
mehr  mit  der  Zusammenstellung  von  Aeusserlichkeiten  sich  beschäftigt- 
Reichen  Aufschluss  über  die  innere  Gemüthswelt  Passows  aber  und 
einen  klaren  Spiegel  seiner  Gesinnungen  bietet  die  Schrift:  Franz  Pas- 
sows Leben  und  Briefe ,  eingeleitet  von  Dr.  Ltidw.  (Fachler ,  herausge- 
geben von  Albrecht  Wachler.  [Breslau  b.  Hirt.  1839.  VIII  u.  860  S.  gr.  8. 
2  llthlr.  12 Gr.]  Sie  ist  in  ihrer  Grundlage  eine  Wiederholung  der 
obenerwähnten  Autobiographie  Passows,  welche  aber  durch  eine  reiche 
und  zum  zusammenhängenden  Ganzen  verbundene  Auswahl  von  Brie- 
fen Passows  und  einiger  andern  Beilagen  erläutert  und  commentirt 
wird,  und  hat  die  äussere  Einrichtung,  dass  jene  Biographie  in  fünf 
Abschnitte  (die  erste  Jugendzeit  bis  zur  Universität,  das  Leben  auf  der 
Universität  und  in  Dresden  bis  zur  Anstellung  in  Weimar,  das  Leben 
in  Weimar,  in  Jenkau  und  Berlin  und  endlich  in  Breslau)  zertheilt  den 
übersichtlichen  und  leitenden  Faden  für  die  jedem  Abschnitte  unterge- 
ordneten Beilagen  bietet.  Dadurch  erhält  man  nun  zwar  auch  hier 
keine  rechte  Biographie  Passows  im  gewöhnlichen  Sinne  des  Wortes, 
weil  namentlich  in  der  beurtheilenden  Charakteristik  seines  äusseren 
Lebens  und  seines  amtlichen  Wirkens  mancherlei  Lücken  bleiben;  aber 
die  Briefe  lassen  desto  tiefere  Blicke  in  sein  inneres  Leben  thun  ,  und 
das  Buch  gleicht  in  seiner  Einrichtung  und  seinem  Werthe  am  meisten 
den  Lcbcusnachrichten  über  B.  G.  Nicbuhr  aus  Briefen  desselben  und  aus 
Erinnerungen  einiger  seiner  nächsten  Freunde  [Hamburg,  Perthes.  1838 
und  1839  3  Bde.  8.  8  Rthlr.],  nur  dass  die  IVicbuhrschen  Briefe  viel- 
leicht darin  zurückstehen ,    dass  sich  in  ihnen   nicht  so   offen   und  klar, 


348  Schul-  und   Universitätsnachrichten, 

I 

wie  in  den  Passowschen,  die  reine  und  wahre  Denk-  und  Sinnesweisc, 
sondern  immer  eine  gewisse  Berechnung  und  Zurückhaltung  aus/u-  ] 
sprechen  scheint.  Ueher  Passows  Knahenjahre  fehlen  natürlich  eigene  I 
Mittheilungen  von  ihm,  aher  ein  Bericht  von  dem  Präpositus  E.  Breem  j 
zu  Gägelow  hei  Sternberg,  der  den  Knaben  vom  13 — 16.  Jahre  un- 
terrichtet und  über  dessen  Wesen  und  geistige  Entwickelung  sowie 
über  seine  bei  ihm  angewendete  Unterrichtsweise  aus  treuer  Erinne- 
rung das  Nöthige  aufgezeichnet  hat,  hilft  dafür  aus.  Aber  von  1802 
an,  wo  Passow  aus  dem  elterlichen  Hause  weg  und  auf  das  Gymna- 
sium in  Gotha  kam,  beginnen  dessen  eigene  Briefe,  und  in  ihnen 
prägt  sich  der  heranwachsende  Jüngling  eben  so  aus ,  wie  später  der 
Mann  erschien.  Die  enthusiastische  Entschiedenheit,  womit  er  Alles 
bewunderte  oder  verwarf  und  das  Ergriffene  mit  allem  Eifer  festhielt, 
zeigt  sich  schon  hier  nicht-  nur  in  der  unendlichen  Verehrung  seines 
Lehrers  Fr.  Jacobs,  sondern  er  ist  überhaupt  für  ernste  wissen- 
schaftliche Thätigkeit  eben  so  begeistert,  wie  für  poetische  Jugendver- 
suche,  welche  er  der  Mutter  in  einem  saubergeschriebenen  Heftchen 
zum  Geburtstagsangebinde  schickt,  und  schildert  eben  so  freudig  seine 
Freundschaftsverhältnisse,  wie  er  offen  und  warm  seine  aufkeimende 
Liebe  zu  Luise  Wichmann,  seiner  zukünftigen  ersten  Gattin,  den  El- 
tern gesteht.  Auf  der  Universität  in  Leipzig  ist  es  Gottfried  Hermann, 
dessen  jugendlich  frische,  scharfsinnige  und  geistig-anregende  Vorlesun- 
gen ihn  begeistern  und  an  dem  er  mit  solcher  Bewunderung  hängt, 
dass  kein  akademischer  Lehrer  daneben  seinen  Beifall  findet.  Eben  so 
gefallen  ihm  nur  wenige  Comrailitonen  aus  Hermanns  philologischer 
Gesellschaft;  die  übrige  Studentenwelt  und  das  Leben  in  Leipzig  selbst 
sind  ihm  so  zuwider,  dass  er  eine  ländliche  Wohnung  in  Eutritzsch 
bezieht,  und  neben  den  classischen  Sprachstudien  und  den  Fecht-  und 
lteitübungen  das  Studium  der  neuern  Dichter  (Petrarka's,  Shakespea- 
re' s ,  Calderons ,  Schlegels,  Tiecks,  Goethes,  Schillers),  eifrig  be- 
treibt, sich  immer  mehr  in  der  schon  in  Gotha  erwachten  Bewunde- 
rung Schlegels  und  der  romantischen  Poesie  versenkt,  und  selbst  in 
Pttrarkischer  Weise  eine  Sonettensammlung  herausgiebr.  Liebe  zur 
Kunst  und  die  begonnene  Bearbeitung  des  Persius  führen  ihn  1806 
nach  Dresden,  wo  Böttiger  seinen  Sinn  fürs  Schöne  weckt,  und  er  so- 
gar an  eine  Reise  nach  Italien  denkt,  um  sich  eine  ideale  Kunstan- 
schauung zu  verschaffen.  Als  er  aber  1807  am  Gymnasium  in  Weimar 
angestellt  wird  ,  da  tritt  die  heilige  Amtsbegeisterung  hervor,  und  er 
schreibt  nicht  nur  an  Jacobs  von  seiner  grossen  Lust  und  Liebe  zum 
Unterrichten,  sondern  er  wirkt  auch  mit  dem  glänzenden  Erfolge, 
welchen  eine  so  schöne  Vereinigung  von  Kenntnissen  und  Begeisterung 
hervorbringen  inuss ,  und  entwirft  einen  neuen  Organisationsplan  der 
Schule,  zu  dessen  Ausführung  er  mit  seinem  gleichgesinnten  Amtsge- 
nossen und  Freunde  Johannes  Schulze  sich  verbindet.  Die  Liebe  für 
die  schöne  Literatur,  welche  sich  in  der  Bewunderung  Schlegels  etwas 
inässigt,  wird  durch  den  eröffneten  Umgang  mit  Goethe,  Wieland, 
Knebel  und  andern  grossen  Männern ,    die   damals   in    Weimar   lebten, 


Beförderungen  und  Ehrenbezeigungen.  349 

befriedigt  und  genährt,  und  er  gefällt  sich  darin  sowohl,  dass  er 
selbst  eine  arge  Unartigkeit  Goethes  ruhig  hinnimmt,  ja  sie  selbst  in 
einem  vorzüglich  schonen  Briefe  an  seinen  Freund  Heinrich  Voss  aus- 
führlich beschreibt.  Es  würde  zu  weit  führen ,  hier  weiter  zu  erzäh- 
len, wie  er  1810  einem  Rufe  als  zweiter  Director  an  das  Conradinuiu 
zu  Jenkau  bei  Daneig  folgt,  wie  dort  sein  pädagogisch -philologisches 
Schulleben  zur  vollen  Blüthe  sich  entfaltet,  wie  er  durch  Wort,  That 
und  Schrift  für  die  Schule  und  die  Wissenschaft  wirkt,  und  nament- 
lich die  griechische  Sprache  zur  Hauptgrundlage  alles  Gymnasialun- 
terrichts machen  will;  wie  aber  plötzlich  Danzigs  Drangsale  durch  die 
Kriegsunruhen,  die  Aufhebung  der  Schule  und  der  Tod  seiner  Gattin 
sein  Lebensglück  und  seine  Wirksamkeit  zerstören ,  und  wie  er  endlich 
1815  in  Breslau  eine  neue  Amtsstellung,  eine  neue  Heimath  und  ein 
neues  Familienleben  findet.  Alle  diese  Ereignisse  sind  im  Allgemeinen 
schon  hinlänglich  bekannt ,  und  ihre  specielle  Schilderung  muss  man 
in  Passows  Briefen  an  seine  Freunde  nachlesen,  weil  man  daraus  erst 
den  rechten  Aufschluss  darüber  empfängt  und  sie  zugleich  in  so  schö- 
nem Bilde  vorgehalten  bekommt,  dass  man  eben  so  ungern  sich  davon 
trennt,  wie  von  hoher  Bewunderung  für  die  vielen  und  grossen  Ver- 
züge des  Mannes  erfüllt  wird.  Allerdings  enthält  das  Buch  noch 
lange  nicht  Alles,  was  sich  über  Passows  Leben  sagen  lässt ,  und  schon 
die  kleine  Abhandlung  von  hinge  offenbart,  wie  viel  man  noch  nach- 
tragen kann ;  aber  sie  enthält  eben  das  Schönste  und  Beste  ,  was  man 
von  ihm  wissen  mag,  und  schliefst  besonders  sein  inneres  Leben  auf. 
Dabei  giebt  sich  Passow  in  diesen  Briefen  überall  so  offen  und  unver- 
hüllt, dass  gar  kein  Zweifel  darüber  entstehen  kann,  es  stelle  sich  dar- 
in das  reine  Bild  von  seinem  wirklichen  Leben  und  seiner  wahren  Ge- 
sinnung dar.  Ja  er  verhehlt  seine  Gesinnungen  so  wenig,  dass  eben 
so  scharf,  wie  Liebe  und  Bewunderung,  auch  sein  Hass  überall  her- 
vortritt. Nur  trifft  dieser  Hass  gewöhnlich  blos  Schlechtes  und  Un- 
würdiges, ist  nur  in  seltneren  Fällen  durch  excentrische  Gereiztheit 
übertrieben,  und  hat  auch  da  meistens  etwas  sehr  Ehrenwerthes,  weil 
er  fast  immer  durch  einen  guten  Beweggrund  hervorgerufen  ist,  und 
von  einer  edlen  Gesinnung  ausgeht,  die  nur  durch  die  Leidenschaft- 
lichkeit zu  weit  fortgerissen  wird.  Desshalb  ist  es  auch  wahrhaft  zu 
bedauern,  dass  gerade  die  beiden  Hauptfälle,  wo  Passow  durch  seine 
Leidenschaftlichkeit  sich  in  wesentliche  Unannehmlichkeiten  stürzte, 
nämlich  sein  Streit  mit  Huschkc  und  sein  Kampf  um  das  Turnwesen, 
in  dem  vorliegenden  Buche  durch  Auslassungen  von  Documenten  und 
Briefen,  die  jedenfalls  darüber  vorhanden  waren,  über  die  Gebühr 
verwischt  sind.  Köthig  war  dies  nicht,  am  allerwenigsten  in  dem 
wahrhaft  patriotischen  Kampfe  für  sein  Turnziel,  der  wenn  er  auch 
ein  Irrthum  gewesen  sein  sollte,  doch  wenigstens  ein  sehr  edler  Irr- 
thuni  is*.  Nächstdcm  bleibt  zu  wünschen ,  dass  über  Passows  Amts- 
tätigkeit in  Breslau  und  über  den  grossen  Einfluss,  den  er  auch  dort 
auf  seine  Schüler  übte,  reichere  Auskunft  gegeben  wäre,  da  gerade 
darüber  seine  Briefo  nicht  den  zureichenden  Aufschluss  bieten,  welchen 


350  Schul- und  Universitätsnachrichten, 

6ie  z.  B.  über  sein  Amtsleben  in  Weimar  und  Jenkau  enthalten.  Der 
Leser  vermiest  dies  um  so  mehr,  da  es  gerade  die  Zeit  der  vollendet- 
sten amtlichen  und  wissenschaftlichen  Thätigkeit  Passows  ist.  Möch- 
ten seine  Schüler ,  die  hierüber  am  besten  Aufschluss  geben  können, 
diese  Lücke  bald  ausfüllen,  um  so  mehr,  da  auch  der  neuste  Biograph 
Passows ,  F.  A.  Eckstein ,  in  der  Allgemeinen  Encyclopüdie  der  Wissen- 
schaften und  Künste  eben  darüber  nur  unzureichende  Auskunft  giebt, 
so  geschickt  er  auch  sonst  die  wesentlichen  Erscheinungen  aus  dessen 
Leben  zusammengestellt  und  aus  ihnen  eine  recht  wohlgelungene  Cha- 
rakteristik desselben  gebildet  hat.  [J.] 

Jena.  Bei  der  Universität  sind  in  der  philosophischen  Facultät 
der  als  Sanskrit- Kenner  bekannte  Privatlehrer  Dr.  Hermann  Brockhaus 
aus  Leipzig,  der  bisherige  Privatlebrer  an  der  landwirthschaftlichcn 
Lehranstalt  des  Hofr.  und  Professors  Schnlze  Dr.  Christian  Eduard 
Langethal  und  der  durch  seine  Forschungen  in  der  Pflanzenphysiologie 
bekannte  Privatgelehrte  Dr.  iur.  et  phil.  J.  M.  Schieiden  als  ausseror- 
dentliche Professoren  (der  Sanskritliteratur,  der  Landwirtschaft  und 
der  Botanik)  angestellt  und  in  der  medicinischen  Facultät  der  Privatdo- 
cent  Dr.  Heinr.  Häser  zum  ausserordentl.  Professor  ernannt  worden. 
Der  bisherige  ausscrordent.  Prof.  der  Theologie  Dr.  Frommann  ist  als 
Hauptprediger  der  deutsch -lutherischen  Gemeinde  nach  St.  Petersburg 
gegangen. 

Nassau.  Das  durch  den  Tod  des  Professors  Frorath  [s.  NJbb. 
XXV,  448.]  erledigte  Rectorat  am  Pädagogium  in  Hadamab  ist  im  Octo- 
ber  vorigen  Jahres  dem  Rector  Jos.  Muth  vom  Pädagogium  in  Wies- 
baden übertragen  und  demselben  zugleich  das  Prädicat  Professor  bei- 
gelegt ;  zum  Rector  dieses  Pädagogiums  aber  der  Professor  JFilh.  Karl 
Lex  vom  Gymnasium  in  Weilburg  ernannt  worden.  Nach  Weilbvrg 
wurde  der  Conrector  Karl  Ludw.  Menke  von  Hadamar  als  Professor  ver- 
setzt und  zugleich  der  ausserordentliche  Prof.  F.  It.  C.  Krebs  zum  or- 
dentlichen Professor  ernannt,  in  Dillenburg  der  Prorector  .loh.  Bapt, 
Fischer  pensionirt  und  dessen  Stelle  dem  Prorector  Joh.  Braun  aus  Ha- 
damar  übertragen  ,  zugleich  auch  der  Candidat  der  Philnl.  Spiess  als 
Collaborator  angestellt.  Das  Prorectorat  in  Hadamar  erhielt  der  aus- 
serordentliche Prof.  Dr.  Conr.  Cuntz  aus  Weilburg,  und  das  Conrecto- 
rac  ebendaselbst  der  Conrector  Fr.  W.  L.  Schmidtborn  aus  Wiesbaden; 
nach  Wiesbaden  endlich  wurden  die  Conr*ectoren  Joh.  Bellit.ger  und 
Herrn.  Hänlc  vom  Pädagogium  in   Dillenburg  versetzt. 

Neustrelitz.  Am  dasigen  Gymnasium  Carolinum  ist  während  des 
Sommers  1839  in  Folge  des  Ablebens  des  Lehrers  Grolh  der  Dr.  Theod. 
Ludewig  zum  dritten  Professor,  der  Lehrer  Rudolph  Werner  zum  vier- 
ten ,  der  Dr.  Karl  Scheibe  zum  fünften  und  der  Hülfslehrer  Leo  Milareh 
zum  sechsten  Lehrer  aufgerückt. 

Oestreich.  Die  Lehrkanzel  der  Welt  -  und  österreichischen 
Staatengeschichte  an  der  Universität  in  Prag  ist  dem  Professor  Dr.  C. 
Joh.  Victz  von  der  Universität  in  Olmütz  ,  und  die  dadurch  dort  erle- 
digte Lehrkanzel  dem  Professor  Joh,  Kaiser  zu  Görz  übertragen  ,    des- 


Beförderungen  und  Ehrenbezeigungen.  351 

gleichen  der  Dr.  L.  Neumann  zum  Professor  der  allgemeinen  europäi- 
schen und  spcciellen  österreichischen  Statistik  an  der  k.  k.  Theresiani- 
schen Bitterakademie  in  Wien  ,  der  Dr.  Joh.  Steger  zum  Professor  der 
Beligionslehrc  am  Lyceum  in  Linz  ernannt  worden. 

Oldemjcrg.  In  der  zu  Ostern  1839  ausgegebenen  und  auch  in 
den  Buchhandel  gebrachten  Einladungsschrift  zu  den  Schulfeierlichkei- 
ten des  dasigen  Gymnasiums  hat  der  Bector  und  Professor  J.  P.  E. 
Greverus  eine  Abhandlung  ü6er  die  Bilder  und  Gleichnisse  aus  dem  Ho~ 
mer  [22  S.  gr.  4.  6gr.]  geliefert,  und  darin  die  Bilder  und  Gleichnisse 
des  Dichters  zusammengestellt  und  mancherlei  Betrachtungen  daran  ge- 
knüpft. Der  Verf.  hatte  dieselben  ursprünglich  zu  dem  Zwecke  ge- 
sammelt ,  aus  ihrer  Yergleichung  wichtige  Besultate  für  die  Charak- 
teristik und  Kritik  der  homerischen  Gesänge  zu  ziehen,  fand  aber  der- 
gleichen Besultate  nicht  heraus;  indess  theilt  er  doch  mit,  was  er 
wirklich  gefunden  hat.  Das  Gymnasium  cntliess  zu  jener  Zeit  4  Schü- 
ler zur  Universität,  und  in  den  5  Classen  unterrichteten  ausser  dem 
Bector  der  Lehrer  der  Mathematik  Dr.  Temme,  der  Conrector  Dr. 
Stahr ,  die  Collahoratoren  Hagena  und  Folkers,  Dr.  Pansch,  Dr.  König 
und  die  Candidaten  Hieken  und  Osterbind,  ungerechnet  den  geh.  Kir- 
chenrath  Dr.  Buckel,  den  Hofprediger  IFallrolh  und  den  Pastor  lbbe- 
ken,   von  denen  jeder  wöchentlich  einige  Lehrstunden  ertheilt. 

Preissen.  Im  Sommer  1839  waren  die  14  Gymnasien  der  Pro- 
vinz Preissen  von  2988  und  die  zwei  Progymnasien  von  218  Schülern, 
die  4  Gymnasien  der  Provinz  Posen  von  1030  (im  Schuljahr  1838  —  39 
von  1113)  und  das  Progymnasium  in  Trzemesno  von  244  Schülern, 
die  21  Gymnasien  der  Provinz  Schlesien  von  4273  (im  Schuljahr  1838 
—  39  von  4338,  im  Winter  1839 — 40  von  4385)  Schülern,  die  7 
Gymnasien  der  Provinz  Pommern  von  15C5  Schülern,  die  18  Gymnasien 
der  Provinz  Brakdemiurg  von  3942  Schülern  ,  die  21  Gymnasien  der 
Provinz  Sachsen  von  3388  Schülern,  die  11  Gymnasien  der  Provinz 
Westpuale*  von  1735,  die  2  höhern  Bürgerschulen  von  213  und  die  7 
Progymnasien  von  207  Schülern,  die  18  Gymnasien  der  Bheinprovinz 
von  2847  Schülern  besucht.  Im  Jahr  1838  waren  sämmtliche  Gymna- 
sien des  Landes  von  22353 ,  im  Jahr  1836  von  23950  Schülern  besucht, 
vor  denen  3295  und  3496  auf  Preussen ,  1043  und  1040  auf  Posen, 
4447  und  4914  auf  Schlesien ,  1570  und  1566  auf  Pommern  ,  3895  und 
4441  auf  Brandenburg,  3452  und  3670  auf  Sachsen,  1769  und  1790 
auf  Westphalen,  2882  und  3033  auf  Bhcinprcussen  kamen.  Die  6 
Gymnasien  Berlins  hatten  im  Schuljahr  1838 — 39  zusammen  2003 
Schüler  und  101  Abiturienten,  die  4  Gymnasien  in  Brelau  1339 
Schüler  und  64  Abiturienten.  Zur  Universität  wurden  im  Jahr  1838 
von  säiumtlichen  Gymnasien  1175  (im  Jahr  1837  zusammen  1178) 
Schüler  entlassen,  von  denen  1102  das  Zeugniss  der  Bcife ,  73  das 
der  Vchtreife  erhielten  und  466  Theologie,  277  Bcchtswissenschaf- 
ten,  230  Uedicin,  92  Philologie,  70  Kameralwissenschuften  studiren 
wollten,  40  noch  für  kein  Fachstudium  sich  bestimmt  oder  ein    Le- 


352  Schul-  u.  Universitätsnachrr.,  Bef örderr.  u.  Ehrenbezeigungen. 

bensverhältniss  ohne  Universitätsstudien  gewählt  hatten.     Auf  eämmt- 
lichen  preussischen  Universitäten  studirten  im  Jahr 

im  Gan-  Inlän-  Auslän-  Theologie,  Jur.  u.  Medi-  Philo- 

zen,           der,        der,  Cameral.,  ein,  sophie. 

kathol.,  evangel., 

1838:    4480,  3687,       793,  411,       1186.  1044,  -  909,  930 

1837:   4532,  3781,       751,  477,       1187,  1187,  915,  766 

1836:    4545,  3750,       795,  461,       1275,  1222,  914,  473 

1829:    6049,  4874,  1175,  881,       2182,  1848,  613,  573 

Von  dem  Ministerium  der  Unterrichtsangelegenhciten  sind  vor  kur- 
zem 1500  lltiilr.  als  ausserordentlicher  Zuschuss  für  die  Universi- 
tätshihliothek  in  Halle  und  400  Rthlr.  als  ausserordentl.  Zuschuss 
für  die  Universitätsbibliothek  in  Greifswald  bewilligt,  desgleichen 
dem  Collaborator  Dehler  am  Gymnasium  in  Brandenburg  eine  Gra- 
tifikation von  50  Rthlrn.  und  den  Professoren  Dr.  Klausen  und  Dr. 
Mattheis  an  der  Universität  in  Greifswald  eine  Gratification  von  150 
und  100  Rthlrn.,  sowie  dem  Oberlehrer  Kelch  am  Gymnasium  in  Ra- 
tibor  eine  Unterstützung  von  50  Rthlrn.  zugesagt  und  endlich  als  Ge- 
haltszulage in  Berlin  dem  Oberlehrer  Rehbein  am  Friedrich -Wil- 
helms-Gymnasium 60  Rthlr.,  in  Breslau  hei  der  Universität  den  Pro- 
fessoren Dr.  Bernstein  und  Dr.  Gaupp  je  200  Rthlr.,  dem  Professor  Dr. 
Stenzel  300  Rthlr.,  dem  Prof.  Dr.  von  Boguslawsky  140  Rthlr.  und  dem 
Prof.  Dr.  Regenbrecht  100  Rthlr.,  in  Greifswald  bei  der  Universität 
dem  Prof.  Dr.  Pütter  200  Rthlr.  und  den  Professoren  Dr.  Berndt, 
Schnitze,  Barthold,  Hünefeld,  Baumstark  und  Hasert  je  100  Rthlr. 
ausgesetzt  worden.  —  Durch  eine  im  Januar  dieses  Jahres  erlassene  Ca- 
hinetsordre  ist  angeordnet,  dass  die  Directoren  und  Lehrer  an  Gymna- 
sien, höheren  Bürgerschulen  und  Seminarien  eben  so  der  Vergütung 
der  Umzugs- und  Reisekosten  theilhaftig  sein  sollen,  nie  dieselbe 
seit  1826  anderen  Beamten  hei  vorkommenden  Versetzungen  bewil- 
ligt ist. 

Riieinpreitssen.  Die  Geschäfte  des  noch  immer  in  Berlin  ver- 
weilenden Scliul-  und  Regierungsrathes  Brüggemann  besorgt  proviso- 
risch der  Oberlehrer  Prof.  Dr.  Körten  vom  Gymnasium  in  Aachen.  Da9 
ehemalige  Lustschloss  der  Kurfürsten  von  Köln  Bensberg  wird  zu  einer 
neuzucrrichlcndcn  Cadettenanstalt  eingerichtet.  Dem  Vernehmen  nach 
geht  der  katholische  Adel  der  Rheinprovinz  damit  um,  eine  Erzie- 
hungsanstalt für  seine  Sühne  nach  Art  der  Ritterakademieen  in 
Brandenburg  und  Liegnitz  zu  gründen  ,  welche  auf  dem  Gute  Bled- 
burg  bei  Düren  errichtet  werden  und  wozu  der  Plan  bereits  entworfen, 
auch  schon  der  Director  in  der  Person  des  Oberlehrers  Dr.  Seul  vom 
Gymnasium  in  Coblenz  bestimmt  sein  soll«  Auch  spricht  man  davon, 
dass  der  katholische  Adel  der  Provinz  Westphalen  an  der  Errichtung 
dieser  Anstalt  Antheil  nehmen  werde. 


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JAHRBÜCHER 

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Wo 
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für 

Philologie  und  Paeclagogik, 

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oder 

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Kritische  Bibliothek 

* 

1 

für  das 

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V--i.' 

Schul-  und  Unterrichtswesen. 

§ 

In  Verbindung  mit  einem  Vereine  von  Gelehrten 

i 

herausgegeben 
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1 

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Dr.  Gottfried  Seehode, 

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1 

HI.   Johann  Christian  Jahn 

& 

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und 

Prof.  Reinhold  HJot*. 

1 

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ZEMTER    JAIHiCJAX«. 

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Aclitundzvraiizigster   Band.     Drittes   Heft. 

1 

(Ausgegeben  den  2.  Mai  1840 .) 

1 

r,    r/v;     'A/     CAO    Omfi    r/kf'    fA.r     9AJ    '  fk.'     r-fW     r-<W'    '<k5     r<VP    r<V'    r<V<J    r,v    QA.0    r  fcfl    BA.C    rv   7 
'     "— ^°    ^c    ^*°    ^o    re»    ^f_?*!>_.^lfr    ^fe  ^>b  ^in  ^o  ^io  ^r,  ^>fe  ^Ig  ^Hf} 

Aufgeschnittene  und  beschmuzte  Exemplare  werden  nicht  zurückgenommen. 


Inhalt 

von  des  uchlundzwanzigsten  Bandes  drittem   Hefte. 

Q.  Horatius  Flaccus.     Resensuit  Orcllius. 

Horatii    opera,    cum    varior.    notis    edid. 

Charpentier, 

Horatii  opera  ex  recens.  Braunhardi.  Sect. 

IV.  Indicem   nominura    propriorum   con- \ Vom  .Pr°fes,Tt 0"an'u,e 

1     r  (  in  Rudolstadt.  S.  213  —  259 

tinens. 

Horatii  opera.     Lipsiae  ap.  Wigand. 

Strodlmann :    Probe    einer   neuen   Ueber- 

setzung  des  Horaz. 

Seebode:  Schoben  zu  Q.  Horatius  Flaccus.     Von  demselben.    .     .     -     260  —  262 
Fischer:    Erläuterung    des    Zwölf-  Tafel- , 

Gesetzes.  1.  Abschnitt.  /  Vom  Professor  Osenbrüg 

Cockinos:    Specimen    dissert.  de  lege  Xlll     gen  m  ^e1'  '  262  —  272 

Tabularum.  ) 

Meinicke:    Lehrbuch   der  Geographie.   —    Vom   Gymnasiallehrer 

flogen«  in  Oldenburg -    272  — 28C 

Dörk:  Lehrbuch  d.  Mathematik.  —  Vom  Prof.  Reuter  in  Aschaffenburg.  -     280  —  29t) 
Rougemont:  Geographie  des  Menschen,  übersetzt  von  Hugendubel. 

Von  demselben -290  —  291 

Fuisting:  Syntaxis  Convenientiae    der  lat.  Sprache.   —   Vom  Gy- 

mnasial-Oberlehrer  Teipel  in  Coesfeld.  .         ...     -     29?  —  30i 

Micus :  Katholisches  Gebet-  und  Erbauungsbuch 
Püllenberg:  Gebet-  und  Betrachtungsbuch. 

Gratz :  Eulogium  Graeco-Latinum.  }  Von  demselb.    -    307  —  311 

Hirscher:  Betrachtungen  über  die  Evangelien. 
Staudemaier :  Der  Geist  des  Christenthums. 
Alte  christliche  Lieder,  übersetzt  von  Freyberg.  —  Vcm  Gymnasial 

director  Dr.  Bach  in  Fulda.         ...„.•-    315 — 31' 

Bibliographische  Berichte -    319  —  33 

Miscellen.        .         . -    337  —  33 

Todesfälle.       .        .         . -.338  —  33 

Schul-  und  Universitätsnachrichten,  Beförderungen  und  Ehrenbezei- 
gungen.  

Cramer:  De  quibusdam  negandi  formulis  Latinorum.  .  -  319—32 
Feldbausch:  De  Q.  Horatio  Flacco  non  adulatore.  .  -  327  —  33 
Hildebrand:  Philosophiae  Gnosticae  origines.  .     -  <" 

Index  librorum  mss.  et  impressorum,  quibus  bibliotheca 
regia  Berol.  aueta  est.  . 


339—35 


3^ 


Ritschi:  Disputatio  de  veteribus  Plauti  interpretibus.       S.  340 

Ritschi:  Orionis  dnocpd'eyfiazci.      .         .         .         .         .     -  341 

von  Schlegel:  De  Zodiaci  antiquitate  et  origine.           .     -  311 

Heinrich:  De  Chryse  insula  et  dea  in  Philoct.  Sophocl.    -  341  —  342 

Dornheim  :  Diss.  mathem.  de  singularitatibus  superficier.  •  -  312 
Dronke :  De  Niceta  Davide  et  Zonara  interpretibus  Gre- 

gorii  Nazianzeni.    .         .         .         .         .         .        .     -  312  —  313 

Müller:  Adnotationes  ad  Cicer.  de  orat.  üb.  H.    .     .       -  343  —  344 

Schubarth :  Wat  thut  der  Behandlung  der  Geschichte  Noth  ?  -  315  —  346 

Linge:  De  Franc.  Passovii  in  acad.  Lips.  vita  et  studiis.  -  316  —  347 

Passows  Leben  und  Briefe,  herausgegeben  von  Wachler.  -  347  —  350 

Greverus:  Ueber  die  Bilder  u.  Gleichnisse  aus  dem  Homer.  -  351 


Leipzig, 

Druck  und  Verlag   von  B.    G.    Teubner, 


1§40. 


NTene 

SB 


fär 

Philologie  und  Paetlagogik, 

oder 

Kritische  Mihliotheh 

für  das 

Schul-  und  Unterrichtswesen. 


S'i  Verbindung  mil  einem  Vereine  von  Gelehrten 

henüisgegeben 

tun 

lir.  Gottfried   Seehode, 
]»I.  Johann    Christian   Jfahn 

und 

Prof.  Meinhold  Klotz. 


BEHSTTfiR    JAHltOAIVG. 

Achl    und   zwanzigster    Band.      Viertes   rieft. 


liClpzig-, 

Druck  und  Verlag  von  \\.  G.  Teubnoft 

1840. 


Kritische  Beurtheilungen. 


Piatoni 8  opera,  quae  feruntur  omnia.  Rccognove- 
runt  Jo.  Georg,  liaiterns  ,  Jo.  Cusp.  Orellius,  Aug.  Gull.  fVinckel- 
mannus.  Acci-dunt  intcgra  variclus  lectinnis  Stcphaniunae  ,  Bek- 
kerinnue ,  Stullbutiiiiianae,  Scholia  et  Index  Dominum.  Tuiici, 
impeneis  Meyeri  et  Zelleri.  in  Quart.   1830.  Fa&c.  I.  II.  III. 

Dieselben  ohne  Varianten,  in  Sedez  gedruckt,  so  dass  die  einzel- 
nen Dialogen  einzeln  ausgegeben  weiden. 

Schon  wieder,  werden  Manche  bei  der  vorstehenden  Anzeige 
ausrufen,  schon  wieder  eine  neue  Ausgabe  der  Werke  des  Pia- 
ton ,  oder  gar  zwei  auf  einmal !  als  wenn  die  gelehrte  Welt  nicht 
schon  in  reichem  Maasse  durch  kritische  und  unkritische  Bearbei- 
tungen derselben  versorgt  wäre!  als  wenn  es  nicht  auch  der  Ein- 
zelnausgaben fast  bis  zum  Uebermaass  viele  gäbe,  so  dass  wohl 
gerade  jetzt,  wo  seit  einigen  Jahren  zwei  andere  Gesammtaus- 
gaben,  mit  kritischen  und  exegetischen  Hülfsmitteln  ausgestattet, 
hervortreten  und  sich  allmälig  ihrer  Vollendung  nähern,  eine 
neue  Bearbeitung  füglich  hätte  unterbleiben  können !  Und  aller- 
dings mag  solches  Bedenken  in  gewisser  Beziehung  Einiges  für 
sich  haben ,  und  nicht  schlechthin  als  grundlos  angesehen  werden 
können.  Bedenkt  man  jedoch  ,  wie  allgemein  verbreitet  das  Stu- 
dium des  Piaton  geworden  und  wie  man  eigentlich  erst  in  neuerer 
Zeit,  und  zwar  zunächst  in  Deutschland,  eine  sichere  Basis  für 
die  kritische  und  exegetische  Behandlung  der  Werke  desselben  zu 
gewinnen  gestrebt  bat;  überlegt  man  ferner,  dass  die  Grösse 
und  der  Umfang  eines  solchen  Unternehmens  die  sofortige  Aus- 
führung und  Vollendung  desselben  unmöglich  maebt  und  jeden- 
falls viele  und  vielerlei  Kräfte  in  Anspruch  nimmt;  setzt  man 
endlich  hinzu,  dass  wenigstens  jede  der  bessern  Bearbeitungen  -  — 
denn  von  blossen  Fabrikaten  unwissenschaftlicher  Industrie  reden 
wir  nfoht  —  immer  eine  eigenthümüebe  Bicblung  verfolgt  und 
sich  buhl  höhere  bald  niedere  Kritik,  bald  historische  und  gram- 
matische oder  auch  philosophische  Auslegung,  bald  wieder  eine 
allseitige    kritische   und  exegetische  Behandlung  zum  Ziel  setz!  ; 


35(3  Griechische    Literatur. 

so  mag  man  wohl  mit  Fug  und  Recht  das  Hervortreten  einer  neuen 
Gesammtausgabe  der  Werke  des  grossen  Philosophen  vollkommen 
gut  heissen,  oder  auch  seihst  sich  darüber  freuen,  wenn  nur  anders 
damit  Erspriessliches  erzielt  und  die  Wissenschaft  selbst  in  Etwas 
bereichert  wird.  Denn  jede  neue  Ausgabe  solcher  Art  erscheint 
stets  als  ein  neues  Hilfsmittel  zur  Anregung  und  Förderung  wissen- 
schaftlicher Studien  und  muss  als  solches  von  den  Freunden  dersel- 
ben allemal  willkommen  geheissen  werden. 

Fragen  wir  also  zunächst  nach  dem  Zwecke  der  vorstehend 
angezeigten  Ausgabe,  so  ist  derselbe  zufolge  der  Vorrede  darauf 
gerichtet,  den  gesammten  Piaton  in  einem  typographisch  schön 
ausgestatteten  Quart  bände  unter  genauer  kritischer  Revision  des 
Textes  und  zwar  dermaassen  darzubieten  ,  dass  zum  Behuf  der 
Letztem  unter  dem  Texte  die  Lesarten  der  Stcpkanschen-,  Beh- 
ker selten  und  Stallbaunischen  Ausgaben  mit  den  Zeichen  a.  b.  c. 
aufgeführt,  an  solchen  Stellen  aber ,  wo  die  Herausgeber  eigeu- 
thümiiehe  Lesarten  aufnahmen,  die  vorzüglichsten  Codices  £e- 
uamil  werden,  aus  denen  sie  ihre  Lesung  herleiteten,  oder  auch  die 
Gründe  conjecturalischer  Besserung  in  Kurzen  angedeutet  werden. 
Sonach  besteht  denn  die  Eigenthümlichkeit  dieser  neuen  Edition 
erstens  in  ihrer  typographischen  Einrichtung  und  Beschaffenheit; 
zweitens  in  der  Mittheilung  der  Lesarten  der  genannten  drei  Aus- 
gaben ;  und  drittens iin  der  Rechtfertigung  neu  hergestellter  Le-' 
suiigen  durch  Anführung  der  Zeugnisse  der  Handschriften  ,  aus 
denen  sie  entnommen  sind,  und  durch  hinzugefügte  kurze  Bemer- 
kungen, wo  solches  nöthig  zu  sein  schien.  Wir  werden  daher 
das  Werk  am  besten  charakterisiren ,  wenn  wir  es  hinsichtlich 
dieser  drei  Punkte  ins  Auge  fassen  und  seine  Eigenthümlichkeiteu 
möglichst  hervorzuheben  suchen. 

Was  nun  zunächst  die  typographische  Ausstattung  desselben 
angeht,  zu  welcher  wir  auch  die  Sorge  für  die  Bequemlichkeit 
des  Nachschlagens  so  wie  die  Correctheit  rechnen;  so  verdient  es 
jedenfalls  ehrende  Anerkennung.  Papier  und  Druck  sind  sehr 
gut,  nur  dass  die  Typen  für  den  anhaltenden  Gebrauch  etwas 
klein  sind  ,  was  sich  indessen  aus  der  Absicht,  den  ganzen  Platou 
in  einen  Band  zusammenzudrängen,  leicht  erklären  lässt.  In  die- 
ser Beziehung  glauben  wir  jedoch,  dass  auch  typographisch  noch 
etwas  Vollkommneres  geleistet  werden  könnte ,  und  dass  nament- 
lich ein  monumentuni  divino  philosopho  haud  prorsus  indignum 
dann  in  noch  besserm  Maasse  zu  Stande  kommen  dürfte,  wenn 
der  Band  entweder  an  Stärke  oder  an  Umfang  etwas  grössere 
Ausdehnung  erhalten  könnte.  Doch  jedenfalls  ist  die  Nettigkeit 
des  Druckes  und  die  Schönheit  der  Typen  und  des  Papiers  bei 
dieser  Ausgabe  vorzüglich  zu  nennen,  und  mit  Recht  lässt  sich 
behaupten ,  dass  Piaton  bis  jetzt  noch  niemals  in  einem  solchen 
typographischen  Gewände  erschienen  ist.  Was  aber  den  Werth 
der  Ausgabe  nicht  wenig  in  dieser  Beziehung  erhöhet,  das  ist  die 


Piatonis  opern,  recogn.  Baitcr,  Orelli  et  Winckcliiiann.         357 

Correctheit  und  die  sonstige  äussere  Einrichtung  derselben.  Denn 
um  dieselbe  aligemein  brauchbar  für  das  Nachschlagen  citirter 
Stellen  zu  machen,  .sind  nicht  nur  die  Seitenzahlen  und  Abschnitte 
der  Stephanseken  Ausgabe,  sondern  auch  die  Seitenzahlen  der 
Lama rf sehen  und  Bekkerschen  Edition  am  Rande  beigeschrie- 
ben, wodurch  der  Leser  in  den  Stand  gesetzt  wird ,  die  nach 
diesen  Ausgaben  so  häufig  vorkommenden  Citate  mit  Leichtigkeit 
auffinden  zu  können,  eine  Erleichterung,  die  um  so  dankens- 
werther  ist,  je  weniger  man  sich  leider  bis  jetzt  noch  dahin  hat 
vereinigen  können,  überall  nach  einer  Ausgabe  zu  ciliren.  Viel- 
leicht wäre  es  daher  auch  nicht  unzweckmässig  gewesen,  auch 
die  Seitenzahlen  der  Zivcibrücker  Ausgabe  mit  anzugeben,  indem 
bekanntlich  gerade  sehr  bedeutende  Geschichtschreiber  der  Phi- 
losophie, wie  z.  B.  Ticdemann  und  Tennemann ,  sich  dieser  Aus- 
gabe einzig  bedient  haben.  Dass  ferner  in  den  uns  bereits  vor- 
liegenden Heften  auch  die  Correctheit  vorzüglich  ist,  das 
können  wir  um  so  gewisser  versichern,  je  sorgfältiger  wir  gerade 
auch  in  dieser  Beziehung  einen  nicht  unbeträchtlichen  Theil  des 
Werkes  einer  nähern  Prüfung  unterworfen  haben.  Somit  kann 
denn  die  äussere  Erscheinung  des  Werkes,  selbst  in  ausgedehn- 
terem Sinne  verstanden,  mit  vollem  Rechtals  eine  sehr  anspre- 
chende und  beifallswerthe  bezeichnet  werden. 

Lenken  wir  demnach  unsre  Betrachtung  auf  die  noch  übrigen 
beiden,  oben  bezeichneten,  Seiten  des  Werkes  hin.  Was  also 
zunächst  die  Angabe  der  abweichenden  Lesarten  der  Slepham- 
scheu,  Bekkerschen  und  Slallbaumsche/i  Edition  angeht,  so  ist 
dieselbe  an  sich  allerdings  gut  und  zweckmässig,  und  da  sie  auch 
mit  Sorgfalt  und  Genauigkeit  gemacht  ist,  so  erhält  der  Leser 
damit  den  nicht  geringen  Vortheil ,  die  Texte  von  drei  Recensio- 
nen  mit  einem  Male  sicher  überblicken  zu  können.  Indessen 
möchte  sich  Rec.  doch  noch  Einiges  in  dieser  Beziehung  zu  wün- 
schen erlauben.  Einmal  nämlich  würde  er  es  für  zweckmässig 
erachtet  haben,  auch  die  Aldina  und  die  Basilecnses  mit  zu  be- 
rücksichtigen, welche  bekanntlich  die  Textesquellen  für  Slepha- 
nus  waren.  Denn  nur  dadurch  würde  es  möglich  geworden  sein, 
die  Lesarten  des  letztern  überall  gehörig  zu  würdigen  und  zu- 
gleich zu  erkennen,  ob  er,  wie  es  oft  von  ihm  geschehen,  hei 
Constituirung  seines  Textes  noch  Codd.  oder  Conjcctur  angewen- 
det habe  oder  nicht.  Sodann  finden  wir  leider  nicht  bemerkt,  in 
wie  weit  jede  der  genannten  Ausgaben  ihre  Lesungen  auf  hand- 
schriftliche Auctorität  begründet  habe,  was  doch  von  Wichtig- 
keit ist ,  da  es  sich  in  den  meisten  Fällen  mehr  darum  handelt, 
zu  erfahren,  warum  die  einzelnen  Ausgaben  so  oder  so  lesen, 
als  tnaa  in  ihnen  gelesen  wird.  Diess  hätte  wenigstens  immer  in 
den  Fällen  bemerklich  gemacht  werden  sollen,  wo  eine  Edition 
nur  einen  oder  den  andern  Codex  als  Auctorität  für  sich  in  An- 
spruch nimmt,  also  mehr  aus  innern  als   aus  äussern  Gründen 


358  Griechische  Literatur. 

irgend  einer  Lesart  huldiget,  und  wo  diess  gegen  das  Zeugniss 
der  besten  Bücher  geschehen  ist.  Ueberhaupt  aber  hätte  über- 
all bestimmt  nachgewiesen  werden  müssen,  in  wie  weit  der  in 
dieser  Edition  gegebene  Text  mit  den  anerkannt  vorzüglichsten 
Handschriften,  denen  die  Herausgeber,  wie  sich  unten  zeigen 
wird,  sonst  zu  folgen  pflegen,  in  Üebereinstimmung  stehe.  Diess 
erfahren  wir  in  der  Regel  nur  an  Stellen,  wo  eine  von  allen  ge- 
nannten Editionen  abweichende  Lesung  geboten  wird ,  während 
da ,  wo  eine  der  drei  Ausgaben  eine  mit  Beifall  aufgenommene 
Lesart  hat,  sich  meistens  selbst  auch  dann  nichts  bemerkt  vor- 
findet, wann  dieselbe  auf  sehr  geringer  Auctorität  beruht  oder 
der  Bekräftigung  der  vorzüglichsten  Codd.  entbehrt.  Es  wird 
hinreichen,  nur  Einiges  der  Art  hier  anzuführen,  da  es  nicht 
unsere  Absicht  sein  kann,  ganze  Partien  des  Werkes  in, dieser 
Hinsicht  durchzumustern.  Wir  wählen  dazu  ein  Paar  Stellen  aus 
dem  zufällig  jetzt  von  uns  aufgeschlagenen  Theaetet.  Hier  finden 
wir  zu  Pag.  146.  C.  IJüvv  piv  ovv ,  av  tisq  ys  olai  re  w/zgr, 
die  Bemerkung  ys  om.  a.,  d.  h.  edit.  Stephan.  Allein  dass  ys 
nicht  in  dem  Bodl.  Vat.  Ven.  IL,  denen  sonst  die  Herausgeber 
folgen ,  sich  vorfinde ,  sondern  vielmehr  den  Coisl.  und  einige 
ähnliche  Bücher  zur  Quelle  habe,  erfahren  wir  nicht.  Zu  S. 
148.  C.  heisst  es:  itpiq  post  dgofiov  pomint  ab.  d.  h.  ed. 
Steph.  et  Bekker.  Ob  aber  die  ed.  Turic.  den  sonst  besten  Hand- 
schriften hierin  gefolgt  sei,  wird  wieder  nicht  zu  erkennen  ge- 
geben. Und  so  geht  es  überall  im  Folgenden  weiter.  Man  ver- 
gleiche auch  noch  Gorg.  p.  473.  C.  475.  A.  476.  C.  478.  C.  480.  A. 
Wäre  da  nicht  ein  einfaches  Zeichen  anzuwenden  gewesen,  um 
den  Leser  sofort  durch  einen  Wink  zu  belehren  ,  ob  die  sonst 
besten  oder  ob  die  schlechtem  Bücher  die  gebilligte  Lesart  be- 
kräftigen'? Endlich  hat  Bec.  noch  einen  Wunsch  in  Bezug  auf  die 
von  ihm  selbst  besorgte  Leipziger  Ausgabe  auszusprechen.  Aller- 
dings hatte  der  ehrenwerthe  Verleger  derselben  zu  einem  guten 
Theile  der  Platonischen  Werke  ansehnliche  handschriftliche  Col- 
lationen  zusammengebracht,  und  da  liess  sich  der  Text  sehr  gut 
nach  eigenem  Urtheile  richtiger  gestalten;  zu  andern  Schriften 
aber  waren  nur  wenige  und  an  Werthe  geringere  Codices  vergli- 
chen worden,  bei  deren  näherer  Betrachtung  sich  für  den  Her- 
ausgeber gar  bald  die  Notwendigkeit  ergab,  sich  möglichst  treu 
an  die  Bekkersche  Recension  anzuschliessen.  Eine  freie  und  un- 
abhängige ..Textesgestaltung  war  daher  hier  um  so  weniger  mög- 
lich ,  als  damals  Bekker s  kritische  Commentarien  noch  nicht  er- 
schienen waren  und  folglich  auch  eine  Kenntniss  der  allerdings 
damals  bereits  gewonnenen,  aber  erst  in  der  Folgezeit  dem  Publi- 
kum mitgctheilten  historischen  Basis  des  Textes  noch  unter  die 
literarischen  Unmöglichkeiten  gehörte.  Unterzeichneter  konnte 
daher  erst  bei  der  in  Gotha  erscheinenden  Gesammtausgabe  für 
diese  Werke  zu  einer  umfassendem  kritischen  Behandlung  fort- 


Platonis  opera,  recogn.  Baiter,   Orelli  et  Winckelmanu.       359 

schreiten,  und  es  kann  somit  auch  keineswegs  in  seinen  Wün- 
schen liegen,  die  Lesarten  der  Leipziger  Ausgabe,  namentlich  in 
so  weit  sie  sich  auf  Schriften  beziehen,  zu  denen  ibra  nur  Colla- 
tionen  von  Florentiner  Handschriften  zu  Gebote  standen,  in  die- 
ser Zürcher  Ausgabe  als  die  einer  besondern  Textesrecension  mit 
aufgeführt  zu  sehen.  Indessen  sieht  er  wohl  ein,  dass  sein 
Wunsch,  in  solchem  Falle  überall  nur  die  Gothaer  Bearbeitun- 
gen berücksichtigen  zu  wollen ,  bei  dem  raschen  Fortschreiten 
der  Zürcher  Edition  und  bei  dem  langsamem  Hervortreten  der 
einzelnen  Platonischen  Werke,  welche  in  Gotha  noch  zu  Tage 
gefördert  werden  sollen,  nicht  wird  in  Erfüllung  gesetzt  werden 
können.  Deshalb  beschränkt  er  denn  denselben  einzig  darauf, 
dass  von  den  Herausgebern  bei  jedem  einzelnen  Stücke  allemal 
angedeutet  werden  möchte ,  ob  sie  schon  die  Gothaer  Bearbei- 
tung vor  Augen  gehabt  haben  oder  nicht,  ein  Wunsch,  den  die 
verehrlichen  Herausgeber  unter  solchen  Umständen  gewiss  selbst 
für  billig  erachten  werden,  zumal  da  es  nicht  blos  späterhin, 
sondern  schon  in  der  Gegenwart  nicht  Wenige  geben  dürfte,  die 
nicht  wissen  werden,  ob  bei  der  edit.  c.  an  die  Leipziger  oder  an 
die  Gothaer  Ausgabe  gedacht  werden  müsse. 

Doch  wir  gehen  zu  einem  wichtigern  Gegenstande  unsrer  Be- 
urtheilung  über,  nämlich  zu  der  Frage,  was  für  die  Verbesserung 
des  Textes  von  den  Herausgebern  geleistet  worden  ist.  Sehr 
richtig  handelten  dieselben,  nach  unserem  Ermessen ,  dass  sie 
sich  bei  ihrer  Arbeit  ein  wirklich  wissenschaftliches  und  die  Wis- 
senschaft förderndes  Ziel  steckten ,  und  nicht  bei  dem  gemeinen 
Gedanken  stellen  blieben,  etwa  nur  eine  Kecognition  von  einer 
oder  der  andern  Ausgabe  veranstalten  zu  wollen.  Sie  erklären 
daher  selbst,  dass  sie  nach  Bildung  eines  Textes  gestrebt,  der, 
selbstständig  nach  kritischer  Revision  der  vorhandenen  Hilfsmittel 
gestaltet ,  bei  ferneren  Forschungen  die  Grundlage  zu  bilden  ge- 
eignet sei.  Es  bedarf  nur  einer  geringen  Betrachtung,  um  sofort 
inne  zu  werden,  was  sie  dabei  vor  Augen  gehabt  und  von  welchen 
Principien  sie  bei  diesen  ihren  Bemühungen  ausgegangen  sind. 
Offenbar  nämlich  sind  sie  von  dem  Grundsatze  geleitet  worden, 
überall,  wo  es  nur  immer  möglich  wäre,  die  Lesarten  der  besten 
Handschriften,  namentlich  des  Clnrkiaiius  od.  liocllcianits,  /  atic. 
J.  und  Venet.  II, ,  in  den  Text  aufzunehmen  und  die  Anctorität 
dieser  Bücher  gegen  die  aller  übrigen  möglichst  geltend  zu 
machen.  Und  allerdings  muss  bei  der  Kmendation  der  alten 
Schriftsteller  jederzeit  von  dem  Grundsätze  ausgegangen  weiden, 
so  weit  es  nur  immer  thunlich  ist  und  mit  den  Hegeln  gesunder 
Auslegung  und  Kritik  sich  vereinbaren  lässt,  den  im  Allgemeinen 
anerkannt  besten  Handschriften  zu  folgen.  Daher  haben  denn 
auch  die  Herausgeber  unverkennbar,  bei  der  Strenge,  mit  wel- 
cher sie  die  Lesarten  der  genannten  Codices  ins  Auge  fassten, 
gar  manche  Stelle   verbessert,    sobald  man  namentlich  ihnen  zu- 


300  Griechische    Literatur. 

gicbt,  dags  jenen  Handschriften  überall,  wo  sie  es  gethan,   Folge 
zu  leisten  war.     Aber  eben  dieses  ist  der  schwierige   Punkt,    auf 
welchen  die  Kritik  stösst,    genau  zu  ermitteln,  welchen  Wertli 
und  welche  Bedeutung  diese  Handschriften  theils  an  und  für  sich 
betrachtet  haben,  theils  allen  übrigen  gegenüber  für  sich  in  An- 
spruch zu   nehmen   geeignet  sind.      Und  hier  fürchten  wir,  dass 
die  Herausgeber   zu    weit  gegangen   und   durch  Ucberschätzung 
der  eben  genannten  Handschriften  den  Gesetzen  der  Kritik  öfters 
untreu  geworden  sind.     Es  kann  nämlich  bei  genauerer  Betrach- 
tung der  Sache  und  bei  tieferem  Eindringen  in  den  Sinn  und  Zu- 
sammenhang  der   Piatonisehen   Rede   nicht   zweifelhaft  bleiben, 
dass  jene  Codices,  namentlich  der  Clark.    Vat.  z/.   und   Ven.  II. 
allerdings  eine  treffliche  Recension  der  Werke  des  Piaton  darbie- 
ten ,  aber  doch  auch  keineswegs  von   willkürlichen  Aendcrungs- 
versuchen   der   Grammatiker  und  Kritiker,  welchen  wir  sie  ver- 
danken ,  frei  geblieben   sind.      Davon    finden  sich  fast  in    allen 
Schriften   des    Piaton   so   schlagende  Beweise  vor,    dass  ander 
Wahrheit  dieser  Behauptung  durchaus  nicht  mehr  gezweifelt  wer- 
den kann,    wie  denn  Rec.  in  seinen   Ausgaben   hin   und   wieder 
darauf  aufmerksam  gemacht  hat.     Und  wenn  sich  nun  dieses  au 
solchen   Stellen  ganz  unzweifelhaft  herausstellt,  an  welchen  der 
Sinn  und  Zusammenhang  den    Verräther  willkürlicher  Aendcrun- 
gen  macht,    so  lässt  sich  doch  wohl  nicht  ohne  Wahrscheinlich- 
keit vermutheu,  dass  auch  in  andern  Dingen,  wo  die  Spuren  jener 
Kritik  weniger  leicht  zu   entdecken  sind,  bestimmte  Grundsätze 
und  Meinungen  jeher  alten  Grammatiker  und  Kritiker  nach  eige- 
ner Entscheidung  werden  in   Anwendung  gebracht  worden  sein, 
wie  diess  z.  B.  in   der  Wortstellung  und   Orthographie  der  Fall 
sein  dürfte.     Dieses  Alles  fordert  denn  olfenbar  zur  grössten  Vor- 
sicht in  der  Benutzung  jener  Handschriften  auf,  und  muss  um  so 
mehr  warnen,   den  Werth  der  übrigen  Handschriften  zu  niedrig 
anzuschlagen  und  zu  tief  herabzustellen,  als  sich  an   vielen   Hun- 
derten von  Stellen  in  letztem  einzig  und  allein  die  wahre  Lesung 
erhalten  hat.      Aufgabe  der  Kritik  ist  es  daher,  nicht  blindlings 
sich  fiir  dieses  oder  jenes  zu  entscheiden,  sondern   genau  und 
sorgfältig  zu  erwägen,  was  wohl  an  jeder  Stelle  das  Wahre  und 
Echte  sein  möge;  wobei  sie  denn  aber,  wie  natürlich ,  ihr  Au- 
genmerk stets   vorzüglich  auf  die   anerkannt  bessern   Urkunden 
hinrichten  wird.     Denn  verfährt  sie" nur  einseitig  diplomatisch,  so 
verleugnet  sie  eigentlich  sich  selbst  und  erniedrigt  sich  zu  einer 
rein  geistlosen  Dienerin  mechanischer  Diplomalik;  ja  sie  müsste 
bei  solcher  Richtung  bald  aufhören  zu  sein,  was  sie  ist,  weil  ja 
bei  jedem  Schriftsteller  stets  der  beste  Codex,  wo  er  nicht  ganz 
offenbare  Fehler  enthielte,   auch  die  einzig  wahren  Lesarten  dar- 
zubieten das  Ansehen  haben  würde.      Soll  nun  aber  die  Kritik 
ihre  Aufgabe  würdig  lösen,  so  kann  sie  diess  nicht  anders  thim, 
als  durch  Beihilfe  gesunder  und  richtiger  Auslegung,  die  eben' so 


Plutonis  opera,  rccogn.  Baiter,  Orelli  et  Winckilmann.        3G1 

wohl  das  Ganze  und  dessen  Zusammenhang  und  Bedeutung  zu  er- 
fassen bemüht  ist,  als  auch  in  das  Einzelne  dermaassen  eindrin- 
gen lehrt,  dass  es  nicht  nur  an  sich,  sondern  auch  in  seiner  Ver- 
bindung und  Bezüglichkeit  zu  Anderem  richtig  verstanden  werde. 
Denn  nur  dadurch  wird  es  möglich  sein,  dass  das  Feinere  und 
Schönere  von  dem  minder  Schönen  ,  das  Leichtere  und  Gewöhn- 
lichere von  dem  Schwierigeren  und  Seltneren,  das  dem  Schrift- 
steller Eigentümliche  von  dem  auch  sonst  Gebräuchlichen  gehö- 
rig gesondert  und  geschieden  und  demnach  auch  die  verschiede- 
nen Lesungen  der  Handschriften,  jede  nach  ihrem  eigenthümli- 
clien  Werthe,  erkannt  und  beurtheilt  werde,  ohne  dass  man  auf 
äussere  Entscheidungsgründe  allzu  viel  Gewicht  legt.     Wir  zwei- 
feln nun  zwar  keineswegs,   dass   auch  die  Herren  Herausgeber 
diese  unsere  Ansichten  theilen  und  solche  Grundsätze  bei  ihrer 
Kecension  vor  Augen  gehabt  haben.     Dennoch  können  wir  nicht 
bergen,  dass  sie  dieselben  dadurch  verleugnet  zu  haben  scheinen, 
dass  sie  den  Werth  der  Lesarten  des  Codex  Clarkiamis,   Vat.  2k 
und  Ven.  II.   nicht  überall   gehörig  erwogen  und   dieselben  oft 
auch  da  in  den  Text  aufgenommen  haben,  wo  sie  entweder  bei 
näherer  Betrachtung  als  offenbare  Aenderungen  voreiliger  Kritiker 
erscheinen,  oder  auch,  den  Lesarten  anderer  Handschriften  ge- 
genüber angesehen ,  nicht  die  grösste  Wahrscheinlichkeit  für  sich 
haben.     So- ist  es  denn  gekommen,  dass  ein  guter  Theil  der  ge- 
machten Aenderungen  in  der  That  nicht  gerade  als  Verbesserung 
erscheint,  was  an   solchen   Stellen  um  so  bedenklicher  für  den 
Gebrauch  der  Ausgabe  wird  ,  wo  die  Aufzählung  derjenigen  Bü- 
cher, welche  die  abweichende  Lesung  haben,  unterlassen  ist  und 
nur  angedeutet  wird,  wie  die  genannten  drei  Ausgaben  schreiben. 
Es  würde  \iele  Mühe  und  Zeit  erfordern,  aus  den  bereits  vorlie- 
genden Fascikeln  alle  hierher  einschlagenden  Beispiele  anzufüh- 
ren und  zu  erläutern.    AVir  wollen  daher  zuerst  an  einigen  Stellen 
des  Thcülel  und  des  Sophisten  klar  zu  machen  versuchen,  dass  die 
Herausgeber  liier  und  da  aus  dem  Clarkian. ,   Fat.  und  Ven.  IL 
offenbare  Correcturen  der  Grammatiker  in  ihren  Text  aufgenom- 
men haben;  und   dann   werden   wir  eine  oder  die  andere  kleine 
Schrift  mit  Berücksichtigung  auch  früher  berührter  Punkte  durch- 
mustern ,  um  unsern  Lesern  das  Verhältnis^  dieser  neuen  Textes- 
Tccerision  zu  den  frühern  möglichst  deutlich  vor  Augen  zu  führen. 
Absichtlich  wählen  wir  also  zuerst  einige  Stellen  aus  den  ge- 
nannten Schriften,   um  an  ihnen   darzuthun,  dass  sich  die  Lesar- 
ten der  besseren  Bücher  oft  sofort  bei  genauer  Betrachtung  als 
Correcturen  der  Grammatiker  und  als  Glossemc  darstellen.     Denn 
ist  diess  erst  durch  einzelne  Beispiele  einleuchtend  geworden ,  so 
>wrd  sich   dann  auch  überhaupt  für  den  Gebrauch  jener  Hand- 
schriften die  Nothwendigkcit  grosser  Vorsicht  ergeben,  mit  der 
ihre  Lesarten  in  Vergleich  zu  denen  der  übrigen  Bücher  zu  be- 
trachten sind,  obschon  unbedingt  wird  zugegeben  werden  müssen, 


3G2  Griechische  Literatur. 

dass  sie  unter  den  bis  jetzt  bekannt  gewordenen  Codicibns  den 
ersten  Hang  behaupten.  Nur  sollten  sie  eigentlich  nicht  luv 
drei  kritische  Instanzen  gelten,  sondern  der  Hauptsache  nach  nur 
für  eine  gezählt  werden,  da  Stellen  wie  Theaet.  p.  208  I).,  wo 
ein  grosses  Stück  von  p.  208.  D.  bis  209.  A.  offenbar  irrthiimlicher 
Weise  in  allen  dreien  ausgelassen  ist,  den  klaren  Beweis  liefern, 
dass  sie  aus  einer  und  derselben  Quelle  geflossen  sind.  Eine  ein- 
leuchtende Correctur  der  Grammatiker  findet  sich*  in  dem  Theae- 
tet  p.  148.  ü.  'Alld  xr)v  B7ii6zr{xui]V,  cogneg  vvv  Öt)  lya  ekeyov, 
Cpixgov  xi  o'lel  tivat  tt,BVQslv  xa\  ov  tcöv  nävr7]  dxgcov;  &.  vtj 
xov  <d£  tyays  xal  udXct  tcöv  dxgordrav.  Hier  haben  der  Cod. 
Clark.,  Vat.  und  Ken.  IL  statt  dxgcov  die  Lesung  dxgißcöv, 
welche  die  Herausgeber  ohne  Weiteres  in  den  Text  gesetzt  ha- 
ben. Allein  mag  man  nun  dieses  dxgißiov  für  sich  selbst  betrach- 
ten ,  oder  mag  man  es  nach  dem  Sinne  und  Zusammenhange  be- 
urtheilen,  jedenfalls  verdächtigt  es  sich  als  ein  erklärungsweise 
für  axgcöv  substituirtes  Wort.  Denn  schon  an  sicli  ist  es  nicht 
wahrscheinlich,  dass  für  dxgißäv  in  den  meisten  Codd.  dxgcov 
sollte  gesetzt  worden  sein,  da  nicht  der  seltenere  Ausdruck  für 
den  gewöhnlichen  und  üblichen,  sondern  vielmehr  umgekehrt  die- 
ser für  jenen  von  Kritikern  und  Abschreibern  untergeschoben  zu 
werden  pflegt.  Allein  sicherer  noch  entscheidet  für  die  Echt- 
heit von  äxocov  der  ganze  Zusammenhang.  Denn  Theätet  bestä- 
tigt die  Frage  des  Sokrates  so,  dass  er  das  nämliche  Wort,  was 
jener  gebraucht  hatte,  im  Superlativus  gesetzt  wiederholt.  An- 
genommen dagegen,  dass  dxgißäv  steht,  so  ist  die  Antwort  des 
Theätet  nicht  recht  passend,  und  man  sieht  nicht  ein,  warum  er 
sich  auf  einmal  des  Ausdrucks  dxgnxdrcov  bedient.  Dazu  kommt, 
dass  dxgav  mit  dem  vorhergehenden-:  dkkd  xt)v  eniöDJatjv  6ui- 
tegöv  xi  tivat  ol'a,  sehr  gut  zusammenstimmt,  während  dxgißäv 
demselben  nicht  recht  angemessen  scheinen  will.  Sonach  ist 
dxgißäv  nichts  anderes  als  eine  etwas  hinkende  Erklärung  von 
dxgäv ,  d.  h.  xtkeav,  was  in  eben  dem  Sinne  auch  p.  152.  E.  und 
201.  C.  wieder  vorkommt,  anderer  Stellen  in  anderen  Schriften 
des  Piaton  nicht  zu  gedenken.  —  Gleiche  Bewandtniss  hat  es 
mit  den  bald  darauf  folgenden  Worten  Sectio  E.  p.  148.  ov  iisr 
drj  av  ovd'  dnakXayfjVcci  xov  fiikkuv ,  wo  die  genannten  Bücher 
H&kciv  lesen,  was  auch  die  Zürcher  Ausgabe  ohne  Anstand  auf- 
genommen hat.  Allein  ohne  Zweifel  ist  [itkeiv  Correctur,  die 
ihren  Ursprung  dem  Umstände  verdankt,  dass  man  übersah,  wie 
zu  xov  fiikkeiv  aus  dem  Vorhergehenden  wiederholt  werden  muss 
ixaväg  xi  kiyuv,  oder  kiyuv  o{;rc3g,  cog  Gv  ötaxsksvei,  ein 
Sprachgebrauch,  der  nicht  nur  au  sich  nichts  Befremdendes  hat, 
sondern  auch  mit  dem  Sinne  der  ganzen  Stelle  ganz  gut  zusam- 
mentrifft. Denn  der  Sinn  der  Worte  ist:  Heder  kann  ich  mich 
überzeugen,  dass  ich  selbst  etwas  Gehöriges  vorbringe,  noch 
kann  ich  einen  andern  die  Sache  so  erklären  hören,  wie  du  es 


Piatonis  opera,  recogn.  Baiter,  Orclli  et  Winckclmann.        363 

foderst;  dennoch  kann  ich  auch  nriih  gar  ?iicht  davon  frei  ma- 
chen, damit  den  Versuch  zu  machen,  und  gleichsam  immer 
darauf  loszugehen.  Denn  so  muss  eben  dieses  piXkuv  verstan- 
den werden,  was  sehr  schön  den  Drang  und  die  Begierde  des 
Theätetns  bezeichnet,  welche  ihm  keine  Ruhe  liess,  die  vom 
Sokratcs  gewünschte  Begriffsbestimmung  auf  die  gewünschte 
"Weise  zu  finden.  AYie  matt  nimmt  sich  nun  gegen  diese  schöne 
und  energische  Bezeichnung  das  fiiksiv  der  drei  Handschriften 
aus!  Gewiss  nicht  eben  viel  besser,  als  das  in  einigen  andern 
Codd.  gefundene  ivqhv,  wovon  Heindorf  mit  Beeilt  urtheilt, 
quod  nanci  non  est!  Also  abermals  eine  sein  sollende  Verbes- 
serung der  Grammatiker,  die  an  der  Vulgata  Anstoss  nehmend 
den  Text  sofort  änderten  und  ihre  eigene  Correctur,  die  nichts 
als  Interpretation  ist ,  dem  Piaton  zuschoben.  —  Eine  andere 
Stelle  mehr  grammatischer  Art  glauben  wir  aus  dem  Sophisten 
beibringen  zu  können.  Hier  wird  nämlich  p.  225.  E.  gelesen :  xal 
iL  ris  av  av  sltiojv  btsqovjovx  e^apctQtot  nkr}v  ys  xöv  ftavpa- 
6xov  jiäktv  sxüvov  ijxsiv  av  vvv  Tttagrov  tov  ßstadiaxn^isvov 
v<p  tj^äv  ÖwpitiTijv;  Allein  die  Bodleianische,  Vaticanische  und 
Venetianische  Handschrift  tilgen  den  Artikel  tov  vor  fiszadicoxö- 
(iivov,  und  die  Zürcher  Editoren  bemerken  kurz  om.  b.,  d.  h.  ed. 
Bekker  Wie  kommt  es  nun  aber,  dass  tov  in  diesen  Handschrif- 
ten fehlt?  Offenbar  nahm  ein  Kritiker  an  der  Verbindung: 
tov  &avfiaör6v  tov  {letadicoxofiavov  öoyißTtjv  Anstoss  und 
strich  daher  den  Artikel  an  der  zweiten  Stelle  ohne  Weiteres  ans, 
wie  diess  in  gleichem  Falle  zufolge  der  von  uns  zuSympos.  p.213. 
E.  und  Republ.  IX.  p.  500.  A.  gegebenen  Nachweisungen  auch 
an  andern  Stellen  geschehen  ist.  Also  auch  hier  sicherer  Beweis 
von  willkürlicher  Reform  des  Textes  und  von  nicht  zu  verachten- 
der Lesart  in  den  übrigen  Handschriften.  —  Ebendas.  p.  236. 
D.  ist  die  Schreibung:  ?J  6e  olov  gvfirj  ng  vnö  tov  koyov  övvet- 
Qlö^bvov  Cvvs7i£67iu6(XT0  Ttooq  tÖ  Ttt%v  ^vncpijöai  j  ganz  sicher- 
lich echt,  und  wenn  die  genannten  drei  Bücher  dafür  6w$i&i6(ie- 
vov  vvv  tTteönäöuTO  bieten ,  so  muss  diese  Lesung  bei  genauerer 
Betrachtung  des  Sinnes  und  der  übrigen  kritischen  Momente  sich 
so  klar  als  hyperkritische  Aenderung  darstellen  ,  dass  wir  in  der 
That  nicht  begreifen,  wie  jemand  an  ihre  Echtheit  hat  glauben 
können.  Veranlassung  hat  hier  zur  Correctur  das  wiederholte 
6vv  geboten,  was  den  zartfühlenden  Kritikern  zuwider  gewesen 
zu  sein  scheint.  —  Doch  genug  der  Beispiele,  die  wir  leicht 
aus  denselben  Schriften  vermehren  könnten.  Denn  genugsam 
leuchtet  ein,  wie  gerade  an  solchen  Stellen,  wo  die  Lesart  jener 
Codices  etwas  für  sich  zu  haben  scheint ,  die  grösste  Vorsicht  ih- 
res Gebrauches  erforderlich  ist. 

Wenden  wir  uns  nun  mit  Anwendung  dieser  Bemerkungen 
und  unter  Berücksichtigung  der  oben  erläuterten  Puncte  zur  ge- 
naueren Durchprüfung  einer  und  der  andern  Schrift  nach  ihrem 


364  Griechische  Literatur. 

gesammten  Umfange,  und  suchen  hier  alle  neue  und  eigentümli- 
che Lesarten  der  Zürcher  Edition  auf,  um  so  theils  ihr  Verhält* 
niss  zu  den  früheren  Texten  ins  Licht  zu  stellen,  theils  zu  erfah- 
ren ,  in  wie  weit  in  der  Kritik  wirklich  Fortschritte  durch  sie  ge- 
macht worden  sind.  Wir  wählen  dazu  die  drei  kleinen  Schrif- 
ten, Euthyphron,  Apologie  und  Kriton,  in  denen  wir  die  Ab- 
weichungen  von  unserem  in  der  zu  Gotha  erscheinenden  liibJio- 
theca  Graeca  gegebenen  Texte  möglichst  genau  aufzählen  und  mit 
einer  kurzen  Würdigung  ihrer  Richtigkeit  oder  Vorzüglichkeit  be- 
gleiten wollen. 

Im  Euthyphron  also  finden  wir  folgende  Stellen  wegen  eigen- 
thümlicher  Lesarten  bemerkenswert!!.  —  P.  2.  B.  ist  in  den  Wor- 
ten: ov  yeco  bkhvo  ys  yMTayveoöoficu,  agöv  ystzsgov,  das  zweite 
ys  nach  6v  getilgt,  und  dafür  der  Cod.  Bodl.  Coisl.  Pur.  S.  W. 
und  Ven.  IL  pr.  m.  als  Auetoritat  angeführt.  Diess  reicht  nun 
freilich  nicht  aus,  da  nicht  etwa  blos  fünf,  sondern  vielmehr  elf 
Handschriften  für  die  Weglassung  der  Partikel  stimmen.  Allein 
dabei  ist  zu  bemerken,  was  der  Leser  ohne  Zuziehung  der  Bec- 
ker sehen  und  Statlbaumschen  Apparate  nicht  wissen  kann ,  dass 
zicanzig  andere  zum  Theil  sehr  gute  Bücher  ys.  in  Schutz  nehmen, 
und  darunter  auch  selbst  ein  sonstiger  Genosse  des  CW.  Bodl. 
Wie  soll  nun  hier  entschieden  werden'?  Sicherlich  nicht  nach 
dem  zufälligen  Umstände,  dass  der  Cod.  Bodl.  in  der  Weglassung 
der  Partikel  mit  einigen  andern  Handschriften  schlechtem  Gelich- 
ters zusammentrifft.  Vielmehr  entsteht  die  Frage,  welche  innere 
Gründe  sich  für  die  Beibehaltung  oder  Ausstossung  des  Wortes 
beibringen  lassen.  Und  fasst  man  diese  Frage  ins  Auge ,  so  er- 
giebt  .sich  sofort,  dass  ys  nach  aller  Wahrscheinlichkeit  echt  ist. 
Denn  es  hat  an  beiden  Stellen  seine  Kraft  und  Bedeutung.  Allein 
die  unmittelbare  Wiederholung  war  den  Kritikern,  wie  so  oft 
auch  in  neuerer  Zeit  der  Fall  gewesen ,  ein  Stein  des  Anstosses, 
den  sie  nun  entfernen  zu  müssen  glaubten ,  nicht  ahnend  ,  dass 
sie  eben  damit  erst  recht  anstossen  würden.  —  Ibid.  B.  haben 
die  Herausgeber  die  alte  Lesart:  st  xiv  iv  vcö  £#as,  beibehalten, 
und  dazu  nur  die  Bemerkung  gemacht,  iv  om.  c.  i.  e.  ed.  Staub. 
AVer  kann  nun  aber  wohl  aus  dieser  Anmerkung  auch  nur  vennu- 
then,  dass  die  Lesung  der  Edil.  c.  die  fast  sämmtlichcr  Hand- 
schriften ist,  und  dass  iv  kaum  in  einem  Cod.,  durch  Correctur 
hergestellt,  sich  vorfindet*?  Dass  sl  xiva  vcö  sföig,  si  quem  matte 
lenes,  i.  e.  si  quem  meministi ,  richtig  gesagt  und  iv  aus  blosser 
Correctur  hervorgegangen  ist,  beweisen  ganz  sicher  die  aus  De 
Kep.  VI.  p.  490.  A.  und  Herodot.  V,  92,  7.  von  uns  verglichenen 
Beispiele  dieser  Redeweise,  zu  denen  wir  jetzt  noch  einige  an- 
dere hinzufügen  könnten.  —  Pag.  4.  B.  ov  ydo  av  nov  vtcbq 
ys  äkkoTQLOv  sjts£,yjsi6&a  epovov  avrcö ,  haben  die  Zürcher  Edi- 
loren mit  dem  Bodl.  Coisl.  Par.  S.  und  Ven.  II.  pr.  m.  geschrie- 
ben: ov  yao  äv  iiov  ys  vittQ  dlKotQiov  k.  r.  h    Erwägen  wir 


riatoniä  opera ,  recogn.  Buiter,  Orelli  et  Winckclmaiin.         365 

indessen  theils  den  Sprachgebrauch,  Iheils  die  Veranlassung  der 
Umstellung  der  Partikel,  so  können  wir  auch  diese  Veränderung 
nicht  gut  heissen.  Offenbar  gehört  ys  dem  Sinne  nach  zu  dlXo- 
rgiov.  Die  Grammatiker  nun,  übersehend  dass  es  in  solchem 
Falle  auch  der  zum  Nomen  gehörigen  Präposition  beigefügt  zu 
werde«  pflegt,  stellten  das  Wörtchen,  weil  es  sich  nicht  mit 
viiiQ  zusammen  vereinigen  licss,  herüber  nach  nov ,  um  ihm  so 
irgend  eine  Geltung  und  Bedeutung  zu  verschaffen.  Allein  dass  es 
hier  weniger  an  seiner  Stelle  steht  als  nach  yntg,  das  scheint  ih- 
nen entgangen  zu  sein.  Richtig  ist  daher  die  Lesung  der  übrigen 
Codd.  —  P.  5.  B.  wird  nach  dem  ßodl.  Ven.  IL  Coisl.  und  ei- 
nigen andern  Buchen»  gelesen:  tl  ägee  (iE  enixsiQtjösts  ygdepe- 
6&cu.  Allein  richtiger  ist  sicherlich  die  Schreibung  */*£,  die 
auch  der  Vat,  und  Tab.  mit  unzähligen  anderen  Büchern  in  Schutz 
nehmen.  Denn  nachdem  Sokratcs  dem  Eutin  phron  zu  erkennen 
gegeben,  dass  er  von  Meletus  der  Gottlosigkeit  angeklagt  wor- 
den, macht  ihm  dieser  mit  stolzer  Selbsterhebimg  bemerklich, 
wie  er,  Euthyphron,  einem  solchen  Ankläger  schon  zu  begegnen 
wissen  werde.  Wahrlich ,  sagt  er,  o  Sakrales,  wenn  er  es  ver- 
suchen sollte,  mich  anzuklagen  (der  ich  nämlich  ein  ganz  an- 
derer Mann,  wie  dn^  sein  würde),  so  würde  ich,  glaube  ich, 
bald  seine  verwundbare  Seite  auffinden,  und  es  würde  eher 
von  ihm  im  Gericht  gehandelt  werden  als  von  mir.  Wer  sieht 
hier  nicht,  dass  der  Nachdruck  des  Gegensatzes  den  Gebrauch 
der  Enclitica  als  unzulässig  erscheinen  lässt'J  —  Ibid.  p.  5.  C. 
liefest  es  vom  Meletus:  las  Öe  ovzcog  oUcog  attyvcog  xcd  (jadiag 
xarüdev,  togts  aötßtiag  fypa^'ctro.  Hier  lässt  der  Cod.  ßodl. 
und  pr.  ?n.  f  en.  IL  mit  mehreren  anderen  Handschriften  dxs%vag 
aus,  und  die  neue  Ausgabe  schlicsst  es  in  Klammern  ein.  Aber 
mit  vollem  Rechte  schützen  dasselbe  die  übrigen  Bücher.  Denn 
nur  eine  Grille  der  Grammatiker  oder  auch  Unverstand  derselben 
hat  das  Wort  entfernen  heissen.  Man  sah  nämlich  nicht  ein,  dass 
es  zum  vorhergehenden  ovrcog  6t,Bcog  gehört  und  erklärt  werden 
muss:  so  wahrhaft  scharfsichtig ,  tarn  plane  acute;  tarn  acute 
prorsns.  Hat  man  diess  gefasst ,  so  kann  es  Keinem  in  den  Sinn 
kommen,  an  der  Echtheit  der  zeitherigen  Lesung  zu  zweifeln, 
obgleich  Kec.  selbst  früher,  ehe  er  die  richtige  Deutung  der 
Worte  auffand,  in  gleichem  Irrthume  befangen  war.  —  P.  (>. 
A.  gestehen  wir,  immer  noch  nicht  zu  begreifen,  wie  das  Imper- 
fectum  xarimvzv  zu  rechtfertigen  sei.  Die  Herausgeber  haben 
es  indessen  festgehalten,  ohne  dem  freilich  nur  durch  wenige 
Codd  unterstützten  xazenisv  ihren  Beifall  zu  schenken.  —  P.  7. 
A.  ist  si  fiivroi  dXrj&ig  toi  änexgLva  wohl  die  einzig  richtige 
Lesart  Die  Vulgata  lautete  et  [livrot  cog  ufoftäg.  Der  Bodle- 
janische  und  Vaticanische  Codex,  sowie  mehrere  andere,  lassen 
cog  weg.  Aliein  äfaföäg  dnoxQivEöüui  heisst  vere  oder  re  vera 
respondere ,  was  nicht  in  den  Zusammenhang  passen  will.     Der 


366  Griechische  Literatur. 

Sinn  erfordert  offenbar  folgenden  Gedanken:  Ob  du  jedoch  et- 
il) a  s  Wahres  geantwortet  hast ,  weiss  ich  noch  nicht.  Das 
heisst  aber  dlri%\g  djtenQLVco.  "Verderbt  ist  diese  Lesart  offen- 
bar von  denjenigen,  die  nicht  wussten,  dass  das  Neutrum  der 
Adjectiven  nicht  selten  so  ohne  ein  hinzugefügtes  xi  als  Object 
im  Accusativus  gebraucht  wird,  eine  Bemerkung,  deren  Bestäti- 
gung wir  anderwärts  durch  Beispiele  in  hinlänglichem  Maasse  ge- 
geben zu  haben  glauben.  —  P(lg'  7.  0.  lesen  die  Herausgeber 
mit  dem  Bodl.  Fat.  und  andern  guten  Handschriften  £%9qoi  t  S 
äv  äklrjXoig  slfiEV^  was  auch  die  Vulgata  hat,  während  ed.  b.  c. 
für  TS  ein  ye  hergestellt  haben.  Und  allerdings  geben  wir  zu, 
dass  te  das  Meiste  für  sich  hat,  obgleich  ys,  von  mancher  Seite 
betrachtet,  auch  nicht- wenig  Verteidigung  finden  dürfte.  Doch 
hierüber  wird  sich  schwerlich  etwas  Sicheres  ermitteln  lassen.  — 
Anders  urtheilen  wir  über  p.  8.  E. ,  wo  die  Herausgeber  statt  to 
ys  xsq/ulctiov  mit  dem  Bodl.  und  fünf  anderen  Handschriften  to 
xtcpüXcuov  geschrieben  haben.  Denn  1)  passt  hier  ye  ganz  gut  in 
den  Zusammenhang  und  wird  beinahe  durch  denselben  als  noth- 
wendig  bedingt;  2)  beweist  die  Stelle  des  Phileb.  p.  48.  C.  nur 
soviel,  dass  es  unter  Umständen  auch  fehlen  könne;  3)  wird  das 
Partikelchen  durch  den  Cod.  Fat.  und  Tub.,  welche  au  Bedeut- 
samkeit den  besten  nicht  nachstehen,  sowie  durch  viele  andere 
Bücher,  empfohlen  und  in  Schutz  genommen.  Und  dazu  kommt 
noch,  dass  4)  die  Ursache  der  Weglassung  klar  vor  Augen  liegt. 
Denn  der  Umstand,  dass  es  zweimal  ganz  in  der  Nähe  steht, 
scheint  wieder  den  Kritikern  missfällig  gewesen  zu  sein,  und  seine 
Weglassung  veranlasst  zu  haben.  Sonach  gebietet  die  Vorsicht 
allerdings,  die  Vulgata  nicht  sofort  zu  verändern.  —  Ibidem  E. 
haben  die  Herausgeber,  dem  Bodl.  Ven.  II.  und  8  anderen 
Handschriften  folgend ,  die  sie  indess  nicht  alle  namhaft  gemacht 
haben,  statt  "I&t,  rotvvv  —  dida^ov  geschrieben  "I&t  vvv  —  öt- 
öu^ov.  Allein  vvv  scheint  hier  weniger  passend,  da  Sokrates 
nicht  erst  jetzt  eine  Belehrung  über  das  Wesen  der  Frömmigkeit 
verlangt,  sondern  vielmehr  aus  dem  Umstände,  dass  die  Meinun- 
gen der  Menschen  darüber  verschieden  sind ,  die  Folgerung  her- 
leitet, dass  eine  solche  von  dem  Mitunterredner  mitzutheilen  sei. 
Sollte  hier  nicht  der  Itacismus  den  Irrthum  veranlasst  haben? 
Denn  die  letzte  Sylbe  des  vorhergehenden  Wortes  konnte  sehr 
leicht  den  Ausfall  von  Tot  herbeiführen.  —  Pag.  10.  B.  wird 
mit  dem  Cod.  Bodl.  Par.  S.  W.  ye  nach  Siöxi  ÖQcipzvov  heraus- 
geworfen. Und  dennoch  ist  gerade  an  dieser  Stelle,  wo  die  Ar- 
gumentation gleichsam,  ihren  Culminationspunkt  erreicht  hat,  die 
Partikel  so  zweckmässig  eingesetzt,  dass  wir  wenigstens  an  ihrer 
Echtheit  nicht  im  Geringsten  zweifeln  mögen.  Unmöglich  aber 
will  es  uns  scheinen,  dass  sie  sollte  von  Grammatikern  oder  Ab- 
schreibern eingeschoben  sein ,  da  dergleichen  Wörtchen  eher  von 
diesen  weggelassen  als  hinzugesetzt  zu  werden  pflegen,  besonders 


i'latouia  opeca,  recogn.  Baitcr,  Orclli  et  vYiiickcliiiunn.        3()7 

an  Stellen,  wo  sie  durch  längere  Argumentationen  bedingt  sind. 

Kurz  nachher  ist  unbemerkt  geblieben,  dass  die  Form  sfiepa- 

%iiku  erst  von  neueren  Editoren  aus  guten  Codd.  hergestellt  wor- 
den.    Eben  so  ist  P.  14.  A.  die  Lesart  sämmtlicher  Handschriften 
sgyaöiag  statt  aniQyaGiaq  mit  Stillschweigen  übergangen,  wobei 
wir  überhaupt  die  Bemerkung  zu  machen  uns  erlauben,  dass  die 
Lesarten  des  Bodl,   Fat.  und  Venet.  nur  hie  und  da,  aber  kei- 
neswegs vollständig  mitgethcilt  werden,  ein  Punkt,  über  den  die 
Herausgeber  sich  nicht  erklärt  haben.  —     Pag.  15.  B.  wünscht 
Hr.  Prof.  Winikelmann  statt  nsgiiovraq  aus  dem  Bodl.,    Coisl. 
und  pr.  Ven.  LI.  tcequovtu  aufgenommen  zu  sehen.    Wir  glauben 
indessen  doch,  dass  die  Vulgata  den  Vorzug  verdiene,   da  ein 
solcher  Uebergang  vom  Pluralis  zum  Singularis  sich  kaum  möchte 
rechtfertigen  lassen.   Sehr  vorsichtig  ist  es  daher  gehandelt,  dass 
im  Texte  die  gewöhnliche  Lesung  beibehalten  worden  ist.  —   So 
viel  über  die  im  Evthyphron  vorkommenden  eigenthümlichen  Les- 
arten dieser  neuen  Edition.     Fügen  wir  nun  zunächst  die  in  der 
jdpologie  des  Sokrates  neu  restituirten  Lesungen  hinzu ,  um  so 
die  kritischen  Leistungen   der  Herausgeber  noch  mehr  in  das  ge- 
hörige Licht  zu  stellen.     Wir  legen  hier  wieder  unsere  Gothai- 
sche Ausgabe  bei   der  Vergleichung  zu  Grunde,  nicht  als  ob  wir 
dieselbe  für  die  vorzüglichste  gehalten  wissen  wollten,  sondern 
weil  sie  die  letzte  ist,  die  mit  vollständiger  Benutzung  des  vor- 
handenen kritischen  Apparates  unternommen  werden  konnte,  und 
somit  am   deutlichsten   zeigen  kann,  wie  weit   die  zunächst  ge- 
folgte  Edition  in   Umgestaltung   des  Textes   weiter  vorwärts  ge- 
schritten ist.     Im  Ganzen  wird  sich,  wie  wir  glauben,  auch  hier 
das  oben  gegebene  Resultat  herausstellen,  dass  die  Editoren  in 
ihrem  Vertrauen    auf   die  Vortrefflichkeit   einiger   vorzüglichen 
Handschriften,  insbesondere  der  Bodle janischen  oder  Clarkischen, 
etwas  zu  weit  gegangen  sind  und   mehr  kritischen  Skepticismus 
hätten  in  Anwendung  bringen   sollen.    —     Gleich  au  der  ersten 
Stelle,  wo  sie  von  anderen  Ausgaben  abweichen,  p.  17.  C. ,  be- 
dauern  wir,    ihrem  Urtheile  nicht  beitreten  zu  können.     Hier 
schreiben  sie  nämlich  mit  dem  Bodl.,   Vat.  IL.,  Par.D.  C.   Iva 
vpav  Ttokkol  dxtjxoaöi ,  während  sonst  oi  TtoXKol  axrjxöccöi  ge- 
lesen wird.     Allein  lässt  man  den  Artikel  weg,  so  hat  der  Ge- 
danke des  Sokrates  gar  zu  wenig  Kraft  und  Nachdruck.     Sokrates 
redet  zu  Mitbürgern,  die  ihn  auf  der  dyogej  wohl  sämmtlich  ge- 
hört haben  konnten.     Nicht  also  viele,    sondern  wenigstens  die 
meisten  der  Hcliasten   hatten  dort  Gelegenheit   gehabt,  seinen 
Unterredungen  mit  beizuwohnen.     Demnach  ist  ot  nolkol,  was 
eben  auch  sehr  gute  Handschriften  darbieten,  gewiss  die  richti- 
gere Lesart,  und  es  will  uns  bedünken,  dass  der  Artikel  von  Hv- 
perkritikern  getilgt  worden  sei,    denen  ea.su  ruhmrednerisch  zu 
klingen  schien,  wenn  Sokrates  von  sich  aussagte,  dass  die  mei- 
sten seiner  Richter  ihn  öffentlich  zu  hören  Gelegenheit  gehabt 


368  Griechische    Literatur. 

hätten.  Man  vergleiche  aber  p.  19.  D.  fiägzvgag  avzovg  vf.icov 
xovg  noXXovg  7iagh%o}iai;  wo  niemand  den  Artikel  auszutilgen 
gewagt  hat.  —  Ibid.  p.  17.  D.  lesen  die  Herausgeber  mit  dem  Bodl. 
Par.  JJLT.  vvv  öe  syca  tcqcözov  inl  dixuözrjgiov  avaßißtjaa  hrj 
ysyovag  Eßdofirjytovru.  Die  übrigen  Ausgaben  fügen  mit  den  bei  wei- 
tem meisten  und  zum  Theil  ebenfalls  trefflichen  Handschriften  vor 
tßdoiDjKovTu  das  Wort  TiXtLa  hinzu.  Für  die  Weglassung  desselben 
scheint  die  Stelle  im  Kritonp.  52.  E.  zu  sprechen,  auf  welche  sich 
auch  die  Herausgeber  berufen.  Allein  genauer  betrachtet,  beweist 
dieselbe  so  gut  wie  nichts,  da  dort  überhaupt  siebzig  Jahre  als  Beweis 
des  hohen  Alters  genannt  werden.  Hier  dagegen  steigert  Sokrates 
noch  den  Begriff  des  letztern,  und  setzt  uXeLco  hinzu,  weil  er  bereits 
das  siebzigste  Lebensjahr  überschritten  hatte.  Vielleicht  gab  aber 
die  Stelle  des  Kiiton  den  Kritikern  Veranlassung,  das  sonst  gelesene 
itXeLcö  nach  eigenem  Verdammungsurtheile  zu  vertilgen.  —  Ibid.  p. 
18.  II.  haben  allerdings  die  meisten  Codd.  X6agu.lv  yag  %tig(ov ;  doch 
scheint  die  Vulgata  l'öwg  u.tv  ydg  xt  yjklgav  aus  innern  Gründen 
viel  für  sich  zu  haben.  Hier  möchte  also  das  Urtheii  über  die 
Wahl  der  Lesart  allerdings  schwanken.  —  Ibid.  p.  18.  B.  ist  aus 
dem  ISodl.  I en.  II.  Find.  Cß.  Par.  DL.  hergestellt  worden: 
aal  xaziqyögvvv  eu^ov  fiäXXov  ovdlv  «A^frig,  während  sonst 
päXXov  vermisst  wird.  Allein  die  verglichnen  Worte  p.  18.  B. 
xea  yccg  vfitlg  iauvatv  tfxovöazs  xaztjyogovvzai',  aal  ttoXv 
[läXXo v  7]  rcovds  zäv  vözsgov ,  scheinen  nicht  geeignet,  jenes 
fiäXXov  zu  rechtfertigen,  was  hier  vielmehr  aus  einem  Glossem 
entstanden  sein  möchte,  dabei  aber  jedenfalls  etwas  ungeschickt 
in  die  Bede  eingefügt  ist.  —  Ibid.  p.  18.  C.  schreiben  die  Heraus- 
geber nach  Ileindorfs  Conjectur:  ovzoi,  e3  ävdgsg  'AftijvaloL ,  oi 
xavzr\v  ti]v  q>r]Hi]V  xazaöxtÖccöavzsg ,  oi  Önvoi  döt  (iov 
aazriyogoi,  während  sonst  der  Artikel  oi  vor  zavzrjv  weggelassen 
wird.  Und  in  der  That  können  wir  uns  von  der  Notwendigkeit 
desselben  auf  keine  Weise  überzeugen.  Denn  verbindet  man  das 
Participium  mit  den  nachfolgenden  Worten,  so  bezeichnet  es  höchst 
passend  die  Ursache  von  dem  in  denselben  enthaltenen  Urtheile, 
und  die  Stelle  bekommt  folgenden  Sinn:  Dieses,  ihr  Alheniensei\ 
sind  jene  schrecklichen  Ankläger  von  mir ,  indem  sie  solches 
Gerücht  ausgestreuet  haben.  Was  ist  wohl  gegen  diesen  Gedan- 
ken einzuwenden'?  —  P.  19.  B.  ist  für  aal  zu  inovgävia  geschrie- 
ben xal  ovgüvia,  wie  im  Bodl.  len.  Par.  DL.  gelesen  wird. 
Indessen  scheint  doch  movgavia  dem  entgegengesetzten  zu  vno 
yrjg  besser  zu  entsprechen.  Ob  der  Artikel  aber  nöthig  sei  oder 
nicht  nöthig,  wollen  wir  dahingestellt  sein  lassen.  Vielleicht  ist 
die  Schreibung  des  Bodl.  entstanden  aus  aal  zänovgävia:  we- 
nigstens wird  hieraus  die  ganze  Abweichung  vom  gewöhnlichen 
Text  leicht  erklärlich.  —  Ibid.  p.  20.  C.  ist  syay  ovv  aal  avzög 
statt  eyco  yovv  aal  avzög  hergestellt  worden,  während  Bodl.  I  cn.  IL 
Vind.  0.  tyä  ov  aal  avzög  darbieten.     Wir  halten  die  alte  Lesart 


Piatonis  opera,  recogn.  Baitcr,  Orelli  et  Winckelniann.       369 

für  die  einzig  richtige.  Denn  Sokrates  will  sagen :  Wenigstens 
ist  so  viel  gewiss,  dass  ich  mich  glücklich  preisen  ivürde ;  nicht 
aber:  ich  für  meine  Person  also  würde  mich  glücklich  prei- 
sen. Sonach  ist  iya  yovv  beizubehalten,  und  yovv,  wie  oft,  mit 
ovv  verwechselt  worden.  —  Ibid.  p.  23.  A.  wird  mit  den  öfters 
namhaft  gemachten  Codd.  nach  oi  ccvöqeq  ausgelassen  'A&qvaloi. 
Die  Weglassung  erklärt  sich ,  wie  Rec.  mehrmals  in  seinen  Com- 
mentarien  erinnert  hat,  sehr  leicht  paläographisch ,  und  fordert 
eben  deshalb  eine  um  so  vorsichtigere  Beurtheilung.  Jedenfalls 
ist  die  Hinzufiigung  von  'A&rjvcäoi  weniger  leicht  zu  erklären. 
Das  nämliche  gilt  auch  von  p.  30.  B.  33.  C.  36.  B.  37.  D.  u.  a.  — 
P.  24.  A.  haben  die  Herausgeber  die  Schreibung  ort  äktj&rj  bei- 
behalten, während  die  neuern  Editionen  mit  Bas.  2.  und  nicht 
wenigen  guten  Handschriften  Zti  rufoföij  lesen.  Die  äussere 
Auctorität  streitet  für  jenes;  innere  Gründe  scheinen  uns  letzteres 
mehr  zu  empfehlen.  Doch  an  sich  ist  die  Sache  nicht  von  Belang, 
da  der  Sinn  jedenfalls  derselbe  bleibt.  —  Ibid.  p.  24.  C.  billigt 
die  neue  Ausgabe  das  alte  iya  ds,  co  ccvöqes  'A&.,  während  neu- 
lich iya  ds  ys  aus  guten  Handschriften ,  unter  die  auch  der  Bodl. 
gehört,  wiederhergestellt  worden  ist.  Innere  und  äussere  Gründe 
geheinen  uns  für  ds  ys  zu  streiten ,  dessen  Bedeutsamkeit  an  die- 
ser Stelle  nicht  zu  verkennen  war.  —  P.  24.  E.  lässt  sich  das  aus 
dem  Bodl.  Ven.  II.  Par.  I)LT.  zurückgerufene  jiolovöl  wohl 
rechtfertigen;  aber  ganz  entschieden  möchten  wir  es  doch  dem 
gewöhnlichen  noislv  nicht  vorziehen  ,  zumal  da  dieses  auch  durch 
den.  Vat.  /l  und  Tubing.  geschützt  wird.  An  sich  betrachtet,  ist 
beides  erträglich.  —  Ibid.  p.  25.  E.  ist  statt  der  von  Bekk.  und 
Stallb.  hergestellten  Lesart:  ij  si  duxcp&SLQG),  äxcov,  der  alte 
Text  Mieder  zurückgerufen:  q  dtacp&siQa,  äxav,  wir  begreifen 
in  der  That  nicht ,  warum.  Denn  1)  findet  sich  ü  in  den  besten 
Codd.,  und  auch  in  dem  Bodl.,  dem  doch  sonst  die  Herausgeber 
möglichst  Gehör  zu  schenken  pflegen;  2)  ist  die  Hinzufügung  des- 
selben dem  Sinne  des  Sokrates  ganz  entsprechend ,  da  er  sich  für 
einen  Jugendverderber  durchaus  nicht  angeschen  wissen  will;  und 
3)  ist  die  Ursache  der  Auslassung  des  Wörtchens  nicht  eben  weit 
zu  suchen:  man  stiess  es  aus,  weil  man,  durch  Mangel  der Inter- 
punetion  getäuscht ,  nicht  sofort  einsah,  dass  zu  uxav  das  Verbum 
öiacp&eiQd)  zu  wiederholen  sei.  —  Pag.  27.  C  billigen  wir  ganz 
die  hergestellte  Lesart  vopi&tv  y,h  hötiv ,  wofür  bis  jetzt  ge- 
schrieben wurde  vo^i^etv  spi  eöziv.  Die  enclitische  Form  des 
Pronomens  wird  durch  den  Sinn  und  durch  die  Zeugnisse  der 
Codd.  hinlänglich  empfohlen.  Allein  ebendas.  E.  werden  wir  ij 
vor  aal  mit  Forster  so  lange  für  unecht  halten,  bis  nachgewie- 
sen sein  wird ,  dass  die  Maulesel  von  Pferden  oder  auch  von  Eseln 
allein  erzeugt  werden.  Durch  Hrn.  Prof.  Winckelmanns  Conjc- 
tur:  i)yolz  ij  iizjzcov  aal  ovav,  wird  die  Sache  nicht  gebessert. — 
Pag.  28.  B.  ist  örav  jzqcczz}]  für  özav  nguzzy  xi  oder  qxq.v  xi 

X.  Jahrb.  f.  Phil.  u.  Facd.od.  Krit.  üibl.  Bd.  XXVIII.  llft.'l.  24 


370  Griechische    Literatur. 

itgccTT]]  gesetzt,  allerdings  unter  fast  einhelliger  Beislimmung  der 
Codd.  Allein  immer  noch  zweifeln  wir,  ob  ngättuv  in  solchem 
Sinne  ohne  Accusativ  des  Objects  üblich  sei,  obgleich  es  sonst, 
z.  B.  wenn  es  heilst:  Staatsgeschäfte  treiben ,  auf  diese  Weise 
gesetzt  zu  werden  pflegt.  Auch  Fr.  Aug.  Wolf  war  der  Meinung, 
dass  hier  ein  Fehler  stecke,  und  schlug  daher  statt  oxuv  zu  lesen 
vor  6'  xi  «v,  was  indessen  keine  Handschrift  bestätiget  hat.  — 
Pag.  28.  D.  ist  ßeXxiöxov  tlvcci  für  ßekxiov  ilvai  beibehalten, 
und  wohl  nicht  mit  Unrecht,  da  für  den  Superlativus  die  Aucto- 
rität  der  Handschriften  sehr  stark  spricht.  —  Pag.  29.  B.  ist 
<poßy]6o/.i,ai,  beibehalten,  während  Vat.  Veit.  II  Par.  DL.,  also 
gerade  der  gute  Stamm  der  Handschriften ,  q)oß)förJ60Liai  bieten, 
was  vielleicht  auch,  —  wir  erlauben  uns  diese  Vermuthung  —  in 
dem  Bodl.  stehen  dürfte.  Die  Medialform  scheint  ihren  Ursprung 
dem  folgenden  (psvl~0{iotL  zu  verdanken.  Ist  der  von  uns  ander- 
wärts erörterte  Unterschied  zwischen  der  Medial-  und  Passivform 
hinsichtlich  der  Bedeutung  gegründet  —  m.  s.  zu  Parmenid.  p. 
141.  E.  —  so  wird  qioßrj&rjöo^at,  den  Vorzug  verdienen.  —  Pog. 
28.  E.  ist  richtig  a^qpiöß^rj]  aus  den  bessern  Handschriften  gege- 
ben ,  während  andere  Ausgaben  d(iq)i6ßr]xrj(5r]  festhalten ,  was  wir 
jetzt  ebenfalls  verwerfen.  Eben  so  richtig  ist  p.  33.  M.  für  ei  de 
rig  e^iov  Keyovxog  geschrieben  ei  de  xlg  pov  keyovxog;  ein  Paar 
kleine,  aber  immerhin  dankenswerthe  Verbesserungen.  —  Pag. 
30.  D.  wird  die  Vulgata  ovxog  töcog  oXexcti  festgehalten,  während 
die  neuern  Editionen  richtig  unter  Zustimmung  der  besten  und 
meisten  Handschriften  ovtog  pev  Yöcog  oXexai  billigen.  Was  war 
die  Ursache,  warum  die  Herausgeber  (isv  verschmäheten ,  da  doch 
nachher  syco  d'  ovx  oXo^ca  nachfolgt?  glaubten  sie,  dass  ^iev  der 
handschriftlichen  Unterstützung  und  Empfehlung  ermangele?  oder 
bestimmte  sie  nur  das  Zeugniss  des  Bodl.,  was  doch  hier  wieder 
etwas  verdächtig  erscheint?  Doch,  wie  sich  auch  die  Sache  ver- 
halten mag,  jedenfalls  hat  [tev  so  viel  für  sich,  dass  ihm  die  Auf- 
nahme nicht  fernerhin  zu  verweigern  war.  —  Pag.  32.  A.  lesen 
die  Herausgeber  mit  Stepkan.  (itf  vneixcov  de  a(.ia  aal  ä}i  äv 
anoKoi^iriv.  Wir  können  uns  von  der  Richtigkeit  dieser  Lesart  nicht 
überzeugen.  Gleich  beim  ersten  Anblick  urtheilten  wir,  dass  das 
zweite  ä{i  äv  aus  einem  Glossem  geflossen ,  wodurch  angedeutet 
werden  sollte,  dass  «V  auch  in  diesem  Satzgliede  verstanden  wer- 
den müsse.  Und  wirklich  lassen  es  nicht  wenige  Handschriften 
aus,  denen  unbedingt  Folge  zu  leisten  war,  wenn  man  nicht  ecua 
xciv  ccTtolot'ixrjV  herstellen  will.  —  Pag-  33.  C.  wird  gut  %ai  e% 
{lavxeiav  für  xal  e%  {ictvxeicov  nach  Handschriften  emendirt. 
Aber  ebend.  D.  hätte  nach  vvv  tieiuvrjöd'ai  das  hässliche  Glos- 
sem, xed  xiucooeLö&cu,  trotz  der  Zeugnisse  vieler  Codd.,  nicht 
wieder  hergestellt  werden  sollen.  Es  leuchtet  von  selbst  ein, 
dass  die  Worte  aus  dem  Vorhergehenden  wiederholt  sind  und  zur 
Erklärung  von  vvv  ^isfiv^ö&ai  dienen  sollten.  —  Ebendas,  E.  hat 


Piatonis  opera,  recogn.  Baker,  Orelli  et  Winckelinann.      371 

wohl  Hr.  Prof.  Winckelmann  das  Wahre  getroffen,  wenn  er 
©so^oxiöov  schreibt,  was  freilich  nur  eine  einzige  Handschrift  auf- 
bewahrt hat. —  Pag.  34.  C.  liest  die  neue  Ausgabe  mit  Codd.Bodl. 
Ven.  II.  Par.  DST.  xd%  ovv  xig  xavxa  svvor}6ccg  avftccdeßTEQOv  äv 
Tcgog  ft£  ö^ot'j;.  Wir  ziehen  unbedingt  die  gewöhnliche  Lesart 
Tax  av  °vv  TlS  K«  %'  A.  vor,  weil  sich  auch  hier  die  Ursache  der 
Aenderung  von  selbst  verräth.  Eine  Handschrift  hat  xd%  ovv 
äv ,  nach  einer  sehr  häufig  vorkommenden  Variante,  —  Ebendas. 
D.  haben  die  Herausgeber  die  Vulgata  wieder  hergestellt :  enisi- 
arj  (tot,  doaäitgog  xovxov  ksysiv,  keycov  öxt  'Epoly  cJ  aptörg, 
a.  x.  A.  was  freilich  durch  die  Zeugnisse  der  Handschriften  so 
unterstützt  wird,  dass  es  rathsam  sein  möchte,  die  Bekkersche 
Lesung  Köyov  statt  Xsycöv  wieder  herstellen  zu  lassen.  Aber  gleich 
nachher  ist  aal  vliig  ys  unzweifelhaft  das  richtige,  wie  wir  in 
unsern  Commentarien  hinlänglich  dargethan  zu  haben  glauben. 
Auch  hier  möchten  wir  annehmen ,  dass  im  Bodl.  u.  a.  unzeitige 
Kritik  die  echte  Lesung  zerstört  hat.  —  Pag.  35.  D.  wird  die 
Lesung:  alX  ovv  dedoay^iBvov  yi  hört  xo  v ZdAgärrj  dtacvsotiv 
xivl  xcöv  7roAAe5v,  aus  den  Handschriften  II  «PCL. ,  die  zum 
Theil  corrigirt  sind  ,  so  abgeändert,  dass  statt  xöv  im  Neutrum 
TÖ  geschrieben  wird.  Abermals  eine  verfehlte  Correction ,  die, 
abgesehen  von  den  Zeugnissen  der  Handschriften,  auch  wegen 
des  Sinnes  der  Worte  der  altern  Lesart  jedenfalls  nachgestellt 
werden  muss.  Denn  der  Artikel  xbv  bei  Ztaxoäxr}  ist  hier  ge- 
rade recht  sehr  bedeutsam,  während  man  nicht  einsieht,  warum 
der  Begriff  von  diaysosiv  durch  Hinzusetzung  des  to  soll  hervor- 
gehoben werden.  Der  Sinn  ist  nämlich  dieser:  Aber  es  ist  nun 
einmal  herrschende  Meinung,  dass  der  bekannte  Sokrates  vor 
manchem  Manne  des  Pöbels  sich  auszeichne.  —  Pt'g-  35-  B. 
wird  in  den  Worten:  xavxa  ovre  rjuäg  %or}  noistv  xovg  doxovv- 
xag  aal  bxiovv  livai ,  ovx  ,  äv  tjfisig  izoio5[isv ,  vfiäg  inixQB- 
oxsiv,  von  einem  der  Herausgeber  die  Lesung  der  ed.  Stephan. 
vfiäg  xqtj  noulv  in  Schutz  genommen.  Aber  spricht  nicht  schon 
das  eingeschobene  av  jjjmg  Ttoiäfisv  laut  genug  für  die  Richtig- 
keit des  »Jftßg  ?  Gewiss  ist  also  mit  vollem  Rechte  das  zuerst  von 

Bekker  zurückgerufene  ^päg  im  Texte  beibehalten  worden.    

Pag.  35.  C.  lesen  die  Herausgeber  mit  den  Codd.  Bodl.  Ven.  II. 
Vind.  0.  Par.  DLT.  akkcog  xs  iiivxot,  vrj  z/ta  ndvxag  aal  döe- 
ßiiag  tpivyovxa.  Die  übrigen  Handschriften  sind  über  die 
Schreibung  der  Stelle  sehr  uneins.  Gewiss  scheint  indess,  dass 
fisvxoi  vr)  Aia  nicht  wohl  in  dem  ersten  Satzgliede  stehen  kann. 
Die  Formel  hat  einen  ironischen  Gebrauch ,  und  gehört  schon 
deshalb  dem  zweiten  Redegliede  an.  Sollte  daher  nicht  zu  schrei- 
ben sem:  a'AAtog  xe  nävxag  ^äktöxa  (xivxoi  vrj  Ala  aal  döeßtlag 
yhvyovxul  Wenigstens  scheint  ein  Theil  der  Handschriften  zu 
dieser  Kmendation  hinzuführen.  —  Pag.  36.  A.  schreibt  die  neue 
Ausgabe:  ti  XQidaovxa  (tovai  luiintGov,  während  sonst  ü  xoelg 

24* 


372  Griechische  Literatur. 

liovai  [iZTejreöov ,  und  lässt  also  sieben  und  zwanzig  Stimmen 
mehr  gegen  den  Sokrates  fallen,  als  gewöhnlich  angenommen 
wird.  Allerdings  wird  auch  so  in  den  Bodl.  Ven.  II.  Par.  BCDS. 
gelesen.  Auch  der  Vatic.  liest  so,  was  die  Herausgeber  uner- 
wähnt lassen.  Die  Sache  ist  schwer  zu  entscheiden,  ob  wir 
gleich  dem ,  was  Bückh  irgendwo  darüber  auseinandergesetzt  hat, 
im  Ganzen  beitreten  müssen.  Will  man  daher  einen  wenigstens 
nicht  gefährlichen  Weg  gehen,  so  thut  man  allerdings  wohl,  sich 
an  die  Zeugnisse  der  bessern  Bücher  zu  halten ;  so  hat  man  we- 
nigstens, im  Fall  eines  Angriffs,  noch  immer  einen  ziemlich 
sichern  Kückenhalt.  Aus  dem  oratorischen  Standpunkte  die  Sa- 
che betrachtet,  wird  freilich  rgug  stets  probabler  scheinen  müssen. 
Aber  auch  der  Umstand ,  dass  gerade  die  genannten  Codices 
nichts  anderes  bieten,  als  zum  Theil  sehr  kühn  uud  frei  geänderte 
Texte  der  Grammatiker  und  Kritiker ,  dürfte  wohl  mit  in  Erwä- 
gung gezogen  werden  müssen.  Hatten  die  letztern  vielleicht  an- 
dere Nachrichten  aus  dem  frühem  Altertlmm  vor  Augen,  nach 
dem  sie  den  Text  des  Piaton  umgestalteten  ?  oder  meinten  sie 
vielleicht  gar,  dass  drei  Verurtheilungsstiramen  doch  etwas  zu 
wenig  seien,  und  hielten  es  daher,  zur  Vermeidung  der  Hyper- 
bel, mit  kritischer  Kälte  und  Nüchternheit  für  rathsam,  an  ihre 
Stelle  dreissig  unterzuschieben'?  Wie  dem  auch  sei,  jedenfalls 
können  wir  uns  noch  nicht  davon  überzeugen ,  dass  hier  unbe- 
dingt den  Zeugnissen  des  Bodl.  und  Consorteu  Glauben  beizu- 
messen sei.  —  Pag.  37.  C.  lassen  die  Herausgeber  den  Sokrates 
also  fragen:  'Ahkd  dr]  yvyfjg  tifirjö o (tai ;  sich  wieder  auf  das 
Zeugniss  des  Bodl.  stützend.  Wir  dagegen  können  nicht  umhin 
die  Lesung  der  übrigen  Bücher:  kXXu  Örj  g>vyi]g  tiarjö o [loa; 
für  die  einzig  richtige  zir erklären.  Denn  durch  den  Iudicativ  des 
Futurums  zeigt  Sokrates  an ,  dass  er  sich  selbst  für  einer  solchen 
Strafe  nicht  würdig  erkennt,  was  ganz  und  gar  dem  Tone  seiner 
übrigen  Kede  entsprechend  ist.  Der  Conjunctiv  rührt  unstreitig 
von  Kritikern  her,  denen  das  vorhergehende  f'Xa^iai  vor  Augen 
schwebte.  —  Pag.  38.  D.  wird  statt  der  Vulgata:  ol  uv  v{ilv 
[isv  ydiöz'  i\v  (xkovslv,  mit  dem  Cod.  Bodl.  Par.  DLT.  geschrie- 
ben: ol  uv  vj.ilv  ijdiGT  ukovelv.  Gewiss  aber  haben  die  Urhe- 
ber des  in  diesen  Büchern  gegebnen  Textes  {isv  ausgestossen, 
weil  sie  kein  demselben  entsprechendes  de  nachfolgen  sahen. 
Dennoch  spricht  Alles  für  die  Echtheit  des  Wörtchens.  Denn 
1)  sieht  man  nicht  wohl  ein  ,  woher  es  hätte  eingeschwärzt  wer- 
den können;  2)  schützen  es  alle  andere,  und  zum  Theil  nicht 
weniger  gute  Handschriften,  als  die  eben  genannten  sind,  und 
3)  ist  dieses  {isv  uvavta7t68otov  in  der  That  ganz  an  seiner 
Stelle,  wie  jedem  eine  genauere  Betrachtung  des  Sinnes  und  des 
Zusammenhanges  zeigen  kann.  Sonach  wird  es  auch  nach  den 
Regeln  einer  vorsichtigen  Kritik  fernerhin  beizubehalten  sein.  — 
Pag.  39.  B.  ist  nach  Heindorfs  Vcrmuthung  für  sycoys  berge- 


Platoniä  opera  ,  recogn.  Hulier,   Orelli  et  Winckelraann.       373 

stellt  lyco  ts,  eine  Veränderung,  deren  Notwendigkeit  wenig- 
stens sehr  problematisch  sein  dürfte.  Wie  sich  die  gewöhnliche 
Lesart  der  Bücher  schützen  liisst ,  wird  jeder  sofort  fühlen  ,  wenn 
er  die  Stelle  so  liest ,  dass  er  yal  ovtol  nach  einer  kleinen  Pause 
und  mit  einigem  Nachdrucke  dem  Vorhergehenden  hinzufügt.  — 
Gleich  nachher  lassen  die  Editoren  ovv  in  den  Worten,  xavta 
(.tev  ovv  ttov  Xöcog  ovtco  xai  eöei  tf^stv,  mit  den  schon  oft  er- 
wähnten Codd.  aus.  Soll  aber  etwas  getilgt  werden,  so  möchten 
wir  lieber  nov  in  Wegfall  gebracht  seilen.  Doch  kaum  dürfte  die 
Yulgata  überhaupt  zu  verändern  sein.  Dagegen  ist  im  Folgenden 
HQydöaöds  für  tiQyaö&s  wohl  das  Richtige.  —  Pag.  41.  A.  ist 
der  Text  gesetzt:  tovg  dhföcog  dinaördg,  was  der  Cod.  Bodl. 
von  erster  Hand  und  Cod.  Ven.  II.  nebst  3  Pariser  Handschriften 
bieten.  Allein  nicht  ohne  Grund  hat  Hr.  Orelli  dieser  Lesart 
seinen  Beifall  vorenthalten,  und  das  gewöhnliche,  auch  von  Sto- 
hüus  geschützte,  tovg  cog  dfaföcög  d.,  für  vorzüglicher  erklärt. 
—  Eine  glückliche  Besserung  ist  es  endlich  zu  nennen,  wenn 
p.  41.  A.  das  Punctum  vor  ndvrcog,  und  nicht  nach  diesem  Worte, 
gesetzt  wird.  —  Dieses  sind  etwa  die  Stellen  —  und  wir  glauben 
keine  von  Bedeutung  übersehen  zu  haben  —  an  welchen  die  Her- 
ausgeber eigenthümliche  Lesungen  in  ihren  Text  aufgenommen  ha- 
ben. Wir  fügen  versprochener  Maassen  noch  dergleichen  aus  dem 
kleinen  Gespräche  Criton  hinzu.  Hier  ist  gleich  der  Anfang  nach 
den  Handschr.  <Z>  ^FDS.  verändert,  indem  statt :  TL  rrjvixdds  dq>l%ca, 
co  Kqitcov;  ij  ov  itgco  tri  htitlv;  geschrieben  wird:  Ti  trjvmdÖE 
depitea,  co  Kqitcov;  ij  ov  noep  sönv;  Aber  um  keinen  Preis 
möchten  wir  hier  ert  missen  ,  ohne  dessen  Hinzutreten  dem  So- 
krates  eine  gar  wunderliche  Frage  in  den  Mund  gelegt  wird. 
Denn  lässt  man  das  Wort  weg,  so  ist  der  Sinn  seiner  Rede  fol- 
gender: Warum,  mein  Anton,  bist  du  so  zeilig gekommen^ 
oder  ist  es  nicht  f  ruh  d.  i.  Früh  zeit?  Gleich  als  ob  Sokrates 
fragen  könnte,  ob  es  früh  oder  ob  es  Tag  sei!  Richtig  dagegen: 
ist  es  nicht  noch  jetzt  früh,  so  dass  der  Tag  noch  gar  nicht 
angebrochen  ist?  Diese  INüancirung  der  Frage  ist  durch  das  vor- 
hergehende rrjvixdde  beinahe  nothwendig  bedingt,  und  Hr.  Orelli 
hat  ganz  richtig  den  gewöhnlichen  Text  in  Schutz  genommen.  — 
Pag.  45.  D,  lesen  die  Herausgeber  mit  dem  Bodl.  Ven.  TL  Par. 
DL.ij  ydg  ov  %or]  jrotaö&cu  naidag  rj  ZvvdiuTabaincoQiiv,  wäh- 
rend sonst  xgi}v  geschrieben  wird.  Aber  sicherlich  ist  letzteres 
besser,  da  die  unmittelbare  Beziehung  der  Worte  auf  den  Sokra- 
tes, die  der  Nachdrücklichkcit  dieser  Itedc  ganz  angemessen  ist, 
sonst  verloren  geht  und  eine  allgemeine  Sentenz  hier  eingescho- 
ben werden  würde.  Die  Grammatiker  änderten  %Qy)v,  weil  aller 
dings  %\\  rj  £vv d lcct aXanjcoQilv  das  Präsens  aus  demselben  hinzu 
zu  denken  ist,  ein  Sprachgebrauch,  der  an  sich  durchaus  nichts 
Befremdendes  zu  haben  scheint.  —  Pog.  47.  (7.  lesen  die  Heraus- 
geber mit  dem  Bodl.  Ven.  IL  tat.  und  andern  Büchern:    dnu- 


374  Griechische    Literatur.' 

&q<5ag  8e  xcß  sv\  xccl  dn^iaöccg  avxov  tyjv  861-ecv  nal  tqvg  Intti- 
vovg ,  Tifiijöccg  dl  xovg  xcöv  noXXäv  koyovg  —  ag'  ovöev 
occckov  itEiöercu;  In  den  übrigen  Büchern  so  wie  in  allen  frühem 
Ausgaben  fehlt  Xoyovg.  Und  in  der  That  halten  wir  dasselbe  für 
einen  willkürlichen  Zusatz  der  Kritiker ,  denen  wir  die  in  jenen 
Handschriften  gegebene  Recension  des  Textes  zu  verdanken  ha- 
ben ,  und  erkennen  darin  einen  neuen  Beweis ,  dass  dieselben  gar 
oft  eigenmächtig  bei  ihrem  kritischen  Geschäft  verfahren  sind.  — 
Das  bald  nachher  aufgenommene  dtoXkvH  hätte,  besonders  bei 
so  schwacher  Beglaubigung  durch  Handschriften ,  nicht  so  rasch 
gebilligt  werden  sollen.  —  Pag.  47.  D.  möchte  doch  wohl  xavxrjv 
vor  avxqv  den  Vorzug  verdienen,  da  mit  Verachtung  von  der 
Meinung  der  grossen  Menge  gesprochen  wird ,  und  ovxog  be- 
kanntlich, wie  das  lat.  iste ,  zum  Ausdrucke  derselben  zu  dienen 
pflegt,  wie  z.  B.  Apol.  p.  17.  B.  C.  Criton.  p.  45.  A.  Sympos.  p. 
181.  E.  u.  a.  Freilich  hat  der  Bodl.  und  Ven.  27.,  so  wie  andere 
sonst  gute  Codd.,  diese  Lesart  nicht;  aber  woher  soll  das  sonst 
in  solcher  Verbindung  nicht  so  häufige  xavxrjv  in  andern  Hand- 
schriften entstanden  sein*?  Innere  Gründe  sprechen  jedenfalls  für 
seine  Aufnahme.  —  PagAS.  B.  wird  gelesen  E^ioiyE  öoxbl  ö^oiog 
Bivcci ,  wie  schon  Ed.  Stephan,  hat.  Allein  exl  vor  öfioiog  bieten 
der  Ven.  II.  Par.  D.  und  einige  andere  Codd.  gewiss  nicht  un- 
passend dar.  Doch  mag  es  wegen  überwiegender  Auctorität  der 
andern  Handschriften  füglich  entfernt  bleiben.  Ein  Gleiches 
kann  gelten  von  p.  50.  D.  xl  syxcdäv  r)yilv  xe  xcu  xt]  hoXei,  wo 
die  Herausgeber  xe  getilgt  haben ,  so  wie  ebendaselbst  von  aAaju- 
ßavs ,  wofür  andere  Editionen  sXaßE  bieten ;  denn  allerdings  lässt 
sich  hXa^ßavE  mit  Buttmann  vertheidigen.  Dagegen  wundern 
wir  uns  p.  50.  E.  für  die  Lesart  des  Cod.  Vatic.  Tubing.  und  vie- 
ler andern:  xai  6v  xavxa  avrinoiEiv  o'lel  dlxaiov  sivcu',  wieder 
die  frühere  Schreibung  xa!  ö  o  l  x.  x.  x.  X.  hergestellt  zu  sehen. 
Denn  kann  auch  die  Redeform,  dlxaiov  Eöxl  [toi  xavxa  ävxi- 
noiELV,  nicht  als  ungewöhnlich  bezeichnet  werden,  so  scheint 
doch  eher  der  Dativus  tfot  durch  Correction  aus  o*v,  was  nach 
einer  seitnern  Attractionsvveise  gesetzt  ist,  entstanden  zu  sein, 
als  umgekehrt  6v  aus  öot.  Demnach  bestätigt  sich  denn  auch 
durch  diese  Stelle,  dass  die  genannten  Codices  gerade  da,  wo 
ihre  Lesarten  die  einleuchtendsten  zu  sein  scheinen,  wegen  häufi- 
ger willkürlichen  Correctionen  mit  Vorsicht  benutzt  sein  wollen. 

Pag.  51.  A.  wird  in  den  Worten:    oxl  —  xifiidtEgov    eöxl 

naxgig,  mit  Bodl.  Ven.  II.  Find.  lF.  Par.  L.  der  Artikel  i)  vor 
naxgig  hergestellt.  Auch  der  treffliche  Cod.  Tubing.  bietet  den- 
selben. Dennoch  zweifeln  wir  sehr,  ob  er,  den  übrigen  Hand- 
schriften entgegen,  herzustellen  war.  Denn  gerade  naxgig 
kommt  bekanntlich  so  ohne  Artikel  vor,  und  die  daneben  stehen- 
den Nomina,  {irjxgog  xa\  itaxgog,  ermangeln  desselben  gleicher 
Weise;  deshalb  vermuthen  wir,    dass  er  ebenfalls  ein  Produc- 


Piatonis  opera,  recogn.  Baiter,  Orelli  et  Winckelmann*       375 

grammatischer  und  kritischer  Befangenheit  sei.  —  Pag.  51.  E. 
ist  es  uns  befremdend,  für  6fioXoyi]6ag  ij  [irji>  nfi$z6$ui  den 
Bodl.  Ven*  II.  und  andern  Handschriften  zu  Gefallen  o^ioXoyr}- 
Gcig  ijßiv  Tieitisö&at,  wieder  zurückgerufen  zu  sehen.  Denn  findet 
sich  jenes  verhältnissmässig  auch  nur  in  wenigen  Büchern,  so 
trägt  es  doch  alle  innere  Merkmale  der  Echtheit  an  sich,  und 
scheint  von  Kritikern,  die  den  Gebrauch  von  rj  pa)v  in  der  obli- 
quen Bede  nicht  kannten,  verfälscht  worden  zu  sein.  —  Pag.  53. 
^.widerstrebt  die  aufgenommene  Lesart  oivouoi  fjfisig  äy^Xovori 
selbst  den  Zeugnissen  des  Bodl.  i'at.  Tub.  und  hat  überhaupt 
nur  schwache  handschriftliche  Bestätigung.  Sie  ist  aber  auch  aus 
andern  Gründen  kaum  zu  empfehlen ,  wenn  sich  auch  p.  53.  A.  B. 
dieselbe  Wortfolge  vorfindet.  Denn  dort  fordert  sie  der  Ge- 
danke; liier  verschmäht  er  dieselbe.  —  Kbendas.  ist  für  l^auctQ- 
rcov  nach  dem  Bodl.  Ven.  II.  ?/.  o.  im  Präsens  hergestellt  £%a- 
ftaQtdvcov,  was  sich  freilich  auch  vertheidigen  lässt,  aber  we- 
gen des  vorhergegangenen  tavra  naQaßctg  doch  wohl  weniger 
J'ür  sich  hat. 

Doch  hier  brechen  wir  unsere  Betrachtung  und  Würdigung 
einzelner  Lesarten  füglich  ab,  indem  wir  diejenigen,  welche  die- 
ser Ausgabe  eigentümlich  angehören,  aus  drei  Platonischen 
Schriften  nunmehr  vollständig  aufgezählt  haben.  Wenn  Mir  hier- 
bei, wie  sich  gezeigt,  einen  grossen  Tb  eil  derselben  nicht  gerade 
als  wahre  Textesverbesserungen  anerkennen  konnten,  so  liegt 
die  Hauptiuvache  unseres  missfälligen  Urtheiles  in  der  Verschie- 
denheit unserer  Ansicht  von  dem  Werthe  derjenigen  Bücher,  auf 
welche  die  Herausgeber,  ohne  sich  jedoch  immer  gleich  zu  blei- 
ben,  ihren  Text  basiren  zu  müssen  glaubten.  Dass  sie  aber  dem- 
ohngeachtet  bei  der  strengen  Beachtung,  die  sie  überall  den 
Lesarten  derselben  angedeihen  Hessen,  auch  an  gar  vielen  Stellen 
die  Richtigkeit  des  Textes  gefördert,  und  auch  da,  wo  diess  nicht 
ganz  entschieden  behauptet  werden  kann ,  doch  immer  auf  nicht 
unwichtige  Punkte  bei  Handhabung  der  Kritik  aufmerksam  ge- 
macht haben,  dieses  Verdienst  wird  ihnen  Niemand  streitig 
zu  machen  im  Stande  Bern.  Und  so  wird  denn  diese  Ausgabe  der 
Werke  des  Piaton  bei  den  sonstigen  rühmlichen  Eigenschaften, 
die  sie  in  sich  vereiniget,  jedenfalls  für  immer  den  besten  beige- 
zählt werden  müssen,  die  jemals  an  das  Licht  getreten  sind  ,  und 
auch  in  kritischer -Beziehung  einen  Hang  behaupten ,  welcher  bei 
feinern  kritischen  Forschungen  sorgfältige  Berücksichtigung  der- 
selben unbedingt  nöthig  macht.  Möge  es  übrigens  bei  den  Bü- 
chern der  Gesetze,  die  allerdings  noch  kritischer  Nachhilfe  sehr 
bedürfen,  den  Herausgebern  gelingen,  irgendwo  durch  Benutzung 
eines  oder  des  andern  vorzüglichen  Codex  die  nothwendige  Unter- 
stützung zu  finden.  , 

G,  Stall  bäum. 


376  .R  o  1  i  g  i  o  u. 

Lehrbuch  zum  christlichen  Religionsunterricht 
für  die  gereiftero  Jugend  in  höheren  Lehranstalten,  auch  zum 
Selbstunterricht  für  Gebildete,  von  Dr.  Johann  Ernst  Oslander, 
Prediger  und  Professor  am  evang.  Seminar  in  Maulbronn.  Tübin- 
gen.    Osiander.     1839.     XIII  u.  321  S.     8. 

Darüber,  dass  ein  Lehrbuch  der  Religion  für  den  auf  dein 
Titel  genannten  Zweck  Bedürfnis»  unserer  Zeit  sei,  spricht  sich 
die  Vorrede  aus.  Mit  Grund  findet  hier  der  Verf.  dieses  Bedürf- 
nisstheils  in  dem  „noch  immer  fortwirkenden  religiösen  und  theol. 
Umschwung  der  letzten  Jahrzehnte,"  theils  in  der  „höheren, 
vielseitigen  und  kräftigen  Entwickelung  der  Gelehrtenschulen 
unserer  Zeit11'  theils  und  hauptsächlich  in  der  Beschaffenheit  der 
vorhandenen  Lehrbücher,  deren  theilweise  Vorzüge  er  nicht  ver- 
kennt, unter  denen  er  aber  doch  an  dem  von  Niemeier  (Nie- 
meyer) und  Brejschneider  „den  entschieden  biblischen  Gehalt 
und  den  kräftig  erregenden  Geist"  vermisst,  von  Marheineke 
aber  behauptet,  sein  „vielumfassendes  Lehrbuch  scheine  für  einen 
zu  kurzen  Gesammtcursus  berechnet  und  in  dem  ausführlichen 
systematischen  Theile  hin  und  wieder  zu  speculativ  gehalten" 
und  von  Schmieder,  „seine  den  christlichen  Geist  dieses  theolo- 
gischen Schulmannes  athmende  Compendien  seien  nur  für  einige 
einzelne  Lehrcurse  bestimmt. "  Solche  Gründe  bestimmten  auch 
nach  S.  IV.  der  Vorrede  einen  Verein  von  Bibclfreundcn  in  Wür- 
temberg,  wiederholt  einen  Preis  auf  ein  solches  Lehrbuch  zu 
setzen.  Warum  aber  der  Verf.  ohne  um  diesen  Preis  zu  werben 
oder  ohne  sein  Werk  dem  Urtheile  jenes  Vereins  zu  unterwerfen, 
dieses  Lehrbuch  veröffentlicht  hat,  das  kann  dem  Publikum, 
dessen  Urtheil  es  somit  unterworfen  ist,  gleichgültig  sein  ,  um  so 
mehr,  da  der  theol.  Ruf  des  Verf.  zum  Voraus  ein  günstiges 
Vorurtheü  für  denselben  erwecken  muss.  Denn  ausser  mehreren 
anerkannten  Aufsätzen  in  der  Tübinger  Zeitschrift  für  die  Theo- 
logie hat  er  sicli  namentlich  durch  seine  Apologie  der  evang.  Ge- 
schichte als  einen  denkenden  und  für  den  evang.  Glauben  begei- 
sterten Theologen  bewährt,  der  nach  14jähriger  Erfahrung  im 
Religionsunterricht  in  einer  höhern  Lehranstalt  gewiss  nicht  zu 
frühe  mit  den  Ergebnissen  seiner  auf  dieses  Unterricht  verwende- 
ten Studien  hervortritt. 

Doch  soll  uns  die  Achtung  vor  der  theol.  Gelehrsamkeit  und 
vor  der  Gesinnung  des  Verf.  nicht  abhalten,  sein  Werk  mit  scharf 
prüfendem  Blicke  durchzusehen ,  und  dasjenige  daran  besonders 
hervorzuheben  ,  was  unseren  Forderungen  an  ein  solches  Lehr- 
buch weniger  entspricht. 

Der  Inhalt  des  Lehrbuchs  ist  nach  Niemeyers  Vorgang  in  4 
Ilaupttheile  für  4  Jahrcscurse  des  Religionsunterrichts  abgetheilt, 
den  biblischgeschichtlichen,  den  kirchengeschichtlichcn,  die  Ein- 
leitung in  die  biblischen  Schriften  und  den  systematischen  Theil. 


Oslander :  Lehrbuch  zum  christlichen  Religionsunterricht.     377 

Ucbcr  diese  Eintheilung  bemerkt  der  Verf.  selbst ,  dass  er  die 
Kirchengeschichte  vielleicht  lieber  ans  Ende  verwiesen  hätte,  weil 
die  geschichtliche  Entwickelung  der  ehr.  Lehre  eine  zusammen- 
hängende Darstellung  des  Inhalts  derselben  voraussetze  und 
meint ,  der  Lehrer,  der  dieses  Lehrbuch  gebraucht,  könnte  nach 
eigener  Wahl  diese  Umänderung  vornehmen.  Doch  so  leicht 
auch  diess  anginge  ,  so  wenig  möchte  Ref.  eine  solche  Aenderung 
gutheissen,  weil  der  systemat.  Theil  mehr  wissenschaftliche 
Reife  voraussetzt.  Zwar  ist  die  Wirksamkeit  der  Beispiele  in  der 
Kirchengeschichte  für  die  Anregung  eines  religiösen  Lebens  un- 
bestreitbar; aber  eine  in  biblischem  Geiste  vorgetragene  Glau- 
bens-und  Sittenlehre  wirkt  noch  mehr,  wenn  gehörige  Vorbe- 
reitung vorangegangen  ist.  Namentlich  hat  Ref.  in  seinem  Un- 
terrichte die  Erfahrung  gemacht,  dass  geradein  dem  Jahr,  in 
welches  nach- der  im  vorliegenden  Lehrbuch  gewählten  Ordnung 
die  Behandlung  der  Kirchengeschichtc  fällt,  das  innere  rel.  Leben 
in  der  Regel  weniger  rege  ist,  als  im  letzten,  dass  also  einer 
systematischen  Darstellung  der  Glaubens-  und  Sittenlehre  im  2. 
und  3.  Jahre  des  Unterrichts  bei  weitem  nicht  in  dem  Grade ,  wie 
im  3.  und  4.  ein  für  die  Beantwortung  wichtiger  dogmatischer  und 
moralischer  Fragen  vorhandenes  Interesse  entgegen  kommt,  wäh- 
rend gerade  die  Kirchengeschichte  schon  als  Geschichte  anspricht 
und  jenes  wissenschaftliche  Interesse  vorzubereiten  und  anzuregen 
und  einem  erwachenden  religiösen  Leben  aufzuhelfen  besonders 
geeignet  ist.  In  der  Kirchengeschichte  aber  vorzüglich  auf  die  Dar- 
stellung der  Entwickelung  der  Lehre  Rücksicht  zu  nehmen,  scheint 
dem  Zweck  dieser  Behandlung  ferner  zu  liegen  und  würde  auch 
beim  Reichthum  des  übrigen  Stoffes  zu  viel  Zeit  wegnehmen.  Statt 
dessen  möchte  Ref.  folgende  Abänderung  an  der  Einrichtung  die- 
ses Lehrbuchs  vorschlagen:  die  Glaubens-  und  Sittenlehre  dürfte 
jede  für  1  Jahr  berechnet  sein ,  statt  dass  der  Verf.  vorauszusez- 
zen  scheint,  beide  miteinander  werden  in  1  Jahre  behandelt. 
Schon  ein  Blick  in  1.  §  dieses  Theils  in  diesem  Lehrbuche  zeigt, 
dass  ein  Lehrer  Mühe  hat,  in  2  wöchentlichen  Stunden  selbst  in 
2  Jahren  so  zu  Ende  zu  kommen,  dass  die  angeführten  bibl.  Be- 
weisstellen gehörig  erläutert ,  die  in  gedrängter  Darstellung  ge- 
gebene Lehre  gehörig  entwickelt  und  die  nicht  selten  in  den  An- 
merkungen gegebenen  Winke  zu  Besprechung  von  Streitfragen 
u.  dergl.  gehörig  berücksichtigt  werden.  Wenn  auf  diese  Weise 
für  den  historischen  Theil  des  Lehrbuchs  nur  1  Jahr  übrig  bleibt; 
so  wäre  zu  wünschen ,  derselbe  möchte  durch  die  Vereinigung 
der  Einleitung  in  die  bibl.  Schriften  mit  der  bibl.  Geschichte  eine 
Einrichtung  bekommen,  bei  der  es  möglich  wäre,  alles  llcrgchö- 
rige  in  1  Jahre  zu  vollenden.  Dies  ginge  etwa  so ,  wenn  die 
Geschichte  des  A.  T.  im  1.  Halbjahr,  der  Abriss  der  ausscrbibli- 
schen  Religionen  mit  der  evang.  Geschichte  im  2.,  sodann  die 
Geschichte  der  Apostel  nebst  der  Einleitung  in  die  apostolischen 


378  Religion. 

Schriften  als  Anfang   der  Kirchengeschichte  im  Anfang  des  3. 
Halbjahres  behandelt  würde. 

Dass  übrigens  polemische  Paragraphen  „in  Beziehung  auf 
die  vielfachen  Angriffe  auf  die  Geschichte  A.  und  N.  T, "  vom 
Verf.  als  unzweckmässig  weggelassen  wurden,  wird  wohl  Jeder- 
mann billigen.  Eher  könnte  man  einen  besondern  symbolischen 
Theil  für  zweckmässig  finden,  wenn  nicht  ohnedies  schon  des 
Stoffes  fast  zu  viel  für  die  kurze  Zeit  wäre.  Aus  diesem  Grunde 
möchte  es  hinreichend  sein,  das  Dahingehörige  in  die  Kirchenge- 
schichte und  in  die  Glaubenslehre  so,  wie  das  im  vorliegenden 
Lehrbuche  geschehen  ist,  zu  verweben. 

Nach  diesen  Bemerkungen,  welche  durch  die  Vorrede  ver- 
anlasst sind,  soll  nun  über  die  Einrichtung  des  Werks  selbst  das, 
was  sich  dem  Ref.  beim  Durchlesen  darbot,  in  möglichster  Kürze 
hemerkt  werden. 

Der  Titel  bestimmt  das  Werk  auch  zum  Selbstgebrauche  für 
Gebildete,  und  ohne  Streit  wird  ein  Lehrbuch  dieser  Art,  so- 
hald  es  seinem  Zwecke  als  Lehrbuch  vollständig  entspricht ,  auch 
jenem  Zwecke  dienen  können.  Ein  Lehrbuch  dieser  Art  nämlich 
sollte  nach  des  Ref.  Ansicht  so  geschrieben  sein  ,  dass  der  Schü- 
ler gerne  darin  vorausliest  und  nicht  erst  durch  die  Erläuterun- 
gen, die  ihm  der  Lehrer  giebt,  in  Stand  gesetzt  werden  muss, 
das  Gelesene  zu  verstehen.  Allein  für  diesen  Zweck  scheint  die 
Sprache  des  Verf.  zu  abstrakt  zu  sein.  Als  Beispiel  diene  ein 
Theil  der  Geschichte  Salomo's  in  der  zweiten  Hälfte  §  36.  der 
bibl.  Geschichte.  „Den  Ruhm  seiner  weithin  gefeierten  und  in 
unvergänglichen  Geistesdenkmalen  noch  fortlebenden  Weisheit 
befleckt  er  auf  der  Höhe  seines  Glücks  und  seiner  Vorzüge  durch 
sittlichen  und  religiösen  Verfall,  der  ihm  strenge  theokratische 
Ahudungen  zuzog,  und  aus  dem  er  sich  wenigstens  nicht  zu  sei- 
ner vollen  Trefflichkeit  wieder  erhob.  So  hatte  zwar  mit  David 
und  ihm  und  seiner  auch  die  geistige  Bntwickelung  des  Volks  för- 
dernden Weisheit  und  Glückseligkeit  die  Theokratie  ihr  golde- 
nes Zeitalter  erreicht;  bewies  aber  die  Unvollkoramenheit,  die 
allem  irdisch  vorbildlichen  (Irdischvorbildlichen)  anklebt,  und 
neigte  sich  auf  ihrem  Höhepunkt,  indem  mit  der  Fülle  des  Glan- 
zes und  Segens  Luxus  und  sittliche  Erschlaffung  eindrang,  zum 
allmäligen  Untergang. u  Wenn  hier  der  Lehrer  durch  die 
weithingefeierte  Weisheit  an  die  Königin  von  Saba  und  durch  die 
unvergänglichen  Geistesdenkmale  an  die  Sprüchwörter  erinnert 
wird,  so  wäre  doch  unstreitig  die  concretere  Darstellung,  in  der 
es  etwa  hiessc:  bis  ins  ferne  Saba  drang  sein  Ruhm,  und  bis  auf 
unsrere  Zeit  lebt  seine  Weisheit  fort  in  seinen  Sprüchwörtern:  und 
doch  liess  er  sich  u.  s.  w.  für  die  Leser  der  gewöhnlichsten  Art 
verständlicher,  ohne  dass  damit  dem  erklärenden  Lehrer  etwas 
weggenommen  wäre.  Die  Höhe  des  Glücks  aber  dürfte  als  eine 
allraälig    erstiegene,    der    Verfall   als  durch  dieses  Glück,    na- 


Oslander:  Lehrbach  zum  christlichen  Religionsunterricht.     379 

mentlich  durch  Heirathsverbindungen  vorbereitet  und  nach  und 
nach  herbeigeführt,  besonders  auch  die  Höhe  der  Vorzüge  als 
*  Entartung  der  Politik  und  des  Kosmopolitismiis  schon  dem  Leser 
zu  erkennen  gegeben  sein.  Ferner  sollte  der  Leser  die  theokr. 
Ahndungen  in  ihrer  Besonderheit  sehen,  um  so  mehr,  weil  man 
bei  der  bibl.  Geschichte  ohnedies  so  geneigt  ist,  das  Wirken 
Gottes  vom  natürlichen  Zusammenhang  der  Begebenheiten  allzu- 
sehr zu  trennen.  Im  vorliegenden  Fall  also  wäre  wohl  eine  An- 
deutung am  Orte,  dass  die  von  Gott  erweckten  Widersacher  Sa- 
lomos  um  der  Eigenthümlichkeit  seiner  Persönlichkeit  und  Re- 
gierung willen  sich  erheben  mussten.  Endlich  ist  die  Behaup- 
tung ,  dass  er  sich  nicht  zu  seiner  vollen  Trefflichkeit  wieder  er- 
hoben habe,  allzusehr  blos  Sache  der  Vermuthung,  als  dass  sie 
hier  ihre  Stelle  haben  sollte.  Die  Vermuthung  kann  sich  blos- 
auf  die  Voraussetzung  gründen,  dass  der  Koheleth  ein  Werk  Sa- 
lomo's  sei,  hat  aber  in  der  Geschichte  selbst  nicht  einmal  eine 
Andeutung  für  sich.  Wenn  sodann  bei  der  zweiten  Hälfte  der 
oben  ausgeschriebenen  Stelle  der  Zweck  der  Zusammenfassung 
der  Geschichte  Salomo's  eine  abstraktere  Sprache  nöthig  machen 
sollte,  so  wäre  doch  an  der  Stelle  des  allgemeinen  Wortes  Theo- 
kratie  um  so  mehr  ein  bestimmterer  Ausdruck  zu  wünschen,  da 
sie  als  etwas  Zeitliches  betrachtet  ist.  Es  sollte,  um  er  kurz  zu 
sagen,  die  ewige,  unwandelbare  Regierung  Gottes  unterschieden 
sein  von  der  für  den  Begriff  der  Theokratie  zufälligen  Regierungs- 
form, um  so  mehr,  da  dies  sonst  geschehen  ist,  z.  B.  §  32.,  wo 
königl.  Verfassung  sogar  als  menschlich  in  einen  Gegensatz  gegen 
die  Theokratie  gesetzt  ist. 

Die  eben  gerügte  abstracte  Sprache  ist  noch  weit  hemmen- 
der für  den  zweckmässigen  Gebrauch  des  Buches  in  der  Kirthen- 
geschichte,  weil  da  beim  Leser  nicht,  wie  bei  der  biblischen, 
noch  einige  Bekanntschaft  mit  den  Thatsachen  vorausgesetzt  wer- 
den darf.  Diesen  Theil  des  Buchs  möchte  Ref.  am  geeignetsten 
zu  einem  Leitfaden  für  die  Vorbereitung  auf  das  theol.  Examen 
in  den  Händen  eines  mit  der -Kirchengeschichte  bereits  bekannten 
Candidaten  ansehen.  Ausdrücke,  die  diesem  eine  Reihe  von 
Thatsachen  in  die  Erinnerung  rufen,  sind  dem  hier  vorausgesetz- 
ten Leser  völlig  unverständlich.  Vielleicht  auch  manchem  Lehrer, 
wenn  derselbe  nicht  durch  ein  gerade  auf  dieses  Lehrbuch  ge- 
gründetes Handbuch  der  Kirchengeschichte  oder  durch  einen 
ziemlichen  Vorrath  kirchenhistorischer  Quellen  für  diesen  Zweck 
versehen  ist.  Freilich  ist  es  gerade  hier,  bei  der  Reichhaltig- 
keit des  Materials,  schwer,  in  concreterer  Darstellung  auch  nur 
das  INothdürftige  zu  geben.  Aber  wenn  lieber  ein  Theil  des 
Stoffs  unberührt  geblieben  wäre,  so  hätte  sich  liier  für  den  Zweck 
der  Verständlichkeit  viel  thun  lassen. 

Doch  wir  werden  auf  die  einzelnen  Theile  des  Buches  weiter 
unten  zu  reden  kommen  und  kehren  jetzt  zur  Beurtheilmig  der 


380  Religion. 

Sprache  zurück,  die  zwar  grösstenteils  klar  und,   soweit  es  bei 
jener  abstracten  Haltung  möglich  ist,  auch  lebendig  ist,  die  aber 
doch  da  und  dort  noch  ihre  Mängel  hat,  von  denen  einige  hier  I 
bemerklich  gemacht  werden  sollen. 

An  dem  oben  ausgehobenen  Beispiel  ist  vielleicht  dem  Leser 
dieses  Berichts  von  selbst  als  etwas  schwerfällig  die  Stelle  aufge- 
fallen :  so  hatte  zwar  mit  David  und  ihm  und  seiner  .  . .  Weisheit 
u.  8.  w. ;  stünde  statt  ihm  lieber  Salomo,  so  wäre  gewiss  der  Ver- 
ständlichkeit dieses  Satzes  viel  aufgeholfen.  Und  dann  sind  die 
gehäuften  Attribute,  zumal  wo  ein  besonderes  Gewicht  darauf 
liegt,  sehr  oft  für  die  Auffassung  hemmend,  wie  schon  im  obigen 
Beispiel:  seiner  auch  die  geistige  Entwickelung  des  Volks  för- 
dernden Weisheit.  So  in  folgendem  Satz  aus  §  38.  der  Geschichte 
A.  T. :  „Elias,  als  Heils- und  Strafprophet  mit  hohen  Offenba- 
rungen beglaubigt  und  geweiht,  und  selbst  in  seinem  heidnischen 
Fluchtaufenthalte  durch  grosse  göttliche  Macht  -  und  Gnaden- 
zeichen bewährt,  setzte  unter  dem  abgöttischen  Achasja  sein 
Zeugenamt  voll  göttl.  Feuereifers  fort,  und  vollendete  nach  se- 
gensreichem Wirken  für  die  Erhaltung  eines  tröstlichen  Ueberrests 
ächter  Jehovaverehrer  seinen  Lauf  in  überirdischer  Verklärung." 
S.49f.  „NachBegrüssung  der  früher  von  ihm  gestifteten  Gemein- 
den und  dabei  mit  weiser  und  redlicher  Anschliessmig  (Anschlies- 
sen)  an  das  Gesetz  geknüpfter  Freundschaft  mit  Timotheus  dringt 
er  nach  Galatien."  Wenn  aber  Attibute  und  Einschaltungen  die- 
ser Art  darum ,  weil  sie  die  Darstellung  inhaltsreicher  machen, 
der  Darstellung  eben  so  sehr  einen  besondern  Vorzug  verleihen, 
als  sie  dieselbe  etwas  schwerfällig  machen;  so  ist  Bef.  wenigstens 
ein  Attribut  aufgefallen,  das  durch  seine  häufige  Wiederkehr  auch 
jene  Wirkung  verliert,  es  ist  das  Wort  heilig ,  das  besonders  in 
der  Einleitung  in  die  bibl.  Schriften  fast  in  jedem  Paragraphen, 
oft  mehreremal ,  steht.  So  ist  §  81.  von  einer  heiligen  Polemik 
des  Johannes  die  Bede,  und  der  fg.  §  beginnt:  „Einen  scharfen 
Gegensatz  gegen  die  heilige,  doch  mit  Ernst  gepaarte  Milde  der 
johanneischen  Briefe  bildet  die  heilige  Strenge  des  Briefs  Jakobi." 
Wichtiger  ist  der  Gebrauch  unrichtiger  oder  zweideutiger 
Ausdrücke,  z.  B.  bibl.  Einleitung,  statt  Einleitung  in  die  bibl. 
Schriften.  Gleich  in  der  ersten  Periode  der  Vorrede,  Grundle- 
gung des  Beligionsuoterrichts  statt  Begründung.  S.  312.  Mit- 
theilen und  Aufnehmen  des  Tadels  statt:  Mittheilung  und  Auf- 
nahme, begeisterte  Zusammenwirkung  für  das  Reich  Gottes, 
statt:  begeistertes  Zusammenwirken.  S.  316.  M.  „  er  vermeide 
möglichst  die  Uebcrlüllung  zumal  mit  allzuwenig  in  einandergrei- 
fenden  Lehrfächern,"  wo  das  Adverb  allzuwenig  seiner  Stellung 
nach  auch  Adjectiv  zu  Lehrfächern  sein  könnte,  was  freilich  hier 
durch  den  Sinn  verboten  ist,  aber  gewiss  Jeden  im  Lesen  stört. 
Doch  genug  von  der  Sprache;  nur  noch  einen  Anstoss  können  wir 
nicht  übergehen,  die  Zusammenstellung  des  Verbs  vom  Hauptsatze 


Oslander.'  Lehrbuch  zum  christlichen  Religionsunterricht.     381 

mit  dem  des  Nebensatzes:  z.  B.  S.  213.  „insofern  als  jene  All- 
verbreitung der  Gottesidee  Ausdruck  und  Wirkung  ihrer  Allge- 
meinheit und  Notwendigkeit,  d.  h.  ihrer  Wahrheit,  des  unver- 
tilgbaren  Bedihfnisses  und  Gesetzes  unserer  Natur,  das  uns  zur 
Annahme  derselben  geistig  und  sittlich  nöthigt,  ist."  S.  166. 
„wie  aus  ihrem  Zusammenhang  mit  der  Apostelgeschichte,  die 
den  andern  Haupttheil  seines  Geschichtsbuchs  bilden  sollte,  er- 
hellt" u.  ö.  Solchen  Fehlern  zur  Seite  treten  viele  Druckfehler, 
ausser  dein  reichen  Verzeichniss  am  Ende.  Ohne  Zweifel  als 
solcher  ist  S.  64.  Anfang  §  94.  anzusehen,  dass  „ausserhalb  des- 
selben" kein  Wort  hat ,  auf  das  es  sich  bezieht ,  und  wahrschein- 
lich „im  römischen  Reich"  vorher  ausgefallen  ist.  S.  230.  §  55. 
A.  1.  Herders  Briefe  über  Steudcls  (das  Studium  der)  Theologie. 
S.  246.  o.  Unterschied  zwischen  dem  tieferen  hieratischen  Aus- 
druck und  Begriff  der  Versöhnung  (Versühnung)  und  dem  klare- 
ren ethischen  der  Versöhnung."  Doch  wir  haben  uns  schon  viel 
zu  lange  bei  Aeusserlichkeiten  aufgehalten  und  kehren  zum  In- 
halt zurück. 

Die  Einleitung  ist  mit  Kocht  kurz  und  in  1  §  zusammenge- 
fasst,  in  welchem  der  Gesammtinhalt  dieses  Lehrbuchs  unter  dem 
Begriff  der  in  Geschichte  und  Lehre ,  in  Thatsachen  und  göttli- 
chen Gedanken  sich  theilenden  Religion  dargelegt  ist;  in  jenen 
stelle  sich  mehr  die  äussere  und  zeitliche,  in  diesen  mehr  die 
innere  und  ewige  Seite  der  Religion  dar;  die  Geschichte  könne 
als  Einleitung  zur  Lehre,  die  Lehre  als  Ziel  und  Frucht  der  Ge- 
schichte betrachtet  werden.  Zwischen  beide  aber  trete  die  Be- 
trachtung  der  beide  in  sich  beschliessenden  Quellen. 

Dass  hier  die  Frage  über  den  Begriff  der  Religion  nicht  be- 
rührt, sondern  bis  zur  christlichen  Lehre  verschoben  ist,  kann  in 
Rücksicht  auf  die  Altersstufe,  für  welche  dieser  Anfang  des  Lehr- 
buchs bestimmt  ist,  nur  gebilligt  werden.  Ebenso  und  noch  mehr 
das,  dass  über  die  Offenbarung  kein  Streit  erhoben,  kein  Gegen- 
satz zwischen  der  geoffenbarten  und  natürlichen  Religion  gemacht, 
sondern  Religion  und  Offenbarung  als  ein  Begriff  gesetzt  ist.  Dass 
aber  auch  so  noch  der  14jährige  Schüler  Mühe  haben  werde,  auch 
an  der  Hand  des  Lehrers  diesen  §  zu  verstehen,  wird  wohl  Nie- 
.  mand  leugnen,  und  gewiss  hätte  der  Verf.  besser  gethan,  hier  in 
biblischen  Ausdrücken,  z.  B.  Hebe  1,  1  f.  1  Cor.  10,  11.  A.  G. 
14,  16  fg.  oder  ähnlicbcn,  dasselbe,  was  er  sagt,  populärer  und 
mit  mehr  Anknüpfung  an  die  bei  den  Schülern  vorauszusetzenden 
Ideen  zu  sagen. 

Auf  diese  allgemeine  Einleitung  folgt  sodann  noch  eine  be- 
sondere in  die  Religionsgcschichtc  in  3  §§,  von  denen  der  erste 
(§  2.)  die  Geschichte  der  Religion  in  die  Offenbarungsgeschichtc 
oder  biblische  Geschichte  und  in  die  christliche  Kirchengeschichte 
theilt,  der  zweite  (§  3.)  diese  Geschichte  als  heilige  von  der 
Weltgeschichte  unterscheidet  und  der  dritte  (§  4.)  tue  Idee  der 


382  Religion. 

biblischen  Geschichte  als  einer  Entwickelung  des  göttlichen  Erlö- 
sungsplans in  ihrer  Erhabenheit  und  Wichtigkeit  darlegt  und  diese 
Geschichte  vorläufig  in  die  des  A.  und  die  des  N.  T.  theilt. 

Diese  Geschichte  nun  ist  nach  dem  besonders  von  Hess  und 
nach  ihm  von  vielen  andern  erleuchteten  Bibelforschern  durchge- 
führten Plane  behandelt,  über  den  nichts  Weiteres  zur  Empfeh- 
lung beigefügt  zu  werden  nöthig  ist.  Aber  einige  Punkte,  in  de- 
nen Ref.  eine  Abweichung  von  Hess  und  von  dem  hier  befolgten 
Plane  für  räthlich  hält,  müssen  um  so  mehr  bemerkt  werden. 

Vor  Allem  sind  es  die  Ueberschriften  mehrerer  Perioden, 
welche  dem  Plane  der  sich  entwickelnden  Offenbarung  mehr  ent- 
sprechen dürften.  Besonders  unpassend  scheint  Ref.  der  Name 
„Periode  der  Freiheit41,  für  die  Geschichte  von  Josua  bis  Samuel, 
„Periode  des  Königthums  (und  Prophetenthums)"  für  die  Ge- 
schichte von  Saul  bis  zum  Exil  zu  sein.  Die  Fortschritte  der 
Offenbarung  und  Erziehung,  für  welche  die  Staatsverfassung  doch 
etwas  Aeusserliches  ist,  sollten  schon  in  diesen  Ueberschriften 
hervortreten.  Die  Genesis  selbst  stellt  die  Patriarchen  als  die 
aus  dem  verderbten  Menschengeschlecht  ausgewählten  Lieblinge 
Gottes  dar.  Nach  dieser  Idee  dürfte  die  hier  als  „Urgeschichte1' 
bezeichnete  Periode  der  Anfang  und  Verfall  des  Menschenge- 
schlechts oder  das  Versinken  der  Menschen  in  Sünde  und  Abgöt- 
terei, die  „Patriarchengeschichte"  aber  die  Erwählung  der  Pa- 
triarchen, oder  die  Zeit  des  Glaubens  an  den  Gott  Abrahams, 
Isaaks  und  Jakobs  genannt  werden.  Hier  endet  die  Zeit  der  Ver- 
heissung  und  beginnt  die  Zeit  des  Gesetzes.  Darum  ist  die  im 
vorliegenden  Lehrbuch  gegebene  Ueberschrift  „Gesetzgebung" 
hier  unstreitig  die  passendste ;  es  dürfte  aber  im  Gegensatz  gegen 
die  Patriarchen  schon  in  der  Ueberschrift  darauf  hingedeutet  sein, 
dass  nun  Israel  zum  Volke  Gottes  erwählt  wurde. 

Von  nun  an  ist  das  Gesetz  der  Zuchtmeister  auf  Christum, 
aber  zur  Einführung  des  Gesetzes  in  den  Character  des  Volks 
braucht  es  die  Zeit  bis  zum  Exil ,  während  welcher  zuerst  im 
Kampfe  mit  der  Abgötterei  die  Jehovareligion  sich  festsetzt  bis 
Samuel  und  unter  David  und  Salomo  zur  Herrschaft  und  zum 
höchsten  Grade  äusseren  Glanzes  erhoben  wird,  aber  von  da  an 
unter  dem  Kampfe  der  Propheten  zuerst  gegen  Abgötterei  und 
fremde  Sitten,  später  gegen  leeren  Ceremoniendienst  mit  der  po- 
litischen Existenz  des  Volkes  auch  untergegangen  zu  sein  scheint. 
Jehu  und  der  Untergang  des  israelitischen  Staates  bilden  für  diese 
3  Perioden  von  Salomo  bis  zum  Exil  passende  Einschnitte. 

Mit  dem  Exil  beginnt  die  Zeit  der  unter  der  vorhergehenden 
Periode  vielfach  vorbereiteten  messianischen  Hoffnung.  Während 
dieser  Zeit  wurden  mit  der  Sammlung  der  biblischen  Schriften  die 
Schranken ,  welche  das  Gesetz  bildete,  vollendet  und  dem  Volks- 
character  seine  starre  Abgeschlossenheit  nach  aussen  gegeben; 
hierauf  erreichte  unter  den  Kämpfen  der  Makkabäer  und  uuter 


Oslander:  Lehrbuch  zum  christlichen  Religionsunterricht.     383 

der  Herodianischen  und  römischen  Herrschaft  auf  der  einen  Seite 
die  der  göttlichen  Gnade  und  Verheissung  entfremdete  Gesetzes- 
gerechtigkeit ihre  höchste  Stufe,  auf  der  andern  aber  hatten  nun 
Alle  die,  »eiche  auf  das  Heil  Israels  warteten,  ihren  Glauben  zu 
üben ,  zu  stärken  und  zu  entwickeln. 

In  dieser  Darstellung  einer  Periodeneintheilung  der  hihi.  Ge- 
schichte, wie  sie  Ref.  vorschlagen  möchte,  ist  zugleich  eine  an- 
dere mit  der  obigen  zusammenhängende  Ausstellung  begründet, 
dass  nämlich  der  historische  Pragmatismus,  der  Fortschritt  der 
göttlichen  Offenbarung  und  die  Entwickelung  des  Characters  des 
israel.  Volkes  nicht  deutlich  hervortritt,  statt  dass  dieselben  nach 
Ref.  Ansicht  auf  die  eben  angedeutete  Weise  leicht  anschaulich 
gemacht  werden  könnten. 

Namentlich  die  Geschichte  des  Prophetenthums,  welche  zum 
Theil  in  die  Einleitung  zu  den  biblischen  Schriften  verwiesen  ist, 
dürfte  in  der  genannten  Rücksicht  pragmatisch  behandelt  und  die 
Entwickelung  der  prophetischen  Ideen  am  Beispiel  einzelner  Aus- 
sprüche aus  den  prophetischen  Schriften  anschaulich  gemacht 
sein. 

Wenn  im  Bisherigen  vom  Ref.  nichts  Anderes  verlangt 
wurde,  als  eine  vollständigere  Durchführung  der  dem  Verf.  vor- 
schwebenden Idee:  so  kommen  die  folgenden  Ausstellungen  an 
der  Behandlung  der  biblischen  Geschichte  in  Widerspruch  mit 
hermeneutischen  Grundsätzen  des  Verf. ,  soweit  auf  solche  aus 
der  Behandlung  der  biblischen  Geschichte  zu  schliessen  ist,  wo 
vielleicht  grossenthcils  das,  was  Ref.  behauptet,  zum  Voraus  der 
Verwerfung  durch  die  mit  dem  Verf.  einverstandenen  Leser  ge- 
wiss sein  darf,  aber  um  so  mehr  bemerkt  werden  muss. 

Das  wird  noch  Mancher  zugeben,  dass  es  misslich  sei,  wie 
es  §  15.  geschieht,  auf  eine  kritisch  und  exegetisch  angefoch- 
tene Stelle,  wie  Gen.  49,  10.  mit  so  entschiedener  Zuversicht- 
lichkeit, wie  es  vom  Verf.  geschieht,  eine  Behauptung  zu 
gründen.  Aber  soll  die  Aechtheit  jenes  ganzen  Capitels  d.  h.  die 
Wahrheit  der  Behauptung,  dass  Gen.  49.  von  Jacob  selbst  ge- 
sprochene Worte  oder  vielleicht  in  der  Tradition  fortgepflanzte 
und  von  Moses  poetisch  redigirte  seien ,  in  gar  keinen  Zweifel  ge- 
zogen werden  dürfen'?  Wenn  man  befürchtet,  durch  Eingehen 
in  kritische  Fragen  den  Glauben  der  jungen  Seelen  zu  bedrohen, 
so  lässt  man  das  Angefochtene  lieber  unberührt  liegen:  aber  be- 
sonnene, mit  Wahrheitsliebe  und  mit  Achtung  vor  Gottes  Wort 
verbundene  Kritik  kann  nach  Ref.  Ansicht  einem  durch  sein  gan- 
zes Studium  zu  freiem  Nachdenken  aufgeforderten  Jüngling  nicht 
schaden,  ja  sie  wird  ihn  verwahren  gegen  unberufenes  und  über- 
eiltes Absprechen  auf  den  Grund  frivoler  Angriffe  auf  die  bibli- 
sche Geschichte,  die  ihm  doch  vor  Ohren  kommen.  Dieser 
Grundsatz  einer  freieren  Kritik  ist,  wie  es  scheint,  vom  Verf.  für 
unvereinbar  mit  der  nöthigen  Achtung  vor  der  Bibel  angesehen ; 


384  Religion. 

darum  wird  die  bibl.  Geschichte  gleich  §  2.  eine  vollkommene, 
helle,  wahrhaftige  Geschichte  genannt  und  die  auf  buchstäbliche 
Erklärung  der  Angaben  bibl.  Geschichtsbücher  gegründete  Erzäh- 
lung durchaus  für  unumstössliche  Wahrheit  genommen. 

In  welche  Schwierigkeiten  man  sich  dadurch  verwickelt, 
braucht  hier  nicht  an  einzelnen  Beispielen  wieder  dargelegt  zu 
werden,  weil  es  schon  oft  von  Andern  ausgesprochen  worden  ist, 
und  ebenso  die  mehr  conservative  Tendenz  dieses  Lehrbuchs 
schon  vielfach  ihre  wissenschaftliche  Rechtfertigung  erhalten  hat, 
auch  eine  nur  wenig  genaue  Behandlung  einzelner  Puncte  der  Art 
die  Grenzen  einer  Recension  weit  überschreiten  würde.  Darum 
begnügt  sich  Ref.  in  der  bibl.  Geschichte  nur  noch  einige  mit  den 
kritischen  und  hermeneutischen  Grundsätzen  des  Verf.  weniger  in 
Widerspruch  gerathende  Ausstellungen  zu  machen. 

Wenn  §  27.  von  einer  „weisen  und  heiligen  Vertheilung  des 
Landes"  gesprochen  wird,  so  sollte  doch  auf  den  vorangegange- 
nen, auch  gegen  die  2\  Stämme  geltend  gemachten  Befehl,  erst 
nach  vollkommener  Eroberung  aller  Theile  des  Landes  den  Krieg 
aufzugeben,  Rücksicht  genommen  sein.  Ebenso  ist  auf  den  von 
Gideon  eingeführten  gesetzwidrigen  Gottesdienst  vorläufig  gar 
nicht  Rücksicht  genommen,  wenn  dieser  Richter  §  29.  „durch  Be- 
rufung, Auftritt  und  Character  gleich  anziehend"  genannt  wird. 
Von  Simson  aber  wird  ebendas.  gesagt,  „er  sei  ausgezeichnet 
durch  die  göttliche  Einleitung  seines  Auftritts  und  durch  ausser- 
ordentliche Körperstärke ,  mit  der  sich  in  seinem  Heldentod  für 
den  Glauben  und  für  das  Vaterland  noch  die  würdigste  Probe  von 
Seelenstärke  paart."  Hier  wäre  gewiss  der  Ort,  die  religiöse 
Bildungsstufe,  auf  der  Simsons  Heldenthaten  als  Thaten  des  Ei- 
fers für  Gott  und  Vaterland  und  als  Glaubensproben  galten ,  be- 
stimmter zu  bezeichnen  und  nicht  erst  dem  Lehrer  zu  überlassen, 
die  allgemeine  Behauptung  des  §  30.,  dass  die  Richter  noch  viel- 
fach das  Gepräge  ihrer  finstern  Zeit  tragen,  durch  Thatsachen 
aus  ihrer  Geschichte  zu  belegen.  Mit  andern  Worten:  die  in 
diesem  §  30.  gegebene  Bemerkung  über  den  Character  jener  Zeit 
und  jener  Männer  sollte  aus  der  vorangehenden  Darstellung  ihrer 
Geschichte  selbst  besser  hervorleuchten. 

Fast  in  höherem  Grade  dürfte  das  bei  David  erwartet  werden. 
Die  Geschichte  dieses  Königs  ist  in  der  Bibel  selbst  auf  eine  Art 
erzählt,  dass  es  nicht  schwer  ist,  noch  manche  andere  tadelns- 
werthe  Handlung,  als  den  Ehebruch  mit  Bathseba,  aufzufinden: 
seine  Verehlichung  mit  der  Königstochter  von  Gesur,  sein  Ein- 
verständniss  mit  Abner,  sein  Benehmen  gegen  Sauls  männliche 
Nachkommen,  seine  Nachsicht  gegen  Ammon  u.  A.  lässt  sich  in 
keiner  Weise  gutheissen  und  es  wird  schwer  sein,  ihm  §  35.  „hei- 
lige Regeutenweisheit  in  den  Friedensgeschäften  der  Staatsver- 
waltung, Rechtspflege  und  Religionscinrichtung"  zuzuschreiben, 
ohne  Thatsachen,  wie  die  angeführten  entweder  ganz  zu  umge- 


Oslander:  Lehrbuch  zum  christlichen  Religionsunterricht.      385 

lieft  oder  auf  eine  gewaltsame  Weise  zu  rechtfertigen ,  etwa  wie 
§  34.  sein  Verfahren  gegen  die  Ammoniter  dadurch  entschuldigt 
wird,  dass  David  „nur  in  seltenen  Fällen  äusserster  Strafwürdig- 
keit das  harte  Kriegsrecht  seiner  Zeit  geübt  habe.1'  War  das  mo- 
saische Gesetz,  wie  der  Verf.  annimmt,  zu  Davids  Zeit  ganz  vor- 
handen, so  war  auch  das  Kriegsrecht  in  gesetzliche  Schranken 
gewiesen,' welche  David  durch  sein  Verfahren  gegen  die  Ammo- 
niter überschritt.  War  aber  diese  Ueberschreitung  „in  äussersten 
Fällen"  zulässig,  so  ist  es  schwer,  in  diesem  Falle  nachzuweisen, 
dass  die ,  an  welchen  die  Grausamkeit  geübt  wurde  (Einzelne  im 
Volke,  die  in  keiner  Weise  mehr  verschuldet  hatten,  als  andere 
Feinde  der  Israeliten)  besonders  strafbar  gewesen  seien. 

Doch  es  sei  genug  an  diesen  Beispielen ;  sie  reichen  hin, 
darzuthun  ,  dass  die  Geschichte  des  A.  T.  auf  eine  andere  Weise, 
als  es  hier  geschehen  ist,  behandelt  werden  könnte,  ohne  dass 
das  Ansehen  und  die  Göttlichkeit  der  Bibel  darunter  Gefahr  liefe; 
dass  man  die  Thatsachen  in  ihrer  menschlichen  Erscheinung,  als 
in  die  Reihe  anderer  sonst  alltäglich  genannter  menschlicher  Be- 
gebenheiten gehörig",  in  dem  auch  ber  andern  Geschichten  gefor- 
derten Causalzusammenhaug  dargestellt  bekommen  sollte.  Mit 
andern  Worten:  wenn  den  sogenannten  heiligen  Personen  ihr 
Heiligenschein  abgenommen  wäre,  so  würde  das  Göttliche  der 
Geschichte  mehr  gewinnen  als  verlieren. 

Den  in  der  Geschichte  A.  T.  vermissten  Pragmatismus  in  der 
Behandlung  einzelner  Thatsachen  und  Personen  möchte  Ref.  auch 
der  Geschichte  N.T.  in  der  Weise  wünschen,  dass  das  Leben 
Jesu  in  seine  Perioden  getheilt  und  das  verschiedene  Verhältniss 
des  Erlösers  zu  Jüngern,  Volk  und  Feinden  in  den  verschiedenen 
Perioden  nachgewiesen  wäre.  Solche  Abschnitte  geben  von  selbst 
folgende  in  den  Evangelisten  selbst  enthaltene  Andeutungen: 
Anfangs  war  (Johann.  4,  3.)  der  Hauptschauplatz  der  Thätigkeit 
Jesu  Jerusalem  und  das  jüdische  Land.  In  Galiläa  lehrte  er  so- 
dann zuerst  frei  und  offen,  in  der  Weise  der  Bergpredigt,  später 
gebrauchte  er  vor  dem  Volke  fast  ausschliessend  Gleichnisse;  zu- 
erst heilte  er  ohne  irgend  eine  Sorge ,  nachher  musste  er  die 
Ausbreitung  der  Heilung  verbieten;  erst  nach  Verfluss  einer  Zeit 
ungehinderter  Thätigkeit  schickten  die  Pharisäer  Auflauerer  nach 
Galiläa;  nach  und  nach  erst  fanden  diese  Auflauerer  Eingang 
beim  Volke.  Mit  diesen  Uebcrgängen  in  eine  andere  Zeit  hängt 
die  Aussendung  der  12  Apostel  zusammen  Aber  auch  die  ge- 
hemmte Thätigkeit  in  Galiläa  musste  vollends  ganz  aufhören :  Je- 
sus wich  nicht  mehr  hlos ,  wie  es  in  der  vorigen  Periode  biswei- 
len geschehen  war,  auf  kurze  Zeit  seinen  Nachfolgern  aus,  son- 
dern er  liess  sich  gar  nicht  mehr  in  Galiläa  öffentlich  sehen,  ent- 
weder unterhielt  er  sich  mit  seinen  Jüngern  fast  ausschliessend 
(Matth.  17,  22.)  oder  blieb  in  der  Verborgenheit,  meistens  in 
Peräa,  bis  zum  letzten  Feste,  an  dem  er  sich  gleich  beim  Ein- 

.V.  Julnb.  f.  P*it.  u.  Päd.  ml.  Krit.  Bibl.  Bd.  XXVIII.  Uft.  4.  25 


386  Religion. 

zuge  mit  grosser  Oeffentlichkeit  dem  ganzen  Volke  anbot  und  täg- 
lich im  Tempel  lehrte,  bis  er  verrathen  und  gefangen  wurde. 
Doch  soll  diese  vom  Ref.  gegebene  Uebersicht  der  evangelischen 
Geschichte  nicht  die  Meinung  erwecken,  als  fehlte  der  histori- 
sche Fortschritt  in  der  Darstellung  des  Lebens  Jesu  in  diesem 
Lehrbuche  ganz.  Vielmehr  ist  §  60.  die  Taufe  und  Versuchung, 
§  61.  die  Wahl  der  Jünger  erzählt  und  der  Schauplatz  seiner  öf- 
fentlichen Thätigkeit  in  möglichster  Zeitfolge  der  einzelnen  Orte 
übersichtlich  genannt;  §  62.  die  Lehre  Jesu  nach  Inhalt  und 
Form  kurz  beschrieben;  §  63.  angegeben,  was  er  beim  Volk  aus- 
richtete ,  welchen  Widerspruch  er  bei  den  Obern  des  Volks  fand, 
und  noch  ein  Wort  über  die  Wunder  beigefügt;  §  64.  wird  dann 
die  Stellung  und  das  Verfahren  Jesu  gegen  das  Ende  seines  öf- 
fentlichen Lehramts  beschrieben;  §  65.  die  Geschichte  von  der 
Verklärung  bis  zum  letzten  Tage  seines  Lehrens  im  Tempel  er- 
zählt, und  §  66.  a.  b.  mit  der  Geschichte  des  Todes,  der  Aufer- 
stehung und  Himmelfahrt  geschlossen. 

Eine  genauere  Periodeneintheilung  mit  Andeutung  des  darin 
bemerkbaren  Fortschritts  der  Entwickelung  zeigt  sich  im  vorlie- 
genden Lehrbuche  mehr  in  der  Apostelgeschichte;  und  gewiss 
wäre  die  gleiche  Behandlung  der  evangel.  Geschichte  dem  Verf. 
ein  Leichtes  gewesen,  da  er  sich  als  tiefen  Kenner  dieser  Ge- 
schichte besonders  in  seiner  Apologie  derselben  bewährt  hat. 

Alles  Bisherige  könnte  bei  einem  Leser  dieser  Recension, 
der  das  Buch  selbst  nicht  bei  der  Hand  hat,  leicht  die  Meinung 
erwecken,  es  enthalte  dasselbe  des  Tadelnswerthen  mehr,  als 
des  Lobenswerthen.  Um  diesen  Eindruck  zu  verwischen,  bemerkt 
Ref.  im  Allgemeinen,  dass  die  vom  Verf.  zu  erwartende  Tiefe 
und  wissenschaftliche  Consequenz  überall  sichtbar  ist,  und  lässt 
zum  Schlüsse  dieses  Theils  seines  Berichtes  das  Buch  selbst  reden. 
Zu  diesem  Zwecke  hebt  er  einen  der  kleineren  §§,  den  ersten  un- 
ter den  3  die  davidische  Regierung  schildernden  wörtlich  aus: 

„Durch  göttliche  Leitung  ward  noch  zu  Sauls  Zeiten  sein 
glorreicher  Nachfolger,  des  Bethlehemiten  Isai  jüngster  Sohn, 
aus  dem  Stamme,  auf  dem  die  Verheissung  ruhte  (1  Mos.  49.), 
gewählt  und  gesalbt.  Die  Heldenprobe  seines  Glaubens  im  Kam- 
pfe mit  Goliath  war  die  erste  Rechtfertigung  seiner  Wahl ,  seine 
Berufung  an  den  Hof,  seine  Siegesthaten  gegen  die  zwei  abgötti- 
schen Erbfeinde,  seine  Verfolgungen  und  zehn  Fluchtreisen  vor 
dem  eifersüchtigen  Könige  waren  die  trefflichste  Bildungsschule 
des  hochbegabten  Jünglings  zum  König  und  Mann  nach  dem  Her- 
zen Gottes.  Sein  gläubig  demüthiges  Harren  auf  die  göttliche 
Entwickelung  seiner  Bestimmung,  welcher  sein  feuriger  Geist 
nie  Vorgriff,  seine  Freundschaft  mit  Jonathan  und  seine  zwiefach 
erprobte  Grossmuth  gegen  Saul  sind  die  leuchtendsten  Punkte 
dieser  seiner  höheren  Erziehungsgeschichte." 

In  der  Beurtheilung  der  einzelnen  Abschnitte  dieses  Lehr- 


Oslander:  Lehrbuch  zum  chrietlichen  Religionsunterricht.     387 

buchs  kommen  wir  jetzt  an  die  Kirchengeschichte,  in  welcher  die 
Reichhaltigkeit  des  Inhalts  und  die  Kraft  und  Lebendigkeit  der 
Darstellung  schon  oben  gerühmt  wurde,  neben  dem  Wunsche, 
dass  lieber  der  Stoff  etwas  beschränkt,  die  Darstellung  etwas  ver- 
einfacht und  der  unterhaltenden  Geschichtserzählung  angenähert 
sein  möchte.  Doch  solche  Wünsche  mögen  vielleicht  nicht  auch 
die  anderer  Lehrer  sein,  denen  gerade  eine  solche  Bearbeitung 
vor  allen  andern  zusagt,  die  ihnen  viel  Stoff  darbietet  und  eben 
damit  Gelegenheit  zu  lebendiger  Schilderung  einzelner  Begeben- 
heiten und  indivicfualisirender  Darstellung  der  hier  in  summari- 
scher Aufzählung  nur  angedeuteten  Umstände,  dem  Schüler  aber 
eine  passende  Grundlage  zur  Repetition  giebt.  Indess  ein  Wunsch, 
der  sich  Ref.  beim  ganzen  Lehrbuche  aufdrängte,  bei  der  Kir- 
chengeschichte aber  am  fühlbarsten  wurde,  ist  gewiss  der  Wunsch 
aller  Lehrer,  die  dasselbe  gebrauchen  oder  in  Rücksicht  auf  die 
Brauchbarkeit  für  ihre  Zwecke  prüfen,  dass  nämlich  die  einzel- 
nen §§  ihre  Ueberschrift  haben  möchten.  Der  Verf.  hat  sich 
überall  bemüht,  durch  Uebergänge  das  Gerippe  der  Disposition 
zu  bedecken,  und  diesem  Bestreben  scheint  dieser  Wunsch  des 
Ref.  entgegengesetzt  zu  sein.  Aber  in  Ueberschriften ,  wie  „Aus- 
breitung der  Kirche",  „Verfassung",  „Lehre",  „christl.  Leben" 
und  dergl. ,  der  Auffassung  nachzuhelfen,  ist  wohl  kein  zu  un- 
poetisches Unternehmen ,  und  könnte  nur  zur  weiteren  Verbrei- 
tung und  besseren  Brauchbarkeit  dieses  Lehrbuchs  dienen,  wenn 
eine  zweite  Auflage  mit  dieser  Aenderung  erschiene. 

•  In  Einzelnheiten  kann  in  Rücksicht  auf  Auswahl,  Auffassungs- 
weise und  Behandlung  keine  vollkommene  Uebereinstimmung 
zwischen  dem  Verf.  und  seinem  Leser  erwartet  werden,  und  in 
sofern  ist  noch  kein  Urtheil  über  das  Ganze  gefällt,  wenn  Ref. 
aus  dieser  Darstellung  der  Kirchengeschichte  Einiges  heraushebt, 
das  ihm  nicht  richtig  scheint.  Doch  wird  in  solchen  Einzelnheiten 
das  Charakteristische  des  Ganzen  erkannt ,  und  die  Mehrzahl  die- 
ser Ausstellungen  mag  geeignet  sein ,  die  lobens-  und  die  tadelns- 
werthen  Eigenschaften  dieses  Theils  näher  erkennen  zu  lassen. 
Unter  dieser  Voraussetzung  erlaubt  sich  Ref.  nach  der  Folge  der 
§§  folgende  Ausstellungen  beizusetzen. 

§88.  schliesst  mit  den  Worten:  „Die  noch  frische,  hohe 
Glaubenskraft  bewährte  in  dieser  Periode  ihren  Zusammenhang 
mit  dem  schöpferischen  und  gnadenreichen  Ursprung  des  Chri- 
stenthums  durch  eine  gewisse  Fortdauer  der  apostolischen  Wun- 
dergaben ;  ein  Nachklang  davon  und  von  der  hohen  Kraft  des  Ge- 
bets der  Christen  ist  die  nicht  unverbürgte  Geschichte  von  der 
Donnerlegion  unter  M.  Aurel."  Was  au  dieser  Geschichte  ist 
verbürgt '£  Doch  nicht  mehr,  als  dass  nach  langer  Dürre  unter 
einem  Gewitter  ein  erquickender  Regen  gefallen,  diesem  Regen 
aber  die  Gebete  sowohl  der  christlichen  als  der  heidnischen  Sol- 
daten vorangegangen  seien  und  nun  jeder  Theil  diese  Hülfe  in  der 

25* 


388  Religio  n. 

Notli  als  einen  Beweis  der  Kraft  seiner  Gebete  angesehen  und 
geltend  gemacht  habe.  (Vergl.  darüber  Neanders  Kirchenge- 
schichte  J,  1.,  wo  auch  starke  Gründe  gegen  die  Wahrheit  der 
Geschichte  in  der  Form  und  Ausdehnung,  in  der  sie  von  den 
Christen  des  3.  Jahrhunderts  erzählt  wurde ,  mit  ruhiger  Kritik 
ausgeführt  werden.)  So  wäre  es  denn  gerathener,  diese  Sage 
als  Beispiel  davon  anzusehen,  wie  jene  und  die  darauffolgende 
Zeit  sich  immer  mehr  bemühte ,  das  Christenthum  auf  dem  Bo- 
den der  Aeusseilichkeiten  in  Kampf  mit  dem  Ileidenthum  treten 
zu  lassen;  denn  unter  die  blossen  Aeusserlichkeiten  gehört  auch 
die  in  Wahrheit  den  innersten  Geist  der  christl.  Religion  berüh- 
rende Lehre  von  der  Gebetserhörung,  sobald  man  darin  eine  zau- 
berische, auch  den  Ungläubigen  zur  Anerkennung  zwingende 
Wirkung  des  Gebets  erkennt. 

§  91.  beginnt  die  2.  Periode  mit  folgender  Uebcrsicht:  ,,Der 
nicht  ohne  Kampf  errungene  und  nicht  ohne  Reaction  behauptete 
Sieg  des  Christenthums  über  das  Ileidenthum  und  der  Kirche 
über  den  Staat,"  und  ihre  allmälige  Vereinigung  mit  dem  durch 
sie  umgebildeten  Staat,  verbunden  mit  vielen  gährenden  Bewe- 
gungen von  innen  und  streitenden  Entwicklungen  der  Lehre  nnd 
der  Verfassung  erfüllen  diese  zweite  Periode. "  Wenn  hier  un- 
streitig die  Hauptmomente  kurz  und  treffend  bezeichnet  sind ,  so 
kann  Ref.  nur  das  Eine  nicht  recht  einsehen,  wie  in  jener  Zeit 
die  Kirche  über  den  Staat  gesiegt  liaben  solle.  Die  Kirche  als 
äussere,  dem  Staate  gegenüber  stehende  Vereinigung  derer,  die 
sich  Christen  nennen,  hat  im  Grunde  damals  nicht  gesiegt  über 
den  Staat,  die  Bischöfe  blieben  dem  Kaiser  völlig  untergeben, 
und  übten  auf  den  Staat  keinen  gesetzlich  bestimmten  Einfluss. 
Doch  mehr  noch  möchte  Ref.  in  diesem  §  das  Urtheil  über  Con- 
stantin  angreifen.  Zwar  wird  am  Schlüsse  dieses  §  gesagt:  ,,erst 
am  Ende  seines  Lebens,  das  seiner  bessern,  wiewohl  mit  frühe- 
ren Irrthümeru  durchmengten  Erkenntniss  unwürdig  war,  trat  er 
völlig  in  die  Kirche  ein,  durch  die  aus  Aberglauben  so  lange  ver- 
schobene Taufe"  —  und  dadurch  alle  Mängel,  Fehler  und  Ver- 
brechen dieses  Kaisers  zugegeben.  Aber  der  Anfang  der  Schil- 
derung: „Den  Eröffner  dieser  Periode  bezeichnet  schon  das 
Göttliche  in  der  Erfahrung,  die  ihn  für  das  Christenthum  ent- 
scheidend gewann ,  als  das  wichtige  Werkzeug  des  Herrn  zur 
verheissenen  Vereinigung  der  Völker  durch  die  göttliche  Weltre- 
ligion" —  legt  ihm  einen  Werth  bei,  den  er  gewiss  nicht  hatte. 
Allerdings,  dass  Constantin  das  Werkzeug  in  der  Hand  Gottes 
zur  Erhebung  des  Christenthums  zur  Staatsreligion  war,  kann  nur 
der  misskennen ,  der  überhaupt  für  die  Wege  der  Vorsehung  kein 
Auge  hat.  Aber  wenn  die  Erscheinung,  die  er  gehabt  haben 
soll,  eine  Erfahrung  genannt  und  darin  etwas  Göttliches  in  ganz 
besonderem  Sinne  gefunden  wird :  so  wird  ihm  gewiss  mehr  Glau- 
ben  und  weniger  Aberglauben  oder  Schlauheit   zugeschrieben, 


Obiandcr:  Lehrbuch  zum  christlichen  Religionsunterricht.     389 

als  er  halte.  Und  der  Ausdruck  „in  weiser  Allmäligkeit  erfüllte 
er  diese  Bestimmung"  lässt  ihn  als  denjenigen  erkennen,  der  jene 
Bestimmung  erkannte  und  derselben  nachzukommen  bemüht  war, 
statt  dass  gewiss  unbeschadet  des  Providentiellen  in  seiner  Wirk- 
samkeit, der  ewigen  Wahrheit  des  Christenthums  und  der  uner- 
schütterlichen Festigkeit  des  Grundes,  auf  dem  es  ruht,  ja  zur 
bessern  Beleuchtung  dieser  Wahrheiten  die  Politik,  mit  der  Con- 
stantin  verfuhr,  bezeichnet  sein  könnte.  Wir  könnten  sagen, 
der  Verf.  habe  in  diesen  Lobsprüchen  den  Kaiser  Constantin  mit 
den  Augen  des  Eusebius  angesehen,  statt  den  Standpunkt  dieses 
Geschichtschreibers  zu  bezeichnen ,  und  eben  dadurch  den  Cha- 
rakter jener  Zeit  zu  schildern.  Um  zu  beweisen,  wie  wenig  diese 
Auffassungsweise  der  sonstigen  Art  des  Verf.  fremd  gewesen 
wäre,  kann  sich  lief,  nicht  enthalten,  einen  §  herzusetzen,  aus  dem 
man  zugleich  sehen  kann,  wie  reich  an  treffenden  Winken  und  An- 
deutungen namentlich  dieser  Theil  des  vorliegenden  Lehrbuchs  ist: 

§  97.  „Aus  den  heftigen  Trinitätsstrcitigkeiten  entzündeten 
sich  die  noch  viel  heftigeren  christologischen  (im  engern  Sinn): 
wie  in  jenen  das  Verhältniss  des  Sohnes  zum  Vater,  so  war  hier 
das  Verhältniss  der  beiden  Naturen  in  Christo  zu  einander  der 
Streitpunkt.  Die  nächsten  Vorläufer  des  Streites  waren  die  ent- 
gegengesetzten Irrlehren  des  Noetus ,  der  die  göttliche  Natur 
Christi,  und  des  gelehrten  Apollinaris,  der  die  menschliche  in 
dem  gegenseitigen  Verhältniss  der  beiden  Naturen  schmälerte. 
Das  Signal  des  Kampfes  (zum  Kampfe)  gab  Nestorius,  ein  Theo- 
loge der  syrischen  Schule,  der  durch  sein  Eifern  gegen  die  Erhe- 
bung der  i\laria  als  Gottesgehärerin  den  fanatischen  Eifer  Cyrills 
in  Alc.vandrien  und  der  aegyptischen  Schule  für  die  Einheit  beider 
Naturen  und  für  die  Behauptung  eines  Uebergehens  der  Eigen- 
schaften der  einen  in  die  andere  entflammte.  Mit  oft  wechseln- 
dem Erfolg  und  auf  vielen  zum  Theil  höchst  ungeistlichen  und 
stürmischen  Concilien,  unter  denen  das  zweite  Ephesinische  als 
Räubersynode  gebrandmarkt  ist,  in  mannigfacher  Verflechtung 
von  Hof-  und  Priesterintriken  und  Interessen,  von  Gewalt  der 
Kaiser  und  Wuth  des  Volkes,  mit  Bewährung  und  Aufopferung 
mancher  ehrwürdigen  Forscher  der  Wahrheit  wurde  dieser  lange 
und  heftige  Kampf  der  Begriffsbestimmungen  über  das  Unbegreif- 
liche geführt.  Die  schon  durch  des  grossen  Leo  theologischen 
und  bischöflichen  Autheil  gewonnene  richtige  Mitte  drang  erst 
spät,  nachdem  sie  durch  die  äusserste  Steigerung  der  mystisch  - 
cyrillischen  Lehre  zur  Vermischung  der  beiden  Naturen  (Mono- 
physitismus  des  Eutyches)  sehr  zurückgedrängt  war,  zur  kirchli- 
chen Geltung  durch.  Als  ausgebreitete  S^kte  erhielt  sich  der 
Monophysitisraus  in  Aegypten  und  Nubien ,  der  Nestorianismus  in 
Persien  und  Armenien. " 

Wir  haben  oben  die  einleitende  Beschreibung  des  Charakters 
der  ganzen  zweiten  Periode  lobend  erwähnt :  in  gleicher  Weise 


390  Religion. 

aber  dürfte  auch  am  Schlüsse  jeder  Periode  das,  was  die  Kirche 
während  derselben  geworden  ist,  zusammengefasst  sein.  Die 
zweite  Periode  schliesst  der  Verf.  §  104.  mit  den  Worten:  „Da- 
her die  stark  entwickelten  Anfänge  des  Heiligen-,  Reliquien  - 
und  Bilderdienstes,  der  Kreuzesverehrung,  der  Werthschätzung 
der  Wallfahrten  in  das  heilige  Land  und  überhaupt  der  Uebergang 
zu  der  immer  grössern  Veräusserlichung  der  Kirche  in  der  fol- 
genden Periode. "  Nur  von  einer,  von  der  Schattenseite  ist  hier 
in  einer  allerdings  lobenswerthen,  zu  einer  Verfolgung  dieses 
Fortschrittes  im  Schlimmen  vermittelst  einer  pragmatischen  Nach- 
weisung der  Einflüsse,  die  denselben  bewirkten,  und  zu  einer 
anziehenden  Erläuterung  dieses  §  auffordernden  Darstellung  der 
Charakter  jener  Zeit  bezeichnet:  aber  es  sollte  auch  die  Licht- 
seite nicht  übergangen  und  was  überhaupt  in  jeder  Rücksicht  ge- 
schehen ist,  kurz  zusammengestellt  sein,  in  einer  Weise,  wie  am 
Schlüsse  des  ersten  §:  „erwachsen  zu  einem  Gottesstaate  auf 
Erden  hatte  das  Christenthum  jetzt  die  Macht  erlangt,  die  Staa- 
ten der  Welt  in  sich  aufzunehmen ,  den  höchsten  Thron  besteigt 
es  in  der  folgenden  Periode11  —  wo  nur  der  Ausdruck  „Gottes- 
staat auf  Erden"  einer  Erläuterung  des  Lehrers  bedarf,  wenn  er 
nicht  die  Meinung  erwecken  soll,  die  äussere  Kirche  jener  Zeit 
habe  die  Natur  eines  wahren  Gottesstaates  gehabt.  Auch  §  113. 
endet  die  dritte  Periode  nur  in  einer  Einzelnheit,  der  Spaltung 
der  römischen  und  griechischen  Kirche  und  der  Hinweisung  auf 
die  in  der  Folge  sich  bildende  römische  Hierarchie. 

Von  den  Kreuzzügen  ist  §  115.  wohl  mit  Unrecht  behauptet, 
dass  sie  den  Päpsten  zum  Wachsthum  ihrer  Macht  gedient  haben. 
Der  Zweck  der  Päpste  bei  Veranstaltung  der  Kreuzzüge  mag  das 
gewesen  sein ,  auch  erreichten  sie  unstreitig  diesen  Zweck  durch 
dieses  Mittel  theilweise:  aber  die  in  den  Kreuzzügen  zugleich  lie- 
genden Ursachen  zur  Untergrabung  der  Macht  der  Päpste  sollten 
daneben  angedeutet  sein. 

§  118.  heisst  Franz  von  Assisi  mit  Dominicus  ,, ehrwürdig 
durch  seinen  Geist  und  edeln  Enthusiasmus."  Das  Irrthümliche 
in  seinem  Leben  und  Treiben  sollte  hier  doch  angedeutet  sein. 

§  127.  wird  von  der  Lehre  der  Remonstranten  in  den  Nie- 
derlanden gesagt,  dass  darin  ein  zwinglisches  Element  gewesen 
sei.  Sollte  der  Verf.  die  Abweichung  derselben  von  Calvin's 
Prädestinationslehre  gemeint  haben'?  soviel  Ref.  bekannt  ist,  war 
Zwingli  in  dieser  Lehre  ebenso  streng  als  Calvin. 

§  129.  ist  eine  treffende  Schilderung  der  Streitigkeiten  in 
der  evangelischen  Kirche  gegeben,  nur  sollte  hier  bestimmter 
darauf  hingewiesen  sein,  dass  die  Lehre  der  Lutheraner,  na- 
mentlich, wenn  „gleich  von  ihrem  Beginn  an  ihre  Entwickelung 
auf  die  Eine  göttliche  Quelle  und  Richtschnur  der  Lehre,  die 
heil.  Schrift,  und  auf  ihren  von  jedem  menschlichen  Ansehen 


Oslander:  Lehrbuch  zum  christlichen  Religionsunterricht.      391 

unabhängigen  Gebrauch  gerichtet"  unter  diesen  Streitigkeiten  die 
Exegese  unter  das  Joch  der  Dogmatik  gebeugt  habe. 

So  sehr  man,  wie  schon  bemerkt  wurde,  vielmehr  auf 
Beschränkung,  als  auf  Vermehrung  des  Stoffes  in  diesem  Lehr- 
buche dringen  sollte,  so  ist  dennoch  §  134.  unter  den  Verunrei- 
nigungen des  Lebens  der  evangel.  Kirche  auch  der  Hang  zur  Al- 
ehymie  im  16.  und  17.  Jahrhundert  noch  zu  erwähnen. 

§  138.  wird  Fenelon  Bossuets  Freund  genannt;  hier  dürfte 
wohl  das  nicht  sehr  freundschaftliche  Verfahren  Bossuets  gegen 
Fenelon  angedeutet  sein. 

Unter  den  ausgezeichneten  §§  dieses  Lehrbuchs  möchte 
Ref.  aus  diesem  Abschnitte  gerne  den  139.  ganz  hersetzen,  wo 
die  Theologie  und  Philosophie  in  der  evangel.  Kirche  nach  der 
Reformationszeit  so  umfassend  und  gedrängt  und  mit  so  treffenden 
Bemerkungen  geschildert  ist,  dass  auf  eine  gründliche  und  vollstän- 
dige Erklärung  der  einzelnen  Sätze  und  Ausdrücke  gewiss  6  Stun- 
den verwendet  werden  müssten.  Nur  das  Urtheil  über  das  ge- 
genwärtig herrschende  philosophische  System  setzt  Ref.  aus  die- 
sem §  her,  um  zu  zeigen,  wie  der  Verf.  auch  die  der  seinigen 
entgegenstehenden  Ansichten  zwar  mit  entschiedener  Verwer- 
fung, aber  doch  mit  billiger  Beurtheilung  zu  schildern  weiss: 
„weit  directer  und  einflussreicher,  heisst  es,  hat  das  neueste  und 
sublimirteste  System  des  Idealismus  Hegels  auf  den  Gang  der  re- 
ligiösen und  christlichen  Ideenentwickelung  in  sehr  verschiedenen 
Richtungen  und  Partieen  eingewirkt,  theils  den  Offenbarungen 
und  den  Grundwahrheiten  des  Christenthums  sich  anschliessend, 
theils  kritisch -speculativ  seine  religiös  -  geschichtliche  Basis  ver- 
nichtend." 

Wie  wir  oben  an  den  einzelnen  Perioden  einen  zusammenfas- 
senden Schluss  vermissten,  so  wäre  noch  weit  mehr  am  Ende  der 
ganzen  Kirchengeschichte  ein  Rückblick  auf  die  letzte  Periode 
und  auf  die  ganze  Kirchengeschichte  zu  erwarten.  Dadurch 
würde  die  Darstellung,  ohne  dass  das  Werk  um  ein  Bedeutendes 
vergrösiiert  würde,  ungemein  viel  an  Fasslichkeit  und  an  dem 
christl.  Pragmatismus  gewinnen,  der  diese  Uebersicht  der  Kir- 
cheugeschichte  vor  vielen  anderen  Versuchen  der  Art  rühmlich 
auszeichnet. 

Ueber  die  Darstellung  der  ausserchristlichen  Religionen 
§  144  — 156.  erlaubt  sich  Ref.  nur  eine  Bemerkung  im  Allgemei- 
nen: eine  Schilderung  der  organischen  Entwickelung  der  religio 
sen  Ideen  der  alten  und  der  nichtchristlichen  Völker  wäre,  soweit 
eine  solche  möglich  ist,  hier  sehr  am  Orte.  Die  Antwort,  die 
der  Verf.  etwa  auf  diese  Ausstellung  geben  würde,  steht  am  Ende 
§  157.  „so  interessant  und  wichtig  der  Futwickelungsgang  dieser 
Religionen  und  die  Entwickelung  der  Menschheit  durch  die  in  ihr 
zerstreuten  Funken  der  Wahrheit  ist;  so  lassen  sie  sich  doch  als 
uothwcndige  Eutwickelungsstufen  des  Geistes  ebenso  wenig  be- 


392  Religion. 

trachten,  als  der  Irrthum  and  die  Sünde,  die  ihnen  ankleben, 
und  von  welcher  (welchen)  die  Erlösung  von  Anbeginn  eingelei- 
tet, nur  durch  die  vollkommene  Offenbarung  Gottes  im  Fleisch 
der  Welt  konnte  vermittelt  und  verkündigt  werden.'1.  Aber  wie 
das  Unkraut  seine  Gesetze  des  Wachsthums,  so  haben  auch  Irr- 
thum und  Sünde  ihre  Gesetze  der  Entwickelung,  die  berücksich- 
tigt werden  können,  ohne  dass  diese  Entwickelung  zu  einer  iwth- 
tvendigen  Entwickelung  des  Geistes  gemacht  wird.  Zudem  ha- 
ben die  in  der  oben  ausgehobenen  Stelle  vom  Verf.  in  den  heid- 
nischen Systemen  anerkannten  Funken  der  Wahrheit  ihre  beson- 
dere Kraft,  der  in  einem  solchen  Werke  um  so  mehr  nachgegan- 
gen sein  sollte,  da  erst  auf  diesem  Wege  die  Erlösungsbedürftig- 
keit und  Erlösungslähigkeit  der  Menschen  vollständig  dargestellt 
werden  könnte.  Wenn  in  jedem  Systeme  das  Grundprincip  auf- 
gesucht und  die  Fortbildung  desselben,  unter  fortwährenden 
äusseren  Einflüssen,  bedingt  durch  den  in  seiner  Weise  sich  aus- 
bildenden Volkseharakter,  nachgewiesen  wäre,  so  hätten  wir  eine 
vollständige  organische  Entwickelung  dieser  Religionen.  Freilich 
ist  diese  Forderung  leichter  zu  machen,  als  zu  erfüllen,  da  wir 
selbst  von  der  griechischen  Religion,  die  uns  die  bekannteste  ist, 
doch  nur  fragmentarische  Kenntnisse  besitzen. 

Im  Einzelnen  bemerken  wir  nur,  dass  §  156.  in  der  Schilde- 
rung des  Muhamedanismus  die  zerstörende  Kraft  des  Muhameda- 
nismus,  wie  sie  in  ihren  Folgen  vor  Augen  liegt,  auch  erwähnt 
sein  sollte. 

Doch,  um  nicht  allzulange  bei  dem  Einen  Abschnitte  zu  ver- 
weilen, gehen  wir  über  auf  die  Einleitung  in  die  Bibel,  wo  wir 
zuerst  die  Gelegenheit  ergreifen,  die  schon  bei  der  biblischen 
Geschichte  erwähnten  Grundsätze  der  Kritik  weiter  zur  Sprache 
zu  bringen ,  so  weit  es  ohne  Streit  über  theologische  Principien 
möglich  ist. 

„Ungetrübte  Reinheit  der  Ueberlieferung"  ist  nach  §  5.  „der 
göttliche  Endzweck."1  Woher  lässt  sich  das  beweisen?  a  priori*? 
dann  ist  der  Boden  der  historischen  Forschung  in  Urkunden  der 
positiven  Religion  aufgegeben.  Oder  a  posteriori'?  Eine  aus- 
drückliche Behauptung,  dass  dem  so  sei,  kann  in  der  Bibel  nicht 
nachgewiesen  werden ,  und  aus  der  Wahrheit  der  Geschichte 
selbst  es  beweisen  zu  wollen  und ,  um  dies  zu  können ,  keinen 
auch  nocli  so  gegründeten  Zweifel  gegen  die  Wahrheit  eines  Fa- 
ctums  zuzulassen,  das  wäre  ein  grosser  Cirkel.  Doch  im  genann- 
ten §  5.  heisst  es  nur:  „ein  göttliches  Walten  über  der  Schrift 
hat  auch  in  dieser  Hinsicht  gesorgt  und  diese  heiligen  Urkunden 
ausgezeichnet,  indem  sie  mit  einer  Reihenfolge  der  gewichtigsten 
Zeugen  beglaubigt  und  durch  den  früh  verbreiteten  Gebrauch  eine 
solche  Menge,  Mannigfaltigkeit,  Tüchtigkeit  von  Handschriften, 
Uebersetzungen,  Citaten  an  das  Licht  gefördert  hat,  dass  sich 
der  Text  der  Schrift,  zumal  in  allem  Wesentlichen,  mit  Zuver- 


Oslander:  Lehrbuch  zum  christlichen  Religionsunterricht.      393 

sieht  ermitteln  und  seine  Vollständigkeit  sich  erschliesscn  lässt." 
Welche  Andeutungen  haben  wir  über  die  Art  der  Aufbewahrung 
der  historischen  Schriften  vor  Sammlung  des  Kanons'?  Wohin 
gehen  wir  mit  den  verschiedenen  Lesarten  in  verschiedenen  Re- 
censionen  desselben  Stücks,  wie  Ps.  18.  und  2.  Sam.  22.?  Was 
sagen  wir  über  die  Widersprüche  oder  Abweichungen  in  Ge- 
schichtsbüchern, die  dieselbe  Begebenheit  erzählen?  Wann  ist 
der  älteste  Codex  A.  TV,  den  wir  besitzen,  geschrieben?  Mit 
der  Beantwortung  solcher  und  ahnlicher  Fragen  müsste  man  in 
Widerspruch  gerathen  gegen  die  oben  angeführten  Behauptun- 
gen, die  freilich  ihre  Beschränkung  mit  sich  führen,  indem  dabei 
steht :  „in  allem  Wesentlichen"  lasse  sich  der  richtige  Text  er- 
mitteln. Aber  das,  was  in  Beziehung  auf  die  Texteskritik  zuge- 
geben ist,  sollte  doch  auch  in  Beziehung  auf  die  Kritik  der  Ge- 
schichte zugegeben  sein,  weil  es  sonst  heisst:  nil  probat,  qui 
nimium  probat. 

Zwar  giebt  der  Verf.  auch  in  der  historischen  Kritik  die  vor- 
handenen unleugbaren  Gründe  für  eine  Irrthumsfähigkeit  der 
Verfasser  dieser  Geschichten  zu ,  indem  er  z.  B.  §  13.  vom  Buch 
Josua  sagt:  „Die  Verschiedenheit  der  Quellen  konnte  einige  nicht 
unauflösbare  Widersprüche  in  den  Angaben  veranlassen."  Aber 
die  Gründe ,  mit  denen  die  ,, Treue  der  Geschichte"  bewiesen 
werden  soll,  sind  der  Art,  dass  man  sieht,  schon  der  Gedanke 
an  eine  Irrthumsfähigkeit  ist  dem  Verf.  unvereinbar  mit  seiner 
Vorstellung  von  dieser  Treue;  denn  er  sagt:  „durch  die  Natur 
der.  erzählten  Begebenheiten,  sofern  sie  als  wichtige  öffentliche 
Handlungen  einer  Aufzeichnung  bedurften,  durch  die  nahe  und 
wichtige  Stellung  Josuas  bei  denselben  als  Kriegs-  und  Staats- 
haupt, durch  den  entsprechenden  alterthümlichen  Charakter  der 
auftretenden  Personen  wird  es  sehr  wahrscheinlich,  dass  der 
Verfasser,  von  den  Begebenheiteu  nicht  allzuferne,  seine  Ge- 
schichte sehr  treu  aus  gleichzeitigen  Urkunden,  die  er  zum  Theil 
selbst  erwähnt,  und  zwar  wohl  aus  Urkunden  Josuas  selbst  ge- 
schöpft habe."  Unter  die  Begebenheiten,  die  eine  Urkunden- 
massige  Aufzeichnung  bedürfen  konnten ,  gehört  im  Grunde  nur 
die  Austheilung  des  Landes;  was  folgt  aber  aus  dieser  für  die 
Erzählung  von  Schlachten  oder  von  andern,  das  ganze  Volk  be- 
treffenden Begebenheiten?  Und  überdies  finden  sich  gerade  in 
der  Austheilung  des  Landes  bedeutende  Schwierigkeiten  durch 
Widersprüche  mit  den  in  der  gleich  folgenden  Geschichte  der 
Richter  vorliegenden  Verhältnissen.  Was  hat  ferner  Josua's 
Stellung  zu  den  Begebenheiten  mit  der  Treue  der  Erzählung  zu 
schaffen?  Sollte  nur  in  der  Geschichte  eines  israelitischen 
Staatsoberhaupts  ängstliche  Genauigkeit  geübt  worden  sein,  wäh- 
rend in  unserer  Zeit  der  Kritik  so  manche  Unwahrheit  in  Bezie- 
hung auf  wichtige  Staatsverhandlungen  ausgeht  und  geglaubt 
wird.     Wenn   sodann   die   auftretenden    Personen   alicrthiimlich 


394  Religion. 

sind:  war  das  der  Verf.  selbst,  wenn  er  ein  halbes  Jahrtausend 
nach  den  Begebenheiten  gelebt  hätte,  nicht  auch  für  uns*?  Müss- 
ten  sie  es  nicht  sein ,  wenn  auch  der  Verf.  in  seinem  Sinn  Alles 
modernisirt  hätte4?  Woher  lässt  sich  endlich  beweisen,  dass  das 
Buch  der  Froramen,  aus  dem  Jos.  10,  11  ff.  Stellen  angeführt 
werden,  eine  gleichzeitige  Urkunde  sei?  Was  beweist  der  nach 
C.  22.  errichtete  Altar  weiter,  als  dass  an  dieses  Denkmal  die 
Sage  von  dieser  Begebenheit  geknüpft  worden,  folglich  schriftli- 
che Urkunden  davon  zur  Zeit  des  Verf.  nicht  vorhanden  gewesen 
seien  1  Wo  sind  die  Gesetze  und  Rechte  zu  finden ,  die  24.  25. 
erwähnt  sind'?  gewiss  können  damit  nicht  Geschichtserzählungen 
gemeint  sein ,  was  in  der  JVote  für  möglich  erklärt  wird.  „Mög- 
lichkeit, letztere  Stelle  für  Josua  als  Hauptverfasser  des  Ganzen 
zu  benützen. "  Wer  diese  Gegenfragen  des  Ref.  liest,  der  könnte 
glauben,  derselbe  wolle  alle  historische  Glaubwürdigkeit  des 
Buches  Josua  aufheben.  Aber  durch  diese  Meinung  wird  nur 
dem  obenerwähnten  Satze:  nil  probat,  qui  nimium  probat  — 
Zeugniss  gegeben.  Die  Beweisführung  des  Verf.  ruft  solche  Ein- 
zelreden hervor,  die  Alles  umzustossen  scheinen.  Denn  wer  die 
Glaubwürdigkeit  dieses  Geschichtsbuchs  mit  der  vorgefassten  Ab- 
sicht untersucht,  eine  der  buchstäblichen  Wahrheit  möglichst 
nahe  kommende  Treue  der  Erzählung  zu  beweisen ,  der  veran- 
lasst solche  Zweifel  und  weckt,  wenn  er  junge  Leute  vor  sich 
hat,  die  ihre  Freude  am  Niederreissen  haben,  eine  Art  der  Kri- 
tik, welche  alle  Glaubwürdigkeit  der  biblischen  Geschichte  un- 
tergräbt, eine  Kritik,  von  der  Ref.  weit  entfernt  ist.  Denn  auf 
der  historischen  Wahrheit  der  alttestam.  Geschichte  ruht  seine 
eigene  dogmatische  Ueberzeugung  von  der  Göttlichkeit  der  bibli- 
schen und  namentlich  der  christlichen  Offenbarung.  Aber  seinen 
Glauben  an  jene  historische  Wahrheit  auf  schwache  Stützen  zu 
gründen  und  sich  zu  bereden,  ein  unzureichender  Beweisgrund 
müsse  dennoch  für  kräftig  gelten,  scheut  er  sich  um  so  mehr, 
weil  jede  Scheu  vor  vollständiger  Untersuchung  die  Meinung  zu 
verrathen  scheint ,  als  hätte  Gott  in  der  Begründung  seiner  Of- 
fenbarungen aus  Versehen  eine  Lücke  gelassen,  die  nun  der 
Mensch  zudecken  oder  ausfüllen  müsse.  Dies  auch  in  Beziehung 
auf  andere  Stelleu  dieses  Lehrbuchs  anzuwenden,  würde  vom 
Zweck  einer  beurtheilenden  Anzeige  allzuweit  abführen.  JNur 
noch  eine  einzige  Stelle  aus  der  Einleitung  ins  A.  T.  anzuführen 
kann  Ref.  nicht  unterlassen,  weil  sie  die  Scheu  vor  kritischen 
Fragen  besonders  deutlich  charakterisirt:  §  22.  „Der  Inhalt  des 
Buches  Esther  schliesst  sich  in  Hinsicht  auf  die  Veranlassungen 
und  Folgen  der  erzählten  Begebenheit  nahe  au  die  vorhergehende 
und  nachfolgende  Geschichte,  sowie  an  die  persischen  Zeitver- 
hältnissc  und  Sitten  an,  füllt  eine  bedeutende  Geschichtslücke 
(zwischen  dem  ersten  und  anderen  Theil  des  Buches  Esra)  aus 


Oslander:  Lehrbuch  zum  christlichen  Religionsunterricht.     395 

und  begründet  seine  Glaubwürdigkeit  auch  durch  ein  lange  fort- 
dauerndes Denkmal  im  Feste  Purim." 

Uebrigens  werden  schon  diese  ausgehobenen  Stellen  dem 
Leser  dieser  Anzeige  gehörig  Beweis  dafür  geben ,  dass  auch 
dieser  Theil  dieses  Lehrbuches,  mit  dem  sich  Ref.  wegen  der 
darin  befolgten  Grundsätze  hist.  Kritik  am  wenigsten  befreunden 
kann,  dennoch  das  Ergebniss  tiefen  und  consequenten  eigenen 
Studiums,  verbunden  mit  umfassender  Belesenheit,  sei. 

Das  Gleiche  lässt  sich,  nur  in  noch  höherem  Grade,  von 
der  Einleitung  ins  N.  T.  rühmen,  und  wenn  Ref.  einige  von  den 
ihm  als  unrichtig  erscheinenden  Behauptungen  aushebt,  so  will 
er  damit  nur  einen  Beweis  geben ,  dass  er  auch  diesen  Theil  des 
Buches  mit  Genauigkeit  durchgelesen  hat. 

Am  Schluss  §  65.  wird  von  den  paulinischen  Briefen  behaup- 
tet, sie  seien  im  Kanon  nach  einer  passenden  Sachordnung  ge- 
stellt. Warum  nicht  lieber,  wie  das  auch  Neander  annimmt,  nach 
dem  Range  der  Gemeinden'?  Eine  Sachordnung  wird  sich  bei 
Briefen,  die  zum  Theil,  wie  die  an  die  Corinther,  viele  ganz 
verschiedene  Gegenstände  besprechen,  schwer  durchführen  las- 
sen, und  der  Brief  an  die  Galater  müsste  unstreitig  bei  einer 
Sachordnung  die  erste  oder  nach  dem  Brief  an  die  Römer  die 
nächste  Stelle  einnehmen. 

Doch  wir  haben  schon  zu  viel  Raum  für  diesen  Theil  der  Be- 
urtheilung  in  Anspruch  genommen  und  müssen  uns  endlich  beei- 
len, zu  der  christlichen  Religionslehre,  welche  den  3.  Theil  die- 
ses . Lehrbuchs  ausmacht,  überzugehen.  Hier  befindet  sich  der 
Verf.  auf  seinem  eigenthümlichen  Felde,  was  sich  darin  zu  er- 
kennen giebt,  dass  dies  unstreitig  der  gelungenste  Theil  des 
Buches  ist.  Ohne  aber  Einzelnes  zum  Lobe  auszuheben,  will 
Ref.  hauptsächlich  diejenigen  Stellen  bemerklich  machen,  in  de- 
nen der  Zweck  dieses  Compendiuras  der  Dogmatik,  zu  einem 
Lehrbuch  für  Schüler  von  17  Jahren  zu  dienen,  nichtgehörig 
berücksichtigt  zu  sein  scheint. 

In  der  sogenannten  Apologetik  lässt  vorliegendes  Lehrbuch 
dem  historischen,  d.h.  dem  aus  den  Aussprüchen  und  Thaten 
Jesu  und  der  Apostel  selbst  genommenen  Beweise  für  die  Gött- 
lichkeit des  Christenthums,  die  gewöhnlichen  philosophischen 
Vorfragen  über  den  Begriff,  die  Möglichkeit,  Notwendigkeit  und 
Erkennbarkeit  der  Offenbarung  vorangehen.  Die  Zweckmässig- 
keit der  Aufnahme  solcher  Fragen  in  den  Kreis  dieses  Unterrichts 
möchte  Ref.  sehr  bezweifeln.  Es  ist  kaum  anders  möglich,  als 
dass  Leute  dieses  Alters ,  wenn  man  solche  Beweise  führt  und 
anführt ,  ohne  der  sie  hervorrufenden  Einwürfe  und  Angriffe  zu 
erwähnen,  gar  kein  Interesse  haben,  weil  sie  meinen,  was  ein- 
mal sei,  'dessen  Möglichkeit  und  Notwendigkeit  brauche  nicht 
erst  erwiesen  zu  werden.  Legt  man  aber,  um  die  Unternehmung 
dieser  Beweisführung  zu  rechtfertigen,  die  Gründe  für  den  Zwei- 


396  Religio  n. 

fei  mit  der  nöthigen  Popularität  dar;  so  erscheint  derselbe  als  un- 
widerleglich und  wird  durch  jeden  Gegenbeweis  verstärkt.  Doch 
diese  Frage  über  das  Mehr  und  Minder  in  Einführung  der  Schü- 
ler in  philosophische  und  theologische  Materien,  über  die  Grenz- 
linie, diesseits  welcher  der  Religionslehrer  immer  zu  verweilen 
habe,  ist  wohl  nie  für  Jeden  überzeugend  zu  beantworten,  und 
die  Antwort  muss  grossentheils  von  der  Individualität  des  Lehrers 
und  seiner  Schüler  abhängen.  Aber  das  Lehrbuch  hat  auf  die 
Verschiedenheit  derselben  Rücksicht  zu  nehmen.  Was  in  dieser 
Beziehung  hätte  geschehen  können  und  sollen,  darüber  sei  es 
Ref.  erlaubt,  nur  in  Beziehung  auf  einen  Satz  dieses  Lehrbuchs 
seine  Ansicht  auszusprechen. 

§  9.  beginnt  also :  ,, Schon  die  unserm  Geiste  wesentliche 
Idee  der  Religion,  die  ein  lebendiges  Verhältnis«  des  Menschen 
mit  Gott  enthält  und  bezweckt,  lässt  an  der  Möglichkeit  einer 
Offenbarung,  als  einer  Begründung  und  Erneuerung  dieses  Ver- 
hältnisses von  Seiten  Gottes,  nicht  zweifeln."  Schwerlich  wird 
ein  Schüler  vor  der  Lection  wissen,  was  das  heissen  soll,  und 
wenn  gleich  das  Wort  Möglichkeit  durch  den  Druck  hervorgeho- 
ben ist,  so  kommt  er  nicht  darauf,  dass  in  diesen  Worten  die 
Möglichkeit  der  Offenbarung  bewiesen  werden  soll.  Also  sagt 
ihm  das  der  Lehrer,  und  führt  ihn  in  das  Verständniss  des  Be- 
weises ein.  Thut  er  nun  dies  in  derselben  abstracten  Form, 
sucht  er  in  solcher  Weise  seinen  Schülern  darzutbun,  dass  sie  in 
einem  lebendigen  Verhältniss  zu  Gott  stehen  und  stehen  sollen : 
so  entsteht  in  ihnen  das  Gefühl,  oder  die  auf  ein  dunkles  Gefühl 
gegründete  Vermuthung,  man  wolle  ihnen  religiöse  Gefühle  auf- 
nötbigen,  und  sie  treten  zurück.  Bios  wenn  Beispiele  zu  Grunde 
gelegt  werden,  wenn  man  das  Leben  Abrahams,  Moses,  der/ 
Propheten,  Jesu  als  ein  Leben  vor  Gott  und  in  beständiger  Ver- 
bindung mit  Gott  schildert,  wird  sich  jene  Wirkung  vermeiden 
lassen.  Um  aber  dazu  zu  veranlassen,  hätte  der  Verf.  gewiss 
besser  gethan,  ins  Lehrbuch  gleich  eine  solche  concreto  Behand- 
lung dieser  Frage  aufzunehmen.  Dies  heisst  aber  nicht  viel  mehr, 
als  oben  schon  gesagt  ist,  diese  philos.  Vorfragen  wären  lieber 
ganz  übergangen  worden ,  was  gew iss  um  so  unbedenklicher  hätte 
geschehen  können,  da  der  nachfolgende  exegetische  Beweis  für 
die  Göttlichkeit  des  Christenthums  nach  allen  Theilen  gründlich 
und  umfassend  geführt  ist.  Nur  mit  der  einen  Wendung  §  27. 
kann  sich  Ref.  nicht  verständigen:  „Für  den  göttlichen  Inhalt  des 
Christenthums  bürgt  uns  auch  der  göttliche  Ursprung  der  Bücher, 
worin  es  niedergelegt  ist.  Die  den  Aposteln  bleibend  und  für  die 
höchsten  Endzwecke  der  Gemeinde  verliehene  Amtsgabe  des  hei- 
ligen Geistes  befähigte  und  begeisterte  sie  wie  zu  göttlich  reinem 
mündlichen  Vortrage,  so  zur  ungetrübten  schriftlichen  Ueberlic- 
ferung  der  göttlichen  Lehre."  Davon  soll  hier  nicht  die  Rede 
sein,  dass  der  in  diesen  Worten  liegende  Beweis  für  die  Inspiration 


Osiamler:  Lehrbuch  zum  christlichen  Religionsunterricht.     397 

nur  die  göttliche  Begeisterung  der  Apostel  darzutliun  im  Stande 
ist ,  und  die  historischen  Schriften ,  unter  denen  besonders  die  — 
freilich  hier  im  Verlaufe  d(  s  §  mit  Stillschweigen  umgangenen  — 
historischen  Schriften  A.  T.  begriffen  sind,  nur  durch  eine  unge- 
bührliche Ausdehnung  der  Beweiskraft  hereingezogen  werden. 
Der  Zweck  obiger  Anführung  sollte  nur  sein,  darauf  aufmerksam 
zu  machen,  dass  durch  die  Wendung,  durch  welche  diese  Worte 
diesen  §  an  den  vorhergehenden  ans.chliessen ,  die  Inspiration 
zum  Grund  des  Glaubens  an  die  Göttlichkeit  des  Inhalts  der 
christlichen  Lehre  gemacht  würde,  was  wohl  schwerlich  der  Sinn 
des  Verf.  ist,  und  was  in  keinem  Falle  zugegeben  werden  könnte, 
da  man  ja  für  die  Inspiration,  wenn  man  nicht  das  testimonium 
spiritus  saneti  auf  sie  ausdehnen  wollte,  keinen  andern  Beweis 
hat,  als  im  Inhalte  der  Schrift. 

In  der  Versöhnungslehre  vermisst  Ref.  die  hier  vor  Allem 
nöthige  Klarheit  in  Hervorhebung  der  Hauptgesichtspunkte. 
§  74.  heisst  es :  „Die  erste  Absicht  und  Frucht  dieser  Selbstauf- 
opferung (des  Leidens  und  Sterbens  Jesu)  ist  die  Versöhnung  der 
Menschen  mit  Gott,  die  Entfernung  der  in  unsern  Sünden  und 
im  heiligen  Gerichte  Gottes  über  sie  gelegenen  Hindernisse  un- 
serer Seligkeit.  Der  Tod  Jesu  ist  Pfand  und  Ursache  der  Verge- 
bung unserer  Sünden,  als  der  die  Schatten  des  alten  Bundes  voll- 
endende Opfertod  des  Heiligen  für  die  Sünder,  als  vollendete 
Erfüllung  des  heiligen  Willens  Gottes  und  seines,  das  heilige 
Missfallen  an  der  Sünde,  den  Fluch  über  sie  verkündenden  Ge- 
setzes. Gott  versöhnte  in  diesem  Akt  seiner  tiefsten  Herablas- 
sung die  Welt  mit  sich  selbst  in  seinem  Sohne,  der  mit  freiestem 
und  heiligstem  Willen  die  sündige  Menschheit  vertrat  und  kraft 
des  unendlichen  Mitgefühls  seiner  göttlich- menschlichen  Liebe  in 
den  Antheil  am  Sündenelend  eintrat."  Im  ersten  Satze  ist  als 
erste  Absicht  und  Frucht  des  Todes  Jesu  die  Versöhnung  der 
Menschen  mit  Gott  gesetzt,  unter  diesen  Begriff  aber  zugleich 
die  Entfernung  der  Sünde  und  die  Vollziehung  des  göttlichen  Ge- 
richts aufgenommen,  2  Punkte,  die  in  den  2  folgenden  Sätzen  in 
umgekehrter  Ordnung  weiter  ausgeführt  werden.  Sodann  ist  im 
2.  Satze  schwer  nachzufolgen  und  einzusehen ,  wiefern  der  Tod 
Jesu  die  Kraft  hat,  Sündenvergebung  zu  wirken.  Er  hat  sie  1) 
als  Opfertod,  2)  als  vollendete  (vollendende'?)  Erfüllung  des  hei- 
ligen Willens  Gottes  und  (wird  hiermit  ein  dritter  Punkt  ange- 
fügt, oder  der  zweite  erklärt,  an  die  Stelle  des  Willens  Gottes 
das  göttliche  Gesetz  gestellt?)  seines  Gesetzes.  Endlich  -lässt 
sich  das,  was  über  das  göttliche  Gesetz  gesagt  ist,  schwer  in  Zu- 
sammenhang mit  dem  Tode  Jesu  bringen:  „es  verkündet  das  heil. 
Missfallen  Gottes  an  der  Sünde,  den  Fluch  über  sie",  —  also  ge- 
wiss am  wenigsten  über  Jesum,  der  ohne  Sünde  war.  Die  in  den  an- 
geführten Worten  des  §  angedeutete  Erklärung  der  dabei  angeführ- 
ten Bibelst.  Gal.  3, 13.  2  Kor.  5, 21.  lässt  sich  schwer  durchführen. 


398  Religion. 

An  sich  wohl  verständlich  aber  als  die  Grenzen  unsers  Wis- 
sens übersteigend,  scheint  ein  Theil  §78.,  zumal  für  ein  sol- 
ches Lehrbuch,  überflüssig  zu  sein.  „Der  Zustand  nach  dem 
Tod  ist  nicht  ein  ganz  unentschiedener  Mittelzustand  oder  gar 
Stillstand  des  Seelenlebens,  sondern  ein  aus  Ruhe,  Entwicklung 
und  Entscheidung  in  verschiedenen  Graden  und  Arten  gemischter 
Zustand,  der  sowohl  mit  dem  sittlichen  Werthe  des  irdischen 
Lebens ,  als  mit  der  letzten  feierlichen  Entscheidungsepoche  in 
bewusstem  Kausalzusammenhange  steht,  bei  denen,  die  hier 
schon  in  Glauben  und  Gemeinschaft  des  Erlösers  bewährt  sind, 
ist  der  Zwischenzustand  (zwischen  Tod  und  Auferstehung)  mit 
der  Erlösung  selbst  innigst  verbunden ,  und  bei  ihnen  herrscht 
die  selige  Entscheidung  ibres  Looses  vor."  Die  wesentlichen 
Punkte  dieser  Darstellung  sind  zwar  mit  Bibelstellen  belegt  und 
die  in  dieser  Anführung  enthaltene  Erklärung  dieser  Bibelstellen 
in  der  Anmerkung  durch  die  Worte  gerechtfertigt :  „  dem  höhe- 
ren Realismus  der  Bibel  gemäss,  dürfen  nicht  alle  sinnlichen 
Ausdrücke  darüber  als  Bilder  gefasst  und  in  abstrakte  Begriffe 
verflüchtigt  werden. "  Allein  wer  will  die  Grenze  ziehen  1  Der 
Verf.  hätte  hier  mit  Recht  voraussetzen  dürfen ,  dass  mancher  in 
den  wesentlichen  Lehren  des  Christenthums  vollkommen  mit  ihm 
einige  Lehrer  hier  für  Bild  nimmt ,  was  er  für  einen  Ausdruck 
des  höheren  Realismus  der  Bibel  erklärt,  und  hätte  lieber  solche 
Lehrer  nicht  in  die  Nothwendigkeit  versetzen  sollen  ,  durch  Ue- 
bergehung  dieses  §  dem  Lehrbuche  zu  widersprechen. 

Doch  dieser  Widerspruch  würde  allerdings,  weil  er  nicht 
das  Wesen  betrifft,  dem  Lehrbuche  in  den  Augen  des  Schülers 
wenig  Schaden  bringen,  und  in  sofern  kann  auch  die  letzte  Aus- 
stellung von  minderem  Belang  sein,  und  wir  gehen  auf  Wichtige- 
res über. 

In  der  Sittenlehre,  die  sich  mit  fortlaufender  Paragraphen- 
zahl als  zweiter  Theil  der  christlichen  Religiouslehre  an  die 
Glaubenslehre  anschliesst,  will  Ref.  um  so  mehr  bei  einer  Haupt- 
ausstellung  verweilen,  da  diese  das  Wesen  der  Auffassung  selbst 
betrifft  und  das  Uebrige  entweder  zu  lobender  Anerkennung  oder 
zu  minder  wichtigen  Wünschen  Anlass  giebt.  Es  ist  die  beim 
dogm.  l'rincip  des  Verf.  am  wenigsten  zu  erwartende,  dass  das 
evangelische  Princip  der  Sittlichkeit  nicht  überall  bestimmt  genug 
festgehalten  ist.  Je  unerwarteter  die  Ausstellung  ist,  desto 
mehr  ist  es  nöthig,  dieselbe  zu  beweisen  und  zu  rechtfertigen, 

Zu  diesem  Zweck  soll  zuerst  die  Uebereinstimmung  dieser 
Sittenlcbrc  mit  der  Moral  des  Evangeliums  dargethan  werden. 

Das  Princip  der  Moral  ist  gleich  in  der  allgemeinen  Sitten- 
lehre §  101.  besprochen  und  darüber  folgendes  gesagt:  „Die 
Vereinigung  des  formalen  und  materialen  Grundsatzes  ist  in  der 
christl.  Sittenlehre  gegeben  durch  das  Grundgesetz  der  Liebe 
Gottes;  eine  in  der  Idee  der  unendlichen,   namentlich  sittlichen 


Oslander:  Lehrbuch  zum  christlichen  Religionsunterricht.     399 

Vollkommenheiten  gegründete  Richtung  unserer  vernünftigen  Trie- 
be auf  Gott.  Mit  diesem  Princip  hängt,  da  Gott  selbst  die  Liebe, 
Urbild  und  Urquell  aller  Vollkommenheit  ist,  das  Princip  der 
Nachahmung  Gottes  und  der  Vollkommenheit  zusammen.  Es 
schliefst  sich  genau  an  die  Idee  des  Guten  und  der  lebendigen 
Urbildlichkeit  des  Guten  in  Gott  an ,  knüpft  das  Gute  zugleich 
an  das  Gefühl  des  Menschen  und  zeichnet  sich  durch  allseitige 
Wirksamkeit,  Reinheit  und  Naturgemässheit  vor  allen  Principien 
philosophischer  Sittenlehre  aus. "  Dies  wird  in  der  besondern 
Sittenlehre  unter  den  Pflichten  gegen  Gott  §  109.  noch  näher  so 
bestimmt :  „  die  innere  Verehrung  Gottes  wird  im  Christenthum 
näher  bestimmt  durch  das  nie  ganz  entschwindende  Gefühl  der 
Sünde  und  durch  die  höchste  Verherrlichung  der  sittlichen  Voll- 
kommenheit Gottes,  besonders  der  Gnade"  und  §  110.  „die 
Liebe  Gottes  wurzelt  in  dem  Erlösungs  -  und  Versöhnungsbe- 
dürfniss  und  erhält  durch  die  zuvorkommende,  zur  Gemeinschaft 
mit  uns  sich  herablassende  Liebe  ihre  stärkste  Reizung  und  Ver- 
pflichtung. "  Damit  stimmt  von  einer  andern  Seite  überein,  was 
schon  im  allgemeinen  Theil,  in  der  Lehre  von  den  sittlichen  An- 
lagen des  Menschen  über  die  Freiheit  gesagt  ist:  §  97.  ,,Das 
Christenthum  zeigt  die  Freiheit  des  Menschen  zwar  durch  die 
Sünde  alterirt,  in  Beziehung  auf  das  Gute  äusserst  geschwächt 
und  verkehrt,  jedoch  nicht  zerstört,  sondern  als  Empfänglich- 
keit für  höhere  Einflüsse  und  Wahrheiten  immer  noch  vorhan- 
den. Daher  wird  sie  in  den  Ermahnungen  und  Triebfedern  stets 
angesprochen ,  und  durch  die  Lehre  und  Kraft  der  Erlösung, 
durch  das  Wirken  der  freien  Gnade  Gottes  im  Menschen  wird  mit 
dem  ganzen  Menschen  auch  seine  Freiheit  wiederhergestellt  zu 
ihrer  vollen  Kraft  für  das  Gute  und  Göttliche."  ,,Das  Christen- 
thum, als  Anstalt  der  Erlösung,  ist  das  Gesetz  der  Freiheit." 
§  99.  wird  dem  Gesetze  eine  das  Gewissen  erweckende,  der  Er- 
lösung eine  es  beruhigende ,  reinigende  und  vollendende  Kraft 
zugeschrieben  und  von  der  Erlösung  gesagt,  sie  habe  im  Gewis- 
sen, als  dem  bewussten  Erlösungsbedürfniss  des  Menschen,  ihren 
wichtigsten  Anschliessungspunkt.  §  102.  „Die  Schrift  beschränkt 
die  blos  erlaubten,  gleichgültigen  Handlungen  durch  das  Grund- 
gesetz heiliger  Liebe,  das  jeden  Moment  des  Lebens  beherrschen 
soll. " 

Diese  Stellen  insgesammt  mussten  angeführt  werden,  weil 
sonst  durch  das  Folgende  die  Meinung  erweckt  werden  könnte, 
die  Sittenlehre  dieses  Lehrbuchs  trete  ganz  aus  dem  ev.  Stand- 
punkt heraus;  es  steht  auf  demselben  in  seinem  Princip  und  in 
der  Durchführung  dieses  Princips  bei  den  allermeisten  Pflichten ; 
nur  die  rilichteji  gegen  den  Nächsten  sind  nach  Ref.  Ansicht  in 
dieser  Darstellung  verkürzt.  §  138.  z.  B.  heisst  es:  ,,Die  erste 
Grundbedingung  des  sinnlich  vernünftigen  Daseins  und  Wirkens 
ist  das   Leben.     Gott  hat  durch  die  Natur  und  durch  sein  Wort 


400  Religion. 

und  durch  den  hohen  Zweck  des  Lebens  dem  Menschen  ein  hei- 
liges Recht  auf  dasselbe  eingeräumt,  das  weder  auf  gröbere  noch 
auffeinereWei.se,  weder  ganz  noch  theilweise  verletzt  werden 
darf,  ohne  besondere  Collision  mit  dem  eigenen  oder  dem  Ge- 
sellschaftsrecht auf  dasselbe  Gut;  dies  sind  die  gesetzmässigen 
Ausnahmen,  die  obrigkeitliche  Todesstrafe,  der  rechtmässige 
Krieg  und  die  Privatnothwehr. "  Ist  der  in  dieser  Stelle  zum 
Princip  erhobene  Rechtsbegriff  mit  den  Forderungen  Christi  und 
mit  dem  Princip  der  Liebe  vereinbar'?  Unmöglich;  im  Begriff  des 
Rechts  liegt  eine  Abschliessung,  in  dem  der  Liebe  eine  Hinge- 
bung der  Persönlichkeit,  und  Stellen  wie  Matth.  20,  26  f^g.  18, 
22.  5,  38  ff.  und  viele  ähnliche  sprechen  es  buchstäblich  aus, 
tlass  der  Christ  kein  eigenes  Recht  einem  fremden  gegenüber 
stellt.  Einigermaassen  erkennt  der  Verf.  dies  selbst  an,  indem 
er  in  demselben  §  138.  sagt:  „vom  christlichen  Standpunkt  aus 
selbst  sind  jene  gesetzlichen  Ausnahmen  (Todesstrafe,  Krieg 
und  Nothwehr)  von  dieser  Pflicht  möglichst  zu  beschränken  ,  und 
die  Aufnahme  solcher  abnormen  Zustände  und  Handlungsweisen 
ist  als  eine,  wenn  gleich  bis  jetzt  noch  ideale,  Aufgabe  des  Chri- 
stenthums, deren  möglichst  annähernde  Lösung  heilige  Pflicht 
ist,  zu  betrachten. "  Im  letzten  Ziel  ist  demnach  der  Verf.  mit 
uns  einverstanden:  aber  jene  Aufgabe  des  Christenthums  darf 
nicht  darum ,  weil  sie  eine  ideale  ist,  beschränkt  und  herabge- 
stimmt werden.  Die  christliche  Sittenlehre  muss  ihren  Unter- 
schied von  einer  Rechtsgesetzgebung  behaupten  und  muss  dem 
Christen  das  Ideal  vorhalten,  das  von  unserm  Herrn  durch  Wort 
und  That  aufgestellt  worden  ist.  Wenn  dann  der  Staat  um  des 
Herzens  Härtigkeit  willen  für  bestimmte  Fälle  noch  besondere 
Bestimmungen  zu  machen  hat,  so  unterliegen  solche  allerdings 
dem  Urtheil  der  christlichen  Moral ,  aber  der  Staat  kann  von 
dieser  nicht  getadelt,  sondern  muss  wegen  dieser  Berücksichti- 
gung der  Bedürfnisse  der  Gesellschaft  gelobt  werden.  Aber  der 
Einzelne  hat  als  Christ  seine  Christenpflichten  stets  aus  einem 
und  demselben  Standpunkte  zu  betrachten.  Wird  also  der  Christ 
z.  B,  nie  eine  Schuldklage  anhängig  machen  1  Durch  solche  Fra- 
gen aus  einer  Casuistik  wird  schon  der  Standpunkt  verrückt.  Un- 
terlässt  dieser  die  Schuldklage  nur  aus  Sorglosigkeit,  weil  ihm 
der  Schutz  seines  Eigenthums  Unannehmlichkeit  verursachen 
würde,  so  handelt  er  unrecht.  Verfolgt  ein  Anderer  eine  Schuld- 
klage blos,  um  sein  Recht  zu  verfechten,  so  handelt  er  auch  un- 
recht. Wenn  der  Satz  der  Moral  in  der  Wirklichkeit  eingeführt 
und  für  eine  Reihe  von  Fällen  zum  Gesetz  erhoben  werden  soll, 
so  wird  er  ebendamit  zum  tödtenden  Buchstaben.  Darum  können 
jene  einzelnen  Fälle  immer  nur  vom  idealen  Standpunkte  des 
Christenthums  aus  beurtheiit  werden.  Auf  diesen  weist  dies 
Lehrbuch  in  den  oben  ausgehobenen  Stellen  und  auch  anderswo 
fortwährend  hin,  z.  B.  §  139.    „Die  Schrift   bestraft  schon  klei- 


, 


Hülfsb.  z.  Stylüb.  v.  Herzog,  Bucliberger,  Hierschc,  Borruann.  401 

nerc  Vergebungen  dieser  Art  als  Befleckung  und  Verscherzung 
der  Bürgerwürde  des  himmlischen  Reichs. u  Aber  diese  Bür- 
gerwürde ist  ein  unveräusserliches  Gut  und  darf  nicht  auf  Zeiten 
gegen  ein  irdisches  Bürgerrecht  in  den  Schatten  gestellt  werden. 
Doch  es  ist  Zeit,  diese  Anzeige  zu  scliliessen.  Nur  einen 
Wunsch  kann  Bef.  nicht  zurückhalten.  Aus  dem  Bestreben,  die 
§§  durch  Mannigfaltigkeit  der  Uebergänge  an  einander  zu  knüpfen 
und  durch  die  ganze  Darstellungsweise  das  logische  Gerippe  zu 
überkleiden,  ist  oft  eine  für  den  Schüler  nicht  nur,  sondern  oft 
auch  für  den  Lehrer  fühlbare  Schwierigkeit,  den  Zusammenhang 
des  Ganzen  und  Einzelnen  festzuhalten  entstanden,  eine  Schwie- 
rigkeit, die  ohne  Zweifel  auch  dem  Leser  dieser  Anzeige  schon 
aus  den  einzelnen  ausgehobenen  Stellen  fühlbar  geworden  ist. 
Um  desswillen  würde  nach  unserer  Ansicht  die  Brauchbarkeit 
dieses  Lehrbuchs  um  Vieles  erhöht,  wenn,  wie  diess  schon  oben 
in  Beziehung  auf  die  Kirchengeschichte  ausgesprochen  wurde, 
jeder  §  seine  besondere,  mit  neben-  und  unter- ordnenden  Zah- 
len und  Buchstaben  versehene,  Ueberschrift  hätte.  Oder  wenn 
der  Verf.  dieses  scheut,  so  sollte  um  so  gewisser  in  der  voran- 
stehenden Inhaltsübersicht  mehr,  als  geschehen  ist,  aufs  Ein- 
zelne eingegangen  und  dort  der  Inhalt  jedes  §  mit  Beisetzung  der 
Paragraphcnzahl  nachgewiesen  sein. 

,  JNicht ,  um  auch  noch  etwas  zu  loben  ,  nachdem  Mehrcres 
getadelt  ist ,  sondern  um  eine  besondere  Freude  nicht  zu  unter- 
drücken, muss  Ref.  noch  eine  Eigenschaft  des  Lehrbuchs  rüh- 
mend anerkennen,  durch  die  es  in  gegenwärtiger  Zeit  als  ge- 
wichtige Stimme  aus  unserm  Vaterlande  angesehen  werden  kann. 
Es  ist  diess  die  fortwährende  Hinweisung  auf  Stellen  von  röm. 
und  griech.  Classikern,  oft  wörtliche  Aushebung  derselben.  Da- 
durch widerfährt  dem  Studium  dieser  Schriftsteller  nach  2,  Seiten 
lim  ihr  Recht:  sie  werden  in  ihrem  so  sonderbar  verkannten 
Werth  einfach  anerkannt ,  und  daneben  wird  der  Unterschied 
zwischen  klassischem  Alterthum  und  Christenthum  klar  vor  Au- 
gen gestellt. 

So  schliesst  Ref.  mit  dem  Wunsche,  dass  dieses  Lehrbuch 
hei  Lernenden  und  Lehrenden  viel  anregen ,  echt  christliche  Er- 
kenntuiss  begründen  und  fördern,  echt  christlichen  Sinn  pflanzen 
und  dadurch  des  Segens  viel  stiften  möge. 


1.  Stoff  zu  stilistischen  U ebungen  in  der  Mutter- 
sprache. Für  obere  Classen.  In  ausführlichen  Dispositionen 
und  kürzern  Andeutungen  von  D.  G.  Herzog,  Director  des  Gymna- 
siums und  Professor  zu  Bernburg.  Zweite  verbesserte  und  stark 
vermehrte  Auflage.  Halle  bei  C.  A.  Schwetschke  und  Sohn.  18<J9. 
XVI  u.  414  Seiten.  8. 
N.  Jahrb. f.  Phil.  u.  FaeA.od.  Krit.  Hihi.   11,1  XXVI II.  HU.  4.  26 


402  S  t  y  I  ü  b  ti  ti  g  e  11. 

2.  Themata  d  is posita  Juvental!  laudU  oratoriae  appetcnti — 
adjectn  subsidiorum  promptuario  —  componenda  offert  AI.  Bucli- 
bcrger.  Usus  magister  egregius.  Landishuti,  MDCCCXXX1V. 
Siuntibus  ac  typis  Jusephi  Thomann.  (Joh.  Nep.  Attenhofer.)  — 
IV  u.  193  S.   8. 

3.  Ideen  zu  Stylübungen  mit  Andeutungen  zum  Ge- 
brauche derselben  beim  Unterrichte  in  obern  Mädclienclassen  der 
Bürgerschulen  nebst  beigefügten  Sfylprobcn.  Gesammelt  von  C. 
Wasche,  Prediger  Zweite  Sammlung.  Zweite  verbesserte  und 
sehr  vermehrte  Auflage.  Leipzig,  1835.  YVeygandsche  Verlags- 
buchhandlung.  (L.  Gebhardt.)   XVI  u.  28ß  Seiten.   8. 

4.  M etho  dis che  Anweisung  zum  Unter r  icht  in  den 

deutschen  Stylübungen  mit  besonderer  Rücksicht  auf 
die  Fertigkeit  im  mündlichen  Vortrage  entworfen  ,  und  mit  vielen 
stufenmässig     geordneten     Uebungsaufgaben     ausgestattet.  Ein 

Handbuch  für  Lehrer  in  Elementar-  und  Bürgerschulen  von  Karl 
Bormann i  Rector  der  neuen  Töchterschule  auf  der  Fricdrichsstadt 
und  Lehrer  am  königl.  Seminar  für  Stadtschulen  in  Berlin.  Zweite 
verbesserte  und  vermehrte  Auflage.  Berlin,  1838.  Verlag  von 
Hermann  Schultze.  (Vormals  C.  F.  Piahnsche  Verlagsbuchhand- 
lung.) 

Aus  der  sich  jährlich  vermehrenden  Anzahl  von  Hülfsmitteln 
für  den  Unterricht  im  deutschen  Style,  hesonders  von  Anweisun- 
gen und  Aufgabensammlungen  sind  hier  vier  herausgehoben  und 
zusammengestellt,  theils  weil  sie  wohl  zu  den  bessern  und  zu- 
gleich wohlfeileren  gehören ,  wie  denn  die  drei  deutschen  schon 
in  zweiter  Auflage  erscheinen ,  theils  w  eil  sie  sich  in  den  beiden 
bezeichneten  Rücksichten  füglich  vergleichen  und  danach  viel- 
leicht besser  als  einzeln  würdigen  lassen  ,  obgleich  die  beiden  er- 
steren  mehr  Stoff-  und  Aufgabensammlungen  als  Anweisungen 
sind ,  bei  den  beiden  letzteren  das  umgekehrte  Verliältniss  statt- 
findet. Wenn  es  übrigens  auffallen  möchte,  dass  unter  den 
Hülfsmitteln  für  den  Unterricht  im  Deutschen  hier  ein  lateinisches 
Buch  aufgeführt  wird,  so  findet  doch  diess  seine  Rechtfertigung 
oder  wenigstens  Entschuldigung  darin,  dass  der  darin  gegebene 
Stoff  sich  eben  so  gut  für  deutsche  als  für  lateinische  Aufsätze 
verwenden  lässt. 

Das  erste  der  vier  Bücher  ist  bereits  nach  seinem  ersten  Er- 
scheinen in  dieser  Zeitschrift  IV,  12,  4,  393  ff.  im  J.  1834 
angezeigt  und  nach  Verdienst  gelobt.  Indem  ich  darauf  verweise, 
wiederhole  ich,  dass  es  sich  durch  Reichthum  an  Stoff,  durch 
Zweckmässigkeit  der  Aufgaben,  durch  Gedankenfülle  und  Rich- 
tigkeit der  Entwürfe  auszeichnet,  und  setze  hinzu,  dass  in  der 
zweiten  Auflage  das  Werk. in  allen  diesen  Punkten  noch  gewon- 
nen hat.  Der  ausführlichen  Entwürfe  sind  210  ,  der  blossen  Auf- 
gaben in  einem  Anhange  noch  200.     Letztere  sind  jetzt  hinzöge- 


Iliilfob.  z.  Stylüb.  v.  Herzog,  Buchberger,  Hiersclic,  Bormann.  403 

kommen,  sowie  zu  den  ersteren  20  neue,  und  5  mit  anderen  ver- 
tauscht. Von  denen,  die  sich  durch  Neuheit  auszeichnen, -will 
ich  nur  ein  paar  anführen ,  nämlich  Nr.  207.  Ein  orientalischer 
Dichter  vergleicht  des  Menschen  Lebenstage  mit  einem  Gesprä- 
che: worin  liegt  die  Aehnlichkeit  zwischen  beiden?  Nr.  180.  Be- 
trachtungen eines  Jünglings  über  den  Gedanken ,  dass  das  ganze 
spätere  Schicksal  des  Menschen  oft  von  den  Jahren  Sechzehn  bis 
Zweiundzwanzig  abhängt.  Nr.  84.  Der  Luxus  von  seiner  vorteil- 
haften Seite  betrachtet.  Ueber  die  letzte  dieser  drei  Aufgaben 
hat  K.  Rosenkranz  in  den  „Studien  ,  Berlin,  1839  "  einen  lesens- 
werten, geistreichen  Aufsatz  geschrieben.  Aufgaben  zu  komi- 
schen Darstellungen  möchte  man  noch  mehrere  wünschen,  wie 
Nr.  148  und  149.  Selbstbetrachtungen  einer  guten  alten  Haut, 
und  Schicksale  eines  Speciesthalers,  von  ihm  selbst  erzählt;  dess- 
gleichen  satirische ,  wie  Nr.  191.  Die  leichtesten  Mittel  reich  zu 
werden;  dessgleichen  poetische,  wie  Nr.  122.  Zuruf  an  die  im 
Herbst  vorbeiziehenden  Störche.  Zu  denen  aber,  die  mir  minder 
passlich  oder  zu  schwer  scheinen,  gehört  Nr.  202.  Schutzrede 
für  die  Wiederherstellung  der  Jesuiten.  Nr.  153.  Warum  medi- 
siren  die  Frauen  mehr  als  die  Männer'?  —  an  welcher  Aufgabe 
mir  auch  der  undeutsche  Ausdruck  medisiren  missfällt.  Wir  sind 
es  wohl  unsrer  Sprache  schuldig,  wenigstens  aus  der  edleren 
Schreibart  Fremdwörter  möglichst  zu  verbannen;  im  mündli- 
chen Vortrage,  besonders  dem  wissenschaftlichen,  sind  sie  frei- 
lich noch  zu  dulden.  Für  medisiren  und  Medisance  (was  gleich- 
falls in  der  Aufgabe  Nr.  165.  vorkommt)  haben  wir  ja  lästern  und 
Lästerung,  und  selbst  Sheridans  Lustspiel  the  school  for  scan- 
dal  hat  den  Titel  Lästerschule  in  den  deutschen  Uebersetzungen. 
Ich  würde  daher  den  Verf.  bitten,  bei  einer  dritten  Auflage  die 
Aufgabe:  über  die  Reinigung  der  deutschen  Sprache,  hinzuzu- 
fügen. —  Einige  Aufgaben  wären  auch  wohl  vorsichtiger  auszu- 
drücken; wenigstens  würde  in  der  Aufgabe  :  Kenntnisse  der  beste 
Rcichthum  —  der  Superlativ  anzufechten  sein,  da  nach  des  Verf. 
eigener  Bestimmung  in  der  Einleitung:  Rcichthum  ist  der  Zu- 
stand, wo  irgend  etwas  für  ihn  in  Menge  und  Ueberfluss  vorhan- 
den ist  —  auch  ausgezeichnete  Fähigkeiten  und  selbst  Verdienste, 
gute  Handlungen,  Tugend  dahin  zu  rechnen  sein  würden.  So  ist 
auch  in  den  Entwurf  Nr.  26.  Der  Greis  hat  seine  Freuden  — 
manches  aufgenommen  ,  z.  B.  wohlthätige  Anwendung  seines  Ver- 
mögens, Freuden  im  Kreise  der  Kinder,  Enkel  und  Enkelinneu, 
was  nicht  auf  alle  Greise  passt.  —  Die  in  den  Entwürfen  ange- 
wendeten Gedanken  sind  fast  tadellos;  in  Nr.  27.  würde 
aber  bei  der  Wahl  der  Lebensart  auf  den  Stand  der  Eltern  wohl 
nur  sehr  wenig  Rücksicht  zu  nehmen  sein.  —  Die  Entwürfe  selbst 
sind  fast  stets,  wie  es  sein  muss ,  in  die  drei  Theile,  Einleitung, 
Abhandlung,  Schluss  zerlegt  (statt  Abhandlung  würde  ich  lie- 
ber Satz  sagen,    weil  Abhandlung  gewöhnlich  für  Ausführung 

26* 


404  S  t  y  l  ü  t)  u  11  g  c  n. 

oder  für  einen  Aufsatz  belehrenden  Inhalts  angewandt  wird),  aber 
thoils  sind  diese  Wörter  gebraucht,  theils  nicht.  Wäre  es  immer 
geschehen,  so  bedürfte  es  der  Zahlen  I.  II.  III.  d:ibei  nicht. 
Wichtiger  ist ,  dass  entweder  Einleitung,  und  diese  häufig,  oder 
auch  Schluss,  wiewohl  seltner,  oder  auch  beide,  z.  I).  Nr.  17. 
besonders  in  Hinsicht  des  Schlusses  verhältnissmässig  zu  viel 
Stoff  enthalten,  was  schon  daraus  hervorgeht ,  dass  die  Schluss- 
gedanken in  zwei  Haupttheile,  der  erstere  wieder  in  zwei  Unter- 
abtheilungen, und  die  erste  Unterabtheilung  abermals  in  vier  Un- 
terunterabtheilungen zerlegt  sind.  —  Etwas  Wichtiges  ist  es  fer- 
ner, die  koordinirten  Sätze  recht  scharf  durch  den  Ausdruck  aus- 
einander zu  halten.  Diess  ist  z.  B.  in  den  beiden  Ilaupttlieilen 
des  oben  erwähnten  Schlusses  nicht  geschehen.  Sie  heissen: 
„1)  Zwar  kann  man  sich  Fälle  denken,  wo  Uebersetzungen  selbst 
Schülern  nützlich  werden  können.  2)  Aber  dergleichen  Schüler 
giebt  es  auf  Schulen  nicht  viel:  also  besser  —  alle  Uebersetzun- 
gen aus  den  Händen  der  Schüler  verbannt.''1,  —  Unerlässlich  ist 
es  ferner,  dass  jeder  mit  Zahl  oder  Buchstaben  bezeichnete  Satz 
einen  Gedanken  für  sich  ausspreche,  und  dass  dieser  nicht  erst 
in  den  Unterabtheilungen  zu  suchen  sei.  So  heisst  es  fälschlich 
Nr.  10.  1)  Es  ist  zwar  wahr  (das  Wahre  folgt  aber  erst  in  a  u.  b.). 
Es  sollte  heissen  1)  Das  Wandern  ist  mit  Unannehmlichkeiten  und 
Gefahren  verknüpft.  —  Gegen  die  richtige  Anordnung  ist  mir 
eben  kein  Verstoss  aufgefallen ;  warnen  muss  man  vor  der  Zer- 
theilung  eines  öbersatzes  in  zu  viele  Untersätze.  So  ist  i\r.  179 
der  Hauptsatz  in  7  Theile,  Nr.  173  in  8  Theilc  zerlegt,  statt 
dass  die  letzteren  sich  hätten  theilen  lassen  mit  Rücksicht  auf 
den  Jüngling  selbst  und  auf  Andere.  Doch  genug  der  Ausstel- 
lungen, die  den  Verf.  nur  überzeugen  sollen,  dass  ich  sein  Buch 
aufmerksam  geprüft  habe,  und  welche  ich  zum  Theil  mit  einiger 
Mühe  habe  aufsuchen  müssen  v  so  dass  ich  dessungeachtet  diese 
Sammlung  für  eine  der  besten,  ja  vielleicht  in  Rücksicht  der 
Reichhaltigkeit  für  die  beste  erkläre  und  sie  mit  voller  Ueberzeu- 
gung  empfehle,  dem  wackern  verdienstvollen  Greise  übrigens 
wünsche,  dass  er  eine  dritte,  wohl  abermals  zu  vermehrende 
Ausgabe  erleben  möge. 

An  Zahl  der  Aufgaben  scheint  zwar  auf  den  ersten  Anblick 
die  lateinische  Sammlung  noch  mehr  zu  leisten,  die  der  Verf.  laut 
der  kurzen  Vorrede  eben  so  sehr  zur  Benutzung  für  das  Sprechen 
als  für  das  Schreiben  bestimmt  hat,  insofern  den  lateinischen 
Disputationen  oder  Sprechübungen  auf  vielen  Schulen  Stunden 
eingeräumt  sind.  Aber  diess  ist  nur  Schein,  denn  ein  und  das- 
selbe Thema  kommt  häufig  zwei-,  dreimal  und  öfter  vor,  otium 
und  poesis  jedes  wenigstens  dreimal,  philosophia  viermal,  ira 
und  historia  fünfmal,  und  am  häufigsten  die  studia  literarum. 
Diess  soll  übrigens  nicht  getadelt  sein;  denn  es  ist  gewiss  recht 
nützlich,  dasselbe  Thema  von  verschiedenen  Seiten  zu  betrach- 


Hulfsb.  z.  Stylüb.  v.  Herzog-,  Buchherger,  Hierscbe,  Bormann.  405 

fen,  aber  theils  sind  manche  Entwürfe  doch  gar  zu  kurz,  z.U. 
Nr.  14,"),  147,  148,  149,  150,  theils  ist  dabei  gar  keine  Ordnung, 
kein  Plan  bemerkbar,  wie  denn  liier  doch  wohl  z.  B.  von  den  kür- 
zeren Entwürfen  zu  den  ausführlicheren  hätte  fortgesell  ritten 
werden  können.  Es  ist  vielmehr  eine  farrago,  die  ein  jeder,  der 
sie  gebrauchen  will,  erst  durcharbeiten  und  sich  Ordnung  hinein- 
bringen mag,  die  aber  dann  vielfältigen  Mutzen  gewähren  wird, 
wie  denn  die  Ilinweisung  auf  Schriften,  besonders  lateinischer 
Klassiker,  aus  denen  Stoff  für  die  einzelnen  Aufgaben  zu  schö- 
pfen ist,  lobende  Anerkennung  des  Fleisses  und  der  Zweckmäs- 
sigkeit verdient.  Zum  Schluss  sind,  ebenfalls  recht  passlich, 
unter  dem  Titel  concinnatum  subsidiorum  promptuarium  mehrere 
speclmina  der  narratio ,  descriptio,  laudatio,  vituperatio,  com- 
paratio,  ampli'icatio,  dilatatio  periodica ,  thesis ,  chria ,  oratio 
(nämlich  der  Ciceronischen  pro  Archia  poeta)  hinzugefügt. 

Die  beiden  folgenden  Bücher  unterscheiden  sich  von  den  er- 
steren  theils  dadurch,  wie  schon  oben  bemerkt,  dass  sie  eben  so 
sehr  Anweisungen  als  Sammlungen  sind,  und  besonders  gilt  diess 
von  dem  letzten  ,  theils  dass  sie  nicht  für  Gymnasien ,  sondern 
das  erstere  für  obere  Madchenclasscn ,  das  letztere  für  Elemen- 
tar- und  Bürgerschulen  ,  bestimmt  sind.  Bas  Buch  von  Iliersche 
t heilt  sich  in  Ideen  zu  Stylübungen  (70),  und  in  Stylproben  (44). 
Bei  den  Ideen  geht  der  Verf.  auf  sehr  verschiedene  Art  zu  Werke, 
und  dicss  ist  nur  zu  loben.  Er  giebt  z.  B.  ein  Gedicht  wie  in  Nr. 
1.  an  eine  grosse  Eiche,  und  entwickelt  die  Hauptgedanken  des- 
selben, um  danach  eine  schildernde  Betrachtung  in  Prosa  ent- 
werfen zu  lassen,  oder  in  Nr.  10,  wo  er  einige  Gedanken  zum 
Lobe  des  Stadtlebens  vorausschickt,  und  dann  2  Gedichte  folgen 
lässt,  damit  danach  die  Aufgabe,  bearbeitet  werde.  In  Nr.  30. 
giebt  er  nur  einige  Verse,  und  räth  diese  zu  erklären  und  mit  den 
Schülerinnen  zu  besprechen.  Bisweilen  sind  die  einzelnen  Punkte 
fast  entwurfsmässig  ohne  weitere  Zuthat  geordnet,  wie  Nr.  24, 
nachdem  eine  Einleitung  voraugeschickt  ist,  oder  auch  ohne  diese, 
wie  in  Nr.  07,  bisweilen  sind  die  Hauptgedanken  ziemlich  weit- 
läuft ig  auseinander  gesetzt,  wie  in  Nr.  20;  in  mehreren  laufen 
dieGcdankeu  ohne  weitere Eintheilung  hintereinander  fort,  wie  in 
Nr.  25  und  58;  bisweilen  ist  die  Form  vorgeschrieben,  wie  in  Nr. 
20  als  Brief,  oder  in  Nr.  37  als  Schilderung.  Diese  Abwechse- 
lung ist  höchst  zweckmässig,  allenfalls  wäre  ein  Forlschritt  vom 
Leichteren  zum  Schwereren  und  eine  grössere  Menge  von  Auf- 
gaben zu  wünschen,  wiewohl  ein  verständiger  Lehrer  das  Leich- 
tere vom  Schwereren  seihst  unterscheiden,  und  nach  den  vorhan- 
denen Aufgaben  ähnliche  neue  bilden  kann.  Auch  die  Wahl  ist 
meistens  sehr  passlich ,  obgleich  dabei  noch  mehr  auf  das  weib- 
liche Geschlecht  hätte  Ltücksicht  genommen  weiden  mögen,  wie 
»Hess  2.  B.  bei  Nr.  36.  Wann  wird  das  Lesen  dem  Mädchen 
naclitheiligl  der  Fall  ist.     Am  wenigsten  scheinen  mir  die  ge 


40(3  Styliibungcn. 

lehrtercn  historischen  Aufgaben  für  Mädchen  geeignet,  wie  Nr. 
40.  Entstellung  des  Ordens  der  Dominikaner  und  Franziskaner. 
—  Dieselbe  Ahwechselung  und  zweckmässige  Wahl  findet  sich 
auch  bei  den  von  mehreren  Schriftstellern  entlehnten  Stylproben, 
so  dass  auch  diese  Schrift  Empfehlung  verdient. 

Die  methodische  Anweisung  von  Bormann  endlich  ist  wegen 
der  darin  aufgestellten  reiflich  durchdachten  und  erprobten  rich- 
tigen und  zum  Theil  neuen  Ideen,  und  der  lichtvollen,  lebendi- 
gen, ergreifenden  Darstellung  derselben  zu  loben.  Er  fängt  mit 
einer  „nothwendigen  Erweiterung  des  Begriffs  Stylübungen"  an, 
indem  er  darunter,  und  mit  vollem  Recht,  eben  so  sehr  die  münd- 
liche als  die  schriftliche  Darstellung  versteht.  Es  folgen  allge- 
meine didaktische  Regeln  in  ihrer  Anwendung  auf  die  Stylübun- 
gen und  besondere.  Er  theilt  sodann  den  Lehrgang  und  den  Lehr- 
stoff in  drei  Stufen  der  Vorbereitung,  der  Nachbildung  und  der 
freien  Darstellung,  und  unterscheidet  auf  jeder  Stufe  die  münd- 
lichen und  schriftlichen  Ucbungen.  Er  stellt  überzeugend  dar, 
dass  man  mit  der  Erzählung  anfangen,  darauf  die  Beschreibung 
und  Schilderung  folgen  lassen,  und  mit  der  Abhandlung  schlies- 
sen  müsse.  Die  Geschäftsaufsätze  werden  nachträglich  betrach- 
tet. Die  Briefform  hält  er  mit  Recht  für  keine  besondere  Art 
der  Darstellung,  insofern  der  Brief  dem  Inhalte  nach  erzählend, 
beschreibend  und  abhandelnd  sein  könne,  und  hält  es  daher  „für 
natur-  und  zweckgemässer,  nach  vorangegangener  kurzer  Beleh- 
rung über  Zweck,  äussere  und  innere  Form  des  Briefes  u.  s.  w. 
die  Anfertigung  von  Briefen  erzählenden  Inhalts  nach  der  Erzäh- 
lung ,  die  Anfertigung  von  Briefen  beschreibenden  Inhaltes  nach 
der  Beschreibung  u.  s.  w.  zu  fordern.  "  Für  jede  Stufe  sind 
gleich  nach  der  Anweisung  eine  ziemlich  bedeutende  Menge  von 
zweckmässigen,  aus  verschiedenen  Schriften  entlehnten  Beispie- 
len hinzugefügt.  Unter  den  allgemeinen  Regeln  heisst  die  zweite: 
„Führe  nie  die  Schüler  auf  eine  höhere  Stufe  der  Ucbung,  be- 
vor sie  nicht  eine  genügende  Sicherheit  auf  der  niederen  gewon- 
nen haben."  Das  bunte  Durcheinander  an  dem  stylistischen  Ele- 
mentarbüch  von  Falkraann  wird  getadelt,  und  behauptet,  dass 
die  Abwechselung  nicht  in  der  Form ,  sondern  im  Stoffe  liegen 
müsse.  —  Wie  nun  auch  hierüber  und  über  manche  andere 
Punkte  die  Fachgelehrten  denken  mögen,  so  viel  bleibt  gewiss, 
dass  das  Buch  gelesen  und  studirt  zu  werden  im  hohen  Grade 
würdig  ist. 

Breslau.  Kanne  giesser. 


Dissens  kleine  latein.  und  deutsche  Schriften.  407 

Kleine  lateinische  und  deutsche  Schriften  von  Lu- 
tlolph  Dissen,  Nebst  biographischen  Erinnerungen  an  Dissen  von 
Fr.  Thierscb,  F.  G.  Weleker,  K.  O.  Müller.  Göttingen.  Druck 
und  Verlag  der  Dieterichschen  Buchhandlung.  1839.  LXIX  und 
446  S.      8.      (2  Thlr.) 

Schriften  wie  die  vorliegende  haben  im  Allgemeinen  einen 
doppelten  Zweck.  Entweder  sind  sie  der  natürliche  Ausdruck 
einer  echten  Pietät  gegen  einen  edlen  Verstorbenen,  dessen  zer- 
streute Geistesprodukte  man  dem  Andenken  seiner  Freunde  zu 
erhalten  wünscht ,  oder  sie  sind  zugleich  ein  tüchtiges  Beförde- 
rungsmittel gründlicher  Wissenschaft.  Dieser  doppelte  Gesichts- 
punkt, je  nachdem  er  vereinzelt  oder  vereinigt  erscheint ,  giebt 
zugleich  für  die  Beurtheilung  solcher  Schriften  den  rechten  Maass- 
stab an  die  Hand.  Sehen  wir  nun  auf  die  vorliegende  Sammlung, 
so  ist  sie  nach  ausdrücklicher  Bemerkung  (S  XLV.)  in  beiderlei 
Beziehungen  veranstaltet  worden.  Ausser  den  allgemeinen  wis- 
senschaftlichen Zwecken  hat  auch  immer  das  persönliche  Inter- 
esse an  dem  Verstorbenen  Berücksichtigung  gefunden,  so  dass  es 
sehr  interessant  und  lehrreich  ist,  den  individuellen  Bildungsgang 
und  Lebensplan  des  edlen  Dissen  auf  diese  Weise  näher  kennen 
zu  lernen.  Der  gegenwärtige  Bericht  bezweckt  eine  kurze  Darle- 
gung des  Inhaltes  mit  einigen  eingestreuten  Bemerkungen  zu  ge- 
ben, nebst  dem,  was  die  eigene,  durch  Dissens  Schriften  gewon- 
nene Ueberzeugung  in  den  Ausdruck  dieser  epitomatorischen 
Entwickelung  mit  hineinlegt. 

Voran  stehen  die  biographischen  Erinnerungen  an  Dissen  von 
den  drei  berühmten  Gelehrten,  welche  auf  dem  Titel  genannt 
sind.  Diese  durch  ungeschminkte  Einfachheit  und  lehrreiche 
Abwechselung  ausgezeichneten  Schilderungen  stellen  das  Bild  von 
Bissen  in  seinen  verschiedenen  Lebensperioden  so  lebhaft  und 
deutlich  vor  die  Seele  des  Lesers,  dass  wohl  Niemand  diese  ge- 
lungenen Darstellungen  ohne  vielfachen  Genuss  aus  der  Hand 
legt.  Im  ersten  Abschnitte  bis  S.  XI.  schildert  der  gefeierte 
lMiilhellene  Dissen  in  seinen  früheren  Jahren,  von  dem  Zeit- 
punkte an,  wo  dieser  1798  zugleich  mit  ihm  selbst  in  die  Schul- 
pforle  gebracht  wurde.  Diese  berühmte  Lehranstalt  bot  damals 
noch  „das  ungestörte  Bild  alter! hümlicher  und  klösterlicher  Ein- 
richtung und  Zucht,  deren  Strenge  jedoch  weder  der  Heiterkeit 
des  Geistes  noch  der  Freiheit  innerer  Bewegung  Abbruch  lhat.M 
Es  war  überhaupt,  ungeachtet  mancher  Einseitigkeit,  ein  grosser 
Vorzug  jener  kernhaften  Zeit,  dass  der  gewinnsüchtige  Mate- 
rialismus die  Lehranstalten  noch  nicht  in  Werkstätten  irdischer 
Weisheit  umgemodelt,  und  der  handwerksmässige  Betrieb  der 
Studien,  der  jetzt  von  vielen  Seiten  her  begünstigt  wird,  die 
Schulen  noch  nicht  überzogen  hatte.     Wenn  irgendwo,   so  war 


408  Gesammelte  Schriften. 

dieses  Treiben  in  Pforta  unbekannt;  denn  „der  Geist  der  wahren 
Studia  liberalia  wehte  weckend  und  stärkend  durch  das  etwas  ver- 
fallene Gemäuer  des  alten  Lehrgebäudes."  Denkwürdig  aber  für 
den  damaligen  Zustand  (ehe  nämlich  Lange  und  llgcn  in  Pforte 
wirkend  eingetreten  waren)  ist  im  Folgenden  die  Bemerkung,  dass 
in  der  Schule  eigentlich  Niemand  den  Homer  verstand,  nicht  ein- 
mal der  Rektor  jener  Zeit,  bei  welchem  sich  die  beiden  Freunde, 
Thierse!»  und  Dissen ,  eines  Tages  über  die  Phrasis  der  Odyssee 
(VI ,  129.)  cSg  QvöuiTO  jrspl  %Qot  [.itfdscc  epcoros  vergeblich 
Ratlis  erholten.  Sie  suchten  daher  durch  eigne  Anstrengung  sich 
die  grammatischen  Lläthsel  zu  lösen,  und  in  den  Homer  tiefer 
einzudringen.  Nach  sechs  Jahren  wurden  Beide  an  Einem  Tage 
zur  Universität  entlassen.  Dissen  ging  mit  dem  Entschluss  sich 
unter  Heyne  den  philologischen  Wissenschaften  zu  widmen  nach 
Göüingen,  Thiersch  nach  Leipzig.  Nach  drei  Jahren  trafen  sie 
wieder  in  Göttingen  zusammen,  um  gemeinsam  die  philologischen 
Studien  zu  betreiben  und  die  akademische  Laufbahn  daselbst  zu 
beginnen.  Doch  bald  führten  die  traurigen  Verhältnisse  Göttin- 
gens zur  Zeit  der  westphälischen  Herrschaft  im  Jahre  1809  eine 
abermalige  Trennung  herbei.  Hier  schliesst  der  erste  Abschnitt. 
Es  folgt:  L.  Dissen  in  späteren  Lebensjahren  von  F.  G.  Welcher 
(S.  XII  —  XXXIV).  Dieser  ganze  Abschnitt  hat  einen  sehr  an- 
sprechenden und  gemüthlichen  Charakter,  besonders  auch  durch 
die  eingefügten  Bruchstücke  aus  Dissens  Briefen,  welche  derselbe 
an  Hrn.  Prof.  Welckcr  in  der  ungewöhnlichen  Form  von  gr.  8vo 
zu  schreiben  pflegte.  Diese  Briefe  enthalten  eine  zusammenhän- 
gende Geschichte  seiner  Thätigkeit,  seiner  Erlebnisse  und  vor- 
züglich seiner  körperlichen  Leiden.  Man  wird  bei  der  Lectüre 
derselben  theils  zur  Wehmuth  gestimmt,  theils  aber  auch  zur 
Bewunderung,  wenn  man  sieht,  wie  die  Flamme  des  Geistes  im- 
mer wieder  über  das  zerbrechliche  Gefäss  des  Körpers  empor- 
schlägt und  zu  Werken  begeistert,  wie  sie  der  edle  Dissen  ge- 
schaffen hat.  Ausserdem  zeigen  diese  Briefe  eine  seltene  Stärke 
und  Innigkeit  freundschaftlicher  Gesinnungen,  und  geben  viele 
herrliche  Gedanken,  wodurch  sie  ein  von  der  Person,  an  welche 
sie  gerichtet  sind,  unabhängiges  Interesse  gewinnen.  Es  ist  nur 
zu  bedauern,  dass  die  Mittheilung  derselben,  jedoch  mit  Weg- 
lassung störender  Persönlichkeiten,  nicht  zahlreicher  ist.  Einige 
für  Dissens  wissenschaftliche  Leistungen  beachtenswerthe  Stellen 
wollen  wir  ausheben.  S.  XVIII.  „Die  Erkenntuiss  des  Schönen  ist 
die  erhabenste  Aufgabe  der  Philologie;  denn  die  vollendete  Dar- 
stellung des  Schönsten. in  schönster  Form  ist  das  Wesen  des  ho- 
hen ciassischen  Styls,  und  alles  Begreifen,  welches  beim  Einzel- 
nen stehen  bleibt,  ist  nothwendig  Ieer.u  [Den  Commentar  zu 
diesen  Worten  giebt  Düntzer  in  der  Dedication  zu  seiner  Schrift: 
Die  Fragmente  der  epischen  Poesie  der  Gr.  Köln  1840.]     Weiter 


Dissens  kleine  iatcin.  und  deutsche  Schriften.  409 

lieisst  es:  „Ich  habe  geschn,  dass  das  Erkennen  der  Idee  erst  die 
wahre  Begeisterung  bringt,  und  es  schien  mir  begreiflich,  wie 
dabei  doch  jene  ruhige  Besonnenheit  walten  könne,  die  wir  in 
den  Productionen  der  Alten  finden,"  [Damit  vergl.  man  ähnliche 
Gedanken  S.  321.  vBewusstIoses  oder  noch  nicht  zu  einem  be- 
stimmten Grade  des  Bewusstseins  gelangtes  Dichten  giebt  uncor- 
reetc  Productionen,  gleichwie  das  Uebergewicht  der  Reflexion 
Kiinstlichkeit:  das  wahrhaft  Klassische  liegt  in  der  Mitte  zwischen 
diesen  Extremen ,  und  Mir  nehmen  keinen  Anstand  zu  behaupten, 
dass  die  schönsten  Werke  der  Hellenen  auf  einer  wunderbaren 
Harmonie»  und  Durchdringung  poetischen  Sinnes  und  Gefühls  und 
kunstlicher  Besonnenheit  und  geübten  Kunstverstandes  beruhen.u 
S.  322   ., Manche  denken  bei  Kunst  gleich  an  Künstlichkeit  oder 

Mangel  der  Begeisterung,  was  doch  deutlich  verschieden; 

die  hohe  Vortreiflichkeit  aber  der  Griechischen  Kunst  beruht  auf 
jenem  glücklichen  Sinne,  in.  welchem  poetische  Begeisterung  mit 
Klarheit  des  Urtheils  wunderbar  gepaart  war.1'  S.  323  ,,der  Phi- 
lologe muss  immer  zugleich  ausser  dem  grammatischen  einen 
künstlerischen  Blick  haben,  wenn  er  die  Bede  begreifen  will."] 
S.  XXI 1.  ,,Ich  sammle  für  ein  Werk  über  die  Technik  des  classi- 
schen  Ausdrucks,  welches  künftig  neben  der  Grammatik  und  Syn- 
tax als  besondere  Wissenschaft  der  Philologie  stehen  muss."  [Die 
Mittheilung  der  im  IVachlass  sich  etwa  vorfindenden  Fragmente 
sowohl  von  dieser,  als  auch  von  den  anderweitig  angedeuteten 
Arbeiten  würde  gewiss  Vielen  erwünscht  sein.]  S.  XXVII.  ,, lie- 
ber meinen  Tibull  erhalte  ich  viele  günstige  Urtheile,  mehr  als 
über  den  Pindar ,  ohne  Zweifel  weil  die  Leute  das  leichter  und 
besser  verstehn,  und  ihnen  der  Pindar  zu  unbekannt  ist.  Indessen 
hoffe  ich,  was  auch  meine  Absicht  war,  dass  diess  eine  Brücke 
sein  soll  für  den  Pindar."  In  Beziehung  auf  Demosthenes  de  Co- 
rona heisst  es  S.  XXIX.  ,,Die  Ausgabe  von  Bremi  [welche  Ref.  in 
Dissens  Bearbeitung  nirgends  berücksichtigt  gefunden  hat]  ist  ganz 
leer  und  flach.  Die  meinige  sucht  auf  alles  Wichtige  einzugehn, 
so  viel  ich  nämlich  vermochte.  Ein  wackerer  Mann  ist  Vömel, 
der  die  Philippischen  Reden  bearbeitet  hat,  und  im  Historischen 
sind  seine  Zusammenstellungen  fleissig,  auch  hat  er  allerlei  be- 
achtenswerthe  Sprachbemerkungen ;  aber  seine  Behandlung  ist 
trocken,  nicht  anregend,  weil  die  Gedankenentwicklung  fehlt. 
Das  wird  nun  allerdings  meine  Behandlung  der  Rede  pro  Corona 
auch  leisten,  und  sie  könnte  also  mehr  Leben  in  diesen  Theil 
bringen.  Indessen  hinter  der  Idee  bleibt  auch  dies  Buch."  Im 
Folgenden  erwähnt  er  die  in  seiner  Ausgabe  jetzt  voranstehende 
Abhandlung  über  den  Periodenbau  und  bemerkt:  „Was  in  den 
Grammatiken  und  andern  Aufsätzen  für  Schüler  davon  gesagt 
wird,  ist  geringfügig,  oberflächlich  und  selbst  ganz  falsch  zum 
Theil ;  daher  ich  bemüht  bin,  die  Principien  und  Grundlagen  der 


410  Gesammelte   Schriften. 

Sache  festzustellen  wo  möglich.  Aber  das  ganze  Fehl  im  Detail 
zu  durchmessen  ist  nicht  Eines  Menschen  Arbeit;  da  kommt  ja 
auch  der  historische  Satzbau  und  der  wissenschaftliche  und  der 
poetische  in  Frage  und  vieles  der  Art  am  Ende,  was  erst  in  der 
Folge  wird  Gegenstand  der  Untersuchung^  werden  müssen."  [Mit 
dieser  letzten  Andeutung  kann  man  jetzt  den  Schluss  der  Abhand- 
lung selbst  vergleichen]  Auf  diese  brieflichen  Mittheilungen 
folgt  über  Dissens  letzte  Lebenstage  (er  starb  während  des  Göt- 
tinger Jubiläums)  eine  Schilderung,  die  mit  einer  Lebendigkeit 
aufgefasst  und  bis  zu  einem  Grade  der  Anschaulichkeit  erhoben 
ist,  wie  man  es  nur  von  dem  frischen  Gepräge  und  der  eigen- 
thümlichen  Lebenswärme  freundschaftlicher  Erinnerung  erwar- 
ten kann. 

Ruhiger  und  van  einem  entfernteren  Standpunkte  aus,  der 
bei  der  Anlage  des  Ganzen  unvermeidlich  war,  ist  der  dritte  Ab- 
schnitt geschrieben ,  welcher  Ergänzende  biographische  Nach- 
richten von  A.  O.  Müller  enthält  (S.  XXXV  — LX1I).  Dieser 
Thcil  hat  den  Zweck,  die  vorhergehenden  Mittheilungen  in  so 
weit  zu  ergänzen,  dass  sie  sich  zu  dem  Ganzen  einer  biographi- 
schen Skizze  abrunden. 

Georg  Ludolph  Dissen  war  am  17.  December  1784  zu  Gros- 
sen-Schneen  (bei  Göttingen),  wo  sein  Vater  Prediger  war,  ge- 
boren. Im  dreizehnten  Jahre  verlor  er  seine  Eltern,  kam  im  vier- 
zehnten nach  Pforte,  und  verlebte  darauf  seine  Universitätsjahre 
(von  1804  bis  1808)  in  Göttingen.  Schon  damals  hatte  ein  Kreis 
junger  Studirender,  meist  Edellcute  aus  den  Ostseeprovinzen  des 
russischen  Reiches,  sich  Dissen  zum  Führer  und  Meister  auf  dem 
Felde  der  classischen  Philologie  erwählt.  In  Gesellschaft  dieser 
nordischen  Freunde  brachte  er  einen  Sommer  in  Dresden  zu,  ge- 
theilt  zwischen  wissenschaftliche  Uebungen,  Kunstgenüsse  und 
Ausflüge  in  die  Umgegend.  (Von  i\t\\  damals  gesammelten  Ein- 
drücken hat  er  später  in  der  Nacht  seines  Lebens,  wo  ihn  Kränk- 
lichkeit mehr  und  mehr  an  sein  Zimmer  fesselte,  recht  eigentlich 
gezehrt.)  Nach  der  Rückkehr  von  Dresden,  im  Jahre  1808,  liabi- 
litirte  er  sich,  wurde  1811  einer  der  Stifter  und  der  erste  Präses 
der  philologischen  Gesellschaft,  und  zu  Ostern  des  Jahres  1812 
als  ausserordentlicher  Professor  der  Philologie  nach  Marburg  ver- 
setzt. Doch  schon  im  Herbst  1813  kehrte  er  nach  Göttingen  zu- 
rück, um  liier  eine  ausserordentliche  Professur  zu  übernehmen, 
welche  zu  Ostern  1817  in  eine  ordentliche  verwandelt  wurde.  Im 
J.  1832  wurde  er  zum  llofrath  ernannt,  1833  zum  Mitgliede  der 
Societät  der  Wissenschaften,  1834  zum  auswärtigen  Mitgliede  der 
Münchner  Akademie. 

Noch  zwei  Punkte  kommen  in  Betrachtung.  Erstens  Dissens 
Lehrvortrag,  Dieser  hatte  einen  sehr  gemessenen  logischen 
Gang,  übersprang  keinen  Mittelgcdanken,  der  zur  vollständigen 
Schlussfolgc  und  Gedankenreihe  gehörte,  keine  Abtheilung,  die 


Dissens  kleine  hitein.  und  deutsche  Schriften.  411 

sich  aus  dem  allgemeinen  Theilungsprincip  ergab,  auch  wenn  das 
zu  Sagende  sich  leicht  aus  dem  Uebrigen  ergänzen  liess.  Diesen 
erfreute  sich  daher  eines  entschiedenen  Erfolges  in  seiner  Lehr- 
tätigkeit, und  wusste  seine  Schüler  von  einer  begeisterten  Liebe 
für  das  Alterthum  anzuhauchen.  [Hier  wäre  es  zweckmässig  ge- 
wesen, wenn  sich  Hr.  Hofrath  Müller  auch  auf  Zeugnisse  von 
Dissens  Schülern  berufen  hätte,  da  doch  Niemand  in  der  Welt 
den  Werth  eines  Lehrers  unparteiischer  zu  bcurtheilen  pflegt,  als 
seine  erwachsenen  und  tüchtig  gewordenen  Schüler.  Ueber 
Dissens  Begeisterung  erweckenden  Vortrag  hat  Ref.  unter  andern 
ein  schönes  Zeugniss  von  Kühner  gelesen  in  der  Vorrede  zu  Ci- 
cero's  Tusculanen.]  Dissens  Lehrvortrag  führt  zweitens  auf  die 
Methode  seines  wissenschaftlichen  Verfahrens  überhaupt.  Dissen 
pflegt  immer  ein  logisches  Gerüst  [oder  wie  er  selbst  S.  421  es 
nennt  „die  organische  Gliederung  der  Massen,  den  wahren  Bau 
des  Ganzenu]  zu  construiren,  und  darin  alle  einzelnen  Felder  und 
Fächer  zu  unterscheiden.  Dann  untersucht  er,  in  wiefern  die 
Linien  und  Knoten  dieses  über  den  Gegenstand  geworfenen  Netzes 
von  Begriffen  mit  den  natürlichen  Gliedern  und  Gelenken  des  Ge- 
genstandes zusammentreffen ,  bringt  durch  ein  combinatorisches 
Verfahren  die  unterscheidbaren  Theile  in  alle  Verbindungen,  die 
sie  möglicherweise  eingehen  können,  und  entwickelt  endlich,  wie 
die  historische  Erscheinung  sich  zu  allen  diesen  Combinationen 
verhalte.  Dabei  zeigt  er  sich ,  obgleich  scheinbar  nahekommend, 
dennoch  dem  Streben  derer,  welche  die  Kantischen  Kategoricen 
unmittelbar  auf  den  historischen  Stoff  in  Anwendung  bringen, 
entschieden  abhold.  Diese  Ideen  nun  hat  er  durch  praktische 
Beispiele  in  drei  Ausgaben,  des  Pindar,  Tibull  und  Demosthenes 
vielseitig  entwickelt,  und  dadurch  eine  Erklärung  der  Alten  zu 
begründen  gesucht,  welche  nicht  blos  Sprache  und  Inhalt ,  nach 
hergebrachter  Weise  erläutert,  sondern  auch  das  ganze  Kunstwerk 
!so  aiialysirt,  dass  die  Beziehung  eines  jeden  Theils  zur  Idee  des 
Ganzen  deutlich  hervortrete,  ohne  die  Entwickelung  blos  mit  dem 
rauschenden  Flittergolde  ästhetischer  Bandglossen  zu  verzieren. 
I  [Dissen  selbst  sagt  über  seine  Ausgabe  des  Pindar  S.  397  ,,das 
Ziel  des  Strebens  musste  sein  anschauliche  Darlegung  der  Harmo- 
nie des  Gedankens  und  der  Form  und  Zurückführung  des  Einzel- 
nen auf  den  Zweck  des  Ganzen. u]  Das  Scharfsinnige  und  Frucht- 
bare dieser  Verfahrungsweisc  für  die  Erkenntniss  einer  gesetz- 
mässigen  Entwickelung  ist  eben  so  einleuchtend,  und  auch  in  die- 
sen Mahrbb.  von  zwei  gewichh  ollen  Auktoritäten ,  von  Ellendt 
für  Tibull,  von  Franke  für  Demosthenes  anerkannt  und  gewürdigt 
[worden,  als  die  Möglichkeit  nahe  liegt,  durch  eine  über  die 
I  Grenzen  des  poetischen  Gefühls  sich  hinauserstreckende  dialekti- 
I  sehe  Subtilität  in  ein  verschlungenes  Gewebe  selbstgeschaffener 
Begriffs  -  Fächer  hineinzugerathen,  an  welche  weder  der  Dichter 
iu  seiner  Begeisterung,  noch  der  Keduer  im  Aufschwünge  l'euri- 


412  Gesammelte    Schriften. 

ger  Beredtsamkeit  gedacht  hat  *).     Dalier  trat  man  auch  gleich 
Anfangs  diesem  Verfahren  im  vollen  ltüstzeuge  einer  mit  energi- 

*)  Auch  hei  den  geistreichsten  Nachahmern  und  Fortbildnern  der 
Dissenschen  Methode  erscheinen  dieselben  hervorstehenden  Vorzüge 
gemeiniglich  auch  mit  denselben  Schwächen  gepaart,  dass  man  näm- 
lich selbst  das,  was  blos  mit  poetischem  Gefühle  erfasst  sein  will, 
durch  eine  subtile  Dialektik  zergliedert,  und  so  in  den  Schriftsteller 
hineinträgt,  was  eine  unbefangene  Prüfung  schwerlich  darin  finden 
kann.  So  hat  der  vielseitig  fruchtbare  und  seine  Ansichten  mit  leben- 
diger Krnft  entwickelnde  II.  Düntzer  in  seinem  Buche:  Kritik  und  Er- 
klärung der  Oden  des  Iloraz.  Ein  Handbuch  zur  tiefem  Auffassung  der 
Oden  des  Iloraz  (Braunschweig  1840.  VI  u.  3!)0  in  8  ) ,  zwar  in  sehr 
vielen  Gedichten  für  die  Erkenntniss  der  Horazischen  Kompositions- 
weise  Treffliches  geleistet,  und,  indem  er  für  die  Durchschauung  der 
einem  jeden  Gedichte  zu  Grunde  liegenden  Idee  die  verwandten  Oden 
nach  den  Gesichtspunkten  1)  Gottesfurcht,  2)  Sclbstbcschränkung,  3) 
Lebensgenuss ,  4)  Liebe,  5)  Freundschaft,  0)  Dichtkunst,  7)  Thatkraft, 
Streben  zusammengestellt  hat  (in  welcher  Erklärnngsart  ihm  Professor 
llinrichs  in  der  Entwickelung  von  Schillers  Lyrik  vorangegangen  ist), 
»war  manches  sichere  und  wichtige  Resultat  gewonnen;  aber  dabei 
auch  öfters,  durch  den  Scharfsinn  des  Verstandes  verleitet,  den  Wor- 
ten des  Dichters  untergelegt,  was  für  das  poetische  Gefühl  nicht  darin 
liegen  kann.  Wir  wollen  gelegentlich  Einiges,  wie  es  der  Zufall  ge- 
rade mit  sich  bringt,  berühren.  Von  Od.  I,  1.  wird  (S.  302  ff.)  ge- 
sagt, ;,dcr  Dichter  will  sagen,  die  Bestrebungen  der  Menschen  sind 
verschieden  iii  Bezug  auf  Andere  (Ehre),  die  äusseren  Güter  (Macht), 
uud  sich  selbst  (Genuss).  Von  diesen  drei  Bestrebungen  bringt  der 
Dichter  von  jeder  drei  Beispiele  bei."  Dies  wird  nun  weiter  ent- 
wickelt. Wir  glauben  jedoch,  einen  so  kleinlichen  Schematismus, 
wie  ihn  etwa  der  berühmte  Reinhard  in  seinen  Predigten  hat,  einem 
Dichter  wie  Iloraz  nicht  zutrauen  zu  dürfen,  wobei  man  sich  noch 
dazu  drehen  und  wenden  muss,  um  nur  die  Gedanken  in  diese  Fesseln 
hineinzuzwängen.  Unstreitig  wird  jeder ,  der  nicht  mit  dem  Verstando 
unalysirt,  sondern  sich  bei  der  Lectürc  des  Gedichtes  seinem  Gefühle 
überlässt,  sogleich  als  Hauptgedanken  erkennen  Alius  alio  teuetur 
studio,  ego  autem  unice  delector  poesi,  quodsi  me  poctis  adnumeras, 
felicissimus  sum.  Diese  Idee  hat  Horaz  mit  poetischer  Begeisteruug^ 
ohne  sich  vorher  eine  kleinliche  Disposition  aufgesetzt  zu  haben ,  aus- 
geführt, hat  aber  dabei  nach  seiner  öftern  Gewohnheit,  was  man 
schwerlich  leugnen  kann,   die  Beispiele  zu  sehr  gehäuft. 

Ein  anderes  Beispiel  sei  Epod.  X.  Hier  soll  nach  Uro.  D.  (S.  78 
ff,)  der  Kern  des  Gefliehtes  in  v.  13  u.  14  liegen,  und  die  Idee  fol- 
gende sein:  „Iloraz  wünscht  dem  Mäviud  alles  Unglück  und  ist  über- 
zeugt, dass  die  Götter  seinen  Wunsch  erböten  werden,  da  er  als 
schlechter  Dichter  die  Minerva  beleidigt  hat.  Die  Rache  folgt  dem 
Verbrechen    auf   dem   Fussc    nach:    darum  wird   uueh  Müvius  von  dci 


Dissens  kleine  Latein,  und  deutsche  Schriften.  413 

scher  Kraft  gewappneten  und  immerhin  gewaltig  Meinenden  Syi- 
logistik  entgegen,  und  deckte  die  Schwachen  auf,  welchen  diese 

Gottheit  ereilt  werden."  Der  Gedankengang  wird  so  angesehen: 
„Mävius  erscheint  eben  das  Schiff  besteigend,  vielleicht  uuj  nach 
Athen,  das  noch  damals  Hauptbildungsort  war,  zu  gehen.  Linier  bö- 
sem Vogelfluge  zieht  das  Schiff  aus,  das  trägt  den  garstigen  oder 
schmuzigen  Mävius  [so  wird  olentem  aufgefasst].  Dieses  ist  die  Ein- 
leitung, gleichsam  das  Thema.  In  dem  Folgenden  wird  er  nun  an- 
gegriffen I)  als  streitfertiger  Zänker  (v.  3 — 10),  den  darum  die  Winde 
auf  gleiche  Weise  mitnehmen  sollen,  wie  einen  Spielball ;  2)  als 
schlechter  Dichter  (v.  10  — 14,  s.  unten);  3)  als  Feigling  (v.  15 — 20). 
Hier  ist  nun  der  Charakter  des  lästernden  Mävius  genugsam  geschil- 
i  dert,  der  hierin  seine  Nichtigkeit  und  Feigheit  versteckt.  Das  scherz- 
I  hafte  Gelübde  am  Schlüsse  giebt  die  Verachtung  des  Mävius  zu  er- 
i  kennen."  Hier  scheint  dem  Ref.  das  Meiste  hineingetragen  zu  sein, 
nicht  aber  aus  den  klaren  Worten  des  Dichters  hervorzugehen.  Ref. 
(  kann  in  diesem  scherzhaften  Gedichte  nur  Folgendes  finden  :  Maevio 
proficiscenti  fortasse  Athenas  poeta  imprecatur  naufragium  et  mortem 
niiscrrimam  ,  ut  corpus  eins  eiectum  in  littus  a  feris  bestiis  dilanictur; 
qnod  ut  eo  magis  fiat,  vovet  Tempestatibus  sollemnc  sacrificium.  Die 
Durchführung  dieses  Hauptgedankens  beginnt  der  Dichter  nicht  mit 
dem  Augenblicke,  wo  Mävius  das  Schiff  besteigt,  sondern  mit  der  Ab- 
fahrt des  Schiffes.  Dies  sagen  doch  ganz  deutlich  die  Worte:  Unter 
höscr  Aorbedeutung  läuft  das  Schiff  gelöst  vom  Taue  aus  dem  Hafen, 
tragend  den  stinkenden  Mävius  (olentem  entweder  in  Beziehung  auf  die 
Dickleibigkeit,  worauf  v.  21.  opima  praedu  fährt,  worin  Ref.  keine 
Anspielung  auf  die  spnlia  opima  sieht,  wie  Hr.  D.  will,  oder  zugleich 
in  Beziehung  auf  die  veralteten  und  verrosteten  Worte,  welche  Mävius 
gebrauchte,  ipse  seetator  vocum  nntiquarum  schol.).  Da  nun  der 
Dichter  den  Schiffbruch  und  jammervollen  Tod  des  Mävius  wünscht, 
so  ist  es  natürlich,  dass  er  sich  zuerst  an  die  Stürme  wendet:  Südwind 
vergiss  es  nicht,  dass  du  beide  Seiten  peitschest  mit  schauervollen 
Wellen.  Der  finstere  Ostwind  treibe  die  Taue  umher  und  die  zerbro- 
chenen Ruder.  Es  erhebe  sich  der  Nordwind  so  gewaltig,  wie  er  auf 
hohen  Bergen  zitternde  Steineichen  zerbricht.  In  diesen  Worten  auch 
nur  die  leiseste  Andeutung  von  Mävius  dem  streitfertigen  Zänker  zu 
finden,  ist  dem  lief,  unmöglich.  Er  sieht  darin  nichts  weiter  nngedcu- 
tet  als  die  Heftigkeit  entgegengesetzter  Winde,  und  vergleicht  die 
ganz  ähnliche  Stelle  bei  Hom.  Od.  V,  317  sqq  ,  nur  dass  bei  Boras  der 
Westwind  fehlt;  woher  es  zugleich  nach  Hrn.  D.  zur  Gewissheit  wird, 
dass  die  Fahrt  nach  Osten  hingehe  [Westen  ist  Druckfehler].  Au  die 
Wuth  der  Organe  schliesst  sich  der  Wunsch:  Auch  zeige  sich  nicht  in 
finsterer  Nacht  das  freundliche  Gestirn  von  daher,  wo  der  traurige  Orion 
untergeht:  auch  treibe  er  nicht  auf  ruhigerer  Flulh,  als  die  Sieger- 
schnar  der  Griechen.  Hier  fragt  sich  joder  Leser:  worauf  bezieht  sich 
dies  ¥     Die   Antwort    erhält   er   durch    diu   zwei  folgenden  Verse :  als 


414  Gesammelte  Schriften. 

Methode  nach  menschlicher  Beschränkung  zu  unterliegen  pflegt. 
[Auf  Dissens  Verfahren   beziehen    sich    ohne  Zweifel    auch  die 

Pallas  vom  verbrannten  Ilium  ihren  Zorn  wandte  gegen  das  ruchlose 
Schill  des  Ajax.  Wenn  Hr.  D.  in  diesen  Worten  den  tiefen  Sinn  ahnt, 
dass  lloraz  den  schlechten  Dichter  [der  also  invita  Minerva  gedichtet 
habe]  angreife,  und  diese  Ansicht  also  entwickelt:  „Ajas  ward  von  der 
Minerva  verfolgt,  weil  er  die  Kassandra  in  ihrem  Tempel  geschändet 
hat;  so  wird  auch  Minerva,  die  vom  Mävius  durch  sein  Gedicht  belei- 
digt ist,  diesen  vernichten.  Dieses  Bittere  wird  noch  dadurch  gestei- 
gert, wenn  wir  annehmen,  Mävius  wolle  gerade  nach  Athen,  dessen 
Schutzgöttin  Minerva  ist;"  so  muss  Ref.  offen  gestehen,  dass  er  von 
dieser  Tiefe  im  Texte  nicht  ein  Wörtchen  sieht,  sondern  das  Ange- 
führte für  fremdartige  Gedanken  hält.  Eben  so  wenig  kann  er  das 
Folgende  begreifen:  „der  Vergleich  mit  Ajas  wird  im  Folgenden  durch 
den  Kontrast  noch  stärker  ins  Komische  gewendet.  Ajas  starb  inuth- 
voll,  indem  er  sich  noch  zuletzt  stolz  gegen  die  Götter  erhob  [wo  steht 
das  bei  Horaz?];  Mävius  wird  todtenblass  werden  und  mit  Gewimmer 
zum  Jupiter  flehen  ,  aber  umsonst,  sein  Schiff  wird  zertrümmert  wer- 
den." Ref.  siebt  noch  immer  ganz  einfach  so:  dass  Mävius  im  Schiff- 
bruche einen  jammervollen  Tod  finde,  dazu  wünscht  der  Dichter 
Sturm,  eine  finstere  Nacht,  eine  aufgeregte  Meeresfluth.  Dieser  Ge- 
danke erhebt  ihn,  und  er  sieht  schon  im  Geiste  die  Folgen  voraus 
[ähnlich  üb.  1,  15,  9.],  nämlich  die  Todtenblässe ,  das  unmännliche 
Gebeul,  die  nicht  erhörten  Bitten,  wenn  der  Ionische  Meerbusen  brül- 
lend unter  dem  feuchten  Südwinde  den  Kiel  des  Mävius  zerbrochen 
haben  wird.  Und  um  dies  wirklich  in  Erfüllung  gehen  zu  sehen,  ge- 
lobt der  Dichter  scherzend  einen  geilen  Bock  und  ein  Lamra  den  Stür- 
men zu  opfern.  Dass  dieser  Bock  hier  ein  Sinnbild  der  Streitlust  sei 
(III,  13,  5.)  und  dass  Horaz  in  dieser  Beziehung  den  caper  dem  gedul- 
digen Lamme  entgegengestellt  habe,  wie  Hr.  Düntzer  noch  am  Ende 
urthcilt,  das  ist  dem  Ref.  ebenfalls  unwahrscheinlich. 

Wir  wenden  uns  zu  I,  22.  Als  Idee  wird  (S.  334)  aufgestellt 
,, Reinheit  und  Unlicscholteuheit  verleihen  das  wahre  Glück,  das  nicht 
von  uns  genommen  werden  kann.  Die  äusseren  Umstände  können  uns 
nichts  anhaben.  So  will  ich  mich  glücklich  fühlen,  wo  ich  immer 
bin  ;  meine  Lalage  werde  ich  stets  lieben  und  darin  mein  Glück  fin- 
den," was  dann  weitläuftiger  entwickelt  wird.  Dies  sind  nun  aller- 
dings Gedanken,  die  in  dem  Gedichte  vorkommen,  allein  es  kann 
dies  schwerlich  als  Idee  gelten.  Wer  sich  mit  poetischem  Gefühle 
blos  an  die  Worte  des  Dichters  hält,  der  kann,  wie  Ref.  meint,  nur 
Folgendes  finden.  Als  Idee:  Den  Schuldlosen  beschützen  die  Götter. 
Dieser  Hauptgedanke  ist  v.  1  —  4  durch  Bilder  dargestellt,  aber  noch 
unvollständig,  weil  die  Gefahr  noch  nicht  erwähnt  ist,  diese  wird  an- 
gegeben v.  5 — 8.  Hiermit  ist  der  allgemeine  Gedanke  beendigt,  und 
er  wird  nur  noch  durch  ein  Beispiel  aus  des  Dichters  eigenem  Leben 
erläutert  v,  9  — 12.      Ein  Löwe  ist  vor  dem  sorglos  herumschweifenden 


Dissens  kleine  latein    und  dcuUchc  Schriften.  415 

Worte  in  Hcrmann's  Opusc.  VII,  S.  103  Nr.  4.  —  nolcbam  cnim 
signatins  notare  eos,    qui  ubique  —  vel  arcani  cuiusdam  nexue 

Horaz  geflohen;  aher  dies  kann  er  auch  ans  einer  andern  Ursache  ge- 
than  hahen,  daher  wird  v.  13  — 16  hinzugefügt,  also  ein  grimmiger 
Löwe  ist  geflohen.  Um  nun  hei  der  getroffenen  Anordnung  noch  einen 
kräftigen  Schluss  hinzuzufügen,  kehrt  der  Dichter  zu  dem  Hauptge- 
danken zurück,  der  ihn  durch  das  ganze  Gedicht  geleitet  hatte,  und 
wählt  dazu  ein  Paar  Gegensätze,  die  besonders  durch  das  doppelte 
pone  sehr  lebendig  hervortreten,  also:  überall  werde  ich  (wie  dort  im 
Sabinerwalde)  sicher  sein ,  überall  schuldlos  und  ruhig  meine  Lalago 
besingen. 

Ueber  I,  28  verweisen  wir  jetzt  auf  Gerber  im  Schulprogramm  zu 
Sondershausen  1839  und  auf  Jahn  in  diesen  NJbb.  XXVII,  1.  S.  100  und 
gehen  zu  einigen  andern  über. 

Von  1,34.  ist  nach  Hrn.  D.  (S.  80  ff.)  die  Idee:  „die  Weltge- 
schichte ist  das  Weltgericht ;  in  ihr  waltet  die  Vorsehung  ,  die  unsere 
Philosophie,  welche  das  ergründen  will,  was  sie  nicht  erforschen 
kann,  uns  so  gerne  zu  nichte  macht.  Die  Vorsehung  kann  nicht  er- 
wiesen werden,  aber  Jeder,  der  einen  offenen,  freien  Blick  um  sich 
thut,  wird  sich  von  ihr  überzeugen/'  Dies  klingt  gar  zu  modern, 
und  scheint  in  den  Worten  des  Textes  keine  hinlängliche  Gewähr  zu 
haben.  Der  Dichter  redet  von  sich  selbst  und  führt  den  Gedanken 
durch:  Ehemals  habe  ich  die  Götter  wenig  geehrt,  jetzt  kehre  ich  zu- 
rück und  gehe  einen  andern  Weg,  denn  der  Donnergott  hat  bei  hei- 
terem Himmel  seine  ßlitze  geschleudert.  Ref.  will  blos  über  v.  7 
Sprechen,  wo  Hr.  D,  mit  allen  neueren  Herausgebern  nach  plcrumque 
interpungirt.  Dies  scheint  jedoch  gegen  die  Poesie  und  gegen  die  Ele- 
ganz der  Wortstellung  zu  Verstössen.  Gegen  die  Poesie:  denn  durch 
dies  nachhinkende  meislentheits  wird  die  Kraft  der  Rede  offenbar  ge- 
schwächt, indem  es  andeutet,  dass  das,  was  sonst  durch  natürliche 
Ursachen  geschieht,  bisweilen  auch  durch  unnatürliche  Ursachen  be- 
wirkt werde.  Gegen  die  Wortstellung:  nach  dividens  ist  der  Gedanke 
geschlossen,  und  es  wird  nichts  mehr  erwartet.  Aber  noch  etwas  zu 
setzen,  wo  man  nichts  mehr  erwartet,  dürfte  doch  wohl  unrichtig 
sein.  Wir  glauben  daher,  dass  die  frühere  Intcrpunction  nach  divi- 
dens ganz  richtig  und  plcrumque  mit  per  purum  zu  verbinden  seij 
aher  nicht  in  dem  Sinne  ,,non  scmel',  was  Orelli  mit  Recht  tadelnd 
anführt,  sondern  so,  dass  wir  annehmen,  die  Worte  beziehen  sich  auf 
einen  wirklichen  Fall,  wo  Jedermann  wusste,  dass  der  Himmel  blos 
da  rein  war,  wo  der  Blitz  erschien,  der  Horizont  aber  mit  Wolken 
umlagert  wurde.  Der  Sinn  ist  demnach:  Jupiter  hat,  nachdem  er  die 
Gewitterwolken  zcrtheilt  hatte,  nun  am  meist  heitern  Himmel  Blitze 
geschleudert. 

Von  IV,  3.  giebt  Hr.  D.  (S.  2(58  ff.)  die  Idee  so  an:  „Die  Dicht- 
kunst ist  ein  angebornes  Talent,  das  sich  nller  äussern  Hemmungen 
auch  des  Neides   v.  10)    ungeachtet    entwickelt   und    Eingang    findet'1' 


416  Gesammelte  Schriften. 

mysteria   iaetarent,  vcl  loculos  laboriose  figuris  qnibusdam  dc- 
scriptos  monstrarent.]     Da  nun  aber  Dissen  in  seine  Erklärungs- 

unil  den  Gedankengang  also :  „Der  Dichter  unterscheidet  1)  im  Allge- 
meinen giebt  die  Muse  den  Gesang  (v.  17  f.);  so  hat  sie  auch  mir  die 
Gabe  gegeben,  dass  man  mich  als  Sänger  anerkennt;  2)  begünstigt  sie 
auch  im  Einzelnen  den  Sänger,  indem  sie  ihn  selbst  das  Höchste  er- 
reichen lässt  (hyperbolisch:  Fischen  Schwanengesang  leibt  v.  11)  f.); 
so  hat  sie  auch  mein  Streben  gekrönt  (v.  23  f.).  So  ist  also  der  ein- 
fache Gedanke  der  ganzen  Ode:  Die  Dichtergabc  erkennt  in  sich  ihren 
Beruf  und  dringt  gleich  durch  (v.  1  — 12).  So  habe  auch  ich  Ruhm 
mir  erworben,  bin  anerkannt  worden  (v.  13  — 16),  weil  die  Muse  in 
mir  lebt,  der  ich  Alles  verdanke."  Einfacher  und  bestimmter  scheint 
uns  dies:  Qni  Musae  favore  poctica  facultate  praeditus  est,  is  neque 
in  ludis  publicis,  neque  in  bellis  gerendis  gloriam  conseetari  studebit, 
sed  in  recessu  suo  poeta  evadet  nobilissimus  ,  qualis  in  Tibure  meo 
ego ,  qui  a  Uomanis  inter  vatum  numerum  summorum  iam  referor. 
Quae  tarnen  obtigit  mihi  laus  poetue,  cam  omnem  debco  omnipotentis 
Mclpomcncs  favori.  In  den  Worten  curru  Achaico  ist  die  species  für 
das  genus  gesetzt  (Kirchner  zu  Sat.  p.  179.) ,  was  schon  Obbarins,  ein 
grosser  Kenner  des  Horaz,  in  Beziehung  auf  Orelli  bemerkt  hat.  Der 
Zusammenhang  der  Worte:  Mich  würdigt  das  Geschlecht  der  weltbe- 
herrschenden  Roma  zu  setzen  unter  die  lieblichen  Chorreihen  der  Sän- 
ger, ist  deutlich.  Im  Folgenden:  O  Pierische  Muse,  die  du  den  süs- 
sen Wohllaut  in  der  Saiten  Gold  beherrschest,  o  die  du  auch  den  stum- 
men Fischen  schenken  wirst,  wenn  es  dir  gefällt,  den  Schwanenton, 
ist  wohl  keine  Hyperbole  zu  finden ,  sondern  blos  dichterischer  Aus- 
druck für  die  Allmacht  der  Muse.  In  der  letzten  Strophe:  —  Das- ist  ; 
ganz  die  Wirkung  Deines  Geschenkes  ,  dass  Vorübergehende  auf  mich 
mit  den  Fingern  zeigen,  als  auf  den,  der  die  römische  Laute  schlägt, 
—  setzt  Hr.  D.  nach  praetereuntium  ein  Kolon  und  übersetzt:  „Dass 
ich  als  Dichter  der  römischen  Lyra  lebe  und  gefalle,  ist  ganz  dein 
Werk."  Dies  thut  er,  weil  ihm  der  Ausdruck  spiro  für  Dichten  sehr 
auffallend  gebraucht  erscheint,  da  dieses  sonst  höchstens  mit  einem 
Acc.  so  stehen  könne.  Allein  dagegen  lässt  sich  wohl  ausser  der  Wort- 
stellung einwenden  ,  dass  spiro  hier  nicht  sowohl  speciell  vom  Dichten, 
als  vielmehr  (spiritum  edueo  mit  Emphase)  vom  gesummten  Dichterleben 
gesagt  ist. 

Die  an  den  Torquatus  gerichtete  Ode  IV,  7.  hat  nach  Hrn.  D. 
(S.  182  ff.)  folgende  Idee:  „Des  Lebens  Mai  blüht  einmal  und  nicht 
wieder.  Das  Leben  ist  uns  Frühling,  Sommer  und  Herbst,  und  hat 
nur  insofern  Werth,  als  es  uns  Früchte  bringt,  die  aber  nur  im  Ge- 
nuese bestehen.  Bald  kommt  der  Winter,  der  zwar  im  Jahre  wieder 
durch  den  Frühling  verdrängt  wird,  aber  nicht  im  Leben  des  Men- 
schen, dessen  Tod  ewig  dauert,  uns  ewiger  Thatenlosigkeit  hingiebt. 
Drum  benutze  Jeder,  wie  du,  Torquatus,  alle  Zeit,  die  er  erübrigen 
kann   [worin  liegt  dies?],  und  alle  Mittel,  die  ihm  rechtlich  zu  Ge- 


Dissens  kleine  latein.  und  deutsche  Schriften.  417 

Methode  gleichsam  den  Kern  seines  ganzen  geistigen  Daseins  hin- 
eingelegt hat,  und  darum  von  der  ungetrübten  Auffassung  dersel- 

bote  stehen  [welche  Worte  sollen  das  bedeuten?],  zum  Genüsse;  nach 
dem  Tode  hilft  uns  Nichts;  das  einzige  Erstrehbare  ist  Lebensgenuss." 
Auch  die  letzten  Worte  bann  Ref.  aus  dem  Texte  nicht  herausfinden. 
Ucberhaupt  aber  findet  Ref.  das  Ganze  als  „Idee"  zu  weitläuftig,  da 
wohl  Jeder  nur :  Vcre  redeunte  poeta  commendat  Torquato  laetum  vi- 
tae  usum,  als  Hauptgedanken  aufstellen,  in  dem  von  Hrn.  D.  Gesag- 
ten aber  den  mit  einigem  Fremdartigen  vermischten  Ideengang  des  Ge- 
dichtes sehen  möchte.  Wollte  man  übrigens  so  modern  fortfahren, 
wie  Hr.  D.  angefangen  hat,  so  könnte  man  in  der  Uebersetzung 
versuchen : 

Der  Schnee  ist  zerronnen ,  es  kleiden  in  liebliches  Grün  sich  die  Weiden, 

Bäume  umlocken  sich  neu. 
Es  wechselt  die  Flur  mit  den  Zeiten,  die  Flüsse  vertosen  und  gleiten 

Rollend  die  Ufer  vorbei. 
Die  holden  drei  Schwestern  gesellen  zum  Reih'n   sich  den  Nymphen  der 

Quellen 

Flatternd  im  duftigen  Kleid. 
„Nichts  Ewiges   darfst  du  begehren",  das  Jahr  mag's ,   die  Stunde  dich 

lehren, 

Flügel  der  sonnigen  Zeit. 

Doch  Ref.  will  den  lusus  ingenii  nicht  weiter  aus  seinen  Papieren  ab- 
schreiben, und  nur  noch  ein  Gedicht  erwähnen,  in  welchem  ebenfalls 
der  Scharfsinn,  mit  Zurücksetzung  des  poetischen  Gefühles,  zu  Viel 
gesucht  hat. 

Der  Ode  an  den  Censorinus  IV,  8.  soll  nach  Hrn.  D.  (S.  295  IT.) 
folgende  Idee  zum  Grunde  liegen:  ,,Beim  Menschen  kommt  es  auf  das 
Wollen ,  auf  das  Streben  an.  Strebe  Jeder  auf  seinem  Wege  das  zu 
erlangen,  was  er  mit  seinen  Gaben  erreichen  kann;  es  wird  immer  et- 
was Erfreuliches  sein.  Ruhm  und  Ehre  wird  dem  nicht  fehlen,  der 
mit  aller  Kraft  zu  einem  als  gut  erkannten  Zwecke  hinstrebt.'1  Weiter- 
hin, heisst  es:  „Indem  der  Dichter  nur  zu  sagen  scheint ,  Censorinus 
solle  mit  seinem  Willen  fürlieb  nehmen,  fordert  er  ihn  auf ,  muthig 
auf  seinem  Wege  fortzustreben,  wie  er  auf  dem  seinigen  thue.  Ver- 
schiedene Bestrebungen  seien  ja  nicht  nothwendig  feindlich  entgen-en- 
gesetzt,  vielmehr  könne  die  eine  die  andere  unterstützen."  Dies  Alles 
ist  nach  der  Ansicht  des  Ref.  erst  dem  Dichter  unterlegt.  Wer  nicht 
mit  dem  Verstände  grübelt,  sondern  sich  unbefangen  dem  Genüsse  der 
Lektüre  überlüsst,  der  findet,  wie  Ref.  meint,  ein  einfaches,  aber 
wahrhaft  poetischen  Geist  athmendes  Gelegenheitsgedicht  zu  den  Sa- 
turnalien, mit  folgendem  Gedankengange:  Poeta  tlir.it ,  se  nun  mittcre 
amico  donura  pretiosum  ,  quum  neque  res  familiaris  neque  aniiiiiis  tali 
munere  egeat,  sed  mitterc  carmen,  quum  Censorinus  carminibus  ma- 
|  xirae  delectetur,  raaxiniam  autem  esse  carminuin  praestantiam  ,  quippo 
quae  memoriam  rerum  gestarum  certius  servent,  quam  monumenta 
aliorum  generum ,  id  quod  illustrat  exemplis.  Auch  in  den  meisten 
Pf.  Jahrb.  f.  Phil.  u.  Päd.  od.  Krit.  ßtbl.  Dd.  XXVIII,  Bft.  4.  27 


418  Gesammelte  Schriften. 

ben  das  Gesammturtheil  über  seine  wissensebaftliche  Stellung  un- 
ter den  Trägern  der  klassischen  Gelehrsamkeit  wesentlich  ab- 


übrigen  Punkten  kann  Ref.  Hrn.  D.  nicht  beistimmen.  So  soll  in  v. 
r; — 8  eine  Anspielung  liegen,  dass  die  Menschen  nicht  alle  in  dersel- 
ben Sache  sich  auszeichnen,  sowie  dnss  nicht  allen  gleich  grosse  Fä- 
higkeiten verliehen  sind  —  so  schafft  die  Natur  einmal  einen  grossen, 
dann  aber  einen  kleinen  Geist  (hoininetn  —  deum)."  Betrachtet  man 
die  einfachen  Worte  de9  Horaz :  Schenken  würde  ich  freigebig  Opfer- 
schalen und  broncene  Gefässe,  die  gefallen  könnten  meinen  Genossen, 
o  Censorinus,  schenken  würde  ich  Dreifüsse,  Belohnungen  wackerer 
Griechen,  und  nicht  solltest  du  die  schlechtesten  der  Geschenke  davon- 
tragen, wenn  ich  freilich  reich  wäre  an  Kunstwerken,  welche  entwe- 
der  Parrhasius  oder  Scopas  hervorgebracht  hat,  dieser  aus  Stein,  jener 
mit  flüssigen  Farben  geschickt  bald  einen  Menschen  ,  bald  einen  Gott 
darzustellen  — ,  betrachtet  man  diese  Worte  ohne  vorgefasste  Mei- 
nung, so  kann  man  in  v.  6 — 8  nur  eine  einfache,  in  Rücksicht  auf 
die  damalige  Zeit  hinzugefügte  Erklärung  dafür  finden,  was  man  unter 
artium  zu  verstehen  habe.  Hr.  D.  erklärt  veiter:  „Aber  nicht  habe 
ich  solches  in  meiner  Gewalt,  noch  bist  du  solcher  Kunstwerke  be- 
dürftig (du  hast  deren  genug  [res]  und  strebst  auch  nicht  sehr  nach 
ilinen  [animus]).  Diese  beiden  Verse  könnte  man  für  interpolirt  halten 
wollen,  da  alle  übrigen  «Oden  in  vierzeiligen  Strophen  geschrieben, 
hier  aber  zwei  Verse  zu  viel  sind.  Sollte  aber  nicht  Horaz  später  ein- 
mal von  seiner  Gewohnheit  abgelassen  haben?"  Die  in  der  Parenthese 
stehenden  Worte  „auch  nicht  sehr"  bringen  einen  andern  Ton  in  die 
Rede,  als  der  Text  besagt:  Aber  Ueberfluss  an  solchen  Dingen  habe 
ich  nicht,  auch  bedarf  nicht  dein  Hauswesen  noch  dein  Geist  solcher 
Köstlichkeiten.  Die  zuletzt  aufgeworfene  Fr.igc,  welche  in  der  fol- 
genden Erörterung  schon  als  bejaht  angenommen  wird  ,  dürften  An- 
dere nur  mit  Unwahrscheinlich  beantworten,  weil  eben  dieses  die  ein- 
zige Stelle  wäre,  wo  die  durchgreifende  Norm  des  Horaz  verletzt 
würde.  Zu  einer  solchen  Annahme  aber  kann  ein  besonnener  Kritiker 
nur  dann  sich  berechtigt  fühlen,  wenn  kein  anderer  Weg,  den  Fehler 
ohne  Gewaltstreich  zu  verbessern  ,  offen  steht.  V.  9  und  10  für  inter- 
polirt halten  zu  wollen  [Interpolation  in  diesem  Gedichte  venuuthet 
auch  Hr.  Müller  in  der  neuen  Döringschen  Ausgabe  v.  Regel  S.  XX1I1) 
würde  den  Zusammenbang  zerstören,  indem  die  Motivirung,  warum 
er  keine  Kunstwerke  sende,  des  Ueberganges  wegen  als  durchaus 
nothwendig  erscheint.  Bei  weitem  das  Wahrscheinlichste,  um  das  tf- 
tqcioxixov  dieses  Gedichtes  herzustellen,  bleibt  die  von  Orelli  gebilligte 
Annahme  des  Hrn.  Meineke,  dass  nach  v.  18.  zwei  Verse  ausgefallen 
seien.  Die  Auffassung  dieser  Stelle  von  Hrn.  Gerber  in  der  Ztschr.  f. 
d.  Altcrthw.  1839.  S.  4(i  ff.  [bei  Hrn  D.  ist  1838  ein  Druckfehler] ,  so 
umsichtig  auch  dieser  Gelebrte  sonst  im  Horaz  zu  verfahren  pilegf, 
ist  im  Allgemeinen  zu  gekünstelt  und  lässt  die  Verletzung  der  vierzeili- 
gen Strophe   ganz    unberücksichtigt.      Wenn    Hr.    D.    sodann    pretium 


Dissens  kleine  latein.  und  deutsche  Schriften.  419 

hängt:    so  wird  Jeder,   der  in  friedlicher  Stille ,  unberührt  von 
dem  Staubgewölke  der  Parteiung,  sein  eignes  Urtheil  sich  zu 

dicere  muneris  durch  „den  Werth   des  Geschenkes  preisen"    übersetzt 
und  incendia  vom  Kriege   im   Allgemeinen  verstellt,   so  dürften  Andere 
einen   hinlänglichen   Grund  vermissen,    warum   man  die   gewöhnliche, 
sprachrichtige  Erklärung   ,>den  Werth  des  Geschenkes  bestimmen"  und 
,,«lie  Feuersbrunst  des  ruchlosen  Karthago"  verlassen  solle.      Denn  die 
für   incendia  Knrthaginis  beigebrachten  Parallelen  sind  unpassend  ,   in- 
dem in  den  beiden  ersten   (Virg.  Aen.  I,  566.  Sil.  Ital.  II,  358)  incendia 
belli  steht ,    in   der  dritten   aber    (Catull.  23,  9  )  sogleich  der  Zusam- 
menhang  das  Richtige   an   die  Hand   giebt.     Ferner  bemerkt  Hr.   D. 
„Man   hat  Anstoss  genommen  an  der  verletzten  Cäsur  in  incendia  Kar- 
thaginis,  aber  diese  selbst   ist  hier  schön  ausmalend  (die  Einleitung).1' 
So   geistreich   und    geschmackvoll   auch  die  Einleitung  viele  wichtige 
Punkte  in  ihrer  ganzen  Umgebung  beleuchtet,   und   in  ihrer  Hauptidee 
hervorglänzen   lässt,  so  können   wir  uns  doch  in  vielen  Stücken  zwar 
von  der  Tiefe  der  gegebenen  Entvvickelung,    aber  nicht  von  der  Wahr- 
heit derselben  überzeugen.      So  können  wir  auch  hier  in  der  vorletzten 
Cäsur   nichts  von   einer  gesuchten    Schönheit  finden,  sondern  nur  den 
von  der  unbeugsamen   Form  des  Eigennamens  hergenommenen  Grund 
als  richtig  erkennen.      Die  vorhergehenden  Worte:  —     Nicht  Marmor 
mit   eingehauenen   öffentlichen   Inschriften,   durch    welche    Geist    und 
Leben  den  tapfern  Heerführern  nach  dem  Tode  wiederkehrt,  —  spe- 
ciell  auf  die  Ehren,  die  dem  Scipio  in  Spanien  zu  Theil  wurden,  zu  be- 
ziehen,  wie  Hr.   D.    ,, nicht  die  in  Marmor  eingegrabenen  öffentlichen 
Lobsprüche''  übersetzend  behauptet,  wird   wohl  derjenige   bedenklich 
finden,   welcher  allgemein   ausgesprochenen  Worten  nichts  Fremdarti- 
ges beimischen  will.      Auch  unten  v.  30:    Einen   Mann,    der  des  Lobes 
würdig  ist,   lässt  die  Muse  nicht  sterben:  mit  dem  Himmel  beseligt  die 
Muse,  ist   ein  allgemeiner  Gedanke  den  speciellen  Beispielen  vorange- 
setzt.  Von  diesen  Beispielen  nun  bemerkt  Hr.  D. ,   dass  sie  von  solchen 
hergenommen  wären,  die  sich  durch  Ausdauer  Ehre  und  Ruhm  erwor- 
ben hätten.     „Liber,  Herkules  und  die  Dioskuren  nebst  Romulus  setzt 
der  Dichter  auch  sonst  als  Beispiele  der  Ausdauer."    Es  folgen  Stellen, 
sogar  Cic.  de  legg.  II,  8.      Allein   der  Leser   6ieht  sich   in  dem  vorlie- 
genden Gedichte  selbst  vergebens  nach  Belegen  um,   warum  man  diesen, 
für  die  Hauptidee  der  Ode  ganz  gleichgültigen  Begriff  der  Ausdauer  so 
besonders  hervorheben  müsse.      Die   quassas  rates  v.  34.  übersetzt  Hr. 
D.   nicht  lecke,    sondern   „gescheiterte    Schiffe",  und    in   dem   letzten 
Beispiele   ist  nach  Hrn.  D.  „eine  Anspielung,  dass  die  Poesie  dem  Ver- 
dienste die  Krone   aufsetzt,   nicht  zu  verkennen,  wie  in  v.  31  f.  ange- 
deutet,  dass  der   Mensch   nie    verzweifeln  dürfe."      Auch  hier  können 
wir  diece  Tiefe  nicht  entdecken.      Doch   wir  wollen   hier  aufboren  mit 
der  Angabe  dessen,  worin   wir  bei   einzelnen  Gedichten   verschiedener 
Ansicht   sind,   da  wir  keineswegs   eine  umfassende  Iiciirtheilung  dieser 
Schrift  zu  liefern  gedachten,  in  welchem  Falle  wir  besonders  die  Ein- 

27  * 


420  Gesammelte  Schriften. 

bilden  sucht,  auch  den  Abschnitt  zu  beachten  haben ,  welcher 
hier  S.  LH  —  LVIII  gelesen  wird.     Dieser  Abschnitt  nämlich  ent- 

leitung  und  die  in  der  Vorrede  vorgetragenen  Ansichten  hätten  zur 
Sprache  bringen  müssen.  Unsere  Absicht  war  blos ,  das  oben  über 
Dissen's  Erklärungs  -  Methode  ausgesprochene  Urtheil  auch  durch  Be- 
rücksichtigung einer  andern  Schrift,  welche  mit  Geist  und  Gewandt- 
heit diese  Methode  auf  Horaz  überträgt,  etwas  näher  zu  begründen, 
d.  h  zu  zeigen,  wie  nahe  die  Gefahr  liegt,  bei  blosser  Verstandes  - 
Analyse  mit  Hülfe  einer  subtilen  Dialektik  auf  fremdartige  Gedanken 
und  kleinliche  Dispositionen  zu  verfallen,  an  welche  derjenige,  der 
bei  einem  Gedichte  die  im  Ganzen  aufgefasste  Idee  unbefangen  mit  sei- 
nem Gefühle  zu  beurtheilen  pflegt,  unmöglich  denken  kann.  Da 
überhaupt  die  angestammten  Gesetze  des  Geistes,  nach  denen  er  die 
ihm  einwohnende  schöpferische  Kraft  entwickelt,  überall  dieselben 
bleiben,  und  bei  einem  Gedichte  nur  die  Wirkung,  die  es  auf  das  Gc 
müth  des  unbefangenen  Lesers  hervorbringt,  vor  Augen  liegt,  die 
Frage  aber,  wie  das  Gedicht  entstanden  sei,  blos  von  dem,  der  es 
gemacht  hat,  beantwortet  werden  kann:  so  wäre  es  nach  der  Ansicht 
des  lief,  sehr  belehrend,  wenn  Jemand  irgend  ein  gutes  Gedicht  eines 
neueren  Gelehrten,  etwa  eines  Hermann,  Fiedler,  Seyffert  u.  A.  nach 
dieser  Erklärungs- Methode  entwickelte,  und  dann  diese  vollständig 
zergliederte  Disposition  nebst  allem  logisch  -  rhetorischen  Beiwerke  ei- 
nem solchen  Gelehrten  vorlegte  mit  der  Frage,  ob  er  wirklich  bei  der 
Abfassung  des  erklärten  Gedichtes  ein  so  detaillirtes  Bewusstsein  ge- 
habt habe.  Wir  meinen ,  da  das  eigentlich  Aesthetische  sich  gar  nicht 
in  ein  bestimmtes  Regelwerk  hineinzwängen  lässt,  dass  Jeder  mit  Ho- 
raz, einem  wahrhaftig  beachtenswerthen  Kunstrichter,  erwidern 
möchte  (Sat.  I,  4,  38  ff): 

Agcdum,  pauca  aeeipe  contra. 
Ingenium  cni  sit,   cui  mens  divinior  atque  os 
Magna  sonaturum ,   des  nominis  huius  [i.  e.  poetae]  honorem. 

Damit  uns  aber  nicht  der  Vorwurf  treffe ,  als  hätten  wir ,  weil  wir  in 
diesem  einen  Punkte  von  ganz  andern  Principien  ausgehen  zu  müssen 
glauben,  die  übrigen  Vorzüge  dieser  Schrift  gänzlieh  übersehen,  so 
fügen  Avir  ausdrücklich  hinzu,  dass  uns  dies  Buch  in  vielen  Stellen  ei- 
nen grossen  Genuss  und  vielfache  Belehrung  geboten  habe,  und  dass 
wir  es  in  mehrfacher  Hinsicht  für  einen  sehr  dankenswerthen  Beitrag 
zur  ästhetischen  Auffassung  des  Dichters  betrachten.  Denn  überall 
findet  man  die  neuesten  Resultate,  von  dem  jetzigen  Höhepunkte  der 
Wissenschaft  aus,  mit  rüstiger  Kraft  und  selbstständigem  Urtheile  be- 
achtet. Nur  bei  dem,  was  über  die  Zeit  der  Entstehung  und  der 
Herausgabe  der  Horazischcn  Oden  sowohl  in  der  Einleitung  S.  24 — 26, 
als  auch  bei  den  einzelnen  Gedichten  verhandelt  wird,  bedauert  der 
Leser,  dass  die  gediegene  Schrift  von  C.  Franke:  Fasti  Horatiani 
(Berlin  1839)  noch  nicht  berücksichtigt  ist.     Wir  haben  alle  Hochach- 


Dissens  kleine  latein.  und  deutsche  Schriften.  421 

hält  Ergebnisse  von  Gesprächen ,  welche  Hr.  Hofrath  Müller  mit 
Dissen  über  die  Auslegung  des  Pindar  oftmals  gehabt  hat ,  und  in 
denen  Dissens  eigentliche  Meinung  und  eine  authentische  Inter- 
pretation seiner  Interpretationsweise  vorliegt.  Vorzüglich  su- 
chen diese  Mittheilungen  die  zwischen  Böckh  und  Dissen  obschwe- 
benden  Differenzen  aufzulösen ,  und  geben  demnach  im  Allgemei- 
nen einen  Beitrag  zu  dem ,  was  Boeckh  in  den  Berliner  Jahrbb. 
1830  II.  Bd.  Nr.  72-77;  sodann  1835  Nr.  11  ff;  und  Welcker 
im  Rhein.  Mus.  1.  Th.  S  476  ff.  über  den  Pindar  verhandelt  ha- 
ben, denen,  wie  bekannt,  Hermanns  meisterhafte  Forschungen 
(Opusc.  VI,  1.  p.  3—69.;  Opusc.  VII,  p.  97  —  173;)  gegenüber 
treten.  Diese  letzteren  hat  Dissen ,  wie  er  in  einer  S.  XXIV  mit- 
getheilten  Briefstelle  andeutet,  in  einer  deutschen  Schrift  über 
die  Auslegungskunst  widerlegen  wollen ;  doch  scheint  dieser  Plan, 
der  sonst  nirgends  berührt  wird,  nicht  in  Ausführung  gekommen 
zu  sein.  Ueberhaupt  aber  ist  die  genannte  Briefstelle,  in  welcher 
einem  Hermann  (vis  credibile  dictu!)  „Pindarischer  Unsinn"  bei- 
gelegt wird ,  in  einer  durch  Kränklichkeit  sehr  gereizten  Stim- 
mung geschrieben,  und  war  in  dieser  gleichsam  den  Manen  des 
edlen  Dissen  geweihten  Schrift  lieber  zu  unterdrücken,  da  sie  in 
jedem  gefühlvollen  Leser,  der  durch  das  Vorhergehende  zur 
Wehmuth  gestimmt  wurde,  eine  beleidigende  Störung  hervorruft. 
Dissen,  dieser  „gelehrte,  scharfsinnige,  wahrheitliebende  und 
humane  Mann",  Dissen,  der  selbst  in  diesem  Buche  S.  245  Her- 
mann „den  Grössten  aller  jetzigen  Grammatiker"  nennt,  Dissen, 
der  S.  296  in  Beziehung  auf  Reisigs  Conjectt.  schreibt:  „die 
Schrift  ist  dem  Hrn.  Professor  Hermann  gewidmet ,  und  wider- 
spricht demselben,  wo  eine  andere  Meinung  ausgeführt  wird, 
ireimüthig,  aber  mit  Anstand  und  mit  derjenigen  Achtung,  die 
wohl  jeder  bei  dem  Namen  dieses  grossen  Philologen  empfindet1-', 
dieser  Dissen  würde  wohl  schwerlich,  wenn  er  von  den  Todten 
zurückkehren  könnte,  die  Veröffentlichung  dieser  im  vertrauli- 
chen Briefstile  geschriebenen  Aeusserung  gut  heissen.  Dass  er 
so  schreiben  konnte,  weiss  sich  der  Leser  psychologisch  zu  erklä- 
ren und  zu  entschuldigen,  wenn  er  in  dieser  Sammlung  ausser 
vielen  anderen  hierher  bezüglichen  Stellen  S.  LXII  Folgendes 
liest:  „Gewiss  ist  Dissen,  wie  Vielen  in  seiner  Lage,  oft  auch 
von  den  besten  Freunden  Unrecht  gethan,  und  als  Einbildung  und 
übermässige  Besorgniss  gescholten  worden,  was  ihn  wirklich  kör- 

tnng  vor  der  ausgebreiteten  Gelehrsamkeit  des  Hrn.  D.,  wenn  auch  die 
öfters  entwickelte  Tiefe  des  Iloraz  uns  mehrmals  an  recht  schlagende 
Parallelen  von  Olshausen  in  der  Erklärung-  des  N.  T.  erinnert  hat. 
"Wir  schliessen  mit  dem  Wunsche,  dass  man  recht  bald  das  Urtheil  der 
gründlichsten  Kenner  des  lloraz,  eines  Jacobs,  Jahn.  Orelli ,  Obba- 
rius,  IVIeineke,  Kirchner,  Schmid  u.  A.  über  diese  Arbeit  des  Hrn.  D. 
erfahren  möge.  Atncis. 


422  G  c  s  a  nt  ui  c  1 1  e  Schriften. 

perlich  afficirte  und  seine  Lebenskräfte  beeinträchtigte.  Die  aus- 
serordentliche Zartheit  und  Schwäche  seines  Organismus  und  die 
daraus  hervorgehende  Reizbarkeit  seiner  Nerven  war  eine  Rea- 
lität."' Dass  aber  eine  solche,  aus  dieser  Reizbarkeit  hervorge- 
gangene Briefstelle  hier  gedruckt  erscheint,  dürfte  gewiss  Viele 
au  das  erinnern,  was  Hermann  in  der  Nachschrift  der  Vorrede  zu 
den  Actis  societatis  Graecae  wahr  und  kräftig  über  „pudor"  sagt, 
und  Manchem  vielleicht  gar  wieder  zu  ärgerlichen  Bemerkungen 
Veranlassung  sein.  Doch  genug.  Ref.  bittet  in  seiner  eigenen 
Bemerkung  nichts  weiter  zu  finden,  als  den  natürlichen  Ausdruck 
eines  aus  den  durch  die  vorhergehenden  Briefe  erweckten  Gefüh- 
len herausgerissenen  Gemülhes. 

Was  nun  den  Inhalt  der  jetzt  folgenden  Sammlung  betrifft, 
so  enthält  sie,  was  Dissen  ausser  seinen  fünf  grösseren  Werken,  der 
Kurzen  Anweisung  für  Erzieher,  die  Odyssee  mit  Knaben  zu  le- 
sen (Göttingen  1809),  der  doppelten  Arbeit  am  Pindar,  dem 
Tibull  und  Demosthenes,  dem  Publicum  selbst  während  seines 
Lebens  übergeben  hatte.  Voran  stehen  die  lateinischen  Schriften, 
und  unter  diesen  zuerst  (S.  1  —  56)  die  Habilitationsschrift :  De 
lemporibus  et  modis  verbi  Graeci.  Göttingen  1808,  in  welcher 
fruchtbare  philologische  Kenntniss  mit  scharfer  philosophischer 
Unterscheidung,  die  überall  das  Studium  der  Herbart'schen  Phi- 
losophie beurkundet,  sich  vereinigt.  Manches  sichere  Resultat 
daraus  ist  jetzt  bereits  in  die  Schulgrammatiken  übergegangen. 
Wahrscheinlich  indess  würde  Dissen  dem  ganzen  Entwickelungs- 
gange  seiner  Studien  zu  Folge  (wovon  auch  S.  XLVII  eine  Andeu- 
tung gegeben  ist)  in  dieser  frühesten  Arbeit,  wenn  er  sie  in  spä- 
tem Jahren  revidirt  hätte,  die  Lehre  von  den  Temporibus  nicht 
mehr  zunächst  auf  eine  Combination  der  Zeitverhältnisse  gebaut 
haben.  Zu  interessanten  Vergleichungen  giebt  jetzt  unter  Andern 
die  von  ganz  verschiedenen  Principien  ausgehende  Schrift  des 
Hrn.  Professor  Schwalbe:  Beitrag  zur  historischen  Entvvickelung 
der  Lehre  von  den  Temporibus  und  Modis  des  griechischen  Ver- 
bums.  Magdeburg  1838,  vielfach  lehrreiche  Veranlassung.  Nütz- 
lich und  beachtenswerth  aber  für  die,  denen  es  zunächst  um  klare 
Einsicht  in  die  Sache  zu  thun  ist,  wäre  es  gewesen,  wenn  der 
berühmte  Herausgeber  bei  dem  erneuten  Abdrucke  dieser  und 
der  folgenden  Abhandlungen  erläuternde  Anmerkungen  oder 
Nachträge  geliefert  hätte,  da  man  wohl  annehmen  darf,  dass 
Dissen  selbst  in  seinen  eigenen  Exemplaren  sich  hier  und  da  eine 
Ergänzung  oder  Berichtigung  oder  nähere  Motivirung  der  ausge- 
sprochenen Ansichten  beigeschrieben  habe.  Wo  Dissen  in  seinen 
andern  Arbeiten,  wie  S.  109,  auf  diese  Abhandlung  verweist, 
hätte  der  Corrector  überall  die  Seitenzahl  in  vorliegendem  Buche, 
wie  es  Seite  93  geschehen  ist,  beischreiben  und  überhaupt  zur 
Erleichterung  des  Auffiudens  der  Citate  von  andern  Gelehrten  die 
ursprü  ngliche  Seitenzahl  am  Rande  jeder  Abhandlung  mit  anmer- 


Dissens  kleine  iutein.  und  deutsche  Schriften.  423 

ken  sollen.  Wäre  übrigens  bei  der  Zusammenstellung  dieser  Dis- 
sertationen, die  hier  sämmtlicb  unverändert  erscheinen,  der  wis- 
senschaftliche Zweck  mehr  in  den  Vordergrund  getreten ,  so 
würde  eine  Entwicklung  dessen,  was  Dissen  bei  seiner  ganzen 
Erklärungs- Methode  aus  den  Principicn  der  kernhaften  Philoso- 
phie von  Herbart  geschöpft  hat,  eine  für  die  Literargeschichte 
sehr  interessante  Erscheinung  gegeben  haben.  Denn  diess  hiesse 
in  Wahrheit  „den  Pulsschlag  und  Athemzug  seines  geistigen  Le- 
bens" prüfen.  Die  zweite  Abhandlung,  zum  Antritte  der  ausser- 
ordentlichen Professur  in  Marburg  1812  geschrieben,  handelt: 
De  Phüosophia  Morali  in  Xenopliontis  de  Socrale  Commentariis 
tradita  (S.  57  —  88).  Sie  prüft  diese  Sammlung  philosophischer 
Unterredungen,  und  sucht  (der  Reihe  nach  desummobono,  de 
virtutibus  cardinalibus ,  de  suprema  lege  officiorum  ex  prioribus 
deducenda  verhandelnd)  die  innere  Gehaltlosigkeit  derselben  in 
Hinsicht  auf  die  Anforderungen  wahrer  sokratischer  Philosophie 
zu  beweisen.  (Hierauf  bezieht  sich  auch  eine  S.  172  stehende 
Andeutung.)  Die  hier  ausgesprochenen  Ansichten  aber  sind  be- 
reits bei  anderweitigen  Untersuchungen  über  denselben  Gegen- 
stand berücksichtigt  worden,  und  daher  jetzt  eben  so  bekannt, 
als  die  dritte  nach  der  Rückkehr  zu  Göttingen  1813  verfasste 
Dissertation:  Discprisitioniim  Philologicarnm  speeimen  ■primiim 
(S.  89  — 120),  welche  die  sententiae  conditionales  zum  Gegen- 
stande hat.  Die  folgenden  lateinischen  Abhandlungen  rühren  aus 
den  letzten  Jahren  her,  in  welchen  Dissen  die  Professur  der  Elo- 
quenz in  Verbindung  mit  Hrn.  Hofrath  Müller  übernommen  hatte. 
Die  erste  1836  geschriebene :  de  partibus  noctis  et  diei  ex  di- 
risio/ribus  veterum.  P.  I.  (S.  127 — 150)  beginnt  mit  dem  Ho- 
merischen Zeitalter.  Die  Nacht  wird  schon  hei  Homer  in  drei 
Theilc  (fioigai)  eingetheilt,  vgl.  II.  X,  251  —  53,  wo  Dissen  die 
Schwierigkeit  für  gehoben  halt  „ubi  verba:  räv  ovo  juoipawv 
per  explicatiouera  definitiorem  Hörnern  familiärem  subieeta  intel- 
lexeris.  Construe:  jrapw^csv  de  nliov  vy£,  vvt,  züv  ovo  juot- 
p«oi'.  [Spitzner  hat  nach  nXiav  vvi,  das  Comma  getilgt  und  räv 
öro  uoiQciav  eng  an  jtAeojv  vi)!;  angeschlossen :  praeteriit  iam  ple- 
llior  nox.  illarum  duarum  partium  sive  vigiliaruni.  Das  Einfachste 
scheint  dem  Ref.,  das  Comma  beizubehalten,  und  das  Folgende 
als  Exegese  aufzufassen  in  folgender  Verbindung:  Tikiav  i/i)f, 
ovo  räv  noiQcccov,  also:  vorüber  ist  der  grössere  Theil  der 
INacht,  nämlich  zwei  ihrer  Theile,  der  dritte  aber  ist  noch 
übrig.]  Die  drei  Theile  der  Nacht  sind  1)  ttfjrfpog,  der  pintritt, 
2)  WHToq  dfiokyog,  die  Mitte  derselben  [Hermann.  Opusc.  111, 
p.  L38.  videtur  proprie  ijuod  mulgcndo  expresßnm  cpagulatur  spis- 
sura  et  pingue,  ita  dictum  fuisse;  inde  autem  translatum  ad  cras- 
sam  caüginem.  Den  Excurs  von  Völckcr:  Ucbcr  Homerische  Geo- 
graphie §  24.,  welcher  in  der  Allg.  Literaturztg.  August  1Ö3Q. 
S.  613  widerlegt  wird,    findet  mau  bei  Dissen   nicht  erwähnt.] 


424  Gesammelte  Schriften. 

3)  Das  Herannahen  der  Morgcnröthe,  wovon  es  bald  lyyv&i  ö' 
rjobg,  bald  tfädt  tiqo  und  ähnlich  heisst.  Der  Tag  hat  ebenfalls 
8  Theile  (vgl.  U.  XXI,  111.),  deren  erster  die  ganze  Zeit  vom 
Beginne  der  Morgenröthe  bis  zum  Mittage  umfasst,  und  nach  Ho- 
merischem Sprachgebranche  durch  »}wg  bezeichnet  wird ;  nachher 
kommt  iiiöov  rjiLccQ,  Mittag,  zuletzt  ddfa]  oder  dtUkov  ^uap, 
der  Nachmittag,  dessen  Ende  710Ü  sötisqcc  und  ßovXvrog  ist. 
[Diese  ganze  Auseinandersetzung  hat  jetzt  Oertel  de  Chronologia 
Homerica  Diss.  I.  Meissen  1838.  berücksichtigt.]  Im  Folgenden 
(von  S.  135  an)  wendet  sich  Dissen  zu  den  nachhomerischen  Zei- 
len ,  und  (von  S.  146  an)  zu  den  Eintheilungen  der  Römer.  Es 
folgen  hierauf  drei  Prooemia  aus  den  Lections  -  Verzeichnissen 
der  Göttinger  Universität,  von  denen  das  erste  (S.  151  — 160) 
de  arte  combinatoria  in  Piatonis  Theaeteto  P.  192.  von  Michaelis 
1836,  als  ein  charakteristischer  Beitrag  zur  klaren  Auffassung 
der  Dissenschen  Erklärungs- Methode  vorzügliche  Beachtung  ver- 
dient. Das  zweite  von  Ostern  1837  (S.  161  — 170)  behandelt  die 
vöfwi  ccygcccpoi.  Ausgehend  von  Aristoteles  Rhet.  I,  10,  2.  und 
c.  13,  2.  entwickelt  Dissen  den  doppelten  Sinn ,  in  welchem  diese 
dy.  v.  bei  den  Alten  erwähnt  werden.  Ac  primum  quidem  Hygacpa 
vonmu  et  uyQcicpoi  vö\uot  erant  omnino  ante  scriptas  leges  insti- 
tuta  gentium  et  civitatum  a  maioribus  tradita.  Ein  grosser  Theil 
derselben  ist  in  der  Folge  durch  die  Gesetzgeber,  hier  mehr,  dort 
weniger,  in  die  geschriebenen  Gesetze  übergegangen.  Verum 
enim  vero  dicuntur  äygacpoi  vo^lol  porro  etiara  omnino  leges 
rccti,  boni,  iusti,  aequi,  communi  hominum  naturae  insitae  et 
apud  omnes  homines ,  apud  deos  hominesque  ratae.  Dieser  Be- 
griff wird  dann  genauer  erläutert ,  und  von  dem  Naturrechte  der 
Neuern  unterschieden,  worauf  durch  Beispiele  gezeigt  wird,  wel- 
che einzelnen  Bestimmungen  bei  den  verschiedenen  Schriftstellern 
der  Griechen  unter  die  v6{iol  üygacpoi  gerechnet  werden.  [Zu 
den  letzteren  Punkten  bieten  Siebeiis  ausgezeichnete  Disput att. 
Quinque  etc.  im  4.  und  5.  Theile  manche  schöne  Vergleichung 
dar.  Dissen's  ganze  Abhandlung  ist  zu  betrachten  als  eine  Ver- 
schmelzung des  zu  den  angeführten  Schriftstellen  und  anderwärts 
von  den  Interpreten  bereits  Bemerkten,  doch  mit  mehrfacher  Be- 
richtigung des  Einzelnen.  Die  Nachahmungen  bei  den  lateini- 
schen Classikern  aber  sind  nirgends  berücksichtigt.  Ueber  diese 
Arbeit  sagt  Dissen  selbst  in  einer  S.  XXX  mitgetheilten  Brief- 
stelle: „Eine  Stelle  des  Deraosthenes  de  cor.  brachte  mich  dar- 
auf, den  an  sich  interessanten  Begriff  der  Hygatpoi  vöpioi  einmal 
für  mich  auszuführen,  und  da  ich  sah,  dass  in  philologischen 
Noten  hie  und  da  sehr  ungenügend  davon  gehandelt  wird,  so  habe 
ich  eine  Abhandlung  daraus  gemacht;  denn  auch  Lobeck  in  Cita- 
ten  wirft ,  was  hier  unterschieden  wird ,  unter  einander."  Die 
hier  angedeutete  Stelle  des  Demosthenes  steht  p.  317.  §  275. : 
Wavrjöbiai  xoivvv  tavra  nüvtu  ovtaq  ov  fiovov  Iv  tolq  vo[ii- 


Dissens  kleine  latein,  und  deutsche  Schriften.  425 

/ueug,  uXXa.  xal  %  yvöig  ccvrq  rotg  ctyoaqpotg  vo^oig  xccl  tolg 
ärdganivoig  rjftsöi  öicoqiksv,  zu  welchen  Worten  jetzt  Dissen 
im  Commentare  S.  421  auf  seine  Abhandlung  verwiesen  hat] 
Das  dritte  Prooeraium  (S.  171  — 176)  von  Michaelis  1837  sucht 
zu  erweisen,  vitae  et  scholae,  scholae  et  vitae  esse  discendura. 
Die  Beweisführung  ist  so,  dass  vita  von  dem  engbegrenzten  Kreise 
der  Brodstudten,  schola  dagegen  von  der  aligemeinen,  rein 
menschlichen  Bildung,  wonach  edlere  Jünglinge  streben,  aufge- 
fasst  wird.  Nimirum  ubieunque  literarum  studia  non  propter  se 
ipsa  diliguntur  et  coluntur,  sed  unice  propter  alium  finem  exter- 
num,  perit  divina  eorum  vis,  neque  incenditur  ad  maiora  animus, 
sed  torpescit  et  vilescit  magis  magisque  ultra  vulgaria  sapere  no- 

lens. vitae  civilis  munera  neque  aetatum  sunt  neque  tempo- 

rum  omnium  neque  locorum,  artium  vero  et  literarum  studia 
adolescentiam  alunt  [vielmehr  agunt  befeuern  cf  Stuerenburg  und 
Klotz  zu  Cic.  pro  Arch.  c.  VII.]  senectutem  oblectant,  seeundas 

res  ornant,  adversis  perfugium  ac  solatium  praebent  etc. 

Audebitne  etiamnum  aliquis  dicere  non  esse  scholae  discendum, 
non  esse  literis  per  se  o  per  am  dandam,  quod  omni  tempore  in 
otio  factum,  unde  ipsum  quoque  nomen  schola?  Den  Schluss 
bildet  eine  Ermunterung  an  die  studirende  Jugend ,  dergleichen 
auch  den  beiden  vorhergehenden  Prooemien  auf  höchst  anspre 
chende  Weise  hinzugefügt  ist.  Das  Ganze  eignet  sich  vermöge 
seiner  lebendigen  Auffassungsweise  sehr  schön  zur  Aufnahme  in 
eine  Sammlung  lateinischer  Paränesen,  und  erinnert  recht  lebhaft 
an  die  geschmackvollen  Prooemien  von  F.  A.  Wolf  in  dessen  Ver- 
mischten Schriften  und  Aufsätzen.  Hinter  den  lateinischen  Ab- 
handlungen liest  man  noch  (S.  177 — 184)  das  Carmen  saeculare 
zum  Jubelfeste  der  Universität,  worin  Dissen  durch  vierzig  Al- 
cäische  Strophen  seine  patriotische  Liebe  zur  Georgia  Augusta 
mit  einer  poetischen  Begeisterung  ausspricht,  wie  man  es  bei  der 
damaligen  Schwäche  seines  Organismus  kaum  erwarten  sollte.  In 
den  Worten  der  9.  Strophe  sol  habitabih's  |  qua  lustrat  oras,  opti- 
rae  prineipum,  ist  das  —  lis  wohl  blos  Druckfehler,  da  man  in  der 
bekannten  Stelle  des  Iloraz  (IV,  14,  5.),  die  dem  Verfasser  vor- 
geschwebt hat,  allgemein  qua  sol  habitabiles  illustrat  oras,  raa- 
xime  prineipum  liest.  Eine  wehmüthige  Erinnerung  erweckt  jetzt 
die  36.  Strophe: 

Vns  ite  laeti  tarn  celchrcs  dies : 
Salvete  qtiotquot  cernimus  hospites, 
Salvctc  cives  nuper,  olim 
Alma  Georgia  quos  fovebat. 

Es  war  das  letzte  Wort  freundlicher  Begrüssung  in  diesem  Leben. 
Bei  den  letzten  Strophen  denkt  jetzt  jeder  au  die  Conflicte  zwi- 
schen Pflicht  und  Neigung,  die  in  dem  schwülen  Luftkreise  zu 
Göttingen  herrschten,  und  wird  dabei  nach  der  politischen  Farbe 


426  Gesammelte  Schriften, 

seiner    eigeuen    Gedanken    zu    eigentümlichen    Empfindungen 
veranlasst. 

Es  folgen  nun  von  S.  185  an  bis  zu  Ende  die  kleinen  deut- 
schen Schriften.  Den  Anfang  macht  die  Forlesung  über  die  An- 
Ordnung  der  Olympischen  Spiele  in  der  Ä'önigl.  Socielät  der 
Wissenschaften  (S.  185  — 194).  Auf  diese  Abhandlung  hatte 
sich  Ref.  gleich  beim  Empfange  des  Buches  am  meisten  gefreut, 
er  fand  aber  leider  nur  den  Abriss  des  Inhalts  aus  den  Göttinger 
Gel.  Anz.  von  1833.  Nr.  78.  79.  abgedruckt,  den  Hermann  in 
der  Vorrede  von  Opusc.  VF.  erwähnt.  Wahrscheinlich  rührt  die- 
ser Auszug  dem  ganzen  Style  nach  zu  schliessen ,  von  Hrn.  Hof- 
rath  Müller  her,  von  welchen  auch  der  letzte  Theil  der  Recen- 
sion  von  Welckers  Aeschyl.  Trilogie,  welcher  in  diesem  Buche 
S.  312 — 317  gelesen  wird,  verfasst  ist.  Ueber  diesen  Auszug 
sagt  eine  S.  LXV  stehende  Bemerkung:  ,,  Die  Vorlesung  über 
die  Anordnung  der  Olympischen  Spiele,  die  einzige,  welche 
Dissen  als  Mitglied  der  hiesigen  Societät  der  Wissenschaften  ge- 
schrieben, konnte  leider  nicht  in  ihrer  vollständigen  Abfassung 
(wie  sie  den  Publicationen  der  Societät  vorbehalten  bleibt),  son- 
dern nur  in  dem  Auszuge  gegeben  werden,  der  davon  in  den 
hiesigen  gelehrten  Anzeigen  erschienen  ist. w  Da  nun  aber  Nie- 
mand mit  der  blossen  Aussage ,  dass  in  Olympia  das  System  der 
Wiederkehr  gegolten  habe  und  jeder  Tag  dem  andern  ähnlich  ein- 
gerichtet war,  sich  begnügen  kann,  sondern  vielmehr  fragt,  wie 
die  bezüglichen  Stellen  der  Alten  erörtert ,  wie  die  entgegenge- 
setzten Meinungen  in  allen  Punkten  geprüft,  wie  das.  was  die 
Combination  anderer  einschlägigen  Umstände  darbieten  kann  ,  be- 
nutzt worden  sei,  um  das  wahrscheinliche  System  des  ganzen 
fünftägigen  Kosmos  darzustellen,  so  werden  gewiss  nur  Wenige 
mit  dem  wiederholten  Abdrucke  dieser  Inhaltsanzeige  sich  befrie- 
digt fühlen.  Denn  wenn  Dissen  für  die  Olympischen  Wettkampfe 
folgende  Anordnung  aufstellt:  für  den  ersten  Tag:  dgQftog,  nä- 
A^,  Ttvyixrj,  «oaar«,  nivreeftkov,  für  den  zweiten:  dgöiuog, 
7tüht],  nvyfii],  nuyxQCiuov ,  und  diese  letztere  am  vierten  Tage, 
die  erstem  aber  am  dritten  und  fünften  sich  wiederholen  lässi, 
nur  mit  dem  Unterschiede,  dass  an  der  Stelle  der  Quadrigen  am 
dritten  Tage  Bigen  und  am  fünften  Ccletes  laufen;  so  leuchtet 
ein,  dass  er  auch  von  der  scharfsinnigen  Durchdringung  des  Ge- 
genstandes durch  Hrn.  Professor  Meier  in  der  Allgem.  Encyklop. 
wesentlich  abweicht,  und  deshalb  eine  um  so  lebhaftere  Sehn- 
suchterregt, seine  vollständig  entwickelte  und  begründete  Dar- 
legung zu  erhalten ,  in  welcher  auch ,  wie  aus  dem  Ende  der  ge- 
gebenen Relation  hervorgeht,  der  Beweis  dafür  geführt  worden 
ist,  dass  bei  jedem  derartigen  Feste  der  Hellenen  der  grosse 
Opfertag  den  Spieltagen  vorangehe.  Den  folgenden  Inhalt  der 
vorliegenden  Sammlung  (v.  S.  195  an)  bildet  eine  ausgewählte 
Reihe  von  Recensioncn,  welche  Dissen  seit  1810  für  die  Götting. 


Dissens  kleine  latein.  und  deutsche  Schriften.  427 

Gel.  Anzeigen  geschrieben  hat,  mit  Ausnahme  der  letzten  Ilecen- 
!»ion  über  die  Syntax  in  MattlnTs  Grammatik ,  welche  aus  den 
Heidelberger  Jahrbüchern  (von  1810.  7.  H.  S.  289.)  genommen 
ist.  Bei  der  Auswahl  dieser  Recensionen  hat  (nach  S.  LXVI.)  die 
Absicht  geleitet,  „theils  Alles  hervorzuheben,  worin  eigenthüm- 
liche  Forschungen  und  Gedanken  enthalten  oder  angedeutet  sind, 
theils  von  dem  Gange  der  wissenschaftlichen  Arbeiten  Dissen's 
eine  Vorstellung  zu  geben,  die  dem  Begriff,  der  aus  seinen  grös- 
sern Arbeiten  geschöpft  werden  kann,  zur  Vervollständigung  und 
Erläuterung  dienen  könne.1''  Diese  hier  chronologisch  zusammen- 
gestellten Aufsätze  werden  daher  sowohl  diejenigen,  welche  in 
ihnen  nur  eine  nach  den  Lebensjahren  rangirte  Gesellschaft  von 
Bekannten  finden,  als  auch  die,  welche  zum  Theil  erst  ihre  Be- 
kanntschaft machen,  mit  Freuden  willkommen  heissen ,  und  be- 
sonders diejenigen  nicht  ohne  Genuss  lesen,  in  welchen  Gegen- 
stände der  alten  Philosophie  mit  einer,  man  möchte  sagen,  Pla- 
tonischen Buhe  und  mit  Klarheit  behandelt  sind.  Natürlich  wird 
Keiner  unbeachtet  lassen,  in  welcher  Zeit  ein  jeder  dieser  Auf- 
sätze verfasst  ist.  Die  chronologische  Zusammenstellung  der  Rc- 
censionen  aber  ist  besonders  auch  in  sofern  lehrreich,  als  man 
daraus  ersieht,  wie  frühzeitig  bei  Bissen  einzelne,  immer  mehr 
zum  klaren  Bewnsstsein  durchgedrungene,  Ideen  sich  gebildet 
haben.  So  erscheint  schon  hier  S.  328,  um  nur  Eine  Einzelheit 
herauszunehmen,  die  Bestreitung  des  Wölfischen  Satzes:  Sero 
Graeci  didicerunt  totum  ponere  in  poesi  (Prolegg.  in  Hom.  p.  125), 
was  später  in  der  Vorrede  zum  Pindar  (S.  89.  ac  quod  olim  W. 
dixit  —  hodie  constat  falsissimum  esse)  bemerkt  ist,  wiewohl 
jetzt  die  tiefeindringende  Beleuchtung  der  Sache  durch  Hrn.  Pro- 
fessor Bernhardy  (Grundr.  der  Gr.  Litt.  S.  111.)  den  Satz  wieder 
zur  Anerkennung  bringt.  Ausserdem  scheinen  auch  mehrere  die- 
ser Becensioncn  nicht  gerade  sehr  bekannt  geworden  zu  sein.  So 
erinnerte  sich  z.  B.  Ref.  bei  der  kurzen  Beurtheilung  von  Reisig's 
Coniectanea  in  Arist.  (S.  292)  an  die  schön  geschriebene  Charak- 
teristik Reisig's  von  Hrn.  Prof.  Paldamus,  in  welcher  an  einer 
Stelle  gesagt  wird,  dass  Beisigs  Coniectt.  nirgends  eine  Beurthei- 
lung gefunden  hätten.  Ferner  die  Recension  der  ersten  Ausgabe 
von  Müllers  Homerischer  Vorschule  (S.  318  —  330)  entwickelt 
manche  Ideen,  welche  Hr.  Prof.  Baumgarten -Crusius  bei  der 
zweiten  Auilagc  in  der  Einleitung  oder  in  den  unter  dem  Texte 
stehenden  Bemerkungen  hätte  berücksichtigen  können.  Ueber- 
haupt  zeigen  alle  den  Homer  betreifende  Recensionen,  dass  Dis- 
sen  in  seinen  Ansichten  grösstentheils  mit  den  Forschungen  des 
vortrefflichen  INitzsch  zusammentrifft.  So  heisst  es  aus  dem  J. 
1821  S  279:  „Die  Meisten  sind  wohl  darin  einig,  dass  jedes  Ge- 
dicht Einen  ursprünglichen  Sänger  voraussetze,  von  dem  die 
Grundlage  desselben  herrühre,  dass  aber  dann  beide  durch  die 
Bhapsoden    Erweiterungen    und    Umbildungen    erlitten   haben." 


428  Lexico  g  r  «iphie. 

Aus  dem  J  1827  S.  332:  ,,Den  imposanten  echt  hellenischen  Zu- 
sammenhang der  ilias  muss  nothwendig  Ein  Dichter  zuerst  aufge- 
stellt haben ,  und  so  wenig  dieser  als  der  der  Odyssee  konnte 
durch  atomistisches  Ansetzen  unabhängiger  Gesänge  zu  Stande 
kommen",  was  dann  ausführlicher  gegen  die  Vertheidiger  der 
Wolfischen  Ansicht  erörtert  und  durch  zwei  Beispiele  näher  be- 
gründet wird.  Das  zweite,  welches  den  inneren  Zusammenhang 
der  ersten  acht  Uücher  der  Ilias  nachweist,  ist  mit  der  Ansicht, 
welche  Arndt  de  Iliadis  compositione  1833  S.  2  und  3  entwickelt 
hat,  fast  ganz  übereinstimmend.  Andere  Bemerkungen  von  Bis- 
sen ,  welche  die  poetische  Einheit  gegen  die  Schneidekritik  auf 
ganz  einfache  Weise  zu  rechtfertigen  wissen ,  erinnern  den  Leser 
an  das  sinnvolle  Verfahren ,  welches  Schneidcwin  im  Rhein.  Mus. 
V,  3,  S.  405  —  415  geltend  macht.  Man  vgl.  S.  357  ff.  411.  Was 
sodann  S.  413  über  die  Behandlungsart  der  griechischen  Litera- 
turgeschichte gesagt  wird,  streift  sehr  nahe  au  das,  was  der 
geistreiche  Bernhardy  mit  feldherrnartiger  Beherrschung  der  ver- 
einzelten Massen  jetzt  geleistet  hat.  Doch  wir  brechen  hier  ab. 
Das  Gesagte  wird  für  den  Zweck  dieser  Anzeige  hinreichen. 

Wir  wünschen  diesem  Buche,  in  welchem  das  Leben  und 
Streben  eines  Mannes,  der  obgleich  vielfach  vom  jammervollen 
Alltagsleben  berührt,  dennoch  rüstig  den  höheren  Ideen  der  Wis- 
senschaft gelebt  hat ,  noch  einmal  vor  dem  geistigen  Auge  des 
Lesers  mit  wohlthuender  Kraft  vorüberzieht,  recht  viele  Käufer, 
da  der  ökonomische  Ertrag  desselben  der  Unterstützung  von  Dis- 
sens Anverwandten  bestimmt  ist. 

Mühlhausen.  Ameis. 


Specimen  Onomatologi  Graeci.  Scripsit  Carolas  KeilLu, 
Adiunctus  Portensis.  Lipsiae,  sunitu  Reichenbachiorum.  1840. 
XVIII  und  12G  S.      8. 

Vorliegende  kleine  Schrift  ist  eine  treffliche  Arbeit,  in  wel- 
cher Hr.  Adjunctus  Keil  zu  Schulpforte  ein  schönes  Specimen 
eines  grösseren  Werkes ,  welches  er  über  die  griechischen  Ei- 
gennamen vorbereitet  hat  und  später  ebenfalls  bekannt  zu  macheu 
gedenkt,  dem  gelehrten  Publicum  vorlegt.  Denn  der  Hr.  Verf. 
gibt  nicht  eine  leere  Nomenclatur  der  griechischen  Eigennamen 
und  ihrer  verschiedenen  Formen,  sondern  hat  es  wohl  verstanden, 
aus  dem  ganzen  Organismus  der  griechischen  Sprache  und  ihrer 
verschiedenen  Dialekte  das  Einzelne  abzuleiten  und  zu  deuten, 
und  nach  gründlich  und  fein  entwickelter  Analogie,  wobei  er  sich 
so  streng  als  möglich  an  das  diplomatisch  Ueberlieferte  anzu- 
schliessen  versteht,  das  Ungewisse  und  Zweifelhafte  zu  prüfen. 
Wenn  also  Hr.  K.  auf  der  einen  Seite  das  in  dem  altern  Werke 
Aon  Sturz  (den  bekannten  Praefationes  de  ?iominibus  Graecorum 


Keil :  Specialen  Onomatologi  graeci.  429 

propriis)  und  dem  neueren  Ton  Crusius  (Griechisch- deutsches 
Wörterbuch  der  Eigennamen,  Hannov.  1832  )  Fehlende  und 
Uebcrsehene  allerdings  zu  ergänzen  und  nachzutragen  bemüht  ist, 
so  entwickelt  er  dabei  aber  auch  auf  der  andern  Seite  die  Princi- 
pien,  nach  denen  bei  Beurtlieilung  des  Einzelnen  zu  verfahren 
sein  möchte,  mit  so  viel  Geist  und  Kenntniss,  dass  diese  Schrift 
ein  genaueres  und  gründliches  Eindringen  in  die  Eigenthümlich- 
keiten  der  griechischen  Sprache  zu  ihrem  Theile  nicht  wenig  un- 
terstützen und  fördern  wird,  zumal  sie  über  einen  Theil  der  grie- 
chischen Lexikographie  ein  neues  Licht  zu  verbreiten  verspricht, 
der  bisher  noch  nicht  einer  so  allgemeinen  Beachtung  sich  zu  er- 
freuen gehabt  hat,  wie  manche  andere  Theile  derselben. 

Der  Hr.  Verf.  beginnt  mit  einer  im  fliessenden  Latein  ge- 
schriebenen Begrüssung  des  Hrn.  Geheimen  Regierungsrathes 
Böckh  zu  Berlin  zu  dessen,  soviel  wir  wissen,  vier  und  fünfzig- 
sten Geburtstage,  die  von  aufrichtiger  Ergebenheit  und  herzlich 
dankbarer  Gesinnung  gegen  seinen  früheren  Lehrer  zeugt,  und 
zum  Schlüsse  auch  die  Absicht  des  Hrn.  Verf.  eine  Doctrina  no- 
minum  propriorum  Graecorum,  zu  welcher  einst  Sturz  und  in 
neuerer  Zeit  Crusius  den  Grund  gelegt  hätten,  auszuarbeiten  und 
|  bekannt  zu  machen,  kund  gibt.  Möge  dem  Hrn.  Verf.  zu  die- 
j  sem  grösseren  Werke  Kraft,  Gesundheit  und  eine  fröhliche 
Müsse  fortwährend  vergönnt  sein.  Denn  die  vorliegende  Probe 
erregt  mächtig  in  uns  den  Wunsch ,  das  ganze  Werk  einst  mit 
aller  Liebe  eines  jugendlich  strebsamen  Geistes  gepflegt  und  voll- 
endet zu  sehen. 

Wenden  wir  uns  nun  dem  Einzelnen  zu,  so  finden  wir  Cap.T. 
Deorum  nomin a  hominibus  data,  S.  1  —  34.   eine  genaue  Darle- 
gung, wie  weit  der  Gebrauch  der  Griechen,  ihre  Namen  von  den 
Göttern  zu  entlehnen ,  sich  erstreckt  habe.     Zuerst   spricht  der 
!   Hr.  Verf.  über  die  bekannte  Sitte  der  Griechen,  die  menschlichen 
;  Namen  von  den  Namen  der  Götter  abzuleiten,  um  ihren  Inhaber 
i   entweder  als  Schützling,  oder  als  Abkömmling,  oder  auch  als  Ge- 
j  schenk  irgend  eines  Gottes  zu  bezeichnen  oder  seine  besondere  Er- 
;   gebenheit  gegen  eine  Gottheit  dadurch  an  den  Tag  zu  legen,  S.  1 — 6., 
dann  wendet   er  sich  der  im  Ganzen  bei  Weitem  schwierigeren 
Frage  zu,  ob  die  Griechen  auch  die  wirklichen  und  unveränderten 
Namen  von  Gottheiten  angenommen  oder  neugebornen  Kindern 
beigelegt  haben.     Mit  Recht  scheint  in  Bezug'  auf  die  ältere  Zeit 
dies  Hr.   K.  gänzlich  in  Abrede  zu  stellen ;   denn  einige  liebko- 
!  sende   und  scherzende  Ausdrücke  abgerechnet,  die  doch  genau 
j  genommen  nicht  hierhergehören,  finden  sich  in  der  älteren  Zeit 
j  keine  Spuren  von  dergleichen  Namen ,  S.  7.  8.     Nur  in  der  spä- 
teren legte  sich  der  Lebermuth  mächtiger  Herrscher,  oder  auch 
wohl  die  Aufgeblasenheit  thörichter  Privaten  Namen  derGötterbei, 
j   worüber  Hr.  K.  sehr  lehrreich  gesprochen  hat,  S.  9  —  22.  Wenn 
schon  dadurch  die  Namen  der  Gottheiten  noch  nicht  als  eigent- 


430  Lexicographie. 

liehe  menschliche  Namen  erscheinen,  so  nimmt  doch  Hr.  K.  für 
die  spätere  Zeit  wenigstens  unter  hinlänglichen  Belegen  an,  dass 
man  auch  neugebornen  Kindern  Namen  von  Göttern  beigelegt 
habe,  was  jedoch  erst  in  der  Zeit  nach  Christi  Geburt  und  doch 
immer  nur  seltner  Statt  gefunden  zu  habon  scheine,  S.  22 — 26. 
Daran  schliesst  Hr.  K.  nachträgliche  Bemerkungen  an,  S.  26  —  34, 
zuerst  über  die  Namensendung  deogog,  welche  die  Griechen  nicht 
blos  den  Namen  von  Göttern,  sondern  auch  denen  von  Helden 
und  anderen  Männern  angehängt  haben,  S.  26 — 28.  Nachträg- 
lich werden  dann  noch  der  Name  eEQ[iai%og  und  ähnliche  Bildun- 
gen nachgewiesen,  sowie  für  Plutarch  Ainator.  c.  IX.  die  Form 
Beh6vi%}]  statt  Biki(5xlyy\  mit  überzeugenden  Gründen  in  Schutz 
genommen,  S.  28.  Sodann  spricht  Hr.  K.  über  die  Namen  IJv- 
dovlxY}  und  IIvftioriMr]  und  Ilv&ovixog  und  Ilv&iovixog  und  an- 
dere mit  Ilv&o —  beginnende  Namensformen,  S.  29.  30.,  und 
gibt  zu  andern  in  dem  Früheren  aufgestellten  Behauptungen  die 
nachträglichen  Belege,  wie  über  Bovzrjg  und  BovZ,vyqg  als  Na- 
men von  Priestern,  S.  30.,  und  darüber,  dass  man  6  Zfu'g,  2Ja- 
xpar^g,  6  TccQttvviog  u.  s.  w.  öfters  auch  da  gesagt  habe,  wo 
wir  rov  zJiög  avofta,  ZJaxodtovg  ovop,a  u.  dergl.  hätten  erwar- 
ten können,  was  mit  Athen,  lib.  VII.  c.  34.  med.  (§  10.  Schweigh.) 
Xenoph.  Memorab.  4,  4,  7.  Plutarch  Poplic.  6.  und  Coriol.  11. 
belegt  wird. 

Sodann  berührt  Hr.  K.  den  Sprachgebrauch,  nach  welchem 
man  den  Namen  eines  Gottes  oder  eines  Menschen  zur  Bezeich- 
nung eines  nach  einem  Gotte  oder  Menschen  benannten  Ortes  ge- 
wählt habe,  wie  bei  Plutarch  Luculi.  41.  'Aitoklav  für  Apollo- 
saal, Ptut.  Alkibiad.  24.  'AXxißtäd^g  statt  Alläbiades-  Garten, 
welchen  Namen  Tissaphernes  einer  seiner  schönsten  Gartenanla- 
gen beilegte,  ferner  bei  Plutarch  im  Sulla  17.  'Aoizlaog,  wozu 
Hr.  K.  noch  vergleicht  Böckh's  Corp.  Inscr.  n.  1732.  b.  2.  snl  röv 
'AQ%ccyevqv ,  i.  e.  em  rö  ijgcöov  rov  'AQ^ayttov ,  und  das  Home- 
merische  slg  'Ayccp.sp.vova ,  statt  elg  xXiöir}v  Aycc^isfivovog.  Dazu 
fällt  uns  fast  unwillkürlich  aus  dem  Lateinischen  bei:  Tarn  prosi- 
mus  ardet  Ucalegon,  was  Hr.  K.  vielleicht  mit  anführen  konnte, 
da  er  selbst  Nep.  Alcib.  3,2.  itaque  ille  poslea  Mercurius  Andoci- 
des  vocatus  est,  durch  die  andere  Lesart:  Mercurius  Andocidi, 
für  beseitigt  hält.  Ferner  belegt  Hr.  K.  noch  ausführlicher,  dass 
auch  ein  Gott  häufig  statt  seines  Standbildes  stehe ;  zu  den  bei- 
gebrachten griechischen  Stellen  hätte  Hr.  K.  leicht  viele  lateini- 
sche anführen  können,  wenn  dies  überhaupt  in  seinem  Interesse 
lag,  wie  Cic.  Accusat.  lib.  IV.  cap.  3.  §  5.  Cap.34.  §  74.  Cap.35. 
§  77.  Gelegentlich  nimmt  Hr.  K.  S.  32  fg.  den  Accus.  "Aqt\  in 
Schutz,  den  er  mit  Inschriften  und  durch  die  Analogie  anderer 
Namen  rechtfertigt;  und  erklärt  sich  für  die  Schreibung  'A&tfvyöt 
statt  'A&ijvr]<ji,,  wozu  er  die  Belege  ebenfalls  hauptsächlich  aus 
Inschriften  entlehnt,  und  wornach  er  auch  bei  Plut.  Poplicol.  15,- 


Keil :  Specinien  Onomatologl  graeci.  431 

ITevTsXrjßi  geschrieben  wissen  will.  Cap.  IL  behandelt  der  Hr. 
Verf.  die  Nomina  ab  equis  et  equitandi  arte  ducta,  S.  34  —52., 
mit  derselben  Umsicht  und  Gelehrsamkeit.  Nachdem  liier  Hr.  K. 
im  Allgemeinen  auf  die  Sitte  der  Reichen  und  Vornehmen  Grie- 
chenlands hingewiesen  hatte,  zahlreiche  und  schöne  Pferde  zu 
unterhalten,  wobei  auch  die  Stelle  des  Sophokles  im  Oed.  Colon. 
v.  714. 

%d~ovog  ccv%t]ficc  psyiöTOV 
zvimtov  tvjtcöXov  svxtüKaööov, 

ihre  gehörige  Würdigung  findet,  geht  er  zur  Besprechung  von 
dem  über,  was  hierüber  noch  nach  Sturz  und  Crusius  zu  erinnern 
war.  Mit  gründlicher  Gelehrsamkeit  werden  hier  S.  35  fgg.  zu- 
vörderst die  Namen  Mü.ävmnog  und  Mzlavinni]  besprochen, 
bei  welcher  Gelegenheit  Hr.  K.  auch  die  Form  MtväXinnog ,  die 
Ref.  zu  Cicero's  Disput.  Tuscul.  3,  9,  20.  schon  früher  für  die 
Lateiner  in  Anspruch  genommen  hatte ,  für  die  spatere  Zeit  we- 
nigstens ,  auch  im  Griechischen  nachweist.  Unterzeichneter  hat 
sich  gefreut  eine  Sache,  worüber  andere  Leute  leicht  zu  seinem 
Nachtheile  oberflächlich  abgeurtheilt  haben  würden ,  so  umsichtig 
von  Firn.  K.  besprochen  zu  finden;  und  er  würde  sich  ungemein, 
im  Interesse  der  Sache  selbst,  freuen,  wenn  Hr.  K. ,  der  so  viele 
Studien  an  den  alten  Inschriften  gemacht,  bei  der  Fortsetzung 
seines  Werkes  namentlich  darauf  Rücksicht  nehmen  wollte,  wie 
die  ursprünglich  griechischen  Namen  im  Lateinischen  erscheinen, 
und  wie  sie,  schon  anfangs  von  der  gewöhnlichen  griechischen 
Sprache  dialektisch  verschieden,  nach  und  nach  eine  so  verschie- 
dene Gestalt  annahmen.  Mit  Recht  leitet  Hr.  K.  übrigens  die 
Formen  Mtvälmnog  und  MtvaUmtr}  von  einer  blossen  Verderb- 
nis her,  die  daher  entsprungen,  weil  man  die  Entstehung  und 
eigentliche  Bedeutung  des  Namens  nicht  mehr  berücksichtigte, 
ein  Umstand,  worüber  der  Hr.  Verf.  auch  noch  andere  Belege 
beigebracht  hat,  S.  42.  Nachdem  sodann  der  Hr.  Verf.  noch  ei- 
nige andere  auf  irniog  und  Innr)  endigende  Namen  auf  eine  be- 
lehrende und  anregende  Weise  besprochen,  gibt  er  S.  50  —  52. 
Nachträge  von  Wörtern ,  welche  bei  Crusius  entweder  ganz  feh- 
len oder  doch  ohne  Beleg  geblieben  sind.  Wir  heben  hier  die 
hauptsächlichsten  hervor  und  werden  die  aus  Inschriften  nachge- 
wiesenen blos  mit  hiscr.  bezeichnen.  'Aydöinnog  Inscr. 
'AysöuiTilccg  r^g  'Ovaöleovog  Inscr.  'A&r}vut7tog  yA9t]vl7C- 
Ttov  Ifiscr.  und  rI anlag  'A&rjv  Innov  'AkixttQvaGSzvg  b.  De- 
mosth.  adv.  Lacrit.  §  20.  §  34.  Bekk.  AlQiqöinntyg  6  Zjiccq- 
xiärrig  Athen.  VI.  p.  251.  F.  Zu"AXxt,jt7to  g,  was  Crusius  ohne 
Auclorität  hat,  giebt  Hr.  K.  Belege  aus  Inscr.  und  vergleicht  we- 
gen des  nicht  verwandelten  Kämta  Aevxinnog  —  AEv%m- 
7t  og  (Bachm.  ad  Lycoph.  Alex.  850.  p.  184.)  und  Gicse  über  den 
aeol.  Dialect.  S.  332.     Es  findet  sich  auch  "Alyannog  bei  Plut. 


432  Lexicographi  e. 

7HoroJ.  p.775.  B.,  welche  Stelle  Rost  im  Lex.  beibringt.  'A(iv8gm- 
nog  Tnscr.  'Agsömnog  Inscr.  'Agx^nn  a  Inscr.  'Ag%inni] 
hiscr.  und  Demosth.  in  Stephan.  I.  §  28.  Bekk.  'Ag%innidrig 
Inscr.  FväQinnog  Athen.  IV.  p.  168.  D.  rögymnog 
JTo gyinnov  Inscr.  ro gymniöag  Inscr.  A ä  fimnog 
Inscr.  zitivinnog  Inscr.  zJe^inna  hiscr.  zJ  sgxmnog 
Inscr.  und  Stobaeus  III.  413.  A  coginnrj  Etyra.  Magn.  p.  293, 
36.  'Evgijvinnog  hiscr.  'Egäömnog,  was  Crusius  aus 
Apollodor  hat,  wird  ebenfalls  noch  mit  Inscr.  belegt.  (Dazu  wird 
das  Wort'JSp  ccöicpäv,  welches  Crusius  ebenfalls  nicht  hat,  aus 
Lysias  ntgi  drjfioö.  %Qt]lt.  §2.  §3.  Bekk.  nachgewiesen).  'Egp in- 
nig Inscr.  Zä'innog  Polyb.  7,2,1.  und  Liv.  24,5.  ®eg- 
6  i  n  n  o  g,  was  Crusius  aus  Arrian.  2, 14, 4.  hat,  wird  noch  aus  Inscr. 
nachgewiesen.  Ferner  'Innag  pödag  og  ein  Platäenser  bei 
Lysias  xatä  IlecyxkEavog  §  5.  Bekk.  'Innacptöig  Athen.  11. 
p.  586.  E.  [Die  Stelle  ist  aus  Lysias'  verloren  gegangener  Rede 
gegen  die  Lais  und  findet  sich  auch  bei  Athen.  11.  p.  592.  E. 
wiederholt.  Ref.]  "Inneog  Inscr.  "Innrj  eine  Buhlerin  b.  Athen. 
13.  p.  583.  A.  ' lnnlvog  Inscr.  "Innig  =  'Inniag  Inscr. 
Inno^evog  Inscr.  rInno6Tgäri]  Inscr.  'Innoiv log  Inscr. 
KalXinnrj  hiscr.  Ksv&innr]  tonog  "Agyovg  Etyra.  Magn. 
p.  503,33.  KXstnnr]  Inscr.  Kltlvmnog  Inscr.  Klij- 
Cinnog  Inscr.  Kq ar^6innog  Inscr.  Avömnidrjg  Inscr. 
Mslrjömnog  Inscr.  Mvaöinna  Inscr.  Mvrfa innog 
Inscr.  Nea ginnrj  Inscr.  Nsixmnta  und  Nsixmnldag 
Inscr.  No&mnog  Athen.  8.  p.  344.  C.  "Ogg  mnog  Inscr. 
näömnog  Inscr.  TLtiGinnog  Inscr.  IloXvinnr]  Inscr. 
TIv%lnnri  Inscr.  'Pööinnog  Inscr.  Zlrjgmn  og  Inscr. 
Uoi^tnnog  Inscr.  Hcb'innog,  eben  so  gebildet  wie  Hoäav- 
dgog,  ZJaxkrjg  u.  s.  w. ,  Inscr.  Teke'Cnnog  Inscr.  TbXs- 
öinnij  Schacf.  App.  Demosth.  t.  5.  p.  109.  Tgstymnid  ao 
Inscr.  Tvxinno  g  Inscr.  Qaväömnog  Inscr.  (Pslöin- 
nog  wird  noch  aus  Inschriften  nachgewiesen.     OiXinna  Inscr. 

Man  wird  die  Reichhaltigkeit  der  Nachträge,  welche  Hr. 
Keil  zu  geben  in  Stand  gesetzt  ist,  schon  aus  dieser  Reihe  von 
Wörtern,  die  allein  von  dem  Stamme  "innog  entlehnt  sind,  am  be- 
sten abnehmen  können.  Auch  vermissen  wir  nirgends  die  bei  sol- 
chen Dingen  unerlässliche  Genauigkeit  und  redliche  Aufrichtig- 
keit, womit  der  Hr.  Verf.  auch  das  seinen  eigenen  Vermuthun- 
gen  Entgegenstehende  zu  besprechen  pflegt. 

C!ap.  III.  führt  die  Ueberschrift :  Nomina,  quae  dicuntur, 
decurtata,  S.  52  —  57.,  und  bespricht  zuvörderst  die  bekannten 
Formen  Avuo^dai  und  Avxofiidai.  Mit  Recht  scheint  sich  der 
Hr.  Verf.,  dessen  ganze  Auseinandersetzung  S.  52  —  54.  man  an 
ihrem  Orte  nachlesen  mag,  dahin  zu  entscheiden,  dass  er  beide 
Formen,  die  eine  auf  der  Inschrift  Corp.  lnscript.  n.  383.  befind- 
liche Avxonidui,  die  andere,  welche  sich  bei  Plutarch  Tkemi- 


Keil:  Specialen  Onomatologi  graeci.  433 

stolles  Cap.  I.  in  den  Handschriften  findet,  Avxofjfjdai,  zuvör- 
derst anerkennt,  die  Form  aber  selbst  als  ein  Patronvmicum  von 
jivxQ^Örig  betrachtet  wissen  will,  welches  durch  Contraction 
aus  dvitofirjöldat  entstanden  sei,  wie  BaQv^rjöai  bei  Hesychius 
statt  Bavv^tjÖiSccL  oder  Ba&Vj.irjdeiöat^  worauf  Lobeck  in  den 
Addendis  ad  Aglaoph.  S.  1357.  verwiesen  hatte,  und  ®gacv- 
ptldrjg,  was  Westermann  in  diesen  Jahrbb.  Bd.  21.  S.  274.  zuerst 
aus  Etym.  Magn.  p.  165,  55.  beibrachte,  statt  &ga6v/.i7jöiör]g 
aus  euphonischen  Gründen  zu  stehen  scheine,  obschon  Formen, 
wie  Msyciuaöid^q  Hom.  hymn.  in  Mercur.  v.  100.,  sonst  biswei- 
len vorkämen.  Dazu  verglich  Hr.  K.  noch  den  Umstand,  dass 
die  Griechen  nicht  'HgaxkEididijg,  sondern  'Hgccxkddov  viog 
(vgl.  Thiersch  griech.  Gr.  §  134.  4.  Anm.),  oder  in  derselben 
Bedeutung  'Hgaxkeldtjg  (vgl  Meineke  zu  Theor.  p.  168.)  gesagt 
haben.  Als  etwas  Aehnliches  konnten,  nach  des  Ref.  Dafürhal- 
ten, manche  Superlativ  formen  hierher  gezogen  werden,  wie  z.  B. 
dx^göraxog  verkürzt  statt  axqguxcäxuzog ,  bei  Strato  ep.  88.  in 
Anth.  Pal.  12,  249.  vgl.  Jacobs  Add.  p.  LXXXVf.  Schaef.  ad 
Chocril.  Psäk.  p.  273.  Lobeck.  Faralip.  p.  39.  Denn  auch  hier 
scheinen  die  Griechen  euphonische  Gründe  bestimmt  zu  haben, 
den  regelmässigen  Verlauf,  den  diese  Formationen  der  Analogie 
gemäss  hätten  nehmen  sollen,  abzukürzen. 

Sodann  geht  Hr.  K.  zu  einigen  anderen  Abkürzungen  der 
obigen  Art  über,  nachdem  er  S.  55  i^.  mit  Recht  'Ekkävixog  als 
nicht  in  diese  Kategorie  gehörig  bezeichnet,  obschon  er  mit  Recht 
die-  vorletzte  Silbe  als  lang  anerkennt,  und  die  falsche  Annahme 
von  Sturz  und  Anderen,  'Ekküvixog  sei  aus  Ekhpixog  erwach- 
sen, mit  Krüger,  Meineke  und  Andern  beseitigt,  da  Ekkuvixog 
von  Natur  das  i  lang  habe  und  von  "Ekkrj,  wie  Agxt(i[dcogog,  77o- 
de/cJtjiJioc,  'Ovofxüy.QLTog,  vom  Stamm  ab  gebildet  sei.  Als  eigent- 
liche Abkürzungen  will  dagegen  Hr.  K.  betrachtet  wissen  Xagi- 
Xaoq  und  Xagiakog ,  ÜEgikaog  und  IHgikkoq,  wozu  er  später 
S.  66  —  68.  noch  ausführlichere  Belege  giebt,  ferner  Aap.axlav 
Actyiaxlovog  Q>ikigcoxi  K.,  bei  Fourmont  n.  1241,11.,  wofür 
ebendas.  n.  1288,  3.  stehe:  Aa/uavLXLav  Aa^iavixiovog  &ik£- 
Qoaxv  K.  Nach  Schwenck  „JStymol.  mythol.  Andeutungen1-1-  führt 
er  dann  noch  Movvvi'ia  statt  Movvovv%ia,  Kakkiv  ov  statt 
Kakkikivov^  Tlokvyiog  statt  Tlokvkvytog,  TIo  k  vösvxtjg 
entstanden  aus  IlokvkEvxtfg,  und  dazu  Pollul.cs  und  Pollux, 
IJokv^co  statt  Ilokvkvlzcd,  Semonea  statt  Scmemones  auf. 
Endlich  das  auf  Inschriften  erscheinende  xixgüx$iov  statt  xixgec- 
öq«xliov. 

Auch  Cap.  IV.  Nomina  quaedam  male  suspeeta ,  S.  57 — 69 
enthält  sehr  vieles  Interessante  und  Lehrreiche.  Hier  rechtfer- 
tigt Hr.  K.  zuerst'  die  Form  'Okvnixög  in  tilulo  Altico  n.  2S4 
I.  34.,  wofür  man  'Okv^iTiixög  vermuthet  hatte.  Mit  Hecht  habe 
Schwenck  „Etym.mythoh.  Andeutungen1-1-  S.  49.  eine  Forin  "Okv- 

S.  Jahrb.  f.  Phil.  v.  Faed.od.  Krit.  UM.  Iid.  XX\  III.  Uft.  4.  28 


434  L  e  x  i  c  o  g  r  a  p  Ii  i  r. 

utoq  statt  "OXv^Ttog  vermuthet.  Ucber  die  Auslassung  von  [iv  in 
Eigennamen  vergleicht  Hr.  K.  ausser  dem,  was  schon  Andere  bei- 
gebracht haben,  noch  Thukyd.  Buch  5.  Cap.  10.,  wo  Acipixpilog 
in  den  Handschriften  sich  finde,  während  Cap.  24.  derselbe  Mann 
AäyiXog  genannt  werde.  Ausserdem  bringt  er  aus  dem  Corp. 
Inscript.  n.  3155,  8.  den  Namen  Nvcpööcogog  statt  Nv^cpödcogog 
bei,  und  glaubt  mit  Recht,  dass  da  vv(p)j  zu  sebreiben  sei,  wo 
vvficpi]  mit  verkürzter  erster  Silbe  stelle.  Uns  scheint  dies  eben 
so  natürlich,  wie  man  zvnavov  statt  zi^iitarov  sebreibt,  wenn 
die  erste  Silbe  verkürzt  ist.  Dazu  schlägt  nun  Hr.  K.  bei  Eurip. 
Hercal.ßir.  1275.  zu  lesen  vor: 

XoQivhtG)  d?]  Zrjvog  y\  xkuvi]  daaag, 
Kgovovö'  'Okviilov  Z,y\vhg  agßvkij  nöda., 

wo  die  Vulgata: 

Kgovovö'  'OXv^tiiov  Zrjvog  agßvh]  notia, 

auf  mannigfache  Weise  emendirt  worden  war.  Die  Conjectur  ist 
leicht  und  genügend. 

Besonders  viele  mit  tv  zusammengesetzte  Namen,  bemerkt 
Hr.  K.  S.  59.  weiter,  seien,  obschon  sie  diplomatisch  hinlänglich 
gesichert  da  ständen ,  noch  nicht  von  Crusius  aufgenommen  wor- 
den. Er  erwähnt  noch  folgende,  sämmtlich  auf  glaubwürdigen 
Inschriften  sich  findende  Namen:  Ev  ayö  g  a  Alexgcovog  Qvynz., 
Evcclvi],  EvafiegCg,  Ev  ä^isgog ,  Evavd  ideeg  Mixgico- 
vog  Aoxgog,  Ev ccvogldccg,  Evageözi],  Evägqg,  Ev- 
/3t  og,  Ev  ßtotog,  Evßa  Ko  g,  böot.  statt  Evßovkog,  Ev- 
ysLzav,  Evyävrjg,  Evysvidag,  Evyiza,  EvyEzcav, 
Evyvcöficov,  Evdcci[i(ixav,  Evöai^oxkijg^  Evd  ui- 
[lovldccg,  Evdafiici,  Ev  8  ayLicöv,  Evda  (.loxkqzog, 
Ev  öiaizo  g,  Ev  döxiftog,  EvÖo'^Evg  EvÖo^ecog,  Ev- 
dgccpav ,  Eveh7iiöTog,  Ev  egyeztjg,  Evk%iog,  Evij- 
&ldi]g,  Evtj^isgiog,  E  v  t)  (x  s  g  i  g ,  E  v  &  a  l  K  o  g ,  Ev%)\- 
[icov,  Ev\t  oivog,  Ev&vpla,  Ev'Cog,  Eüxccgirog, 
Evxktjzog,  Evxkldag  Evxkidov  'Egiuovsvg,  Evxo- 
Alvr],  Evxokog,  Evxg  azsee,  Evxgdz £Ltt,  Evxgtvyg, 
Evxxäg,  Evxzl^svog,  Evkoyog,  Evßccgldug,  Ev- 
[lägiXog,  Evficcgav,  Ev {.isihiÖag,  Ev^eikog,  Ev- 
ftivtog,  Evp,^  Ai'<5ag,  Evptjzlcov^  Evßvqözog,  Ev - 
vsixog,  Evvixi  dag,  Evvo^ia,  Evvovg,  Ev  od ik- 
vög,  Evodog,  Evocp  sllvo  g,  Evivaidsiog,  Evita- 
Tcap,  Evitkovg,  Evnogäg,  Evnog  /«,  Evno  giözog-, 
Evnog  leav ,  Evnogog,  Evngcc£idi]g,  Eviiga£,ig, 
Evnäycov^  Evözgazog,  Evzaxzo  g,  Evzsktjg-,  Ev- 
rv%ala ,  Evzv%üg,  Evzv%k<5x  azog,  Evxv%iav6g, 
Ev  zvftiog,  Evtv%lg>v,  Evzv%og,  Evq>avzog^  Ev  q>rj- 
[ilav ,  Ev  cp  IXeiTog,  Ev  (pQccivsTO  g,  Evcpgalog?  Ev- 


Keil:  Specialen  Onomatologi  graeci.  435 

(pQccvoQidqg,  Evcpg  avxixög,  Evygovlöxog,  Ev- 
(pQoöiiv  cc ,  Evtpgöövvog,  Evcpgco,  E^K^törog 
Ev%agi6xov ,  Ev%£i,Q,  Ev%ogog,  Evavo [ild ccg ,  Eva- 
v  v  p  i  o  g. 

Dazu  sucht  dann  Hr.  K.  nocli  die  zweifelhaften  Formen  Ev- 
alxrjg  nachzuweisen,  sowie  er  Evhxrjg  hei  Suid.  s.  v.  'Eniiag- 
pog  gegen  Meineke  Fragin.  Com.  Gr.  I.  p.  26.  in  Schutz  nehmen 
zu  müssen  glaubt,  was  er  mit Evtxlcov ,  KaXXiixyjg  u.  s.  w.  ver- 
gleicht; ausserdem  nimmt  er  Evctyrjg  hei  Steph.  Byz.  s.  v.  'TSgku 
in  Schutz,  was  mit  Recht  auch  Westcrmann  beibehalten  hat. 
Hr.  K.  vergleicht  dazu  Evaylöfjg  Corp.  Inscr,  n.  222,  1.  und  Ev~ 
üym>  bei  Athen.  11.  p.  508.  F. 

S.  62.  behandelt  der  Hr.  Verf.  mehrere  zweifelhafte  Namen, 
die  mit  ®eo —  oder  &sv —  heginnen  und  bringt  die  von  Crusius 
übersehenen  Namen:  0svyvijx  o  g,  &evd  i  ecv  6  g,  Osvöco- 
pog,  &sv (lävrjg,  @ svt,sva,  Ssv^evog,  OevTtQOTtl- 
di]g,   @evziiildr]g ,  sämmtlich  aus  Inschriften,  hei. 

Hierauf  bespricht  Hr.  K.  unter  Anderm  die  Namensformen 
üavxaxlfjg  und  ITttvxöxkfjg .  und  gestattet  beiden  Formen  das 
Bürgerrecht  in  der  griechischen  Sprache,  indem  er  jedoch  IJuv- 
xaxAijg  als  die  häufiger  vorkommende  Form  anerkennt.  Bei  Steph. 
Byz.  s.  v.  'Atrjvrj  hat  auch  Westermann  die  von  Hrn.  K.  S.  63. 
in  Schutz  genommene  Lesart:  TlaxgoxXrjg  'Axrjvsvg  sxogrjyet,  xal 
navxaxlrjg,  im  Texte  behalten.  Bei  dieser  Gelegenheit  wird 
auch  bei  Euripides  Troüus  (bei  Schol.  Pind.  Nem.  III.  60.)  fragm. 
548.  Bind,  die  Lesart: 

syr^psv  cog  %yrmzv  acpftöyyovg  yafiovg, 

xrj  Tcavxapögcpcp  ©sziöi  6vp7ckaxslg  noxs., 

gegen  die  von  Dindorf  und  Schneider  gebilligte  Vermuthung  Lo- 
heck's  Ttavxo^ÖQcpco  von  Hrn.  K.  in  Schutz  genommen.  Es  folgt 
nun  eine  genaue  Auseinandersetzung  über  die  Identität  der  Na- 
mensformen Xaglkttog,  Xägilkog  und  Xagtkog,  wozu  die  For- 
men ®QctGvlaog,  &gäövllog  und  SgaövXog,  Ba&vXaog,  Bä- 
ftvlkog  und  Badviag ,  zltgxvlkog  und  ^Jsgxvkog  mit  Recht  ver- 
glichen worden  sind,  um  anderer  gelegentlicher  Bemerkungen, 
die  Hr.  K.  überall  geschickt  anzubringen  und  durchzuführen  ver- 
steht, nicht  zu  gedenken. 

Cap.  V.  führt  die  Ueberschrift:  Nomina  falso  scripta  vel 
restiluta,  S.  69  —  78.,  und  enthält  ebenfalls  höchst  interessante 
Bemerkungen.  Zuerst  nimmt  hier  Hr.  K.  für  Plut.  Lycurg._ 
Cap.  4  ,  wo  Kgsocpvkov  jetzt  hei  Siutenis,  sonst  Kktotpvkov 
stand,  die  Schreibung  Kgeacpvkov  in  Anspruch,  stellt  dieselbe 
auch  Lei  Clem.  Alex.  Silomat,  b.  p.  206,  47.  Sylb.,  wo  Kkzocpv- 
Xov  stand,  wieder  her  und  vergleicht  Callim.  epigr.  VI.  v.  1.  p. 
280.  Em.  und  denselben  Ep.  XXXIV.  1.  in  Jacobs  Anlh.  Gr.  1. 
220.  nebst  Plato  de  rep.  X.  p.  600.  C.  ed.  H.  Steph.  u.  a.  Kqecü- 

28* 


436  Lcxicographie. 

cpvkog  sei  aus  ugsav  und  cpvkrj  gebildet  und  entspreche  seiner 
Bedeutung  nach  der  anderen  Bildung  ^ükag^og.  Sodann  stellt 
Hr.  K.  bei  Plut.  Themistokl.  Cap.  3.  Aivbvt.n)vy]g  statt  Aivdv/.ü- 
vi] g  nach  Cod.  lieg.  A. ,  der  Aivdvfxiv>]g  hat,  ganz  richtig  her, 
unter  Vergleichung  von  Horat.  Od.  I,  16,  5.  und  Callimach.  Ep. 
\LV,  2.  Ärcad.  de  accent.  p.  111,  21.  Höchst  interessant  sind 
ferner  Hrn.  Keils  Bemerkungen  S.  71  ig.,  in  welchen  er  statt  der 
noch  sehr  häutig  am  unrechten  Orte  in  den  Ausgaben  befindlichen 
Appellat'wa  Nomina  proprio  hergestellt  wissen  will.  Das  Einzelne 
mag  man  bei  Hrn.  K.  selbst  nachlesen,  wir  bemerken  nur  Hrn. 
K.s  Vorschlag  in  Plutarch's  Amator.  p  28.  ed.  Winde,  vjönsg  &ä- 
vaxog  statt  äöitsg  ozütog  zu  lesen ,  als  eine  sehr  glückliche  Con- 
jeetur.  Zu  S.  72.  bemerken  wir  in  Bezug'  auf  die  richtige  Wie- 
derherstellung des  Namens  Voluptas  bei  Cic.  ad  fam.  5,  12,  3., 
dass  Cicero  de  nat.  deor.  lib.  II.  Cap.  23.  §  61.  angezogen  wer- 
den konnte,  wo  es  heisst:  Quo  ex  genere  Cupidinis  et  Volupta- 
tis  et  Liiibentinae  Veneria  vocabula  conseerata  sunt,  welche 
Stelle  sich  Ref.  zu  der  obigen  angemerkt  hatte.  Der  übrige 
Theil  dieses  Capitels  beschäftigt  sich  mit  der  Wiederherstellung 
anderer  Eigennamen,  zumeist  auf  Handschriften,  und  auch  hier 
zeigt  sich  der  Hr.  Verf.  überall  gleich  gewandt  und  unterrichtet. 
Cap.  VI.  Nomina  in  integrum  restituta,  S.  78—89.,  giebt 
ebenfalls  für  den  Sprachforscher  manche  schöne  Ausbeute.  Hier 
macht  uns  Hr.  K.  zuerst  mit  dem  Namen  A%i]vaig  bekannt,  verkürzt 
a\\sA&>']vcuog,  und  giebt  dazu  noch  folgende  Analogieen:  'Axeölv 
statt  Ahböiov,  Corp.  Inscript.  n.  511,  18.  p.  915.  a.  "Apyig  = 
"Apcpiog,  vgl.  Damm.  Lex.  Homer,  p.  1251.  a.  Host.  Schmidt  de 
praeposit.  Gr.  p.  41.  oder  statt  'Aficplccg,  vgl.  Meineke  Fr.  co- 
moed.  Gr.  I.  404.  "Agiöx  ig  —  Agioxiag,  aus  Inscript.  Kotvta 
A(pQ  6  Ö£  löiv  statt  'AtyQodslöiov  i  Inscript.  B  un%ig  =  Bäx- 
%iog,  Inscript.  nebst  Ä'pö  fiig  ==  Xgdfiiog,  Et.  Magn.  815,  43. 
Aüyug  oder  Arj(ug  —  zlfouog,  Et.  Magn.  247,  34.  A/j  {irjxgig 
statt  At]ni]tQiog,  Inscr.  A  lövvö ig  statt  Aiovvöiog,  Inscr. 
Evgrjvcc'Cg  aus  Elgyvaiog ,  Inscr.  Eksvdegiv  oder  Eksv- 
&£ptv  statt  Ektvftigiov,  Inscr.  "Ekkocd  ig,  Inscr.  "Iren  ig 
statt  Imtiag ,  Inscr.  Kakkiöx  tv  oder  K ä k k i ö x  i v ,  Inscr. 
K%f]6ig  =  Kxqöiag ,  bei  Isaeus  de  Aicostr.  hered.  §  9.  Nl- 
xiv  statt  Nixiav,  Inscr.  Nvfxcpig  statt  Nvarpiog,  Inscr.  TIo- 
kvpvig  bei  Plutarch.  De  genio  Socrot.  8.  p.  286.  289.  Reisk. 
2AßvQTiv  statt  2Ji ßvgxiov  Inscr.  2Jiviv  Plut.  Thes.  29.  2Jc3- 
6  ig  Athen.  6.  p.  251.  F.  Tkkkig  statt  Tekkiug  bei  Anaci*.  p  280. 
Bergk.  Meineke  Fr.  com.  Gr.  1.  p.  454.  T'iöig  statt  Tiöiag, 
Lysias  fragm.  45.  Bekk.  <2> ikt]  prix  iv  oder  (D  i  k)]  (i  ax  iv  statt 
G>ik>]!.iciTiov,  Inscr.  (frivxig  statt  c&ivxictg,  Inscr.  Dazu  ver- 
gleicht Hr.  K.  noch  die  Appellativa,  wie  Zixicpuvog  gnxiccgig  re- 
tiarius,  Inscr.  n.  2663.  1.,  \vas  wohl  gqxiugig  oder  grjnägig 
heissen  musste.   Auch  hier  folgen  dann  noch  viele  sehr  glückliche 


Keil :   Syecimen  Onomatologi  graeci.  437 

Wiederherstellungen.  Interessant  ist  hier  S.  85=  die  eingelegte 
'Sammlung  von  Thiernamen ,  die  entweder  als  eigentliche  Eigen- 
namen oder  als  scherzhafte  Beinamen  im  Gebrauche  waren.  Wir 
finden  hier  die  folgenden  Namen  und  Bein  men:  A'l£,  als  Bei- 
name der  Buhlerin  Nixä  bei  Athen.  13.  p.  582.  E.  p.  583.  C. ; 
sodann  'Afivol-,  B  dxg  a%og,  Bovg,  K dv&agog,  Kv- 
jfvog,  Kv  cov ,  Aä  y  o  £,  AeovxcGxog,  Asce  iv  a  t  Ahav, 
Avxog,  MiXiOöa,  MoG%oi  nebst  MoG%lav,  Mvfa, 
M v  g  p.  1]  | ,  MvQfirjitidijg,  Mvg,  IJsgdi^  Tu  v  gog  und 
Xolgaxo  i.  S.  87.  zeigt  Hr.  K. ,  wie  bekannte  Flussnamen  öf- 
ters als  Propria  gebraucht  sind,  wie  Kä'txog,  Evg  cöx ag, 
K  ü  (piGog,  NelXog,  IJöx ccpog  selbst  nebst  Iloxa^cor', 
2Jxüf.iavdQog,  2Jxgv  ftcov  und  vergleicht  aus  Gruter  Rhe- 
nus, Dtmuvius ,  Euphrates  in  gleichem  Sinne. 

Wir  lassen  die  übrigen  Ueberschriften  folgen:  Cap.  VII.  Sin- 
ciliares  quaedam  nominum  origines  et  appellandi  raliones,  S. 
89  — 100.  Hier  weist,  abgesehen  von  anderen  höchst  beachtungs- 
wettben  Bemerkungen,  Hr.  K.  S.  94  —  98.  folgende  Eigennamen 
narh:  Al&toil>,  AGla,'A%ai6g,  Bc  gv  ecx  lötj  g,  Botco- 
to?,  rugyrjXTLQg,  Arj{iog,  EXaxevg^EXsvGetvios 
und  'EXsvGiviog,  r'EXXt]v  ,  Egstg  i  evg  ,  'Eqjiovij^ 
'Egoiddqg,  'HXslog,  ©sGGuXog,  @r}ßrj,  'IpsguZog, 
'Iotci],  'Icov Lxög,  Kijgiv&og,  Kodaxtdrjg,  KögiV- 
#•  o  g ,  slaxedctLfioviog-,  Aüxcov,  AsGfti  og,  Arj  p  log, 
Aiß'vg,  MttXBÖäv ,  MoXoxxog,  Ui]  {ictgidTjg,  2Ji- 
ro.)7r^,  2Jxv&r]g,  IJitagx i  ctx ixog ,  2Jv  g  iGxa ,  Tagccv- 
%  iv  o  g ,  Xg  v  G  et  o  g  s  v  g.  Cap.  VIII.  No?ninum  aliquot  scriplura 
ruiüi.  Aliorum  forma e  rariores ,  S.  100 — 107.  Hr.  K.  giebt 
hier  eine  interessante  Zusammenstellung  der  verschiedeneu 
Schreibweise  von  Agso7tc<yixt]g,  '/JgeionayLxrjg,  'Agziönuyog  und 
'Ageönayog  u.  s.  w. ;  sodann  unter  Anderm  vielfache  Belege  zu 
der  auf  Inschriften  häufig  vorkommenden  Schreibweise:  'Ael- 
[itjöGTog,  'AxiGGxificö,  'AgiGGtoystzcov,  'AgiGGxö- 
ößfiog,  'AgiGGxo<pdv  qg,  Us^Gxog ,  Ust,Gxl a,  2Jf£- 
örtog,  As££(.Jt7ra  u.  dergl.  mehr.  Auch  machen  wir  auf- 
merksam auf  die  S.  105  fg.  befindliche  Sammlung  von  griechi- 
schen Eigennamen,  welche  aus  Participien  entstanden  sind,  wie 
'Agagag,  'Axov  {itvog,  EmXvGaiiEvög,  'Evxzlfis- 
vog*  Avö fievog,  MsXtio psvog,  &iXov{isvog ,  «Tu  - 
Xov^Evt],  Ev%6[iEvog  oder  Ev£cc psvö g,  ZcÖGcov, 
£(öt,av,  'AgniGag  (Aqx§gc<vti,  Dcmosth.  p.  1250.  Reisk.) 
Dagegen  nimmt  Hr.  K.  bei  Aristoph.  in  den  löffeln  V.  65.  'Tjio- 
öeÖLcög  und  V.  68.  E7tixe%oöc6g  als  nur  erdichtete  Namen,  auch 
'AnoXXcSg,  was  Sturz  aus  ATtoXatXcog  entstanden  betrachtet 
hatte,  glaubt  er  üMi'AltoXXfäyiog  zurückführen  zu  müssen;  bringt 
aber  noch  Tis  gu/l?;u  e  vq,  Texel^icc  y.Ev  cc  und  als  Ortsname 
bei  Strabo  rj  Kaxaxixuv  aivrj  hei.    Bei  Demosthencs  rcoog 


438  Schul- und  Uni  versi  täten  a  ehr  ic  hten, 

KtxXXiititov  §  10.  cd.  Bekk.  p.  1238.  ed.  Reisk.  glaubt  er  statt  tg5 
'Agysla  2]tQaß[dSvcp  wiederherstellen  zu  müssen:  'EöTQttp- 
p.svcp. 

Cap.  IX.  Inscriplionum  triga  explicalur  et  emendatur,  S. 
107  —  118.  Auch  liier,  wo  wir  Hrn.  K.  nicht  in's  Einzelne  fol- 
gen können ,  hält  derselbe  ein  allgemeines  Interesse  durchaus 
rege,  was  auch  noch  dadurch  belebt  wird,  dass  S.  110  fg.  unser 
Schiller  gerechtfertigt  wird ,  wenn  er  in  der  Ballade  „die  Bürg- 
schaft1''' Dionysius  mehrmals  König  genannt  habe,  ohne  dass  zu 
seiner  Zeit  historisch  diese  Benennung  nachgewiesen  gewesen 
wäre.  Jetzt  bringt  Hr.  K.  aus  Böckh's  Corp.  Inscr.  Vol.  I.  p.  897. 
b.  bei:  'EitaivBGai  ftiv  /Jiovvtiiov  tqv  UizsXlag  ßaöiXsa  %ai  roi)g 
vulg  xovg  Aiovvtiov  /JiovvGiov  jeat  'Eqp,6aqltov.  Zum  Schlüsse 
theilt  der  Hr.  Verf.  noch  zwei  Conjecturen  zu  Euripides  Helena 
mit.     Er  schlägt  nämlich  V.  301.  zu  lesen  vor: 

Zlcpayal  ö'  h'%ovöir>  tvysvsg  xi  aal  xorAöV, 
öhlxqov  ö'  6  xcciqos  xqüt'  djtcdXaZca  ßiov, 

statt  der  Vulgata :    apr'   ditaXXd^ai   ßiov,   und  V.  441. 

'£1  ygala  ravta  nuvx  z%t]  otaXag  Xsyeig. 
h%s6ri'  3iei(5op.ccL  yocQ*  äXX'  ävsg  ^i6%Xov 

statt  der  Vulgata:    dXX'    ävsg   Xoyov. 

Möge  diese  kurze  Anzeige  des  inhaltreichen  Schriftchens, 
das  wie  durch  gründliche  Gelehrsamkeit,  so  durch  den  bescheide- 
nen und  anspruchslosen  Ton ,  mit  welchem  Hr.  K.  seine  Bemer- 
kungen mittheilt,  den  Leser  recht  eigentlich  einzunehmen  und 
festzuhalten  geeignet  ist ,  recht  Viel  zu  dessen  schneller  Verbrei- 
tung und  Benutzung  beitragen.  Auch  Hrn.  Keils  Latein  ist  im 
Ganzen  rein  und  fliessend;  und  nur  an  wenigen  Stellen  hat  Ref. 
an  einigen  Redewendungen  Anstoss  genommen. 

Angehängt  sind  noch  S.  121.  Addenda  et  Corrigenda ,  und 
ein  Index  S.  122  — 126.  Das  Aeussere  des  Buches  ist  ebenfalls 
empfehlend. 

R  einhold  Klotz. 


Schul  -  und   Universitätsnachrichten ,    Beförderungen  und 
Ehrenbezeigungen. 

Aachen.  Der  Canonicus  am  dasigen  Collegiatstifte,  Consistorial- 
und  Schulrath  Anlon  Gottfried  Clässen  ist  zum  Dompropste  an  diesem 
Stifte,  der  Gymnasial-  Oberlehrer  Körten  zum  geistlichen  und  Schul- 
rathe  bei  der  Regierung  in  Aachen  ernannt  worden. 

Brandenburg.  Der  Jahresbericht  über  das  dasige  Gymnasium  im 
Schuljahr  1837  —  38  [Brandenburg  gedr.  b.  Wisikc.  42  (24)  S.  4.]  ent- 


Bef  öl*  d  er  ung  eu  und  Eh  r  r  n  bez  e  I  gütigen.  439 

hält  eine  gelehrte  und  fleissige  Abhandlung  des  Conrectors  Dr.  Schult ze 
[jetzigen  Frorectors  in  LJrenzIau ,  s.  NJbb.  XXV,  4(>4.  und  XXVI,  349.]: 
Bedeutung  und  Aufeinanderfolge  der  lateinischen  Tempora  ,  welche  durch 
das  reiche  Material ,  das  zur  Erläuterung  dieser  Lehre  zusammenge- 
bracht ist,  sich  vortheilhaft  empfiehlt ,  übrigens  aber  freilich  den  Ge- 
genstand selbst  nicht  weiter  fordert,  weil  der  Verf.  über  die  Bedeu- 
tung der  Tempora  und  über  das  Wesen  der  Sätze  (wovon  die  Consc- 
cutio  temporum  abhängig  ist)  nicht  genug  im  Keinen  zu  sein  scheint. 
Die  Erörterung  beginnt  nämlich  damit,  dass  die  Tempora  der  Verba 
nur  in  absolute  und  relative  getheilt  und  die  absoluten  mit  den  aoristi- 
schen  für  identisch  erklärt  werden,  —  eine  Vorstellungsweise,  welche 
allerdings  zur  Noth  aus  dem  Lateinischen,  wo  die  absoluten  und  aori- 
stischen Tempora  nicht  unterschieden  sind  (s.  NJbb.  XX,  125  ff.),  ge- 
rechtfertigt werden  kann ,  aber  freilich  auch  alle  tiefere  Erörterung 
aufhebt,  weil  nun  weder  das  mit  ich  habe  geredet  und  mit  ei'QTjuu 
gleichbedeutende  dixi  von  dem  mit  ich  redete  und  mit  i'Xs^ct  gleichste- 
henden dixi  geschieden,  noch  auch  der  Unterschied  zwischen  dicavi  und 
dicturus  sum  aufgefunden  werden  kann,  um  anderer  noch  feinerer  Un- 
terscheidungen gar  nicht  zu  gedenken.  Auch  ist  der  Verf.  durch  jene 
Annahme  in  den  Irrthuiu  gerathen ,  dass  er  z.  ß.  die  Bestimmung  des 
absoluten  Perfects,  d.  h.  der  in  scharfer  Abgränzung  und  in  strengem 
Gegensatze  zur  Gegenwart  gedachten  Vergangenheit  [wie  in  dem  Satze: 
]  las  ich  gesagt  habe,  das  habe  ich  gesagt],  ganz  fallen  lässt,  und  dem 
lateinischen  absoluten  Pcrfect  nach  Analogie  des  griechischen  Aorists 
und  des  französischen  Dvfiui  nur  die  Bezeichnung  des  Momentanen, 
d.  -I.  diejenige  Darstellung  des  Factums  beilegt,  wonach  dasselbe  als 
ein  völlig  in  sich  abgeschlossenes  Ganze ,  als  ein  Punkt  erscheine ,  in 
welchen  Anfang,  Verlauf  und  Ende  der  Handlung,  möge  6ie  noch  so- 
lange gedauert  haben,  auf  einmal  und  zugleich  gedacht  und  für  die  Be- 
trachtung nicht  geschieden  werde.  Da  er  nun  die  zum  Beleg  ange- 
führten Beispiele  hauptsächlich  aus  den  lateinischen  Historikern  und 
aus  Virgils  Aencis  entnommen  hat,  in  welchen  der  Natur  der  Sache 
nach  das  aoristische  Perfect  vorherrschend  gefunden  wird  ;  so  ist  ihm 
der  Irrthuiu  nicht  bemerklich  geworden,  aber  er  würde  ihn  gleich 
gesehen  haben  ,  wenn  er  auf  die.  häufigen  absoluten  Perfecta  in  allen 
Gesprächsformen,  in  den  Dramatikern,  Epistolographen  und  Rednern 
mehr  Achtung  gegeben  hätte.  Aber  der  gemachte  Fehler  tritt  recht 
scharf  hervor  in  der  Bestimmung  der  relativen  Zeiten  S.  4  iL,  wo 
z.  B.  behauptet  ist,  dass  dico ,  dixi  (titlet)  [?]  und  dicam  [?]  die  abso- 
luten oder  aoristischen  Zeiten  sein  sollen,  und  dass  man  als  relative 
Zeiten  unter  das  Präsens  dico  die  Formen  dico ,  dixi  (ti'y/jxfv)  und  di- 
clurus sum  [?] ,  unter  dixi  die  Formen  dicebam ,  dixeram  und  dicturus 
cram  ,  unter  dicam  die  Formen  dicum,  dixero  und  dicturus  cro  unterzu- 
ordnen halte.  Ja  selbst  die  S.  2  aufgestellte  Behauptung,  dass  in  Liv. 
IL  3j.  Seualui  nimis  atro  visa  sententia  est  und  IL  30.  multis  horrida  et 
alrox  videbatnr  sententia  das  visa  est  die  ohne  Ncbcnboziehungcn  ge- 
dachte einmalige  (momentane)  Thatsachc,  das  videbalur  aber  die  wie- 


440  Schul- und  Univcrsitätsnach  richten, 

derholte  und  ausgedehnte  Handlung  bezeichne,  hätte  nicht  so  ohne 
Weiteres  hingestellt  werden  sollen  :  denn  so  gewöhnlich  diese  Erklä- 
rungsweise  auch  ist,  so  erkennt  man  doch  aus  ihr  weder  wie  das  rela- 
tive vidcbatur  in  einen  Hauptsatz  passt,  noch  wie  das  Imperfectum  zur 
Bezeichnung  der  dauernden  oder  wiederholten  Handlung  kommt.  Die 
Sache  bleibt  freilich  im  Ganzen  wahr,  aber  die  richtige  Erklärung 
fehlt  eben  so,  wie  S.  3,  wo  in  hsIsvod  es  Siucpv?M^ca  das  Momentane 
und  in  KsXsvta  Gs  Snxcpvläztiiv  das  Dauernde  bezeichnet  sein  soll.  Das 
Letztere  würde  nur  durch  die  Nachweisung  verständlich  geworden  sein, 
dass  hier  die  Begriffe  momentan  und  dauernd  mit  speeiell  oder  indivi- 
duell und  generell  gleichbedeutend  sein  sollen,  und  dass  nslivco  es  Slu- 
(pvXä^cci  eine  Vorschrift  für  einen  einzelnen  Fall  und  ksIsvco  «je  Stucpv- 
ytarrfiv  eine  allgemeine  Anordnung  für  mehrere  oder  alle  Fälle  ent- 
hält. In  der  Lehre  von  der  Consecutio  temporum  ist  der  Verf.  eben- 
falls nicht  zu  einem  sichern  Resultat  gelangt,  weil  er,  abgesehen  von 
der  mangelhaften  Vorstellung  über  das  Wesen  und  die  Grundbedeutung 
der  Tempora  an  sich ,  zuerst  das  Verhältniss  der  Nebensätze  zu  den 
Hauptsätzen  nicht  umfassend  genug  betrachtet  und  daher  z.  B.  alle 
relativen  Nebensätze,  in  welchen  nicht  relative,  sondern  absolute  oder 
Zaristische  Tempora  vorkommen,  unbeachtet  gelassen  hat,  und  weil 
er  zweitens  die  rein  grammatische  Bildung  der  Sätze  und  die  davon 
abhängige  Consecutio  temporum  nicht  von  den  rhetorischen  oder  logi- 
schen Satzverbindungen  unterscheidet.  Das  Letztere  wäre  nämlich 
nöthig  gewesen,  um  sowohl  das  häufige  Vorkommen  relativer  Tempora 
in  Hauptsätzen  [welche  dann  ihrer  Bedeutung  nach  (logisch)  für  Ne- 
bensätze gelten]  und  die  Inversion  in  Sätzen  wie  proßeiscebar  Alhcnis, 
qvum  hoc  ad  te  litterarum  dedi ,  zu  erklären,  als  auch  über  andere  Con- 
fctruetionen  kutu  ty)v  SiafbCav ,  deren  S.  28  ff.  mehrere  angeführt  sind, 
eine  schärfere  Entscheidung  zu  gewinnen.  Wenn  z.  B.  ?<t  nach  einem 
Praeteritum  mit  einem  Conjunctiv  praesentis  oder  perfecti  verbunden 
ist,  so  hat  die  in  diesen  Conjunctiv  gelegte  Einphasis  der  Bedeutung 
für  die  Wahl  des  Tempus  entschieden  und  die  rein  grammatische  Satz- 
bildung aufgehoben.  Die  Bestimmungen  darüber  nun,  wo  dergleichen 
Emphasen  eintreten,  sind  Sache  der  Rhetorik,  nicht  der  Grammatik; 
aber  sie  können  bei  solchen  Untersuchungen  nicht  wegbleiben ,  weil 
sie  eben  auf  die  sprachliche  Form  der  Sätze  einwirken,  und  weil  na- 
mentlich die  lateinische  Sprache  fast  in  allen  ihren  Sprachbildungen 
von  rhetorischen  Einflüssen  abhängig  ist.  —  In  dem  Jahresbericht  über 
das  Gymnasium  von  Ostern  1838  bis  Michaelis  1835)  hat  der  l'rorector  Prof. 
Ilefflcr  eine  noch  verdienstlichere  und  erfolgreichere  Abhandlung  De  Ze- 
iwdoto  eiusque  studiis  Homericis  [Brandenburg  1839.  IG  S.  4.]  herausgege- 
ben ,  und  dadurch  einen  wohlzubeachtenden  Beitrag  zu  den  Forschun- 
gen über  Homer  geboten.  Bekanntlich  nimmt  man  seit  Fr.  Aug.  Wolf 
für  ausgemacht  an ,  dass  die  kritische  Textesbehandlung  der  Homeri- 
schen Gedichte  zu  unserer  Zeit  im  Allgemeinen  nicht  über  die  Aristac- 
chische  Kritik  hinausgeführt  werden  könne,    und  die  ausgezeichneten 


Be f o rder un g en  und  Ehrenbezeigungen.  441 

Untersuchungen  von  C.  Lchrs :  De  Jristarchi  sludiis  Homericis ,  durch 
welche  zuerst  das  kritische  und  exegetische  Verfahren  dieses  alexandri- 
nischen  Grammatikers  genau  ermittelt  und  derselbe  als  den  Vertreter 
richtiger  Kritik  und  Erklärung  dargestellt,  sowie  überhaupt  die  Mög- 
lichkeit, seine  Textesrecension  vollständig  zu  erkennen,  herbeigeführt 
worden  i»t,  haben  für  jene  Annahme  noch  eine  neue,  gewichtige  Be- 
stätigung gebracht.  Indess,  da  wir  wissen ,  dass  vor  Aristarch  schon 
andere  Grammatiker  in  Alexandria,  besonders  Zenodotus  aus  Ephesus, 
mit  der  Kritik  und  Erklärung  dieser  Homerischen  Gedichte  sich  be- 
schäftigt haben  ,  und  da  besonders  über  die  Textesänderungen  des  Ze- 
nodotus zahlreiche  Nachrichten  auf  uns  gekommen  sind  ;  so  gilt  es 
allerdings  den  Versuch,  ob  sich  nicht  auch  über  dessen  kritisches  Ver- 
fahren in  der  Behandlung  des  Homer  ein  sicheres  Resultat  wenigstens 
so  weit  erreichen  lasse,  dass  doch  eine  allgemeine  Vorstellung 
von  der  Beschaffenheit  seiner  Textesrecension  des  Homer  und  ihrem 
Verhältniss  zur  Aristarchischen  gewonnen  wird.  Auch  ist  eine  Unter- 
suchung um  so  Wünschenswerther ,  da  Lehrs  das  Verfahren  des  Zeno- 
dot  zu  wenig  klar  gemacht  hat.  Der  Anfang  dazu  nun  ist  im  vorigen 
Jahre  durch  zwei  Schriften,  nämlich  durch  die  gegenwärtige  Abhand- 
lung und  durch  die  in  dem  Programm  des  Gymnasiums  zu  Oels  enthal- 
tenen Obscrvationes  criticae  in  Homeri  Iliad.  lib.  1.  von  dem  Dr.  Lange 
gemacht  worden,  von  denen  indess  die  letztere  dem  Ref.  nur  aus  eini- 
gen Anführungen  bekannt  ist.  Hr.  Heffter  hat  nun  in  seiner  Abhand- 
lung zuerst  aus  den  spärlichen  Nachrichten  der  Alten  und  mit  Zuzie- 
hung der  Forschungen  neuerer  Gelehrten  S.  1 —  10  die  Lebensverhält- 
nisse des  Zenodotus  und  die  Art  und  Weise  seiner  Wirksamkeit  für  Ho- 
mer genauer  zu  bestimmen  gesucht,  und  dann  die  Zenodot eischen  Les- 
arten zum  ersten  Buch  der  Ilias  besprochen  ,  und  bei  jeder  einzel- 
nen nachzuweisen  gesucht,  wie  weit  sie  an  sich  für  richtig  oder  falsch 
und  im  Verhältniss  zu  der  Aristarchischen  Lesart  für  besser  oder 
schlechter  anzusehen  ist.  Im  letztern  Punkte  trifft  er  mit  Hrn.  Lango 
zusammen,  der  laut  einer  Angabe  in  d.  Zeitschr.f.  d.  Alterthumsw.  1839 
Nr.  137  ebenfalls  diese  Lesarten  besprochen  und  sie  gegen  die  Aristar- 
chischen als  älter  und  echter  zu  rechtfertigen  gesucht  hat.  Den  Zeno- 
dotus aus  Ephesus  scheidet  Hr.  H.  zunächst  von  dem  Jüngern  Zenodo- 
tus Alexandiinus,  welchen  letztern  er  nach  Wolfs  Vorgange  mit  dem 
Zenodotus  Mallotes  oder  Crateteus  für  gleichbedeutend  hält,  und  lässt 
ihn  bei  dem  Beginn  der  Regierungszeit  des  Ptolemäus  Lagi  um  320 
v.  Chr.  geboren  sein  ,  so  dass  er  etwa  15  Jahr  älter  war  als  Ptolemäus 
Philadelphus,  und  demnach  erst  des  Philctas  Schüler,  dann  aber  auch 
als  frühgelehrter  junger  Mann  des  ebenfalls  von  Philctas  erzogenen 
Philadelphus  Lehrer  sein  konnte.  Das  Letztere  wird  nämlich  nach 
Geiers  Vorgange  (Pe  vita  Ptolemaci  primi  p.  08.)  gegen  Manso's  und 
Anderer  Bedenken  vertheidigt.  Zenodotus  wurde  später  Vorsteher  der 
neaerrichteten  Alcxandrinisehcn  Bibliothek,  behielt  dieses  Amt  auch 
unter  Ptolemäus  Philadelphus  ,  und  erhielt  dadurch  zugleich  das  Ge- 
schält, die  vorhandenen  verschiedenen  Texte  der  homerischen  Gedichte 


442  Schul-   und  Universitätsnachrichten, 

kritisch  zu  sichton  und  zu  verbessern.  Die  Entstehung»  -  und  Erhal- 
tungswcisc  der  homerischen  Gedichte,  d.  h.  der  Ilias  und  Odyssee, 
stellt  Hr.  H.  etwa  so  dar,  wie  es  IVitzgch  gcthan  hat,  und  nimmt  dem- 
nach an,  dass  sie  im  Wesentlichen  so,  wie  wir  sie  haben,  von  Einem 
Dichter  herstammen,  dass  sie  aber  von  der  Zeit  des  Lycurg  an  eine 
Anzahl  Interpolationen  erhielten ,  und  dass  dann,  als  Solon  das  Lesen 
dieser  Gedichte  in  den  Schulen  und  das  öffentliche  Vorlesen  bei  den 
Panathenäen  eingeführt  hatte  ,  durch  die  sich  mehrenden  verschiede- 
nen vollständigen  und  unvollständigen  Abschriften,  trotz  dem  dass  das 
durch  Pisistratus  hergestellte  athenische  Exemplar  eine  gewisse  vor- 
herrschende Auctoritüt  erhielt  und  eine  Art  von  Stabilität  des  Textes 
bewirkte,  dazu  noch  eine  grosse  Menge  von  Varianten  entstanden,  de- 
ren Beurtheilung  und  Sichtung  schon  vor  Zenotiot  von  Philetas  und 
Andern  versucht  worden  war.  Zenodots  Kritisches  Verfahren  aber  ist 
in  folgender  Weise  dargestellt:  Versatus  videtur  esse  in  isto  labore  ita, 
ut  primiun  plura  carminum  exemplaria,  quoteunque  contraxisset ,  inter 
seconferret,  deinde  versus,  qui  in  hoc  alterove  exemplo  deessent  vel 
sitspecti  viderentur,  signo  quodam  notaret,  postremo  singulas  voces, 
si  quae  minus  apte  collocatae  viderentur ,  dUponcret,  si  quas  minus 
nppositas  ad  rem  vel  minus  congruas  inter  se  duecret,  corrigeret  et  cum 
aliis  mutaret.  Sic  adornavit  editionem,  quae,  iam  a  veteribus  multa  laude 
celebrata  et  prae  ceteris  Zenodoteae  cognomen  adepta ,  auetori  tan- 
tam  paravit  gloriam,  ut  omnium  consensu  iis  adnumeratus  sit,  qui  de 
Homeri  libris  optime  meruissent.  —  —  At  vero  si  nee  defuerunt,  qui 
libros  contra  cum  scriberent,  qui  versus  ab  eo  emendatos  ad  aliud  ar- 
gumentum idque  ridiculum  detorquerent,  qui  cum  levitatis,  incon- 
ßtantiae  et  studii  ineptiarum  aecusarent;  si  plurimae  eius  lnutatinncs 
versuum  verborumve  Huiuericorum  admodum  improbabiles  et  a  tanta 
temeritate  iudicii  profeetae  videntur,  ut  ita  emendare  hodie  vel  tironem 
pudeat;  si  versuum  ab  co  expunetorum  tanta  est  multitudo  ac  licentia, 
ut  nonnullis  visus  sit  Homerum  prope  ex  Horaero  tollere;  si  denique 
otnncm  sibi  in  ista  aliena  opera  tamquam  in  sua  potestatem  arrogat: 
primo  non  ipso  ea  omnia  commentus  est,  quae  pro  Zenodoteis  vendun- 
tur,  plurima  sunt  potius  omnino  corum ,  qui  ante  cum  vixerunt, 
emendatorum  et  interpretum;  tum  rationcs  nobis  plerumque  latent, 
cur  hoc  vel  illud  fecerit;  deinde  perraulta  post  ah  Aristarcho  et  aliis 
correeta  sunt,  quae  non  debebant  corrigi,  et,  quae  Zenodotea  dieuntur, 
ipsa  pro  genuinis  habenda;  denique  critira  ars,  maxime  grammatica 
illo  tempore  in  primis  quasi  vitae  incunabulis  constituta  erat,  et  grae- 
cus  sermo  nondum  ad  leges  et  praeeepta  subtiliora  revocatus,  adeo  ut 
ingenioso  labi  liceret  et  inconstanti  esse  in  isto  genere  ,  quod  minus  in- 
genio  quam  praeeeptis  regitur.  Zur  Rechtfertigung  dieser  Dehaup- 
tungen  sind  nun  eben  die  Zenodoteischen  Lesarten  zum  ersten  Buch 
der  Ilias  durchgenommen  und  so  besprochen,  dass  ein  gutes  Theil  der- 
selben zu  älteren  und  besseren  Lesarten  ,  als  die  Aristarchischen  sind, 
gemacht,  andere  wenigstens  für  sprachlich  richtig  gehalten  werden, 
bei  anderen  endlich  auf  das  Unbekanntsein  des  Grundes  der  Aenderung 


Beförderungen  und  Ehrenbezeigungen.  443 

hingewiesen  ist.  Diese  Besprechung  der  Lesarten  fällt  auch  in  den 
meisten  Fällen  so  günstig  für  Zenodot  aus,  dass  man  zu  der  Ahnung 
hingeführt  wird  ,  es  könne  der  zenodoteische  Text  dem  Aristarchischen 
vorzuziehen  sein;  und  eben  daraus  ergiebt  sich  auch,  wie  wichtig  die 
Untersuchung  für  die  Kritik  des  Homer  zu  werden  verspricht.  Die 
vollständigere  Ueberzengung  von  der  Wahrheit  dieser  Ahnung  hängt 
freilich  noch  von  der  Fortsetzung  dieser  Untersuchung  ab,  und  wird 
eich  besonders  dann  klar  und  deutlich  herausstellen,  wenn  Hr.  H.  bei 
der  Verteidigung  der  einzelnen  Lesarten,  deren  Vorzüglichkeit  er 
darthun  will,  überall  die  sprachlichen  und  kritischen  Gründe  dafür 
anführt,  während  er  gegenwärtig  vielmehr  diese  Verteidigung  durch 
Verweisung  auf  die  Erörterungen  anderer  Gelehrten,  vornehmlich  Lan- 
gens  ,  geführt  hat.  Auch  ist  noch  zu  überlegen  ,  ob  die  Beweisfüh- 
rung nicht  bündiger  und  übersichtlicher  wird,  wenn  die  einzelnen  Les- 
arten nicht  der  Reihe  nach  aufgezählt  und  einzeln  besprochen  ,  son- 
dern vielmehr  unter  allgemeine  Rubriken  zusammengeordnet  und  zu- 
gleich in  schärferen  Gegensatz  zu  den  Aristarchischen  gestellt  werden. 
Jedenfalls  aber  ist  das  baldige  Erscheinen  der  Fortsetzung  sehr  wün- 
«chenswerth  ,  und  dazu  will  Ref.  hiermit  den  Hrn.  Verf.  noch  freund- 
lichst aufgefordert  haben.  [J.] 

Breslau.  Der  als  Gelehrter  rühmlich  bekannte  Dr.  phil.  Fried- 
rich 11 'aase ,  früher  Adjunct  an  der  Landesschule  in  Pforta ,  ist  zum 
ausserordentlichen  Professor  in  der  philosophischen  Facultät  der  hie- 
eigen  Universität  ernannt  worden. 

Brüssel.  Die  dasige  freie  Universität  (Universite  libre)  der  bel- 
gischen Liberalen  hat  am  14.  October  1839  das  Fest  ihres  fünfjährigen 
Bestehens  durch  eine  besondere  akademische  Feierlichkeit  begangen, 
und  die  Beschreibung  dieses  Festes  in  einer  besonderen  kleinen  Schrift 
herausgegeben,  in  welcher  auch  die  vier  in  französischer  Sprache  ab- 
gefassten  Reden  abgedruckt  sind,  welche  bei  diesem  Feste  der  Bürger- 
meister van  Folxem  als  Präsident  des  Conseil  d  administration  de  1  juni- 
versite  libre  ,  der  Herr  Vcrhacgcn  der  ältere  und  zwei  Professoren  der 
Universität  gehalten  haben.  Davon  ist  Verhaegens  Rede  über  die 
Grundsätze  und  Tendenzen  der  Universität  die  ausführlichste  und  inter- 
essanteste. Noch  ist  angegeben  ,  dass  die  Universität  vier  Facultäten 
(De  philosophie  et  des  lettres,  Des  sciences,  De  droit  et  des  sciences 
polit.  et  administrat. ,  De  mediane)  hat,  dass  die  Zahl  der  Professoren 
von  25  auf  36  gestiegen  ist,  die  in  ordinaires  (mit  bestimmtem  GchaltJ, 
extraordinaires  (mit  der  Hälfte  des  Gehaltes  eines  ordinairo),  ordinai- 
res honoraires  (mit  bestimmter  Lehrfunction  aber  ohne  Gehalt)  und 
honoraires  (ohne  bestimmte  Function  und  ohne  Gehalt)  zerfallen  ;  dass 
die  Ausgaben  für  die  Universität  aus  der  Unterstützung  des  Magistrats 
von  Brüssel,  aus  der  Einnahme  von  Inscriptioncn  und  Honoraren  der 
Stiidircn.lcn,  und  aus  den  Capitalzinsen  gedeckt  werden ,  und  dass  das 
Conseil  der  Provinz  Brabant  unter  dem  24.  Juli  183!)  einen  jährlichen 
Zu6chuss  von  10,000  Franken  aus  ihren  Fonds  bewilligt  hat. 

Deutsch-Crome.     In  dein  Programm  des  dasigen  Progyninasiums 


444  Schul-   und  Universitätsnachrichten, 

vom  Jahre  1838  steht  eine  wahrscheinlich  von  dem  Director  Fr.  Heinr. 
Malkowskij  verfasste  lateinische  Abhandlung:  De  Jove,  qualis  sit  apud 
llomerum  [Deutsch-Crome.  1838.  20  (H))  S.  4.],  worin  zum  ßeweise, 
wie  würdig  die  Vorstellungen  der  Griechen  vom  Zeus  schon  zu  Homers 
Zeiten  waren,  die  wichtigsten  Steilen  der  Ilias  und  Odyssee,  welche 
sich  auf  diesen  Gott  beziehen  und  sein  Wesen  oder  einzelne  Eigen- 
schaften desselben  angeben  ,  gesammelt  und  unter  gewisse  Hauptrubri- 
ken zusammengestellt  sind.  Das  Ganze  ist  eine  brauchbare  Sammlung 
der  wesentlichsten  Notizen ,  die  sich  über  Zeus  aus  Homer  schöpfen 
lassen. 

Elberi'Eld.  Das  dasige  Gymnasium  war  im  Schuljahr  vom  Se- 
ptember 1838  bis  dahin- 183!)  in  seinen  5  Gyranasialclassen,  deren  letzte 
aber  in  2  Coetus  zerfüllt,  zu  Anfange  von  111,  am  Ende  von  109 
Schülern  besucht,  un.d  cntliess  4  Schüler  zur  Universität.  Neben  den 
Gymnasialclasscn  besteht  noch  eine  besondere  Vorbereitungsciasse  unter 
dem  Lehrer  C.  A.  Kegel,  in  welcher  24  Schüler  sassen.  Im  Lehrer- 
collegium  [s.  NJbb.  XXIV,  339.]  sind  mehrfache  Veränderungen  einge- 
treten ,  indem  am  Schluss  des  Schuljahres  der  Collaborator  Langensie- 
pen  mit  einer  Pension  von  320  Thaler  iu  den  Ruhestand  versetzt  wor- 
den ,  der  Dr.  Holzapfel  als  Lehrer  an  das  Realgymnasium  in  Berlin, 
von  woher  er  1838  berufen  worden  war,  zurückgegangen  ist,  und  der 
kath.  Religionslehrcr  Caplan  Schnepper  bereits  etwas  früher  das  Pasto- 
rat in  Ratingen  erhalten  hat.  An  Langcnsiepens  Stelle  ist  provisorisch 
der  Candidat  Fassbender,  als  kathol.  Religionslehrcr  vertretungsweise 
der  Caplan  Friderici  angestellt,  dem  Lehrer  der  Mathematik  Dr.  TA. 
JV.  Fischer  aber  das  Prädicat  Oberlehrer  beigelegt  worden.  Dem  zum 
Schluss  des  genannten  Schuljahres  herausgegebenen  Jahresprogramm 
ist  statt  der  wissenschaftlichen  Abhandlung  beigelegt:  Schule  und  Zeit- 
geist, eine  Rede  gehalten  am  Schlüsse  des  Schuljahres  1838  von  Dr.  J. 
C.  L.  Hantschke,  kön.  Prof.  u.  Director.  [1839.  23  S.  8],  worin  in  be- 
redter und  verständiger  Weise  die  gegenseitigen  Verhältnisse  der 
Schule  und  des  Zeitgeistes  und  ihre  Wechselwirkung  auf  einander  in 
einigen  llauptzügen  auseinander  gesetzt  und  namentlich  besprochen 
ist,  wie  die  Schule  als  Lehr-  und  Erziehungsanstalt  im  Gegensatz  zu 
den  materiellen  Richtungen  der  Zeit  die  intcllcctiielle  und  sittliche  Bil- 
dung bewahren  und  befördern  soll.  Doch  bleibt  diese  Nachweisung, 
da  die  Rede  für  ein  grösseres  Publicum  bestimmt  ist,  meist  bei  allge- 
meinen Andeutungen  stehen. 

Emmerich.  Der  Hülfslehrer  Jahns  vom  Gymnasium  in  Essex  ist 
als  ordentlicher  Lehrer  am  hiesigen  Gymnasium  angestellt  worden. 

Enclaxd.  In  der  Schule  zu  Winchester  hat  ein  reicher  Schüler  einen 
armen  Collegen,  der  ihm  aus  Noth  aufwarten  musste,  furchtbar  durchge- 
prügelt und  der  Hr.  Director  der  Anstalt  hui  die  Sache  ganz  iii  der  Ordnung 
gefunden.  Die  englischen  Blätter  sagen  darüber:  „Die  That  des  rei- 
chen jungen  Schlingels  ist  nicht  so  schlimm,  wie  die  herzlose  Schlech- 
tigkeit derer,  die  ein  System  dulden,  welches  solche  Früchte  trägt. 
Es  würde  in  Deutschland  und  Frankreich,  ja  selbst  in  Spanien,  keinen 


Beförderungen   und   Ehrenbezeigungen.         445 

Dorfsehulmeister  geben ,   der  nicht  mit  Verachtung  anf  solche  Schulein- 
richtungcn  wie  bei  uns  (im  gepriesenen  England)  sähe." 

Europa.  Man  zählt  jetzt  in  Europa  104  Universitäten  mit  10235 
Studenten,  folglich  kommen  im  Durchschnitt  auf  jede  IPhiversitiit  015 
Studenten,  und  im  \erhällniss  zur  Bevölkerung  Europas  kann  man 
einen  Studenten  auf  34023!)  Seelen  rechnen. 

Freikirg.  Der  Professor  des  kanonischen  Rechts  an  der  Uni- 
versität llofrath  Dr.  Amann  ist  zum  Oberbibliothekar  der  Universitäts- 
bibliothek ernannt,  und  der  bish.  ordcntl.  Professor  der  Anatomie  und 
Physiologie  in  Zürich  Dr.  Fr.  Arnold  an  die  hiesige  Universität  berufen 
worden. 

Heidelberg.  Bei  der  dösigen  Universität  sind  der  Professor  ho- 
norarius  Dr.  Chr.  Kapp  (früher  Professor  in  Erlangen)  zum  ordent- 
lichen Professor  der  Philosophie  mit  dem  Prädicat  „Hofrath,"  die 
ausserordentlichen  Professoren  Dr.  Freiherr  von  Reichlin-  Meldegg  (frü- 
her ordentlicher  Professor  der  Theologie  in  Freiburg,  seit  einiger  Zeit 
an  die  Universität  in  Heidelberg  versetzt)  und  Dr.  G.  W.  Bischoff  zu 
ordentlichen  Professoren  in  der  philosophischen  Facultät  und  der  Pri- 
vatdocent  Dr.  Jolly  zum  ausserordentlichen  Professor  der  angewandten 
Mathematik  ernannt,  der  Dr.  Heermann  aber  als  ausserordentlicher 
Professor  in  die  medicin.  Facultät  zu  Tüiunge.v  berufen  worden. 

LomwB.  Der  bekannte  Architekt  67*.  Rob.  Coekerell  ist  Professor 
der  Architektur  an  der  dasigen  kön.  Kunstakademie,  der  Rev.  J.  S. 
Brcwer  Bibliothekar  und  Lehrer  der  claseischcn  Literatur  am  Kings- 
College  geworden. 

■  Mi  \sterreifel.  Das  dasige  Gymnasium  war  während  des  Schul- 
jahrs vom  October  1838  bis  September  1H39  in  der  ersten  Hälfte  von 
81,  in  der  zweiten  von  89  Schülern  besucht,  welche  in  (i  Classen  von 
den  bereits  in  den  KJbb.  XXII,  471  erwähnten  8  Lehrern,  nämlich 
von  dem  Director  Jos.  Kaizfcy  ,  den  Oberlehrern  Rospalt,  Dillcnbiirgcr 
und  Freudenberg,  den  Lehrern  Hrolff  und  Mohr  und  den  Hülfslchrcrn 
Rüttger  und  II übler ,  unterrichtet  wurden.  Dagegen  ist  der  früher  am 
Gymnasium  beschäftigte  Candidat  Lcop.  Merlcns  schon  im  Schuljahr 
1838  und  im  October  desselben  Jahres  auch  der  Religionslehrer  Capian 
Caffer  abgetreten,  und  dafür  der  Schiilamtscnudidnt  Laurenz  Roth  inte- 
rimistisch  als  Ordinarius  in  Quinta  und  als  lleligionslchrer  angenom- 
men worden.  Dem  im  September  1839  erschienenen  Jahresberichte 
[Köln  gedr.  bei  Schmitz.  11  S.  4.]  ist  unter  dem  Titel :  Quacstiones 
historicae  in  Cornelii  Nvpolis  vitas  ,  quac  inscribuntur  cxcvllcntium  inipe- 
ratorvm.  Part.  I.  Saipsit  Joannes  Freudenberg.  [Ebendas.  1839. 
VIII  ii.  20  S.  8.]  der  Anfang  einer  gelehrten  Untersuchung  über  die 
historische  Glaubwürdigkeit  der  ßiographicen  des  Kepos  beigelegt, 
welche  gegenwärtig  über  die  vier  ersten  Biographiecn  sich  verbreitet, 
und  nach  dem  eingi  schlagcnen  Erörtcrungsgange  zunächst  eine  Erwei- 
terung und  einen  Gegensatz  zu  den  Untersuchungen  von  Ilisch/,  Wir 
c/<ers'und  Wiggert  über  die  Quellen  und  Glaubwürdigkeit  der  Vitae 
excellentium  imperatoruiu  bildet  ,   zugleich  aber  auch  in   die  allgcmei- 


446  Schul-  und  Un i ve rsitätsnach richten, 

ncre  Untersuchung  über  Ursprung  und  Aechthelt  derselben  so  wesent- 
lich eingreift ,  dass  sie  ohne  Betrachtung  dieser  Gesa  mint  frage  nicht 
genau  gewürdigt  werden  kann.  Der  Verf.  hat  selbst  darauf  hingewie- 
sen, indem  Ä  in  der  Vorrede  die  auf  die  letztere  Untersuchung  bezüg- 
lichen Schriften  kurz  besprochen  und  nachher  auch  in  der  Zeitschrift 
für  die  Alterthumswissenschaft  1839  Nr.  138  — 140  bei  Gelegenheit 
einer  Beurtheilung  der  Schriften  von  JFalieki ,  Lieberkühn  und  Lütken- 
hus  sich  weiter  darüber  verbreitet  hat.  Bekanntlich  erschienen  diese 
gegenwärtig  dem  Nepos  beigelegten  Lebensbeschreibungen  in  den 
ältesten  Ausgaben  unter  dem  Namen  des  Aemilius  Probus,  und  auch 
in  allen  bis  jetzt  benutzten  Handschriften  sind  die  ersten  dreiundzwan- 
zig diesem  Verfasser  zugeschrieben  und  nur  die  des  Cato  und  des  Atti- 
cus  dem  Nepos  beigelegt.  Nur  in  dem  von  Ilieronymus  Magius  be- 
nutzten Codex  Alle  tili  fand  sich  am  Ende  die  zweifelhafte  Nachschrift: 
Complelum  est  opus  Aem.  Probi ,  Com.  Nepotis,  und  mit  des  Cornelius 
Nepos  Namen  sollen  die  gesammten  Vitae,  nach  Hänels  Angabe  in  den 
Catalogg.  Ubror.  mss.  p.  909.  u.  993.,  in  drei  spanischen  Handschriften 
überschrieben  sein.  Ausserdem  sind  von  den  alten  römischen  Schrift- 
stellern diese  Vitae  exccllentium  imperatorum  nirgends  erwähnt  und 
noch  weniger  als  ein  Werk  des  Cornelius  Nepos  bezeichnet  worden; 
vielmehr  schreiben  die  Alten  diesem  Schriftsteller  in  den  allerdings 
spärlichen  Nachrichten,  welche  über  ihn  vorkommen,  nur  drei  Bü- 
cher Chronica ,  fünf  Bücher  Exempla,  sechszehn  Bücher  de  viris  illu- 
stribus,  zwei  Bücher  Briefe  an  M.  Tüll.  Cicero  und  eine  vielleicht  gar 
nicht  als  besonderes  Werk  zu  betrachtende  Abhandlung:  quaenam 
distinclio  sit  inier  literalum  et  eruditum,  zu,  während  der  Verf. 
der  Vitae  excellentium  imperatorum  wiederum  diese  Schriften  nicht 
erwähnt,  sondern  ausser  dem  Über  de  vita  exe.  imperatorum  nur 
ein  Buch  über  die  Könige,  ein  Buch  de  historicis  Graecis  oder  de 
hisloricis  überhaupt  und  eine  ausführlichere  Biographie  des  Cato 
als  seine  Schriftwerke  anführt.  In  den  Handschriften  sind  aus- 
serdem die  Vitae  Catonis  et  Attici  gewöhnlich  als  Ex  libro  Cornelii 
Nepotis  de  hisloricis  Latinis  entnommen  aufgeführt.  Den  erwähnten 
Aemilius  Probus  hielten  die  ältesten  Herausgeber  dieser  Vitae  für  einen 
Schriftsteller  des  goldnen  Zeitalters,  bis  Ilieronymus  Magius  in  einer 
Handschrift  derselben  hinter  der  Vita  Catonis  das  in  ziemlich  barbari- 
scher Latinität  geschriebene  und  dem  Anfange  von  Ovids  Tristicn  nach- 
gebildete Epigramm :  fade  liber ,  nostri  fato  meliore  memenlo  etc.  auf- 
fand und  daraus  in  seiner  Ausgabe  der  Vitae  cxcell.  imper.  (Basel  1563.) 
die  Behauptung  folgerte ,  dass  der  darin  erwähnte  und  dem  Zeitalter 
des  Theodosius  angehörige  Probus  alle  diese  Vitae  verfasst  und  die 
ersten  23  durch  die  vorausgeschickte  Praefatio  dem  aus  dem  Jahre  397 
nach  Chr.  bekannten  Consul  Atticus,  die  Vitae  Catonis  et  Attici  aber 
dem  Kaiser  Theodosius  gewidmet  habe.  Gegen  diese  Angabe  trat  zu- 
erst Oberlus  Gifanius  auf,  und  versprach  im  Index  Lucret.  s.  v.  refutalus 
die  Vitas  excellentium  impp.  dem  Com.  Nepos  zu  vindiciren.  Das  Ver- 
sprechen löste  für  ihn  Dionysius   Lambinus  in  der  zu  Paris  1569  besorg- 


Beförderungen   und  Ehrenbezeigungen.  447 

ten  Ausgabe,  indem  er  durch  eine  treffliche  und  zum  Tiicil  noch  jetzt 
nicht  ülicrbotcnc  Untersuchung  über  den  Styl  dieser  Vitac  dieselben 
nacb  der  darin  ausgeprägten  Sprache  dem  goldenen  Zeitalter  der  röm. ' 
Literatur  zuwies ,  und  aus  den  mehrfachen  eben,  darin  vorkommenden 
Beziehungen  und  Anspielungen  auf  republikanische  Freiheit  und  repu- 
blikanische Einrichtungen  auf  einen  Verf.  schloss,  der  zur  Zeit  des 
Unterganges  der  röm.  Republik,  d.  i.  im  Zeitalter  des  Jul.  Caesar, 
geschrieben  habe  und  demnach  wahrscheinlich  der  von  den  Alten  er- 
wähnte Freund  des  Cicero,  Cornelius  Nepos,  sei.  Koch  gab  er  zwar 
das  Werk  mit  dem  Doppel -Namen  Acmilii  Probi  s.  Cornelii  Nepotis 
cxcell.  impp.  vitac  heraus,  allein  schon  Savaro  setzte  1602  den  Namen 
des  Nepos  in  dem  Titel  wenigstens  voran  (Com.  Nepos  s.  Aemilius 
Probus  de  vita  exe.  impp)  und  Hob.  Keuchen  liess  1G58  den  Namen  des 
Probus  ganz  weg,  so  dass  die  Vitae  von  da  an  für  ein  Werk  des  Nepos 
galten.  Nur  Casp.  Barth  suchte  eine  Vereinigung  beider  Männer  durch 
die  in  den  Adversar.  XXIV.  18.  und  XL1I.  14.  aufgestellte  Behauptung, 
dass  Probus  diese  Biographieen  des  Nepos  nicht  blos  abgeschrieben, 
sondern  auch  aus  einem  grösseren  Werke  desselben  entnommen  und  in 
einen  beschnittenen  und  interpolirten  Auszug  gebracht  habe.  G.  J. 
Vosshis  vermuthete  in  der  Schrift  de  historicis  Lat.  I.  14.,  dass  diese 
Vitae  aus  des  Nepos  grösserem  Werke  de  viris  illustribus  genommen 
seien  ,  und  diese  Ansicht  fand  neben  mehrern  andern  Vertheidigern 
namentlich  an  Mosche  einen  geschickten  Verfechter  in  dem  Programm: 
Com.  Ncpotis  Über,  qui  imcribilur  imperatorum  excell.  vitac,  utrum 
opus  integrum  an  vero  operis  maioris  pars  qaaedam  sit  Jiabcndus  [Lü- 
beck 1807.  4.],  welches  in  Seebodc's  Archiv  f.  Philol.  1828,  III.  1.  S. 
110  ff.  wieder  abgedruckt  und  von  EichhofF  in  der  Vorrede  zu  Berg- 
stnUsers  Uebersetzung  dieser  Biographieen  nach  seinem  Hauptinhalte 
ausgezogen  ist.  öbschon  nun  diese  Annahme  trotz  der  durch  Mosche 
errungenen  Wahrscheinlichkeit  immer  noch  mancherlei  Zweifel  und 
unerledigte  Bedenken  übrig  liess,  6o  nahm  sie  doch  F.  IV.  Tietzc  in 
seiner  zu  Prag  1813  erschienenen  Ausgabe  für  erwiesen  an,  und  be- 
gründete darauf  eine  neue  Reihenfolge  der  Biographieen,  welche  zwar 
unbewiesen  blieb  [s.  Jen.  L.-Z.  1824  Nr.  187.]  aber  doch  von  Dchlinger 
in  der  zu  Stuttgart  herausgegebenen  Uebersetzung  beibehalten  wurde, 
während  Feldbausch  in  der  1828  besorgten  Ausgabe  wieder  eine  andere 
Anordnung  gab,  die  indess  nur  aus  gewissen  historisch«!]  und  pädago- 
gischen Rücksichten  gemacht  i.-t  und  mit  jener  Frage  über  die  Ab- 
stammung der  Vitae  aus  dem  Werke  de  viris  illustribus  nicht  zusam- 
menhängt. Inzwischen  hatten  mehrere  Herausgeber  und  andere  Ge- 
lehrte angefangen,  sowohl  über  das  Leben  und  die  Schriften  des  Ne- 
pos [vgl.  Möller,  Disscrtalio  de  Com.  Nepolc ,  Altorf  1(>83.  8.] ,  als 
auch  über  Inhalt,  Werth  und  Zweck  der  vorhandenen  Vilac  cxc.  impp. 
[vgl.  Schlegel,  In  Com.  Ncpotcm  observationcs  crit.  et  histor. ,  Kopen- 
hagen 1778.  4.,  Mosche,  De  co  quod  in  Com.  l\'cpotis  vitis  faeiendum 
restut,  Frankfurt  1802,  abgedruckt  in  Seebodc's  Miscellan.  crit.  Vol.  I. 
P.  II.,  u.  A.]  weitere  Untersuchungen  anzustellen,  und  es  war  nament- 
lich in  letzterer  Beziehung  herausgestellt   worden,    dass  nicht  nur   die 


443  Schul-  und   Universitätsnach  riehton, 

sprachliche  Darstellung  viele  und  mancherlei  zum  Tlieil  sonderbare 
Eigentümlichkeiten  darbietet ,  sondern  dass  auch  eine  nicht  geringe 
Zahl  historischer  Irrthiimer  in  diesen  Biographieen  sich  vorfinden.  Be- 
vor man  sich  nun  darüber  vereinigte,  ob  jene  Spracheigenthümlichkei- 
len  ein  Fehler  der  Abstammung  des  Nepos  aus  Oberitalien  (eine  soge- 
nannte Patavinität)  zu  nennen  ,  oder  ob  sie  zugleich  mit  den  histori- 
schen Fehlern  aus  einer  gewissen  Eile,  mit  welcher  er  diese  Vitae  ge- 
schrieben ,  hervorgegangen  seien  ;  da  trat  G.  F.  Rinck  mit  seinem  Sag- 
gio  di  un  Essame  crilico  per  restituire  ad  Em.  Probo  il  libro  de  vitis 
cxcell.  imperat.  creduto  communimente  di  Com.  Ncpote  [Venedig  1818.  8.], 
wovon  M.  Dieter.  Hermann  unter  dem  Titel:  Versuch  einer  krit.  Prü- 
fung, um  dem  Aem.  Probus  das  dem  Com.  Nepos  zugeschriebene  Buch  de 
vit.  exe.  imp.  wieder  zuzustellen ,  [Wien  1819.  8.]  eine  deutsche  Ueber- 
setzutig  lieferte,  hervor,  sprach  diese  Biographieen ,  mit  Ausnahme 
des  Cato  und  des  Atticus,  dem  Nepos  wieder  ab,  und  stempelte  sie 
aufs  Neue  zu  einem  Product  des  Probus  aus  dem  Zeitalter  des  Theo- 
dosius.  Zur  Basis  der  Beweisführung  war  das  oben  erwähnte  Dedica- 
tions-Epigramm  an  den  Kaiser  Theodosius,  in  welchem  Probus  das 
Buch  als  sein  Werk  bezeichnet  habe ,  und  die  Zusammenstimmung  der 
Handschriften  und  alten  Ausgaben  in  dem  Namen  des  Aeinilius  Probus 
gemacht,  und  daraus,  so  wie  aus  dem  Stillschweigen  der  alten  Schrift- 
steller über  die  Vitae  exe.  imp.,  die  Entstehung  des  Werkes  in  späterer 
Zeit  abgeleitet.  Um  der  widerstreitenden  Vossischen  Erörterung  zu 
begegnen,  war  ferner  angenommen ,  dass  Probus  die  Vitae  allerdings 
in  der  Zeit  des  Theodosius,  aber  gleich  mit  der  Absicht  geschrieben,  sie 
für  ein  Werk  des  Com.  Nepos  auszugeben,  und  dass  er  deshalb  nicht 
nur  dessen  Styl  nachahmt,  sondern  auch  unter  des  Nepos  Namen 
eine  Vorrede  an  T.  Pomponius  Atticus  verfasst  habe.  Inders  verrathe 
sich  der  Betrug  durch  die  vielen  Verstösse  gegen  die  Geschichte 
und  Chronologie,  welche  in  den  Vitis  vorkommen,  durch  die  ma- 
gere und  sterile ,  aller  historischen  Kunst  ermangelnde  Darstellungs- 
form und  durch  eine  Armuth  und  Unbehülflichkeit  des  Stils,  welche 
des  Zeitalters,  in  dem  Nepos  gelebt  habe,  unwürdig  sei.  Aller- 
dings war  in  dieser  Erörterung  die  angenommene  magere  Darstel- 
lungsform  und  die  Unwürdigiicit  des  Stiles  mehr  behauptet  als  be- 
gründet, überhaupt  die  Vossische  Untersuchung  über  die  Sprache 
der  Vitae  keineswegs  widerlegt;  allein  dafür  hatte  Rinck  die  äus- 
seren Zeugnisse  für  Aeinilius  Probus  so  scharf  und  bestimmt  her- 
vorgehoben, und  die  versuchte  Beweisführung  mit  so  viel  Geist, 
Scharfsinn  und  dialektischer  Gewandtheit  .entwickelt  und  vorgetragen, 
dass  das  aufgestellte  Resultat  6ehr  viele  Anhänger  und  einen  allge- 
meinen Beifall  fand,  welcher  die  Schwächen  und  Mängel  der  Unter- 
suchung grossentheils  unbeachtet  liess.  Und  doch  hat  Rinck  ausser 
der  mangelhaften  Erörterung  der  inneren  (sprachlichen  und  stilisti- 
schen) Gründe  auch  in  der  Besprechung  der  mit  vorzüglichem  Ge- 
schick behandelten  äusseren  (historischen  und  diplomatischen)  Be- 
weise mehrere  übereilte  Schlüsse  sich  zu  Schulden  kommen  lassen. 
Abgesehen    davon,    dass    er    den   Probus   des   Dedicationsepigrammcs  zu 


Beförderungen  und  Ehrenbezeigungen.         449 

dem  von  Ausonius  epist.  XVII.  erwähnten  Praefectus  praetorio  macht 
und  nicht  bemerkt,  dass  derselbe  Scxtus  Probus  hiess;  so  ist  nament- 
lich die  sofortige  Identificirung  jenes  Probus  mit  dem  Aemilius  Probus 
der  Handschriften  eine  noch  lange  nicht  bewiesene,  ja  sogar  höchst 
zweifelhafte  Sache.  Das  bezügliche  Epigramm  findet  sich  nur  in  sechs 
Handschriften  dieser  Biographieen ,  und  zwar  am  Ende  derselben,  so 
dass  es  leicht  durch  einen  blossen  Zufall,  sei  es  zur  Ausfüllung  des 
leeren  Raumes  oder  wegen  der  Aehnlichkeit  des  Namens  Probus,  hin- 
eingekommen sein  kann.  Der  Verf.  des  Epigramms  ferner  schreibt  ein 
so  schlechtes  Latein  und  ist  ein  so  höchst  unbehülflicher  Nachahmer 
des  Ovid ,  dass  es  unbegreiflich  bleibt,  wie  derselbe  in  den  Vitis  die 
gute  Latinität  des  goldenen  Zeitalters  so  glücklich  nachbilden  konnte, 
wie  er  sie  nach  jener  Voraussetzung  nachgebildet  hat.  Ucbcrdem  be- 
zeichnet sich  jener  Probus  in  dem  Epigramm  gar  nicht  als  Verf.  des 
dem  Kaiser  überreichten  Buches,  sondern  nur  als  Abschreiber  dessel- 
ben ,  der  noch  dazu  das  von  seinem  Grossvater  und  Vater  angefangene 
Werk  blos  vollendet  hat.  Dies  beweisen  deutlich  die  Worte:  Corpore 
in  hoc  manus  est  genitoris  avique  mcaque:  Felices!  Domini 
quac  meruere  manus,  deren  Gültigkeit  Binck  auch  nicht  anders  zu  be- 
seitigen gewusst  hat,  als  dass  er  dieses  ganze  Distichon  für  interpolirt 
erklärt.  Endlich  aber  giebt  Probus  in  dem  Distichon:  Ornentur  steri- 
les fragili  lectura  libclli:  Theudosio  et  doctis  carmina  nuda  placent, 
höchst  wahrscheinlich  an,  dass  das  von  ihm  abgeschriebene  Buch  eine 
Gedichtsammlung  enthielt,  und  das  ganze  Epigramm  scheint  gar  nicht 
auf  die  Vitae  exe.  imper.  gedeutet  werden  zu  dürfen.  So  bleibt  denn 
nur  das  Zeugniss  der  Handschriften  für  Aemilius  Probus  übrig,  und 
auch  hier  hat  Rinck  den  keineswegs  unwichtigen  Umstand  unerörtert 
gelassen,  dass  er  im  Seminar  zu  Padua  eine  Handschrift  fand,  welche 
diese  Vitas  cxc.  imper.  in  abgekürzter  Gestalt  enthält,  und  welche 
nach  der  Ansicht  des  dasigen  Bibliothekars  eben  der  von  Aemilius  Pro- 
bus gemachte  Auszug  aus  den  vorhandenen  vollständigen  Biographieen 
des  Nepos  sein  soll.  Gegen  Rincks  Abhandlung  schrieb  Joel  hohen 
eine  besondere  Widerlegungsschrift:  Considerazioni  sul  Saggio  di  un 
Essamc  crilico  del  sig.  G.  F.  Rinck  etc.  [Mailand  1819.  8.] ,  welche  aber 
in  Deutschland  fast  unbeachtet  blieb  und  ihrem  Inhalte  nach  noch  ge- 
genwärtig unbekannt  zu  sein  schein!.  Allgemeincrc  Beachtung  dagegen 
fand  das,  was  fiardili  in  den  Anmerkungen  zur  Praefatio  der  von  ihm 
neu  herausgegebenen  Staverenschen  Ausgabe  [Stuttgart  1820.]  zur  Ver- 
theidigung  der  Autorschaft  des  Nepos  vortrug;  konnte  aber  darum 
nicht  für  ausreichend  angesehen  werden  ,  weil  diese  Bemerkungen  nur 
Einzelheiten  des  Streites  betrafen,  hauptsächlich  die  Ergänzung  und 
Erweiterung  der  Lambinischcn  und  Moselieschen  Erörterungen  bezweck- 
ten und  am  Ende  nur  die  neue  Behauptung  aufstellten,  dass  Aemilius 
Probus  das  langvergessene  Werk  des  Nepos  de  viril  illustribus  wieder 
aufgefunden,  daraus  eine  Anzahl  Vitae  in  veränderter  Reihenfolge  aus- 
gehoben u.  abgeschrieben  und  sie  in  Gestalt  einer  neuen  Rcccnsiou  und 
mit  mancherlei  Abänderungen  und  Interpolationen  dem  Kaiser  Theodo- 
iV.  Jahrb,  f.  Phil.  u.  Paed.  od.  Krit,  Bibl.  Ud,  XXVUI.  Uft.  4.      29 


450  Schul-  und  U  niv  er  sitätsnach  richten, 

siüs filierreicht,  dadurch  aber  zugleich  auch  bewirkt  habe,  dass  man  in  den 
Handschriften  dieses  Auszuges  zunächst  den  JVanien  des  Prolins  neben 
den  des  Nepos  schrieb ,  bald  aber  den  Namen  des  letztern  ganz  weg- 
liess  und  dadurch  den  ersteren  zum  Verf.  des  Ganzen  stempelte.  Das 
Gegengewicht  gegen  Bardili's  Gründe  hielt  die  bekannt  gewordene 
Aeussernng  Fr.  Aug.  JTolfs  [s.  llanharts  Erinnerungen  an  Wolf  S.  5)2.], 
dass  diese  schmächtigen  und  mit  schlimmen  gengraphischen  und  ge- 
schichtlichen Fehlern  angefüllten  Biographicen  kaum  ein  Werk  des 
berühmten  Nepos,  vor  welchem  Cutull  einen  solchen  Bückling  mache, 
sein  könnten.  Weitere  Bedenken  brachte  auch  Gottfr.  Hermanns  An- 
nahme [s.  Allgem.  Schulzeit.  1827,  II.  Lit.  Bl.  37.],  dass  der  Verfasser 
dieser  Biographieen  ein  Schulmeister  gewesen  sei,  der  das  Buch  für  Knaben 
geschrieben  und  darin  allerlei  gute  und  ächte  Wörter  und  Redensarten  zu- 
sammengetragen habe  ,  um  zu  zeigen  ,  wie  man  etwas  gut  lateinisch 
ausdrücken  müsse.  Für  diese  letztere  Behauptung  schien  noch  G.  F. 
Grotefend  in  der  Latein.  Grammatik  I.  §  28.  3.  durch  die  Sammlung 
der  in  den  Vitis  vorkommenden  vielen  griechischen  Wörter  und  For- 
men eine  Bestätigung  zu  bringen.  Bei  so  beschaffenen  Umständen  war 
es  demnach  nicht  auffallend,  dass  Jul.  Held  in  der  Schrift  Prolegomena 
ad  vitam  Atlici ,  quae  vulgo  Cornclio  Nepoti  adscribitur ,  [Breslau  182G. 
51  S.  8.]  aufs  Neue  gegen  den  Cornelius  Nepos  auftrat,  und  demselben 
auch  noch  die  bisher  unangetasteten  Vitae  Catonis  et  Attici  absprach. 
Weil  aber  gegen  diese  das  Zeugniss  der  Handschriften  nicht  geltend  ge- 
macht werden  konnte,  so  wurden  in  der  Lebensbeschreibung  des  Alti- 
cus  eine  Anzahl  wirklicher  oder  vermeintlicher  Auslassungen  und  histo- 
rischer Unrichtigkeiten  aufgesucht,  die  Disposition  des  behandelten 
Stoffes  für  fehlerhaft  und  ordnungslos  und  die  ganze  Lebensschilde- 
rung für  einseitig  und  armselig  erklärt,  die  Darstellungsform  endlich 
als  matt,  breit  und  redselig  erkannt,  und  so  die  ganze  Biographie 
zu  einer  60  mangelhaften  gestempelt,  dass  sie  weder  dem  goldenen 
Zeitalter  noch  dem  Nepos  anzugehören  schien.  Leichter  wurde  da- 
durch der  Beweis  für  die  Unächtheit  der  Vita  Catonis,  die  wegen  Be- 
schränktheit und  Dürftigkeit  der  Darstellung  missfiel,  und  beiläufig 
wurde  auch  zur  Begründung  der  Kindischen  Ansicht  Einiges  nachge- 
tragen ,  namentlich  darauf  hingewiesen ,  dass  die  Fraefatio  aus  dem 
Anfange  von  Ciceros  Büchern  de  fiuibus  bonorum  et  malorum  nachge- 
bildet zu  sein  scheine.  Weil  übrigens  die  vorgetragenen  Gründe,  na- 
mentlich die  über  das  Mangelhafte  der  Vita  Attici  ,  aus  sich  selbst  und 
auf  rein  sprachlichem  oder  ästhetischem  Wege  nicht  hinreichend  be- 
gründet werden  konnten,  und  darum  auch  bald  als  nicht  genug  bündig 
und  beweiskräftig  getadelt  wurden  [s.  Allgem.  Schulzeit.  1828,  II.  Nr. 
52.];  so  hat  Held  zu  ihrer  besseren  Rechtfertigung  noch  den  besonde- 
ren Weg  eingeschlagen,  dass  er  durch  neue  Untersuchungen  über  das 
Leben,  die  Schriften  und  den  schriftstellerischen  Werth  des  Nepos  und 
durch  Prüfung  der  von  den  Alten  darüber  mitgetheilten  Nachrichten 
ein  Bild  von  der  Vorzüglichkeit  des  Nepos  als  historischen  Schriftstel- 
lers zusammensetzte,   welches  allerdings  zu  den  Mängeln,    die   in    den 


Beförderungen  und  Ehrenbezeigungen.  451 

vorhandenen  Biographieen  gefunden  werden  sollen ,  einen  scharfen  Ge- 
gensatz bildet,  und  welches  um  so  leichter  Beifall  fand,  da  schon  die 
bisherigen  Biographen  des  Nepos  dessen  Schriftstellerwerth  im  We- 
sentlichen nur  von  der  Lichtseite  betrachtet  und  ,  ohne  sorgfältigere 
Beachtung  der  aus  den  Biograpbicen  zu  ziehenden  Resultate,  mehr 
aus  der  allgemeinen  Anschauungsweise  von  der  Vorzüglichkeit  der 
Schriftsteller  in  den  Zeiten  Ciceros  und  Augusts,  aus  der  Verbindung 
des  Nepos  mit  Cicero,  Atticus  und  Cutull,  und  aus  den  meist  günsti- 
gen Zeugnissen  mehrerer  römischen  Schriftsteller  ahstrahirt  hatten. 
Es  lässt  sich  hierbei  nicht  längnen,  dass  die  von  Held  gegebene  Cha- 
rakteristik des  Nepos  als  Schriftstellers  allerdings  eine  sulche  ist  ,  wie 
man  sie  von  einem  guten  Historiker  jener  Zeit  wohl  entwerfen  und 
auch  auf  dem  Wege  suhjeetiver  Anschauung  aus  den  alten  Zeugnissen 
über  Nepos  herausfinden  kann;  allein  dennoch  bleibt  die  Untersuchung 
in  solcher  Weise  auf  den  Kopf  gestellt  oder  ist  wenigstens  eine  apho- 
ristisch aus  unsicheren  Voraussetzungen  abgeleitete ,  während  im  ge- 
genwärtigen Falle  der  allein  richtige  Erörterungsgang  so  sein  muss, 
dass  aus  den  vorhandenen  Biographieen  das  schriftstellerische  Ge- 
präge des  Autors  in  sprachlicher  und  künstlerischer  Hinsicht  festge- 
stellt und  dann  untersucht  werde,  ob  das  so  gewonnene  Resultat  sich 
mit  den  Nachrichten  und  Urtheilen  der  Alten  über  Nepos  und  mit  dem 
allgemeinen  wissenschaftlichen  Standpunkte  jener  Zeit  vereinigen  lasse 
oder  nicht.  Bei  alle  dem  hat  sich  übrigens  Held  nicht  getraut,  die 
Abfassung  der  Biographieen  in  das  Zeitalter  des  Theodosius  zu  verle- 
gen, sondern  behauptet  nur,  dass  sie  nicht  von  Nepos  herrühren,  und 
dass  deren  Verf.  auch  kein  geborener  Römer  gewesen  sei.  Nach  Held 
nahm  C.  F.  Ranke  in  der  Commcntatio  de  Com.  Nepotis  vlta  et  scriptis 
[Quedlinburg  gedr.  b.  Basse.  1827.  4fi  S.  4.]  die  Untersuchung  nochmals 
auf,  lieferte  aber  nur  den  ersten  Theil  seiner  Abhandlung,  und  ver- 
sparte  die  hierher  gehörige  Hauptfrage  über  die  Acchthcit  der  Vitae 
cxcell.  iniper.  für  den  noch  ungednukten  zweiten  Theil.  Nur  beiläufig 
erklärte  er,  dass  er  die  Biographieen  der  berühmten  Feldherrn  dem 
Nepos  abspreche,  aber  die  Biographie  des  Atticus  demselben  zu  vindi- 
ciren  Willens  sei.  Dennoch  aber  greift  die  Schrift  auch  in  der  vor- 
handenen ersten  Hälfte  in  die  allgemeine  Untersuchung  sehr  wesentlich 
ein,  weil  darin  über  das  Leben,  die  Schriften  und  den  Schriftstellcr- 
charaktcr  des  Nepos  neue  und  gediegene  Untersuchungen  enthalten 
sind.  Namentlich  hat  Ranke  das  grosse  Verdienst,  dass  er  der  Ten- 
denz der  bisherigen  Forscher,  aus  den  spärlichen  Notizen  der  Alten 
überall  positive  Resultate  über  des  Nepos  Leben  und  Charakter  her- 
auszufinden, mit  der  negativen  Richtung  entgegentrat,  das  so  Gewon- 
nene durch  genaue  und  sorgfältige  Prüfung  der  Zeugnisse  zum  grossen 
Theile  als  unhaltbar  wieder  abzuweisen ,  und  lieber  ehrlich  zu  ge- 
stehen ,  dass  wir  über  den  und  jenen  scheinbar  ausgemachten  Funkt 
Nichts  wissen  und  auch  Nichts  wissen  können.  So  hat  er  z.  B.  in  Be- 
zug auf  den  Geburtsort  des  Nepos,  den  man  bald  in  Verona  oder  Ho- 
stilia ,    bald   in  Novum  Comuin   oder  Fauna   finden  wollte,    ziemlich 

29* 


4">2  Schul-    und  Univcrsitätsnachrichtcn, 

überzeugend  nachgewiesen,  dass  sich  ühcr  dcnselhen  nichts  weiter  aus- 
machen lässt ,  als  dass  man  ihn  in  der  Umgegend  des  Po  zu  suchen 
habe,  —  ein  Resultat,  auf  welches  auch  A.  Weichärt  in  der  Abhand- 
lung de  Cassü  Parmensis  vita  et  scriptis  p.  188  ff.  auf  anderem  YVego 
gekommen  ist.  Eben  so  hat  er  die  Lebenszeit  desselben  ,  welche 
Held  von  667  bis  768  n.  li.  E.  ausdehnte,  besser  abgegrenzt  und  dahin 
festgestellt,  dass  Nepos  die  Kämpfe  des  Marios  und  Sulla  bereits  erlebt 
habe  und  um  das  Jahr  723  gestorben  sei.  Desgleichen  bestimmt  er  die 
literarische  Stellung,  welche  Nepos  als  Schriftsteller  einnahm,  weit 
behutsamer  als  die  früheren  Forscher,  und  mit  besserer  Beweisfüh- 
rung, als  es  Kinck  und  Held  gethan  ,  und  zeigt,  dass  derselbe  nicht 
zu  den  ausgezeichneten  Historikern  der  Römer  gezählt  und  überhaupt 
so  früh  vergessen  worden  sei,  dass  schon  die  beiden  Seneca  nichts  von 
ihm  wissen,  wenn  auch  L'linins  u.  A.  auf  ihn  Rücksicht  nehmen.  War- 
um er  so  schnell  vergessen  ward  ,  das  ist  unerörtert  geblieben,  ob- 
schon  die  Yermuthuug  nahe  lag,  dass  die  Freundschaft  mit  Cicero  und 
Atticus ,  die  Hinneigung  zum  Republicanismus  und  der  Gegensatz  zu 
Cäsar  und  August  und  darum  auch  zu  den  mehr  monarchisch  gesinn- 
ten Schriftstellern  des  augustäischen  Hofes  ihm  eben  so  geschadet 
haben  mögen,  wie  mehrern  andern  Schriftstellern,  die  in  jener  Zeit 
auf  Seiten  der  Republik  oder  des  Antonius  zu  stehen  gewagt  hatten. 
Ziemlich  resultatlos  aber  ist  die  Untersuchung  über  die  Sprache  und 
Darstellungsform  geblieben  ,  weil  der  Verf.  natürlich  dafür  die  vor- 
handenen Vitae  vermöge  seiner  Ansicht  über  dieselben  nicht  benutzen 
konnte,  und  weil  die  Alten  davon  ausser  einigen  grammatischen  Eigen- 
heiten fast  nichts  erwähnen,  auch  die  von' ihnen  citirten  Fragmente 
sehr  wenig  Ausbeute  geben.  Die  historische  Treue  in  der  Geschichts- 
erzählung findet  Ranke  bei  den  Alten  dahin  bestimmt,  dass  dem  Nepos 
zwar  im  Allgemeinen  Wahrheitsliebe  und  Genauigkeit  der  Angaben  'zu- 
gestanden, im  Einzelnen  aber  auch  grobe  Irrtbümer  Schuld'gcgeben 
würden  ,  und  die  schon  von  Schlegel  nach  des  Plinius  (hist.  nat.  V.  1.) 
Zeugniss  demselben  vorgeworfene  Leichtgläubigkeit  erhält  demnach 
hier  neue  Bestätigung.  Ob  übrigens  gerade  aus  jenen  einzelnen  Irr- 
thüuicrn ,  welche  aus  des  Nepos  Schriften  angeführt  worden  sind, 
diese  Beschuldigung  als  eine  so  allgemeine  erkannt  werden  dürfe,  das 
ist  freilich  auch  hier  nicht  genug  untersucht.  Ausgezeichnet  ist  aber 
die  Untersuchung  über  die  Schriften  des  Nepos  und  deren  Abfassungs- 
zeit,  obschon  sie  darin  vielleicht  mit  zu  viel  Skepsis  durchgeführt  ist, 
dass  Ranke  demselben  ausser  den  Chronicis  und  Yitis  virorum  illustrium 
kein  weiteres  Werk  zugesteht  und  die  Exempla  und  Chronica  für  ein 
und  dasselbe  Buch  hält.  Man  sieht  übrigens  aus  den  hier  mitgetheil- 
ten  Angaben  des  Hauptinhaltes  der  Rankeschen  Schrift,  dass  dieselbe 
für  die  Frage  über  die  Aechtheit  der  Vitae  exccUentium  imperatorum 
in  nächster  Beziehung  keine  Resultate  liefert,  ja  sogar  die  Untersu- 
chung noch  erschwert,  weil  sie  die  Unsicherheit  und  Unzulänglichkeit 
unserer  Kenntniss  von  dem  Schriftstellerwerthe  des  Nepos  sehr  be- 
stimmt darthut ,   und  namentlich  auch  zeigt ,    wie  wenig   wir   von    dem 


Beförderungen  und  Ehrenbezeigungen.  453 

Umfange   und    der   Einrichtung   des  Werkes  de  viris"  illustribus  •wissen, 
was   doch  eben   bei   der   Ableitung   der   Vitae   excell.  imperntorum  aus 
demselben  ganz  besonders    in    Betracht    kommt.       Allein    sie    bestätigt 
eben  dadurch  auch  die  oben  aufgehellte  Behauptung,  dass  man  bei  der 
Untersuchung  über  die  Vitae  excell.  iinpcrat.  nicht  von  der  Frage    über 
des    Nepos    Leben    und    schriftstellerischen     Charakter    ausgehen  kann, 
sondern  vielmehr  von  dem  Zustande  dieser   Vitae   aus   versuchen   muss, 
oh  sich  derselbe  mit  dem,   was  wir  über    Nepos    wissen  ,     in    Einklan"- 
bringen  lässt.      Den    bis    hierher    aufgezählten    Gegnern    der    Abstam- 
mung dieser  vitae  von  Cornelius  Nepos  aber  trat    zuerst  J.   Chr.    Dahlie 
mit  einer  allseitigeren  und  gründlicheren  Untersuchung  der    Streitfrage 
entgegen,    und  machte  dieselbe  in    der    Disjnttatio    de   vitis    exccllenlium 
imperalorum  Cornelia  Ncpoti ,   non  Aemilio  Probo  altribuendis.  [Zeitz  gedr. 
b.  Wcbel.  1827.  18  S.  gr.  4.]  bekannt,   auf  welche  er  sodann  eine  noch 
weiter  auggedehnte  und  in    bequemere    Uebcrsicht    gebrachte    Abhand- 
lung lieber  Cornelius  Nepos,   dessen  Schriften  und  die  Aechtheit    derselben 
als  Einleitung  zu  der  von  ihm  in  Helmstedt  1880  herausgegebenen  Aus- 
gabe dieser  \  itae  folgen  liess.      Die  lateinische  Disputatio    ist    eine    di- 
recte  Bekämpfung  der  Schrift  von  Hinck  ,  die  deutsche  Abhandlung  da- 
gegen bietet    eine    ausführliche    literarhistorische    Uebcrsicht    von    dem 
Leben,   dem  Charakter,   der  bürgerlichen    Stellung  und   den   Schriften 
des  Nepos,  von  den  für  die  Vitae  benutzten  Quellen,  von  deren  Glaub- 
würdigkeit und  Zwecke  und  der    darin    herrschenden    historischen    und 
sprachlichen  Darstellung,   S ch liess t  aber  auch  mit  einem    Berichte   über 
die  Kämpfe  für  und  gegen  die  Aechtheit  derselben  (wobei   zugleich   die 
'Schriften    von    Held    und    Hanke   beachtet   sind)  und    mit    einer   neuen 
Rechtfertigung  ihres  unverdorbenen  Abstammens  von    Cornelius  IVepos. 
So  wie  Däbne  in  seinen  Bearbeitungen  dieser  Vitae   überhaupt   vorzüg- 
lich als  ileissigen  Sammler  sich  bewährt  hat;   so  ist  auch  in  den  beiden 
Abhandlungen  mit  ausgezeichneter  Sorgfalt  nicht  nur  Alles   zusammen, 
gestellt,   was  bis  dahin  über  Nepos  und  seine    Schriften,    so    wie    über 
das  Wesen  und    Verhältnis   der    Vitae    excell.*  imperatorum    gewonnen 
war,   sondern    es   sind    auch    eben    so  alle  Punkte  besprochen ,   welche 
für  oder  gegen  die  Aitae  in  Betrachtung  gezogen  worden  waren.     Frei- 
lich   fehlt   aber    diesen    Untersuchungen   die  Tiefe  und   Schärfe  des  Ur- 
theils  ,   wodurch  sie  allein  zu    einem    überzeugenden    Endresultate    ge- 
bracht werden  können.      Der  Verf.  hat  Alles,    was   Lambinus ,   Vossius 
Mosche,   Bardili  u.  A.  für  diese  Vitae  und   ihre    Abstammung   von    Ne- 
pos vorgebracht  haben,  wiederholt  und  mit  Fleiss  und  Einsicht   erwei- 
tert;   er  hat  ebenso  alle  von  Magius ,    Hinck,    Held  u.  A.  aufgestellten 
Gründe  gegen  die  Aechtheit  bekämpft,    aber  es  freilich  nur    dahin    ge- 
bracht,  dass  er  deren  Argumente  mehr   ablehnt    als    gnügeud    abweist, 
und    in    den    Beweisen   für  die  Aecbtheit  mehr  den  Ansichten  und  Aus- 
sprüchen Anderer  gläubig  vertraut,  als  sie  überzeugend  begründet.   Das 
Letztcrc  tritt  namentlich  in  deu  Erörterungen   über   das   Lehen   und   die 
Schriften  des  Nepos  und  über  die    Quellen,     Glaubwürdigkeit   und   den 
Zweck  der  Vitae  excell.  imperat.  hervor,  wo  die  von  Bänke  ungedeu- 


454  Schal-   and  Uni  versitätsnachrichtcn , 

tcte  tiefere  u.  skeptischere  Untersuchung  fast  ohne  Einfluss  gehliehen  ist. 
Der  gelungenste  Theii  der  Untersuchung  ist  der  über  die  Classic  ität  der  in 
diesen  Vitis  herrschenden  Schreibart,  wenn  auch  dieselbe  nur  negativ  und 
in  der  Weise  bewiesen  ist,  dass  in  der  latein.  Disputatio  eine  Anzahl  ver- 
dächtigter oder  überhaupt  anstössiger  Wörter  und  Formeln   gegen   An- 
fechtungen gerechtfertigt ,  und  in  der  deutschen    Abhandlung   die    vor- 
kommenden  seltenen    und    vom    Gewöhnlichen    abweichenden    Wörter, 
Formen  und  Constructionen    gesammelt    und    durch    Analoges  anderer 
Schriftsteller   der   guten    Zeit   vertheidigt,    so  wie   im  Gegensatz  dazu 
eine  Anzahl  Ausdrucksweisen  aus  spätem  Schriftstellern  angeführt  sind, 
welche  sich  in  diesen  Vitis  nicht  vorfinden.     Für  diesen   Gang  der   Be- 
weisführung hat  Lambin  als  Muster  gedient,    und   überhaupt   ist   Dah- 
lie1» Untersuchung  im  Wesentlichen  nur  eine  Fortsetzung  der  Lambini- 
seken   Erörterungen,    hat   aber   noch  das  Nebenverdienst ,   dass  sie  auf 
alle  Punkte,  welche  bei  der  Gesammtfrage  in  Betracht  kommen,   auf- 
merksam macht  und  in  jedem  derselben  wenigstens  angiebt,    wie   weit 
die  Untersuchung  darüber  damals  gediehen  war.   Weii  übrigens  Dähne, 
eben   so    wie   seine    Vorgänger     die    sehr   wesentliche   Frage    über  die 
historische    Treue   des    Nepos    nur   unzulänglich    besprochen  hatte;  so 
war  es   von  Wichtigkeit,    dass  zu   derselben  Zeit  in  Holland  zwei  Ab- 
handlungen über  diesen  Gegenstand,  nämlich    die   Disquisitio   critica  de 
gentibus  et   auetoritate  Com.    Nepotis  von   J.  J.  Iliseltj  [üelft  1827.  VIII 
u.  205  S.  8.]  und  die  Disquisitio  critica   de  fontibus   et  auetoritate  Com. 
Nepotis  von  R.  H.  Eyssonius  ITichers  [Groningen,   van   Boekeren.  1828. 
135  S.  8.] ,  erschienen,    woran    sich    später    noch    die    Spezialuntersu- 
chung eines  deutschen  Gelehrten:   De  Com.  Nepotis   AUibiade  quaestio- 
nes  criticae  et  hisloricae.   Scripsit  Jul.  IFiggcrt,  Studios,  theol.  et  philol. 
Cowmentatio  de    sentenlia   Dccanorum  Academ.  Rostoch.  praemio  ornata. 
[Leipzig,    Lehnhold.   1833.  VIII   u.   114   S.  gr.  4.]  anreihte.      Alle  drei 
Gelehrten  beziehen  zwar  ihre  Untersuchung  nicht  direct  auf  die    Frage 
nach  derAechtheit  derVitae  excel.  isoperat.,  sondern  setzen  diese  Aecht- 
heit  vielmehr  voraus,   und  untersuchen   nur    vom    allgemeinen    histori- 
schen   Gesichtspunkte   aus ,    welche    Schriftsteller   in    diesen    Vitis   als 
Quellen   benutzt   sind,    und    in    welchen    Einzelheiten  deren  Verf.  von 
diesen   Quellen   abweicht;    aber  sie    liefern    doch    eben     dadurch    die 
Grundlage,    auf   welcher   man    den    Gegenstand   auch  leicht  mit  jener 
Frage  in  Verbindung  bringen  kann,   zumal  da  alle  drei  Schriften   wenn 
auch  nicht  durch  tiefe  kritische  Prüfung,    doch    durch   grossen    Samm- 
lerflciss  sich  auszeichnen.   Hiscly  hat  die  einzelnen  Vitae  der  Keihe  nach 
durchgegangen    und    bei  jeder    die    benutzten    Quellen  aufgezählt ,  die 
Zusammeiistimmung    oder    Abweichung    von    denselben  angegeben  und 
überhaupt  die  Richtigkeit  der  erzählten  Thatsachen  besprochen.      JVi- 
chers    nimmt   alle    Vitae    in    Eins    zusammen,     bespricht    die  benutzten 
Schriftsteller    in    chronologischer    Reihenfolge,     und    weist    bei  jedem 
nach,    wo  und  wie  weit  er  von  Nepos  benutzt  ist       Während  daher  die 
Hiselysche  Schrift  besonders  dafür  brauchbar  ist,    um    die  historische 
Glaubwürdigkeit  der  einzelnen  Vitae  und   ihr    Verhältuiss   zu   einander 


Beförderungen  und  Ehrenbezeigungen.  455 

abzuschätzen:   so  glebt  Wichers  eine   weit    bequemere    Uebersicht   von- 
dein    historischen    (Quellenstudium    des   Mepos    überhaupt    und   von  der 
Abstufung  der  Schriftsteller  nach  ihrer  grösseren    oder  geringeren  Be- 
nutzung.     Deshalb  hat  er  zuerst  am  überzeugendsten,  und  weit  gründ- 
licher als    Hchize  in    der  Abhandlung:    Com.  Kcpos  e  Thucydide  emen- 
dandus   et   iudicandus    (in    Eichstndts    Annali.    Jenens.    Vol.  I.,   1823,  p. 
432  ff.),   dargethan,   dass  namentlich  Thucydides  von    Mepos  am   fleis- 
sigsten  benutzt  worden  ist.      Desgleichen  hat  er  mit  rühmlicher  Sorg- 
falt,  die  von  Mepos  nicht  erwähnten    aber   dennoch    benutzten   Schrift- 
steller aufgezählt ,   und  dadurch  unter  Anderem    gegen    Schlegel's   und 
Tzschucke's  Zweifel  bewiesen,    dass  auch    Ilerodot  in    mehreren    Bio- 
grsiphieen    als   Quelle   gebraucht  ist — ,    eine  Beweisführung ,   welche 
allerdings  schon  vor  ihm  auch  Moschc  in  der  Abhandlung  De  co  qnod  in 
Com.    Ncpotis    vitis  faciendum  restut   in    etwas   anderer   Weise  versucht 
hatte.       Allgemeiner    und    weiter    umfassend    ist    die    Abhandlung  von 
Wiggtirtj   welcher  erst  in  11    Capiteln    die    grammatisch    und    kritisch 
schwierigen  Stellen  der  Vita  Alcihiadis  bespricht  und  dann  in  andern  11. 
Capiteln  über  die  historische  Glaubwürdigkeit  des   Mepos   im   Allgemei- 
nen,   über  die  zur  Vita  Alcihiadis   benutzten  Quellen,   über  die  Genea- 
logie und  Abstammung  des  Alcibiades,  dessen  Lebenszeit  und  Geburts- 
jahr   (Olymp    82,  4.),    dessen  Reisen  vor  seiner  Ankunft  in  Sparta  zur 
Ausgleichung  der  Nachrichten  in  Cap.  4.  §  3.  mit  den  Angaben    des  Ju- 
stinus,   dessen   Zurückberufung  nach  Athen    und    seine   Handlungsweise 
bei  Cyme,   über  die  Anlegung  von  Castellen  in  Thracien  und  den    dor- 
tigen   Krieg  ,    über   die   Richtigkeit  der  Angaben  in    Cap.  7,  4.  u.  8,  4., 
über  die  Erklärung  von  Cap.  9,  1.  und  über  die  verschiedenen  Angaben 
von  dem  Tode  des  Alcibiades  und  den   Ursachen    desselben    verhandelt. 
Sehr  geringfügig  sind  nun  freilich  die  kritischen   und    sprachlichen   Er- 
örterungen   der  ersten    11    Capitel ,    aber  dagegen    bieten  die  fleissigen 
historischen  Untersuchungen  viel  Brauchbares  und    sind    eine   recht  be- 
achtenswerthe  Vorarbeit  zu  einer  Biographie  des  Alcibiades.  vgl.  Zeitschr. 
f.  d.  AIterthumswisscns<-h.  183ö  Kr.  33  —  35.      Der  gemeinsame  Zweck 
aller  drei  genannten  Gelehrten  ist   übrigens   die  positive    Machweisung, 
wie  hoch  die  historische  Glaubwürdigkeit  des    Mepos    überhaupt    steht, 
und  darum  haben  sie  neben  der  sorgfältigsten  Aufsuchung   der  benutz- 
ten   Quellen    diejenigen    Stellen,     welche    von   jenen    abweichen    oder 
gradezu  hiatorischelrrtliüiner  enthalten,  zwar  gewöhnlich  angeführt  — 
was  Iliscly   am   allerfleissigsten   gethan  hat  — ,   aber  selten  genau  ge- 
prüft und    noch    seltener   die   Gründe  zu    diesen    Abweichungen  aufge- 
sucht.      Wo  sie  das  Letztere  aber  auch  thun,   da  sind  sie   doch    immer 
geneigt,    die   oft  argen  Irrthümer   eher  zu  entschuldigen ,   als  in  ihrer 
Blosse  aufzudecken:   weshalb  auch  so  oft  die  Vermuthiing   wiederkehrt. 
Mepos  möge  in  solchen   Fällen    noch   andere,    uns    unbekannte   Quellen 
benutzt  haben.      Diese  Lücke  hat  nun  eben  Frevdenberg  in  den  oben  er- 
wähnten Quacstionibtis  hi-storivis  auszufällen  gesucht,  welcher  die   Frage 
über  die  erweislich  benutzten   Quellen   als  eine  abgeschlossene   voraus 
setzt,   und  dagegen  in  den  einzelnen  Biographiccn  alle  diejenigen  Siel 


456  Schul-  und  Un  i  ver  si  t  ä  t  s  nach  richten, 

Jen ,  welche  von  der  festgestellten  historischen  Wahrheit  abweichen, 
durchgeht  und  den  Grund  der  Abweichung  aufzufinden  sucht.  Dazu 
Meist  er  die  in  den  ersten  vier  Biographieen  vorkommenden  histori- 
schen Irrthümcr  nicht  nur  scharf  und  bestimmt  nach ,  sondern  tlmt 
auch  dar,  dass  die  meisten  aus  Nachlässigkeit,  Unkunde  oder  Miss- 
verständniss  der  benutzten  Quellen,  überhaupt  aus  Mangel  an  Kritik 
und  strenger  Forschung  hervorgegangen  sind  ,  und  dass  man  nur  sel- 
ten eine  absichtliche  Abweichung  von  dem  Gewöhnlichen  annehmen 
darf,  welche  entweder  aus  der  Benutzung  besonderer  Nebenstellen 
oder  aus  der  Umgestaltung  der  Thatsachen  für  einen  besondern  Zweck 
gerechtfertigt  werden  könnte.  Demnach  hat  der  Verf.  nicht  nur  eine 
sehr  wesentliche  und  wichtige  Ergänzung  zu  den  Schriften  von  Hisely 
und  Wichers  gebracht  und  zu  der  dort  herausgestellten  Lichtseite  die 
Schattenseite  der  historischen  Forschung  des  Nepos  hinzugefügt,  son- 
dern auch  dadurch  die  Frage  über  den  wahren  Zustand  der  in  den  Vi- 
tis  excell.  iraper,  vorhandenen  historischen  Treue  ihrer  Entscheidung 
viel  näher  geführt,  oder  vielmehr  erst  möglich  gemacht.  Wie 
nun  diese  Entscheidung  bei  ihm  selbst  als  Endresultat  ausfallen 
werde,  das  lässt  sich,  da  seine  Untersuchung  noch  nicht  zu  Ende 
ist,  zur  Zeit  noch  nicht  bestimmt  sagen.  Allein  da  er  in  der 
Zeitschrift  für  die  Alterthumswisscnschaft  sich  für  die  ächte  und  unver- 
dorbene Abstammung  dieser  Vitae  von  Com.  Nepos  entschieden  hat 
und  da  er  in  den  Quaestionibus  das  Vertrauen  auf  die  Glaubwürdigkeit 
und  Genauigkeit  derselben  sehr  stark  herabdrückt;  so  darf  man  wohl 
vermuthen,  er  werde  die  von  den  Alten  gerügte  Leichtgläubigkeit  und 
Unachtsamkeit  des  Nepos  als  in  sehr  hohem  Grade  vorhanden  nachwei- 
sen wollen.  Das  beweist  auch  schon  der  in  der  Vorrede  p.  VII.  über 
das  Quellenstudium  des  Nepos  ausgesprochene  strenge  Tadel.  Es  liegt 
übrigens  am  Tage,  dass  dies  geschehen  kann,  ohne  dass  man  deshalb 
den  Ursprung  dieser  Vitae  aus  den  Zeiten  des  Cicero  und  Caesar  abzu- 
läugnen  braucht:  denn  analoge  historische  Irrtbümcr  finden  sich, 
v/enn  auch  gewöhnlich  in  geringerer  Zahl  und  Bedeutsamkeit,  bei 
allen  Geschichtschreibern.  Indcss  da  aus  Freudenbergs  Darstellung 
selbst  hervorgeht ,  dass  Nepos  in  der  Vita  Milliadis  viel  häufigere  und 
gröbere  Fehler  gemacht  hat,  als  in  den  nächsten  drei  Biographieen, 
und  da  bei  mehreren  dieser  Fehler  sich  nach  dem  Zusammenhange  der 
Rede  fast  von  selbst  die  Vermuthung  aufdrängt,  es  möge  irgend  eine 
beiläufige  Erläuterungsnotiz  ausgefallen  sein,  wodurch  die  angegebene 
Nachricht  zu  einer  richtigen  Angabe  umgewandelt  werden  könnte;  so 
wäre  es  doch  vielleicht  der  Mühe  werth,  ob  man  nicht  eine  Anzahl 
Fehler  ganz  einfach  wegschaffen  kann,  wenn  man  voraussetzt,  dass 
diese  Vitae  ursprünglich  ausführlicher  angelegt  gewesen  und  späterhin 
beschnitten  worden  sind.  Jedenfalls  aber  wird  die  Frage  über  die 
historische  Zuverlässigkeit  nur  dann  ein  recht  wesentliches  Moment 
für  die  Hauptuntersuchung  über  die  Abstammung  der  Vitae  werden, 
wenn  erst  die  vorhandenen  Irrthümer  nicht  blos  sorgfältig  aufgesucht 


Beförderungen  und  Ehrenbezeigungen.  457 

(was  jetzt  Freudenbergs  Hauptzweck  zu  sein  scheint),  sondern  auch 
sorgfältig  classificirt  und  in  ihren  Veranlassungen  möglichst  klar  er- 
kannt sind.  Denn  o Heilbar  kann  man  sich  für  diesen  Zweck  nicht  mit 
der  Erklärung  von  L.  Blum  in  der  Einleit.  in  Roms  Geschichte  S.  120 
zufrieden  stellen,  dass  Nepos  aus  Mangel  an  tiefem  und  scharfem 
Geiste  in  eigenen  Forschungen  nicht  tief  eingegangen  sei,  sondern  nur 
als  Mann  von  Geschmack  und  Bildung  das  Talent  einer  anmuthigen 
Verarbeitung  des  Stoffes  gehabt  habe.  Die  allgemeine  Hauptunter- 
suchung über  die  Aechtheit  der  Vitae  aber  ist  nach  Dähnes  Erörterung 
zuerst  wieder  umfassend  aufgenommen  in  der  Schrift:  De  Com.  Nepote 
disserlatio  inauguralis ,  quam  in  Caesar,  liter.  Univers.  Dorpatensi  ad 
gradum  doctoris  philos.  rite  obtinendum  conscripsit  Alpiiomus  IValicki, 
Lithuanus.  [Dorpat  gedr.  b.  Schumann.  1832.  VIII  u.  55  S.  8.],  deren 
Verf.,  obgleich  er  die  Schrift  von  Rinck  gar  nicht  und  die  von  Held 
nur  für  die  Vorrede  und  Nachträge  hat  benutzen  können,  dennoch  über 
den  Gegenstand  mit  recht  vielem  Fleisse  und  mit  ziemlich  vollständiger 
Beachtung  aller  bis  dahin  aufgefundenen  Erörterungspunkte  verhandelt 
hat.  Der  Stoff  ist  in  fünf  Abschnitte  vertheilt,  deren  erster  (S.  1  — 
14.)  ,  De  vero  libri,  qui  sub  nomine  Com.  Ncpotis  venit,  auetore  eruendo 
überschrieben,  den  Thatbestand  des  Streites  recht  gut  feststellt  und 
die  vorhandenen  Gründe  für  und  gegen  die  Aechtheit  der  Vitae  in  kla- 
rer und  ,  mit  Ausnahme  der  ungenau  angegebenen  Aufschriften  der 
Codices,  auch  meistentheils  richtiger  Auseinandersetzung  darlegt.  Als 
Gründe  für  die  Aechtheit  macht  er  namentlich  geltend  den  reinen  und 
echt  lateinischen  Stvl ,  den  Inhalt  der  Praefatio  und  die  darin  vor- 
kommende und  in  der  Vita  Catonis  wiederkehrende  Erwähnung  des  At- 
ticus  ,  und  die  häufigen  Beziehungen  des  Autors  auf  seine  Zeit,  welche 
alle  auf  das  Ende  der  römischen  Republik  hinweisen,  und  vermehrt 
zuletzt  diese  schon  von  Andern  vorgetragenen  Beweise  noch  mit  dem 
neuen,  dass  als  benutzte  Quellen  nur  Schriftsteller,  welche  vor  dem 
Cornelius  Nepos  gelebt  haben ,  angeführt  sind ,  nirgends  aber  die  Be- 
nutzung eines  späteren  Historikers  nachgewiesen  werden  kann.  Im 
zweiten  Abschnitt  wird  dann  S.  14 — 19  über  die  Lebensverhältnisse 
des  Cornelius  Nepos  verhandelt,  wo  vielleicht  die  eigenthümli«  bsto 
Ansicht  ist,  dass  nach  Helds  Vorgange  das  Geburtsjahr  dc9  Nepos 
um  670  n.  R.  E.  gesetzt  wird.  Die  Ilauptuntcrsuchung  des  Verf.s  ent- 
hält der  dritte  Abschnitt  S.  19 — 39:  Interior  operis ,  quod  Com.  Xepoti 
adiudicatur ,  cognilio ,  oder  die  Erörterung  des  Verhältnisses,  in  wel- 
chem die  Vitae  exccll.  imperat.  zu  der  Schrift  des  Nepos  do  viris  iüu- 
ßtribus  stehen.  Aus  diesem  grösseren  Werke  nämlich  soll  Acm-  Bro- 
hus  diese  Vitas  abgeschrieben  und  sie  vielleicht  auch  an  einzelnen  Stol- 
len interpolirt  haben.  Dagegen  wird  Barths  Ansicht,  dass  wir  in  den 
Vitis  nur  einen  Auszug  aus  umfassendem  Biographiccn  haben  ,  mit 
Nachdruck  und  besonders  mit  Berufung  auf  die  Stellen  Lys.2, 1.  Epnm. 
4.  extr.,  Acib.  4.  extr.,  Timoth.  4,  2.,  Pelop.  init.,  Datain.  1,  2.  be- 
stritten. Das  Buch  de  viris-  illustribus  soll  aber,  wie  bereits  Titze 
vermuthet  hatte ,    so  eingerichtet  gewesen   sein ,    dass   es  die  Biogra- 


4.")8  Schul-    und  Universitätsnachrichtcn, 

phieon  berühmter  Männer  nach  Völkern  geordnet  enthielt.  So  scheine 
es  z.  B.  als  ob  in  einem  hesondern  Buche  die  athenischen ,  in  einem 
andern  die  spartanischen  und  thebanischen ,  in  einem  dritten  die  barba- 
rischen Feldherrn  und  in  einem  vierten  die  Könige  beisammen  gestan- 
den hätten,  und  vor  den  Buchern  von  den  Feldherren  möchten  einige 
Bücher  mit  Biographieen  griechischer  und  römischer  Heroen  voraus- 
gegangen sein.  Aemiüiis  Probus  habe  nun  in  seiner  Sammlung  das 
Buch  von  den  athenischen  Feldherrn  ganz,  das  von  den  spartanischen 
und  thebanischen  zum  Theil,  das  von  den  barbarischen  nur  in  Frag- 
menten (Hamilcar,  Hannibal,  Eumenes  u.  Datames)  und  das  von  den 
Königen  gar  nicht  abgeschrieben  ?  sondern  aus  dem  letztern  nur  einen 
armseligen  Auszug  gemacht,  der  jetzt  den  Abschnitt  de  regibus  bilde. 
Zugleich  habe  sich  Probus  erlaubt ,  die  ausgehobenen  Vitae  in  eine 
andere  Ordnung  zu  bringen  und  unter  einander  zu  mengen.  Die  Vita 
Catonis,  welche  in  den  Handschriften  bald  vor,  bald  nach  dem  A Ul- 
cus stehe,  sei  nicht  aus  dem  Buch  de  historicis  Itomanis  entnommen, 
sondern  wahrscheinlich  eben  so,  wie  die  Vitae  des  Lucuüus  im  An- 
fange von  Ciceron.  Acad.  prior.,  eine  gelegentliche  Einwebuug  i.i  die 
Bücher  der  Exempla  gewesen.  Wären  diese  hier  mitgetheiltcn  Resul- 
tate etwas  mehr  als  reine  Hypothesen,  so  würden  sie  allerdings  von 
grossein  Werthe  sein.  Gegenwärtig  aber,  wo  wir  von  der  Schrift  de 
viris  illustribus  gar  nichts  weiter  wissen  ,  als  dass  sie  zum  wenigsten 
aus  16  Büchern  bestanden  hat,  braucht  gar  nicht  erst  erwähnt  zu 
werden,  dass  der  gleich  nachher  zu  nennende  Lieberkühn  diese  Ver- 
muthungen  mit  vielem  Erfolg  bestritten  hat;  sondern  es  genügt,  dar- 
auf hinzuweisen,  dass  Walicki  in  diesem  Abschnitte  eigentlich  nur  die 
Hypothese  Titzes  weiter  ausgeführt  und  sich  an  diesen  eben  so,  wie 
im  ersten  Abschnitte  an  Lambin  und  im  zweiten  an  Held  und  Bühne 
angelehnt  hat.  So  lange  es  genau  genommen  noch  an  jedem  Beweise 
fehlt,  dass  die  Vitae  excellentium  imperatorum  wirklich  aus  dem 
Werke  de  viris  illustribus  stammen  ,  so  lange  bleibt  es  mehr  als  miss- 
lich über  die  Anordnung  der  Vitae  in  dem  letzteren  etwas  Sicheres  wis- 
sen zu  wollen.  Sollten  nun  aber  dennoch  Vermuthungen  darüber  ge- 
macht werden,  so  durften  sie  nur  auf  den  gegenwärtigen  Zustand  der 
Vitae  excell.  imper.  begründet  sein.  Aus  diesem  aber  lässt  sich  höch- 
stens mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  folgern  ,  dass  der  Abschnitt  de  re- 
gibus nicht  ein  Auszug  aus  einem  ganzen  Buche,  sondern  nur  (wie 
schon  Ger.  Vossius  geahnet  hat)  die  Vorrede  zu  den  Biographieen  des 
Hamilcar  und  Hannibal  ist  (s.  de  regg  3,  5  )  und  dass  sie  sammt  die- 
sen beiden  Biographieen  nach  den  Lebensbeschreibungen  der  griechi- 
schen Feldherren  folgte  (s.  Cap.  1,  1.),  welche  vielleicht  für  sich  ein 
Buch  machten,  zu  denen  die  Praefatio  an  Atlicus  die  Vorrede  gebildet 
haben  kann.  Ehen  so  sieht  man  aus  de  regg.  1,  1.  und  3,  5.,  dass  der 
Verf  der  Vitae  dticum  Graecorum  noch  besondere  Biographieen  von 
Königen  geschrieben  hat;  aber  ungewiss  bleibt,  ob  er  darin  nur  Kö- 
nige griechischer  Staaten  und  Nachfolger  des  Alexander,  oder  auch 
fremde  Könige  geschildert    hat.       Noch   weniger  lässt   sich    erkounen, 


Beförderungen  und  Ehrenbezeigungen.  459 

in  welchem  VerhäKniss  die  Biographieen  dieser  Könige  zu  den  Biogra- 
phieen der  griechischen  Feldherrn  gestanden  nahen  ,  indem  der  in  der 
Praefat  §  8.  erwähnte  liber  excellentium  imperatorum ,  mit  welchem 
vielleicht  das  im  Epam.  Cap.  4.  erwähnte  vohimen  excell.  virorum 
gleichbedeutend  ist ,  ehenfalls  nur  auf  eine  Unterscheidung  der  Feld- 
herrn von  den  Königen  hinführt.  Ob  endlich  das  Lehen  des  Datames 
aus  der  Reihenfolge,  in  welcher  es  jetzt  steht,  herauszureissen  sei, 
dazu  nöthigt  der  Titel  liber  excellentium  imperatorum  eben  so  wenig,  als 
der  Umstand,  dass  der  Verf.  in  dem  vor  de  regibus  vorausgehenden 
Buche  nur  griechische  Feldherrn  geschildert  haben  will :  denn  es 
könnten  an  der  letztern  Stelle  die  Duces  Graeciae  genlis  nur  als  das 
Genus  potius  erwähnt  sein.  Eher  darf  man  vielleicht  aus  dem  An- 
fange des  D.itames  schliessen,  dass  diese  Biographie  erst  nach  den  Bio- 
graphieen des  Hamilcar  und  Hannihal  gefolgt  sei,  wenn  nicht  etwa 
der  Schluss  des  Hannihal  diese  Hypothese  verbietet.  Welchen  Anthcil 
endlich  Probus  an  dem  Buche  habe,  sobald  dasselbe  nämlich  wirklich 
ein  Werk  des  Nepos  ist,  das  geht  wiederum  aus  den  Stellen  Lys.  2,  1., 
Epam.  4.,  Thimoth.  4,  2.  etc.  nicht  hervor:  sie  beweisen  nur,  dass 
Probus  nicht  ein  solcher  Epitomator  war,  der  mit  Absicht  und  Be- 
wusstsein  und  selbst  mit  theilweiser  Abänderung  der  Satz-  und  Dar- 
stellungsform die  ausführlichen  Biographieen  in  eine  compendiarischere 
Gestalt  gebracht  hat;  aber  sie  verbieten  keineswegs,  dass  derselbe 
längere  Stellen ,  die  sich  als  Episoden  und  Parerga  ansehen  und  ohne 
wesentliche  Veränderung  der  übrigen  Darstellungsform  wegschneiden 
Hessen,  ausgelassen  habe."  Was  lie?se  sich  denn  z.  B.  Erhebliches 
einwenden  ,  wenn  jemand  voraussetzte,  ftepos  habe  nach  der  Sitte  fast 
aller  alten  Historiker  seinen  Biographieen  auch  Reden  eingeweht  ge- 
habt, und  Probus  diese  weggeschnitten  ?  oder  wenn  man  vermuthen 
wollte,  in  dem  Anfange  der  Vita  Miltiadis  hätten  auch  Mittheilungen 
über  den  altern  Miltiadcs  gestanden,  und  Probus  habe  durch  deren 
Beseitigung  eben  die  groben  historischen  Irrthümer  hervorgebracht, 
die  sich  dort  finden?  Ref.  will  sich  aber  solchen  Vermuthungen  hier 
keineswegs  hingeben ,  sondern  begnügt  sich,  auf  die  Unzulänglichkeit 
der  Beweise  Walicki's  aufmerksam  zu  machen  ,  und  dann  noch  zu  er- 
wähnen, dass  derselbe  in  dem  vierten  Abschnitte  S.  40  —  51  über  den 
Zweck,  welchen  der  Verf.  dieser  Vitae  gehabt,  und  über  dessen  Stil 
verhandelt,  und  endlich  als  fünften  Abschnitt  S.  51  —  55  eine  Unter- 
suchung über  die  verlorenen  Werke  des  IVepba  und  die  ihm  fälschlich 
zugeschriebenen  Bücher  folgen  lässt.  Beide  Abschnitte  sind  indess 
6chr  mager,  und  Ref.  kann  in  ihnen  Nichts  heachtenswerthes  finden, 
ausser  etwa  die  N'achwc'sung,  dnss  Nepos  in  seiner  Darstellungsforra 
sich  sehr  der  Kürze  befleis<igt  habe,  und  dass  das  Urtheil  des  Erasmus 
über  des  Nepos  Schriftstelhrwcrth  nicht  für  ■wahr  anerkannt  werden 
dürfe.  Eine  weit  ausführlichere  und  gründlichere,  und  wenn  auch 
geblecht  stiiisirtc,  doch  mit  vieler  Einsicht  und  gutem  Urtheil  abge- 
fasste  Untersuchung  über  alle  diese  Punkte  lieferte  die  schau  1833 
verfasste,  aber  später  nochmals   überarbeitete  und   erweiterte  Schrift: 


460  Schul-  und  Universitätsnachrichten, 

De  auclnrc  v''"-mn,  quae  sub  nomine  Corn.  Ncpotis  fenintur ,  quaesttmes 
criticae.  Scripsit  G.  E.  Licbcrkühnius  -  Pohlmannianus.  Commeniatio 
iudicio  nrdinis  Philosoph.  Jcnens.  primo  praemio  ornatu.  [Leipzig, 
Wattig.  1837.  X  u.  159  S.  8.],  welche  zugleich  den  Voi'theil  bietet, 
dass  in  ihr  alle  früheren  Untersuchungen  mit  Sorgfalt  und  Einsicht  be- 
nutzt worden  sind.  Ihr  Verf.  beginnt  seine  in  drei  Bücher  gctheilte 
Erörterung  ebenfalls  S.  1 — 34  mit  einer  Untersuchung  über  das  Leben 
und  die  Schriften  des  Nepos,  die  durch  mehrere  neugewonnene  Resul- 
tate sich  empfiehlt,  leider  aber  von  dem  Fehler  zu  willkürlicher 
Folgerung  aus  den  Angaben  der  Alten  ebenfalls  nicht  frei  geblieben  ist. 
In  der  Bestimmung  der  Lebenszeit  des  IVepos  schliesst  sich  Liebcrknhn 
an  Ranke  an  ,  sucht  aber  aus  Plin.  bist.  nat.  III.  18.  und  Epist.  III.  6. 
u.  IV.  28.  als  Geburtsort  desselben  die  Stadt  Mailand  dadurch  festzu- 
stellen ,  dass  er  in  den  zwei  letztern  Stellen  mit  den  meisten  Hand- 
schriften T.  Catii  (statt  T.  Cassii)  liest,  und  diesen  vermeintlichen  Mu- 
nieeps  des  Nepos  für  den  in  Ciceros  Epist.  ad  famil.  XV.  16  u.  19.  er- 
wähnten Insuber  und  Epicuräischen  Philosophen  hält.  Indess  hat 
schon  Freudenberg  in  der  Zeitschr.  f.  die  Aiterthumsw.  S.  1114  dage- 
gen die  nicht  unerhebliche  Einwendung  gemacht,  dass  in  drei  Frag- 
menten aus  des  Nepos  Chronicis  bei  Tertullian.  Apol.  c.  10.  Lactant.  I. 
3.  und  Minucius  Felix  vielmehr  Casshts  Severus  mit  dem  Nepos  in  Ver- 
bindung gebracht  ist,  und  dass  dieser  römische  Redner  nach  Quintilian 
X.  1.  116.  auch  wirklich  den  Vornamen  Titus  führte.  In  der  Unter- 
suchung über  die  verlorenen  Schriften  des  Nepos  hat  der  Verf.  das 
Verdienst,  dass  er  noch  fleissiger,  als  seine  Vorgänger,  die  Nachrich- 
ten der  Alten  und  die  vorhandenen  Fragmente  benutzt  hat,  um  Inhalt, 
Abfassungszeit  und  Reihenfolge  derselben  zu  bestimmen.  Ohne  den 
Specialinhalt  dieser  Untersuchung  auszuheben ,  will  Ref.  hier  nur  er- 
wähnen, dass  die  von  Ranke  für  Ein  Werk  erklärten  Chronica  und 
Exempla  hier  wieder  in  zwei  Werke  geschieden  sind,  und  dass  in  den 
Chronicis  ein  reines  Geschichtsbuch,  in  den  Excmplis  eine  Sammlung 
von  Geschichten  (Anecdoten)  und  Aussprüchen  berühmter  Männer  zur 
Nachahmung  und  zur  Belehrung  gesucht  wird.  Den  Hauptbeweis  für 
die  Trennung  beider  Werke,  nämlich  die  von  Catull  (Carm.  I.  1.)  den 
Chronicis  zugeschriebenen  tres  chartac ,  wodurch  wahrscheinlich  ihre 
Eintheiiung  in  drei  Bücher  bezeichnet  ist ,  während  die  Exempla  we- 
nigstens fünf  Bücher  bildeten,  hat  Lieberkühn  nicht  genug  benutzt, 
sondern  erkennt,  wahrscheinlich  durch  die  Hypothese  des  Vossius  ver- 
leitet, in  den  tribus  chartis  eine  Vertheilung  des  historischen  Stoffes 
unter  drei  geschichtliche  Perioden.  Ref.  lässt  es  dahin  gestellt ,  ob 
diese  Vermuthung  aus  Solin.  Polyhist.  cap.  1.  begründet  werden  kann, 
und  meint,  dass  Gcllius  XVII.  21.  ein  Gegenzeugniss  liefere.  In  den 
Worten  des  Sueton  de  illtistr.  gramm.  4.  1. :  Cornelius  Nepos  in  libello, 
quo  distinguit  literatum  ab  erudito ,  wird  die  Angabe  einer  besonderu 
Schrift  des  Nepos  angenommen;  dagegen  von  den  Briefen  an  Cicero 
vermuthet,  dass  sie  keine  besondere  Sammlung  für  sich  gebildet  ha- 
ben, sondern  ein  verlorener  Theil   der  Ciccrouischcn    Bricfsammlung 


Beförderungen  und  Eh'renbezeigungon.  461 

gewesen  sind.  Macrobius,  der  Saturn.  IF.  1.  das  zweite  Buch  dieser 
Briefe  anführt,  scheint  zu  widersprechen.  Ueber  das  Werk  de  viris 
illustribus  sind  nicht  nur  die  Hypothesen  von  Titze,  Walicki  u.  A.  tref- 
fend widerlegt,  sondern  es  ist  auch  aus  dem  Fragment  des  Codex 
Guelferb.  bei  Bardiii  T.  IF.  p.  405.  scharfsinnig  gefolgert,  dass  es  erst 
um  das  Jahr  45  v.  Chr.  geschrieben  sein  könne.  Auch  ist  gegen  die 
Beliauptung,  dass  dasselbe  nur  von  berühmten  Römern  gehandelt  ha- 
ben möge,  weil  nirgends  Etwas  über  einen  Griechen  daraus  eitirt 
werde,  der  Wahrscheinlichkeitsgrund  geltend  gemacht,  dass  die 
Schriftsteller  der  folgenden  Zeit  als  Zeugnisse  über  berühmte  Griechen 
natürlich  weit  lieber  griecliische  als  römische  Quellen  citiren ,  und 
also  eine  naheliegende  Veranlassung  Fiatten,  das  Werk  des  Nepos  nur 
für  römische  Personen  und  Ereignisse  als  Quelle  zu  benutzen.  Es 
kann  hierin  zugleich  der  Grund  gefunden  werden,  warum  auch  aus 
den  Vitis  excell.  imperatorum  entweder  gar  keine  oder  nur  unsichere 
Citato  vorkommen.  Den  Haupttheil  der  Licberkühnschen  Untersu- 
chung Lüden  das  zweite  und  dritte  Buch,  welclie  eben  die  Untersu- 
chung über  die  noch  vorhandenen  Vitae  enthalten,  und  deren  ersteres 
(S.  35  —  67.)  sich  mit  der  Widerlegung  der  gegen  ihre  Aechtheit  und 
Unverletztheit  vorgebrachten  Gründe  beschäftigt,  das  letztere  aber 
durch  positive  Beweise  festzustellen  sucht,  dass  dieselben  in  unver- 
kürzter und  unverdorbener  Gestalt  von  Nepos  lierrühren  und  einen 
Theil  des  Werks  de  viris  illustribus  ausgemacht  haben.  Wie  gut  diese 
Erörterung  dein  Verf.  gelungen  sei,  lässt  sich  schon  daraus  abnehmen, 
dass  J.  v.  Gruber  in  den  Jahrbb.  f.  wiss.  Kritik  1837,  I.  Nr.  22.  und 
Fröndenberg  in  der  Zeitschr.  f.  die  Alterthumsvv.  1839  Nr.  138  ff.  (vgl. 
Münchner  gelehrte  Anzeigg.  1837  Kr.  101  — 103.  und  Heidelb.  Jahrbb. 
1837,  6.  S.  52b*  ff.)  dadurch  den  ganzen  Streit  für  abgemacht  und  die 
Aechtheit  der  "vitae  für  unumstösslich  bewiesen  erklärt  haben.  Indes» 
lassen  sich  doch  noch  sowohl  gegen  die  Erörterungsweise,  als  gegen 
das  gewonnene  Resultat  erhebliche  Bedenken  vorbringen.  Zunächst 
ist  schon  die  Anordnung  des  Ganzen  zu  tadeln.  Um  nämlich  des  schon 
von  Andern  gerügten  Uebelstandcs,  dass  die  Widerlegung  der  Gegen- 
gründe und  die  positive  Beweisführung  in  zwei  Bücher  zcrtheilt  und 
dadurch  eine  unnöthige  und  der  Beweiskräftigkeit  nnchthciligc  Breite 
herbeigeführt  ist,  nicht  weiter  zu  gedenken,  so  ist  namentlich  die  An- 
ordnung des  dritten  Buches  anstössig ,  weil  der  Verf.  darin  zuerst  die 
äusseren  Zeugnisse  gegen  die  Abstammung  der  Vitae  von  Nepos  mit 
einer  gewissen  Gewaltthätigkeit  beseitigt,  dann  für  ihren  Ursprung  aus 
der  Zeit  vor  Augusts  Alleinherrschaft  geltend  macht,  dass  der  Schrift- 
steller wiederholt  seinen  Ilass  gegen  Alleinherrschaft  und  6cine  Liebe 
für  republikanische  Freiheit  (IMilt.  3.  6.,  8.  3.,  Dion.  !).  5.  etc.)  ver- 
i'ith  und  auf  römisclie  Zustände  in  jener  Zeit  anspielt  (Milt.  6.  2., 
Ages.  4.  2  ,  Finnen.  8.  2  f.,  Epam.  10.  3.  etc.);  hierauf  die  Andeutun- 
gen des  Gehörens  dieser  Vitae  zu  einem  grösseren  Werke  (Pracfat. 
extr.  ,  Hännjb.  13.  extr.,  Dion.  3.  2.,  De  regg.  init.)  bespricht ,  und 
endlich  über  Flau  und  Zweck  des  Buches,   über  dessen  Schreibart   und 


462  Schul-   und  Universitätanach  richten, 

über  die  historische  Glaubwürdigkeit  verhandelt.  Da  aber  die  äus- 
sern Zeugnisse,  wenigstens  bei  den  ersten  23  Biographieen  selir  ent- 
schieden gegen  Kepos  sprechen,  so  durfte  die  Reihenfolge  der  Be- 
weise kaum  eine  andere  sein,  als  dass  zuerst  aus  der  Sprache  und  aus 
den  geschichtlichen  und  anderen  Anspielungen  der  wahrscheinliche  Ur- 
sprung der  Vitae  aus  der  voraugustäischen  Zeit  erwiesen  ,  dann  aus 
denselben  Anspielungen  auf  den  Verf.  und  auf  den  Zusammenhang  der 
Biographieen  mit  einem  grösseren  Werke  geschlossen,  hierauf  über  den 
Zweck  und  den  historischen  Werth  derselben  verhandelt,  und  endlich 
darnach  gefragt  wurde,  warum  wohl  der  Name  des  Nepos  in  den 
Handschriften  so  durchaus  verwischt  worden  sei.  Es  wäre  hierbei 
selbst  gut  gewesen,  vorläufig  auch  die  von  Held  bezweifelte  Acchtheit 
der  Vitae  Catonis  et  Attici  als  unerwiesen  anzusehen,  und  daher  ist 
es  auch  nicht  ganz  zu  billigen ,  dass  in  der  Erörterung  über  den 
Sprachgebrauch  diese  beiden  Biographieen  gewissermaassen  zu  der 
Basis  gemacht  sind  ,  auf  welche  der  Beweis  für  die  Spfachrichtigkeifc 
und  Sprachreinheit  gebaut  ist.  Koch  grössere  Bedenken  ,  als  die  An- 
ordnung, erregt  die  Beweisführung  selbst,  durch  welche  allerdings 
die  meisten  Erörterungspunkte  gründlicher  und  allseitiger  als  bisher 
besprochen  worden  sind ,  allein  fast  keiner  zu  der  Entscheidung  ge- 
bracht ist,  dass  man  den  Beweis  für  vollgültig  ansehen  könnte.  In 
dem  zweiten  Buche  bestreitet  der  Verf.  zuerst  die  Ansicht  von  Magius 
und  Rinck,  dass  nicht  Nepos  aus  der  Zeit  des  Julius  Cäsar,  sondern 
Aem.  Probus  aus  der  Zeit  des  Theodosius  der  Verfasser  der  Biogra- 
phieen sei,  verwirft  dann  Barths  u.  A.  Ansicht,  die  in  den  vorhande- 
nen Vitis  eine  von  Probus  gemachte  Epitome  erkennen,  und  wider- 
legt endlich  die  Behauptungen  Hehls  und  derjenigen,  welche  Probus 
als  Verfasser  der  Vitae  ansehen,  aber  ihn  nicht  in  das  Zeitalter  des 
Theodosius  rücken,  sondern  aus  unbestimmter  Zeit  sein  lassen.  Hier 
ist  nun  allerdings  im  ersten  und  dritten  Punkte  die  Unhaltbarkeit  der 
von  ilinck,  Held  und  ihren  Anhängern  vorgetragenen  Gründe  recht 
gut  nachgewiesen;  allein  die  Gegenbeweise,  welche  das  von  Magius 
aufgefundene  Epigramm  bei  richtiger  Deutung  selbst  an  die  Hand  giebt, 
sind  unbemerkt  gehlieben ,  weshalb  auch  der  darin  erwähnte  Probus 
mit  dem  Aemilius  Probus  noch  für  identisch  gilt ;  und  das  Zeugniss 
der  Handschriften  für  Aemilius  Probus,  auf  welches  Rinck  allerdings 
zu  viel  Gewicht  legt,  ist  hier  doch  gar  zu  gleichgültig  bei  Seite  ge- 
worfen. Durch  diesen  letztern  Umstand  aber  wird  der  Abhandlung 
gleich  von  vorne  herein  ihre  ganze  Haltung  genommen ,  und  es  fehlt, 
selbst  wenn  man  die  Abstammung  der  Vitae  aus  dem  goldenen  Zeitalter 
zugesteht,  im  ganzen  Buche  an  einem  gnügenden  Beweise  dafür,  war- 
um nicht  der  Aemilius  Probus  der  Handschriften,  sondern  Cornelius 
Nepos  der  Verfasser  sein  soll.  Denn  wenn  sich  auch  aus  dem  Beweise, 
dass  der  Verf.  der  Vitae  Catonis  et  Attici  mit  dem  Verfasser  der  übrigen 
Vitae  Eine  Person  sein  muss,  Einiges  für  Nepos  gewinnen  lässt ,  so 
darf  doch  dieser  Beweis  gegenwärtig  schon  darum  nicht  für  vollgültig 
angesehen  werden  ,   weil  ja  die  Acchtheit  jener   Vitae   ebenfalls  ange- 


Beförderungen   und  Ehrenbezeigungen.  463 

fochten  ist,  und  weil  hei  ihnen  die  Angaben  der  Handschrifte n  eben  so 
gut  falsch  sein  können,  wie  sie  bei  den  ersten  23  Vitis  für  falsch  an- 
genommen werden.  Ganz  verfehlt  aber  ist  die  Widerlegung  Barths, 
weil  Hr.  Lieber  kühn  dabei  von  der  einseitigen  Annahme  ausgeht,  jede 
Epitome"müsse  nothwendig  so  beschaffen  sein  ,  wie  etwa  die  des  Justi- 
nus  aus  Trogus  Pompejus  ist,  und  weil  er  dadurch  die  Möglichkeit, 
dass  Prol)us  die  Vitae  des  Nepos  abgekürzt  halten  könne  ,  abgewiesen 
zu  haben  meint.  Unter  den  positiven  Beweisen  des  dritten  Bucbes, 
womit  die  Aechtheit  der  Biographieen  bewiesen  wird  ,  ist  offenbar  die 
Erörterung  des  darin  vorkommenden  Sprachgeliraucbs  am  besten  be- 
gründet und  ausgefübrt.  Nicht  genug,  dass  die  Gleichheit  der  Schreib- 
art in  den  Vitis  excellent.  imperatorum  mit  der  in  den  Vitis  Catonis  et 
Attici  dargethan  und  diese  Schreibweise  überhaupt,  so  wie  der  zwar 
kunstlose,  aber  nicht  ungefällige  Satz-  und  Periodenbau  als  mit  der 
Zeit  zwischen  Cicero  und  August  recht  wohl  verträglich  im  Allgemei- 
nen nachgewiesen  ist;  auch  im  Einzelnen  i»t  die  Vereinbarkeit  dieser 
Sprache  mit  der  angegebenen  Zeit  besonders  durch  Besprechung  von 
einzelnen  Formeln  ,  Wörtern  und  Wortformen  recht  sorgfältig  und  in 
weit  reicherem  Diaasse,  als  von  den  vorausgegangenen  Forschern  be- 
gründet, mancher  scheinbare  Mangel,  z.  B.  die  Wiederholung  dessel- 
ben Wortes  in  kurzem  Zwischenraum  ,  durch  Analogiecn  anderer 
Schriftsteller  entschuldigt ,  Anderes,  was  nicht  zu  vertheidigen  schien, 
z.  B.  einzelne  von  den  alten  Grammatikern  getadelte  Ausdrücke,  we- 
nigstens durch  die  Annahme  von  gallischen  Provinzialismen  besei- 
tigt worden.  Jedenfalls  sind  alle  die  Einwendungen  ,  welche  gegen 
die  Sprache  vorgebracht  sind ,  vollständig  beseitigt  und  auch  die  von 
Lambin,  Dähne  u.  A.  vorgetragenen  positiven  Beweise  sehr  erweitert 
und  tiefer  begründet.  Käme  es  nun  bei  dieser  Erörterung  nur  auf  die 
Nach  Weisung  an,  dass  die  Vitae  nicht  aus  der  Zeit  des  Theodosius 
stammen  ,  so  hat  Hr.  Lieberkühn  durch  seine  schöne  Untersuchung 
diese  nicht  nur  vollständig  gegeben  ,  sondern  selbst  des  Guten  zu  viel 
gethan  ,  weil  für  diesen  Beweis  schon  von  Lambin  und  Dähne  genug 
geschehen  war.  Allein  da  auch  die  Vermuthung  aufgestellt  worden 
ist,  dass  Probus  ein  Schriftsteller  des  zweiten  Jahrhunderts  nach 
Christus  gewesen  sein  könne;  so  will  die  aus  einzelnen  Wörtern  und 
Formeln  hergenommene  Beweisführung  nicht  gniigen.  Obgleich  es 
nämlich  schon  au  sich  nicht  glaublich  ist,  dass  ein  Schriftsteller  der 
Kaiserzeit  auf  den  Einfall  kommen  konnte,  in  einem  Geschichtswerke 
die  Sprache  der  voraugustäischen  Zeit  nachzubilden,  um  dasselbe  dem 
fast  ganz  vergessenen  Com.  Nepos  unterzuschieben  ;  so  darf  man  doch, 
wenn  man  diesen  barocken  Einfall  zugesteht,  nicht  behaupten,  dass  es 
unmöglich  gewesen  6ei,  die  voraugustäischc  Sprache  wenigstens  so 
weit  nachzubilden ,  als  diese  Nachbildung  auf  der  Wahl  bestimmter 
und  jenem  Zeitalter  eigcnthümlicher  Redensarten ,  Coastructioncn. 
Wörter  und  Wortformen  beruht.  Grade  auf  diese  Punkte  nämlich  war 
die  Aufmerksamkeit  der  Grammatiker  gerichtet,  und  der  Schriftsteller 
der  Kaigerzeit  konnte  daher  eben  so  in  der    Manier    des   Nepos   schrei 


464  Schul-  und  Universitütsnach richten, 

hen ,  wie  noch  in  unserer  Zeit  manche  Schriftsteller  in  Ciceronischer 
Manier  schreiben.  Dr.gegen  aber  hat  die  Sprache  der  Schriftsteller 
der  Kaiserzeit  eine  Anzahl  stilistischer  Eigentümlichkeiten,  welche 
zum  Theil  zwar  auch  in  einzelnen  Wörtern  und  Formeln  sich  offen- 
baren,  aber  weit  mehr  im  ganzen  Satzbau,  in  der  Wortstellung,  dem 
Gebrauch  der  Partikeln  und  Pronomina,  dem  emphatischen  Gebrauche 
vieler  Wörter,  xler  Hinneigung  zu  abstracten  Begriffen  u.  s.  w.  her- 
vortreten. Sie  sind  ,  obwohl  sie  bei  den  einzelnen  Schriftstellern  in 
verschiedenem  Grade  hervortreten  ,  doch  ein  so  allgemeines  und  unver- 
kennbares Eigenthum  derselben,  dass  sie  eben  so  das  charakteristische 
Merkmal  dieses  Zeitalters,  wie  den  Gegensatz  zur  ciceronischen  Zeit 
bilden.  So  hat  z.  B. ,  um  nur  Einiges  der  Art  anzuführen,  die  cicero- 
nischc  Wortstellung  bei  aller  Glätte  und  Künstlichkeit  der  Perioden 
doch  noch  das  vorherrschende  Gepräge,  dass  sie  noch  ziemlich  ent- 
schieden an  die  rein  grammatische  Wortstellung  sich  anlehnt,  und  der 
rhetorischen  Umstellung  der  Satztheilc  nur  in  einer  verhältnissmässig 
kleinen  Anzahl  von  Fällen  Raum  giebt.  Aber  von  Livius  a'n  beginnt 
das  Streben,  dass  man  theils  die  einzelnen  Satztheile  mehr  und  mehr 
in  Einen  zusammenzieht  und  sie  sowohl ,  wie  die  Zwischensätze ,  mehr 
in  einander  schiebt,  theils  durch  das  immer- entschiedenere  Hervorhe- 
ben der  Opposita  namentlich  in  den  Zwischensätzen  und  am  Schluss  der 
Periode  eine  andere  Wortstellung  hervorbringt,  als  sie  bei  Cicero  ist. 
In  den  Vitis  excell.  imperatorum  aber  findet  sich  eine  Wortstellung, 
die  noch  weit  mehr  als  bei  Cicero  der  grammatischen  Wortfolge  nach- 
geht, und  die  durch  Rhetorik  zu  bewirkende  Verschlingung  der  Satz- 
theile und  Sätze  noch  wenig  kennt:  was  allerdings  einen  Schriftsteller 
der  Zeit  verrathen  kann  ,  wo  der  Stil  der  Prosa  sich  erst  auszubilden 
anfing,  und  wo  noch  nicht  gleich  jeder  die  von  Cicero  errungene  Ge- 
wandtheit nachzumachen  verstand.  Ein  anderes  Merkmal  der  begin- 
nenden Prosa  ist  die  Häufung  der  Partikeln,  wodurch  man  überall 
sorgfältig  eben  so  das  Zusammengehören  (das  Copulative)  oder  das  Ent- 
gegengesetztsein  der  einzelnen  Sätze  und  Satzglieder,  wie  das  Aufein- 
ander- oder  Auseinanderfolgen  derselben  durch  Partikeln  bezeichnet. 
Aber  schon  von  Sallust  an  beginnt  die  Erscheinung,  dass  dieErklärungs- 
und  Folgerungspartikeln  sich  mindern,  die  Asyndeta  sich  mehren,  die 
Adversativpartikeln  namentlich  bei  den  Satztheilen  verschwinden  oder 
eine  gesteigerte  und  emphatische  Geltung  annehmen.  Daher  das  Her- 
vorstellen der  Opposita  ohne  Adversativpartikel,  der  Gebrauch  des  at 
für  sed,  sed  für  que  oder  andere  Copulae  ,  des  mox  für  tum  oder  postea 
und  vieles  Andere.  Wenn  aber  bei  einzelnen  Schriftstellern ,  beson- 
ders aus  der  spätem  Kaiserzeit,  das  Häufen  der  Partikeln  wieder  ein- 
tritt, so  unterscheiden  sie  sich  doch  auch  hier  durch  grössere  Einpha- 
sig-and  Prägnanz,  und  ausserdem  verschwindet  mehr  und  mehr  der 
feine  und  weitausgedehnte  Gebrauch  der  Imperfecta  und  Plusquamper- 
feeta,  welchen  die  beginnende  Prosa  in  allen  Hauptsätzen  hat,  die  lo- 
gisch eine  untergeordnete  Stellung  einnehmen,  d.  h.  Erläuterungssätze, 
Folgerungssätze,    Einschränkungssätze  u.  s.  w.  sind.     Dazu  kommt  als 


Beförderungen  und  Ehrenbezeigungen.  465 

drittes  und  weitausgedehntes  Merkmal  die  immer  steigende  Emphasis 
im  Ausdruck,  vermöge  welcher  eine  Anzahl  Wörter  und  Formeln, 
welche  zu  schwach  oder  zu  alltäglich  scheinen,  mit  stärkeren  und  ge- 
wählteren verlauscht  werden  oder  neue  Bedeutungen  annehmen,  Ver- 
tauschungen der  Casus,  des  Numerus  und  der  Modi  sich  häufen,  die 
Metonymien,  Synekdochen  und  Metaphern  sich  mehren,  eine  Masse 
von  Adjectivis  Neutris  zu  Substantiven  erhoben  werden,  die  Vertau- 
schung verwandter  Constructionen  überhand  nimmt,  die  erläuternden 
Relativ-  und  andere  Nebensätze  in  blosse  Nomina  und  Prädicatbegriffe 
zusammengedrängt  werden,  die  Verbindung  abstracter  und  concreter 
Begriffe  häufig  wird  ,  überhaupt  überall  das  Effectvolle  vor  dem  Ein- 
fachen und  Natürlichen  den  Vorzug  erhält.  Für  Historiker  bleibt  aus- 
serdem noch  der  von  Sallust  an  sich  entwickelnde  besondere  Charakter 
des  historischen  Styls  zu  beachten,  welcher  zwar  nur  bei  Sallust  und 
Tacitus  in  scharfer  Abgränzung  hervortritt,  aber  doch  auch  bei  den 
übrigen  Geschichtschreibern  manches  Besondere  annimmt.  Der  Verf. 
der  Vitae  excellentium  imperatorum  hat  von  diesem  historischen  Style 
entweder  noch  gar  keine,  oder  nur  die  geringe  Ahnung,  dass  er  in 
einzelnen  Fällen  bei  Folgesätzen  ut  mit  dem  Conjunctiv  perfecti  ver- 
bindet, um  das  wirkliche  Eintreten  des  Factums  hervorzuheben  ,  und 
dass  er  hin  und  wieder  zu  Anfange  der  Sätze  1s  statt  des  mehr  verbinden- 
den und  logisch  folgernden  Qui  setzt;  obschon  das  Letztere  mehr  aus 
einer  gewissen  sprachlichen  Unbehülilichkeit  als  aus  Absicht  geschehen 
zu  sein  scheint.  Dagegen  weiss  er  wenig  oder  nichts  vom  Gebrauch 
desPräsentis  oder  Inlinitivi  historici,  von  dem  Hervorheben  der  räum- 
lichen und  zeitlichen  Aufeinanderfolge  der  Begebenheiten  und  dem 
Zurückdrängen  des  Causalnexus,  von  dem  häufigen  Anwenden  der  auf- 
zählenden Partikeln  tum ,  postea,  posthac,  mox  etc.,  von  der  Vertau- 
schung des  dem  Causalnexus  eigentümlichen  quum  mit  den  Partikeln 
postquam ,  tibi  etc.,  von  der  Richtung,  die  Causalsätze  nicht  zu  Vor- 
dersätzen zu  machen ,  sondern  einzuschieben  oder  hinterdrein  zu  stel- 
len, von  der  Beschränkung  des  Gebrauchs  der  Ablativi  consequentiae 
oder  ihrer  Stellung  an  das  Ende  der  Sätze,  von  der  Verbindung  des 
postqvam  mit  dem  Imperfect  und  Präsens,  oder  des  relativen  qui  mit 
Haupttcmpuribus,  von  dem  Gebrauch  des  Singulars  statt  des  Plurals 
bei  Degriffen,  wie  miles,  pedes ,  eques,  hostis ,  llomanus,  Poenw, 
viortulis,  oder  von  Verbindungen  wie  vestetn  et  arma,  saeviliam  cen- 
turionum  et  vacalio n c s  muncrum  ,  duram  hiemem  et  exercitas  aestales, 
iiequc  moribus  neque  lege  aut  imperio,  etc.  und  von  einer  Menge  ähn- 
licher Dinge,  die  aus  dem  Grundbegriffe  der  historischen  Darstellung 
hervorgehen.  Ja  seine  Schreibart  lehnt  sich  vielmehr  gerade  in  diesen 
Einzelheiten  ganz  augenscheinlich  an  die  Oarstellungsform  des  Cicero 
an,  obgleich  dieser  als  Philosoph  und  Redner  eine  ganz  andere  Styl- 
richtung hatte,  und  darum  dem  Historiker  nicht  so  unbedingt  hätte 
zum  Muster  dienen  sollen.  Hr.  Liebcrkühn  hat  die  hier  angedeuteten 
Eigcnthümlichkeiten  und  Gegensätze  des  Sprachgebrauchs  der  röm. 
Schriftsteller  in  der  Kaiserzeit  wenig  oder  gar  nicht  beachtet,  und  da- 
N.  Jahrb.  f.  Phil.  u.  Paed.  od.  Kril.  Bibl.  Bd.  XXVIII.  Hft.  4.  30 


466  Schul-  und  Universitäre  nacln  ich  ten, 

durch  des  erfolgreichsten  Mittels  sich  berauht,  um  die  Jrilac  exccll.  im" 
peratorum  nach  ihren  sprachlichen  Merkmalen  einer  bestimmten  Zeit 
zuweisen  zu  können.  Es  liegt  nämlich  am  Tage,  dass  Sprachmerk- 
male  solcher  Art  weit  mehr  mit  der  ganzen  Denk-  und  Sprechweise 
des  Zeitalters  verwachsen  sind ,  als  die  Wahl  einzelner  Redensarten, 
Wörter  und  Formen  ,  und  dass  sie  daher  auch  weit  mehr  das  entschie- 
den« und  unveräusserliche  Gepräge  der  Zeit  bilden,  von  dem  die 
Schriftsteller  sich  eben  so  wenig  ganz  losmachen  wie  in  die  Denk  -  und 
Sprechweise  einer  andern  Zeit  hinübertreten  können.  Ja  bei  den  Hö- 
rnern war  eine  solche  Entäusserung  oder  Nachbildung  um  so  weniger 
möglich,  da  eben  diese  Sprachcrscheinungen ,  obschon  sie  zum  gros- 
sen Theile  aus  der  rhetorischen  Richtung  der  Zeit,  aus  der  Nachah- 
mung der  Griechen  und  andern  zufälligen  Ursachen  hervorgegangen 
sind,  doch  für  die  Grammatiker  und  Rhetoren  kein  Gegenstand  der 
Beachtung  geworden  sind,  woraus  eben  hervorgeht,  dass  sie  sich  in 
der  Schriftstellerwelt  mehr  unwillkürlich  und  unbewusst  entwickelt 
hatten,  und  daher  eben  so  wenig  mit  Bewusstsein  abgelegt  .ils  ange- 
nommen werden  konnten.  Vielmehr  klebten  sie  jedem  Schriftsteller 
eines  solchen  Zeitalters  unwillkürlich  an,  und  waren  eine  Individua- 
lität der  Zeit.  Demnach  hätte  sich  wahrscheinlich  auch  nur  auf  die- 
sem Wege  darthun  lassen,  ob  die  \  itae  exccll.  imperatorum  nur  ein 
Erzcugniss  der  Zeit  vor  dem  Kaiserthum  sein  können  ,  oder  ob  sie  auch 
Spuren  späterer  Zeit  an  sich  tragen.  Das  zweite  schlagende  Beweis- 
mittel für  diesen  ebengenannten  Punkt  liegt  in  den  Anspielungen  auf 
die  republikanische  Freiheit  und  auf  äussere  Verbältnisse  und  Einrich- 
tungen der  römischen  Republik.  Auch  hier  hat  Lieberkühn  das  Vor- 
kommen solcher  Anspielungen  recht  gut  nachgewiesen,  aber  wiederum 
die  Erörterung  nicht  bis  zu  der  Frage  fortgeführt,  oh  csnicht  auch  möglich 
ist,  dass  diese  vorkommenden  Anspielungen  auch  auf  eine  andere  Zeit 
eich  deuten  lassen  ,  oder  ob  sie  Überhaupt  ein  Schriftsteller  der  Kaiser* 
zeit  in  solcher  Weise  empfinden  und  äussern  konnte.  Wären  übrigens 
diese  beiden,  von  dein  Sprachgebrauche  und  den  historischen  Anspie- 
lungen hergenommenen  Argumente  bis  zur  Evidenz  bewiesen  worden, 
so  würden  die  übrigen  vorgebrachten  Beweisgründe  von  selbst  sich  er- 
ledigen ,  da  sie  an  sich  keine  Beweiskraft  haben.  Der  von  der  histo- 
rischen Glaubwürdigkeit  hergenommene  Grund  hat  gar  keine  Kraft, 
zumal  da  Lieberkühn  sich  hier  nur  an  das  von  Hisely  gewonnene  Re- 
sultat anlehnt  und  die  historische  Treue  des  Schriftstellers  durch  die 
Annahme  der  Benutzung  von  Quellen,  die  für  uns  verloren  sein  sollen, 
viel  zu  hoch  hinaufstellt.  Wenn  aber  in  Bezug  auf  den  Zweck  des 
Werkes  nach  Mosche's  und  Dähne's  Vorgange  bemerkt  ist:  I  idelur  no- 
bis  libellus  eum  in  finem  compositus  esse  ,  ut  Romani ,  rerum  historicarum 
rudiores ,  de  summorum  virorum  personis  ac  vita  paucis  docerentur ,  ila 
quidem  ,  ut  quae  ad  lectorum  higenium  alque  doctrinam  apta  easent,  bene 
eligerentur ,  maximeque  ea  omuia  traderentur  sedidius,  quae  ad  eivilem 
pracstanliam  omnesque  atriales ,  quahs  tum  civem  Optimum  quemque  dece- 
bunty    commendandas  faecrent ;    so  kann  und  scheint  das  zwar  wahr  tu 


Be  fördern  n  gen  und  Ehrenbezeigungen.         467 

sein ,  folgt  aber  nicht  nothwendig  aus  der  versuchten  Beweisführung. 
Ja  es  lässt  sich  sogar,   wenn    man   erst   die   Abstammung   dieser   Vitae 
von  Com.  Nepos  für  ausgemacht  ansieht,    aus  dessen   Verbindung   mit 
Cicero,    aus    seiner    Hinneigung   zum    Republicanismus    und    aus   dem 
schon  mehrfach  erwähnten  Fragment  der  Wolfenbüttler  Handschrift  die 
weitere  Folgerung  ableiten,    dass  Nepos   durch   diese  Vitae   nicht  nur 
die  republikanischen  Gesinnungen  und  Bürgertugenden  der  Römer  habe 
beleben  und  kräftigen,    sondern  auch  für  die  Ausbildung  der   Historio- 
graphie bei  den  Römern  etwas  Aehnliches  leisten   wollen,    als   was   Ci- 
cero für  die  Beredtsamkeit  und  Philosophie  geleistet  hatte.       Die  Aus- 
bildung  der    römischen    Sprache    und    Wissenschaft   nach  griechischen 
Mustern  ist  ja  in  der  Zeit  von  Cicero  bis  zum  Tode  des  August  die  ent- 
schiedene  Richtung   aller  römischen   Schriftsteller,  und  lässt  sich  also 
auch  hier  annehmen.      Die  vollständige  Bestimmung  der  patriotischen 
und    republikanischen   Gesinnungen   aber,    welche  den  Nepos  bei  Ab- 
fassung des  Werkes  geleitet  haben   sollen,    verlangt  freilich  erst  noch 
die   bessere  Beantwortung  der  von  Lieberkühn  bejaheten  aber  nicht  er- 
wiesenen Vorfrage ,   ob  wir  diese  Vitae  in    unverkürzter  Gestalt  haben, 
oder  ob  nicht  gerade  von   diesen   subjeetiven   Aeusserungen   der  Gesin- 
nung und  Neigung  Vieles  herausgestrichen  ist.      Uebrigens   hat  Schlos- 
ser,   wenn    Ref.    nicht   irrt,     noch    darauf   hingewiesen,  dass  das  Ge- 
schichtswerk des  Nepos  in  einem  gewissen  Gegensatz  zu  dem  des   Sal- 
lust   gestanden,     und   dass    ersterer   die  Grösse  und  Vorzüglichkeit  der 
republikanischen     Bürgertugenden,     letzterer     deren    Entartung   habe 
schildern    wollen,   —    eine    Behauptung,    welche    man    gelten    lassen 
kann,  sobald  man  nur  nicht  an  einen  von   beiden  Schriftstellern   beab- 
sichtigten Gegensatz  denkt ,  da  Nepos  schwerlich   die  Geschichtswerke 
des  Sallust  gekannt  hat,  weil  er  sonst  mehr  für  den   historischen   Styl 
daraus   hätte   lernen   müssen.       Dass  die  Vitae  excell.  imperatorum  ein 
Stück  aus  dem    Werke    de   viris    illustribus   sind,    hat   Lieberkühn    mit 
neuen,   aber  unzureichenden  Gründen  [s.  Nissen  in  d.  Zeitschr.   für   die 
Altcrthumsw.  1639  Nr.  156.  S.  1254  f.]  zu  rechtfertigen  gesucht,  und  so 
aufs  Neue  den  Beweis  geliefert,    dass  es   dafür  keine  weiteren   Gründe 
giebt,  als  die  Voraussetzung,  Nepos  habe  ausser  den  Chronicis,  Exem- 
plis    und    Liltris    de    viris    illustribus    kein    anderes  Geschichtswerk  ge- 
schrieben.     Eben  so  bleibt  reine    Vermuthung,   was  über   die  Verthei- 
lung  des  Stoffes  in  den  Büchern  de  viris  illustribus  und    über    das    Ver- 
hältniss  der  vorhandenen  Vitae  zu  jenen    vorgetragen   ist.       Mit  glück- 
lichem Erfolg    aber  sind    die   Umstellungsversuchc,    welche    Titzc   und 
Walicki    mit    diesen  Vitis    vornahmen,     abgewiesen,     und    Licberkühu 
glaubt  aus  ihrer   in    der   gegenwärtigen   Anordnung   sich  offenbarenden 
chronologischen  Reihenfolge  schlicssen  zu  dürfen  ,   dass  dieselben  auch 
im  Hauptwerke  in  gleicher  Ordnung  (nur  etwa  mit  Ausnahme  der  Vita 
des  Datames)  gestanden  hätten.      Diese  Vermuthung   hat  Aissen  in  der 
Zeitschr.    f.    Alterthumsw.    a.    a.    O.    S.    1256  in  folgender  Weise  noch 
weiter  ausgeführt:   „Wir  sind  der  Meinung,   dass  die  Chronologie  für 
einen  jeden  historischen  Schriftsteller  ein  natürliches  Anordnungsprin- 

30* 


468  Schul-  und  Uni  ver  sit  ä  t  snachrichton  , 

cip  ist,  und  für  den  Verf.  dieser  Vitac  um  so  mehr,   da  sie  Ein   Ganzes 
bilden  sollten,  weshalb  sie  auch  in  Ein  Buch   vereinigt   wurden   (ganz 
anders  verhält  es  sieb  z.  B.  mit  den  Vitis  des  Plutarch)  und,  was  damit 
zusammenhängt,  weil  sie  so  kurz  sind  und  dadurch  ein  besseres   Liebt 
erhalten  mussten  ,   dass  diejenigen  Feldherren  ,   die  zu   Einer   Zeit   ge- 
lebt und  deren  Lebensverhältnisse  in  einander  greifen  ,   neben  einander 
gestellt  Wurden ,  indem   sich    dadurch  eine   zusammenhängend  fortlau- 
fende Kette  von  Begebenheiten  und  gleicbsam    eine    Geschiebte   ergab. 
Indes»  findet  die   hergebrachte  Reibenfolge    niebt   blos    ibre    Vertheidi- 
gung  in  rationellen  Gründen,    sondern  auch  tbeilweise  wenigstens,  waa 
Lieberkübn    unbemerkt   gelassen,    in    Beziehungen,     die    in    den  Vitis 
gelbst  bier  und  da  von  dem  Verfasser  ausgesprochen   werden  ,    und   dio 
wir  daher  kurz  zusammenstellen   wollen.       Dass    Miltiades,   Themisto- 
kles  und  Aristidcs  in  dieser  Ordnung  auf  einander  folgten,   würde  Jeder 
ohne    Weiteres    zugeben,    ist    aber    aueb  angedeutet  durch  die  Worte: 
quo  damnatus  erat   Milliades,   Tliem.  8  ,   und  durch  Aristid.  1.:    lest  isla 
illa,  womit  auf  Them.  8.  init.  hingewiesen  wird ,    und  Arist.   3.   flu. : 
post  annum  quartum,  quam  Themistocles  erat  expulsus.      Dass  fphicrates, 
Chabrias  ,  Timotbeus  auf  einander  folgten,    zeigt    Tim.  4.:    Haec  ex- 
trema  fuit  aetas  imperatorum  Alhenien^ium  ,   Iphicratis,   Chabriae, 
Timothei.        Chabrias    Leben    stand    aber   auch    vor   dem   des  Epa- 
rainondas,    cf.  Epam.  4.:   Chabriam ,   de  quo  supra  mentionem  feeimus ; 
und  Epaminondas  vor  dem  Pelopidas,   cf.  Pelop.   4.:    sicut   supra   do- 
cuimus,   Epaminondas  dorni  quietus  fuit:    folglich   war  es  falsch,   wenn 
Titze  den  Pelopidas  vor  jenen  stellen  wollte.      Lysander  ferner  hat  mit 
Recht  einen  früheren  Platz  als  Agesilaus ,  cf.  Ages.   1.:    Lysaudro  suf- 
fragante ,     homine  ,    ut   supra   doeuimus ,    factioso ;    die    Vita   Regum 
einen    früheren    als   die   des  Hainilcar   und   Hannibal,    cf.  de  Regg.  3.: 
non  praeterire  Hamilcarem  et   Hannibalem.      Endlich  dass   Hannibal    der 
letzte  von  allen  war,   zeigt  das  Ende  desselben:  sed  nos  tempits    est  hu~ 
jus   libri  faecre  finem,    weshalb  nicht,   wie  Titze  will,    Datames 
der  letzte  sein  kann.      Nichts  aber  steht  der  Abnahme  im    Wege,    dass 
Datames  noch  dem  Abschnitte  de  Regibus  wirklich  ursprünglich  voran- 
gegangen ist,    und  nicht  etwa,   wie  Titze  meint,    nebst  Hainilcar  und 
Hannibal  nachgefolgt  sei,   da  in  de  Regibus  selbst   auch   die  persischen 
Könige,   also  Barbaren,   mit  den  griechischen  vereinigt  werden ,    cf.    de 
regg.  1.  init.,   und  also  hatte  Lieberkübn   nicht   den  mindesten   Grund, 
Anstoss  zu  nehmen  an  den  ersten  Worten  im  Datames:    Venia  nunc  ad 
fortissimum  virum,   maximique   consilii  omnium  barbarorum.^      Hält 
man  es  übrigens  in  Folge  der  bisherigen  Forschungen  für  wahrscheinlich, 
dass  Nepos  wirklich  nur   die    obengenannten    drei   Geschichtswerko  ge- 
schrieben   hat  und    dass   die   vorhandenen  Vitae  wirklich  ein  Tbeil  der 
Rücher  de  viris  illustrihus  sind  ;    so  lässt  sich  vielleicht  auch  aus  diesen 
Vitis  selbst  ein  Schluss  auf  den  Zustand  jener   Bücher   machen,    dessen 
Resultat  ohngefähr  folgendes  sein  würde.      Es  ergiebt  sich  aus   mehre- 
ren Andeutungen  in  den  Vitis  klar  und  deutlich,  dass  der  Verfasser  der- 
selben  drei  Classen  von   Biographieen  berühmter  Fcldherrn ,  nämlich 


Beförderungen   und  E  h  v  c  n  b  e  z  c  i  g  n  n  g  e  n.         469 

Vitas    imperatorum   Graccorum,    Barbarorum    und    Romanorum,    ge- 
schrieben bat,   und  jedenfalls  sind  diese  Vitae  in  zwei  verschiedene  Bü- 
cher  vertheilt    gewesen,    da    durch    die  Stelle  in  llnnnil).  13.  extr.  die 
Vitae  imperatorum  Homanoriiin  klar  Und  deutlich   als   besonderes   Buch 
von  den  übrigen  abgetrennt  werden.      Hält  man  es  aber   mit   dem    Ref. 
für  wahrscheinlich,   dass  der  Abschnitt  de  llegibus   sich  fast  von    selbst 
als    eine    Vorrede    herausstellt    und    jedenfalls    keine  Vita  ist;   so  folgt 
daraus,     dass    auch    die    Biographieen    der    noch   übrigen  Fcldherrn  in 
zwei  verschiedene  Bücher,   nämlich  Vitae  imperatorum  Graeconim  und 
Vitae  imperatorum  Barbarorum ,   getheilt  gewesen  sind,   und   in   diesem 
Falle  wird  wohl  auch  die  Biographie  des   Datames    nicht   zu    den    Bio- 
graphieen  der  Griechen,   sondern  zu  denen  der  Rarbaren  gehört  haben. 
Die  vor  der  Vita  Miltiadis  vorausgehende  I'raefatio    steht   dieser   Kin- 
tbcilung    in    drei    Bücher    nicht  entgegen:   denn  wenn  in  derselben  nur 
zwischen  griechischen  und  römischen  Sitten  geschieden  und  auf  die  ab- 
weichende   Lebensweise    der    Perser    und    Karthager  nicht  hingewiesen 
wird,   so  erklärt  sich  das  leicht  aus  dem  Umstände,   dass   für  den   Rö- 
mer um  Ciceros  Zeit  wohl  die  Sitten  der  Griechen,  keineswegs  aber  die 
der  Barbaren,   am  wenigsten  die  der  Karthager,    etwas   Beachtenswer- 
tes hatten.      Bas  Buch  der  Vitae  imperatorum  barbarorum    muss    laut 
der  ersten  Worte  im  Abschnitt  de  Rcgibus  hinter  den  Viiis  imperatorum 
Graccorum  gestanden   und    das   der    römischen    Feldherrn   den    letzten 
Platz    eingenommen    haben.       Hat    aber    das  Buch  von  den  Barbaren 
Feldherrn,   wie  es  allerdings  wahrscheinlich  ist ,    ausser   der    Vita    Ha- 
luilcaris    et   Hannibalis    noch    andere  Biographieen  enthalten;   so  muss 
entweder   der   Satz    in   de   Regg.  3.  5.:    De  quibus  quoniam  satis  dictum 
put  am  us  i    von  incommodum  videtur  non  practerire  Ilumilcarem  et    llanni- 
balem  etc. ,   eine  Verstümmelung  erlitten  haben  ,  oder  der  gegenwärtige 
Scblusssatz  der  Vita  Hannibalis  hat  ursprünglich  am  Schlüsse  einer  an- 
deren Vita  gestanden  und  ist  zu  der  Zeit,  wo  die  gegenwärtige  Anord- 
nung des  Buchs  vorgenommen  ward  ,   in  seine    nunmehrige   Stelle   her- 
übergetragen worden.      Einen  besondern ,    von    den    Biographieen    ge- 
trennten Abschnitt  des  grösseren  Werkes  halten  die  Lebensbeschreibungen 
der  Könige  ausgemacht,    von  denen  de  Regg.  1.  1.  deutlich   gesagt  ist: 
Jloruni  omuium  res  gestae  separatim  sunt  relatac;     und    aus    eben    dieser 
Angabe  geht  auch  hervor,    dass  der  vorhandene  Abschnitt    de    Rcgibus 
keine    Fpitomc    aus   jenen    langem    Biographieen    sein  kann,   weil  der 
EpUomntor  den  angeführten    Satz    gar    nicht    hätte    schreiben    können. 
Einen  dritten  Abschnitt  des  ganzen  Werkes  hat  man  dann    vielleicht   in 
dem    Buch    de  historicis  zu  suchen,   das  Uion.  3.  2.  erwähnt  wird,   und 
da  von  diesem  in  dem    mehrmals    erwähnten    Bruchstück    der    Wolfeu- 
bütller  Handschrift  noch  ein  Stück  der  Vorrede   übrig  zu   sein   scheint, 
auch  dasselbe  in  zwei  Ablheiliingcn  oder   Bücher,    Ue   historicis   Grae- 
oH  und  De  historicis  Latiuis ,   getheilt  gewesen  sein   mag;    so    ist    viel- 
leicht die  Vermuthung  erlaubt,  dass  das  ganze  Werk  de  viris  illustribua 
in  mehrere  Hauptabschnitte,    z.  B.  de  cxccllentibus  impcratoribiis  ,   de 
rcgibus,  du  historicis,  zerfiel,    und  diese   wieder  in   einzelne  Bücher 


470  Schal-  und  Uni  ver  situ,  ts na chrichten, 

eich  zertheiltcn  ,  wovon  jedes  vielleicht  auch  eine  besondere  Vorrede 
hatte  —  eine  Einrichtung,  die  in  den  Vorreden  des  Cicero  zu  den  ein- 
zelnen Büchern  seiner  philosophischen  Schriften  etwas  Analoges  hat. 
Aus  dein  Abschnitt  de  historicis  sind  nach  der  Angabe  der  Handschrif- 
ten die  Vitae  Catonis  et  Atlici;  aber  da  Atticus  sich  nicht  recht  unter 
die  Historiker  rechnen  lassen  will ,  so  darf  man  vielleicht  mit  Zuzie- 
hung der  Notiz  hei  Sucton ,  de  illustr.  gramm.  4.  1. :  Com.  Nepos  in 
libello ,  quo  distinguil  lileralum  ab  erudito ,  noch  einen  vierten  Abschnitt 
über  gelehrte  Privaten  annehmen;  und  aus  der  Fita  Ciceronis ,  die  Gel- 
lius  XV.  28.  erwähnt,  auch  einen  fünften  von  berühmten  Staatsmännern 
folgern.  Sollte  unter  diesen  verschiedenen  Abteilungen  die  von  den 
berühmten  Feldherrn  den  Anfang  des  Ganzen  gebildet  haben ,  wofür 
allerdings  der  Anfang  der  Praefatio  :  A'on  dubilo  fore  plerosque ,  qui 
hocgenus  scripturae  leve  et  non  satis  dignum  summ  or  um.  vi- 
rorum  personis  iudicent,  eine  Andeutung  zu  geben  scheint;  so 
muss  man  wieder  annehmen,  dass  diese  Vorrede  ursprünglich  auch  die 
Vorrede  zum  ganzen  Werk  bildete,  dass  aber  später  für  die  gegenwär- 
tige Gestaltung  der  Vitae  alle  diejenigen  Stellen  herausgestrichen  wor- 
den sind,  welche  allgemeine  Bemerkungen  über  das  ganze  Werk  ent- 
hielten. Gewöhnlich  pflegt  man  den  hier  mitgetheilten  Vermuthungen 
ein  paar  Stellen  aus  den  Vitis  excellentium  imperatorum  entgegenzu- 
stellen. Zuerst  nämlich  will  Lieberkühn  aus  den  Worten  am  Ende  der 
Fraefatio:  quae  exorsus  sum,  beweisen,  dass  sich  das  Perfect  exorsus  sum 
nur  auf  bereits  vollendete  Vitae  beziehen  könne,  welche  dieser  Praefa- 
tio  vorausgegangen  seien.  Allein  dieses  Perfectuui  kann  recht  gut 
auch  von  dem  gesagt  sein,  der  eben  erst  zu  schreiben  angefangen  hat, 
zumal  da  der  Römer  in  solchen  Vorberichten,  wie  in  einem  Briefe,  die 
Tempusbestimraung  mit  Rücksicht  auf  den  Leser  zu  machen  pflegt. 
Ebendaselbst  übersetzt  man  die  Worte  in  hoc  libro  excellentium  impera- 
torum gewöhnlich  t  in  dem  gegenwärtigen  IVerke,  oder  in  dem  nachste- 
henden Buche  vom  Leben  berühmter  Feldherrn,  und  schliesst  daraus,  dass 
die  Vitae  excell.  impp.  entweder  ein  besonderes  Werk  oder  doch  nur 
ein  einziges  Buch  des  ganzen  Werkes  gebildet  haben.  Allein  abge- 
sehen davon,  dass  der  schon  oben  vorausgesetzte  Epitomator  bei  excel- 
lentium imperatorum  das  ursprünglich  vielleicht  dabei  stehende  Epithe- 
ton Graecorum  weglassen  konnte,  ja  weglassen  musste,  weil  er  durch 
Weglassung  der  Biographieen  römischer  und  anderer  Feldherrn  die 
Vertheilung  des  Stoffes  in  mehrere  Bücher  ohnehin  aufgehoben  und 
den  Gegensatz  zwischen  griechischen  und  römischen  Feldherrn  zerstört 
hatte  ,  so  lassen  sich  diese  Worte  auch  ganz  sprachrichtig  übersetzen : 
In  dem  nachstehenden  [Einzel-]  Buche  des  ganzen  JVerkes ,  oder  des  gan- 
zen Abschnittes  vom  Leben  berühmter  Feldherren,  und  es  sind  dadurch  alle 
obigen  Folgerungen  zerstört.  Dieselbe  Unsicherheit  ist  in  den  Worten 
uno  hoc  volumine  in  Epam.  4.  6.,  weil  unum  Volumen  allerdings  von 
Einem  Gcsammtwerke,  aber  eben  so  gut  auch  von  einem  einzelnen  Bande, 
einer  einzelnen  Rolle  des  aus  mehreren  Bänden  bestehenden  Gesanunt- 
werkes  verstanden  werden  kann ,   und  weil  sich  daher  auch  nicht  aus- 


Bcför  d  er  u  ng  en   und  Ehrenbezeigungen.  471 

machen  lässt,  ob  man  im  Folgenden  vitam  excellentium  virorum  complu- 
rium  oder  vitam  excellentium  imperatorum  complurium  zu  schreiben  habe. 
Tgl.  Nissen  a.  a.  0.  S.  1254   f.   —   Der    miigetheilte    Bericht   über   die 
Licbcrkühnsche    Schrift    wird    hoffentlich    darthun,   wie  umfassend  die 
Frage  über  Ursprung  und  Verfasser  der    Vitae    excellentium    imperato- 
rum   darin    verhandelt  ist,  und  der  Bericht  selbst  hat  eben  darum  einen 
en  grossen  Umfang  gewonnen,   weil  wir  in  dieser   Schrift  bis  jetzt   die 
gründlichste  und  am  meisten  fördernde  Untersuchung  über  den   Gegen- 
standbesitzen.  Allein  hoffentlich  offenbart  sich  auch  aus  den  gemachten 
Einwendungen,  dass  auch  diese  Untersuchung  nicht  bis  zur  vollständi- 
gen Lösung  und  bis  zur  gnügenden  Beseitigung  aller  Zweifel    gebracht 
worden  ist,    und  dass  man  also  noch  weitere  Erörterungen   des   Gegen- 
standes wünschen  muss.      Und  dies  bleibt    um    so    mehr    zu    wünschen, 
da  durch  die  neuste  hierhergehörige  Untersuchung:    De  Cornelii  ISepotis 
rita    et    scriptis    commentaiio.     Scripsit   J.    Thcod.    Lülkenhus ,    phil.  ür. 
[Münster,  Regensberg.  1838.  IV  u.  104  S.  8]  die  Sache  im  Wesentlichen 
gar  nicht  gefördert  ist.      Der  Verf.  derselben  scheint  nämlich  vorausge- 
setzt zu  haben  ,   dass  die  ganze  Streitfrage  durch    die   bisherigen   For- 
schungen   längst    abgemacht   sei  ,   und    hat  jedenfalls   in  seiner  Schrift 
Nichts  weiter  als   eine   übersichtliche   Zusammenstellung  der  gewonne- 
nen Resultate  liefern  wollen.      Er    hat    nämlich    aus    den    vorhandenen 
Schriften,   namentlich  aus    denen    von    Dälme    und    Lieberkühn,    Alles 
da>jenige,   zum  Theil  mit  den  eigenen. Worten  der  Verfasser,  ausgeho- 
ben,  was  auf  das  Leben  und  die  Schriften  des  Nepos  sich    bezieht,  und 
dies  in  zwei  Capitel  so  zusammengeordnet,  dass  er  erst  des  Nepos    Na- 
men,  Lebenszeit,    Todesjahr,    Geburtsort,    geistige    Vorzüge,    Erzie- 
hung   und   Bildung,    Wohnort   und    Lebensweise   bespricht,   dann  aber 
über  dessen  Schriften  (Chronica,  Vitae   illustrium  virorum,   Libri  exem- 
plorura,     Briefsammlung    und    die   Schrift    quo    distinguit  literatum  ab 
erudito,  und  vornehmlich  über  die  Vitae  excellentium  imperatorum)  ver- 
handelt.     Man  erfährt  also  aus  dieser  Zusammenstellung   nur  das  Be- 
kannte,   und    eigene  und   neue   Ansichten   hat  Ref.  in  dem  Buche  nicht 
weiter  gefunden,    ausser  dass   des   Nepos   Geburtsort  wieder  für  unbe- 
kannt angesehen  ,  dass  über  die  tres  chartae  der  Chronica  und  über  den 
Inhalt  des   Buchs  quo    distinguit   literatum  nb  erudito  eine  neue  Hypo- 
these aufgestellt,   und  dass  die  Verschiedenheit   des  Praefectus   prneto- 
rio  Probus  von   dem    Probus   des   bekannten    Epigramms   nachgewiesen 
ist.      Ucberhaupt  hat  sich  der  Verf.  eigener  Beliauptungcn  so  sehr  ent- 
halten ,   dass  er    selbst    bei    der    Aufzählung    verschiedener    Meinungen 
wiederholt    sein    eigenes    Urtheil    suspendirt,   und    unentschieden  lässt, 
welche  Ansicht  die  vorzüglichere  sei.      Das  Buch  hat  demnach  kein  an- 
deres Verdienst,  als  dass  es  in  Eins  zusammengestellt  enthält,  was  man 
sonst  aus  mehrern  Schriften  zusammensuchen  muss.       Leider  wird  aber 
dietofl  Verdienst  dadurch  sehr  geschmälert,  dass  die  Zusammenstellung 
weder  eine  bequeme  und    übersichtliche,    noch    eine    vollständige   und 
ausreichende    ist.       Der    Verf.    hat    nämlich  die  compilirten  Meinungen 
der  anderen  Gelehrten  nicht  zu  einem  zusammenhangenden  Ganzen  verar- 


472  Schul-  und  Uni  vcrsi  täts n a ehr ic hten, 

Leitet,  sondern  nur  nach  den  oben  angedeuteten  Rubriken  an  einander 
gereiht.  Da  er  nun  diese  Meinungen  meist  mit  den  eignen  Worten 
ihrer  Urheber  und  in  unverkürzter  Form  wiedergiebt,  so  hat  die 
Sammlung  nicht  nur  etwas  Buntscheckiges  und  Unbchülfliches ,  son- 
dern leidet  auch  an  vielen  Wiederholungen ,  so  dass  die  Uebersicht 
eher  erschwert  als  erleichtert  ist.  Das  Mangelhafte  der  Auswahl  aber 
zeigt  sich  zunächst  darin,  dass  zu  den  mitgetheilten  Behauptungen  der 
einzelnen  Gelehrten  nicht  immer  die  vollständige  Beweisführung  hin- 
zugefügt ist,  und  wird  nächstdera  besonders  in  dem  Hauptabschnitte 
über  die  Vitas  excellentium  imperatorum  sehr  empfindlich,  weil  zwar 
die  Gründe  für  die  Aechtheit  ziemlich  sorgfältig  angeführt,  aber  von 
den  Gründen  der  Gegner  manches  Wesentliche  weggelassen  und  auch 
übrigens  auf  die  Schwächen  der  einzelnen  Argumente  selten  aufmerk- 
sam gemacht  ist.  Und  weil  der  Verf.  gerade  in  diesem  letzten  Theile 
vorherrschend  an  Licbcrkühn  sich  angeschlossen  hat ,  so  sind  beson- 
ders die  Untersuchungen  über  die  historische  Glaubwürdigkeit  der  Vi- 
tae  und  über  die  Annahme,  dass  wir  dieselben  gegenwärtig  nur  in  der 
von  Aemilius  Probus  geinachten  Epitome  übrig  haben,  höchst  mangel- 
haft ausgefallen,  vgl.  Freudenberg  in  d.  Zcitschr.  f.  die  Alterthumsw. 
1839  Nr.  140.  und  Nissen  ebendas.  Nr.  156.  Die  zuletzt  genannte  Mei- 
nung, dass  diese  von  Nepos  geschriebenen  Vitae  gegenwärtig  nur  in 
einer  von  Aemilius  Probus  gemachten  Epitome  übrig  seien  ,  hatte  seit 
Caspar  Barth  mehrere  Anhänger  gefunden,  die  freilich  nur  immer  bei- 
läufig dafür  sich  ausgesprochen  hatten ,  bis  Hcinr.  Meyer  in  der  Zeit- 
schrift f.  d.  Alterthumsw.  1835  Nr.  130.  der  Vermuthung  dadurch  eine 
bestimmtere  Form  gab,  dass  er  diesen  Aemilius  Probus  aus  den  Zeiten 
des  Theodoeius  in  das  zweite  Jahrhundert  n.  Chr.  versetzte  und  in  die- 
ser Zeit  die  Epitome  entstanden  sein  Hess.  Als  besonderer  Vertheidi- 
ger  dieser  Meinung  ist  in  der  neusten  Zeit  Dr.  A.  F.  Nissen  in  der  Ab- 
handlung De  vitis,  quae  vulgo  Cornelii  Nepotis  nomine  feruntur ,  contra 
Licberknehnium-  Pohlmunnianum  aliosque  disputationis  particula  prior 
[Rendsburg  1839.  10  S.  4.]  aufgetreten,  hat  aber  seine  Erörterung,  wie 
schon  der  Titel  zeigt,  noch  nicht  vollständig  abgeschlossen,  und  in 
der  ebenerwähnten  Beurtheilung  der  Schrift  von  Lütkenhus  in  der  Zeit- 
schrift f.  d.  Altcrth.  1839  Nr.  15(>.  nur  Einiges  zur  vorhandenen  ersten 
Hälfte  ergänzt,  wovon  besonders  das  für  die  allgemeine  Untersuchung 
wichtige  Resultat  zu  beachten  ist ,  dass  Nissen  (in  beiden  Aufsätzen) 
zuerst  den  Epigramm-Schreiber  Probus  von  dem  als  Epitomator  ge- 
nannten Aemil.  Probus  bestimmt  scheidet,  und  in  dem  ersteren  nur 
einen  Abschreiber  erkennt,  der  für  den  Kaiser  Theodosius  eine  neue 
Abschrift  der  schon  vorhandenen  Epitome  des  Aemilius  veranstaltete. 
Dass  aber  auch  nicht  einmal  das  Letztere  aus  dem  Epigramm  folgt,  ist 
schon  oben  angedeutet  worden.  Da  übrigens  der  Specialinhalt  der 
Nissenschen  Schrift  in  unsern  NJbb.  XXVI,  333  ff.  schon  ausführlich  be- 
sprochen ist,  so  genügt  es  hier,  darauf  zurückzuweisen,  und  jetzt 
gleich  zu  der  Nachweisung  des  allgemeinen  Endresultates  fortzugehen, 
das  durch  alle  bisher  genannten  Erörterungen  gewonnen  zu  sein  scheint. 


Beförderungen    und    E  li  r  e  n  b  c  z  e  i  g  u  n  g  c  n.  473 

Dies  dürfte  aber  ohngefähr  folgendes  sein.  Die  vorhandenen  Vitae 
cxcellentium  hnperatorani  gehören  jedenfalls  zugleich  mit  den  Vitis 
Catonis  et  Attici  einem  und  demselben  Verfasser  an  ,  und  können  we- 
der als  GcsamintM'erk  noch  als  Auszug  in  den  Zeiten  des  Theodosius, 
üiti  wenigsten  durch  den  E[iigramuischreiber  Probns  entstanden  sein, 
weil  jener  Annahme  eben  so  der  Sprachgebrauch  widerstreitet,  wie 
für  beide  jeder  positive  Beweis  fehlt.  Vielmehr  erlaubt  die  Sprache, 
dass  man  die  Abfassungszeit  dieser  Vitae  in  das  goldene  Zeitalter  der 
römischen  Literatur  versetzen  darf,  und  ein  tieferes  Eingehen  auf  den 
Styl  und  die  speciellc  Darstcllungsforni ,  in  Verbindung  gesetzt  mit  den 
vorkommenden  historischen  Anspielungen,  wird  vielleicht  «u  der  Ue- 
herzeugung  IM) th igen,  dass  sie  nicht  gut  in  einer  anderen  Zeit  geschrie- 
ben sein  können,  als  in  der  Zeit  zwischen  dem  Tode  des  Cicero  und 
deiu  Regierungsantritte  des  August.  Ob  Aemiiitis  Prolins  oder  Corne- 
lius Nenos  Verfasser  der  A  itae  sei ,  das  lassen  die  vorhandenen  positi- 
ven Zeugnisse  zur  Zeit  noch  völlig  unentschieden:  allein  da  ein  Schrift- 
steller Aeuiilius  Probus  aus  jener  Zeit  durchaus  unbekannt  ist,  Corne- 
lius Ncpos  aber  damals  historische  Schriften  verfasst  hat  und  diese 
Vitae  sich  selbst  als  Theil  seines  Werkes  de  viris  illustrihus  denken 
lassen,  so  liegt  die  Vermuthung ,  ihn  als  Verfasser  anzunehmen ,  an 
sich  nahe,  und  erhält  noch  einige  Bestätigung  dadurch,  dass  dessen 
Lebensverhältnisse  und  Verbindung  mit  Cicero  am  einfachsten  erklären 
würden  ,  warum  in  den  Vitis  Spuren  einer,  wenn  auch  sehr  behutsa- 
men doch  unverkennbaren  Hinneigung  zum  Rcpublicanismus  und  eine 
entfernte  Annäherung  an  die  Ciceronischc  Redeform  vorkommt,  und 
warum  der  historische  Styl  darin  noch  fast  in  seinen  Uranfängen  er- 
seheint und  von  der  durch  Sallust  geschaffenen  Fortbildung  noch  gar 
nichts  hat.  Ist  aber  Nepos  Verfasser  dieser  Vitae,  so  lässt  sich  das 
entschiedene  Zeugniss  der  Handschriften  für  den  seinen  Zeit-  und  Le- 
bensverhältnissen nach  durchaus  unbekannten  Aeuiilius  Probus  kaum 
anders  deuten,  als  dass  man  ihm  einen  Einlluss  auf  diese  Biographiccn 
zugesteht,  wodurch  selbst  der  Name  ihres  Verfassers  verdrängt  wer- 
den konnte.  Von  vielen  Verniuthungcn ,  die  man  dafür  aufstellen 
kann,  ist  die  zunächstliegende,  dass  er  diese  in  Vergessenheit  gekom- 
menen Lebensbeschreibungen  in  einer  unbestimmbaren  Zeit  zuerst  wie- 
der ans  Licht  zog,  ja  dass  er  sie  wahrscheinlich  auch  abkürzte,  weil 
einzelne  Andeutungen  im  Werke  seihst  verrathen,  dass  es  eine  grös- 
sere Anzahl  von  Biographie« n  enthalten  hat.  Ob  übrigens  diese  Ab- 
kürzung nur  darin  besteht,  dass  er  blos  einen  Theil  der  Biographiccn 
abgeschrieben  und  die  anderen  weggelassen  hat,  oder  ob  von  ihm  auch 
einzelne  Stücke  aus  den  abgeschriebenen  Vitis  seihet  herausgestrichen 
worden  sind,  das  ist  zur  Zeit  noch  nicht  gnügend  erörtert.  Allerdings 
scheinen  einzelne  Spuren,  namentlich  ein  Zeugniss  des  'Pluto ich  in 
Compar.  Pclop.  et  Mar.  1.,  das  mit  der  Vita  llannih.  cop.  5.  e\tr.  in 
Widerspruch  tritt,  auf  Abkürzung  der  letztgenannten  Art  hinzudeuten; 
allein  da  jenes  Plutarchischc  Zeugniss  auch  auf  ein  anderes  Geschichts- 
werk des  INcpoä  sich  beziehen  könnte,   und  da  weitere   Spuren   nur  aus 


474  Schul-  und  Univers  itütsn  ach  richten, 

den  vorhandenen  Vitis  excell.  imper.  entnommen  werden  können  ,  so 
gilt  es  noch ,  genauer  zu  untersuchet) ,  oh  sieh  Lücken  und  Wider- 
spräche  auffinden  lassen,  die  durch  die  Annahme  absichtlicher  Verkür- 
zung am  leichtesten  erklärt  werden  können.  Jedenfalls  steht  aber 
schon  jetzt  fest,  dass  man  den  Probus  höchstens  als  einen  Epitomator 
der  Art  denken  darf,  der  zwar  aus  den  einzelnen  Biographieen  viel- 
leicht einzelne  Sätze  und  Stücke  weggelassen,  wahrscheinlich  aber  die 
Darstcllungsform  und  Sprache  entweder  gar  nicht  oder  nur  unbedeu- 
tend verändert  hat,  ganz  gewiss  kein  Epitomator  im  gewöhnlichen 
Sinne  des  Wortes  gewesen  ist.  Wird  übrigens  diese  Frage  über  den 
Antheil,  den  Probus  an  diesen  Vitis  hat ,  erst  entschieden  sein;  dann 
wird  sich  auch  die  Frage  über  den  Zweck  dieser  Vitae  sicherer  bestim- 
men und  zugleich  beantworten  lassen,  ob  die  in  ihnen  vorkommenden 
historischen  Irrthümer  und  Unwahrheiten  allein  dem  Verfasser  zur  Last 
fallen  oder  zum  Theil  auch  durch  den  Epitomator  verschuldet  sind. 

[J.J 
WtfitTEMitEHG.  Am  30.  Dec.  1839  starb  zu  Stuttgart  der  Prof.  am 
ohern  Gymnasium  ,  Ernst  Friedrich  Hochstelter.  Er  war  geboren  den 
25.  Qetober  1785  au  Tübingen,  wo  sein  Vater  Diaknnus  war  und  gc- 
noss  den  ersten  Unterricht  in  der  unter  Rector  Huttens  Leitung  blü- 
henden anatnlischen  Schule  seiner  Vaterstadt.  Im  Herbst  1798  er- 
folgte seine  Aufnahme  in  die  Klosterschule  zu  üenkendorf,  von  wo  er 
im  Jahre  1800  in  die  zu  Maulbronn  überging.  Von  da  wurde  er  im 
Herbste  184)2  in  das  evangelische  Seminar  zu  Tübingen  aufgenommen 
und  hier  war  es,  dass  er  5  Jahre  lang  mit  unermüdetem  Fleisse  und 
immer  steigendem  Interesse  das  ganze  Feld  der  mathematischen  und 
physikalischen  Wissenschaften,  soweit  es  damals  sich  ausdehnte,  unter 
Bohnenhergers  und  Pfleidcrers  Leitung  dnrchiuass.  1807  wurde  er 
Mausichrer,  180!)  Repetent  am  ev.  Seminar  zu  Tübingen,  1811  machte 
er  eine  Reise  nach  Paris  durch  das  mittägl.  Frankreich  und  die  Schweiz. 
Zurückgekehrt  wurde  er  (üctober  1812)  Garnisonsprediger  zu  Lud- 
vvigsburg,  zugleich  mit  dem  Auftrage,  den  jüngeren  Officieren  des  Ge- 
ueralquartiermeisterstabs  Vorlesungen  über  mathemat.  und  physikal. 
Erdbeschreibung  zu  halten,  welche,  weiter  ausgeführt,  1820  —  23 
durch  den  Druck  bekannt  und  mit  Beifall  aufgenommen  wurden. 
1818  —  23  war  er  Prof.  der  Mathematik  an  dem  neuerrichteten  land- 
wirthschaftl.  Institut  zu  Hohenheim  ,  von  1823  an  aber  bis  zu  seinem 
Tode  wirkte  er  in  Stuttgart  als  Prof.  der  Physik  am  oberen  Gymna- 
sium, seit  1838  zugleich  als  Lehrer  der  Physik  an  dem  Katharinenin- 
stitute  (für  Mädchen)  daselbst.  —  Unterm  15.  Januar  1840  wurde  Pri- 
vatdocent  Dr.  Heermann  in  Heidelberg  zum  ausserordentlichen  Prof. 
der  innern  Heilkunde  und  Mitglied  der  medicinischen  Facultät  in  Tü- 
bingen ernannt;  unterm  13.  Febr.  der  durch  seine  Schrift  über  die  Ein- 
segnung gemischter  Ehen  bekannt  gewordene  Professor  der  katholi- 
schen Facultät  daselbst ,  Dr.  Marlin  Joseph  Mach ,  von  1830  —  1810 
Rector  der  Universität,  unter  Vorbehalt  seines  Titels  und  Ranges  auf 
die  rcichdotirtc  Pfarrei  Ziegelbach  ,    Dekanats  Waldsec  ,  versetzt ,  und 


Beförderungen  und  Ehrenbezeigungen.  475 

unterm  19.  Fclir.  dem  ausserordcntl.  Prof.  der  staatswirthschaftl.  Fac. 
zu  Tübingen  Dr.  Sckott  von  Schottcnslein  die  nachgesuchte  Dienstent- 
lassung zum  Behuf  der  Annahme  einer  auswärtigen  Stelle  (des  Wald- 
meister-Amtes in  Frankfurt  a.  M.)  ertheilt.  —  Am  21.  Februar  1840 
starb  zu  Stuttgart  Johann  Daniel  Georg  von  Memmingcr ,  geh.  zu  Tü- 
bingen den  lb".  April  1713.  Seine  Eltern  bestimmten  ihn  zu  dem 
geistlichen  Stande,  daher  er  die  in  Württemberg  übliche  Laufbahn 
durch  die  niederen  und  das  höhere  Seminar  durchlief.  Im  J.  1802 
wurde  er  zum  Präceutor  an  der  lateinischen  Schule  zu  Canstatt  er- 
nannt und  beschäftigte  sich  als  solcher  viel  mit  statistischen  und  histo- 
rischen Arbeiten  und  gab  eine  sehr  schätzbare  Beschreibung  von  Can- 
statt heraus.  In  Folge  dessen  wurde  er  im  J.  1820  als  Halb  bei  dem 
statistisch-topographischen  Bureau  zu  Stuttgart  angestellt.  Im  J.  1822 
■wurde  er  Mitglied  des  neuerrichteten  Vereins  für  Vaterlands- Kunde, 
1828  Rath  bei  der  gleichfalls  neu  errichteten  Obcrzolladmitiistralion 
und  erhielt  1830  das  Ritterkreuz  des  würtembergischen  Kronordens  und 
den  Titel  eines  Ober-Finanz-Raths.  —  Unterm  20.  Februar  wurde  der 
bisherige  ausserordentliche  Professor  der  juridischen  Facultät  zu  Tü- 
bingen Dr.  Lang  zum  Ordinarius  ernannt;  unterm  2.  März  wurden  die 
Mitglieder  des  Vereins  für  Vaterlandskunde ,  Prof.  Pauly  und  Rcctor 
Uebelen  in  Stuttgart  zur  Theilnahme  auch  an  den  Arbeiten  des  stati- 
stisch-topographischen Bureaus  berufen  und  unterm  11.  März  der  Prof. 
der  staatswirthschaftl.  Facultät,  liobert  von  Mold  zum  Rector  der  Uni- 
versiiät  Tübingen  für  das  Studienjahr  1840  —  41  ernannt.  —  Durch 
ein  königl.  Decret  vom  8.  April  1840  wurde  Staatsrath  von  liiclmcyer  in 
seiner  bisherigen  Eigenschaft  als  Director  der  kön.  öffentlichen  Bibliothek 
in  Stuttgart  und  der  damit  verbundenen  wissenschaftlichen  Sammlun- 
gen des  Staates  wegen  seines  vorgerückten  Alters  in  den  Pensionsstand 
versetzt  und  demselben  zugleich  in  Anerkennung  seiner  ausgezeichneten 
Verdienste  um  die  Wissenschaft  der  Friedrichsorden  verliehen,  und 
die  hiedurch  in  Erledigung  gekommene  Vorstandschaft  bei  den  gedachten 
Sammlungen  des  Staates  dem  Ober-Regierungsrath  von  liöstlin  in  der 
Eigenschaft  eines  vviederruflichen  Nebenamtes  übertragen  und  dafür 
dein  Letzteren  unterm  15.  April  die  nachgesuchte  Enthebung  von  der 
Stelle  eines  Mitgliedes  der  kön.  Aufsichtsconimission  über  die  Irren- 
heilanstalt Winnenthal  gewährt.  —  Der  Tübinger  Universilätskata- 
log  für  das  Sommersemester  1840  zählt  1!)  Univereitäts-Institute  und  55 
Lehrer  auf,  welche  letztere  sich  in  die  einzelnen  Facnltäten  folgender 
Maasscn  vertheilen:  1)  Evangelisch- theologische  Facultät  7,  nämlich 
4  ordentliche  Professoren  (/lern,  v.  liaur,  Schmid ,  Kl  wert)  ,  2  Re- 
petenten (Oehlcr  und  Zeller)  und  1  Hülfslehrcr;  2)  kafholisch-thcol.  F. 
5,  nämlich  2  ordinarii  (v.  ürey ,  Kuhn),  2  extraord.  ( Hrfelc  und 
Weite)  und  1  Privatdocent  (Graf);  3)  juristische :  8,  worunter  6  or- 
dertlichc  (Schröder,  Michaelis,  Ilcpp,  Jicyschcr ,  Mayer,  Lang)  und  2 
Privatdoccnten  (Kustlin  und  Hruns);  4)  medicinische  :  15,  nämlich  8 
ordentliche  (Fcrd.  v.  G'n/cZ/n,  Chr.  Gmelin  ,  von  liapp ,  von  lliecke ,  Au- 
tenrieth,   Hugo  Mold,  Sigwart ,   liaur),  2  ausserordentliche  (^f  leermann 


476  Schul-  und  Universitätsnach  richten, 

und  Mcrlclin) ,  4  Privatdocenten  (Franclc ,  F.  G.  Maier,  IL  Meyer, 
Wunderlich)  und  1  Hülfslehrer ;  5)  philosophische  Fac.  15,  worunter 
7  ordinarii  (Jäger,  II.  C.  W.  v.  Sigwart ,  Tafel,  Hang,  Nörrenberg, 
Ewald,  Walz),  5  extra  ordinarii  (Hohl,  Fischer,  Fischer,  Pesehier, 
Qucnstedt) ,  2  Privatdocenten  (Off erdinger  und  Keller)  und  ein  Hälfe-» 
lehrer;  (>)  stantswirthschafttichc  F.  mit  5  Professoren ,  nämlich  2  or- 
dentlichen (v.  Poppe,  v.  Mold)  und  drei  ausserordentlichen  (Schütz, 
Fallali ,  HoffmamtX.  Iliczu  kommen  noch  :  1  Stallmeister,  1  Musik- 
director,  2  Zeichnungslehrcr,  1  Fechtmeister ,  endlich  1  Tanzmoistcr 
Jene  55  Doccnten  haben  zusammen  118  Yorlcsniigen  angekündigt,  wo- 
von auf  die  evangelisch-theol.  Facultät  11  kommen,  auf  die  katholisch 
theologische  12,  die  juristische  l(i,  die  medicinische  31,  die  philo- 
sophische 30,  die  staatswirthschaftliche  ö.  Neu  sind  in  dem  Ver- 
zeichnisse die  Docenten :  Elwert,  Bruns ,  Heermann ,  II.  Meyer,  ff'un- 
dcrlich.  Dr.  Elwert  wird  wegen  Kränklichkeit,  Dr.  lischer  weil  er 
sich  noch  auf  der  Heise  befindet,  seine  Vorlesungen  erst  später  anfan- 
gen; Rep.  Ochlcr  wird,  weil  ihm  ein  anderer  Wirkungskreis  zu  Theil 
geworden,  Dr.  Küsllin,  weil  seine  Gesundheit  schwankend  ist,  die  au- 
gekündigten Vorlesungen  nicht  halten.  Von  eigentlich  philologischen 
Vorlesungen  sind  angekündigt:  von  Prof.  Tafel  Encyklopädie  der  grie- 
chischen Dichter,  Geschichtschreiber  und  liedner  in  5  Stunden,  klei- 
nere Schriften  des  Tacitua  in  4,  Agamemnon  des  Aeschylos  und  grie- 
chische Styl  Übungen  im  philologischen  Seminar;  Prof.  Walz;  Phi- 
Soktct  des  Sophocles  und  Poetik  des  Aristoteles  in  4,  die  Satyren  des 
Persius  in  2  Stunden,  lleautontimorumenos  des  Terenz  und  lateinische 
Styliibungen  im  philologischen  Seminare.  Wilhelmstiftsdirector  Schott 
setzt  seine  Vorlesungen  über  die  Grundsätze  der  Erziehung  und  des 
Unterrichts  in  3  Stunden  fort  und  verbindet  damit  die  Erklärung  der  in 
Würtemberg  bestehenden  Gesetze  und  Verordnungen  über  das  Volks - 
Schul-Wesen.  —  Die  in  Canstatt  bei  der  letzten  Grabung  eines  Kellers 
in  einer  Fläche  von  8  iluthen  aufgedeckte  und  ohne  besondere  Sorg- 
falt ausgegrabene  römische  Schicht  (welche  um  5  Fuss  unter  der  ge- 
genwärtigen Oberfläche  liegt)  gab  folgende  Ausbeute:  (i  silberne  Mün- 
zen (4  Julia,  1  Maximinus,  1  Severus),  2  kupferne  (1  Severus,  die 
andere  war  unleserlich),  1  sehr  schön  gearbeiteter  Löffel  von  Bronce, 
ein  broncener  Fingerring  mit  einem  blauen  Stein,  in  dem  eine  Vesta 
eingegraben  ist,  1  grosse  pfriemenförmige  Nadel,  broncene  Zierra- 
then  verschiedener  Art,  Stücke  von  Kupfer  und  Blei,  Nägel,  eine 
eiserne  Haue,  Knochen  von  Pferden,  Ochsen  und  Schweinen ,  Ge- 
schirrscherben von  terra  sigillata,  römische  Ziegel,  grosse  zugespitzte 
Sandsteine,  Reste  von  künstlichen  Wägen  u.  s.  w.  Die  jüngste  über- 
haupt in  Canstatt  gefundene  Münze  ist  vom  Jahre  248,  von  M.  J.  Phi- 
lippus.  Der  dortige  Boden  hätte  sich  also  in  1500  Jahren  um  5  Fuss 
erhoben.  —  Von  der  „Süddeutschen  Schulzcitung  für  Gelehrten-  und 
Realschulen"  herausgegeben  von  Frisch,  Keim,  Pf  äff,  Schall  und 
Schmid  (s.  NJbb.  XXVII,  2,  S.  236  ff.)  ist  neulich  das  zweite  Heft -er- 
schienen (Stuttgart,  F.  H.  Kühler  1830.  8.  98  S.).      In    der  „  Vorcrin- 


Bef  övdcr  ungcn   und  Ehrenbezeigungen.  477 

ncrung"  (S.  12.)  verlhcidigt  sich  die  Redaclion  gegen  die  von   M.  Jahn 
in  den  NJbb.  X\1V,  4.  S.  442.  an  dein  „Cnrresuondenzblattc  für  Lehrer 
an    den   Gelehrten-  und    Realschulen   Württembergs "  (als  dessen  Fort- 
setzung diese  Süddeutsche  Schulzeitung  betrachtet  sein  Avil!)  gemachten 
Ausstellungen    und    hebt    in    dieser  Beziehung  namentlich  hervor,   dass 
der  Mangel  an  Einheit  des  Principe  und    der    Tendenz    weder    der   Re- 
daction,     noch    der    Zeitschrift    zum    Vorwurf  gereichen  Könne  ,  indem 
diese  ein  Sprechsaal  für  die  humanistische   wie   für  die  realistische  An- 
sicht und  für  die  verschiedenen   Richtungen   innerhalb  dieser  selbst  zu 
6ein  bestimmt  sei.      Darauf  folgt  (S.  3  —  18)  ein   wohlgemeinter  Auf- 
satz in  31  §<§  ,  mit  der  leberschrift :   sin  Jugendfreunde  für  die  Jugend. 
Der  Verfasser  hat  sich   nicht   genannt,    ist   alter  t     worauf    innere    und 
äussere  Gründe  führen ,   ohne  Zweifel  identisch  mit  dem   Verfasser  des 
Aufsatzes   im    zweiten    Hefte    der    deutschen    Vierteljahrschrift ,   Jahrg. 
1840,   S.  122  —  203  (80  §§)  welcher  die  Ueberschrift  hat:    Für  unsere 
Vorprüfung  und  Vorbereitung    zu   den   höhern   Uniccrsitätsstudien,    oder: 
Wie  möchte  unsere  deutsche  Jugend,   um  zu  diesen  Studien  zugelassen   zu 
werden ,  vorgeprüft  und  wie  dazu ,    auch  unter  Einwirkung  der  Regie- 
rung  vorbereitet   werden?    und    die  Unterschrift    C.   Z(ellcr?).       In   der 
vorliegenden  Abhandlung  wird  (§  29)  als  Resultat  der  Wunsch   ausge- 
sprochen, „dass  die  Regierungsbehörden  1)  bei  den   öffentlichen   Prü- 
fungen  nicht  mehr  blos   das   Wissen   der  Knaben  und  Jünglinge,  son- 
dern auch   die  Art,    mit  welcher  denselben  dieses  Wissen  beigebracht 
wurde    und    den    sonstigen    gei.stigen    Gehalt  der  Examinanden ,  2)  bei 
den  Visitationen  der  Schulen  nicht    blos   die    Schüler  als    die  Producte, 
sondern  auch  die  Lehrer  als  die  Producenten  und  den  ganzen  Geist  der 
Schule    möglichst  erforschen    lassen,    nach  den  Gesichtspunkten  Nr.  1, 
3)  auf  da*  Lehren,   das  Kräfte  (und  zwar  alle,    in   rechter  Stufenfolgo 
und  Harmonie)  entwickelt  und  stärkt,   wie  auf  diejenige    Disciplin   und 
ganze  Behandlung,    welche  der   Jugend    nicht    nur    angemessenes    und 
gründliches  Wissen  und  Können,   sondern  auch  sittliche  Güte  und  Kraft 
und    dazu    eine    acht    religiöse    Gesinnung  und  Richtung  (diese  jedoch 
auf  eine   Art,    die  der  jugendlichen    Natur  nicht  widerstrebt ,  dieselbe 
nicht  zu  sehr  beengt,   nicht  mit  Parteigeist  erfüllt,    nicht  zur    Heuche- 
lei   verleitet)   zu    gehen    geeignet   ist,    den  verdienten   Werlh  legen,    4) 
dieses  (Nr.  1  —  3),   sei  es  Schritt  für  Schritt,  oder  in  Einem  Act  voll- 
ständig —  aber  mit  Milde  und  Vertrauen  —  (nicht  befehlen,  sondern) 
erklären  ,  diese  Erklärung  jedoch  durchgreifend  und  kräftig   (dass    man 
bald  sieht,   es  sei  Ernst,  das  Erklärte  gelte  nicht  blos  auf  dem  Papier) 
bethätigen."       Ich   habe   diese   Stelle   ganz  ausgehoben,   weil  sie  nach 
Form    und  Inhalt  für  den   ganzen  Aufsatz  so  bezeichnend  ist,   dass  ich 
mich    einer   weitern    Charakteristik    desselben  enthalten  kann.      Darauf 
folgt  (S.  19  —  20)  ein  rellcclirender  Bericht  über  die  zircitc   Versamm- 
lung deutscher   Philologen    und  Schulmänner  von    Schmid  und  Schall;  S. 
29  —   31   ein   anonymes   Culuchtcn  eines   Lehrers  für  einen    Vater,    der 
durch  die  von  Thicrsch  in  Mannheim  gehaltene   Rede   an  dem    Jl'erth  der 
Realschulen   irre  geworden   war}     ein    Votum   in   der  Streitsache  zwischen 
den  lateinischen  und  den  Realschulen,      Der  Inhalt  dieses  Gutachtens  lässt 


478  Schul- und  Universitätsnachrichten, 

sich  so  zusammenfassen:  Eine  Vereinigung  der  humanistischen  und  der 
realistischen  Richtung  ist  unzweckmässig ,  weil  hei  einer  solchen  Coa- 
lition  keine  von  heiden  gedeihen  würde;  um  den  rechten  Nutzen  von 
den  classischen  Studien  zu  haben ,  muss  man  sie  bis  ins  Jünglingsalter 
hinein  betreiben  ,  was  aber  —  ganz  ausgezeichnete  Köpfe  ausgenom- 
men —  ein  Zurückbleiben  in  den  Kealkenntnisscn  oder  gar  Abneigung 
vor  industriellen  Fächern  zur  Folge  hat,  und  unigekehrt  ist  es  daher 
purer  Zeitverlust,  wenn  man  neben  realistischen  Studien  auch  noch 
Latein  lernt;  denn  classische  Bildung  bekommt  man  durch  das  Bischen 
Latein,  das  da  getrieben  werden  kann,  überall  nicht.  Man  muss  da- 
her darauf  verzichten,  zwei  Mücken  auf  Einen  Schlag  bekommen  zu 
wollen;  entweder  muss  man  in  die  Realschule  gehen  und  auf  classische 
Bildung  Verzicht  thun ,  orfer  man  muss  die  Gelehrtenschule  besuchen 
und  mit  seiner  ganzen  Kraft  sich  auf  classische  Studien  werfen.  Ter- 
tium  non  datur.  Im  Grunde  sagt  dieser  die  Sache  auf  die  Spitze  stel- 
lende Aufsatz  nichts  Neues.  Es  ist  eine  allbekannte  sich  ganz  von 
eelbst  verstehende  Wahrheit ,  dass  man  es  in  jeder  Wissenschaft  nur 
dann  zur  Virtuosität  bringt,  wenn  man  ihr  all  seine  Zeit  und  Kraft 
widmet.  So  ist's  überall.  —  Denselben  Gegenstand  nur  specieller  ge- 
fasst,  behandelt  der  Aufsatz  von  C.  Neuffer:  die  niedern  Realschulen 
und  ihr  J'crhältniss  zu  den  lateinischen  oder  gelehrten  Schulen  (S.  31  — - 
43).  Hr.  X.  fasst  am  Schlüsse  selbst  den  Inhalt  seiner  Abhandlung  in 
der  Art  zusammen,  dass  er  erklärt,  was  er  wünsche,  sei  diess  ,  „dass 
der  Realismus,  nachdem  er  sich  als  ebenbürtig  und  gleichberechtigt 
dem  Humanismus  an  die  Seite  gestellt,  sich  der  in  solchem  Umfange 
angesprochenen  und  erworbenen  Rechte  dadurch  theilhaft,  aber  auch 
würdig  erhalte,  dass  er  in  solcher  Verbindung,  in  der  Berührung  und 
der  Verwandtschaft  der  Principien  und  Elemente  bleibe,  die  allein  sein 
selbstständiges  und  eigentümliches  Gebiet  befruchten  können.  So 
wird  er  die  Besorgnisse  der  Einen  beseitigen  ,  die  Hoffnungen  der  An- 
dern erfüllen,  und  dazu  beitragen,  dass  der  ihn  in  sich  aufnehmende 
Humanismus  mehr  und  mehr  wieder  in  der  Würde  und  der  Bedeutung 
anerkannt  wird  ,  in  welcher  dieses  Wort,  nicht  mehr  als  blosse  Zeit- 
oder sogar  Partei- Bezeichnung,  sondern  in  ewig  gültigen  Ausdrucke 
die  edelsten  und  segensreichsten  Bestrebungen  des  menschlichen  Geistes 
begreift,  sofern  diese  dem  Gebiete  der  Schule  und  des  Unterrichtes 
angehören."  Näher  werden  die  Fragen  beantwortet:  für  wen  sind  die 
niedern  Realschulen  bestimmt?  (Vorzugsweise  für  den  Bürger-  und 
Gewerbe -Stand.  Doch  sollen  auch  die  höhern  Industriellen  von  ihnen 
nicht  ausgeschlossen  werden.)  Was  haben  sie  ihren  Zöglingen  zu 
leisten?  („Eine  auf  wissenschaftlichen  Elementen  und  humanistischen 
Grundsätzen  ruhende,  die  nur  hierdurch  erreichbare  praktische  Tüch- 
tigung  und  sittliche  Kräftigung  erzielende,  in  Unterricht  und  Erzie- 
hung, so  viel  diese  der  Schule  angehört,  gleichmassig  sich  bethätigende 
Berufs-  und  Lebens  -  Bildung.  ")  Welches  soll  ihr  Lehrstoff  sein? 
(Latein  ist  überflüssig,  dafür  französische  und  deutsche  Sprache;  dem 
Sprachunterricht  im  Ganzen  soll  ein  Drittheil  der  gesammten  Unter- 
richtszeit zugewiesen  werden;    dann  noch  Zeichnen  und  Mathematik.) 


Beförderungen  und  Ehrenbezeigungen.  479 

Welches  ihr  Zusammenhang  mit  den  ohern  Realschulen  ?  (Sic  sind  nicht 
hlos  zur  Vor-  und  Zu  -  Bildung  für  die  ohern  da,  ßondern  sie  haben 
ihre  Bedeutung  für  sich  und  können  daher  nuch  ohne  obere  existiren.) 
Welches  ihre  Verbindung  mit  den  lateinischen  Schulen?  („das  Wesen 
und  der  Werth  einer  solchen  Verbindung  setzen  wir  darein,  dass  die 
■ledern  Realsch.  in  von  der  untersten  bis  zur  obersten  Classe  parallel 
mit  den  lateinischen  laufenden,  mit  eigenen  Lehrern  besetzten  Abtei- 
lungen errichtet,  unter  einen  mit  der  lateieischen  Schule  gemeinsamen 
Vorstand  gestellt,  der  Lehrplan  auf  den  Grund  collegialischer  Bera- 
thung  hin,  und,  \ro  eine  ohere  Realschule  besteht,  unter  Comniuni- 
ention  mit  dem  Hauptlelircr  derselhen  von  jenem  gemeinsamen  Vor- 
staude entworfen  und  überwacht,  die  Anwendung  gleicher  disciplina- 
rischcr,  pädagogischer  und  didaktischer  Normen  und  Grundsätze  be- 
werkstelligt und  z.  B.  jene  gegenseitige  Durchdringung,  Förderung 
und  Befestigung  der  bei  aller  äussern  und  iunern  Selbstständigkeit 
doch  enger  verbundenen  humanistischen  und  realistischen  Zwecke  er- 
zielt Meide,  von  der  vir  allein  auf  diesem  Gebiete  und  in  diesen 
Kreisen  nachhaltige  und  reichhaltige  Ergebnisse  uns  versprechen  kön- 
nen.") —  Hierauf  folgt  (S.  -18  —  52)  die  „Probe  einer  Ueberseizung 
des  Curtius  IV,  2  —  4.  "  von  Mezger  und  S.  53  —  58  eine  lateinische 
Ueberseizung  der  Stelle  aus  Kohlrauseh's  deutscher  Geschichte  für  Schu- 
len, S.  66  ff.  ed.  10.,  von  Prof.  Schall.  Die  Uebcrsetzung  dürfte  als 
gelungen  zu  bezeichnen  seih;  nur  ist  zu  tadeln,  dass  zu  oft,  um  eine 
Reminiscenz  aus  einem  lateinischen  Schriftsteller  anzubringen,  von 
dem  einfachen,  zunächstliegenden  Ausdrucke  abgegangen  wird.  Auch 
lassen  sich  kleine  stilistische  Ausstellungen  machen,  wie  z.  B.  dass  es 
S.  55  heisst:  Marius  a  latere  prosecutus ,  ne  imprudentem  adoriri  se  pos- 
sent ,  —  ad  Aqua»  Scxtias  consedit  (statt  ipsum  oder  blos  imprudentem), 
—  S.  5!)  —  65  eine  Fortsetzung  von  Scheiffele's  Beiträgen  zu  Krebs 
Antibarbarus ,  welche  sich  über  die  Buchstaben  b  und  c  verbreitet. 
Doch  kann  Ref.  bei  weitem  nicht  mit  Allem  sich  einverstanden  erklä- 
ren, z.  B.  wenn  es  S.  65  wörtlich  so  heisst:  „cvltura,  sagt  Krebs,  kann 
für  Bildung  gar  nicht  gebraucht  werden."  Wie  nun  aber,  wenn  Cic. 
(Tusc.  II.  5,  15.)  sagt:  „cullura  animi  philosophia  est?"  Es  hätte 
sollen  gesagt  sein,  ohne  bestimmenden  Beisatz  sei  cullura  (:  —  Bildung) 
nur  dichterisch.  Vgl.  Hör.  Epist.  I,  1,  40.  Curt.  (VII,  8,  11.)  sagt: 
eultiora  ingenia  sortiti.  Es  ist  klar,  dass  Hr.  S.  hier  heim  Acusser- 
lichcn  stehen  geblieben  ist,  ohne  auf  den  innerlichen  Grund  zurück- 
zugehen*). Dass  ein  bestimmender  Beisatz  hei  cultura  nöthig  ist,  hat 
einfach  darin  seinen  Grund,  dass  dieses  Wort  nur  in  activem  Sinne 
(=  da*  Bilden),  nicht  aber  in  dem  Sinne  von  Gebildetsein,  wie  wir 
das   Wort  Cultur  brauchen,   gebraucht   werden  kann.      Doch  auch  des 


*)  Dieselbe  Be^andtniss  hat  es  auch  mit  Scheiffele's  Bemerkung  über 
contenderc.  S.  64  heisst  es  nämlich:  „Auch  dass  contendere  nicht  absolut 
gebraucht  werden  dürfe  in  der  Bedeutung:  wie  Cajus  behauptet,  war  zu 
bemerken.  Also  nicht:  ut  Cujus  conlcndit :  denn  Cel.sus  (der  es  in  seiner 
praef.  so  gebraucht)  darf  nicht  dafür  angeführt  werden.  "  Allerdings  ist 
es  unlateinisch  zu  sagen:  ut  Cajus  conlcndit.    Der  Grund  davon  liegt  aber 


480  Schul-  u.  Univcrsitütsnachrr.,  Befördcrr.  u.  Ehrenbezeigungen. 

Beachtenswerten  findet  sich  Vieles  in  diesem  Aufsätze.  Dasselbe  gilt 
von  den  „etymologischen  Bemerkungen  zu  Kareliers  Schulwörterbuch1'' 
(S.  66  —  69),  von  ,,Pr.  Seh.  in  W. ,  "  die  aber  aucli  vieles  Bekannte 
enthalten.  —  S.  69 —  71:  ,,  Bemerkungen  zu  dem  Aufsulze :  über  das 
Fehlerhafte  unserer  Aussprache  des  Lateinischen  (Südd.  Schulz.  1839,  H.  1. 
S.  36  —  31  —  53.)  von  S.  Hier  wird  an  dem  Beispiel  der  Aussprache 
des  u  als  slawisches  y  gezeigt,  dass  eine  bessere  Aussprache  des  Latei- 
nischen thells  in  thesi  noch  nicht  so  fest  ausgemacht  sei,  dass  sie  als- 
bald im  Praktischen  eingeführt  werden  könnte,  thcils  in  praxi  auf 
grosse,  hier  namentlich  physische  Schwierigkeiten  stosse.  —  S. 
71  —  75.  von  Schmitt  in  Esslingen :  Noten  zu  den  Noten  in  der  griechi- 
schen Chrestomathie  von  Bäumlein  und  Pauly ,  die  meist  richtig  und 
brauchbar  sind,  aber  noch  Vieles  zu  sagen  übrig  lassen.  Hierauf  fol- 
gen (S.  76  —  94.)  kurze  Recensionen  und  zwar  zuerst  (S.  76  —  89) 
über  die  achte  Aufl.  von  Zumpts  lai.  Gramm,  (von  J.  C.  Keim) ,  worin 
besonders  die  §§  376.  f.  379.  395.  f.  448.  467.  489.  500.  504.  569.  510. 
579.  647.  in  der  Art  besprochen  werden ,  dass  bald  zu  weiterer  Bestäti- 
gung von  Zumpts  Behauptung  neue  Belege  aufgeführt,  bald  aber  auch 
Uuvullstündtgkciten ,  Widersprüche  und  Ungenauigkeiten  dieser  Gram- 
matik hervorgehoben  werden.  S.  80  —  87  von  Schall  eine  Anzeige 
über:  Scyfferts  Ausg.  von  Caes.  comm.  de  b.  galiico  (1836),  Fabri's 
Edition  von  Livius  XXI.  XXII.  (1837),  Nägelsbaeh's  Uebungen  des  lat. 
Styls  (1837),  Handys  prakt.  Handbuch  für  Uebungen  im  lat.  Styl  (1838), 
welche,  der  Tendenz  dieser  Schulzeitung  gemäss,  mehr  Erfahrungen 
des  Uec.  über  diese  Bücher,  als  eine  eigentlich  wissenschaftliche  und 
vollständige  Beurtheilung  giebt.  S.  88  —  90  Svhmids  Anzeige  von 
Niebuhr  's  Brief  an  einen  jungen  Philologen  u.8.  w.  herausgg.  von  Jakob 
1839.  S.  90  —  92  zeigt  Knoll  llrahlerCs  Anleitung  zum  Sprechen  des 
Französischen  (1837)  an,  S.  92  —  94  macht  ein  Anonymus  auf  Nüde- 
liiis  „methodische  Anleitung  zum  Schön-  u.  Schnell-Schreibcn  ,  nach 
Carstairs'schen  Grundsätzen  für  Elementarschulen  wie  für  lateinische  u. 
Realanstalten ".  (1839)  aufmerksam.  Den  Beschluss  machen  Miscellen 
(S.  95  —  98),  Lesefrüchte  enthaltend,  denen  ein  Vorschlag  von  Schall 
vorausgeht,  Schulgebete  in  der  südd.  Schulz,  niitzutheilen,  da  auch  die 
besten  Schulgebete,  wenn  sie  mehrere  Jahre  lang  bei  den  nämlichen 
Schülern  gebraucht  werden,  von  ihrer  Wirksamkeit  verlieren.  Ueber- 
haupt  verdient  das  Bestreben  der  Red  actio  n.,  der  Schulzeitung  allmä- 
lig  einen  mannichfaltigeren  ,  auf  das  ganze  Schulwesen  nach  seiner 
speciellsten  Seiten  sich  erstreckenden  Inhalt  zu  geben  und  der  Be- 
sprechung immer  mehr  neue  Bette  zu  graben,  alle  Anerkennung. 

[ml.] 

nicht  in  dem  Worte  contendo ,  sondern  vielmehr  in  ut.  Denn  ebenso  un- 
classisch  wäre  ein  Satz  wie  dieser:  Cujus,  ut  supra  dixi ,  e  earecre  eru- 
pit ,  ansatt  quod  dixi,  oder  nach  Umständen,  ca,  qua  dixi,  ratione.  Dess- 
wegen  wird  es  aber  doch  Niemand  einfallen,  zu  sagen,  dico  dürfe  nicht 
absolut  gebraucht  werden. 


Inhalt 

von  des  achtund zw einzigsten  Bandes  viertem  Hefte» 

Matonis  opera,  recognoverunt  Baiterus,  Orellius,  Winckelmannus.  — 

Vom  Rector  Prof.  Slallbaum  in  Leipzig S.    355  —  375 

hiander:    Lehrbuch  zum  christlichen  Religionsunterricht.  —  Vom 

Professor  Hauff  in  Schönthal.       .     _    .         .         .         .         .    -     376— 401 

'ierzoer :    Stoff  zu    stylistischen  Uebungen  in  der  V«        ^ 

t\t  ..  u  I  Vom    Gymna- 

IMuttcrsnrache.  .         .         .         .         .  J    .  , ,.      J. 

»    ii  rl.i  t  *  *'  i„.  j-    f  siakurector  u. 

iuehberger:     J  hemata    disposita  juventuti  laudis  r  TT  .        .  ... 

oratoriae  appetenti >      D    <•  401  —  406 

a-        j.       ii          nfi,    ,-,  [       Professor      ' 

iiersche:  Ideen  zu  otylubungen.  .         .         .  |    ^ 

~>                 ,,  ,,    j     i   ^    .      te  n  ,      .  i,   .    1  Kannegiesser 

iormann:  Äletnod.  Anweisung  zum  Unterricht  in  1  .     n     ?, 

i    j     .    i        ct  i-i  I in  Breslau.     . 

d.  deutschen  otylubungen.  .         ,         .  / 

bissen:    Kleine  latein.  u.  deutsche  Schriften.  ■ —  Vom  Subconrector 

Ameis  in  Mühlhausen -     407  —  428 

Vüntzer:  Kritik  und  Erklärung  der  Oden  des  Horaz.  —  Von  dems.    -     412  —  421 
ieil :  Specimen  Onomatologi  Graeci.  —    Vom   Professor  Klotz    in 

Leipzig -    428  —  438 

Schul-  und  Universitätsnachrichten,    Beförderungen  und  Ehrenbe- 
zeigungen        -    438  —  480 

Schnitze:    Bedeutung  und   Aufeinanderfolge   der   latein. 

Tempora -    439  —  440 

Hcffter:  De  Zenodoto  eiusque  studiis  Homericis.    .         .    -     440  —  443 
Malkowsky :  De  Jove ,  qualis  sit  apud  Homerum.  .         .    -  444 

Hantschke:  Schule  und  Zeitgeist.  .  .         .         .     -  444 

Freudenberg:    Quaestiones^historicae   in    Corn.  Nepotis 

vitas.         .        .         . -     445  —  446 

Rlnck:    Saggio  di  uu  Essame  critico  per  restituire  al    i 

Eni.  Probo  il  libro  de  vitis  excell.  imperatorum.  .    >    -     448  —  449 
Hermann:    Versuch  einer  kritischen  Prüfung  etc.        .   ) 
Kohen:  Considerazioni  sul  Saggio  di  un  Essame  critico  etc.    -  449 

Held:  Prolegomena   ad  vitam  Attici  etc.         .         .         .    -     450 — 451 

Jianke:    Coiumentatio  de  Corn.  Nepotis  vita  et  scriptis.    -     451  —  453 
Hähne :   Disputatio   de   vitis   excell.  imperatorum  etc.  i  .,0       ... 

Dähne:    Ueber    Corn.  Nepos ,    dessen  Schriften   etc.  ) 
Jliscly:     Disquisitfö   crit.    de   fontibus    et   auetoritate 
Corn.  Nepotis.       ....... 

ff 'ichers:  Dfequisitie  critica  de  fontibus  et  auetoritate  f  *-*       .rr 

_  Corn.  Nepotis. > 

JViggert:    De    Corn.  Nepotis    Alcibiade    quaestiones 
crit.  et  histor.        ....... 

Walicki:  De  Corn.  Nepote  dissertatio.  .         .         .    -     457  —  459 

Liebirkühn  -  Pohlmann :    De  auetore  vitarum ,    quae  sub 

nomine  Corn.  Nepotis  feruntur -     460  —  471 

Lütkenhus :  De  Corn.  Nepotis  vita  et  scriptis  commentatio.     -     471  —  472 
Nissen :    De    vitis ,    quae    vulgo    Corn.  Nepotis   nomine 

feruntur      ' -472  —  474 

Süddeutsche  Schulzeitung  für  Gelehrten-  u.  Realschulen    -    476  —  480 


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3 

N65 
Bd.  28 


Neue  Jahrbücher  für  Philologie 
und  Paedagogik 


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